Micaela Jary – Sterne über der Alster

Die Handlung:

Die Revolution von 1918/19 bringt nicht nur Chaos in das geordnete Leben der Hamburger Reederfamilie Dornhain, sondern auch der Dienstboten: Der Patriarch nimmt sich das Leben, sein Chauffeur gerät unter Mordanklage und Nele Dornhain erwartet ein Kind vom Mann ihrer kleinen Schwester. Indes kämpft die älteste Tochter Ellinor um das wirtschaftliche Überleben des Familienunternehmens und auch um ihr eigenes Lebensglück, dessen Zukunft in den Sternen über der Alster geschrieben steht … (Verlagsinfo)

Mein Einruck:

Die Stimmung kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs ist düster in Deutschland: der Erleichterung über den vermeintlichen Frieden folgt schnell die Verunsicherung ob der turbulenten innerpolitischen Zustände sowie die Fassungslosigkeit angesichts der eklatant hohen Reparationsforderungen durch die Alliierten. In genau diesen Zeitrahmen platziert Micaela Jary ihren historischen Roman „Sterne über der Alster“ und knüpft damit an die Geschichte der Hamburger Reederfamilie Dornhain aus „Das Haus am Alsterufer“ an. Großmutter und Familienoberhaupt Charlotte Dornhain hält das Zepter fest in der Hand. Ihr Sohn Victor, der seine geliebte Frau und Mutter der drei Töchter Ellinor, Helene und Lavinia bereits früh verloren hat, führt unterdessen die Geschäfte des Familienunternehmens. Verstrickungen aus früheren Zeiten machen den korrekten Reeder jedoch angreifbar und erpressbar, so dass er nur einen Ausweg sieht.

Als er mit seinem Suizid einen Scherbenhaufen zurücklässt, versucht die älteste Tochter Ellinor ihren Mann zu stehen und Familie und das Geschäft beisammen zu halten. Die Großmutter sorgt sich um die Ehre ihrer Traditionsfamilie und schärft allen Bediensteten ein, dass die Umstände zum Tod ihres Sohnes nicht nach außen dringen dürfen. Unterdessen versucht Ellinor verzweifelt, ihre Schwestern zu benachrichtigen. Während die Jüngste, Lavinia, ihren Dienst als Fernmeldehelferin an der Westfront versieht, weilt auch die mittlere Schwester Helene fernab der nordischen Heimat in der Schweiz. Helene, genannt Nele, führt eine Beziehung zum (Noch)Ehemann von Lavinia und es droht ein kurzes Chaos, als beide Schwestern nebst Lavinias angetrautem Konrad nacheinander im Hamburger Elternhaus ankommen. Doch damit nicht genug: auch die gut situierte Familie bekommt in ihrem Haus am Alsterufer nun deutlich die Einschränkungen zu spüren und muss angesichts der bürgerkriegsähnlichen Zustände mit Streiks und Demonstrationen in der Stadt um ihre Sicherheit fürchten. Alte Bekannte machen den Dornhains zusätzlich das Leben schwer und schließlich wird ein langjähriger Bediensteter unter Mordverdacht verhaftet. Handelt es sich dabei um ein abgekartetes Spiel oder ist an den Vorwürfen etwas dran? Und welche Rolle spielt das junge Hausmädchen Klara?

Jary konzentriert sich sehr auf die zwischenmenschliche Ebene und zeichnet feine Charaktere. Die damals noch erheblichen Standesunterschiede ließen Beziehungen oftmals unnötig kompliziert erscheinen. Nicht zuletzt ist auch das Bild der Frau in der damaligen Zeit noch ein ganz anderes und die Schwierigkeiten der Hauptfigur Ellinor machen dies deutlich. Trotz aller Entbehrungen, die das deutsche Volk in jener Zeit hinnehmen musste, wird im Roman „Sterne über der Alster“ vor allem aber auch in vielerlei Hinsicht klar, dass auch eine Art Neuanfang dahinter steckte. Von den Aktivitäten der Gewerkschaften für die Arbeiter bis hin zu Entdeckung und Ausbau neuer Technologien wie beispielsweise der Luftfahrt spannt sich hier ein Handlungsrahmen, der mit der fiktiven Geschichte rund um die Mitglieder der Familie Dornhain und ihrer Bediensteten gelungen ausgeschmückt wird.

Mein Fazit:

Freunde des historischen Romans der jüngeren (europäischen) Geschichte werden hier ganz auf ihre Kosten kommen und mit dem neuen Roman von Micaela Jary weiterhin eine feinfühlig erzählte Familiengeschichte vorfinden. Die Geschichte ist aus wechselnden Perspektiven erzählt und eine Vielzahl von Einzelschicksalen finden hier Berücksichtigung. Zart-prickelnde Liebesgeschichten wechseln sich mit Intrigen und dem durch die schwere Nachkriegszeit geprägtem Alltag in der Hansestadt ab.

Der Roman ist leicht und flüssig zu lesen, durch den beschriebenen Facettenreichtum kommt keine Langeweile auf. Ich empfehle unbedingt auch die Lektüre des Nachwortes – denn hier geht die Autorin noch einmal auf den spannenden, geschichtlichen Hintergrund ihres Romans ein.

Das offene Ende lässt aber leider Einiges in den Sternen über der Alster stehen und den Leser sogleich auf eine Fortsetzung dieser hanseatischen Familiensaga hoffen!

Taschenbuch: 432 Seiten
ISBN-13: 978-3492306973

www.piper.de

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