Meyer, Kai / Hagitte, Christian / Bertling, Simon – Die Alchimistin. Teil 2: Das Erbe des Gilgamesch (Hörspiel)

Action & Romantik: Kämpfe in den Katakomben

Schloss Institoris, ein düsteres Gemäuer an einer einsamen Küste. Inmitten eines Labyrinths endloser Gänge und Säle wächst Aura heran, die älteste Tochter des Schlossherrn. Sie ist die Erbin eines uralten Rätsels, der Rezeptur des Steins der Weisen. Doch als ihr Vater im Auftrag seines Widersachers Lysander ermordet wird, schlägt die Stunde für Auras Stiefbruder Christopher – er beansprucht das Geheimnis der Unsterblichkeit für sich …

Folge 2: Aura enthüllt das Geheimnis ihrer Familie. Ausgerechnet der Mörder ihres Vaters, der geheimnisvolle Hermaphrodit Gillian, befreit sie aus den Klauen grausamer Mörder. Auf der Spur von Auras entführter Schwester Sylvette reisen sie nach Wien. In den Katakomben unter der Stadt geraten sie in einen Konflikt, dessen Ursprünge weit zurück ins Mittelalter reichen…(Verlagsinfos)

Der Autor

Kai Meyer, Jahrgang 1969, studierte Film, Philosophie und Germanistik und arbeitete als Redakteur. Er schrieb schon in jungen Jahren und lieferte u. a. ein paar Jerry-Cotton-Abenteuer. Sein erster großer Erfolg war „Die Geisterseher“, eine historische „Akte X“. Seit 1996 ist er freier Schriftsteller und Drehbuchautor. Bisher sind rund 40 Romane von ihm erschienen. Selbst Kritiker waren von seinem historischen Mystery-Thriller „Die Alchimistin“ begeistert, später folgten „Die fließende Königin“ und „Göttin der Wüste“. Bei |Loewe| erschien mit den „Wellenläufern“ ein Jugend-Fantasyzyklus. „Frostfeuer“ aus dem Jahr 2005 ist eigenständiger Jugendroman. Das Buch wurde mit dem internationalen Buchpreis |CORINE| ausgezeichnet.

Die erste Staffel der achtteiligen Hörspielreihe umfasst die Folgen:

1) Der Stein der Weisen
2) Das Erbe des Gilgamesch
3) Die Katakomben von Wien
4) Das Kloster im Kaukasus

Im August 2008 erschien die zweite Staffel:

5) Die Unsterbliche
6) Die Schwarze Isis
7) Der Schatz der Templer
8) Der Alte vom Berge

|Kai Meyer auf Buchwurm.info:|

[Interview mit Kai Meyer]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=11
[„Der Brennende Schatten“ 4506 (Hörspiel)
[„Die Vatikan-Verschwörung“ 3908 (Hörspiel)
[„Die Wellenläufer“ 3247 (Hörbuch)
[„Die Muschelmagier“ 3252 (Hörbuch)
[„Die Wasserweber“ 3273 (Hörbuch)
[„Frostfeuer“ 2111 (Hörbuch)
[„Die Alchimistin“ 73
[„Das Haus des Daedalus“ 373
[„Der Schattenesser“ 2187
[„Die Fließende Königin“ 409
[„Das Buch von Eden“ 890 (Hörbuch)
[„Das Buch von Eden“ 3145
[„Der Rattenzauber“ 894
[„Faustus“ 3405
[„Seide und Schwert“ 3558 (Das Wolkenvolk 1, Hörbuch)
[„Lanze und Licht“ 4549 (Das Wolkenvolk 2, Hörbuch)
[„Drache und Diamant“ 4574 (Das Wolkenvolk 3, Hörspiel)

Die Inszenierung

Die Sprecher:

Erzähler: Friedhelm Ptok (Ian ‚Imperator Palpatine‘ McDiarmid)
Aura Institoris: Yara Blümel-Meyers
Gillian: Claudio Maniscalco (Jimmy ‚The Haitian‘ Jean-Louis)
Christopher Institoris: Timmo Niesner (Elijah ‚Frodo‘ Wood)
Charlotte Institoris: Kerstin Sanders-Dornseif (Susan Sarandon)
Friedrich von Vehse: Mathieu Carrière
Stein: Oliver Brod
Bein: Thomas Winter
Daniel: Nicolas Artajo (Jamie Bell)
De Dion: Freimut Götsch
Cosima: Cathleen Gawlich
Rupert: Detlef Bierstedt
Und andere.

