Ian McDonald – Narrenopfer. Zukunftskrimi

Engagierter Alien-Detektivthriller

Eine Mischung aus Detektivroman und Asylantendrama, erinnert „Narrenopfer“ mitunter an den Hollywoodstreifen „Spacecop L.A. 1999“. Da ermittelte ein Polizist gegen Alienmörder. „Narrenopfer“ ist ebenfalls spannend, aber das macht nicht seine Stärke aus. Die liegt in der bewegenden Darstellung der fremdartigen Lebensweise der Aliens auf der Erde, genauer gesagt: in einem Nordirland, das von verschiedensten politischen Gruppierungen zerrissen wird. Würde der Serienmord an fünf Shian bekannt werden, würde sie allesamt über die Aliens herfallen. Ein Vermittler schickt sich an, den Mord aufzuklären, aber wem kann er trauen?

Der Autor

Der 1960 geborene Nordire Ian McDonald schreibt seit 1982 erfolgreich Science Fiction und Fantasy. In „Rebellin des Glücks“ (Out on blue six“, 1989) ist McDonald in diesem, seinem zweiten Roman noch reichlich epigonal, ebenso wie in Roman Nr. 1 – „Straße der Verlassenheit“ (Desolation Road, 1988; dt. bei Bastei) und Nr. 4, „Herzen, Hände und Stimmen“ (Hearts, Hands and Voices, 1992; dt. bei Heyne als Nr. 06/5009, 1993).

Lediglich der Fantasyroman „King of Morning, Queen of Day“ (1991, dt. bei Bastei-Lübbe) ist völlig eigenständig gelungen, ebenso wie sein Erfolg „Chaga oder das Ufer der Evolution“ (1995) und dessen Fortsetzung „Kirinja“ (1998, dt. 2000). Seine letzten bei uns veröffentlichten Romane waren „Narrenopfer“ (Sacrifice of Foos, 1996, Heyne Nr. 06/5981, 11/1998) und „Necroville“ (1994, Heyne 1996 als Nr. 06/5461).

Der Roman „Chaga“ beruht auf McDonalds Novelle mit dem Titel „Towards Kilimanjaro“ („Zum Kilimandscharo“), die bereits 1990 erschien – bei Heyne erst in Band 06/4991, dem „SF Jahresband 1993“. Wem „Chaga“ und dessen Fortsetzung „Kirinja“ gefallen haben, der sollte auch den Kurzroman „Tendeléos Geschichte“ lesen, die in der Anthologie „Unendliche Grenzen“ von Peter Crowther enthalten ist (Bastei-Lübbe, 2002). Tendeléo erzählt vom Chaga in den Jahren 2010 bis 2015.

Ausgewählte Romane

1) Straße der Verlassenheit (Desolation Road, 1988, , dt. bei Bastei-Lübbe 1991)
2) Rebellin des Glücks (Out on blue six , 1989, dt. bei Bastei-Lübbe)
3) König der Dämmerung, Königin des Lichts (King of Morning, Queen of Day, 1991, dt. bei Bastei-Lübbe)
4) Herzen, Hände und Stimmen (Hearts, Hands and Voices, 1992, dt. 1993 bei Heyne )
5) Schere schneidet Papier wickelt Stein (1993, dt. 1994 bei Heyne)
6) Necroville (dito, in USA als „Terminal Café; 1994, dt. bei Heyne 1996)
7) Chaga oder das Ufer der Evolution (Chaga, 1995)
8) Narrenopfer (Sacrifice of Fools, 1996, dt. 1998)
9) Kirinja (Kirinya, 1998, Fortsetzung von „Chaga“, dt. 2000)
10) Cyberabad (dt. bei Heyne)
11) River of Gods
12) Luna: New Moon (dt. bei Heyne)
13) Luna: Wolf Moon (dt. bei Heyne)

„Viele Romane und Geschichten sind vom Nordirlandkonflikt geprägt, sehr häufig werden Interessengegensätze und Auseinandersetzungen zwischen Volksgruppen geschildert, die sich in Herkunft oder Religion unterscheiden. Beispielsweise handelt sein Roman „Narrenopfer“ von einem Konflikt zwischen Menschen und als Flüchtlingen eingewanderten Außerirdischen. In „Herzen, Hände und Stimmen“ prallen zwei Lebensweisen aufeinander, eine biologisch verwurzelte und eine technisch orientierte, wobei es angesichts der Frage, welche besser sei, keine Antwort gibt. Ein weiteres wiederkehrendes Thema bei McDonald ist der Konflikt zwischen High-Tech-Entwicklungen und den Verhältnissen in Entwicklungsländern.

