_Die Autorin:_
Hannah March wurde in Peterborough am Rande der englischen Fens geboren und wuchs auch dort auf. Sie studierte an der University of East Anglia und absolvierte einen Magister-Studiengang „Creative Writing“ u. a. bei Malcolm Bradbury und Angela Carter. Inzwischen hat sie eine Reihe von Romanen veröffentlicht.
In „Das Lied der Ringeltaube“ hat Hannah March den jungen Gelehrten Robert Fairfax bereits schon einmal zur Hauptfigur eines ihrer Romane gemacht, und der aufgeweckte und lebendige Geist, den Fairfax in diesem Roman verkörpert, hat sie wohl selber so sehr beeindruckt, dass sie mit „Als wär’s der Teufel selbst“ einen zweiten Kriminalroman mit diesem als Protagonisten geschrieben hat, der für mich bislang zu den spannendsten Krimis gehört, die ich mir bis dato zu Gemüte durfte.
_Story:_
1761. Robert Fairfax, eigentlich Privatlehrer, bekommt vom angesehenen Sir Edward den Auftrag, die Bibliothek seines verstorbenen Vaters zu katalogisieren. Gereizt von dieser für ihn spannenden Aufgabe – man sagt sich, dass in dieser Bibliothek viele wertvolle Einzelstücke gelagert werden -, macht sich der Gelehrte auf den Weg nach Northamptonshire, wo er irgendwann eine schreckliche Entdeckung macht: Mitten auf dem Weg liegt eine Postkutsche im Straßengraben, deren Insassen allesamt brutal ermordet wurden. Der Kutscher kann bei Fairfax‘ Ankunft gerade noch das Wort „Straßenräuber“ über die Lippen bringen, ehe er seinen schweren Verletzungen ebenso wie seine Gäste erliegt.
Sir Edward, Fairfax‘ Auftraggeber, nimmt sich als Friedensrichter der Sache an und ist sich auch ziemlich sicher, dass der seit einigen Monaten auf dieser Strecke herumstreunende, noch namenlose Straßenräuber für diese Tat verantwortlich ist, auch wenn Mord bislang nicht zu der Liste seiner Verbrechen gehörte. Lediglich die Frage, wer dieser Mann ist, muss noch beantwortet werden.
Doch Fairfax vermutet, dass mehr hinter dieser Sache steckt, denn einfach zu viele Ungereimtheiten bringt dieser Überfall mit sich. Einer der Toten hatte sich vor Antritt der Fahrt als Bankier Twelvetree ausgegeben, doch keiner kann genau sagen, warum Tom Honeyman diese Maskerade vollzogen hat. Weiterhin ist einer der Toten der verwirrte Jonathan Griggs, der jahrelang in der Obhut einer Irrenanstalt gewesen ist und kurz nach seiner Flucht nun tot aufgefunden wurde. Warum hat man ausgerechnet diesen armen Geist getötet? Und was ist mit der verschwundenen vierten Person, Magaret Parry, geschehen, die bei der Abfahrt der Kutsche ebenfalls mit dabei war?
Fairfax begibt sich selber auf die Suche nach Hinweisen, verliert abei aber seinen eigentlichen Auftrag, sehr zum Unmut von Sir Edward, aus den Augen. Dennoch lässt sich Fairfax nicht davon abbringen, überall herumzuschnüffeln und malt sich immer neue Visionen von möglichen Motiven und Tathergängen aus. Jeder der Verdächtigen scheint etwas zu verbergen, aber irgendwie kommt auch keiner so richtig in Frage, diesen grausamen Überfall begangen zu haben. Da wäre zum einen Joseph Fox, der ganz offenkundig um die Witwe Honeyman wirbt, aber dem der Stempel des Mörders gar nicht passen würde. Oder der Methodist Griggs, der Gottes Wort predigt und seinen Bruder Jonathan bei diesem Anschlag verloren hat. Oder William Parry, dessen Frau nach wie vor verschollen ist. Oder die Witwe Honeyman selber, der man deutlich anmerkt, dass sie nicht mit der ganzen Wahrheit herausrückt. Oder aber der Bankier Twelvetree, der in Stamford ohnehin nicht sonderlich beliebt ist und aus Geldgier schier alles unternehmen würde. Aber hätte er so etwas bei seinen Möglichkeiten überhaupt nötig? Da kommt schon eher sein verhasster Stiefsohn in Frage, der Twelvetree immer noch für den Tod seiner Mutter verantwortlich macht und vor seinem Verschwinden vor einigen Monaten Rache geschworen hat.
