Rachel Aaron – Meister der Stimmen (Die Legenden von Eli Monpress Band 1)

Miranda Lyonette wurde vom Rektor Spiritualis, dem Obersten des Magierordens, nach Allaze gesandt, um Eli Monpress dingfest zu machen, einen gewitzten Dieb, der im Verdacht steht, ein überaus mächtiges und gefährliches magisches Artefakt stehlen zu wollen. Doch als Miranda die Stadt erreicht, ist es schon zu spät: Eli Monpress hat den Diebstahl bereits durchgeführt. Allerdings hat er nicht, wie erwartet, das Artefakt gestohlen, sondern … den König!

Im Grunde ist Eli Monpress ja ein ganz charmanter Kerl. Er ist höflich, stets gut gelaunt und hat im Großen und Ganzen das Herz auf dem rechten Fleck. Sein Ehrgeiz, das auf seinen Kopf ausgesetzte Kopfgeld auf die schwindelerregende Höhe von einer Million Goldmark zu treiben, fand ich allerdings schon etwas eigenartig.

Auch Miranda Lyonette ist sympathisch. Sie ist mutig, resolut und besitzt ein ziemlich ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein.

Von Renaud kann man das nicht behaupten. Als Liebling seiner Mutter verhätschelt und verwöhnt, hat er sich zu einem kleinen arroganten Monster entwickelt, das nach Mutters Tod von der Thronfolge ausgeschlossen und verbannt wurde. Jetzt ist er ein großes rachsüchtiges Monster.

Mehr gibt es zu den Figuren leider nicht zu sagen. Tiefe fehlt ihnen allen völlig. Bei Josef und Nico, Elis Gefährten, liegt es wohl auch daran, dass die Autorin aus ihrer Vergangenheit bewusst ein Geheimnis gemacht hat, um sie interessant zu erhalten. Da die übrigen Figuren allerdings auch nicht wirklich lebendig dargestellt sind, fürchte ich, das allmähliche Lüften des Geheimnisses wird die beiden nicht viel plastischer machen.

Interessant fand ich dagegen den magischen Aspekt. Die Idee, jegliches Objekt zu beseelen, sei es nun ein Baum, ein Bach, ein Brief oder eine Tür, hat in Verbindung mit Elis Charme der Geschichte einen gewissen augenzwinkernden Humor verliehen. Dazu trägt auch Mirandas Geisterhund Gin in nicht unerheblichem Maße bei. Detaillierte Ausarbeitung ist dabei kaum von Nöten, denn bei der Flut an unterschiedlichsten Pflanzen, Tieren und Gegenständen bieten sich auch ohne ausgefeilte Facetten zahllose Möglichkeiten für Abwechslung.

Die Handlung wiederum konnte da nicht so recht mithalten. Anfangs tat ich mich außerordentlich schwer damit, bei der Stange zu bleiben. So amüsant Elis Ausbruch aus dem Gefängnis war, so hanebüchen waren die Reaktion des Königs und seiner Beamten. Mag sein, dass die Autorin diese bewusst überzeichnet hat, sozusagen als Satire. Wenn ja, dann hat sie hier zu viel des Guten getan. Ich konnte jedenfalls nur den Kopf schütteln, und wenn Elis übrige Opfer genauso dämlich waren, hat er nicht mal einen Kupferpfennig als Kopfgeld verdient!

Auch nach den einleitenden Kapiteln wurde es erst einmal nicht besser. Obwohl die Handlung im Großen und Ganzen zügig erzählt wurde, dauerte es eine Weile, bis allmählich absehbar war, um was es denn letztlich überhaupt gehen sollte. Die vielen Andeutungen begannen erst ab der Mitte des Buches allmählich einen Zusammenhang zu ergeben, und auch Spannung wollte sich trotz der Konfrontation bei der Lösegeldübergabe nicht so recht einstellen. Wirkliches Interesse an der Geschichte entwickelte sich bei mir eigentlich erst nach zweihundert Seiten, als Miranda, Eli und seine Freunde beginnen, ihren Plan zur Rettung der Welt in die Tat umzusetzen. So etwas wie Spannung kam allerdings erst in der Schatzkammer auf, zumindest ein wenig.