Der Chaga-Zyklus (bislang bestehend aus der Kurzgeschichte „Zum Kilimandscharo“, den Romanen „Chaga“ und „Kirinya“ sowie der Novelle „Tendeléo’s Story“) schildert, wie biologische Pakete auf der Erde einschlagen und Zonen eines wild wuchernden fremden Lebens entstehen lassen, in denen die irdische Ökologie komplett absorbiert wird. Die Art und Weise, wie Menschen und Staaten damit umgehen, ob sie die Alien-Biologie als tödliche Bedrohung sehen oder als Chance für ein AIDS-Heilmittel begreifen, interessiert den Autor sehr. Die Reaktionen verraten viel über soziale Strukturen, Macht und Diskriminierung.

In dem Roman „River of Gods“ schildert McDonald ein in Einzelstaaten zersplittertes Indien des Jahres 2047, in dem Künstliche Intelligenzen auf Techno-Hinduismus treffen. Auch die Texte des Erzählungsbandes „Cyberabad Days“ spielen in dieser Welt.“ (Wikipedia.de)

Handlung

In naher Zukunft (2004) ist es soweit: Außerirdischer Besuch klopft an unsere Tür. Die Shian kommen allerdings nicht als Forscher, auch nicht als glubschäugige Eroberer, sondern mit der Bitte um Siedlungsraum. Acht Millionen Aliens wollen also Asyl beantragen. Na schön: Die Erde bekommt dafür technisches Know-how. Dagegen laufen die Technikkonzerne der Erde Sturm: Die Shian dürfen nur Spezial- und Einzelfertigungen anbieten.

Mehr als eine Million Shian werden auf der Erde auf etliche Länder und Kommunen verteilt, darunter 80.000 in Nordirland. Hier ist es Nord- und Südiren gelungen, durch ihre friedliche Kooperation eine gemeinsame Verwaltung aufzubauen. Die Shian drohen, eine Art Spaltpilz zu werden und werden misstrauisch beobachtet. Allerdings sind sie natürlich Wesen mit eigenartiger Biologie und Kultur, geschlechtslos außer in der Zeit der Brunst, Kesh, genannt, und mit einem radikal anderen Glauben. Vor ihrer Geschlechtsreife weisen Kinder, die sie besonders verhätscheln, kein Geschlecht auf. Und wie stets ist die Sprache ein Hindernis, zumal die Kommunikation die Shian auf chemischem Wege abläuft. Mit solchen Substanzen eignen sie sich die Sprachen der Erde an – nicht aber die Begriffe dahinter.

Vermittler

Da interrassische Reibungen vorprogrammiert sein dürften, sollen diese auf ein Mindestmaß verringert werden, dazu benötigt man Vermittler. Einer davon ist der geschiedene Automechaniker Andy Gillespie, der sich nach einer mäßig erfolgreichen „Karriere“ als national-irischer Gelegenheitsterrorist (IRA) und nach drei Jahren im harten Maze-Gefängnis nun Saulus-Paulus-mäßig um die Belange der Shian-Kommune der Harridi in Belfast kümmern darf. Seine Bekehrung fand im Maze-Gefängnis statt, wo er einen Shian kennenlernte, der ihm die Sprache vermittelte – und dann zu Tode kam. Mit den Moralvorstellungen der Shian kann Andy selbst etwas anfangen, entdeckt er.

Konfliktpotential

Problematisch findet er jedoch, dass die Shian Töten als Mittel nicht ablehnen, wenn sie ihre Kinder schützen müssen. Aber Krieg scheinen sie abzulehnen, denn stattdessen ziehen sie Verhandlungen vor, die von Genros – Krieger-Anwälten – geführt werden. Andy arbeitet nun für das Belfaster Welcome Center, das u.a. reisende Shian in Kommunen unterbringt und für die Probleme zwischen den Menschen und Aliens zuständig ist. So muss er beispielsweise vor Gericht dafür sorgen, dass ein Mitglied der Harridi-Sippe, die in Belfast lebt, wegen Angriffs auf ein paar Jugendliche ins Gefängnis wandert. Die Jugendlichen hatten ein Shia-Kind bedroht, argumentiert die Harridi-Anwältin, und es handle sich um einen Fall von Nothilfe.

