Katie MacAlister – Kein Vampir für eine Nacht

In Katie MacAlisters „Blind Date mit einem Vampir“,  dem Auftaktroman ihrer Reihe um die „Dunklen“, durfte die geneigte Leserin verfolgen, wie die Hauptfigur Joy in Tschechien zwar nicht den Vampir, aber doch den Mann fürs Leben fand. In der Fortsetzung „Kein Vampir für eine Nacht“ kann man nun zwar erfahren, wie es mit Joy und Raphael weitergegangen ist, aber nur in einer Nebenhandlung. Tatsächlich hat sich MacAlister für den zweiten Band eine neue Protagonistin ausgedacht, die es auf den folgenden 400 Seiten erfolgreich zu verkuppeln gilt.

Allegra ist Beschwörerin, das heißt, sie ruft Geister herbei. Inwiefern so etwas die Miete, den Supermarkteinkauf und anfallende Rechnungen bezahlen soll, erklärt MacAlister zwar nicht. Trotzdem hat Allegra eine Festanstellung, und das, obwohl es ihr in ihrer gesamten Karriere noch niemals gelungen ist, auch tatsächlich einen Geist herbeizurufen. Ihr Chef ist davon kaum begeistert, darum hat er sie nach London geschickt, wo sie nun endlich mal etwas Ordentliches beschwören und damit den Beweis ihrer Fähigkeiten erbringen soll. Tatsächlich ist London ihrem geheimen Beschwörer-Gen offensichtlich sehr zuträglich, denn am Schluss des Romans hat sie sieben Geister beschworen, die ständig um sie herumschwirren (wenn sie sich nicht gerade im Fernsehen „Buffy“ ansehen).

Nebenbei soll sie bei ihrem London-Aufenthalt auch unbedingt einer Lesung von J. C. Dante beiwohnen und ihrer Freundin ein signiertes Buch mitbringen. Allie selbst hält von Dantes Romanen überhaupt nichts und wirft sich eher widerwillig in das weibliche Getümmel, das den Starautor paranormaler Romanzen umgibt. Allerdings lernt sie dort Joy und Roxy kennen, die sofort beschließen, dass Allie Dantes Auserwählte sein muss. Und dass, obwohl sie Dante unglaublich arrogant und unsympathisch findet! Es kommt natürlich alles, wie es kommen muss: Sie fällt mit Christian (also Dante) in die Kissen, sie gestehen sich ihre ewige Liebe und dazwischen müssen noch ein böses magisches Triumvirat besiegt und ein Dämon zurück in die Hölle geschickt werden – aber das ist eher lästiges Beiwerk. Stattdessen konzentriert sich MacAlister auf Bettgeschichten, wahnsinnig süßliche Liebesgeständnisse und unglaublich nervtötende Dialoge.

Wer „Blind Date mit einem Vampir“ kennt, kennt auch „Kein Vampir für eine Nacht“, denn die Fortsetzung ist „more of the same“, wie der Engländer so schön sagt. Wieder gibt es eine Ich-Erzählerin und wieder ist sie leicht fehlerhaft – diesmal sind es ein vernarbtes Bein und verschiedenfarbige Augen. Ganz klassisch kann sie den Mann ihrer Träume zunächst nicht ausstehen, nur um schließlich doch noch seinem Charme zu erliegen und als ultimativen Liebesbeweis ihr Leben für den Liebsten zu riskieren. Selbiger war zwar anfangs auch nicht von seiner Auserwählten angetan, doch ist er selbstverständlich gegen sein Schicksal machtlos: Allie ist dazu auserkoren, Christians Seele zu retten, und das wird sie auch tun, da kann der arrogante Macho sich noch so sehr wehren. Das bedient natürlich das gleiche Klischee wie der Erstling, nämlich das Männer zwar gutaussehend und sexy, aber geistig auf dem Stand von Neandertalern verblieben sind und deshalb nicht wissen, was gut für sie ist. Darum müssen sie gegen ihren Willen von einer gutmeinenden Frau verführt und in den Hafen der Ehe verschifft werden.

Viel Handlung ist bei „Kein Vampir für eine Nacht“ nicht zu erwarten, und was MacAlister an Handlung bietet, ist reichlich abstrus und teilweise widersprüchlich. Das macht der Autorin offensichtlich nichts aus, man hat nie den Eindruck, dass sie ihren Roman oder ihre Charaktere sonderlich ernst nehmen würde. Ihr Personal ist dermaßen überzeichnet und viele Szenen sind so slapstickartig aufgebaut, dass einem als Leser schnell schwindelig wird. Das alles soll natürlich kurzweilig und witzig sein, doch wirkt es meistens nur übertrieben und spleenig.

