Dieser Band enthält „sieben Erzählungen eines der großen Altmeister der Science Fiction, sarkastisch, boshaft, voll hintergründigem Humor und einer gehörigen Portion Selbstkritik am „American Way of Life“. Sie erschienen zwischen 1938 und 1942 in „Astounding Science Fiction“ und „Unknown“ und gehören zu den besten, die in jenen Jahren geschrieben wurden. (Verlagsinfo) Diese Stories ergänzen die Stories in den Heyne-SF-Bänden „Neu-Arkadien“ und „Ein Yankee bei Aristoteles“ sowie „Die blaue Giraffe“.
Die Stories:
Hyperpelositus,
Tritonen,
Der knorrige Mann,
Die Räder der Zeit,
Der beste Plan,
Die Kriegerrasse,
Kein Steak von heiligen Kühen.
Der Autor
Lyon Sprague de Camp wurde 1907 in New York City geboren, studierte dort lebte in verschiedenen Südstaaten und in Kalifornien, erwarb den akademischen Grad eines Bachelor of Science und machte 1933 seinen Master of Science. Neben seinen Gelegenheitsarbeiten als Dozent, Ingenieur, Patentanwalt, Werbetexter und Offizier der US Naval Reserve war er doch die meiste Zeit als freier Autor und Herausgeber tätig. Er verfasste mehr als achtzig Bücher, von denen die SF nur einen geringen Teil ausmacht. Am liebsten war mir immer „Mathemagie“, die fünf Harold-Shea-Romane, die de Camp zusammen mit Fletcher Pratt schrieb (1988, ISBN 3-453-02790-6).
Seine erste Story erschien 1937 in „Astounding Stories“. Seine besten Stories sind in der Collection „A gun for dinosaur“ gesammelt, die 1980 bei Heyne unter den Titeln „Ein Yankee bei Aristoteles“ und „Neu-Arkadien“ erschien. De Camp schrieb seinen Roman „Vorgriff auf die Vergangenheit“ bereits 1939, wobei er zunächst eine Kurzgeschichte im Magazin „Unknown“ veröffentlichte. Der komplette Roman erschien 1941 bei H. Holt & Co. und wurde 1949 von Galaxy Publishing sowie Philadelphia Prime Press nachgedruckt.
Schon bald schrieb de Camp Romane, auch in der Fantasy und in Zusammenarbeit mit Fletcher Pratt und P. Schuyler Miller. Sein herausragender SF-Roman ist „Vorgriff auf die Vergangenheit“ (Lest Darkness Fall, 1939), aber auch in der Fantasy und im Sachbuchbereich erhielt er mehrere Preise, und 1979 wurde ihm den Nebula Award für sein Lebenswerk, der „Grand Master Award“, verliehen. Er starb am 6. November 2000 und wurde auf dem Nationalfriedhof in Arlington, neben seiner Frau, beigesetzt.
Die Erzählungen
1) Hyperpelositus (Hypelosity, 1938)
Vier Kumpels sitzen am Pokertisch und legen eine Pause ein, denn das Bier ist ausgegangen und einer muss frisches holen. Wie immer führt Pat Weiss das Wort, wenn es darum geht, eine Pause mit einer Geschichte zu füllen. Einst war er am Medical Center ein Student der Virologie und Ramon Oliveira war sein Professor. Nach einer Grippeinfektion vermehrte sich die Behaarung des Professors auf wundersame Weise, aber auch die von Pat Weiss.
Erst sind die Wirkungen gar nicht so übel, denn so manches traditionell eingestellte Frauenzimmer stehe eben auf männliche Behaarung – solange sie sich in Grenzen hält, fügt Weiss hinzu. Aber diese Grippe war speziell, so dass die Behaarung einfach nicht aufhören wollte. Fortan hielten die Mitmenschen, besonders die weiblichen, die beiden Virologen für eine Art Gorilla oder Neandertaler.
Das Ulkige an der Grippe war, dass sie sich über fast die gesamte Bevölkerung ausbreitete. Jeder und jede versuchte damit zurechtzukommen, aber in einem heißen New Yorker Sommer greift man und frau zu verzweifelten Maßnahmen. Die Wirtschaft bekam das sofort zu spüren. Die Hemdenhersteller gingen als erste pleite, dann die Hersteller von Unterwäsche und von Krawatten. Pat merkte, woher der Wind wehte und investierte seine Ersparnisse in die Hersteller von Enthaarungsmitteln.