Für Regie, Ton und Musikkomposition zeichnen Christian Hagitte und Simon Bertling vom Studio |STIL| verantwortlich. (Das Hörspiel ist daher Cornelia Bertling gewidmet, die 2007 mit 40 Jahren starb.) Die Musik spielt das Filmorchester Berlin und der Hochmeisterchor Berlin unter der Leitung von Hagitte. Die Hörspielbearbeitung stammt von Stefan Maetz. |Lübbe Audio| produzierte das Hörspiel und nicht etwa ein Rundfunksender.

Handlung

Christopher Institoris arbeitet bereits seit Monaten im Alchimistenlabor seines Stiefvaters Nestor, den der Killer Lysanders getötet hat. Damit Nestors Tod nicht bekannt wird, kippt Chris das Essen einfach in den Atanor, den Alchimistenkessel. Er sucht wie sein Vater den Stein der Weisen. In einem Buch findet er den Hinweis, dass es sich um das Kraut des Gilgamesch handeln könnte: das Lebenskraut. An der Stelle im Kräuterbeet, wo er den erschlagenen Nestor vergraben hat, beginnen in der Tat seltsame Blumen zu wachsen.

Eines Nachts folgt er seiner Mutter Charlotte, die mit Friedrich von Vehse, dem Freund der Familie, das Schloss verlässt. Er folgt ihnen durch einen der beiden Geheimgänge, die einst von Piraten angelegt wurden, und gelangt in die Familiengruft. Dort treiben es die beiden doch tatsächlich miteinander: in der Leichenhalle! Da er seine Mutter nun in der Hand hat – ihr Geheimnis darf nicht bekannt werden -, zwingt er sie, den unheimlichen Daniel, ihren zweiten Sohn, in den verlassenen Leuchtturm auf der anderen Insel zu verbannen. Doch Friedrich von Vehse ist nicht so einfach zu vertreiben wie Daniel, und so kommt es zu einem Kampf auf Leben und Tod.

Der Killer

Gillian ist ein Hermaphrodit, ein „Mädchenjunge“, der beide Geschlechtsmerkmale aufweist. Das macht ihn überall zu einem Außenseiter – und so zu einem guten Auftragsmörder. Er hat Nestor Institoris auf Befehl Lysanders getötet, doch Aura Institoris befehlswidrig verschont. In dem Auftragsschreiben Lysanders, das er ihr stattdessen zugesteckt hat, wird Auras Rolle im Plan von Nestor und Lysander erklärt. Sie ist nun im Bilde, was sie mit ihr vorhatten, um den Stein der Weisen zu erlangen.

Weil er eine Hälfte des Mordauftrags nicht erfüllt hat, muss sich Gillian in Paris zweier Abgesandter Lysanders erwehren. Er tötet sie und schwört, sich an Lysander zu rächen. Allerdings braucht er dazu dringend einen Helfer, der Lysander ebenfalls den Tod wünscht. Wer wäre dazu besser geeignet als Aura?

Aura in der Schweiz

Aura ahnt nicht, in was für einer Art von Institut sie sich wirklich befindet. Das St.-Jakobus-Stift scheint ein strenges Internat wie viele andere zu sein. Es ist abgelegen, das Regiment hier führt „Monseigneur“, wie die Direktorin Madame de Dion spöttisch von den Mädchen genannt wird. Mittlerweile darf Aura schon den vierten ihrer Ringe am Oberschenkel entfernen, denn der vierte Monat ist bereits vergangen. Cosima, ihre Zimmergenossin, spendet ihr Trost und Wärme. Und bringt Neuigkeiten. Sie hat beobachtet, dass ab und zu eine Mitschülerin verschwindet, was nicht gerade zu ihrer Beruhigung beiträgt. Aura ist entschlossen, so bald wie möglich von hier abzuhauen.

Eines Nachts bemerkt Aura, wie ein Karren vor dem Seiteneingang hält. Der Kutscher will wie jede Nacht die Wäsche abholen. Als der Fahrer und de Dion gerade in den Keller gehen, huscht Aura flugs an Bord des Karrens und versteckt sich unter den Wäschesäcken. Doch der Wagen fährt nicht wie erwartet in die Stadt zur Wäscherei, sondern in die Berge.

Als die Kutsche hält, hört Aura ein Wimmern aus einem der Säcke: ein anderes Mädchen, das fliehen will? Sie wartet, bis alles wieder ruhig ist, und schleicht dann zu der Steinhütte, vor der der Kutscher gehalten hat. Ein leerer Sack weist daraufhin, dass das Mädchen herausgeholt wurde. Doch wo ist sie? Aura sieht entsetzt eine Blutspur zur Tür der Hütte, dann erklingt der Schrei eines Mädchens. Marla, Auras Mitschülerin, stürzt heraus, ihr Gesicht blutig von einem eingeritzten Symbol, ihr Nachthemd zerfetzt. Gleich hinter Marla kommt der Kutscher aus der Tür geeilt, in der Hand das Messer, von dem Marlas Blut tropft …

Mein Eindruck

Noch immer werden die beiden Handlungsstränge um die beiden Institoris-Erben Christopher und Aura parallel fortgeführt. Unabhängig voneinander stoßen sie auf Geheimnisse, die später noch sehr wichtig werden. Chris findet das Lebenskraut, das Unsterblichkeit verleiht, so wie es seinem Stiefvater ein verlängertes Leben verlieh. Und Aura fragt sich, welche merkwürdigen Gestalten mit der Direktorin ihres Internats zu tun haben. Sie ahnt nicht, dass auch der Kutscher etwas mit Lysander, ihrem Feind, zu schaffen hat.

Immerhin gelingt ihr diesmal die Flucht und sie trifft Gillian wieder, den Auftragsmörder, der sie verschont hat. Zusammen reisen sie nach Wien, um Lysander zu bekämpfen, ihren gemeinsamen Feind. Doch das ist leichter gesagt als getan, selbst als noch Auras Geschwister mithelfen. Das ganze Unternehmen endet verhängnisvoll, wie die nächste Folge zeigen wird.

Diese Episode ist wie die anderen abwechslungsreich und spannend aufgebaut. Interessant fand ich das Spiel des Autors mit dem Geschlecht der Figuren. Gillian ist nicht, wie der Name vermuten lässt, eine Frau, sondern ein Zwitter. Ob er für Aura sexuell attraktiv und er fortpflanzungsfähig ist, muss sich erst noch erweisen. Auch das Geschlecht von „Monseigneur“ De Dion ist nicht eindeutig festgelegt. Ob diese Figur nun wirklich weiblich oder doch männlich ist, wird sich erst in der vierten Episode herausstellen.

Die oben geschilderte Szene in der Berghütte korrespondiert in ihrer blutreichen Gewalttätigkeit mit dem Kampf, den Christopher mit Friedrich von Vehse austragen muss bzw. vom Zaun bricht. Für beide Kinder geht es um die Selbstbehauptung in einer feindseligen und zunehmend rätselhaften Welt, die ganz weit weg von der Realität zu sein scheint. Kein Wunder, denn die Instititoris-Familie war schon immer für ganz besondere Aufgaben vorgesehen.

Wer sich nun fragt, was das Lebenskraut mit dem legendären Helden Gilgamesch zu tun, der erhält hier eine kleine Nachhilfestunde. Der Protagonist des ältesten Heldenliedes der Menschheit unternimmt bekanntlich zahlreiche Fahrten in gefährliche Gegenden, unter denen sich auch die Unterwelt befindet. Er findet das Lebenskraut und wird potenziell unsterblich, wenn ich alles richtig verstanden habe.

Die Inszenierung

Die Sprecher

Kai Meyer lobt die Darstellung Yara Blümels in höchsten Tönen, insbesondere die Übereinstimmung mit seiner Vorstellung von der Entwicklung der Heldin Aura Institoris. Als wir sie kennenlernen, ist sie bereits eine selbständige junge Frau von 17 Jahren, die ihrem neuen „Bruder“ Christopher die Stirn bietet und auch gegenüber ihrem Vater auf ihre Rechte pocht. In der Schweiz zeigt sie, dass sie Eigeninitiative besitzt und sich zur Wehr setzen kann. Dies ist keine Frau, die etwas anbrennen lässt, wenn man es nicht sofort erledigen kann. Yara Blümels Stimme weiß dies genau auszudrücken. Um Aura braucht man sich wirklich keine Sorgen zu machen – es sei denn, die Geschichte verlangt es.

Timmo Niesner ist die deutsche Stimme von Elijah „Frodo“ Wood. Er bringt in seine Rolle als Christopher Institoris eine Menge Feingefühl ein, um die verschiedenen Beziehungen, in denen er sich zu Vater und Mutter, zu Schwester und Bruder befindet, entsprechend flexibel auszudrücken. Die Figuren Sylvette und Daniel spielen hingegen praktisch keine Rolle.

Im Übrigen fand ich den Text im Vergleich zu der Musik und den (spärlichen) Geräuschen viel zu leise ausgesteuert.

