Der faustische Pakt der Beatles
John Lennons Weg zum Superstar ist gespickt mit Andeutungen auf einen faustischen Pakt. Tragische Ereignisse, mehrdeutige Songtexte, vergessene Interviews sowie Wegbegleiter, die von Lennons ständigen Todesahnungen berichten, nähren die Legende, dass Lennon für den Erfolg der Band seine Seele verkauft hat. Was, wenn der gigantische Erfolg der Beatles tatsächlich einem faustischen Deal mit dunklen Dimensionen zu verdanken ist?
Der bekennende Beatlesfan Martin Häusler wagt in diesem Roman ein Gedankenexperiment und erzählt Lennons turbulente Jahre zwischen 1960 und 1980 unter der Annahme, dass es den diabolischen Deal tatsächlich gegeben hat. Seine äußerst unterhaltsame Geschichte verwebt er mit einer zweiten Erzählebene, in der die zahlreichen Indizien enthalten sind – und die selbst die größten Beatlesfans ins Grübeln kommen lassen.. (Verlagsinfo)
Der Autor
Martin Häusler, geboren 1974, studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaften, Geografie und Soziologie. Seine journalistische Karriere begann er bei der Rheinischen Post, er arbeitete mehrere Jahre frei für den WDR-Hörfunk in Köln. Seit 2000 lebt er in Hamburg, wo er für Gruner+Jahr und Axel Springer tätig war — u.a. als Reporter und Ressortleiter. Mit dem Schritt in die Selbstständigkeit im Jahr 2009 widmete sich Häusler verstärkt Themenfeldern, die sich mit gesellschaftlichen, ökologischen, politischen und wirtschaftlichen Disbalancen (sic!) auseinandersetzen. Heute arbeitet er als freier Journalist, Autor, Drehbuchautor und Ghostwriter. (Verlagsinfo)
Handlung
In der ersten Zeit in Hamburg anno 1960 ist es für die fünfköpfige Beatles-Truppe, zu der noch Pete Best und Stuart Sutcliffe gehören, alles andere als einfach. Die jungen Männer müssen in einem Rattenloch übernachten und dennoch bis zum Umfallen spielen. Das schaffen sie nur, indem sie Aufputschmittel nehmen. Sollten sie aufbegehren, „entdeckt“ ihr Manager Koschmider auf einmal, dass George Harrison ja noch minderjährig ist – der wird sofort abgeschoben. Auch zwei anderen widerfährt das zweifelhafte Vergnügen, auf Staatskosten zurück nach England expediert zu werden. John, immerhin schon 20 Jahre alt, versucht, den Kopf oben zu halten, aber drei Schläger erwischen ihn auf dem Kiez. Als erstes zerstören sie seinen – noch unbezahlten – Gitarrenverstärker. Er soll die Finger von den deutschen Mädels lassen. Verdammte Nazis! Er selbst wurde ja in einer Bombennacht in Liverpool geboren.
Der Pakt
Als er reichlich zerbeult in der Gosse liegt und seine Zähne zählt, erscheint da auf einmal ein geschniegelter Typ in feinem Anzug und macht ihm ein unmoralisches Angebot: John und den Beatles seien Ruhm, Reichtum und Popularität ohnegleichen gesichert, sofern ihm John einen wirklich unbedeutenden Teil seiner Persönlichkeit überschreibe. Und was genau soll das sein, will Johnny-Boy wissen. Die Seele, antwortet die Gestalt. Allerdings gebe eine gewisse Laufzeit. Wie lange, will Johnny wissen. 20 Jahre, mehr ist nicht drin. Okay, meint Johnny, aber seine Freunde und Lieben dürften bei dem Deal nicht zu Schaden kommen. „Das ließe sich… machen“, sichert der Mann zu – und verschwindet. Johnny hat also noch bis 1980 zu leben. Seine Tage sind gezählt, aber das ist OK. Denn momentan sieht es so aus, als würde er nicht mal den nächsten erleben.
Brian Epstein
Er weiht auch seine Freunde in der Band ein, und die sind einverstanden, auch wenn ihnen der rechte Glaube an den Pakt fehlt. Zunächst sieht es nicht so aus, als würde sich das Blatt für die Band wenden, aber sie kommen für weitere Sessions zurück nach Hamburg, spielen im feudalen „Star Club“ und beginnen, erstes eigenes Material zu schreiben, sogar Songs, die erst auf „Let it be“ 1970 veröffentlicht werden („One After Nine-o-Nine“). Entscheidend ist jedoch die Begegnung mit Brian Epstein in Liverpool, der aus der jüdischen Oberschicht stammt und nach der ersten Platte dieser mysteriösen Band fahndet, weil die Besucher seines Plattenladens danach fragen. John ahnt, dass auch Brian einen Teufelspakt geschlossen hat, denn auch Brian nimmt Drogen. „Ich habe ihn auf 30 Jahre raufgehandelt“, verrät Brian stolz.
