Maja Böhler – Die Wehenschreiberin: Geschichten aus dem Kreißsaal

Worum gehts?

Maja Böhler hat wohl einen der abwechslungsreichsten Berufe der Welt – Hebamme. Täglich wird sie vor neue Herausforderungen und der Suche nach Lösungen gestellt. Sie erlebt jeden Tag Menschen in Ausnahme- beziehungsweise Extremsituationen und wird dadurch zum Zuschauer oder besser gesagt Teil einer großen Schauspielbühne. Sie bekommt hautnah Diskussionen über Vornamen mit, trifft auf ambitionierte Väter in Spe und auf Whatsapp-tippende werdende Mütter während der Presswehen. Kurz gesagt, sie erlebt täglich das Wunder „Geburt“. Doch nicht immer enden alle Szenen im Kreißsaal schön und auch diese werden in dem Buch ans Tageslicht gelassen.

Es handelt sich hier um einen nahezu einmaligen Blick hinter die Kulissen. Maja Böhler schreibt dazu komplett unverblümt, mit viel Humor (auch Galgenhumor), sehr emotional und vor allem kurzweilig.

Inhalt

Gibt es eine größere menschliche Bühne als den Kreißsaal? Nirgendwo ist die Hemmschwelle der Menschen größer und nirgendwo wird mehr verlangt, ebendiese Hemmschwelle abzulegen – weil es nötig ist. Die Autorin und Hebamme Maja Böhler erlebt in ihrem Berufsalltag die verschiedensten Dinge – selbstverständlich beruhen die Kurzgeschichten allesamt auf einer wahren Begebenheit.

Es gibt nichts, was es nicht gibt: Ein werdender Vater, der mit seiner hochschwangeren Frau auf die Geburtsstation gehechtet kommt und der Hebamme voller Überzeugung den vermeintlich gegoogelten Geburts-, bzw. Muttermundstand erklärt, heiße Diskussionen über Vornamen, Frauen, die schon Wochen vor dem errechneten Termin die Nase voll haben vom Schwangersein, extremer Früh-, und Totgeburten, sind nur wenige Beispiele.

Zu Beginn des Buches, werden faktische Missstände im Gesundheitssystem, passenderweise in der Geburtshilfe, erläutert. Es ist kaum vorstellbar, dass es in der heutigen Zeit und bei stetig steigender Geburtenrate, Öffnungszeiten in Kreißsälen eingeführt werden. Sollte man das Pech haben, dass sich das eigene Kind außerhalb dieser „Geschäftszeiten“ auf den Weg macht, so hat man die Wahl: entweder weiter 30-40km in das nächste Krankenhaus zu fahren in der Hoffnung dort mehr Glück zu haben oder die Geburt alleine zu wuppen. Der blanke Horror für werdende Eltern.

Im zweiten Kapitel stellt die Wehenschreiberin sich auf lockere Weise und mit einer großen Portion Selbstironie sich vor. Sie erzählt, dass sie erst auf dem zweiten Bildungsweg Hebamme geworden ist und wie es überhaupt zu diesem Wunsch kam. Gleich nach diesen beiden spannenden und informationsreichen Kapiteln beginnt die eigentliche Kolumne.
Die einzelnen Folgen beschränken sich auf wenige Seiten und es gibt kein Thema/ Szene, die nicht vorkommt. Alles, was einem im Kreißsaal widerfahren kann ist scheinbar auch Frau Böhler passiert und findet in diesem kleinen aber feinen Buch seinen Platz.

Mein Eindruck

Seit den Geburten meiner beiden Kinder hat der Beruf der Hebamme einen ganz anderen Stellenwert bekommen – so sind diese Frauen (und natürlich auch die einzelnen Männer dieser Berufsgruppe) wahre Heldinnen mit unglaublich viel Verantwortung auf der einen und unheimlich schlechten Arbeitsbedingungen auf der anderen Seite. Als ich von dem Buch zur Kolumne des SZ-Magazins gehört habe, stand eines fest: Das muss ich lesen!

Maja Böhler schreibt in einer so liebevoll mitreißenden und witzigen Art, dass es einem nur schwer bis gar nicht gelingt, dieses Buch wieder aus der Hand zu legen. So grotesk einem manche Szenen vorkommen, so sehr kauft man der Autorin vom Fach jedes einzelne niedergeschriebene Wort ab. Sie versprüht einen so authentischen und ehrlichen Eindruck, dass man das Ende des Buches in weite Ferne erhofft.

Besonders imponiert hat mir die unverblümte, hemmungslose Art und Weise des Schreibens. Dadurch erhält man einen Einblick hinter die Kulissen, der einem sonst verwehrt bleiben würde. Man kann überspitzt sagen, dieses Buch zu lesen gleicht einem Praktikum im Kreißsaal. Unglaublich sind die Szenen, die sich dort täglich abspielen und in egal welcher Situation steht eines immer ganz oben: Höchste Sicherheit für Mutter und Kind. Nicht immer einfach, so viel Verantwortung im Hinterkopf zu wissen. Doch Hebammen sind die wahren Göttinnen in weiß!

Über die Autorin

Maja Böhler (Pseudonym), 34, arbeitet als Hebamme in einem großen Universitätsklinikum im süddeutschen Raum und in Teilen selbstständig, etwa um Familien bei der Nachsorge zu unterstützen. Sie hat ursprünglich Jura studiert und war kurz davor, eine Stelle in einer Unternehmensberatung anzunehmen, bevor sie sich entschloss – wie einst ihre Urgroßmutter – die Ausbildung zur Hebamme zu beginnen. Mit ihrer Kolumne auf SZ-Magazin.de begeistert sie seit Mai 2017 zigtausende Leserinnen. Um auch in Zukunft unbeeinträchtigt ihrem Traumberuf nachgehen zu können, hat sie sich zu einem Pseudonym entschlossen. (Verlagsinfo)

Fazit

Selten habe ich ein Buch gelesen, in dem meine Emotionen von Kapitel zu Kapitel wechseln. Hier ist Platz für herzhaftes Lachen über surreale Szenen, Tränen über schwere Schicksalsschläge, Bewunderung für diese nahezu unbezahlbare Leistung einer Hebamme, Ohnmacht über unschöne Bedingungen und Begegnungen.
Ich muss das Gelesene erst einmal sacken lassen und verdauen – im positiven Sinne – und hoffe dann, noch weitere Bücher dieser bemerkenswerten Frau, Autorin und Hebamme lesen zu dürfen.


Taschenbuch: 272 Seiten
ISBN: 3442159725

www.randomhouse.de

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