Mit „Der dunkle Orden“ schließt Eric Van Lustbader seinen dreiteiligen Fantasyzyklus um die magische Welt Kundala ab, die von den hochtechnisierten V’ornn überfallen und unterjocht wurde.
Lustbader hat eine komplexe Welt voller Gegensätze geschaffen; was im ersten Band [„Der Ring der Drachen“ 254 noch ein stark an Herberts |Dune|-Zyklus angelehntes Werk war, entwickelt sich im Folgeband „Das Tor der Tränen“ zu einem Kampf der Kontrahenten innerhalb der eigenen Reihen. Mit den Dämonen Kundalas, die in die Welt drängen, kommt noch eine weitere Partei ins Spiel.
So brodelt es in den Reihen der V’ornn, als die niedere Kriegerkaste der Khagggun von den neuen Machthabern, der Familie Stogggul, in den Rang einer Hohen Kaste erhoben wird. Die Flottengeneräle bekämpfen sich untereinander, während der Widerstand der Kundalan zersplittert und uneinig ist. Doch auch in religiöser Hinsicht ist Konfliktstoff gegeben, die Ramahan (Priester/Zauberer) der Göttin Miina sind bereits kurz nach der Invasion der V’ornn von ihrem Glauben abgefallen und geben sich der Schwarztraumzauberei Kyofu hin.
Doch wie passt die höchste Kaste der V’ornn – die geheimnisvollen Gyrgonen, mit Technologie ausgestattet, deren Möglichkeiten weit über der normaler V’ornn steht und an Magie grenzt – in dieses Bild? Sie sehen in der Magie Kundalas den letzten Weg, um der drohenden Vernichtung durch die ominösen „Centophennni“ zu entgehen. Magie ist ihnen unbegreiflich, aber vielleicht der einzige Weg, um die Geheimnisse der Goronenpartikel zu meistern, die als Waffe verwendet mächtiger sind als alles, was die V’ornn zur Verteidigung aufbieten können.
Gleichberechtigung und Emanzipation spielen ebenfalls eine große Rolle; so laufen viele V’ornn-Frauen aus der niederen Kaste der Tuskugggun (Heim, Kinder und Herd …) zum kundalanischen Widerstand über, unter ihnen auch Marethyn, die Schwester des neuen, besonders grausamen Herrschers der V’ornn auf Kundala, Kurgan Stogggul. Seine Sippe hat die gegenüber den Kundalan allzu freundliche Familie Ashera abgelöst und ausgelöscht. Bis auf seinen Jugendfreund Annon …
Dieser ist ein V’ornn/Kundalan-Mischling, Sohn des ermordeten Königs Eleusis Ashera und seiner kundalanischen Konkubine Giyan. Bei ihm drängt sich die Assoziation zu „Dune“ geradezu auf, denn ähnlich wie Paul Atreides ist er der ersehnte Messias, Retter Kundalas. Als der Dar Sala-at soll er Miinas heiligen Drachen Seelin befreien, die „Perle“ Miinas in seinen Besitz bringen und die V’ornn von Kundala vertreiben. Zum besseren Verständnis sei erwähnt: Annon wurde bereits im ersten Band umgebracht und gilt als tot – sein Geist teilt sich den Körper mit dem der Kundalan Riane, er wurde also körperlich in eine Frau umgewandelt. Das schafft eine ganze Menge Probleme, denn er liebt die Kundalan Eleana, die zudem sein grausamer „Freund“ Kurgan bereits im ersten Band vergewaltigt und geschwängert hat.
Auf eine Aufzählung der zahlreichen, schillernden Nebencharaktere, wie den später zum Nawatir, Kämpfer der Göttin Miina, umfunktionierten Truppkommandeur Rekkk Hacilar, der auch Annon zuerst einmal getötet hat (dies erinnert ein wenig an die Geschichte um Jesus und den Legionär, der ihm den Speer in die Seite rammte), möchte ich hier verzichten. Die von Lustbader geschaffene Welt ist unheimlich komplex, bevölkert von zahllosen interessanten Charakteren und spielt mit den gelungenen Kontrasten zwischen verschiedenen Arten der Magie bis hin zur Nekromantie, Genetik und modernster Technologie.
Daraus kann man eine eindeutige Empfehlung ableiten: Obwohl es ein Glossar gibt, ist dieses wenig hilfreich, zu komplex sind die Zusammenhänge, zudem ist es lieblos und unvollständig – ein Einstieg muss zwingender denn in vielen anderen Serien mit dem ersten Band „Der Ring der Drachen“ erfolgen.