Aufstieg
Unter Epsteins Management beginnt ein steiler Aufstieg, und 1964 ist das Jahr der Beatlemania. Seinen Lieben passiert nichts, wie der Mann versprochen hatte. Seine Lieben, das sind erst einmal Cynthia und ihr gemeinsamer Sohn Julian (benannt nach Johns getöteter Mutter Julia), die drei anderen Jungs der Band (zu der nicht mehr Pete Best und der verstorbene Stu gehören, sondern ein gewisser Richard Starkey) und natürlich Geliebte und Anverwandten der drei, so etwa Pauls Freundin Jane Asher.
Nach Amerika
Doch dann begegnen sie 1964 in Amerika einem Sendboten des Teufels: Er nennt sich „Bob Dylan“. Das Gras, das er ihnen anbietet, haut voll rein, aber in England verabreicht ihnen ihr Zahnarzt, ein vermeintlicher „Freund“, das erste LSD, und das hat eine ganz andere Wirkung. Es macht schwer abhängig und Johnny zu einem echten Ekel. Eines Nachts findet er in seinem feudalen Weinkeller den alten Bekannten aus Hamburg vor und fährt ihn wütend an: „Warum musste Stu Sutcliffe sterben? Das ist doch ganz klar ein Vertragsbruch!“ . Doch der Herr der Lügen stellt nur ein weiteres Fläschchen LSD vor John hin und verschwindet.
Der Anti-Christ
Und dann kommt es Anfang 1966 zu dem schlimmsten Interview, das John je hätte geben können. Die Reporterin vom „Evening Standard“ ist eine vertraute Freundin der Band, deshalb tut er sich keinen Zwang an, als er sagt: „Wir sind wahrscheinlich populärer als Jesus.“ Das Interview erscheint in England unbemerkt im März, doch in den USA wird es vom einem Pop-Blatt namens „TeenDate“ aufgegriffen und John geradezu verteufelt. Als Radiosender der bibelfesten Rechten ein Geschäft wittern, macht die Verteufelung der Beatles Furore und ihre Platten werden öffentlich verbrannt.
Zu Beginn der dritten USA-Tournee schlottern den Jungs die Knie und John sieht sich gezwungen, sich öffentlich zu entschuldigen. So viel also zu Jesus und den Beatles. Die Tournee wird der reine Horror und die vier Jungs sind froh, mit dem Leben davonzukommen. Man transportiert sie wie Vieh in einem Panzerwagen aus dem Stadion in San Francisco, wo sie ihren letzten Gig spielen. Scheppernde Stadionlautsprecher zerfetzen ihre Klänge bis zur Unkenntlichkeit. Genug ist genug, finden die Jungs und stoppen alle Tourneepläne. Brian Epstein ist nicht glücklich, aber er kämpft gesundheitlich seinen eigenen letzten Kampf.
Böse Vorbilder
Und dann kommt Pauls Projekt „Sergeant Pepper“ in die Mache. Später fragt sich John, wie es nur dazu kommen konnte, dass ein okkulter Diener des Bösen aufs Cover gelangen konnte: Aleister Crowley, Großmeister des „Ordens von der Goldenen Morgendämmerung“. Er erinnert sich an eine Nacht, in der ihm Meister Satan, der Versucher, erneut seine Aufwartung machte und ihn zwang, den Namen HITLER auf die Liste der Vorbilder zu setzen. Erst in letzter Sekunde gelingt es John, in Peter Blakes Fotografenstudio den Pappkameraden HITLER zu zerstören. Bei Crowley gelingt ihm dies nicht. Immerhin kann George Harrison ihn dazu bewegen, PR für den lieben Gott zu machen und „All you need is love“ zu schreiben. Das zeigt dem Widersacher den Stinkefinger!
Abwärts
Es geht weiter steil abwärts, bis mehrere Ereignisse nach „Sgt. Pepper“ und „Magical Mystery Tour” Johns Leben auf den Kopf stellen. Er lernt Yoko Ono kennen, eine intellektuell ebenbürtige Frau mit unglaublichen Ideen. Einige Tage in Rishikesh beim Yogi Maharishi helfen, den Großteil des „Weißen Albums“ zu schreiben, doch dann stirbt Brian Epstein. Schon wieder ein Vertragsbruch! Yoko ist die einzige Rettung für John, aber das erfordert natürlich die Trennung von Cynthia und dem gemeinsamen Sohn. Scheidung, Umzug, Heirat in Gibraltar und erneute Strafverfolgung wg. Drogen. Dann der Tod von Brian Jones, dem Gründer der „Stones“. Ertrank er wirklich im Pool oder wurde er von einem Diener Satans gestoßen?
John weiß, dass ihm bis 1980 nur noch gut zehn Jahre bleiben. Wie das beste draus machen? Er vertraut sich Yoko an, wem sonst. Sie schmieden einen Plan, um dem Widersacher ein Schnippchen zu schlagen…
Mein Eindruck
Als Rahmenhandlung gibt es einen „Prolog im Himmel“ und einen „Epilog im Himmel“, und hier oben residieren Gottvater und sein Gottessohn Jesus. Zu ihnen kehrt die Seele Lennons am Ende zurück, denn er hat auf der Erde nur ein Avatar zurückgelassen. Der Titel „Prolog im Himmel“ ist ein Zitat aus „Faust 1“ von Goethe, was nicht nur ein Wink mit dem Zaunpfahl auf Johns faustischen Pakt ist. Es verleiht dem Ganzen auch eine metaphysische Ebene, deren Eingreifen mehr als einmal der biografischen Ebene eine gewisse Würze verleiht.
Das ist ja der eigentümlich-originelle Ansatz des Autors. Und Lennons Biografie und der Werdegang der vier Kern-Beatles bilden den Beleg für die These des Autors, dass die Fab Four einen Teufelspakt abgeschlossen haben müssen (wie die STONES und alle anderen LSD-Konsumenten), um es bis ganz an die Spitze der Pop-Hierarchie zu schaffen und dort dauerhafte Veränderungen in Gang zu setzen.
Eine große Zahl von Zitaten – ein paar sind sogar nur mündlich überliefert oder fast verschollen – ist eingeflochten, um die These vom faustischen Pakt zu untermauern – und die von Lennons gezählten Tagen. Die Zitate stammen natürlich von Ich-Erzähler Lennon selbst, so etwa Song-Texte, die entsprechend unterstrichen sind. Sie dienen dazu, den Leser von der Korrektheit der These zu überzeugen. Das Urteil darüber ist dem Leser überlassen.
Anhang
Die biografische Darstellung wird ergänzt durch einen Anhang: Erst kommen die zitierten Songs, dann das Quellenverzeichnis auf jeweils einer Seite. Man kann daher annehmen, dass der Autor eine umfangreiche Basis für seine eigenwillige Darstellung durchgearbeitet hat.
Textfehler
S. 73: „wo wir als Terpene im Äther zerstieben“: Die korrekte Vergangenheitsform von „zerstieben“ ist aber „zerstoben“.
S. 99: „Als er [sich] eine Etage höher von den Feuilletonisten geschnappt wurde…“: Das „sich“ ist überflüssig.
Unterm Strich
Ich habe nur wenige Tage für die Lektüre gebraucht, denn gerade die Anfänge der Beatles sind ja nicht allgemein bekannt. Der Autor nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um die Gestalten in Hamburgs Hafengegend geht: Huren, Zuhälter und Freier, von den Drogendealern und „Nazis“ ganz schweigen. Das war der Beginn von Lennons Junkie-Leben. Von einer „Karriere“ lässt sich wohl kaum sprechen.
Weil über die Ära der Beatlemania schon alles gesagt und geschrieben zu sein scheint, bilden die Jahre 1969, als John wegging, bis Dezember 1980, als er erschossen wurde, zu den spannenderen Abschnitten. Lennon macht bekanntlich nicht immer eine rühmliche Figur, aber „Imagine“ und das letzte Album „Double Fantasy“ sind definitiv Highlights.
Diese Pseudo-Biografie erklärt, so gut es mit diesem Ansatz geht, wie es zu diesen großen Erfolgen kam. Wie bekam der Junkie Lennon derart gut die Kurve, dass er ein Meisterwerk wie „Double Fantasy“ schaffen konnte? Die Gründe sind tiefenpsychologisch, denn Lennon gelingt es, nicht nur seinem Vater, der ihn und Mami Julia sitzenließ, zu verzeihen, sondern auch die Liebe zu seinem Sohn Sean zu zementieren. Zwischen John und Sean gibt es eine sehr schöne, bewegende Szene. Sie belegt, wie sehr sich Lennon aus der verkorksten Psyche eines Teufelspaktlers befreit hat.
Kurzum: Das Buch ist nicht nur immens kenntnisreich, sondern auch spannend und unterhaltsam, auch mal witzig und gruselig. Dass der Leser die allermeisten Songs, die hier zitiert werden, schon mal gehört hat, darf vorausgesetzt werden – inklusive „Cold Turkey“, einem echt schaurigen Stück, das Lennons kalten Entzug („cold turkey“) vom Heroin besingt. Lennon soll am Anfang von „Come together“ (auf „Abbey Road“) die Worte „Shoot me!“ wiederholen. Man sollte sich die Stelle genau anhören. Mehr sei nicht verraten.
Man kann sagen, dass der Leser nach der Lektüre die Musik und v.a. die Texte Lennons mit anderen Ohren wahrnehmen wird. Schon für diesen Erkenntnisgewinn lohnt sich die Lektüre.
Taschenbuch: 270 Seiten
ISBN-13: 9783965090675
golkonda-verlag.com
Der Autor vergibt: