Mark Z. Danielewski: Das Haus

[„Das Haus“]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3608937773/powermetalde-21 von Mark. Z. Danielewski ist kein gewöhnlicher Roman. Er besteht aus Briefen, Gedichten, transkribierten Interviews und über 450 Fußnoten, dazu auch Abbildungen und Fotos. Zusammengehalten wird alles durch die Kommentare eines gewissen Johnny Truant, der diesen Berg von Dokumenten – denn um einen solchen handelt es sich – mit ergänzenden Hinweisen, Überarbeitungen und Randnotizen versehen hat. Das alles ist durchsetzt mit bewussten Wortfehlern, durchgestrichenen Passagen, Anagrammen und Kastentexten, deren Inhalt man teilweise über Kopf lesen muss. „Das Haus“, ein Mammutwerk mit über 800 Seiten, das über mehrere Handlungsebenen verläuft und besonders durch seine eigenwillige Typografie auf sich aufmerksam macht, kann die Wirkung nur durch das geschriebene Wort, durch seine im Buch gepresste Form erzielen.

Trotzdem geht der Autor auf Lesereise, um sein Buch vorzustellen. Danielewski, 1966 in Amerika geboren, legte 2000 mit seinem Erstlingswerk „House of Leaves“ einen heiß diskutierten und kommerziell erfolgreichen Erstlingsroman vor, den die Kritiker sofort einzuordnen versuchten – und dabei Vergleiche mit David Forster Wallace, Stephen King und H. P. Lovecraft heranzogen. Doch wirklich vergleichen lässt sich der Roman nicht. Sieben Jahre hat es gedauert, bis sich mit |Klett-Cotta| ein deutscher Verlag an das Werk herangetraut und mit Christa Schuenke (und unter Mitarbeit von Olaf Schenk) eine Übersetzerin gefunden hat, die bereit war, sich auf das Experiment einzulassen.

Vom 13. bis zum 18. Oktober 2007 tourten Mark Z. Danielewski und Christa Schuenke für eine englisch-deutsche Lesereise durch die Bundesrepublik mit Halt in Hannover, Berlin, Köln und Stuttgart. Den Auftakt machte jedoch anlässlich des Göttinger Literaturherbstes die Universitätsstadt Göttingen. Pünktlich um 21 Uhr betreten die beiden zusammen mit Moderator Frank Kelleter vom Englischen Seminar der Georg-August-Universität das Podium im Alten Rathaus. Die Publikumsreihen sind gut gefüllt, und dank des altehrwürdigen Gebäudes entsteht sogleich eine wohlige Atmosphäre.

Wie lässt sich ein 800 Seiten Werk in wenigen Sätzen zusammenfassen, das noch nicht einmal über eine geordnete Handlung, geschweige denn nur eine einzige Handlungsebene verfügt? Gar nicht, denken sich Danielewski und Schuenke, und so beginnt die Übersetzerin, ohne eine Inhaltsangabe voranzustellen, einige Passagen aus der deutschen Fassung vorzulesen. Christa Schuenke liest betont sarkastisch und mit rauchiger Stimme einige absurd-lächerliche, aber gerade dadurch witzige Dialoge vor. Sie wirken zusammenhangslos, doch geben immerhin einen Einblick davon, dass „Das Haus“, das ja mit Lovecraft und King verglichen wird, sehr viel eigenwilligen und zum Teil derben Humor besitzt – also doch nicht wirklich Horror?

Düster wird es erst, als Danielewski – auch er stellt sich nur kurz vor, bevor er bereits zu lesen beginnt – mit einer längeren, rhythmischen Passage die dunkle Seite des Romans anstimmt. Auch das kann nicht mehr als ein Ausschnitt bleiben, dem der Roman als Ganzes nicht gerecht wird, doch ist dies bei dessen Form ja auch kaum möglich. Selbstkritisch, wenn auch mit einem verschmitzten Lächeln fügt der Autor hinzu: „It’s complicated in English – and in German“. So lakonisch und einfach der Titel auch klingt, „Das Haus“, an dem der Autor immerhin rund zehn Jahre gearbeitet hat, lässt sich nicht in einer zweistündigen Lesung zusammenfassen. Doch es gelingt Autor wie Übersetzerin, und das ist viel wichtiger, die eigenwillige Stimmung rüberzubringen.

Am Ende geben sie bereitwillig Auskunft über ihre Arbeit an dem Buch. Schuenke habe, so berichtet sie, mehr als eineinhalb Jahre an der Übersetzung gearbeitet – und damit deutlich länger, als diese Arbeit gewöhnlich in Anspruch nimmt (so steht ihre Bearbeitungszeit nun eher in Relation zur Arbeitszeit des Autors). Viele renommierte Kollegen hätten sich des Buches nicht annehmen wollen, sagt Schuenke, zudem sei es dem Verlag auch nicht möglich gewesen, ein in Bezug auf die tatsächlich investierten Arbeitsstunden entsprechendes Honorar zu zahlen. Trotzdem sei sie von „House of Leaves“ und seiner Komplexität dermaßen begeistert gewesen, dass sie einen Privatkredit aufgenommen habe, nur um das Buch ins Deutsche zu übertragen. Es hat sich nicht nur für sie gelohnt. Was als Übersetzung herausgekommen ist, ist beachtlich, denn obwohl sich der deutschen Text eng an das Original anlehnt, hat sich Schuenke nicht gescheut, ihren eigenen Stil mit einzubringen. Das Vertrauen, das ihr Danielewski dabei ausgesprochen habe, wie sie erzählt, habe ihr sehr dabei geholfen.

Interessant erscheint auch die Tatsache, dass der Einfluss deutscher Autoren auf Danielewski eine Rolle gespielt hat. Goethe, Nietzsche, Heidegger, Heine, aber auch Filmmacher wie Fritz Lang hätten den Amerikaner geprägt. Er habe viele europäische Wurzeln, geht er auf die Hintergründe ein, sein Vater stamme etwa aus Polen. Seine Mutter habe zudem sein Interesse für viele Klassiker geweckt. Bereits als Jugendlicher habe er geschrieben, damals allerdings noch – unter dem Einfluss von Tolkien und seines Interesses an Monstergeschichten – über Hobbits und Aliens. Gut, dass seine Mutter ihre Drohung nicht wahrgemacht habe, ihn aufgrund seiner kranken Ideen in eine Therapie zu stecken, fügt Danielewski schmunzelnd hinzu, sonst wäre er vielleicht nie dazu gekommen, eines Tages „Das Haus“ zu schreiben. Und das hätte fürwahr die Welt um ein literarisches Meisterwerk gebracht.

Es bleibt am Ende zu hoffen, dass Danieleswski nicht zum letzten Mal nach Deutschland gekommen ist und auch seine anderen Werke – denn er hat sich in den letzten Jahren nicht auf seinen Lorbeeren ausgeruht – ins Deutsche übertragen werden. Der erste Schritt ist getan, jetzt muss das Buch nur noch hierzulande erfolgreich sein. Dann sollte es auch Christa Schuenke für die Übersetzung der kommenden Romane Danielewskis durch Verweis auf die Verkaufszahlen von „Das Haus“ gelingen, keinen Kredit mehr aufnehmen zu müssen.

[Website des Verlags zum Buch]http://www.hobbitpresse.de/DasHaus__buch2060.php
[Website des Autors]http://www.danielewski.de/
[Unsere Rezension zum Buch 4432