Zu alledem bin ich noch über diverse Unstimmigkeiten gestolpert.

Ein Mann, dem man ein Schwert in den Bauch gerammt hat, ist tödlich verwundet! Selbst wenn er die Verletzung überlebt, wird er damit nicht in der Burg herumlaufen, und er wird Wochen brauchen, um zu genesen!

Drei Minuten vom Thronsaal bis zum Stadttor? Entweder besitzen diese Torwächter eine Form der Siebenmeilenstiefel, oder die Stadt ist so klein, dass sie den Namen nicht verdient!

Und die Torwächter können das Tor nur in Gegenwart den Pförtners öffnen? Dann hoffe ich, dass die Stadt nur dieses eine Tor besitzt, sonst muss der Pförtner sich entweder aufteilen oder ständig von Tor zu Tor hetzen. Man stelle sich die Staus vor, die sich da bilden würden …

Tatsächlich haben sich durch das Schließen der Stadttore keine Staus gebildet. Offenbar will niemand außer Miranda durch das Tor, weder rein noch raus! Wo sind die ganzen Leute? Gibt es keine Kaufleute, die mit anderen Städten Handel treiben? Keine Bauern, die ihr Gemüse oder Geflügel zum Markt bringen wollen? – Sieht nicht so aus, und das kostet die Geschichte eine Menge Leben und Farbe. Selbst die Beschreibung des verrufenen Stadtviertels, in dem Miranda ihren Informanten trifft, ist so oberflächlich geraten, dass sich kaum Stimmung entwickelt.

Zurückgeblieben ist bei mir dadurch ein sehr gemischter Eindruck. Sehr gut gelungen ist der Autorin ihr Aspekt der Magie, den Rest des Settings – vor allem die Stadt Allaze – hat sie jedoch derart kurz abgefertigt, dass er keinerlei Flair entwickeln konnte. Die Protagonisten sind zwar sympathisch und nachvollziehbar, dürfen aber gern noch ein wenig Tiefe entwickeln. Ebenfalls sehr gut angelegt sind die diversen Geheimnisse. Zahllose Fragen, wie die nach den Fähigkeiten von Josefs besonderem Schwert, oder die, warum er Nico beschützt, aber auch die geheimnisvolle Benehime und ihre Liga der Stürme, sorgen im Laufe der Handlung dafür, dass der Leser doch neugierig wird, und sie gleichen die übertrieben unfähigen Hofbeamten ein wenig aus.

Unterm Strich würde ich sagen, die Autorin hat eine Menge guter Ideen, und auch einen interessanten Protagonisten geschaffen. Ihre Handlungsführung ist allerdings etwas grob und eher spannungsarm, und die Ausgestaltung ihrer Ideen wirkt oberflächlich, fast ein wenig lieblos. Falls sie das durch Humor auszugleichen suchte, so ist ihr das nicht gelungen. Lustig und lächerlich ist eben nicht ganz dasselbe.

Die Autorin bezeichnet sich selbst als Schnellschreiberin. Vielleicht wäre es eine gute Idee, diese Arbeitsweise zu überdenken und sich lieber etwas mehr Zeit für die Ausgestaltung und den Aufbau der Geschichten zu nehmen.

Rachel Aaron lebt mit ihrer Familie in Georgia und liebt Bücher, Videospiele und Anime. Ihre Buchreihe über Eli Monpress umfasst inzwischen fünf Bände, außerdem gibt es eine Sammlung von Kurzgeschichten über ihren Helden. Auf Deutsch ist bisher nur der erste Band erhältlich, der Zweite soll im September erscheinen, offenbar aber nur als eBook.

Taschenbuch 348 Seiten
Originaltitel „The Spirit Thief“
Deutsch von Vanessa Lamatsch
ISBN-13: 978-3-426-51238-8

http://www.rachelaaron.net

Der Autor vergibt: (3.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 4,00 von 5)