Marie Lacrosse – Bewegte Jahre (Das Kaffeehaus 1)

Im Auftakt zu ihrer Kaffeehaus-Trilogie entführt uns die Autorin Marie Lacrosse nach Wien in die 1880er-Jahre. Die junge Sophie von Werdenfels hat ihren geliebten Vater verloren und leidet nun unter ihrem strengen Stiefvater. Wann immer es ihr möglich ist, flüchtet sie sich daher in das Kaffeehaus Prinzess ihres bürgerlichen Onkels. Obwohl Sophie adlig ist und kurz vor der Einführung in die Gesellschaft steht, ist sie sich nicht zu schade, im Café auszuhelfen und in der Backstube eigene Kreationen auszutesten. Als sie Richard von Löwenstein – einen engen Vertrauten des Kronprinzen Rudolf – kennenlernt, verliebt Sophie sich Hals über Kopf in ihn. Doch Richard ist ein Lebemann, der ständig wechselnde Freundinnen hat und bald auch im Café eine sehr peinliche Szene erleben muss…

Sophies beste Freundin Mary Vetsera schwärmt dagegen für den unglücklich verheirateten Kronprinzen Rudolf. Mit allen Mitteln versucht die junge hübsche Frau, Rudolfs Aufmerksamkeit zu erlangen. Und der ist dem Ganzen nicht abgeneigt, zwar hat er sich neben seiner unglücklichen Ehe in seiner Affäre mit einer ehemaligen Edelhure gut arrangiert, doch diese Freundin möchte ihn nicht unterstützen in einem teuflischen Plan, den er für sich vorgesehen hat. Und so beginnen Mary und Rudolf eine Liebelei, die großes Unglück heraufbeschwört.

Lektüre mit Kaffeeduft

Ein wichtiger Schauplatz im Buch ist das Kaffeehaus von Sophies Onkel Stephan Danzer. Was für das Café Sacher die Sachertorte ist, ist für das Kaffeehaus Danzer die Mokkaprinzentorte, für die es in der Innenklappe des Buches auch das passende Backrezept gibt. Danzers Café steht allerdings immer im Schatten des k.u.k.-Hoflieferanten Demel, der Kaiserin Sisi regelmäßig ihr Lieblingsdessert anliefern darf. Und so arbeitet Stephan Danzer – kräftig unterstützt durch Sophie – daran, ebenfalls zum offiziellen Hoflieferanten ernannt zu werden. All die Köstlichkeiten, die bei Sophies Besuchen im Café erwähnt werden, lassen einem schon beim Lesen das Wasser im Munde zusammenlaufen.

Im Mittelpunkt des Buches steht Sophie von Werdenfeld, die unglücklich in Richard von Löwenherz verliebt ist und sich bei allen offiziellen Empfängen immer wie ein kleines Mauerblümchen fühlt, obwohl sie eigentlich eine sehr hübsche junge Dame ist. Stets steht sie aber im Schatten der selbstbewussten Mary Vetsera, die mit dem Kopf durch Wände geht und immer bekommt, was sie kriegt – selbst den Kronprinzen Rudolf.

Zunächst eröffnet die Autorin ihre Schauplätze und stellt uns die einzelnen Charaktere vor. Wir lernen neben den beiden Mädchen und dem Kaffeehaus auch Richard und Rudolf näher kennen, begleiten die jungen Leute zu Pferderennen und öffentlichen Empfängen oder in die Oper. Der Autorin gelingt es dabei wunderbar, die Atmosphäre des ausklingenden 19. Jahrhunderts zu vermitteln und auch die Eigenarten des Wiener Gesellschaftslebens. Nach und nach findet man sich in dieser Zeit ein und gewöhnt sich an deren Gebräuche. Allerdings ist dadurch längere Zeit nicht klar, worauf die Geschichte hinauslaufen wird. Manch einer mag das Buch daher womöglich nach den ersten hundert Seiten zur Seite legen, weil er sich noch nicht eingefunden hat – aber dies sei verraten: Derjenige hat etwas verpasst!

Erst als Mary Vetsera offen um Rudolf wirbt – und der Leser schon um Rudolfs tödliche Krankheit weiß – und Sophie mit aller Macht versucht, Mary von ihrem Vorhaben abzubringen, eine Affäre mit dem verheirateten Kronprinzen zu beginnen, spitzt die Lage sich immer mehr zu. Sophie fürchtet zudem, dass Mary sich womöglich von ihr abwenden wird, wenn sie weiter versucht, sie von Rudolf fernzuhalten. Und so muss Sophie hilflos mit ansehen, wie sich Mary in diese heikle Affäre stürzt.

Zeitgleich lernt Sophie ihren angebeteten Richard von Löwenstein besser kennen. Doch was sie nicht ahnt: Er ist bereits einer anderen Frau versprochen, die er zwar auf den Tod nicht ausstehen kann, deren Vater aber Richard und seine ganze Familie in der Hand hat. So ist auch diese Liebe zum Scheitern verurteilt, bevor sie sich überhaupt entwickeln kann.

Der Spannungsbogen steigt also erst später im Buch an und steigert sich dann allerdings immer weiter. Ich konnte das Buch in der zweiten Hälfte gar nicht mehr aus der Hand legen, obwohl ich um Rudolfs Schicksal wusste. Aber die Autorin spinnt eine so mitreißende Geschichte um diese historischen Fakten, dass das Buch ein wahrer Pageturner wird.

Zeitreise nach Wien

Marie Lacrosse hat ihrem Buch ein langes Nachwort nachgestellt, in dem sie die historischen Fakten erklärt und genau ausführt, welche Figuren sie dazu erfunden hat und wo sie ausschmücken musste, weil die historischen Fakten nicht belegt sind. Spätestens in diesem Nachwort merkt man, wie gut die ganze Geschichte recherchiert ist und wie viele Fakten der Romanhandlung zugrunde liegen. Für mich war das ein ganz hervorragender Mix aus Wahrheit und Fiktion, der natürlich durch die allgegenwärtige Kaiserin Sisi einen weiteren Reiz hat.

Der erste Band der Kaffeehaus-Trilogie ist mit über 700 Seiten ein echter Wälzer, doch wenn man erst mal über die ersten hundert oder 150 Seiten hinaus ist, ist man so weit in der Geschichte versunken, dass man beim Lesen um sich herum alles vergisst. Marie Lacrosse nimmt sich viel Zeit, um ihren Charakteren Raum zu geben, in dem sie sich entwickeln können – leider nicht immer zum Guten. Der Leser sieht das Unglück kommen und muss wie Sophie hilflos zusehen. Dank der realistischen und detailgetreuen Schilderungen der Autorin kann man sich in die damalige Zeit und auch in jede der Szenen hineinversetzen und erlebt das Geschilderte hautnah mit.

Gelungener Auftakt

Den ersten Band der Kaffeehaus-Trilogie habe ich praktisch verschlungen. Mir gefielen sowohl die Charaktere als auch die gesamte Rahmenhandlung. Schon jetzt bin ich sehr gespannt, wie Marie Lacrosse ihre Geschichte fortsetzt – im nächsten Band wird Kaiserin Sisi mehr in den Fokus rücken. Ich werde mir diese Fortsetzung nicht entgehen lassen.

Klappenbroschur: 736 Seiten
ISBN-13: 978-3442205974
Goldmann Verlag

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