Lovecraft, H. P. – Vom Jenseits. Horrorgeschichten

Preiswerter Einstieg in Lovecrafts Universum

Makabres, Unheimliches, Phantastisches: H.P. Lovecrafts (1890-1937) Ruhm als Meister des kosmischen Grauens entspringt der Fähigkeit, in seinen Erzählungen nicht nur Momentaufnahmen, sondern ganze Panoramen des Schreckens zu entwerfen. Lovecraft ist der Erfinder eines beklemmenden Horrors, der dann am effektivsten ist, wenn er dem Kopf des Lesers entspringt.

Die Sammlung „Vom Jenseits“ umfasst 32 Erzählungen, darunter „Cthulhus Ruf“ und „Das Grauen von Dunwich“ sowie den selten abgedruckten Kurzroman „Die Traumsuche nach dem unbekannten Kadath“. Neu übersetzt und erstmals zusammen in einem Band gesammelt, gehören diese Geschichten laut Verlag zu den Klassikern der Horrorliteratur. Mal sehn, ob das Buch diesen Anspruch einlösen kann.

Der Autor

Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) wird allgemein als Vater der modernen Horrorliteratur angesehen. Obwohl er nur etwa 55 Erzählungen schrieb, hat sein zentraler Mythos um die Großen Alten, eine außerirdische Rasse bösartiger Götter, weltweit viele Nachahmer und Fans gefunden, und zwar nicht nur auf Lovecrafts testamentarisch verfügten Wunsch hin.

Aber Lovecrafts Grauen reicht weit über die Vorstellung von Hölle hinaus: Das Universum selbst ist eine Hölle, die den Menschen, dessen Gott schon lange tot ist, zu verschlingen droht. Auch keine Liebe rettet ihn, denn Frauen kommen in Lovecrafts Geschichten praktisch nur in ihrer biologischen Funktion vor, nicht aber als liebespendende Wesen oder gar als Akteure. Daher ist der (männliche) Mensch völlig schutzlos dem Hass der Großen Alten ausgeliefert, die ihre Welt, die sie einst besaßen, wiederhaben wollen. Das versteht Lovecraft unter „kosmischem Grauen“. Die Welt ist kein gemütlicher Ort – und Einsteins Relativitätstheorie hat sie mit in diesen Zustand versetzt: Newtons Gott ist tot, die Evolution eine blinde Macht, und Erde und Sonne sind nur Staubkörnchen in einem schwarzen Ozean aus Unendlichkeit. Auf Einstein verweist HPL ausdrücklich in seinem Kurzroman „Der Flüsterer im Dunkeln“.

Die Erzählungen

Pickmans Modell (1927)

Der Großmeister des Horrors bemüht diesmal keine Großen Alten mit unaussprechlichen Namen, sondern ein paar simple Maler. Denkt man. Der Malerverein von Boston, Massachusetts, steht offenbar kurz davor, sein Mitglied Pickman auszuschließen. Seine Ansichten sind ja schon absonderlich, doch seine Motive sind – ja was? – grauenerregend.

Doch ein Kollege namens Thurber, der Ich-Erzähler, hält zu Pickman durch Dick und Dünn. Und so wird ihm die Ehre zuteil, Pickmans anderes Haus besuchen zu dürfen. Es liegt in einem uralten und verwinkelten Viertel, dem North Hill, nahe dem Corpse Hill Friedhof. Man sagt, das Viertel stamme aus dem 17. Jahrhundert, als im nahen Salem die Hexen gehängt wurden. Pickmans Ahnin sei eine davon gewesen, bestätigt der Künstler.

Die Motive der Gemälde und Studien, die Thurber zu sehen bekommt, sind noch um einiges erschreckender als das bislang Gesehene: Leichenfresser aus der Spezies von Mischwesen aus Mensch, Hund und Ratte, die Schläfern auf der Brust hocken (à la Füßli) und sie würgen.

Das Beste wartet aber im Keller, wo sich ein alter Ziegelbrunnen befindet, der möglicherweise mit den alten Stollen und Tunneln verbunden ist, die North Hill und den Friedhof durchziehen. Hier fallen Revolverschüsse, und Thurber gelingt es, ein Foto zu erhaschen, das die Vorlage zu Pickmans neuestem Gemälde zeigt. Was Thurber bislang für Ausgeburten einer morbiden Fantasie gehalten hat, ist jedoch konkrete, unwiderlegbare Realität …

Die Katzen von Ulthar

Die sehr kurze Story erklärt, wie es kam, dass in dem Städtchen Ulthar keine Katze mehr getötet werden darf. (HPL liebte Katzen.) Zu den geschilderten Ereignissen gehört auch das Eingreifen einer Göttin, der ägyptischen Gottheit Bastet.

Die Musik des Erich Zann (1925)

Diese kurze Geschichte ist sehr stimmungsvoll und detailliert erzählt. Sie spielt in Paris, und der „Student der Metaphysik“, der uns berichtet, findet die bewusste enge Straße nicht mehr, in der er in einem Mietshaus zum ersten Mal die Musik jenes stummen deutschen Geigers gehört hatte, den er als Erich Zann kennen lernte. Die Musik, die Zann ihm vorspielte, wenn sein Besucher im Zimmer war, ist normal: Fugen. Doch sobald er gegangen war, spielte er so unheimliche Melodien, dass den Studenten grauste. Bis zu jenem Tag, da der Besucher den Vorhang vor dem Fenster entfernte und die gähnende Schwärze des gierigen Kosmos dahinter schaute – und von dort eine Antwort erklang …

Die Anderen Götter

Der alte Weise Barzai wagt es, die Erdengötter auf ihrem heiligen Berg Hatheg-Kla zu besuchen. Wie sein Gehilfe Alar jedoch befürchtet, ereilt den Frevler am Gipfel ein schlimmes Schicksal: Er findet nicht die Erdengötter, sondern die Anderen Götter – und die lassen sich mit sich spaßen …

Cthulhus Ruf (1928)

Dies ist die grundlegende Erzählung, die jeder kennen muss, der sich mit dem Cthulhu-Mythos und den Großen Alten, die von den Sternen kamen, beschäftigt.

Der Erzähler untersucht die Hintergründe des unerklärlichen Todes seines Großonkels Angell, eines Gelehrten für semitische Sprachen, der mit 92 starb. Angel hatte Kontakt zu einem jungen Bildhauer namens Wilcox, der ein Flachrelief sowie Statuen erschuf, die einen hockenden augenlosen Oktopus mit Drachenflügeln zeigten. Wie sich aus anderen Quellen ergibt, ist dies der träumende Gott Cthulhu (sprich: k’tulu), einer der Großen Alten. Er wird in Westgrönland ebenso wie in den Sümpfen Louisianas verehrt, wo man ihm Menschenopfer darbringt. Am wichtigsten aber ist der Bericht eines norwegischen Matrosen, der im Südteil des Pazifiks auf eine Insel stieß, wo der grässliche Gott inmitten außerirdischer Architektur hervortrat und die Menschen verfolgte – genau zu jenem Zeitpunkt, als Angells junger Bildhauer (und viele weitere Kreative) verrückt wurden. Der Erzähler hat alle Beweise zusammen: Cthulhu und seine Brüder warten darauf, die Erde zu übernehmen, alle Gesetze beiseite zu fegen und eine Herrschaft totaler Gewalt und Lust zu errichten. Man brauche sie nur zu rufen, und sie würden in unseren Träumen zu uns sprechen …

Die Geschichte ist trotz ihres recht verschachtelten Aufbaus durchaus dazu angetan, die Phantasie des Lesers/Hörers anzuregen und ihn schaudern zu lassen. Das Erzählverfahren ist überzeugend, denn zuerst werden mehrere Berichte eingesammelt und überprüft, bevor im Hauptstück, dem Augenzeugenbericht eines Matrosen, das Monster endlich selbst auftreten darf, um seinen langen Schatten durch die Geschichte/Historie zu werfen.