Serienmord

Viele Iren jedoch sind der Ansicht, das Willkommen für die Shian werde zu wörtlich umgesetzt. Auch die Aliens haben mit ihren überrumpelten Gastgebern Schwierigkeiten. Doch Andy betrachtet seine Mitarbeiter im Welcome Center bald als seine „Familie“. Als diese seine Harridi-Familie eines Tages auf höchst ungewöhnliche Weise ermordet wird, schlagen die Wogen hoch. Die Morde wurden mit einem Alien-Werkzeug, einem Maser, durchgeführt, doch der Angriff auf die Geschlechtsteile würde kein Shia über sich bringen. Der Täter muss ein Mensch sein, denkt Gillespie.

Sündenbock

Gillespie identifiziert die fünf Opfer in der Leichenschauhalle vor den Augen des „Xenologen“ Littlejohn und einer Polizeibeamtin der Kripo namens Roisin Dunbar. Es gibt keine Zeugen, die Polizei hat keine Anhaltspunkte, dafür aber einen Sündenbock: Andy Gillespie selbst. Als Vorbestrafter selbst verdächtig, wird er aber nicht in Gewahrsam genommen, um seine Kontakte in der „Terroristenszene“ aufzudecken. Deshalb bekommt Roisin von ihrem Chef den Auftrag, Gillespie zu beschatten – eine Beschattung, die schon bald entdeckt und als lästig eingestuft wird.

Die Suche

Sie folgt Gillespie von einem Shian-Hort zum nächsten, ja sogar weit hinaus aufs Land, und wieder zurück zu den großen, verfallenen Docks Belfast. Hier steht ihr Heiligtum und hier trifft er seinen Mithäftling Eamonn Donnan wieder. Was haben die beiden sich noch nach drei Jahren zu sagen, fragt sich Roisin. Gillespie könnte es ihr verraten Eamon versucht, ein Shia zu werden. Im Heiligtum sucht er zwar die Erfahrung der archetypischen Traumwelt der Shian und sieht inzwischen auch so aus wie sie, doch Eamonn kann immer noch vernünftig denken und ist auf dem aktuellen Stand der Dinge: Er nennt diesen Xenologen Littlejohn einen „Narren“, ja, sogar etwas Verächtlicheres als das. Er benutzt einen Ausdruck aus der Shian-Sprache Narha, den Gillespie zwar gelernt, aber noch nie verwendet hat. Wovor haben die Shian solche Angst?

Die Anwältin

Als Pizza-Botin verkleidet, bittet die Shian-Anwältin Ounserrat Soulereya um seine Dienste. Denn vor wenigen Tagen, als Gillespie gerade vor Gericht war, sein ein Shia-Modell mit ihren zwei Kindern verschwinden. Und wenn es um Kinder geht, kennen die Shian keinerlei Hemmungen, weiß Gillespie. Zusammen wollen sie die wahren Täter finden. Der zweite Stop ist ein Frook-Klub in einem verrufenen Stadtteil. Frooks sind Leute, die aussehen wollen wie Shian. Sogar echte Shian hängen hier ab: Hier sollte das vermisste Model auftreten. Ist es wirklich Zufall, dass Gillespie hier einen früheren Mithäftling namens Gavin Peterson antrifft, fragt sich die überwachende Polizistin Rosin Dunbar, und ihr Chef vermutet ein weiteres Glied in der Kette des Waffenschmuggels. Sie ahnen nicht, was in den Hinterzimmern vor sich geht…

Ein Wiedersehen

Doch Gavin Peterson und sein Auftraggeber, derLeiter einer politischen Kirche, sind alles andere als begeistert von diesem Zusammentreffen. Nur wenige Minuten, nachdem er den Klub verlassen hat, versuchen zehn Schlägertypen, ihn fertigzumachen. Doch Ounserrat ist eine Genro, eine Shian-Anwältin, und als solche legal mit einem Stab ausgestattet, den sie als Kampfstock einsetzt. Sie rettet Gillespie das Leben.