Was bietet nun der letzte, abschließende Band dieses wilden Mixes aus Horror, Fantasy und SciFi?
Zuerst kommt die Erkenntnis, dass das anfänglich so sehr an Dune angelehnte Szenario sich vollständig eigenständig entwickelt hat und innovative neue Ideen bietet; die lebhafte Welt Kundala ist Lustbader ob und gerade wegen ihrer Gegensätze einfach perfekt gelungen. Die Chance, bei einem Mix dreier Genres literarischen Schiffbruch zu erleiden, ist nicht gerade gering, und an einigen Untiefen kommt auch Lustbader nicht vorbei: Er fordert einen für Neues offenen Leser, der konzentriert liest. Denn einfach zu konsumieren ist sein Zyklus nicht.
Die Vielfalt hat auch ihren Preis. So wimmelt es nur so von ständig neuen Handlungssträngen und Nebenhandlungen, die leider oft nicht abgeschlossen oder abgewürgt werden. Das hohe Erzähltempo und häufige Wechsel der Bezugsperson der Erzählung führen oft auch zu einer sehr subjektiven Sicht der Welt, in der Charaktere hervorgehoben werden, die Umgebung aber bestenfalls skizziert wird, was ich allerdings nicht als negativ empfunden habe.
Leider verliert sich so auch ein wenig der Faden, es gibt keine eigentliche Hauptfigur, wie man es ob der Rolle Annons/Rianes annehmen könnte. Der abschließende Band tröpfelt anfangs vor sich hin, man weiß nicht im Geringsten wie es weitergehen soll, plötzliche Sprünge eröffnen dann neue Perspektiven. Dies ist ähnlich ärgerlich wie die bereits im zweiten Band aufgetretenen „Deus ex Machina“-Effekte. Lustbaders Handlungsführung weist hier erhebliche Defizite auf, die erste Hälfte des Buches ist dadurch ein zäher, orientierungsloser Brocken, der nicht gefallen kann.
Das letzte Drittel ist dafür actionreich und spannend – leider ist das Ende bitter enttäuschend. Vieles bleibt ungelöst, es gibt keinen krönenden Abschluss, man glaubt kaum, dass das Buch hier endet. Ob man hier Lustbader zu einer Trilogie genötigt hat? Komplexe Serien haben oft Schwierigkeiten, zu einem guten Ende zu kommen … hier aber drängt sich der Eindruck einer erzwungenen Raffung auf. Das würde auch die zunehmenden Sprünge und Unglaubwürdigkeiten besser erklären. So scheint die Dreiecksaffäre zwischen dem Nawatir, der ihn verschmähenden Giyan und der ihn liebenden Inggres arg gekürzt worden zu sein, sie ist oberflächlich und endet plötzlich. Dasselbe gilt für die Dämonen, die den zweiten Band dominierten und sich seitdem wohl nicht mehr aus der Hölle getraut haben.
Annon/Rianes und Eleanas Beziehung sowie die in diesem Band erfolgende Metamorphose Kurgans haben allesamt einen Ende-offen-Charakter, noch wird Kundala befreit im klassischen Sinne.
_Fazit:_ Es ist schade, wie dieser faszinierende Zyklus endet. Ist er am Ende an seiner überbordenden Komplexität gescheitert oder auf Drängen des Verlages, der die Saga in drei statt fünf Bänden abgeschlossen sehen wollte? Zumindest wurden diese drei Bände in der sehr gut gelungenen deutschen Übersetzung nicht wie so oft üblich gesplittet.
Dieser Zyklus ist faszinierend – aber die wunderschöne Welt, die Lustbader geschaffen hat, leidet am Ende unter zu vielen offenen Handlungssträngen, zu vielen Charakteren und fehlendem roten Faden. Schade! Diese Fantasywelt hatte so viel Potenzial, leider enttäuscht und verärgert sie mit diesem Finale. Wer von Standard-Fantasy oder SciFi gelangweilt ist, wird sie dennoch lieben. Allen anderen kann ich aufgrund der genannten Defizite nur abraten.
Hoffnung besteht dennoch: Das kann nicht das Ende sein – vielleicht folgt ja eine zweite Trilogie, welche die Handlung fortführt, die vielen offenen Fragen klärt und einem nicht das Gefühl gibt, mittendrin aufzuhören!