Der boshafte Geistliche

Der Erzähler untersucht den Fall eines Geistlichen, der verschwunden ist. In dessen Bibliothek stößt er nicht nur auf esoterische, mitunter verbotene Schriften, sondern auch auf eine seltsam Lampe, die ein radioaktiv wirkendes Licht ausstrahlt. Daraufhin erscheinen Geister von Geistlichen – und werfen die Bücher ins Kaminfeuer. Doch der Geist des Verschwundenen will sich erhängen. Da geht unser Chronist dazwischen – und erleidet ein sonderbares Schicksal.

In der Gruft

Der alte Säufer George Birch ist im Jahr 1881 Totengräber, als ihm eine merkwürdige Sache widerfährt, die seinen Charakter verändert. Er soll neun Leichen aus ihren Gräbern holen und sie in die geräumige Gruft umbetten – in frischen Särgen. Leider scheint er dabei unvorsichtig zu sein, denn plötzlich bricht der Riegel an der Tür ab, die Tür fällt zu – und Birch ist in der Gruft eingeschlossen. Den einzigen Ausweg stellt ein Oberlicht dar, doch um dieses zu erreichen, muss er die neun Särge übereinander stellen. Als sein Fuß beim Hinaufsteigen in einen der Särge einbricht, krallen sich ihm unsichtbare Fingernägel in die Wade …

Die Ratten im Gemäuer

Ein Amerikaner aus Massachusetts hat in England das seit alters her verfluchte Gemäuer der Exham-Priorei wieder bezogen. Es ist der 16. Juli 1926. De la Poer, vormals Delapore, ist der Letzte seines Geschlechts, das in der Priorei seit dem 13. Jahrhundert gelebt hatte, bis Walter de la Poer im 17. Jahrhundert nach Virginia auswandern musste.

Doch die Grundmauern der Priorei sind weitaus älter. Sie stammen angeblich von den Römern des 2. Jahrhunderts, und hier wurden abscheuliche Riten für die Fruchtbarkeitsgöttin Kybele abgehalten und für den dunklen Gott Atys, der ebenfalls aus Kleinasien stammte. Wie De la Poer herausfindet, stammen die ältesten Mauern noch aus jungsteinzeitlicher Zeit, und wer weiß, was damals im Tempel geopfert wurde.

Nach einer Woche hört de la Poer das erste Trapsen und Trippeln in den Mauern seines Schlafgemachs. Auch alle neuen Katzen sind aufgeregt. Zusammen mit seinem Nachbarn Captain Norrys untersucht er den Keller und stößt auf den Altarstein der Kybele. Doch Norrys entdeckt, dass darunter noch eine Etage sein muss. Mit mehreren Gelehrten, darunter „Archeologen“, erforscht man den Tunnel unter dem Altarstein. Massenhaft Skelette, die Knochen von Ratten zernagt, bedecken die Treppe. Doch das Schlimmste kommt erst noch: eine unterdische Stadt aus uralter Zeit, in der nicht Menschen, sondern die Ratten das Kommando hatten, angeführt von Nyarlathotep, einem der Großen Alten …

Wie „Schatten über Innsmouth“ ist „Ratten“ eine Geschichte über Degeneration in einer Familie (genau wie in HPLs eigener) und was daraus wurde. Nur verstößt die Form der Degeneration gegen so große und viele Tabus, dass man es hier nicht wiedergeben kann. Die Story ist eine der am häufigsten abgedruckten des Meisters aus Providence.

Hypnos

Ein Künstler berichtet von dem grausigen Schicksal, das seinem besten Freund widerfahren ist. Als sie jung und wild waren, begannen sie, die Grenzen des Bewusstseins mittels Drogen hinauszuschieben und die Grenzen des Weltalts zu erkunden. Sein Freund äußerte sogar einmal den frevlerischen Wunsch (aber nicht laut), das bekannte Weltall beherrschen zu wollen.

Doch was er stattdessen fand, muss, so steht zu vermuten, im Sternbild der Corona Borealis (der nördlichen Krone) eine finstere und entsetzliche Macht gewesen sein. Der Freund alterte schneller als unser Chronist. Und als beide in London in einer Dachkammer hausen, gehen ihnen die Drogen aus. Und so hat der Freund keinen Schutz, als Corona Borealis aufsteigt und seinen unheilvollen Einfluss auf den Schlafenden ausübt …

Die Schreie unseres Berichterstatters rufen Nachbarn und Polizisten herbei. Doch seltsamerweise beglückwünschen sie ihn, denn er hat offensichtlich den schönsten klassischen Marmorkopf seit dem alten Hellas geschaffen. Und auf dem Sockel des Kopfes von unvergänglicher Schönheit steht eingemeißelt: HYPNOS. Schlaf.

Iranons Suche (1939)

Ein junger Mann, der sich Prinz Iranon nennt, trifft in der Stadt Teloth ein. Er möchte hier seine Lieder und Träume vortragen. Doch die Stadtherren halten wenig davon, vielmehr soll er sich beim Schmied melden, denn jeder Mann hier in Teloth habe einer ehrlichen Arbeit nachzugehen. Iranon lehnt betrübt ab. Er suche das im Mondlicht strahlende strahlende Aira, wo er sicherlich geboren worden sei. Nur ein Junge namens Nomrod schließt sich ihm auf der Suche nach Aira an. Möglicherweise ist das schöne Oonai, die Stadt des Tanzes und der Lieder, identisch mit Aira. Mal sehen.

Zusammen wandern Iranon und Nomrod viele Jahre, ohne Aira zu finden, doch während Nomrod zu einem Mann heranwächst, zeigt die Stirn Iranons keine einzige Falte und sein Haar keine einzige graue Strähne. Und so gelangen sie nach Oonai, und tatsächlich kann hier der Sänger seine Träume und Lieder vortragen, wofür ihn der König mit einem alten Purpurmantel belohnt. Unterdessen wird Nomrod dick und fett und lässt es sich wie Dionysos gut gehen. Bis zu einem frühen Tod.