Spracherwerb

Nachdem er wieder aufgewacht ist, findet er sich in einem Hold der Shian wieder. Es ist nicht der Hold der Harridi, dennoch fremdartig genug. Inmitten der Ruhe findet Gillespie endlich den Mut, Ounserrat zu berichten, wie es kam, dass er die Narha-Sprachkenntnisse erwarb. Denn nun ist ihm klargeworden, dass er nur einen Teil ihres Sprachschatzes beherrscht. Ounserrat, die Mutter eines Kleinkindes, macht ihm klar, dass er den Sprachschatz, den er benötigt, Heißes Narha genannt wird: Es wird nur während des Kesh gesprochen. Um diesen zu erlangen, solle er ihre Muttermilch trinken. Chemie, weiß er, macht bei den Shian erst alles möglich. Also trinkt er – und erlebt die Shian-Gesellschaft von einer ganz anderen Seite kennen.

Noch ein Tatort

Unterdessen haben Roisin Dunbar, ihr Chef und der Xenologe Littlejohn es geschafft, Gavin Peterson im Verhör zu brechen. Der Mann hat so viele irrationale Ängste gegenüber allem Fremdartigen, insbesondere den Aliens, dass es kein Wunder ist, dass er bereits dreimal gemordet hat – und wahrscheinlich hat er für den Überfall auf Gillespie gesorgt. Peterson ist ein Gefolgsmann von Pastor McIvor Kyle, der politisches Kapital aus Fremdenhass schlägt und in den Wahlkreisen durch Erpressung für Machtzuwachs sorgt. Doch als sie die feudale Villa des Sektenführers stürmen wollen, stoßen sie nur auf eine Reihe von Leichen. Jemand ist ihnen zuvorgekommen, und es war möglicherweise kein Mensch…

Mein Eindruck

Ian McDonalds frühere Romane wie „Rebellin des Glücks“ (dt. bei Bastei-Lübbe) oder „Herzen, Hände, Stimmen“ (1993, dt. bei Heyne) waren noch gleichnishaft auf den Nordirlandkonflikt zugeschnitten. Dieser Roman aus dem Jahr 1996 spielt erstmals auf der grünen Insel selbst. Der Leser ist gut beraten, sich die blutige und verworrene Geschichte Nordirlands zu vergegenwärtigen. Viele Akteure der nordirischen Konflikte vom Ende des 20. Jahrhunderts wie etwa Gerry Adams werden nämlich vom Übersetzer als bekannt vorausgesetzt.

Die Probleme der christlichen Erdlinge mit den Shian und ihrem bizarr anmutenden Glaubenssystem sind dabei eine kaum verhüllte Metapher für die scheinbar unüberwindbaren Religionsdifferenzen zwischen Süd- und Nordiren, zwischen Katholiken und Protestanten, Unionisten und Loyalisten. Immer wieder betont der Autor auch die Frage der Zugehörigkeit und vergleicht die Situation von Andy Gillespie, der zwischen Menschen und Aliens vermittelt, mit dem Problem, sich zwischen den Gegensätzen England (= Nordirland) bzw. Irland aufzuhalten.

Dass das Ganze dabei nicht zur religiös-politischen Fabel verkommt, ist dem erzählerischen Geschick des Autors anzurechnen. Die Figuren sind sauber, selbstironisch und interessant gezeichnet, die Handlung trotz einiger Längen spannend, die fremdartige Kultur der Shian und ihre Gemeinsamkeiten mit den Menschen überzeugend und mit guten Einfällen dargestellt. Allerdings ist der häufige, wohl als Realismus konzipierte Gebrauch von Flüchen und Fäkalausdrücken nicht sonderlich erbaulich. Auch mit dem schrägen Humor des Sarkasmus weiß nicht jeder Leser viel anzufangen.

Eine Beichte

Am meisten beeindruckte mich Gillespies Beichte seiner Handlungen im Maze-Gefängnis. Er gibt sich die Schuld am Tod des Shian-Häftlings, der ihm Narha beibrachte. Dabei ist er gar nicht für dessen Tod verantwortlich. Es war der Fehler der Gefängnisverwaltung, die nichts vom Kesh wusste. Die Pheromone des brünstigen Shian machte die anderen Häftlinge aggressiv, so dass dieser nach einer Prügelei in Einzelhaft gesteckt werden musste. Dort trat er in den Hungerstreik, bis zu seinem Ende.

Auch sonst ist Gillespie eine ehrliche Haut. Durch den erzählerischen Kniff des inneren Monologs können Leser quasi in Gillespies Kopf schauen und seinen Gedankengängen und Empfindungen folgen. Das gleiche Privileg gilt auch für Roisin Dunbar, die ebenfalls etliche niederschmetternde Entdeckungen verdauen muss.

