Brian Lumley – Necroscope 2 – Vampirblut

Dramatische Schlacht der Totenbeschwörer

Die Wege von Harry Keogh, dem Nekroskopen, und Boris Dragosani, dem Nekromanten, kreuzen sich in diesem zweiten Band der über ein Dutzend Romane umfassenden „Necroscope“-Serie, die hierzulande exklusiv bei |Festa| erscheint. Die Konfrontation der beiden ist unausweichlich. Doch beide kämpfen nicht alleine, sondern mit Unterstützung (un)heimlicher Verbündeter.

_Der Autor_

Brian Lumley wurde 1937 in England geboren. 1981 beendete er seine Militär-Karriere. Seither arbeitet er als freier Schriftsteller. Seine ersten Veröffentlichungen standen ganz unter dem Einfluss von H. P. Lovecrafts |Cthulhu|-Mythos. 1986 schuf Brian Lumley mit seiner Vampir-Saga „Necroscope“ eine der erfolgreichsten Horror-Serien der Welt. Alleine in den USA haben sich seine Bücher weit über zwei Millionen Mal verkauft. So wie Brian Lumley den Vampir darstellt, hat es noch kein Autor zuvor gewagt. Mittlerweile hat Brian Lumley mehr als 50 Bücher veröffentlicht und schreibt fleißig weiter. Er und seine Frau Barbara Ann leben in Devon, England. (Verlagsinfo)

|Der Autor über sein Buch|

„Ich begann das erste Buch im März 1984. Ich hatte mir schon lange gewünscht, einen eigenen Vampir-Roman zu schreiben, irgendwann nach der Lektüre von Mathesons „Ich bin eine Legende“ (I am legend; verfilmt mit Charlton Heston) – und das ist schon Ewigkeiten her. Ich wollte jedoch Vampire darstellen, die etwas mehr tun, als bloß Blut zu saugen. Sie sollten ihre eigene Historie haben, eine Abstammung, und es musste einen verdammt guten Grund geben, warum sie noch nicht die ganze Welt beherrschen.“ (Verlagsinfo)

_Handlung_

Im ersten Band der Vampirsaga „Necroscope“ haben wir bereits Boris Dragosani als eine der beiden Hauptfiguren kennen gelernt. Er ist im ESP-Dezernat (ESP: übersinnliche Wahrnehmung) von Gregor Borowitz für die Interessen des sowjetischen Geheimdienstes tätig. Seine Tätigkeit ist ebenso speziell wie grausig: Er ist ein Totenhorcher in dem Sinne, dass er frisch getöteten Opfern den Körper öffnet und dann daraus liest – eine perverse Art von Augur. Auf diese Weise zapft er die Erinnerungen der Opfer an. Sein Chef bezeichnet ihn als „Nekromant“, was gar nicht so verkehrt ist. Man denke etwa an Chiromantie, die Kunst des aus der Hand Lesens.

Dragosani hat in Transsylvanien die intime Bekanntschaft eines Wesens gemacht, das er als einen Vampyr und „alten Drachen“ bezeichnet. Durch einen über sechzig Jahre alten Vampirforscher namens Ladislau Giresci erfährt er mehr über Vampyri. Giresci erfuhr während der Bombenangriffe, die während des 2. Weltkriegs auf die Ölstadt Ploesti in Südrumänien geflogen wurden, von der Existenz dieser seltsamen Rasse von Wesen.

Giresci wohnte dem Sterben eines 500 Jahre alten Vampirs namens Faethor Fernczy bei, der unter den Trümmern eines ausgebombten Hauses sein Leben verlor. Interessanterweise sind Vampyri (sie werden hier „Wamphyri“ geschrieben) Symbionten: Ein Fremdwesen, der eigentliche Vampir, hat sich in einem normalen Menschen eingenistet, seine Physis ebenso verändert wie sein Leben verlängert. Im Falle des drohenden Todes seines Wirtes versucht der Vampir wieder zu entkommen, während das Fleisch seines Wirtes rapide verfällt. (Ob Vampire vom Titan oder Mars kommen, ist noch nicht ganz klar.)

Wie höchst interessant, findet Dragosani. Das bedeutet, dass jeder Mensch zum Vampyr (gemacht) werden kann. Er erfährt auch, dass Faethor Ferenczy zwei Söhne hatte: Thibor und Janosch, beide haben angeblich das Zeitliche gesegnet. Doch das Wesen, mit dem Boris schon Bekanntschaft gemacht hat, ist offenbar Thibor – man hat bei seiner Bestattung unterlassen, ihn zu köpfen.

