Meißner, Tobias O. – Hiobs Spiel – Frauenmörder

_Handlung:_

Hiob Montag, ein Mann mit seltsamem Namen und großen Ambitionen: neuer Herrscher über das Wiedenfließ werden, in der heutigen Zeit auch Hölle genannt. Um das zu vollbringen, muss er in einem unheiligen Spiel 78 Punkte erringen, indem er Prognostica und Manifestationen des Bösen zerstört. Im ersten Buch des auf 50 Jahre ausgelegten Zyklus bekämpft er Missgeburten aus einem kolumbianischen Irrenhaus, erledigt ein im amerikanischen Stromsystem nistenden Dämon, reist in die Zeit zurück, um einem grauenhaften Familienmord beizuwohnen, und stellt sich in den Weg einer Vampirsekte, die einen Schritt zu weit gegangen ist.

_Schreibstil:_

Um ehrlich zu sein, ist dieser erste Teil einer langen Geschichte eines der besten Bücher, die ich je gelesen habe. Das fängt schon im Design des Buches an. Schwarze Balken am Rand, ein schräg geschriebenes Schriftbild oder ständige Ausstreichungen mitten im Satz wirken in einem Buch wie das verstörende Rauschen eines TV-Bildschirms während eines Horrorfilms. Und auch sonst wird mit dem Medium Buch herrlich gespielt, indem Wörter visuell passend dargestellt werden. Auf- und abhüpfende Buchstaben bei einem stark zitternden Sprecher zum Beispiel, oder Versuchungseinflüsterungen, die fast die Hälfte der Seite einnehmen und wie bei der entsprechenden Person auch jegliches Denken an Anderes vernichtet.

Das kleine Warnquadrat auf dem Titel – Warning: explicit lyrics – sollte nicht abschreckend aufgenommen werden. Klar, wer sehr zart besaitet ist, wird mit der zum Glück ausschließlich zweckdienlichen Brutalität garantiert nicht zurecht kommen, doch nie wird die Brutalität eines Stephen King oder Thomas Harris überschritten, weswegen das Quadrat eher der Werbung dienen soll. Trotzdem ist die Brutalität ein wesentlicher Bestandteil des Buches und lässt ein bisschen an David Finchers Film „Sieben“ denken. Da Hiob das Grausame in der Welt bekämpft, wartet man wie in „Sieben“ mit perverser Furcht auf die nächste Entstellung und dessen Umsetzung.

Der ehrgeizige Hiob Montag steht dabei auf dem schwierigen Grat zwischen zynischem Superheld und sympathischem Antiheld. Abgehärtet wie er ist, sind ihm normale Moralvorstellungen fremd, trotzdem sind seine Kämpfe gegen Abnormitäten Kämpfe um die Rettung der Welt, die in einer typischen Superheldenmanier ausgeführt werden. Das macht den Hauptcharakter sehr interessant, wenn er gegen jede normale Handlungsweise die abartigsten Dinge zur Rettung der Menschheit über sich ergehen lässt.

Die einzelnen Episoden im Buch selber sind sehr abwechslungsreich, und wie oben erwähnt, wartet man mit Spannung drauf, welche irren Ideen diesmal auf Hiob warten. Während das erste Kapitel an Krankheit nicht mehr überboten wird und sich der Aufenthalt in Amerika fast schon wieder normal liest, sind trotzdem in jedem Kapiteln Geschichten enthalten, die sich jedes Mal an Abnormität zu überbieten versuchen, obwohl niemals die Geschmacksgrenze für billige Splattereffekte überschritten wird. Auch inhaltlich läuft keine Geschichte nach dem Schema F ab, immer gibt es andere Arten, wie die Geschichte erzählt wird, zum Beispiel mit Wechsel zu Vergangenheit und Zukunft in der Geschichte des Bayrischen Familienmordes oder komplett in der Perspektive der zukünftigen Opfer Hiobs, wie in der Geschichte der Vampirsekte.

Was das Buch von allen anderen Büchern aber auch abhebt, ist die Tatsache, dass es in Deutschland spielt und sich vor allem auch an deutschen Problemen orientiert. Da es hier strenge Waffengesetzte gibt, ist es nur logisch, dass der Protagonist nicht ständig mit einer dicken Knarre rumrennt und sämtliches Böse, das ihm vor die Flinte läuft, mit einem coolen Spruch auf den Lippen abknallt. Nein, hier wird mit allem gekämpft, was einem zur Verfügung steht, sei es mit Verstand oder guten Plänen, wilde Schießereien kommen im ganzen Buch zum Glück nicht vor. Auch wird der Weg zu diesen Ereignissen nicht einfach zum Flug im Privatjet, sondern jedes Mal hart erkämpft. Geld für Flüge muss zusammengeraubt, Reisen in die Vergangenheit müssen über perversen Schamanen erkämpft und Strecken Innerlands per Anhalter zurückgelegt werden.

Ein weiterer Vorteil des Schauplatzes Deutschland ist, dass man sich viel besser in dem Buch zurechtfindet als in den amerikanischen, da einem die Landschaft geläufiger ist und die Anspielungen auf die Kultur nur mit dem Gedächtnis und nicht mit Wikipedia verstanden werden können. Auch läuft man hier nicht Gefahr, einen Wortwitz zu überlesen, weil er unübersetzbar ist.

_Fazit:_

Ein spannendes, originelles und herrlich zu lesendes Buch, das förmlich nach mehr schreit. Was Tobias O. Meißner abgeliefert hat, ist genau das, was ich schon lange gesucht habe, nachdem ich mich nach sämtlichen Klischeeromanen langsam gefragt habe, ob es nicht auch anders geht. Und da in „Hiobs Spiel – Frauenmörder“ trotzdem nicht auf eine einfache, fesselnde Sprache verzichtet wurde, kann man das Ergebnis locker an einem guten Abend durchlesen, wovon ich aber wegen der langen Durststrecke abrate, da bisher nur ein weiterer Band der Reihe erschienen ist und der nächste voraussichtlich erst Ende 2006 erscheinen wird.

http://www.eichborn.de

|Tobias O. Meißner bei |Buchwurm.info|:|

[„Das Paradies der Schwerter“ 2379
[Interview dazu]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=35
[„Die dunkle Quelle“ 1938 (Im Zeichen des Mammuts 1)
[„Die letzten Worte des Wolfs“ 2418 (Im Zeichen des Mammuts 2)