Offensichtlich ist MacAlister der Meinung, Vampire seien das Ultimum an Romantik. Deshalb nennt sie sie auch nicht „Vampire“, sondern „Dunkle“ – gerade so, als wäre Vampir politisch unkorrekt und diskriminierend. Dunkle, das sind bei MacAlister unsterbliche, Blut trinkende Männer, die verzweifelt auf der Suche nach ihrer Auserwählten sind, denn nur sie kann die Seele des Dunklen retten. Ohne Frau ist er verzweifelt, deprimiert, selbstmordgefährdet – mit Frau ist er vollkommen, glücklich und endlich ein ganzer Mann. So sagt Allie an einer Stelle über Christian: „Christian war im Grunde seines Herzens zutiefst verzweifelt und sehnte sich nach Liebe, denn sie war der Schlüssel zur Rettung seiner Seele.“ Hach, wie schön! Ist der Dunkle erst einmal romantisch errettet (d. h. aus seinem Neandertalerstadium befreit), mutiert er zum zuvorkommenden Liebhaber und potenten Sexgott; schließlich ist es fortan seine Lebensaufgabe, seine Geliebte wunschlos glücklich zu machen. Na, das sind doch Aussichten!

Schon diese völlig an den Haaren herbeigezogene und gänzlich auf den Romance-Plot ausgelegte Vampirmythologie ist an Kitsch kaum zu überbieten. Leider sind MacAlisters Charaktere auch nicht viel besser. Allie ist die typische Heroine, die nicht ganz perfekt ist und anfangs an sich zweifelt (es ist aber auch blöd, ein Beschwörer zu sein, wenn man offensichtlich gar nicht beschwören kann). Schlussendlich findet sie aber im Laufe der Handlung sich selbst und damit auch den Mann ihrer Träume. Und auch wenn sie anfangs mit Christian nicht viel anfangen konnte, so sieht sie doch irgendwann die Vorzüge eines Vampirs und erklärt ganz hingerissen: „Von einem Dunklen geliebt zu werden, ist alles, was sich eine Frau nur wünschen kann.“

Dumm nur, dass auch die Liebe völlig zerredet wird. MacAlister scheint unfähig, dem Leser Dinge zu zeigen – durch Taten oder Andeutungen. Schließlich hat sie einen Liebesroman geschrieben, und da muss alles deutlich und auch für den naivsten Leser zu durchschauen sein. Deshalb wird geredet, ständig und unaufhörlich. Anstatt zu zeigen, wie die Charaktere sich lieben, lässt MacAlister sie ihre Liebe gestehen – immer und immer wieder. Das geht so weit, dass selbst die Sexszenen so von Dialogen durchzogen sind, dass die Erotik vollkommen verloren geht. Wenn Allie und Christian das erste Mal Sex haben, hat man eher den Eindruck, die beiden würden eine gepflegte Unterhaltung führen (bei der sie zufällig nackt sind und Körperflüssigkeiten austauschen). Wie abtörnend.

Auch die Nebencharaktere sind nicht besser. Da hochschwanger, erscheint Joy noch mehr wie eine unförmige Planschkuh. Und deren beste Freundin Roxy, die schon in „Blind Date mit einem Vampir“ nie den Rand halten konnte, ist nun tatsächlich noch nerviger – unglaublich, aber wahr. Ständig plappert sie unzusammenhängendes Zeug, macht peinliche Bemerkungen und unterbricht Dialoge gerade dann, wenn doch einmal so etwas wie Handlung transportiert werden soll. Ohne Frage ist Roxy die Gülcan der Supernatural Fantasy. Leider fällt ihr nie ein Backstein auf den Kopf. Sie wird auch nicht vom Auto überfahren oder von einem Dämon gefressen. Es besteht also die berechtigte Gefahr, dass sie auch in zukünftigen Fortsetzungen ihr sinnloses Gelaber verbreiten wird.

„Kein Vampir für eine Nacht“ ist uninspirierte Schnulzenkost, ein Roman vom Fließband, der sich nur minimal vom Vorgänger „Blind Date mit einem Vampir“ unterscheidet. Wer Kitsch mag, ist hier vermutlich richtig. Wer eine gute Liebesgeschichte will, sollte sich eher ein anderes Buch suchen.

Man muss Egmont LYX zugute halten, dass sie die Romanreihe wunderbar aufgemacht auf den Markt gebracht haben. Die Covergestaltung und das Artwork sind wirklich peppig und liebevoll. Nur schade, dass der Inhalt nicht hält, was die Verpackung verspricht.

Die Dunklen

1. „A Girl’s Guide to Vampires“ („Blind Date mit einem Vampir“)
2. „Sex and the Single Vampire“ („Kein Vampir für eine Nacht“)
3. „Sex Lies and Vampires“ („Küsst du noch oder beißt du schon?“)
4. „Even Vampires Get the Blues“ („Vampir im Schottenrock“)
5. „The Last of the Red-Hot Vampires“ („Vampire sind zum Küssen da“)

Originaltitel: Sex and the Single Vampire
Ins Deutsche übertragen von Antje Görnig
398 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-8025-8139-7
www.egmont-lyx.de
www.katiemacalister.com