Da zieht Iranon weiter, lässt allen Tand hinter sich und durchquert die Weiten der Welt, bis er zur Hütte eines alten Mannes kommt, der auf einem Abhang über einem tückischen Sumpf wohnt. Und von diesem Alten erfährt Iranon von seiner eigenen Herkunft und der sagenhaften Stadt Aira …

Das Weiße Schiff

Ein Leuchtturmwärter an der Ostküste träumt von jenem Weißen Schiff, das jedes Jahr aus dem Süden zu kommen pflegt. An Bord winkt ihm stets ein alter bärtiger Mann, mitzukommen. Doch da der Schiffsverkehr immer weniger geworden, hat der Wärter nichts zu tun, und so geht er diesmal „auf den Mondscheinstrahlen“ hinüber zum Schiff. Man segelt nach Süden und folgt einem blauen Vogel: in die Länder Zar, Thalarion und Xura. Alle sind zwar wunderschön und üppig, doch ihr Geruch entstammt einem Leichenhaus. Dafür ist Sona-Nyl, das „Land der Phantasie“, grün und fruchtbar und sicher, wo weder Schmerz noch Tod vorkommen.

Entgegen dem Rat des alten Mannes will jedoch unser Leuchtturmwärter jenseits der Basaltsäulen des Westens segeln, ins „Land der Hoffnung“. Doch, ach!, dort wartet nur ein rauschender Katarakt, in dem das Weiße Schiff zerschellt. Und als er wieder erwacht, findet er tatsächlich am Fuße der Klippen, auf denen sein Leuchtturm steht, den blauen Vogel tot und die Balken des Weißen Schiffs zerbrochen.

Diese schöne Story à la Lord Dunsany und E.R. Eddison ist natürlich höchst allegorisch: „Land der Phantasie“ und „Land der Hoffnung“ sind eindeutige sprechende Namen. Die Bedeutung ist entsprechend klar: Während die Phantasie sicher, schmerz- und todlos ist, trügt der Schein des „Landes der Hoffnung“ ebenso wie die Länder der Schönheit. Hier macht der Autor eine eindeutige Aussage: Er zieht die Phantasie der Realität und ihren Illusionen vor.

In den Mauern von Eryx (zusammen mit Kenneth Sterling)

Was wie eine planetare Abenteuergeschichte beginnt, endet in einem Albtraum. Die Menschen haben die dschungelüberwucherte Venus erobert, um dort Kristalle abzubauen, die der irdischen Energieerzeugung dienen. Doch auf dem Planeten leben reptilienartige Echsenmenschen, denen die Kristalle offenbar heilig sind. Als ein Mitarbeiter der Crystal Company auf dem Plateau von Eryx einen Kristall entdeckt, sind daher Echsenmenschen nicht weit. Bestimmt beobachten sie sein Bemühen, sich des Kristalls zu bemächtigen. Doch wie sich herausstellt, handelt es sich um eine Falle.

In dieser Falle hat sich bereits ein anderer Mitarbeiter gefangen. Als sich der neue Mitarbeiter, unser Berichterstatter, vorsichtig nähert, stößt er auf eine unsichtbare Mauer. Schlammbewurf zeigt, dass sie mit sechs Metern Höhe zu hoch zum Überklettern ist. Es muss also Öffnungen geben. Der Chronist begibt sich in das Labyrinth von Eryx, um an den Kristall heranzukommen …

Kühle Luft

Ein Mann fürchtet sich vor kühler Luft, und mit seiner Geschichte erklärt er den Grund dafür. Als er in New York City einer schlecht bezahlten Arbeit nachging, stieß er bei seiner Quartiersuche endlich auf ein recht gut erhaltenes dreistöckiges Herrenhaus, wo eine Spanierin namens Herrero möblierte Zimmer vermietete. Der Nachbar im Stock darüber war ein seltsamer Kauz. Dr. Munoz hat eine Ammoniakpumpe zwecks Kühlung seiner Räume eingerichtet und hält die Zimmertemperatur stets so niedrig wie möglich. Er behauptet, seine Krankheit zwinge ihn dazu.

Doch eines Tages fällt diese Kühlung aus. Während der Erzähler verzweifelt Eis und ein Ersatzteil herbeischafft, um seinem Bekannten zu helfen, kommt es zu einer Entwicklung, die dem zufälligen Besucher Grauen einjagt. Als endlich unser Erzähler eintrifft, gibt es für Munoz keine Rettung mehr. Das Schlimmste aber steht auf Munoz’ letzter Nachricht …

Diese Story erinnert an Poes Geschichten über „mesmerisierte“ Scheintote wie etwa im Fall Valdemar. Der Tod kann vielleicht scheinbar aufgehalten werden, doch wenn das eingesetzte Mittel versagt, sind die Folgen umso grässlicher.

Jenseits der Mauer des Schlafs

Ein Arzt, der an einer staatlichen Nervenheilanstalt arbeitet, untersucht den merkwürdigen Fall des Joe Slater. Dieser einheimische Bergbewohner Neuenglands ist zwar geistig minderbemittelt, kann aber in bestimmten, dem Wahnsinn ähnlichen Geisteszuständen grandiose Visionen formulieren. Dieses Paradox versucht der Arzt mit Hilfe einer selbstgebauten Apparatur aufzulösen, die ihm die Gedankenübertragung von Joes Gehirn zu seinem erlaubt.

Tatsächlich funktioniert das Experiment am 21. Februar 1901. Joes Geist durchdringt die titelgebende Mauer und betritt ein wunderbares Reich des Geistes. Dort begegnet er seinem Licht-Bruder, einem außerirdischen Geistwesen. Dieses erzählt dem Arzt von einem Unterdrücker, der ihm Unrecht angetan habe. Er, der Licht-Bruder, werde den Unterdrücker besiegen. Schon bald werde der Arzt ein Zeichen am Sternenhimmel sehen sehen, das als Beweis dienen soll …

Der Alchemist

Der letzte Angehörige eines verfluchten französischen Adelsgeschlechts berichtet, wie es ihm gelang, dem Fluch zu entgehen. Er ist bereits 90, doch der Fluch bringt den männlichen Erben der Familie den Tod, wenn sie erst 32 sind. Es war im 13. Jahrhundert, als der herrschende Graf den sogenannten „Alchemisten“, den Vater eines Zauberers, im Zorn erdrosselte. Der plötzlich verwaiste Sohn Charles le Sorcier belegte den Grafen mit dem Fluch, dass keiner seiner Nachkommen älter werden sollte, als er jetzt war und tötete ihn mit einem Gift.

600 Jahre lang zeigte der Fluch Wirkung, bis unser Chronist nur noch eine Woche hat, bis er selbst an der Reihe ist. Da durchstöbert er die letzten Winkel und Ecken der längst verlassenen Burg seiner Vorfahren und stößt tatsächlich auf ein unbekanntes Verlies. Wer ist der mittelalterlich gekleidete Mann, der ihn da in heruntergekommenem Lateinisch anschnauzt?

Das Mond-Moor

Denys Barry ist aus Amerika nach Irland ins Land seiner Väter zurückgekehrt und hat den alten Familiensitz Schloss Kilderry wieder hergerichtet. Das finden die Bauern der Grafschaft Meath völlig in Ordnung, jedoch nicht das, was Barry als nächstes vorhat: Er will das große Moor in der Nähe des Schlosses trockenlegen, um Torf stechen zu lassen und Landwirtschaft zu treiben. Die Bauern sagen, dass über das Moor seit jeher ein Schutzgeist herrsche, der jeden verfluche, der das Moor zerstöre.