Die Regierung wurde aufgefordert, „etwas zu unternehmen“, doch ihr fiel nichts ein, und so kam es nach einer Weile zu der Belohnung von einer Million Dollar für den Erfinder oder Forscher, der eine Lösung für „Hyperpelositus“ fände, wie das Phänomen von einem einfallsreichen Pressefritzen getauft worden war. Professor Oliveira schuftete wie ein Pferd, um möglichst bald ein Gegenmittel gegen diese Grippe zu finden. Denn es gab tatsächlich eine kleine Gruppe mit speziellen Proteinen, die weiterhin unbehaart blieb. Mit einer simplen Übertragung konnten deren Vertreter dazu gebracht werden, behaart zu werden. Und umgekehrt? Nach weiterer harter Arbeit klappte auch das. Hyperpelositus war besiegt!
Leider wollte niemand etwas davon wissen. Alle hatten sich an die Behaarung so gewöhnt, dass sie sie nicht mehr missen wollten, selbst im Winter. Und die Belohnung? Die Frist für den Antrag auf Anerkennung der Lösung war kurz zuvor abgelaufen. Und die Aktien? Wie man sich denken kann, hielt Pat Weiss die falschen. Ein Kommilitone hatte die richtigen – von einer Firma, die Striegel herstellte. Denn die waren jetzt groß in Mode… Endlich kommt das Bier und die Pokerpartie kann weitergehen.
Mein Eindruck
Die Story ist eine Geschichte der Anpassung. Diesmal scheint sich die Uhr der Evolution zurückzudrehen, und die Menschen laufen behaart herum wie ihre Primatenvettern. Das allein ist schon die Lektüre wert. Doch wie jeder Yankee weiß, bietet jede Veränderung nicht nur Risiken, sondern auch Chancen. Diese werden an der Börse in Form von Wetten gehandelt, wobei es natürlich Gewinner und Verlierer gibt. Die spannende Frage lautet. Wird Pat Weiss seine Aktienwette gewinnen, indem er das Gegenmittel für Hyperpelositus findet?
Mit Weiss und seinem Professor, der übrigens ein schauderhaftes Englisch (Deutsch in der Übersetzung) spricht, treten zwei Vertreter der Wissenschaft auf, die sich zum Narren machen. Dies zu lesen, dürfte nicht viele Pulp Fiction Leser von „Astounding Science Fiction“ anno 1938 erfreut haben. Aber der Autor findet mithilfe des ironischen Humors einen Dreh, um selbst Miesepeter zum Schmunzeln zu bringen.
Und das ist schon der erste Schritt auf dem Weg zur Erkenntnis, dass selbst Götter der Wissenschaft nicht unfehlbar sind, wenn es die böse Umwelt so will: Aktien steigen, Aktien fallen, Belohnungen lösen sich wegen der Bürokratie in Luft auf und überhaupt: Manchmal finden die Mitmenschen auch die seltsamste Veränderung ganz angenehm. Auch wenn sie sich dabei zum Affen machen.
2) Tritonen (The Merman, 1938)
Vernon Brock ist Assistenzaquarist im New Yorker Zoo und hofft, schon in wenigen Jahren befördert zu werden und seinen Chef Sugden abzulösen. Dann will er endlich die Institutssekretärin Miss Engholm heiraten zu können. Aber vor seinem unaufhaltsamen Aufstieg muss er noch ein paar niedere Arbeiten an den Käfigen, den Alligatoren und den Haifischen verrichten. Bei einem Unfall wird durch ein Gas seine Lunge in die Kiemen eines Fischwesens verwandelt. Derartiges hatte er für möglich gehalten, doch es am eigenen leib zu erfahren, ist etwas völlig anderes.
Der Sauerstoff scheint ihm die Kehle zu verätzen, er schnappt nach Luft, wankt aus dem Labor zu den Fischbecken – und fällt ins Haifischbecken. Die Haie haben jedoch wenig Appetit, denn sie gehören zu den harmlosen Arten. Während sich draußen vor der Glasscheibe die Besucherscharen versammeln, um diesen exotischen Aquariumsbewohner anzuglotzen, versucht sich Vernons Lunge an das Leben unter Wasser anzupassen.