All diese Menschen passen irgendwie in eines der Schemen von Fairfax hinein, dann aber wiederum auch nicht. Kein Wunder also, dass es am Ende eine Aneinanderreihung von Zufällen ist, die den freiwilligen Ermittler auf die richtige Fährte bringt …
_Bewertung:_
Es mag eine recht persönliche Ansicht sein, aber gerade nach diesem Roman hat sich in mir wieder die Meinung gefestigt, dass die mit Abstand besten Krimis immer wieder aus England kommen. Irgendwie hat dieses Land auch etwas entsprechend Geheimnisvolles an sich, gerade im Hinblick auf die eigene Geschichte, und dies ergibt schließlich auch immer wieder den Grundstoff und das Potenzial für solche enorm spannende Erzählungen wie „Als wär’s der Teufel selbst“.
Hannah March ist es wahrhaft mitreißend gelungen, den Leser direkt mitten ins Geschehen zu bringen, ihn immer wieder auf neue Fährten zu locken, neue, unerwartete Charakterzüge der Hauptdarsteller vorzustellen, die Motive und möglichen Hergänge immer wieder in ein neues Licht zu rücken und dann mit einem Ende aufzuwarten, das dem Fass den Boden ausschlägt – wohlgemerkt erst auf den letzten Seiten.
Es ist schon sehr erstaunlich, wie detailliert March uns die einzelnen Personen nahe bringt und das zudem irgendwie gleichzeitig. Erfährt man beispielsweise von der Witwe Honeyman, hat man auch zugleich wieder den verhassten Bankier Twelvetree und ihren seltsamen Freund Joseph Fox im Hinterkopf. Denkt man an den Prediger Henri Griggs, grübelt man über seinen verstorbenen Bruder, die Anschuldigen von William Parry, Griggs habe eine Affäre mit seiner Frau gehabt, usw. Bei wirklich jedem feinen Schachzug, den sich Hannah March ausdenkt, um die Geschichte mit neuen Entwicklungen voranzubringen, geraten hintergedanklich mehrere Denkmechanismen in Bewegung, und man spinnt selber auch immer wieder die verschiedenen Möglichkeiten durch bzw. versetzt sich in die Lage von Robert Fairfax, um genau herauszufinden, was denn jetzt wirklich mit der attackierten Postkutsche, dem Stamford Flyer, geschehen ist.
Doch nicht nur dadurch, dass March alle Möglichkeiten bezüglich des Attentats offen lässt, gewinnt „Als wär’s der Teufel selbst“ ungeheuer an Spannung; auch die Tatsache, dass sich wirklich alle Charaktere nach und nach völlig verändern und in ungeahnte Richtungen entwickeln, fördert dies. Schlussendlich bleibt man an diesem Buch wirklich kleben, zumal March es auch sehr schön gelungen ist, die Zeit und Kultur des 18. Jahrhunderts in ihren Roman mit einfließen zu lassen. Sitten und Bräuche, die Eigenheiten der Kastengesellschaft und schließlich die klare Rollenverteilung der verschiedenen Klassen wurden authentisch übernommen und sind für den Verlauf der Geschichte auch von enormer Bedeutung. So gelten zum Beispiel die Aussagen eines Dienstmädchens gegen William Parry nichts gegen sein eigenes Wort, usw. Hier hat die Autorin wie auch in den übrigen Bereichen ganze Arbeit geleistet.
Unterm Strich bin ich von diesem Buch schlichtweg begeistert: „Als wär’s der Teufel selbst“ besitzt sämtliche Elemente, die für einen historischen Kriminalroman erforderlich sind. Das Buch ist äußerst spannend, hat einen hohen Zeit- und Gesellschaftsbezug und präsentiert Charaktere, mit denen man sich als Leser sofort anfreundet. Liebhabern solcher Geschichten wird bei diesem Buch ganz sicher das Herz aufgehen!