Das Ende der verhängnisvollen Antarktis-Expedition
New England 1930: Der Geologe William Dyer, ein Professor an der Miskatonic University, ist der Kopf einer großangelegten Expedition in die Antarktis. Gemeinsam mit seinem Assistenten Larry Danforth, seiner Kollegin Dr. Leni Lake, deren Assistentin Leslie Carroll, dem Ingenieur Prof. Frank Pabodie, dem Physiker und Meteorologen Prof. Atwood und diversen Hilfskräften bricht Dyer auf, den unwirtlichsten Kontinent der Erde zu erkunden. Ein sehr gefahrvolles Unterfangen, wie sich herausstellt.
In den Weiten der Antarktis 1931 fliegen Dyer und Pabodie mit Danforth im letzten verbliebenen Flugzeug in Richtung der neu entdeckten Bergkette. Was wird sie dort nach dem dramatischen letzten Funkspruch, den die Kollegen gesendet haben, erwarten?
(Verlagsinfo)
Der Verlag empfiehlt das Hörspiel ab 14 Jahren.
_Der Autor_
Howard Phillips Lovecraft, 1890-1937, hatte ein Leben voller Rätsel. Zu Lebzeiten wurde er als Schriftsteller völlig verkannt. Erst Jahre nach seinem Tod entwickelte er sich zu einem der größten Horror-Autoren. Unzählige Schriftsteller und Filmemacher haben sich von ihm inspirieren lassen.
Howard Phillips Lovecraft wurde am 20. August 1890 in Providence, Rhode Island geboren. Als Howard acht Jahre alt war, starb sein Vater und Howard wurde von seiner Mutter, seinen zwei Tanten und seinem Großvater großgezogen. Nach dem Tod des Großvaters 1904 musste die Familie wegen finanzieller Schwierigkeiten ihr viktorianisches Heim aufgeben. Lovecrafts Mutter starb am 24. Mai 1921 nach einem Nervenzusammenbruch.
Am 3. März 1924 heiratete Lovecraft die sieben Jahre ältere Sonia Haft Greene und zog nach Brooklyn, New York City. 1929 wurde die Ehe, auch wegen der Nichtakzeptanz Sonias durch Howards Tanten, geschieden. Am 10. März 1937 wurde Lovecraft ins Jane Brown Memorial Krankenhaus eingeliefert, wo er fünf Tage später starb. Am 18. März 1937 wurde er im Familiengrab der Phillips beigesetzt. Nach seinem Tod entwickelte er sich bemerkenswerterweise zu einem der größten Autoren von Horrorgeschichten in den USA und dem Rest der Welt. Sein Stil ist unvergleichlich und fand viele Nachahmer.
Aber Lovecrafts Grauen reicht weit über die biblische Vorstellung von Hölle hinaus: Das Universum selbst ist eine Hölle, die den Menschen, dessen Gott schon lange tot ist, zu verschlingen droht. Auch keine Liebe rettet ihn, denn Frauen kommen in Lovecrafts Geschichten praktisch nur in ihrer biologischen Funktion vor, nicht aber als liebespendende Wesen oder gar als Akteure. Daher ist der (männliche) Mensch völlig schutzlos dem Hass der Großen Alten ausgeliefert, die ihre Welt, die sie einst besaßen, wiederhaben wollen. Das versteht Lovecraft unter „kosmischem Grauen“. Die Welt ist kein gemütlicher Ort – und Einsteins Relativitätstheorie hat sie mit in diesen Zustand versetzt: Newtons Gott ist tot, die Evolution eine blinde Macht, und Erde und Sonne nur Staubkörnchen in einem schwarzen Ozean aus Unendlichkeit. Auf Einstein verweist HPL ausdrücklich in seinem Kurzroman „Der Flüsterer im Dunkeln“.
Kurz und bündig mehr über Lovecraft hier.
Die Sprecher/Die Inszenierung
Prof. William Dyer: Reiner Schöne
Larry Danforth: Jan Panczak
Dr. Leni Lake: Bettina Weiß
Leslie Carroll: Annina Braunmiller
Prof. Frank H. Pabodie: Eckart Dux
Prof. Atwood: Alexander Turrek
Das Skript schrieb Marc Gruppe, der mit Stephan Bosenius auch Regie führte. Die Aufnahme erfolgte in den Planet Earth Studios. Die Illustration ist von Firuz Askin.
Handlung
Im eisigen Hochland der Antarktis muss sich ein Drama abgespielt haben, wissen Larry Danforth und die Professoren Dyer und Pabodie, die im Basislager zurückgeblieben sind. Die abgebrochenen Funksprüche von Dr. Leni Lake endeten in Hilfeschreien der Angst und des Entsetzens. Doch was mag ihnen widerfahren sein?