Sugden holt seinen Chef, den Zoodirektor Whitney. Sie versuchen alles, um Vernon das Leben zu erleichtern, doch so mancher Versuch ist kontraproduktiv, und die Haie erweisen sich als Nahrungskonkurrenten. Wird Vernon jemals sein Schwimmbecken verlassen können? Miss Engholm ist in Tränen ausgebrochen, was ihm klarmacht, dass das Leben im Wasser nichts für ihn ist: ein Tritonsleben.
Am nächsten Morgen beschließt er, sich zu befreien und hämmert auf das Glas des Beckens ein. Es knackt und knackt…
Mein Eindruck
Auch so ein Tritonsleben hat seine Vorteile, wie Vernon herausfindet: Er lernt unter den Zoobesuchern einen ehemaligen Zirkusartisten kennen, mit dem er eine Kuriositätennummer auf die Beine stellen könnte. Alles, was er braucht, ist jenes spezielle Gas, das seine Lunge in Kiemen verwandelt. Und so bleibt auch noch Platz für Miss Engholm in seinem Leben.
Ich habe mich über die große Zahl von Sätzen ohne Dialog gewundert, aber dann wurde mir zweierlei klar: Erstens wurden damals die Autoren nach Cents pro Wort bezahlt, und je mehr Wörter, desto mehr Schreiblohn gab es. Zweitens mussten die frühen SF-Autoren einen Vorwand vorschützen, das Lesepublikum zu INFORMIEREN. Denn ursprünglich kam die SCIENCE Fiction ja aus dem Bereich der angewandten Wissenschaft, beispielsweise der Elektronikpraxis.
1927 hob ja Hugo Gernsback das erste solche SF-Magazin aus der Taufe. Er merkte schnell, dass seine Leser auch unterhalten werden wollten und fügte den Fachartikeln immer mehr Prosa hinzu, also etwa von Jules Verne oder H.G. Wells („Der Gott der Dynamos“ und dergleichen). Dann musste er selbst Prosa schreiben und ging schließlich dazu über, Autoren zu beauftragen – so begann alles: mit einem Feigenblatt, nämlich mit hinter Unterhaltung verborgener Information.
3) Der knorrige Mann (The Gnarly Man, 1939)
Dr. Matilda Saddler ist Anthropologin – und jagt Männer, wie ihre Kollegen auf dem New Yorker Kongress von 1946 hämisch spotten. So geht sie nach dem letzten Vortrag allein in den Vergnügungspark Coney Island. Nach diversen belanglosen Attraktionen betritt sie das Kuriositätenkabinett. Hier entdeckt sie den knorrigen Mann, der als Affenmensch angepriesen wird. „Bestimmt eine Fälschung“, denkt sie. Doch sie muss ihn dreimal auftreten lassen, um zu glauben, was sieht: das Bindeglied zwischen Affe und heutigem Menschen. Möglicherweise ein Neandertaler?
Nach Verhandlungen mit dem Zirkusdirektor und dem Manager des „Affenmenschen“ darf sie mit letzterem einen Abend verbringen. Denn dies ist nicht King Kong oder „Ungo-Bungo“, sondern ein Gentleman alter Schule, mit einem charmanten irischen Akzent, wie sie als Kennerin erkennt. Er behauptet, Clarence Aloysius Gaffney, 46, zu sein. Doch wie sich in einer weiteren Unterredung mit Kollegen herausstellt, gibt er zu, bereits 50.000 Jahre zu sein und aus der Gegend von Mommersheim am Oberrhein zu stammen. Sein wahrer Name sei Strahlender Falke, doch ein Blitzeinschlag bei einer Wisentjagd habe sein Rückenmark derart verändert, dass es ihn unsterblich gemacht habe. Die Kollegen glauben ihm kein Wort, mit Ausnahme von Dr. McGannon von der lokalen Columbia Uni.
