Lowder, James – Prinz der Lügen, Der (Vergessene Reiche: Die Avatar-Chronik Band 4)

Einst erschütterte die Zeit der Sorgen das Gefüge der Welt. Die Götter waren von Ao verdammt worden, in den Reichen zu wandeln, um die Tafeln des Schicksals zurückzuholen. Einige Götter ließen dabei ihr Leben und Menschen nahmen ihren Platz im Pantheon ein: Mitternacht und Cyric. Einst Freunde, nun verhasste Feinde.

Die Götter sind zurück an ihrem angestammten Platz und wachen wieder über die Geschicke der Welt. Noch immer sind sich Mitternacht – nun Mystra, die Göttin der Magie – und Cyric – Gott der Lügen, Intrigen, des Todes und des Chaos’ – spinnefeind. Cyric plant gar, sich zum einzig wahren Gott aufzuschwingen. Sein Schwert, Götterfluch, leistet ihm dabei gute Dienste, denn es vermag Götter zu töten.

Cyric ist ein erbarmungsloser Gott, der keine Gnade kennt und selbst in seinem Totenreich Unmut hervorruft. Die Götter bitten Ao, Cyric zu bestrafen, doch Cyrics Handeln entspricht seinen Aufgabengebieten als Gott – er kann nicht bestraft werden.

Nur Mitternacht vermag scheinbar zu erkennen, wie gefährlich Cyric ist. Doch auch andere, verborgene Machtgruppen ziehen die Fäden im Hintergrund. Aber ihre genauen Ziele sind unbekannt.

Cyric scheint niemand aufhalten zu können. Er lässt ein magisches Buch schreiben, um alle Andersgläubigen auf seine Seite zu ziehen. Und er ist kurz davor, seine Rache an dem Mann zu vollenden, der ihm einst ebenbürtig war: Kelemvor. Doch dessen Seele wird von einer fremden Macht verborgen – selbst Mitternacht vermag ihren ehemaligen Geliebten nicht zu finden.

Der Prinz der Lügen – Cyric – ist kurz davor, alle seine Ziele zu erreichen …

Mit „Der Prinz der Lügen“ wächst die Avatar-Trilogie zur Avatar-Chronik heran und spinnt den Faden weiter, der in der Zeit der Sorgen seinen Anfang nahm. Denn gerade jetzt erleben die „Vergessenen Reiche“ eine spannende Zeit, die vor allem Fans der Reihe miterleben möchten. James Lowder weiß, zum Glück, die Vorlage der Trilogie gut zu nutzen.

Im Mittelpunkt steht der Konflikt zwischen Cyric und Mitternacht. Letztere nennt sich als Göttin der Magie Mystra und bildet einen Gegensatz zur Bösartigkeit Cyrics. Beide waren einst Menschen und vermögen über den Tellerrand der Göttlichkeit hinwegzuschauen. Und genau das macht sie gefährlich, den anderen Göttern gegenüber vielleicht sogar überlegen.

Cyric macht seinen Aufgabengebieten alle Ehre. Er metzelt alles nieder, kennt keine Skrupel und spinnt tödliche Intrigen. Dabei geht es oftmals brutal und blutig zu. Der Autor nimmt kein Blatt vor den Mund und stellt die entsprechenden Szenen sehr plastisch dar. Das ist dann allerdings Geschmackssache – wobei die Brutalität nicht Mittel zum Zweck ist, sondern Cyrics bösartigen Charakter aufzeigt.

Während sich Cyric in der Götterwelt schnell zurechtfindet, hat Mitternacht Anpassungsschwierigkeiten. Sie begreift nur langsam, was Göttlichkeit bedeutet und wie die anderen Götter die Welt wahrnehmen. Und das ist schlussendlich Mitternachts wahre Stärke im Kampf gegen Cyric. Das Charakterspiel der beiden Hauptfiguren und ihr greifbarer Konflikt sorgen für die nötige Spannung.

Überhaupt: Der Spannungsbogen steigt stetig an. Das wird hauptsächlich durch die vielen verschiedenen Handlungsebenen und Schauplätze erzielt – ohne den Leser zu verwirren. Man behält stets den Überblick und kann sich gut in die Figuren des Romans hineinversetzen. Sie sind sehr farbig und beleben das Bild, das James Lowder zeichnet.

Der Autor besitzt einen plastischen und detaillierten Stil, mit dem er die Geschichte packend transportiert. Gefesselt verfolgt man das Schicksal der Götter, der Menschen und der Halbmenschen. Obwohl diese den Göttern unterlegen sind, lassen sie sich nämlich nicht alles gefallen. Ganz im Gegenteil: Einige von ihnen wissen sich richtig zu wehren – selbst im Leben nach dem Tod.

Man merkt sehr schnell, dass Lowder gerne mit Überraschungen arbeitet. Intrigen und Verwirrspiele scheinen ihm zu liegen, aber auch große Wendepunkte werden vom Autoren gezielt eingesetzt. Sein Roman ist einfach fesselnd und sorgt für kurzweilige Unterhaltung. Fans der Reihe und Kenner der Reiche kommen an dem Buch jedenfalls nicht vorbei, behandelt es doch auch einen der wichtigsten Zeiträume der Buchreihe.

Die Schauplätze und Figuren überraschen übrigens durch ihre Kreativität und Vielfalt. So gibt es nicht nur Menschen und Götter, sondern unternimmt der Leser Ausflüge auf andere Ebenen, verfolgt die Erlebnisse einer getäuschten Seele und erlebt die Befreiung einer gefährlichen Bestie. Großartige Zaubereien, gefährliche Kämpfe und mechanische Kreaturen – Lowder kocht ein appetitliches Süppchen aus fantastischen Zutaten. Einfach wunderbar.

Auch die Aufmachung des Buchs ist gelungen. Das düstere Cover ist passend gestaltet, Titel und Detailangaben dynamisch angeordnet. Das Schriftbild ist klar und lässt sich gut lesen. Jedes Kapitel wird durch eine kurze Inhaltsangabe eingeleitet, über der sich das Symbol Cyrics befindet – immerhin wurde der Roman auch nach ihm benannt: Der Prinz der Lügen.

Das Buch schließt mit Verlagswerbung ab. Zum einen gibt es einen Ausblick auf den nächsten Teil der Avatar-Chronik (Band 5: Die Feuerprobe), zum anderen wird auch auf die weiteren Romane der „Vergessenen Reiche“ hingewiesen. Nicht fehlen darf die Information zum Rollenspiel „Dungeons & Dragons“, das von Feder & Schwert verlegt wird und die Grundlage der Romane bildet. Immerhin sind die „Vergessenen Reiche“ Bestandteil dieses Spiels.

Einzig wirkliche Schwachpunkte liegen im Lektorat, dem zwei große Fehler unterlaufen sind. So findet man an zwei auffälligen Stellen noch englische Begriffe. Da wäre das Wort Skyline, bei dem man aber getrost ein Auge zudrücken darf. Schlimmer ist jedoch, das Fürst Schach plötzlich Fürst Chess genannt wird. Das ist zwar nicht besonders schlimm, aber trotzdem auffällig und stört kurz ein wenig den flüssigen Lesefluss.

Unter dem Strich bleibt ein gelungenes Fantasy-Buch, das man gerne liest.

|Originaltitel: Prince of Lies
Übersetzung: David Raphael Flor
Lektorat: Oliver Hoffmann|

_Günther Lietz_ © 2005
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de veröffentlicht.|