Boris bringt ihm Blutnahrung, woraufhin das bislang substanzlose Ding einen Tropfen seiner Essenz, ein Ei, auf Dragosanis Nacken fallen lässt. Als er es wegwischen will, ist es bereits in ihn eingedrungen und breitet sich mit rasender Geschwindigkeit aus. Schon nach kurzer Zeit registrieren Dragosanis Mitarbeiter die typischen Symptome eines Vampirs: lange Zähne, ebenso verlängerter Schädel, bleiche Haut und erhöhte Lichtempfindlichkeit.

All dies geschieht während des Frühjahrs und des Sommers 1976. Im Dezember schickt Borowitz seinen Nekromanten auf einen Killereinsatz nach England: Er und sein Kollege Max Batu sollen den Chef der ESP-Abteilung des britischen Geheimdienstes, Sir Keenan Gormley, töten. Außerdem sollen sie herausfinden, warum britische Atom-U-Boote für sowjetische Überwacher-Telepathen unsichtbar sind.

|Harry Keoghs Fehde und Aufstieg|

Frühjahr/Sommer 1976: Der britische Totenhorcher oder „Nekroskop“ Harry Keogh hat im ersten Band den Mörder seiner Mutter, Viktor Shukshin, ermittelt und nahe Edinburgh gefunden. Er besucht ihn und übergibt ihm eine Warnung in Form des Ringes seiner Mutter, ein Indiz für das Verbrechen. Shukshin, der gerade Borowitz seine Mitarbeit angeboten hat, ist entsprechend erschüttert. Er hasst alle ESP-ler.

Harry wiederum erhält in seinen Träumen ernste Warnungen von seiner verstorbenen Mutter – er kann ja mit den Toten kommunizieren, und sie ist ein Medium. Sie warnt ihn vor Shukshins Reaktion und vor weiteren Agenten, die es auf Harrys ungeborenes Kind, das Brenda empfangen hat, abgesehen haben könnten.

Sir Keenan Gormley ist von Harrys ehemaligem Schuldirektor informiert worden. Er besucht Harry und bittet ihn um Mitarbeit in seiner Geheimdienstabteilung. Es herrscht Kalter Krieg und Harrys Beitrag könnte sich als wertvoll erweisen.

Für Harry ist es das erste Mal, dass jemand seine wahren Fähigkeiten ihm gegenüber zur Sprache bringt und nutzen will. Entsprechend verängstigt reagiert er, stellt sich unwissend und abweisend. Als diese Nummer nicht zieht, erbittet er sich Bedenkzeit, bis er seine Fehde gegen Shukshin abgeschlossen hat. Die Warnung seiner Mutter veranlasst ihn im Dezember, Brenda schleunigst zu heiraten und Gormley ebenfalls sein Ja-Wort zu geben.

|Killerwinter in Moskau|

In Moskau spitzen sich die Ereignisse zu. Werden der Vampyr Dragosani, sein Killer Batu, der Vampyr Thibor und der Nekroskop Harry Keogh erstmals in einem Duell der ESP-ler aufeinandertreffen? Eines steht schon mal fest: Die Dimensionen dieses Duells werden übermenschlich sein.

_Mein Eindruck_

Die Handlung dieses zweiten Bandes ist in vielerlei Hinsicht zufrieden stellender als die des ersten. Auf dem Debütroman „Das Erwachen“ liegt die Bürde, die Hauptfiguren vorzustellen und aufeinander zuzuführen. Im zweiten Band wird diese Bewegung vollendet, denn hier findet die finale Konfrontation zwischen Harry Keogh und Boris Dragosani statt. Auf einer höheren Ebene geht es in dieser Schlacht um die Vorherrschaft in der Welt des ESP-Einsatzes, und zwar nicht nur im Rahmen des Kalten Krieges.

|Der schwarze Ritter|

Aber die Schlacht wäre ziemlich spannungslos, wenn wir von vornherein wüssten, wie stark die Kontrahenten sind. Beide entwickeln sich aber zum Glück um wesentliche Bestandteile ihres Arsenals von „Talenten“ weiter. Hinsichtlich Dragosanis besteht ja der Sinn seiner häufigen Besuche in Transsylvanien darin, sich die Geheimnisse und Fähigkeiten eines unsterblichen Vampyrs anzueignen, um seinen Chef Gregor Borowitz vom Thron der ESP-Welt zu stürzen und sich an seiner Stelle zum König der sowjetischen ESP-ler-Zentrale auf Schloss Broniczy zu machen. Es ist spannend und mitunter bizarr zu verfolgen, wie dem rücksichtslosen Nekromanten dies gelingt.

|Der weiße Ritter|

Dragosanis Markenzeichen ist der skrupellose Machtmissbrauch, er geht buchstäblich über Leichen – um sie dann zu verhören. Er versagt darin nur ein einziges Mal … Sein genaues Gegenteil ist Harry Keogh, der Nekroskop. Um die geistigen Inhalte Verstorbener zu erhalten, schlitzt er keine Körper auf, sondern bittet ausschließlich die Verstorbenen selbst um Informationen. Diese können bereits mehrere hundert Jahre tot sein, wie der Fall eines Adligen aus dem 17. Jahrhundert belegt. Von diesem veröffentlicht er das „Tagebuch eines Lebemanns“, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Eigeninteresse liegt Harry also nicht fern.