Dr. Saddler hat ihm auf seine Bitte hin die chirurgische Operation diverser alter Knochenbrüche versprochen. Zuvor lässt sich Gaffney aus seinem Vertrag mit seinem Manager bei Rechtsanwalt Robinette entlassen, damit alles rechtens ist. Er tut alles, um Scherereien zu vermeiden, denn die vertreiben ihn stets. Wie sich nämlich herausstellt, hat der Chirurg Dr. Dunbar ihn nicht zu heilen, sondern zu sezieren. Gaffney wehrt sich, bevor er zu Robinette flüchtet. Dort kommt es zu einem bemerkenswerten Showdown…
Mein Eindruck
Ein Besucher aus der Steinzeit entkommt wieder einmal den tückischen Schlichen seiner modernen Nachfahren. Es ist die tragikomische Geschichte eines Neandertalers, dem ein Zufall zu ewigem Leben verholfen hat. Die Komik entsteht vor allem aus der Tatsache, dass dies den Betroffenen zu einem Leben im Schatten der Welthistorie verurteilt: Als er sich jetzt outet, gerät er prompt in die Mühlen der modernen Welt, deren Bewohner ihn als Versuchsobjekt, Pressesensation oder gar als aufregend archaischen Ehemann (!) sezieren bzw. ausschlachten bzw. missbrauchen wollen.
Die Story ist sowohl faszinierend und ein wenig romantisch, als auch actionreich. Die Pointe liefert der letzte Brief Gaffneys an Robinette.
4) Die Räder der Zeit (The Wheels of If, 1940)
Was tut ein Mann, der von den Rädern der Zeit in eine Parallelwelt verfrachtet wird, in der New York nicht New York, sondern New Belfast heißt? Und in der auch einige andere Dinge anders sind. Jedenfalls findet sich Allister Park, ein ehrgeiziger Rechtsanwalt und angehender Kommunalpolitiker, in einem Amerika wieder , das vor tausend Jahren die Wikinger besiedelt haben und in dem die Geschichte der letzten zehn Jahrhunderte einen völlig anderen Verlauf genommen hat. Hier musste sich die Nordmänner schlecht und recht mit den „Indianern“ zusammenraufen, weil sie schon rein waffentechnisch außerstande waren, die „Rothäute“ auszurotten.
Doch Allister Park beherrscht alle Tricks und Finten der hohen und der niederen Politik, und so verschieden die Parallelwelten auch sein mögen, der Kampf um Macht und um die Futtertröge ist überall derselbe. (aus der Verlagsinfo)
Mein Eindruck
Die Novelle von hundert Seiten Umfang schildert zunächst recht rätselhaft den Einstieg der Hauptfigur in das Karussell, das von einem Eingeweihten als „Räder der Zeit“ bezeichnet wird, einem gewissen Joseph Noggs. Er ist in eine psychiatrischen Institut eingesperrt, wie könnte es anders sein. Noggs hat herausgefunden, dass man durch die Seelenwanderung zwischen verschiedenen Körpern allerlei Schandtaten begehen kann, ohne Strafe gewärtigen zu müssen. Die verfügbaren Seelen, jede in ihrer jeweiligen Parallelwelt, sind 13 an der Zahl – Noggs ist Nummer 14 und eine Art Katalysator: Er kann andere Seelen aus Körpern herauskicken – und zu diesen gehört auch Allister Park.
Als Bezirksstaatsanwalt ist Park ein ziemlich gewiefter Typ, ziemlich anpassungsfähig und auf Aktivität getrimmt. Als er New Belfast ankommt, gelingt es ihm, zwei Identitäten anzunehmen: seine eigene steigt in der lokalen Kommunalpolitik, aber Bischof Ib Scoglund spielt eine Liga höher: Der Bischof hat eine Petition eingebracht, die den Skrellingen, also den indigenen Völkern, mehr Gleichstellungsrechte verschaffen soll. Die Konservativen, v.a. die Wikingerstämmigen, fürchten um ihre Macht und bekämpfen den Bischof mit den fiesesten Tricks. Als park in die Rolle des Bischofs schlüpft, dreht er den Spieß um.
Über kurz oder lang weitet sich der Konflikt aus. Durch die Rebellion der Dakota-Indianer im Nordwesten und anschließende Invasion der restlichen, gespaltenen Nation entbrennt ein veritabler Bürgerkrieg. Doch auch der ist keine Nummer zu groß für Park: Er spielt die beiden gegnerischen Parteien gegeneinander aus und trägt so den Sieg davon. Doch irgendwann muss er sich entscheiden, wer überleben soll. Soll er mit Noggs‘ Hilfe wieder in die Räder der Zeit und in seine eigene Zeit zurück? Dann müsste Alexander Park sterben. Oder soll der Bischof ins Gras beißen?
Die ganze Novelle ist sehr flott erzählt, im letzten Viertel sorgt der Bürgerkrieg für Action. Man merkt schnell, dass sich der Autor bestens mit den Tücken, Finten und Winkelzügen der Lokalpolitik auskennt, die aber in Washington, D.C. sicherlich genauso funktioniert, nur eben eine Nummer größer. Seine indirekten Kommentare sind bissig, aber treffsicher. Dass die Wikinger auch ihre alten Bräuche aus der Heimat mitgebracht haben, merkt Allister Park allerdings fast zu spät: Er muss ein Duell auf Leben und Tod bestehen, bewaffnet nur mit einem Messer, und an seinen Gegner gekettet.
Erotik und Ironie
Was wäre eine Story von de Camp ohne ein paar erotische Schlüpfrigkeiten? Auch diese Novelle macht da keine Ausnahme, denn der Autor bemüht sich, den Verstand des – damals meist männlichen – Lesers permanent wachzuhalten bzw. aufzuwecken. Schon in der ersten Szene, in der Allister Park auftritt, erwacht er in einem fremden Bett. Es kommt noch besser: In diversen weiteren Betten liegt neben ihm jedesmal eine schöne Frau.
Schnell kommt die Rede auf Allisters Einstellung zur Liebe: Sie sollte stets mit unverheirateten jungen Frauen stattfinden und ihn nicht binden. Verheiratete Frauen seien tunlichst zu meiden. Und tatsächlich bekommt es Allister wenige Wochen später mit einem wütenden Ehemann zu tun, der ihm jedes, äh, Glied einzeln ausreißen würde. Er würde aber auch nie die Erklärung glauben, die ihm Allister auftischt, und das liegt an Allisters zwei Identitäten…
An einem Strand in New Belfast stellt Allister fest, dass die Wikinger ein Faible für Nacktbaden haben müssen. Nur ein kleiner Gürtel mit Beutel, wie ihn die Schotten bis heute tragen (ein Sporran), schützt die Geschlechtsregion vor allzu neugierigen Blicken. So ein Beinahe-FKK-Strand ist schon was Feines, denn es gibt viel zu sehen. Zu früh gefreut! Zwei Nicks (Polizisten) schnappen ihn sich wegen „unanständiger Entblößung“ – er selbst trägt ja keinen solchen Sporran. Flugs landet er im Knast, mit einer Lehrstunde in Lokalpolitik.
5) Der beste Plan (The Best-Laid Scheme, 1941)
Man schreibt das Jahr 2365. Bloss, der oberste Koordinator für Nordamerika, muss zu seinem Missvergnügen feststellen, dass Russell Hedges, ausgerechnet ein Mitarbeiter aus dem Institut für Standardisierung, an der Zeit herumpfuscht. Offenbar hat Hedges eine Zeitmaschine in Form einer Armbanduhr erfunden. Ein Verwarnung fruchtet nichts, denn sie wird mit einer Drohung quittiert: Wenn man ihn nicht in Ruhe lasse, werde Hedges im Familienstammbaum von Bloss herumpfuschen. Unerhört!
Bloss schaltet den Chef des Instituts für Standardisierung ein, Collingwood. Der ist ein Speichellecker allererster Güte. Als Lösung fällt ihm nur, was alle Bürohengste verinnerlicht haben: Er delegiert den Auftrag. Der Glückliche ist Mendes De Witt, ein schwerer Brocken von einem Kerl. Und er besitzt ein vielseitig verwendbares künstliches Auge. Auf Geheiß des eingeschüchterten Bloss darf er Hedges weder umlegen noch ihn verletzen. Aber es gibt ja noch andere Methoden: De Witt baut anhand von Überwachungsvideos die Zeitmaschine nach, die Hedges verwendet, baut in sein künstliches Auge einen Lähmstrahler und reist selbst in die Zeit.