Solcher Unsinn ficht einen Yankee nicht an, und er lässt Gastarbeiter aus Nordirland kommen. Als er sich einsam fühlt, bittet er seinen Freund, unseren Berichterstatter, um einen Besuch. In den mondhellen Nächten, in denen er ungewöhnliche Geräusche hört, kann unser Freund nicht schlafen. Was er draußen erblickt, scheint einem Traum zu entstammen: Zum Klang von griechischen Rohrflöten tanzen die Gastarbeiter mit fremdartigen Wesen wie etwa Wassernymphen und Faunen, während von den weißen Ruinen auf dem zentral im Moor gelegenen Inselchen ein unheimlicher Einfluss ausgeht. Ist es Traum oder Wachen, fragt sich der Beobachter. Sind die Arbeiter deshalb jeden Morgen so schlapp? Aber sie können sich anderntags an nichts mehr erinnern außer an seltsame Geräusche.

Der Tag, die Trockenlegung zu beginnen, rückt näher. Doch zugleich wächst auch der unheilvolle Einfluss, der von jenen Ruinen ausgeht. Die Entwicklung treibt einem schrecklichen Höhepunkt zu.

Gefangen bei den Pharaonen (zusammen mit Harry Houdini)

Der berühmte Entfesselungskünstler Harry Houdini alias Erich Weisz erzählt von einem Erlebnis, das er 14 Jahre zuvor im Jahre 1910 in Ägypten hatte. In seinem anfänglichen Reisebericht erweist sich der Erzähler als kenntnisreicher Berichterstatter, der auch über Tutanchamun Bescheid weiß, dessen Grab bekanntlich erst 1922 entdeckt wurde. Geleitet von einem Fremdenführer, der sich Abdul Reis Drogman nennt, besucht Houdini nicht nur Kairos Altstadt und Museen, sondern selbstverständlich auch die Pyramiden von Gizeh.

Ganz besonders fasziniert ist Houdini von der löwenköpfigen Sphinx, die das Gesicht des Königs Chephren trägt, der die mittlere der drei großen Pyramiden zwischen 2800 und 2700 v. Chr. erbauen ließ. Verblüfft stellt der Reisende eine gewisse Ähnlichkeit zwischen dem Gesicht seines Fremdenführers und der Chephren-Statue im Ägyptischen Museum von Kairo fest.

Bei einem Streit zwischen Abdul Reis und einem jungen arroganten Reiseführer geht Houdini vermittelnd dazwischen. Beim folgenden Zweikampf darf er Abdul Reis sekundieren. Das Duell findet auf der Spitze der Cheops-Pyramide statt, welche bekanntlich keine Außenverkleidung mehr besitzt, wodurch die Spitze ziemlich breit ist. Doch der mitternächtliche Ringkampf stellt sich als Vorwand heraus, den die Araber benutzen, um den berühmten Entfesselungskünstler zu verhöhnen. Sie fesseln ihn und lassen ihn in einen sehr tiefen Schacht hinunter.

Sich zu befreien, ist einfach, doch nun geschieht etwas, mit dem Houdini nicht gerechnet hat. Die Geister von zusammengesetzten Mumien – Kombinationen aus Tier und Mensch – marschieren zu einem riesigen Tor in der Tiefe. Auch Chephren (Abdul Reis?) und dessen Königin Nitokris, die stets nur „Königin der Ghoule“ genannt wird, wohnen der Opferungszeremonie bei. Doch wem oder was opfern sie? Als Houdini dies herausfindet, rennt er um sein Leben.

Polaris (1918)

In einer Hütte über einem düsteren verlassenen Sumpf liegt unser Erzähler und versucht Schlaf zu finden, doch immer wenn der Polarstern leuchtet, glaubt er, der Fixstern verhöhnte ihn. Sein Geist wandert in eine Traumwelt, wo ebenfalls der Polarstern eine unheimliche Rolle spielt. Er schlüpft in die Gestalt eines von Anfällen geplagten Mannes, dessen Freund Alos der Kommandeur des Heeres ist. Es ist in Alarmbereitschaft versetzt worden, weil die grimmigen Horden der barbarischen Inulos im Begriff sind, die Passhöhe vor dem Plateau einzunehmen, auf dem die prächtige Marmorstadt Olathoe liegt. Alos vertraut ihm die Aufgabe an, die Männer zu warnen, sobald er den Feind kommen sieht. Doch ein Anfall unter Polaris’ Einfluss vereitelt die Ausführung der Aufgabe und so kommt es zum Untergang der schönen Stadt.

Vom Jenseits

Der junge Erfinder Crawford Tillinghast hat eine teuflische Maschine entwickelt, die er seinem Freund, unserem Berichterstatter, widerwillig vorführt. Aber es hat einen „Unfall“ gegeben: Die drei Bediensteten in Tillinghasts Haushalt sind spurlos verschwunden. Er muss seinem Freund erklären, wie es dazu kommen konnte.

Die Maschine, die ein kränklich violettes Licht sowie ein Spektrum von Tönen erzeugt, wirkt anscheinend auf die menschliche Zirbeldrüse ein und erweitert das Universum der Wahrnehmung erheblich. So kann man plötzlich ultraviolettes Licht sehen, das ja normalerweise unsichtbar ist. Fatalerweise erweitert sich aber auch das Hörspektrum und der Blick erreicht neue Dimensionen, in denen sich unheimliche, schleimige Wesen von relativ gefräßigem Appetit herumtreiben. Offenbar haben sie sich der Verschwundenen bemächtigt. Und genau jetzt sitzt unserem Erzähler eines dieser Dinger auf der linken Schulter … ein Schuss fällt …

Der Schreckliche Alte Mann

Drei Räuber beschließen, einen alten Mann in seinem Haus in Kingsport auszurauben. Denn sie haben erfahren, dass er mit 200 Jahre alten Münzen aus Gold und Silber zu bezahlen pflegt. Der alte Seefahrer muss also unermesslich reich sein. Dass er mit seltsamen Flaschen in seinem Haus zu sprechen pflegt und seltsame bemalte Steine in seinem Vorgarten stehen, tun sie als die übliche Verschrobenheit des Alters ab. Vielleicht hätten sie darauf achten sollen, denn ihr mitternächtlicher Besuch bei dem alten Mann verläuft ganz anders als geplant.

Das Grab

Schon in jungen Jahren ist Jervas Dudley ein „Träumer und Visionär“, wie er freimütig zugibt. Er interessiert sich für alles Morbide, was seine Eltern zu Kopfschütteln veranlasst. Als er die alte Gruft auf dem Friedhof entdeckt, wird seine Faszination zur Obsession. Aber der Eingang ist mit einer Kette und einem stabilen Vorgängeschloss geschützt, und er sieht ein, dass er mit dem Zutritt in dieses Paradies seiner Einbildungskraft noch Jahre warten muss. Entweder wird er stark genug, um das Schloss zu knacken oder er findet den Schlüssel.

