McCollum, Michael – Antares-Krieg, Der

„Der Antares-Krieg“ vereint Michael McCollums Antares-Trilogie mit ihren Romanen „Antares: Dämmerung“, „Antares: Passage“ und „Antares: Sieg“ in einem 909-seitigen Sammelband.

Zwischen den ersten beiden Bänden (1986/87) und dem abschließenden Finale der Trilogie (2002) klafft eine große zeitliche Lücke, der Roman „Antares: Victory“ ist übersetzt deshalb auch ausschließlich als Teil dieses Sammelbandes erhältlich. In Deutschland erschien der erste Band bereits unter dem Namen „Antares erlischt“. Damalige Leser dürfte McCollum mit dieser Wartezeit ziemlich vergrault haben … für Neuleser ist der Sammelband dagegen optimal: Als Einzelromane unbefriedigend und unabgeschlossen, ist die Trilogie dagegen eine runde, abgeschlossene Sache.

Aus den Namen wird bereits ersichtlich, was der Leser zu erwarten hat: Military Science-Fiction – im Zusammenhang mit dem Stern Antares. Der 1946 in Phoenix, Arizona, geborene Autor Michael McCollum ist Raumfahrtingenieur und hat an vielen amerikanischen Raumfahrzeugtypen mitgearbeitet. Das merkt man seinen Romanen auch an: Ein solides wissenschaftliches Fundament, weitgehend realistische Technologien und eine spannende Story zeichnen die Antares-Trilogie aus. Schreiberisch kann McCollum leider nicht auftrumpfen, er begeistert eher mit den zuvor genannten Stärken.

_Gestrandet im Weltraum_

Die Menschheit hat vor einigen Jahrhunderten eine Möglichkeit entdeckt, schneller als das Licht durch den Weltraum zu reisen: Manche Sonnensysteme haben sogenannte |Faltpunkte|, deren |Faltlinien| in Nullzeit direkt zu einem anderen, weit entfernten Faltpunkt führen. So werden Distanzen nicht mehr in Lichtjahren, sondern in Sprüngen gemessen. Von großer Bedeutung ist dabei der rote Riesenstern Antares: Wie die meisten Überriesen hat das System viele Faltpunkte, wobei allerdings Antares gleich sechs davon besitzt, die zusätzlich auch noch direkt in bewohnbare Sonnensysteme führen!

Im Jahr 2512 kommt es zur Katastrophe: Unerwartet kollabiert Antares und wird zur Supernova, alle Faltpunkte erlöschen oder verschieben sich: Das gesamte Faltpunktnetz des Menschenraums wird völlig verändert! Das Valeria-System wird besonders hart getroffen: Sein einziger Faltpunkt erlischt – die Bewohner Altas sind in ihrem System gefangen.

Knapp hundert Jahre später taucht ein riesiges Raumschiff im Valeria-System auf. Eine Erkundungsmission unter Captain Richard Drake kehrt mit erfreulichen und bestürzenden Neuigkeiten zurück: Es gibt offensichtlich wieder einen Faltpunkt im System, durch den die als Kriegsschiff der terranischen Hegemonie identifizierte |TNS Conqueror| gekommen ist. Doch das Schlachtschiff ist nur noch ein Wrack, es wurde offensichtlich in einem Gefecht schwerstens beschädigt, nahezu alle Datenspeicher und die gesamte Besatzung ausgelöscht.

Eine Expedition wird mit Drakes Schlachtkreuzer |ANS Discovery| zum Faltpunkt entsandt und stößt in das Napier-System vor. Dort erfährt man durch einen Datenspeicher Bestürzendes: Das nur wenige Lichtjahre neben Antares gelegene Sonnensystem bereitete sich auf eine totale Evakuierung der Bevölkerung in das Hellsgate-System vor, da die harte Strahlung der Nova alles Leben im System auszulöschen drohte. Die Evakuierung war im vollen Gange, als durch einen neu entstandenen, instabilen Faltpunkt im System Schiffe einer „Ryall“ genannten Rasse eindrangen. Diese bombardierten die Hauptwelt New Providence, konnten aber zurückgeschlagen werden. Weitere Angriffe erfolgten, der letzte vernichtete alles Leben auf New Providence, nur ein Bruchteil der Bevölkerung war zu diesem Zeitpunkt bereits evakuiert. Captain Drake schwant Übles – dem Zustand der |Conqueror| nach zu schließen, ist nach wie vor ein Krieg im Gange. Und seine Heimatwelt Alta könnte über den Zugang im Napier-System jederzeit davon erfasst werden …

_Die zweibeinigen Ungeheuer vom bösen Stern_

Bis auf die an Wurmlöcher erinnernden – und auch genauso „funktionierenden“ – Faltpunkte schreibt McCollum Realo-SF: So dauern Flüge im Weltraum Tage, wenn nicht Wochen, der Funk ist nicht überlichtschnell, der Tod im Weltall ist kalt und schnell, niemand hört dich schreien…

Zum Glück hat McCollum nicht vergessen, eine spannende Geschichte zu erzählen. Die anfängliche Suche der |Discovery| ist bereits sehr unterhaltsam, wird aber von der weiteren Entwicklung noch einmal getoppt: Die |Discovery| wird Kontakt zu einer seit Jahrzehnten im Abwehrkampf gegen die Ryall stehenden, monarchistischen Menschenkolonie aufnehmen, einen Weg zur Erde entdecken und das Blatt im Kampf gegen die Ryall wenden können.

So weit die ein wenig an „Kampfstern Galactica“ erinnernde Storyline. Interessant wird es im zweiten Band: Drakes Verlobte Bethany freundet sich mit |Varlan von den Duftenden Wassern|, einer kriegsgefangenen Ryall, an. Diese gewährt ihr Einblicke in die Psyche der Ryall: So sind diese durchaus rational und können sich mit Menschen problemlos verständigen, doch selbst Varlan sieht in Bethany nur „ein die Brut fressendes, zweibeiniges Ungeheuer vom bösen Stern“. Die Ryall führten auf ihrer Heimatwelt Jahrtausende lang Krieg gegen eine zweite, halbintelligente Spezies, die ihre Brut fraß und die amphibischen Ryall ans Land jagte: Die „Schnellen Esser“. Diese entstanden wohl infolge von Mutationen, die durch die Strahlungen einer Supernova ausgelöst wurden. Die Ryall sehen Novae als böse Omen an, und just zu dem Zeitpunkt der Explosion des Antares verband sich der Lebensraum der Ryall mit dem der Menschheit durch Faltpunkte – solange noch ein Mensch in Freiheit lebt, sind die Ryall überzeugt, in ihrer Existenz gefährdet zu sein!

Wie verständigt man sich mit einer an und für sich vernünftigen Alienrasse von Sozialdarwinisten, die von der Unausweichlichkeit eines totalen Krieges gemäß der Maxime „survival of the fittest“ fest überzeugt sind, zudem sie noch wohlbegründete archaische Urängste vor anderen Intelligenzwesen haben?

Ein interessanter Punkt, denn im dritten Band wendet sich das Blatt: Die Menschheit hat die Ryall nun am Haken, und es werden Stimmen zu einer Beendigung des Krieges laut. In den Augen vieler Menschen gleichbedeutend mit einem Genozid an den Ryall. Hier gewinnt das Buch eine fast schon philosophische Tiefe, man merkt deutlich, dass der dritte Band knapp 15 Jahre nach den ersten beiden erschienen ist. Als hätte der Autor so lange über die folgende Problematik nachgedacht: Wird die Menschheit die Ryall auslöschen? Kann man sich noch irgendwie verständigen? Wollen die Menschen, im Bewusstsein des nahen Sieges, überhaupt noch verhandeln? McCollum hat sich hier viel Mühe gegeben, zu welchem Resultat er kommt, möchte ich nicht verraten.

_Fazit_

Wirkt McCollums Schreibstil im ersten Buch teilweise noch etwas sprunghaft und ungelenk, steigert er sich im weiteren Verlauf doch erheblich. Anfangs hatte ich arge Befürchtungen, die interessanten Weltraumexpedition würde von der recht dürftigen Liebesgeschichte zwischen Captain Drake und Bethany Lindquist, ein paar politischen Intrigen der Altaner und den so gerne in SciFi-Soaps üblichen Konflikten zwischen den hilflosen Altanern und der vermeintlich ultra-absolutistischen Kriegerkultur von Sandar überschattet. Doch zum Glück kam alles anders als ich dachte, besonders nachdem Bethany mit der Ryall Varlan ins Gespräch kommt – viel interessanter als ihr Geturtel mit Richard Drake. Die seichten Nebenhandlungen des ersten Teils merzt McCollum bereits im zweiten Band rigoros aus, bravo.

Ein Wortakrobat wird er jedoch nie, seine Figuren bleiben auch eher blass und ordnen sich der Story unter. Diese und seine Konzepte können jedoch begeistern! Straff, spannend und abwechslungsreich. Da dieses Buch ein Sammelband ist, bekommt man die Romane auch nicht häppchenweise mit Cliffhanger und unbefriedigendem Ende geliefert, sondern am Stück. Zwar gehört dieses Buch weitgehend zum Genre Military Science Fiction, allerdings ist diese Bezeichnung irreführend: |Space Exploration| charakterisiert es besser. Ballerei aus fadenscheinigen Gründen zum Selbstzweck findet man hier nicht, ganz im Gegenteil. Weltraumkrieg ist bei McCollum mehr eine Frage der Logistik und bildet nur die Rahmenhandlung für den Kontakt zu den Ryall.

Ein schöner, dicker SF-Schmöker, der gut unterhält und ein interessantes Thema anschneidet. Zwar fehlt der kultige |sense of wonder| der Abenteuer eines Raumschiffs Enterprise, dafür ist McCollums „Antares-Krieg“ ernsthafter, realistischer und deshalb auch etwas gehaltvoller – auf seine Art vielleicht sogar unterhaltsamer.