Schnell findet er heraus, das die Zeit Gesetze hat: Er darf nicht in seiner eigenen Lebenszeit reisen, also innerhalb von 38 Jahren in die Vergangenheit. Er stößt auf Spuren von Hedges, folgt ihm, doch das Zielobjekt entschlüpft ihm immer wieder, bis es zu einem Zwischenfall an einem Springbrunnen im Jahr 1959 kommt: Hedges zündet eine Handgranate und wirft sie in einem Besuchermenge. Glücklicherweise fordert die Explosion keine Opfer, aber der Vorfall macht beiden klar, dass es so nicht weitergehen kann: Sie schließen Frieden und verbünden sich gegen Collingwood und Bloss…
Mein Eindruck
Mal von den völlig ungeklärten Voraussetzungen für die Zeitreise abgesehen, so erinnert die Auseinandersetzung an nichts so sehr wie an den Kalten Krieg – und das schon vier Jahre vor dessen Beginn anno 1945. Im Veröffentlichungsjahr 1941 begann bekanntlich für die Amerikaner der Krieg mit den Japanern, der mit dem Abwurf von zwei Atombomben endete. Der 2. Weltkrieg wie auch der Kalte Krieg sind durch einen Rüstungswettlauf und gegenseitigen Attacken gekennzeichnet.
Bei de Camp findet der Krieg – ähnlich wie Fritz Leibers Roman „The Big Time“ von 1958 – in der Zeit statt. Dieses Katz-und-Maus-Spiel eskaliert, bis es fast zum Tod von Unschuldigen kommt. Erst da erkennen die beiden Kontrahenten, dass sie eigentlich mehr gemeinsam haben, als sie gedacht haben.
Das klingt vielleicht etwas idealistisch, aber aus dem Blickwinkel ihrer jeweiligen Chefs ist das durchaus ernst: Denn solcherlei harmonische Verbrüderung widerspricht dem Prinzip von strenger Kontrolle durch „Koordination“ und „Standardisierung“ und zeigt eine Alternative auf, die jenseits von Hierarchie und Kontrolle liegt, nämlich Zusammenarbeit und Teilhabe, also „Sharing“. Und was wäre, wenn es im Krieg zu solchen Szenen käme?
6) Die Kriegerrasse (The Warrior Race, 1941)
Die Centaurianer sind gelandet und haben die Erde unterworfen. Obwohl sie von den Kolonisten, die vor Jahren das System Proxima Centauri besiedelt haben, abstammen, benehmen sie sich in den Augen der Erdlinge maschinenhaft. Sie sind streng, unbestechlich und, wie es scheint, sehr engstirnig. Für sie gilt: kein Alkohol, kein Tabak, kein Sex und auch keinen Humor. Sie bezahlen ihre „Wachhunde“ gut, um deren Loyalität sicherzustellen.
Der Centaurianer Juggins stellt sich der Uni-Klasse des Historikers Prof. Lechon in Philadelphia vor. Allerdings hat er nicht mit den Scherzen von Frederick Merrian gerechnet, dem Spaßvogel der Klasse. Hsi und Dowling sind zurückhaltender. Als Juggins beleidigt wieder von dannen stapft, fragt die Klasse ihren Professor bang, wie das enden solle. Lechon beruhigt sie: „Schaut in die Geschichtsbücher. Dort steht bereits die Antwort.“
Jahre später. Hsi ist in der Sino-American Transport Company zu einem Schreibtischposten gelangt und hofft, rasch in der Hierarchie aufzusteigen. Dowling ist inzwischen der Mittelsmann zwischen der Bevölkerung von Philadelphia und dem Administrator, eben jenem Juggins. Merrian glaubt nach zwei Scheidungen immer noch, er könnte es als „ernsthafter“ Schriftsteller schaffen, indem er die Pulp Fiction Gazetten verschmäht. Ein hoffnungsloser Fall.
Eingedenk der Worte ihres Professors haben Dowling und Hsi die Hoffnung nicht aufgegeben und finden nun Wege, die angebliche Unkorrumpierbarkeit der Centaurianer auf die Probe zu stellen. Hsi schlägt Juggins und dessen Chef McWhirtle ein dubioses Aktiengeschäft vor. Sie können sogar dafür sorgen, dass Fred Merrian nicht geblendet, sondern „nur“ in ein anderes Gefängnis gesteckt wird. Er ist ihn ewig dankbar.
Da ereignet sich eine Explosion: Die Untergrundbewegung hat den Aufstand begonnen. Zwar schlagen die Centaurianer hart zurück, doch der Aufstand erstirbt nicht, sondern breitet sich im ganzen Land aus, als ein Rauchverbot an öffentlichen Plätzen erlassen wird. Die Prätorianergarde, pardon: die „Wachhunde“ verweigern den Dienst, als die Aufständischen die Hauptquartiere der Centaurianer stürmen.