Ihm gelingt Letzteres und so ist es ihm ein Leichtes, sich in der Gruft umzusehen. Hier liegt als wichtigster Insasse ein Sir Geoffrey Hyde, der wenige Jahre nach 1640 hier gestorben war. Die Hydes sind die mütterliche Seite von Jervas’ Vorfahren und er ist ihr letzter männlicher Spross. Das kommt ihm wie Vorbestimmung vor. Seine Obsession wird zum Wahn, als sich der Geist des alten Sir Geoffrey seiner zu bemächtigen beginnt …

Der Baum

In Arkadien steht über den Ruinen einer antiken Villa ein eindrucksvoller alter Olivenbaum, zu dem der Besucher, unser Erzähler, von einem alten Imker eine bemerkenswerte Geschichte hört. Demnach befand sich hier die Villa zweier Brüder namens Kalos und Musides, welche für ihre Bildhauerkunst bis nach Palästina und Sizilien berühmt waren. Doch trotz ihrer unterschiedlichen Gemütsart waren sie einander herzlich zugeneigt, und als der Tyrann von Syrakus eine Tyche-Statue bestellt, machten sie einander keineswegs Konkurrenz. Nicht, dass sie gemeinsam an einer Statue gearbeitet hätte, nein, jeder schuf seine eigene. (Genau das hatte der schlaue Tyrann bezweckt: Er würde zwei für den Preis von einer bekommen.)

Doch da wurde Kalos, der den Baumnymphen und Faunen zugewandte Träumer, krank, und niemand außer Musides durfte ihn pflegen. Kurz bevor er starb, bat er seinen Bruder, neben seinem begrabenen Kopf die Zweige ganz bestimmter Olivenbäume zu pflanzen. Musides errichtete ein wunderschönes Marmorgrabmal, doch ein größeres Wunder war die Geschwindigkeit, mit der neben dem Grab ein Ölbaum spross, bis er einen starken Ast über Musides’ Werkstätte reckte und ihm Schatten spendete. Und der Wind in den Zweigen scheint zu flüstern.

In der Nacht, bevor die Syrakusaner die bestellte Statue besichtigen und abholen wollen, wütet jedoch ein fürchterlicher Sturm, und am nächsten Morgen bietet sich ihnen ein Bild der Verwüstung. Doch von ihrer Statue und dem Künstler fehlt jede Spur.

Das Tier in der Höhle

Die Mammuthöhle in Amerika birgt eines der umfangreichsten Höhlensysteme der Welt. Ein vorwitziger Erforscher hat sich von der Gruppe, die weiter ihrem Führer folgt, entfernt, um abgelegene Pfade zu erkunden. Als seine Taschenlampe erlischt, umfangen ihn Dunkelheit und Stille. Er muss an die Kolonie von Schwindsüchtigen denken, die sich vor Jahren einmal Heilung in den Höhlen erhofft hat, doch man fand nur ihre zerstörten Hütten. Da hört unser Höhlenforscher ein merkwürdiges Geräusch von tapsenden Füßen, die sich anschleichen. Aber bewegt sich das Wesen auf zwei oder vier Füßen? Er wirft zwei Steine, die das unbekannte Wesen offenbar schwer verletzen. Als der Fremdenführer wieder auftaucht und mit seiner Taschenlampe das zur Strecke gebrachte Wesen anleuchtet, erleben die beiden eine böse Überraschung.

Das Verderben, das über Sarnath kam (1919)

Vor zehntausend Jahren kamen die ersten Menschen in das Land Mnar, und als sie dort Edelmetalle am Ufer eines großen Sees fanden, errichteten sie die Siedlung Sarnath. Dort schon Äonen zuvor war dies das Land des Volkes von Ib. Dieses verehrte die seegrüne Wasserechse Bokrug und errichteten ihr eine Statue. Als die Sarnather das für sie hässliche Volk von Ib überfielen und massakrierten, warfen die Krieger alls Leichen und Götzenbilder ins Wasser des Sees – mit einer einzigen Ausnahme. Die Statue des Bokrug trugen sie im Triumph in ihren eigenen Haupttempel. Doch in der Nacht danach kamen böse Geister, die das Götzenbild raubten. Der Hohepriester Taran-ish kratzte das Wort VERDERBEN in den Altar.

Doch während der tausend Jahre, in denen Sarnath zur Perle und Beherrscherin der Welt emporstieg, gedachten immer weniger Menschen der Warnung Taran-ishs. In der Nacht der Tausendjahrfeier jedoch kam das VERDERBEN über Sarnath, und von seinen Ruinen ist heute nichts mehr zu sehen. Nur die Statue des Bokrug wird heute noch im Lande Mnar verehrt …

Das Unbeschreibliche

Randolph Carter sitzt mit seinem Freund Joe Manton auf dem Friedhof von Arkham und behauptet, es gebe „das Unbeschreibliche“. Der Rationalist Joe glaubt ihm nicht. Carter beruft sich auf seinen Vorfahren Cotton Mather, der im 17. Jahrhundert für die Hexenprozesse in Salem bei Boston verantwortlich war. Mather habe eine teuflische Kreatur beschrieben, und diese treibe immer noch ihr Unwesen – ganz besonders in dem Häuschen direkt neben dem Friedhof, auf dem sie sich gerade befinden. Gleich darauf wird der praktische Beweis für diese Behauptung erbracht …

Celephais

Der Jüngling Kuranes träumt sich aus seiner Londoner Mansardenwohnung in das Land seiner Kindheit. Dort erschafft er die schöne Hafenstadt Celepahis, die im Tal Ooth-Nargai unter dem Berg Aran liegt. Die Händler auf den orientalischen Straßen kennen und begrüßen ihn freundlich. Frauen gibt es natürlich keine. Er geht an Bord eines Segelschiffs und fährt damit jenseits des Horizonts zur Wolkenstadt Serannian.

Leider wird seine Träumerei jäh unterbrochen. Daher versucht er vergeblich, Celephais wiederzufinden. Um seine Schlafphasen zu verlängern, greift er zu teuren Drogen, vor allem Haschisch. Als ihm das Geld ausgeht, wirft man ihn hinaus. Als Landstreicher irrt er zur Küste. Doch in seinem Traum wird er in eine Reiterkolonne der Stadt Celephais aufgenommen und darf sie anführen. In Glorie kehrt er in seine eigentliche Heimat zurück und wird dort zum König ernannt.

Diese pure Phantasie erinnert an Lord Dunsany und die nordischen Landschaften eines William Morris („Die Quelle am Ende der Welt“). Die Vision des kindlichen Paradieses scheint direkt einem Bilderbuch aus dem Goldenen Zeitalter der Viktorianer und Edwardianer entnommen zu sein: unschuldige Schönheit mit dem Gefühl, hier der Herr zu sein. Es ist das Bewusstsein eines Kolonialherrschers, doch der Geschmack eines [Dandys. 716 Für den anglophilen Lovecraft war es der Idealzustand eines Gentleman.