Die Geräusche

Die realistisch gestalteten Geräusche beginnen mit dem Klirren und Scheppern von Besteck und Geschirr, das Christopher beiseite räumt. Später ist in der Leichenhalle der Familie ein gewisses Stöhnen zu vernehmen. Diese Klänge aus Innenräumen kontrastieren stark mit denen, die Aura auf ihrer Exkursion in die Berge hört sowie mit jenen Kampfgeräuschen, die Gillian in Paris vernimmt: Schüsse, Schreie und dergleichen. Das Kampfgeschehen erfährt eine lautstarke Reprise, als es in den Katakomben von Paris gegen Lysanders Truppe und die Burgwache richtig zur Sache geht.

Die Musik

Die Musik ist neben dem Text das überragende Merkmal dieser Hörspielreihe. Christian Hagitte und Simon Bertling vom Studio |STIL| haben sich wieder richtig ins Zeug gelegt und einen Score geschaffen, der diesen Namen auch verdient. Die Musik schafft die Stimmung für jede Szene, und wer auf die Musik achtet, bekommt sofort mit, wenn sich die Stimmung ändert, so etwa bei einem Wechsel des Schauplatzes.

Aufgrund dieser vielfältigen Wechsel fällt es nicht leicht, die Musik pauschal zu charakterisieren, aber mir ist aufgefallen, dass sich die klassische Instrumentierung häufig auf der melancholischen und wehmütigen, wenn nicht sogar düsteren Seite des Farbenspektrums bewegt. Allerdings ist diese Gemütslage höchst romantisch und keineswegs morbide oder zerfahren. Daher fällt es der Musik leicht, aus dem romantischen Ton in den dramatischen Ausdruck zu wechseln.

Wird die Musik dramatisch, kann sie auch recht flott werden, besonders in Kampfszenen, von denen es nicht wenige gibt. Doch die Musik muss aufpassen, dass sie nicht die Rufe und Schreie während dieser Kampfszenen überlagert. Die Figuren sollten immer die Oberhand über die Stimmung haben, sonst erscheinen sie als Marionetten.

Das Outro erfüllt die Funktion eines Aufräumers: Jetzt spielt das gesamte Orchester eine majestätische und dramatische Melodie, die nicht nur die Bedeutung des Gehörten unterstreicht, sondern Anlass zur Hoffnung auf weitere solche weltbewegenden Ereignisse gibt. Der Verweis auf die Fortsetzung, gesprochen von Lutz Riedel, unterstreicht dieses Versprechen, das die Musik gibt.

Das Booklet

Ein Geleitwort des Autors lobt die Darstellung Yara Blümels in höchsten Tönen, sagt aber immerhin genau, was ihm daran so gefiel, nämlich die Übereinstimmung mit seiner Vorstellung von der Entwicklung der Heldin Aura Institoris. Außerdem gefiel die Musik ausnehmend gut. Er hat jetzt Lust, die Fortsetzung zu schreiben. Wird auch Zeit!

Der Rest des Booklets liefert einen Überblick über die erste Staffel und eine Biografie des Autors.

Unterm Strich

Das Hörspiel versucht, den goldenen Mittelweg zwischen Edgar Allan Poes „Der Untergang des Hauses Usher“ und einer optimistischen Entwicklungsgeschichte à la „Anne auf Green Gables“ zu gehen. Damit sind schon zwei Extreme hinsichtlich Plot, Aussage und vor allem Stimmung genannt. Der Mittelweg bedeutet ein ständiges Ringen um Selbstbehauptung für die Hauptfiguren Aura und Christopher. Der Gegner ist eine Altlast der Familie, die aus der Vergangenheit ihres Familienoberhauptes Nestor stammt: Lysander (wir erfahren nicht mal seinen Nachnamen).

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und Stimmen von bekannten Schauspielern (u. a. Elijah Wood) einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. Mir war die Umsetzung an vielen Stellen zu romantisch und melodramatisch, aber von einer statischen Handlung kann keine Rede sein, denn die folgerichtige Entwicklung von Auras Abenteuern im Kampf gegen Lysander und seine Schergen ist mitreißend geschildert und gipfelt hier in mehreren Kämpfen. Auch die romantische Liebe kommt in der vorliegenden zweiten Folge nicht zu kurz.

Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für gruselige Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert und die Stimmen der Stars vermitteln das richtige Kino-Feeling. Wer jedoch mit Melodramatik absolut nichts am Hut hat, sich aber trotzdem zünftig gruseln will, der sollte zu härterer Kost greifen.

75 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 9783785735473

http://www.kai-meyer.com
https://www.luebbe.de/luebbe-audio

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