Als die Australier kommen und ihre korrumpierten Genossen in den USA zur Rechenschaft ziehen wollen, bringt Dowling Juggins und Co. wieder zur Vernunft: „Diese Typen sind doch viel kleiner als ihr“, raunt er. Die Australier haben keine Chance. Jahre später erklärt den drei Freunden ein greisenhafter Professor Lechon, was schon vor über 2000 Jahren ein gewisser Aristoteles erkannt hatte…
Mein Eindruck
Aristoteles sagte nämlich (so behauptet zumindest der Autor), dass eine Kriegerrasse wie die Spartaner zwar eine Zivilgesellschaft wie die von Athen oder Korinth erobern könne. Doch sie werde dabei unweigerlich von der natürlichen Korruption jener Zivilgesellschaft infiziert. Weil sie die Korruptionsformen nicht gewohnt sei und dagegen keinerlei Immunität entwickelt habe (wie auch), sei ihr Fall umso tiefer. Sie ende im Sumpf diverser Laster. Infolgedessen fiele es der Widerstandsbewegung, die sich jedes Mal im Untergrund entwickeln würde, relativ leicht, die Eroberer zu besiegen und zu vertreiben.
Die Story ist die satirische Antwort auf all jene militaristischen Phantasien, denen zufolge „das Land“ viel besser dran wäre, wenn es nach militärischen Prinzipien geführt würde. In einem Krieg, den die Amerikaner gegen ein anderes Volk (ab 1941) führen, können solche Idee ja leicht aufkommen. Aber der Autor prophezeit den Militärs, was passieren würde, sollte eine Militärregierung an die Macht kommen: Korruption sei eine Grundbedingung menschlicher Existenz und würde unweigerlich auch auf die sittenstrengen Militärs übergreifen.
Was bei den Spartanern funktioniert habe, konnte bei den lockeren Athenern und Thebanern nicht funktionieren. Als Beispiel führt Lechon den Staatsmann, Feldherrn und Soldaten Epaminondas ((https://de.wikipedia.org/wiki/Epaminondas)) an, der mit Theben die Spartaner erstmals in offener Feldschlacht besiegen konnte (am 3. Juli 371 v.Chr. bei Leuktra).
7) Kein Steak von heiligen Kühen (The Contraband Cow, 1942)
Texas in der nahen Zukunft. Homer Osborne hat künstliches Fleisch in den San Antonio Laboratorien erfunden, um das gesetzliche Verbot von echtem Rindfleisch, das die Hindus durchgesetzt haben, auszugleichen. Heute unternimmt er mit seinem Chef Charles Kenny einen heimlichen Ausflug, um Kennys Gier nach echtem Rindersteak zu befriedigen. Doch auch das Naturschutzgebiet am Nueces River wird von hinduistischen Polizisten überwachten, wie Homer herausfindet. Während Kenny irgendwo im Busch nach Brennmaterial sucht, wird Homer von einem Sikh-Polizisten festgenommen und zur nächsten Straße geschleppt.
Dort allerdings wird Officer Guja Singh von einem mexikanischen Bande überwältigt. Beide werden über die Grenze in die Provinz Coahuila verschleppt. Es ist der Fleischbaron Harmodio Dualler, der hinter der Entführung steckt: den Polizisten brauche er nicht, doch von Homer will er alle seine Forschungsergebnisse und Materialproben. Offenbar will er den US-amerikanischen Markt erobern. Homer wünscht sich ins heimatliche Brooklyn zurück.
Doch bevor Dualler ihn zwingt, den erpresserischen Anruf bei seinem Chef zu machen, gelingt es dem unterschätzten Polizisten, eine in seinem Turban versteckte Pistole in Homers Zelle zu schmuggeln. Das bringt Homer in eine einzigartige Verhandlungsposition. Beim geplanten Videoanruf bedroht er Dualler und lässt ihn nicht Kenny anrufen, sondern Gujas Vater, den indischen Abgeordneten Arja Singh: Der soll die Abstimmung im Parlament beeinflussen, damit amerikanisches Rindfleisch nicht mehr sanktioniert wird.