Das Grauen von Dunwich (1929)

Dieser fast 70 Seiten lange Kurzroman ist in zehn Kapitel eingeteilt und konsequent auf die Erzielung eines bestimmten Effektes – kosmischen Grauens – ausgerichtet. Der Horror kommt in sich steigernden Stufen, eine unheilvoller als die vorangegangene – bis zum Finale und einer Pointe, die auf den Anfang verweist, wodurch sich die schauderhafte Wirkung noch einmal potenziert (also nichts für zarte Gemüter).

In der ländlichen Gegend der Aylesbury-Hügel Neuenglands soll es laut der Story mehrere Opferstätten gegeben haben, mit stehenden Steinen und Felsplatten, auf denen satanische Riten vollzogen wurden. (Merke: Nahe dem englischen Aylesbury befindet sich Stonehenge, und die Story kann als Kommentar auf englische Verhältnisse gedeutet werden.) Die wichtigste davon ist der Sentinel Hill: Hier stinkt es, und der Berg grollt – besonders zu Walpurgis (30.4.) und Halloween (31.10.).

Die Menschen, die hier siedeln, sind einfache Bauern – mit zwei Ausnahmen: den bessergestellten Sippen der Whateleys und der Bishops, die beide aus Salem stammen, wo im 17. Jahrhundert die berühmten Hexenprozesse stattfanden. Es geht um einen Sippenzweig, den man allgemein die Hexen-Whateleys nennt und der abgelegen wohnt.

Am 2.2.1913 kommt Wilbur Whateley zur Welt, und sein Vater ist unbekannt. Seine Mutter ist die albinoweiße und entstellte Lavinia, die im Haus ihres Vaters, des Alten, lebt. Wilbur wächst rasend schnell, nicht nur körperlich, sondern auch geistig, und sieht aus wie ein Ziegenbock. Er versetzt alle Hunde in Wut und erschießt auch den einen oder anderen. Schon mit vier Jahren ist er so groß wie ein 15-Jähriger. Sein Vater lehrt ihn die Geheimnisse der Großen Alten. Im Obergeschoss lebt aber noch ein weiteres Wesen, das man nie zu Gesicht bekommt, sondern nur hören und – leider – riechen kann.

Als der Alte stirbt, bekommt der junge Wilbur, inzwischen über 2,10 Meter groß, ein Problem: Er muss die Verbindung zwischen dem Wesen im Obergeschoss und dessen Vater Yog-Sothoth herstellen, damit es gelenkt werden kann. Leider fehlt ihm dazu die korrekte Beschwörungsformel in seiner Ausgabe des verbotenen Buches „Necronomicon“. Durch seinen (vergeblichen) Besuch in der Uni-Bibliothek von Arkham alarmiert er den dortigen Gelehrten, der sofort alle anderen Bibliotheken verständigt. Daher versucht Wilbur eines Nachts, das Buch aus der Uni zu rauben – und der Anblick, der sich den Gelehrten bietet, ist nicht abdruckfähig.

Während der Bibliotheksleiter Dr. Henry Armitage fieberhaft das Tagebuch Wilburs zu entschlüsseln versucht, um der Wahrheit auf den Grund zu gehen, bricht das Wesen in Dunwich aus und verbreitet Angst und Schrecken: Durch Unsichtbarkeit unangreifbar, frisst es nicht nur Viehherden, sondern auch deren Besitzer.

Doch dann findet Armitage eine Gegenbeschwörung, und zusammen mit zwei Kollegen sowie den Bauern der Gegend ziehen die Ghostbuster aus, dem dämonischen Ungeheuer, das bislang niemand gesehen hat, aber groß wie ein Haus sein muss, den Garaus zu machen.

Der leuchtende Trapezoeder (1936: The Haunter of the Dark)

Wurde der Anthropologe Robert Blake in der Nacht des 8.8.1935 vom Blitz erschlagen? Oder hat ihn sich eine Kreatur der Großen Alten geschnappt? Die Meinungen der Gelehrten und Experten gehen auseinander. Was hier also erzählt wird, hält sich an Blakes Tagebuch. Darin berichtet er von seiner Faszination für den düster emporragenden Kirchturm aus dem Federal Hill des Städtchens Providence (wo auch HPL lebte). Bei näherer Untersuchung zeigt sich, dass das verwahrloste Gebäude schon seit fast 60 Jahren keinen sakralen Charakter hat. Ab 1846 hatte ein Archäologe hier einen Sektenkult namens Starry Wisdom (Weisheit von den Sternen) eingerichtet.

Blake findet in der Turmstube, wo eigentlich Glocken sein sollten, nur sieben leere Stühle und Steinplatten, ein Reporter-Skelett aus dem Jahr 1897 – und eine Schatulle mit einem leuchtenden Stein darin. Hineinschauend erblickt er grauenerregende kosmische Weiten und schwarze Planeten, wo die Großen Alten hausen. Dann begeht er einen schwerwiegenden Fehler: Von einem Geräusch über sich erschreckt, klappt er die Schatulle zu. Da nun kein Licht mehr das Ding im Turmhelm fernhält, treibt es alsbald lautstark sein Unwesen in der entweihten Kirchen, so dass die gläubigen italienischen Einwanderer das Zähneklappern kriegen. Doch das Ding weiß, wo sich Blake aufhält und holt ihn …

Dies ist eine sehr dicht aufgebaute und stimmungsvoll erzählte Geschichte, die zielbewusst auf den grauenerregenden Schluss zusteuert, der nur aus panischem Gestammel des Tagebuchschreibers besteht. Aus dem, was Blake in der alten Kirche fand, haben andere Autoren ganze Erzählungen geschmiedet. Und weil so viele Fragen offen blieben, schrieb Robert Bloch eine Fortsetzung (abgedruckt in [„Hüter der Pforten“, 235 Bastei-Lübbe).

Die Aussage von Randolph Carter

Randolph Carter macht vor der Polizei eine Aussage, denn schließlich ist der Tod seines Freundes Harley Warren aufzuklären. Warren hatte okkulte Studien getrieben und aus Indien ein spezielles Buch erhalten, vermutlich das verfluchte „Necronomicon“. Damit begab er sich zu einem uralten, verlassenen Friedhof und öffnete eine bestimmte Gruft. Carter musste zurückbleiben, war aber durch Draht mit einem tragbaren Telefonapparat, den Warren mitnahm, mit seinem Freund verbunden.

Nach etwa halben Stunde beginnt Warren sich zu melden. Er warnt seinen Freund vor grauenerregenden Wesen, auf die er gestoßen sei: vermutlich Leichenfresser, Ghule. Carter solle schnellstens die Grabplatte über den Eingang schieben, sonst sei er selbst in höchster Gefahr. Das unterlässt Carter allerdings, will lieber seinem Freund zu Hilfe kommen, und so nimmt das das Unglück seinen Lauf …

Der Silberschlüssel

Randolph Carter verliert in jungen Jahren den Zugang zum Tor der Träume. Als ob er den Schlüssel zum Land seiner Kindheit verloren hätte. In den folgenden Jahren durchläuft er eine Auseinandersetzung mit dem Materialismus seiner Epoche, ja, er geht sogar nach Frankreich, um 1916 zu kämpfen. Er wendet sich dem Okkultismus zu, und in Arabien trifft er einen verrückten Schatzgräber (Abdul Alhazred?).