Ein Durchbruch

Wie bei den besten Romanen John Brunners gibt es einen kognitiven Durchbruch, der nach etwa zwei Dritteln der Handlung erfolgt: Der Xenologe Littlejohn hat immer behauptet, Shian wäre es physisch (chemisch) unmöglich, einen anderen Shian zu töten. Diese Annahme, die auf Dokumente beruht, erweist sich als falsch: Sie können sehr wohl Krieg führen. Aber nur, wenn es dabei um das titelgebende „Narrenopfer“ geht: Diejenigen, die vom Täter als „Narren“ angesehen werden, sollen „geopfert“ werden.

Das Konzept des Shian-Narrenopfers ist schwer zu verstehen, aber Gillespie kommt eine solche Motivation ziemlich vertraut vor: Er ist in den religiösen Unruhen aufgewachsen. Wie man aber als Shian zu einem Mörder wird, liegt daran, dass sie viele Bestandteile ihres Wissen – wie C.G. Jungs Archetypen – aus der Traumwelt beziehen können, mit der sie aufwachsen. Aber nun stößt der Xenologie in den Archiven der 15. Shia-Flotte auf ein uraltes Heldenepos, in dem ein Krieg geschildert wird – und die Figur des Killers wird haarklein beschrieben. Im Finale taucht genau diese Figur wieder auf, und der Showdown findet in Gillespies trautem Heim statt…

Die Übersetzung

Die Übersetzung selbst ist gelungen und in hohem Grade korrekt und flüssig lesbar. Leider habe ich schon nach wenigen Seiten – genauer ab S. 12 – aufgegeben, die zahlreichen Druckfehler zu notieren. Die Liste wäre schier endlos.

Nicht unterschlagen werden sollen die zahlreichen Anmerkungen, die der Übersetzer Jakob Leutner eingeflochten hat. Sie klären den nicht-irischen Leser über Personen, Ereignisse, Bräuche, Sprichwörter, Redewendungen und wichtige Daten der Insel auf und tragen sehr zum Verständnis der Denkweise der Bevölkerung und der Hauptfiguren bei.

Unterm Strich

Einen neuen Höhepunkt in McDonalds bis 1998 beeindruckendem Werk stellt „Narrenopfer“ also nicht dar. Dafür ist der Roman wohl zu einfach gestrickt, es fehlen die überbordende Sprachgewalt und der Ideenreichtum seiner sonstigen Werke. Allerdings schreibt hier McDonald fast mit Herzblut und höchstem persönlichem Engagement (für das er sich zum Teil bei seiner Frau bedankt), so dass wir Andy Gillespie die Daumen drücken, endlich Frieden mit den Aliens stiften zu können. Mich hat der Roman stark beeindruckt, und ich kann mich noch an viele Szenen erinnern – besonders natürlich an den packenden Showdown. Der Krimi funktioniert, und die Botschaft ist bewegend. Insofern bietet die Lektüre durchaus eine Bereicherung.

Der Autor sieht auf der einen Seite abgrundtiefe Verbohrtheit bei Menschen wie auch Aliens, dass man schier verzweifeln könnte (mancher betagte Leser erinnert sich vielleicht noch an Bilder aus Belfast, in denen kleine Mädchen Spießrutenlaufen müssen, um zur katholischen Schule zu kommen). Andererseits gibt es immer wieder kleine Heldentaten und Mut zur Toleranz, die das kleine Lichtlein Hoffnung doch wieder aufleuchten lassen. Da spürt man die Sorgen, die Wut und die Hartnäckigkeit eines Autors, der seiner wahrlich nicht einfachen Heimat Nordirland tief verbunden ist. Die Harridi verhalten sich insofern wie Menschen, als sie die Mordserie erstens selbst aufklären und den Mörder selbst ausschalten wollen. Klappt leider nicht so ganz: Gillespie kommt ihnen auf die Schliche.

Schriftstellerisch vielleicht kein Glanzstück, dafür aber ehrlich, kompetent und engagiert – für „Narrenopfer“ wird McDonald mehr für sein Anliegen als für seine Kunst gelobt, und daran ist ausnahmsweise nichts verkehrt.

Taschenbuch: 445 Seiten
Originaltitel: Sacrifice of Fools, 1996
Aus dem Englischen übertragen von Jakob Leutner.
ISBN 9783-453-148673

www.heyne.de

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