Das zweite Lager
Um dies zu erfahren, fliegen die drei zusammen mit ihren Helfern auf das Hochplateau des zweiten Lagers. Was sie vorfinden, lässt ihnen das Blut in den Adern stocken: zerfetzte Zelte und überall Skelette, fein säuberlich abgenagt – nicht nur die Hunde, sondern auch die Menschen. Als sie bewaffnet in das Zelt von Dr. Lake treten, stoßen sie auf zwei Leichen, die eine männlich, die andere weiblich. Danforth atmet auf: Es ist handelt sich nicht um die von Leslie Carroll, sondern um die von Dr. Lake. Daneben liegt Prof. Atwood. Doch wo sind Carroll und der junge Galtney abgeblieben? Keinerlei Schlittenspuren weisen den Weg.
Nachdem Dyer die Aufzeichnungen der Biologin mit einem Schaudern gelesen hat, bestattet er zusammen mit Pabodie die Leichen und Skelette. Merkwürdig: Alle Instrumente, Bücher, Zelte, Hundefelle usw. sind verschwunden. Salz wurde von den Unbekannten zum Pökeln verwendet, und Streichhölzer abgebrannt. Als wären Versuche angestellt worden. Um mehr zu erfahren, erkunden Dyer und Danforth das nahe Gebirge aus der Luft.
Ins Gebirge
Doch als sie den Pass, der ihnen Zutritt zur Hochebene jenseits des Gebirges gewähren soll, anfliegen, gerät das Flugzeug, das Danforth steuert, in einen Sog, der droht, es an den Felsen links und rechts zerschellen zu lassen. Jenseits des Gebirgskamms kommt eine Stadt in Sicht. Die quadratischen und fünfeckigen Konstruktionen sind ebenso unverkennbar wie die röhrenartigen Verbindungen zwischen den Gebäuden. Wer hat dieses Metropolis erbaut – und dann wieder verlassen?
Die verlassene Stadt
Auch hier findet sich die Fünfer-Symmetrie wieder, von der Dr. Lake sprach und die sie im Lager wiederfanden: Specksteine. Als Danforth ein unheimliches Pfeifen hört, betreten sie eine große Halle, die in einem Gang zu einem Komplex von Gängen weiterführt. Alle sind mit Friesen bedeckt, die die Geschichte der untergegangenen Zivilisation erzählen: Geflügelte Wesen kamen von den Sternen und züchteten alles irdische Leben heran, darunter auch jene Sklaven, mit denen sie die großen Bauten und Städte errichteten. Zu jener Zeit war die Antarktis noch mit einem tropischen Klima gesegnet. Doch die Sklaven erhoben sich wider ihre Herren, was zum Untergang der Errungenschaften und der Erbauung einer neuen Stadt unter dem Meer führte.
Grollen aus der Tiefe
Gerade als Dyer den Verbindungsstollen zwischen der alten und der neuen Stadt betreten will, hört Danforth das Pfeifen wieder und erschnuppert einen ekelhaften Gestank. Auf dem Boden entdeckt er eine Schleifspur und riecht Benzin – Leslie und Galtney müssen nahe sein! Doch auf Danforths Rufen folgt keine Antwort. Es müssen doch alle acht überlebenden Fremdwesen hier irgendwo zu finden sein.
Doch nachdem sie entsetzt die Leichen von Leslie und Galtney gefunden haben, stoßen sie voll Grauen auf vier Kadaver der Fremdwesen – was mag sie getötet haben? Da hören sie in unheilvolles Grollen aus der Tiefe, und als sich der ekelhafte Gestank verstärkt, wenden sie sich zur Flucht. Doch können sie aus diesem Labyrinth rechtzeitig herausfinden, bevor sie der unbekannte Schrecken erwischt?
Mein Eindruck
Durch ungenannte Lektüre (es handelt sich um das verfluchte und verbotene Buch „Necronomicon„) weiß Dyer schon, womit sie es zu tun haben: mit den Großen Alten und ihren Vorgängern, den Alten Wesen. Die Stadt ist die der Alten Wesen, die vor Jahrmillionen zuerst landeten und ihre Kultur auf der Erde errichteten. Seltsamerweise ist Dyer nur mäßig darüber erstaunt, dass er nun über ausgedehnte Überreste einer versunkenen, prähistorischen Zivilisation stolpert. In der ersten großen Halle sind jedoch so etwas wie Reliefs, Wandmalereien und Hieroglyphen, die ihm die Geschichte der Vorzeit erzählen. Diese ist so komplex, dass sich der Zuhörer wundert, woher Dyer dies alles richtig zu interpretieren weiß.
Für Dyer und Danforth wird die Lage jedoch brenzlig, als sie auf die enthaupteten Überreste der entkommenen Alten Wesen stoßen, die Dr. Lake aus der Höhle unter dem Eis geholt hatte. Was hat die Wesen getötet? Gibt es einen Wächter in der Tiefe, ähnlich einem Balrog in den Tiefen der Minen von Moria? Na, und ob! Die spannende Frage ist nun, wie dieses Wesen aussieht und ob sie es vielleicht besiegen können. Der Anblick des Wesens lässt Danforth künftig Albträume erleiden, und von einem Sieg kann keine Rede mehr sein. Was wiederum den Schluss aufzwingt, dass die 1932 geplante Starkweather-Moore-Expedition dem Tod geweiht ist, sollte sie im gleichen Gebiet forschen.
Verbotenes Wissen
Dieses Gefühl des Verhängnisses überschattet die gesamte Inszenierung und suggeriert dem Hörer, dass er allein schon durch die Kenntnis dieses geheimen Wissens, das ihm Dyer mitteilt, vielleicht in Gefahr sein könnte – was sicherlich der Grund für Dyers beharrliches Schweigen gegenüber der Öffentlichkeit ist.
Zweifellos wusste Lovecraft aus Zeitschriften nicht nur über Einsteins Forschungsarbeiten Bescheid, sondern auch über das Bestreben der Physiker, dem Atom seine Geheimnisse zu entlocken. Die Experimente von Ernest Rutherford und Niels Bohr waren ihm vielleicht bekannt, aber er dürfte kaum gewusst haben, dass Enrico Fermi an einem Atomreaktor baute und die deutschen Physiker von Hitler für eine ganz besondere Aufgabe engagiert wurden: den Bau der ersten Atombombe. Verbotenes Wissen – möglicherweise hat Lovecraft ganz konkret solche Kenntnisse und Experimente darunter verstanden.
Cthulhu & Co.
Es war jedoch unvermeidlich, dass er diesen Topos mit seiner eigenen Privatmythologie verband, dem Cthulhu-Mythos (siehe oben). Die aus dem 19. Jahrhundert stammenden Muster (Henry Rider Haggard, Conan Doyle) der „Lost World“ und versunkenen Zivilisationen (Atlantis, Mu usw.) verbindet Lovecraft mit modernster Wissenschaft, um am Ort des letzten weißen Flecks auf der Landkarte, in der Antarktis, einen neuen Horror erstehen zu lassen: Die Furcht vor dem Unbekannten, das in der Tiefe lauert, ein Erbe der fernen Vergangenheit.
Dabei setzte Lovecraft lediglich das fort, was bereits Edgar Allan Poe mit „Arthur Gordon Pym“ und Jules Verne mit „Die Eissphinx“ vorbereitet hatten: Die Antarktis als letztes geographisches Geheimnis des Planeten, hält unbekannte Wunder wie auch Schrecken bereit. In der Begegnung mit dem Unnennbaren beweist sich nicht nur der moderne Mensch gegenüber der Geschichte, sondern auch der Glaube an Technik und Wissenschaft gegenüber den Emotionen, die die Seele des Alten Adam seit jeher erfüllen. Der Alte Adam gewinnt in jedem Fall und wird es auch immer tun, solange er nicht in einer posthumanen Evolution gründlich modifiziert wird – so etwas bei Charles Stross.
Initiationsritus
Bei Lovecraft wird die Expedition zu einem Initiationsritus. Der moderne Mensch ist sowohl mit dem sehr Alten als auch mit dem Ungeheuerlichen konfrontiert, und beides scheint seinen Verstand zu übersteige. Unterschwellig vermittelt Lovecraft seinen Kulturpessimismus dadurch, dass er Dyer erkennen lässt, dass die Menschheit weder die erste Zivilisation auf diesem Planeten war, noch auch die letzte sein wird. Das wiederum könnte dem einen oder anderen Leser Schauer über den Rücken jagen. „Das ist nicht tot, was ewig liegt“ (oder „lügt“, denn das Verb „to lie“ ist doppeldeutig), wird in der Buchvorlage immer wieder zitiert – ein Menetekel.
Die Sprecher/Die Inszenierung
Einige Stimmen bekannter Hollywood-Schauspieler treten hier auf. Insbesondere Reiner Schöne ist aufgrund seines rauen Basses als deutsche Stimme diverser hartgesottener Hollywood-Burschen bekannt geworden, so etwa Willem Dafoe und sogar Darth Vader. Deshalb hat er auch fast die komplette Krimireihe von Rotbuch für den Argon-Verlag einlesen dürfen. Eckart Dux könnte älteren Zuhörern noch aus diversen Western und Fernsehkrimiserien bekannt sein – er hat zahlreichen Westerhelden von Audie Murphy bis James Stewart seine Stimme geliehen.
Jan Panczak ist im Vergleich dazu ein Newcomer im Synchrongeschäft, hat aber auch schon etliche Rollen gesprochen, u.a. für Serien wie „South Park“. Er vertritt mit Larry Danforth den „weichen“ Mann gegenüber zwei härteren, älteren Männerfiguren.
Das gleiche ist bei den Frauenrollen zu beobachten: Bettina Weiß spricht die taffe Leni Lake, während Annina Braunmiller für die sensiblere und jüngere Leslie Carroll zuständig ist. Kein Wunder also, wenn Larry mit Leslie anbandelt statt mit Leni. Alexander Turrek spricht mit Prof. Atwood einen Typ, der irgendwo zwischen Danforth und Dyer liegt – ein Wissenschaftler, aber doch zupackend. Andere Rollen gibt es nicht.
Geräusche
Die Geräusche sind genau die gleichen, wie man sie in einem realistischen Spielfilm erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Szenen dicht und realistisch aufgebaut, meist aber reichen Andeutungen aus. So sorgt das Gebell von Schlittenhunden für eine Vorstellung, dass es hier um ein Lager im Eis gehen könnte. Der ständige heulende Wind verstärkt diesen Eindruck noch. Trittgeräusche im Schnee oder auf Geröll verdeutlichen die unwirtliche Umgebung, in der sich die Figuren bewegen. Ein Gespräch an Bord eines der Schiffe ist selbstverständlich von Wellenrauschen untermalt. Wiederholt sind donnernde Flugzeugmotoren zu hören.
Sehr subtil muss die Klangkulisse im Labyrinth der Alienstadt gehandhabt werden. Es gibt reale Schritte, die aber von den Wänden mit Hall und Echo verstärkt werden. Da kann ein Toningenieur, der nicht aufpasst, leicht Schnitzer erzeugen, die zur Unverständlichkeit des Dialogs oder einer unrealistisch wirkenden Geräuschkulisse führen. Zum Glück geht in dieser Inszenierung alles gut.
Eines fand ich jedoch im Nachhinein merkwürdig. Das Monster, das Danforth und Dyer solchen Schrecken einjagt, scheint mehr aus Schleim, Dunst und Nebel zu bestehen. Wie aber bringt es dann in diesem vormateriellen Zustand Knurren und Grollen hervor? Da wundert sich der Fachmann. Allerdings ist das Knurren etc. aus dramaturgischen Gründen nötig, um die Gefahr zu verdeutlichen. Nebel wird meist wenig bedrohlich (eher verhängnisvoll). Das Gegenteil des Knurrens ist das hallende Pfeifen, das in diesem Hörspiel wohl das Poe-sche „Tekeli-li!“ ersetzen soll.
Musik
Die Musik des ungenannten Komponisten setzt auf die standardmäßigen Instrumente wie Piano und Streicher, um die aus diversen Horrorschinken vertrauten Stimmungen zu erzeugen: Beklemmung, unheilvolle Ahnung, blanker Schrecken und dynamische Dramatik. Nur in der Eröffnungsszene mit Pabodie und Dr. Lake kann davon keine Rede sein. Da sind Heiterkeit und Gläserklingen angesagt.
Die heitere Stimmung hält sogar noch an Bord der Schiffe vor, bis die Expedition im ewigen Eis eintrifft. Es gibt sogar eine sehr lustig gestaltete Flugszene, in der dem ach so beinharten Prof. Dyer vom Fliegen schlecht wird (ich glaube, man hört ihn sogar reihern), während die von ihm so unterschätzte Leni Lake wie ein Vöglein lacht, wenn sie sich in die Lüfte erheben darf. Das Lachen wird ihr schon noch vergehen.
Zu Beginn der wissenschaftlichen Arbeiten erklingt ein Intermezzo, das furios und dynamisch die hoffnungsfrohe Arbeit der Expeditionsteilnehmer unterstreicht. Hier kommt der homo mechanicus voll zu seinem Recht. Die Stimmung ändert sich jedoch mit den ersten Funksprüchen von rätselhaften Funden – tiefe Bässe deuten eine Bedrohung an. Die erste Folge endet mit dramatischer Musik. Das Leitmotiv, mit dem die Aliens eingeführt werden, sind Trommeln (wie in Moria) und dissonante Akkorde.
Das Booklet
… enthält im Innenteil lediglich Werbung für das Programm von Titania Medien. Auf der letzten Seite finden sich die Informationen, die ich oben aufgeführt habe, also über die Sprecher und die Macher. Die Titelillustration von Firuz Akin fand ich wieder einmal sehr passend und suggestiv: Im Hintergrund ist das neuentdeckte Hochgebirge zu sehen.
Firuz Akin ist auch eine Seite Werbung für sein Buch „Illustration“ zu finden, das Mitte Dezember im Heider Verlag erscheinen soll.
Unterm Strich
„Berge des Wahnsinns“ ist einer der bedeutenden Kurzromane, die Lovecraft am Ende seines Lebens – er starb ein Jahr nach der Veröffentlichung – innerhalb seiner Privatmythologie schrieb. Die Antarktis-Expedition des Geologen Dyer stößt auf eine uralte Stadt, die von einer außerirdischen, vormenschlichen Zivilisation errichtet wurde. Und Andeutungen legen nahe, dass auf dem Meeresgrund noch viele weitere solche Städte auf ihre Entdeckung warten. Ob das für die heutige Menschheit so gut wäre, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. In der Stadt unter dem Eis vertreibt ein unheimlicher Wächter die neugierigen Forscher, und solche könnte es auch in weiteren Ruinen geben. Dyers Assistent Danforth hat den Wächter und dessen Brut gesehen und ist darüber verrückt geworden …
Ähnlich wie in „Schatten aus der Zeit“ und „Der Flüsterer im Dunkeln“ entwirft Lovecraft die Grundzüge seiner Mythologie, wonach erst die Alten Wesen von den Sternen kamen und die Stadt unterm Eis bauten, bevor die Cthulhu-Wesen anlangten und mit ihnen einen Krieg führten, an dessen Ende Wasser und Land zwischen den Rassen aufgeteilt wurden. Überreste beider Zivilisationen sind für Expeditionen wie die Dyers noch aufzuspüren, natürlich nur an sehr verborgenen Orten.
Das Motiv der „Lost Race“, das Lovecraft in nicht weniger als 18 Erzählungen verwendet, war schon 1936 nicht mehr neu und vielfach erprobt worden. Am kommerziell erfolgreichsten waren dabei wohl Edgar Rice Burroughs, der Schöpfer des Tarzan, und Henry Rider Haggard, der mit „König Salomons Minen“, „Allan Quatermain“ und „Sie“ einen sagenhaften Erfolg unter den Spätviktorianern verbuchte.
Ob Edgar Allan Poe mit seinem Romanfragment „Arthur Gordon Pym“ diese Mode schuf, als er seinen Titelhelden in der Antarktis eine unbekannte Zivilisation finden ließ, sei dahingestellt, aber sowohl Jules Verne mit „Eissphinx“ als auch Lovecraft mit „Berge des Wahnsinns“ folgten diesem Vorbild in den eisigen Süden. In letzter Zeit knüpfte auch Michael Marrak mit seinem Roman „Imagon“ erfolgreich an dieses Vorbild an.
Das Hörspiel
Der Drehbuchautor hat die Geschichte ganz gehörig entschlackt, verdichtet und modernisiert. Nicht nur fehlt jetzt das meiste Wissenschaftsbrimborium, die elend langen Spekulationen, die ausschweifende Sprache. Nein, auch die Figuren sind nicht mehr so dramatisch angelegt: Danforth wird nicht mehr wahnsinnig, sondern nur noch von Albträumen heimgesucht. Das kann aber auch an seiner verlorenen Liebe Leslie liegen, die hier völlig neu eingeführt wird. Aus Prof. Lake wird die energische Dr. Leni Lake, die viel Ähnlichkeit mit Amelia Earhart und anderen Pionierinnen der Luftfahrt hat. (Ob ihr Vorname Leni Riefenstahl geschuldet ist, sei der Phantasie des Zuhörers überlassen.)
Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und Stimmen von Hollywoodstars einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. Auf jeden Fall ist das Hörspiel so geschickt angelegt, dass der Zuhörer am Schluss des ersten Teils nicht umhin kann, sofort die zweite CD einzulegen, um den Hörgenuss fortzusetzen. Well done!
Audio-CD mit 62 Minuten Spielzeit
Originaltitel: At the Mountains of Madness (1936, gekürzt), (1939, ungekürzt)
ISBN 978-3-7857-4386-7
www.titania-medien.de