Doch erst in den Träumen, die er im Haus des Großvaters in seiner Heimatstadt hat, erhält er den ersten Hinweis zum Silberschlüssel. In einer geschnitzten Holzschachtel findet sich das Objekt. Wie unter geistigem Zwang reist er zu dem Bauernhaus seiner Ahnen, in dem er seine Kindheit verbrachte. Nach einer Nacht dort begibt er sich auf eine Erkundung in die „Schlangengrube“ genannte Höhle, die tief im Wald liegt. Und seitdem wurde er nie wieder gesehen. Der Silberschlüssel aber auch nicht …

Durch die Tore des Silberschlüssels (zusammen mit E. Hoffman Price)

Vor vier Jahren, am 7. Oktober 1928, verschwand also Randolph Carter in einer Höhle in Neuengland. Er hinterließ lediglich ein Pergament-Manuskript, das mit merkwürdigen, rätselhaften Hieroglyphen bedeckt ist, sowie eine Fotografie seines antiken Silberschlüssels, den er mitnahm.

Nun geht es um die Aufteilung seines Nachlasses. In New Orleans sind vier Herrschaften zusammengekommen. Carters Cousin, der Anwalt Aspinwall, scheint ein Raffzahn und Zweifler zu sein. Doch ein Mystiker aus Arkham, ein gewisser Ward Phillips (= HPL!), behauptet, dass dies alles nicht rechtens sei, da Carter noch lebe und als König in der Traumstadt Ilek-Vad herrsche. Der Ex-Freund Carters, ein französischer Kriegskamerad und Mystiker namens de Marigny, führt den Vorsitz und ist unparteiisch.

Daher erweist sich der indische Brahmane namens Swami Chandraputra als Zünglein an der Waage. Er tischt den versammelten Herren eine abgefahrene Science-Fiction-Story auf, die er aus Korrespondenz mit Carter erfahren haben will [und die den Großteil des Textes ausmacht]. Carter sei durch zwei Tore des Silberschlüssels gegangen, habe sich seiner stofflichen Hülle entledigt und so schließlich zum Planeten Yaddith gelangt. Dort lebte er unter klauenbewehrten, tapirschnauzigen Aliens, vorzugsweise im Körper des Zauberers Zkauba.

Doch musste Carter zu seinem Entsetzen feststellen, dass der Silberschlüssel nicht ausreichte, um ihm seine menschliche Gestalt zurückzugeben. Dazu brauchte er den Zauberspruch auf dem Pergament, das er in Neuengland zurückließ. Also baute sich Carter mit Hilfe des Zaubererkörpers ein Gefährt für die Durchquerung des Alls und machte sich auf die Reise zur Erde. Dort traf er im Jahr 1930 ein, allerdings nicht in menschlicher, sondern yaddithischer Gestalt.

Dreimal dürfen wir raten, wer sich nun hinter der Maske des Swami Chandraputra verbirgt …

Die Traumsuche nach dem unbekannten Kadath (S. 633-798)

Der Roman handelt von den traumartigen Erlebnissen des Randolph Carter, der autobiographische Züge (s. o.) aufweist. Auf der Suche nach der zauberhaften Stadt seiner Sehnsucht gelangt er in eine Unterwelt, die dem griechischen Totenreich Hades ähnelt. Dies ist Lovecrafts pittoreske Darstellung einer Hölle: eine Traumwelt, bevölkert mit seltsamen Erscheinungen und Fabelwesen wie den riesenhaften Shantak-Vögeln, den scheuen, aber freundlichen Zoogs, riesigen Ungeheuern wie Gugs und Ghasts sowie einer Schar von Ghoulen. Unter diesen befindet sich der bekannte Bostoner Maler Richard Upton Pickman, den Carter von früher kennt (vgl. „Pickmans Modell“).

Nach zahlreichen Abenteuern begegnet Carter in der aus Onyx erbauten Burg auf dem Gipfel des „unbekannten Kadath“ dem dämonischen Nyarlathotep, genannt das „kriechende Chaos“ und einer der mächtigsten und gerissensten „Großen Alten“.

Anstatt ihm den Weg zu der gesuchten Traumstadt zu weisen, verleitet der Dämon Carter dazu, einen kosmischen Flug auf dem Rücken eines monströsen, pferdeköpfigen Shantak-Vogels zu unternehmen. Der soll ihn zu dem chaotischen Abgrund bringen, wo der formlose Erzdämon Azathoth herrscht, dessen Namen man nicht laut aussprechen darf.

Carter ahnt die Gefahr, die ihm von Azathoth droht, und es gelingt ihm, noch rechtzeitig von dem Shantak abzuspringen. Nach endlosem, schwindelerregendem Fall durch kosmische Räume findet Carter sich schließlich in seiner Heimatstadt Boston wieder. Er ist zum Ausgangspunkt seiner geträumten Odyssee zurückgekehrt.

Mein Eindruck

Neben reinen Horrorgeschichten schrieb H.P. Lovecraft in den 1920er Jahren auch einige Fantasy-Erzählungen. Diese schildern Welten, deren Tore man nur im Traum durchschreiten kann. Träume waren für HPL seit seinem sechsten Lebensjahr immer sehr wichtig, als er, inspiriert von den Geschichten seines Großvaters, begann, von schrecklichen Monstern, den „night gaunts“, zu träumen.

Als Beispiele für diese Traumphantasien, die in der Art von Lord Dunsany, Irland, verfasst sind, seien „Das Verderben, das über Sarnath kam“, „Das merkwürdige hochgelegene Haus im Nebel“, „Die Katzen von Ulthar“ sowie „Celephais“ genannt. Desweiteren gehören dazu die um den Helden Randolph Carter, ein Alter Ego HPLs, gruppierten Geschichten „Der Silberschlüssel“ und „Durch die Tore des Silberschlüssels“ (zusammen mit E. Hoffman Price).

Der Kurzroman „Die Traumsuche nach dem unbekannten Kadath“ wurde in dieser Periode zwischen 1926 und 1927 niedergeschrieben, aber erst 1943 posthum veröffentlicht. Dem Romanmanuskript fehlt eindeutig eine letzte Ausarbeitung. Diese unterließ HPL, weil sein Manuskript von einem Herausgeber (Farnsworth Wright) abgelehnt worden war. Bestimmend ist in der Geschichte die Figur des Randolph Carter, der mit den großen Alten unangenehme Bekanntschaft macht.

„Die Traumsuche nach dem unbekannten Kadath“

„Die Traumsuche nach dem unbekannten Kadath“ ist sehr umstritten, was die Beurteilung anbelangt. Liebhaber der heroischen Fantasy wie Lyon Sprague de Camp und der HPL-Verehrer Lin Carter äußerten sich lobend darüber. Andere hingegen wie der HPL-Herausgeber und -„Kollaborateur“ August Derleth meinten, dass es ein wenig gelungenes Werk sei. Dem kann ich nur zustimmen.

Es ist eine Aneinanderreihung von bizarren Einfällen, enthält zuweilen farbig geschilderte Episoden und reiche Symbolik, aber das Ganze enthält keine Klammer und baut keine innere Spannung auf. Wenn man wollte, könnte man die Geschichte für psychoanalytische Studien als Steinbruch benutzen, aber das liegt dem normalen Fantasyleser fern. Dem HPL-Freund fallen sicher zahlreiche Querverweise zu anderen HPL-Fantasies auf (s.o.), aber auch zum Cthulhu-Mythos, den HPL mit einer Schar eingeschworener Brieffreunde ausbaute.

Heutige Leser mit durchschnittlichen Ansprüchen an Fantasy und Horror werden jedoch die langen Beschreibungen und zahllosen ereignislosen Passagen langweilen. Und zumindest mir ging es so, dass ich die Lektüre kaum schaffte, ohne zuletzt völlig genervt zu sein.

Dem Kurzroman fehlt eindeutig eine Überarbeitung, also Straffung, und eine letzte Ausfeilung, insbesondere in sprachlicher Hinsicht. Hier frönt HPL noch seinem alten „Laster“, massenhaft beschwörende Adjektive aufzustapeln, sie mit „unheiligen“ Verben und Substantiven zu verkuppeln, bis man kaum noch weiß, welche Struktur der Satz aufweist. Dieses Buch eignet sich nicht einmal für das Parodieren, weil es offensichtlich a) zu lang ist, b) völlig unbekümmert drauflos fantasiert und c) ihm daher eine wie auch immer geartete künstlerische Absicht nur schwer zu unterstellen ist. Eine Parodie jedoch ist eine Entgegnung auf eine solche Absicht.

Die anderen Erzählungen

Die vorliegenden Erzählungen wurden bereits in den |Suhrkamp|-Editionen „Die Katzen von Ulthar“, „In der Gruft“ und „Chthulhus Ruf“ veröffentlicht. Endlich liegen sie in einer sehr preiswerten Ausgabe in Neuübersetzung vor. Wo ich es angegeben habe, ist die literarische Qualität sehr hoch, z.B. in „Das Grauen von Dunwich“, „Der leuchtende Trapezoeder“ oder „Cthulhus Ruf“.

Viele andere Geschichten, insbesondere alle aus „In der Gruft“, übersteigen das Mittelmaß keineswegs, obwohl sie durchaus kompetent geschrieben sind. Harry Houdinis Story „Gefangen bei den Pharaonen“ bietet die seltene Gelegenheit, den klaren und übersichtlichen Houdini-Erzählstil vom Lovecraft’schen Stil der raunenden Beschwörung zu unterscheiden. Der Unterschied ist gut erkennbar.

Für die großen Novellen „Berge des Wahnsinns“ und „Schatten über Innsmouth“ sowie für die SF-Novellen „Die Farbe aus dem All“, „Der Flüsterer im Dunkeln“ und „Der Schatten aus der Zeit“ war in dieser Sammlung kein Platz, aber sie seien jedem HPL-Interessierten empfohlen. Vielleicht erscheinen sie in einer gesonderten Ausgabe.

Die Übersetzung

… von Florian Marzin ist durchaus gelungen. Es gibt nur zwei Aspekte, die mich stören. Alle Gedichte wurden nicht neu übersetzt, sondern direkt dem Erzählband „In der Gruft“ entnommen“ (natürlich mit Genehmigung des Suhrkamp Verlags). Zum anderen scheint Marzin eine Vorliebe für den Ausdruck „Dinger“ zu haben. Dieser Ausdruck stammt aus der Umgangssprache. In der Schriftsprache sollte man sich gemäß meinem Sprachempfinden des Ausdrucks „Dinge“ bedienen. Allerdings gibt es Fälle, in denen man nicht ständig von „Dingen“ oder „Dingern“ reden kann. Da sollte man eine Alternative suchen.

Das Vorwort

Das Vorwort von Hans Joachim Alpers (S. 10-19) informiert den Leser, der erst noch einen Zugang zu HPLs Werk und Verständnis sucht, auf kompetente und einfach verständliche Weise über die biografischen und publizistischen Hintergründe des Werks dieses Horrormeisters. Zu Lebzeiten war es meist nur einem kleinen Kreis von Fans des Arkham House Verlags vertraut. Erst 1968 wurde es auch hierzulande kontinuierlich übersetzt und veröffentlicht, z. B. von Kalju Kirde und H. C. Artmann. Inzwischen sind eine Reihe wichtiger Novellen auch im Hörbuch zu genießen, professionell produziert von LPL records.

Unterm Strich

In diesen, seinen besten Geschichten befolgt Lovecraft konsequent die Forderung Edgar Allan Poes, wonach eine „short story“ in allen ihren Teilen auf die Erzielung eines einzigen Effektes ausgerichtet sein solle, egal ob es sich um die Beschreibung eines Schauplatzes, von Figuren oder um die Schilderung der Aktionen handele, die den Höhepunkt ausmachen (können).

Um die Glaubwürdigkeit des berichteten Geschehens und der Berichterstatter zu erhöhen, flicht Lovecraft häufig zahlreiche – verbürgte oder meist gut erfundene – Quellen ein, die beim weniger gebildeten Leser den Unglauben aufheben sollen. Erst dann ist die Erzielung kosmischen Grauens möglich, das sich Lovecraft wünschte. In den meisten Erzählungen gelingt ihm dies, und daher rührt auch seine anhaltende Wirkung auf die Schriftsteller weltweit. Erfolgreiche Serien wie Brian Lumleys „Necroscope“ oder Hohlbeins [„Hexer von Salem“ 249 wären ohne Poe und Lovecraft wohl nie entstanden.

Das heißt aber nicht, dass Lovecraft keine negativen Aspekte eingebracht hätte. Als gesellschaftlicher Außenseiter, der nur intensiv mit einer Clique Gleichgesinnter kommunizierte (er schrieb Briefe wie andere Leute E-Mails), ist ihm alles Fremde suspekt und verursacht ihm Angst: Xenophobie nennt man dieses Phänomen. Darüber hinaus hegte er zunächst rassistische und antisemitische Vorurteile (wie leider viele seiner Zeitgenossen), so dass er von kultureller Dekadenz und genetischer Degeneration schrieb. Degeneration ist das Hauptthema in „Grauen von Dunwich“ und „Schatten über Innsmouth“.

Es gibt auch eine ganze Reihe früher Erzählungen, die uns heute wie pure Fantasy anmuten, ja, die sogar antike Schauplätze haben. Sie sind unterhaltsam zu lesen, aber allzu viele dieser literarisch mittelmäßigen Leicht- oder Fliegengewichte möchte man dann doch nicht über sich ergehen lassen. Deshalb bilden eine Reihe exzellenter Novellen wie „Cthulhus Ruf“ das Fleisch in der Suppe. Die Übersetzung ist kompetent, greift aber bei den Gedichten auf die Suhrkamp-Ausgaben zurück.

Insgesamt ist dieses Buch eine für Einsteiger sehr gut geeignete Einführung in das Werk des Phantasten aus Providence, zumal diese Ausgabe relativ preiswert ist.