Harry ist darauf eingestellt, die Toten zu seinen Verbündeten zu machen. Dies wird sich bei dem Angriff auf Dragosanis Festung als entscheidender Vorteil erweisen. Doch nachdem ihn Lebende wie Sir Keenan Gormley mit wichtigem Rat versehen haben, wendet er sich der Entwicklung eigener Fähigkeiten zu. Für die Weiterentwicklung von entscheidender Bedeutung ist die Begegnung mit dem 1868 verstorbenen deutschen Mathematiker und Astronomen Möbius.

|Teleportation|

Noch heute ist dessen endlose und in sich verdrehte Möbiusschleife vielfach abgebildet zu sehen. Es geht um Dimensionen und das Durchschreiten von Türen in der Raumzeitdimension. Faktisch kommt dies dem Talent der Teleportation gleich. Grenzen sind für Harry fortan kein Hindernis mehr. In diesem „Möbius-Kontinuum“ begegnet Keogh mehreren Opfern von Dragosanis Spur der Verwüstung. Sie bitten Harry, sie zu rächen und steuern jeder ein Instrument zu Dragosanis Vernichtung bei. Mit diesen Attributen ausgestattet und mit mehreren Helfern an seiner Seite stellt Harry den klassischen weißen Ritter dar, der gegen den schwarzen antritt.

|Ironie|

Wieder einmal rächt sich für seinen Gegner, dass das absolut Böse keine Zweifel kennt oder zulässt. Es darf sich und seine Handlungsweise nicht hinterfragen, denn das würde belegen, dass es über ein Moralbewusstsein verfügt, mit dem es sich infrage stellen könnte. Spätestens der Vampir in Dragosani hat diese Ethikinstanz vernichtet. Das rächt sich bitter. Denn nun schlägt Dragosani auch die Warnung in den Wind, die ihm der bodenständige Mongole Max Batu auf den Weg gegeben hat: „Man kann die Toten nicht mit dem Bösen Blick verfluchen, denn sie sind bereits tot. Der Fluch fällt daher auf seinen Urheber zurück…“

|Für Harry und das liebe Vaterland|

Etwas naiv fand ich Lumleys Darstellung von Brendas Verhalten. Als die frisch angetraute Mutter von Harrys Sohn erfährt, dass ihr Mann Harry gedenkt, sich einer geheimnisvollen Abteilung des britischen Geheimdienstes anzuschließen, mäkelt sie keineswegs zickig herum, dass sie ja von nun an nur noch wenig von ihm haben werde. Und wer diese Finsterlinge denn überhaupt seien, ihr den Mann wegzunehmen? Oh nein, sie findet das voll in Ordnung, wünscht ihm viel Glück und opfert sich fürs liebe Vaterland. Jemand sollte der Lady ein Denkmal errichten und eine Flasche zwölf Jahre alten Glenmorangie schenken!

_Unterm Strich_

Nach einem schleppenden ersten Drittel, in dem es vor allem Dragosani um Informationsbeschaffung geht, verknüpfen sich die Handlungsstränge und es kommt zu ersten Szenen, in denen Interessenskonflikte ausgetragen werden. Ich rede hier von Action, okay?

Die Spannung steigt, als sich sowohl Dragosani als auch sein britischer Gegenspieler Harry Keogh neue Fähigkeiten aneignen können, mit völlig gegensätzlichen Methoden. Der Showdown nahe Moskau ist unausweichlich und dürfte alle actionhungrigen Vampirfans zufriedenstellen.

Wie sich aus der Zusammenfassung der Handlung ergibt, setzt dieser Band die Kenntnis der Handlung des ersten voraus. Neueinsteiger dürften hiermit nur wenig anzufangen wissen. Wer nicht in das – leicht gekürzte – Hörbuch von „Necroscope 1“ investieren will (wenn es nicht bereits vergriffen ist), der sollte sich beim [Festa-Verlag]http://www.festa-verlag.de das Buch besorgen. Die restlichen der bislang achtzehn Bände wird man dann auch noch haben wollen.

Taschenbuch: 256 Seiten
Originaltitel: Necroscope 2, 1986
Aus dem Englischen übersetzt von Rainer Marquardt