Die List gelingt, doch Dualler setzt auf Widerstand. Schüsse fallen…
Mein Eindruck
Es ist kein Zufall, dass die Handlung in Texas stattfindet: Hier ist die Hochburg des Steak-Konsums und der Rindfleischproduktion. Was würde passieren, wenn Rindfleisch verboten würde, weil es von heiligen Kühen stammt, spekuliert der Autor. Natürlich würde jemand sofort auf die Idee kommt, Rindfleisch künstlich herzustellen. Das wäre allerdings ein Schlag gegen die Fleischbarone auf der mexikanischen Seite des Rio Grande. Die mischen sich ein und entführen Homer Osborn, um auch das Kunst-Steak zu kontrollieren, denn sie hätten dann das Monopol.
Es kommt zu einigen actionreichen und lustigen Szenen, denn die Story schreitet sehr flott voran. So wird beispielsweise dem Hindu Guja Singh vorgemacht, das Steak vor ihm bestünde aus künstlichem Fleisch. Doch kaum hat er davon gekostet, erfährt die Wahrheit. Sein Entsetzen ist ebenso groß wie seine Entrüstung. Doch es kommt noch schlimmer: Dualler hat den ganzen Vorgang filmen lassen, so dass er nun Gujas „Vergehen“ publik machen kann. Gujas Agonie und Wut kennt kaum noch Grenzen. Doch es kommt schlimmer: Auch sein Vater erfährt per Video von diesem Vorgang. Man sieht: Der Autor kennt sich mit politischer Erpressung bestens aus.
Die Übersetzung
S. 36: „Nitrogen“: Besser bekannt als Stickstoff.
S. 50: „…wurde ich Hufschmied. Wenn Sie alle Hufe sehen würden…“: gemeint sind aber nicht Hufe, sondern Hufeisen, denn nur die stellt der Hufschmied her.
S. 53: Ein Bibelverweis, den wohl nicht jeder entschlüsseln kann: „Und wenn er tatsächlich die Wahrheit sagt, würde es gegen das fünfte Buch Moses verstoßen.“
S. 194: Hier stimmen die Präpositionen nicht: „Dowling ging zu Fuß zum Hotel, wo er sich mit McWhirtle getroffen hatte, zur Penn Station.“ Statt „zum Hotel“ muss es „vom Hotel“ heißen, denn das Treffen ist ja schon vorbei. Die Penn Station liegt in New York.
Unterm Strich
Die meisten Einfälle in diesen Stories des frühen Goldenen Zeitalters der Science Fiction waren damals bestimmt recht witzig, wirken aber heute wie verstaubte Standardware. Wohl dem, der dabei schmunzeln kann. Zu erwähnen ist indes die Rolle des Magazinherausgebers John Campbell Jr., die hier nirgendwo erwähnt wird.
Während die meisten Stories in seinem SF-Magazin „Astounding Stories“ erschienen, wo auch Heinlein, Van Vogt und Asimov mit ihren ersten Geschichten debütierten, so zeichnete er auch für ein reines Fantasy-Magazin namens UNKNOWN verantwortlich. Dieses gewagte Experiment sah nur wenige Ausgaben (die demnächst bei deutschen Festa Verlag erscheinen werden), doch Lyon Sprague de Camp debütierte dort mit den zwei hier gesammelten Geschichten „The Gnarly Man“ (1939) und „The Wheels of If“ aus dem Jahr 1940, die Titelgeschichte des vorliegenden Bandes.
Diese zeichnen sich durch ihre Respektlosigkeit ebenso aus wie durch die merkwürdige Tatsache, dass sie überhaupt keine Fantasy-Elemente aufweisen, wie man sie erwarten würde. Das liegt daran, dass Campbell als Herausgeber ebenso wie in „Astounding“ eine rationale Erklärung für die Abweichungen von der empirischen Realität forderte. In der SF mussten die Autoren meist technische Erklärungen liefern, aber wie erklärt man das Auftauchen eines Neandertalers in der Neuzeit – und wie die Wirkung eines Karussells aus Parallelwelten? De Camp war kompetent genug, beides zu liefern und seine Leser entweder zu erheitern oder zu bewegen. Dabei ließ er Action, Humor und Romantik nie außer Acht. Keine schlechte Leistung.
Taschenbuch: 221 Seiten.
O-Titel: The Wheels of If, 1949
Aus dem Englischen von Rene Mahlow, Jürgen Abel, Horst Pukallus und Joachim Pente..
ISBN-13: 978-345330470
Der Autor vergibt: