Während sie sich mit karrieresüchtigen Vorgesetzten und Kollegen sowie ihrer lästigen Familie herumplagt, versucht Pathologien Dr. Samantha Ryan einen Mord aufzuklären, der offenbar der letzter einer langen Kette ähnlicher Bluttaten ist … – Der erste Roman der Samantha-Ryan-Serie bietet modernes britisches Krimihandwerk mit Seifenschaum-Einlagen, weshalb es nicht lange dauerte, bis das Fernsehen aufmerksam wurde: solide, durchschnittliche Unterhaltung.
Das geschieht:
Dr. Samantha Ryan, gerichtsmedizinische Gutachterin und Pathologin in der englischen Universitätsstadt Cambridge, wird nach Northwick gerufen. In einem Dörflein nahe Cambridge wurde in einem Adelsgrab des 17. Jahrhunderts der Leichnam eines jungen Mannes entdeckt, der dort sehr offensichtlich seit vielen Wochen verborgen lag: nackt, erdrosselt, ein auf den Kopf gestelltes Kreuz in die Bauchhaut geschnitten.
Die Medien vermuten sogleich schwarze Magie und stürzen sich auf den fetten Brocken. Das sieht die örtliche Polit-Prominenz so ungern wie der Polizeipräsident, weshalb die mit dem Fall betraute Detective Superintendent Harriet Farmer tüchtig unter Druck gesetzt wird, um möglichst rasch zu einer unverfänglichen Lösung zu kommen. Weil Farmer Karriere machen will, bemüht sie sich, Dr. Ryan zum Sündenbock zu stempeln, da diese sich weigert, dem Wink mit dem Zaunpfahl Folge zu leisten und den Ermordeten als Opfer eines simplen Alltagsverbrechens darzustellen.
Inzwischen gibt es einen Verdächtigen und ein Motiv. Auch die Identität der Leiche wird geklärt: Mark James, Barkeeper und Gelegenheits-Dealer, hatte seinem Boss, dem Nachtclub-Besitzer Sebastian Bird, eine große Geldsumme gestohlen und sich mit dessen Geliebter Francis Purvis aus dem Staub gemacht. Da liegt die Vermutung nahe, dass Bird sich sein Geld zurückgeholt und außerdem gerächt hat. So denkt jedenfalls Francis, die erst zu ihrem Vater, dem einflussreichen Rechtsanwalt Malcolm Purvis, und dann zur Polizei flüchtet, die gern die Anregung aufgreift, Bird als mutmaßlichen Mörder festzusetzen.
Pech, dass die eifrige Samantha Ryan nicht mitspielt. Ein zu Rate gezogener Fachmann enthüllt , dass in und um Cambridge schon seit Jahrzehnten Menschen auf exakt dieselbe Weise umgebracht werden wie Mark James. Die Theorie von einem Serienmörder und Hexer stimmt Harriet Farmer und ihre Vorgesetzten natürlich sehr unfroh. Sie versuchen Ryan mundtot zu machen. Derweil ist der wahre Täter damit beschäftigt, seinen nächsten Mord vorzubereiten. Frances Purvis ist es, die nun in sein Fadenkreuz gerät, und die Uneinigkeit innerhalb der Polizei lässt ihm gute Chancen, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen …
Leichen zum Reden bringen
Also noch eine Pathologin, die es nicht mehr hält im Leichenschauhaus, nachdem Kay Scarpetta und diverse CSI-Teams mit Mikroskop und Schädelsäge den Verbrechern dieser Welt nachspüren!. Inzwischen sind sie uns Krimifreunden oft schon so lästig wie die neunmalklugen Serienmörder vom Schlage Hannibal Lecters geworden, die seit den 1990er Jahren ähnlich zahlreich und austauschbar über die Buchläden herfielen.
„Sam“ (wie der Fan sie zu nennen pflegt) Ryan wandelt zwar kundig durch das Reich der Fäulnis, doch ansonsten auf bekannten Pfaden. Hart ist das Leben für die pflichtbewusste Fachfrau, die zeitgemäß dafür büßen muss. Stets ist sie es, die bevorzugt des Nachts, am Wochenende oder an Feiertagen zum Fundort einer meist besonders unansehnlichen Leiche gerufen wird, während sich die Kollegen drücken. Privat muss sie sich mit ihrer senilen Mutter, einer verbitterten Schwester und einem rebellischen, dem Vandalismus zugeneigten Neffen auseinandersetzen. Viel Zeit bleibt da nie für sich selbst. Glücklicherweise ist Ryan ohnehin mit ihrem Job verheiratet. Nichts bereitet ihr mehr Wonne als die Untersuchung eines unter möglichst gewaltsamen und rätselhaften Umständen zu Tode gekommenen Mitmenschen.
Geniales Arbeitstier mit chaotischem Privatleben löst knifflige Kriminalfälle für die Polizei, die sich grundsätzlich dümmer anstellt als erlaubt, so lässt es sich auf den Punkt bringen. Da kann nur die Kulisse Farbe ins Spiel bringen. Tatsächlich wetteifern die Pathologinnen der literarischen Welt (Kay Scarpetta, Temperance Brennan, Elizabeth MacPherson etc.) darum, ihrem Publikum die bizarrsten Verbrechen und scheußlichsten Leichen zu präsentieren. Geradezu liebevoll und im Detail wird geschildert, was äußerliche Gewalt, Zeit und hungriges Getier dem menschlichen Körper antun, wenn man ihn nicht sorgfältig genug unter die Erde bringt.
Grün ist die Farbe der Fäulnis …
Nigel McCrery versucht seinen Rückstand zur schreibenden Konkurrenz bereits mit „Denn grün ist der Tod“, Sam Ryans Debüt, aufzuholen und schwelgt in Madenregen, Fäulnisdünsten & grabräuberischen Hunden, bis dem Leser gar sonderbar zu Mute wird. Das ist eine ziemlich billige Masche, Spannung zu erzeugen, wenn sie wie hier ein wenig zu offensichtlich geritten wird.
Ansonsten lässt sich über den Plot nicht klagen. „Denn grün ist der Tod“ ist ungeachtet des blöden deutschen Titels ein grundsolider angelsächsischer Krimi; ein wenig schlicht in Form und Ausdruck – was auch auf die hausbackene Übersetzung geschoben werden kann -, aber schlüssig und spannend, zumal sich McCrery nicht nur auf Ekeleffekte stützt, sondern mit guten Einfällen kommt und z. B. den Ritualmord-Aspekt sehr geschickt in die Handlung einbringt.
Noch ein Pluspunkt: Sams Privatleben drängt sich nie in den Vordergrund; während u. a./vor allemPatricia Cornwell das kriminalistische Treiben Kay Scarpettas inzwischen zunehmend mit Herz-Schmerz-Sentenzen umrankt bzw. erstickt. Samantha Ryan wird vom Schicksal in Gestalt ihrer Familie und den üblichen missgünstigen Kollegen verfolgt, ohne dabei den Fall aus den Augen zu verlieren – und der Fall ist es schließlich, der einen Thriller ausmacht, auch wenn heutzutage die Übergänge zur Seifenoper allzu fließend geworden sind.
Autor
Nigel McCrery wurde 1953 in London geboren. In Englands Hauptstadt war er später neun Jahre als Polizeibeamter tätig, was ihm in seiner zweiten Karriere sehr hilfreich war. McCrery studierte in Cambridge und arbeitete dann für die BBC. Dort entwickelte dort die Figur der Gerichtsmedizinerin Dr. Samantha Ryan. Sie fand 1996 ihren Weg ins Fernsehen und wurde dort vor und hinter der Kamera sorgfältig und kundig in Szene gesetzt.
Als Serie spielfilmlanger, lose verbundener Episoden, entwickelte sich „Silent Witness“ zum Straßenfeger und wurde (bis 2004) mit Amanda Burton in der Rolle ihres Lebens (und ab 2004 in neuer Besetzung) fortgesetzt. McCrery selbst schloss die Reihe 2003 ab, sodass andere Autoren die Drehbücher verfassten, was aber dem Erfolg keinen Abbruch tat.
Es folgten einige Einzel-Thriller, bis McCrery 2007 eine neue Serie um den beruflich und privat tüchtig gebeutelten Inspector Mark Lepslie startete. Neben diesen Romanen verfasst McCrery Sachbücher über polizeiliche und militärische Themen.
Taschenbuch: 336 Seiten
Originaltitel: Silent Witness (London : Simon & Shuster UK Ltd. 1996)
Übersetzung: Antje Görnig
http://www.piper.de
Der Autor vergibt: