Michael Connelly – Schwarzes Echo (Harry Bosch 1)

Tödliche Vietnam-Connection

Rauschgift und Diamanten – eine tödliche Mischung, wie sich für manchen Vietnamveteranen herausstellt. Bill Meadows hat das zwar zu spät gemerkt, seinem früheren Mitsoldaten aber einen brisanten Hinweis hinterlassen. Und wieder einmal versuchen zahlreiche offene und versteckte Gegner, Detective Harry Bosch an der Aufklärung des Todes von Bill Meadows zu hindern.

Der Autor

Michael Connelly war jahrelang Polizeireporter in Los Angeles und lernte das Polizeigewerbe von außen kennen. Bekannt wurde er mit seinen Romanen um die Gesetzeshüter Harry Bosch und Terry McCaleb, zuletzt besonders aufgrund der Verfilmung von „Das zweite Herz / Bloodwork“ durch Clint Eastwood. Zuletzt erschien im August 2003 der Thriller „Kein Engel so rein“ („City of Bones“, 2002).

Handlung

Detective Harry Bosch, geschasster Angehöriger des Los Angeles Police Department (LAPD) in Hollywood und ehemaliger Star eine TV-Serie, wird frühmorgens an den Damm des Mulholland-Stausees gerufen, der Hollywood mit Wasser versorgt. In einer großen Betonröhre, die mit Graffiti und Unrat von Obdachlosen angefüllt ist, wurde eine Leiche gefunden. Der Weiße war bereits Stunden tot, als man ihn hier ablud. Angebliche Todesursache: Goldener Schuss, eine Überdosis hochkonzentriertes asiatisches Heroin.

Doch ein gebrochener Finger und ein Loch in der Brust, das von einem Elektroschocker stammt, lassen Bosch an diesem Befund zweifeln. Der Mann wurde kurz vor seinem Tod wahrscheinlich gefoltert, um ein Geständnis zu erzwingen. Nahm er sein Geheimnis mit ins Grab?

Die Identität des Toten beunruhigt Bosch: Es handelt sich um Bill Meadows, der genau wie Bosch auch in Vietnam gedient hatte, indem er mit Bosch als „Tunnelratte“ in die ausgedehnten Tunnelsysteme des Vietcong eingedrungen war, um den Feind auch unter der Erde zu bekämpfen. Dabei unterschied sich Meadows insofern von Bosch, als Bosch durchaus im tödlichen Dunkel der Röhren Panikattacken bekam, während Meadows sich dort unten wie zu Hause fühlte: Er sprach immer vom „Schwarzen Echo“, das er dort fände, und dem „Verlorenen Licht“.

Der 17-jährige Sharkey, ein junger homosexueller Graffiti-Sprayer, spielte Mäuschen, als die Leiche in der Mulholland-Röhre abgelegt wurde. Er gab der Polizei anonym den Hinweis auf die Leiche. Als Bosch und die FBI-Agentin Eleanor D. Wish endlich Sharkey aufspüren und verhören können, gibt er ihnen Hinweise auf zwei weitere Männer: einen „Arbeiter“ und einen, der lediglich im Jeep saß und Befehle erteilte. Weitere Nachforschungen ergeben, dass Meadows in einem Rehabilitierungszentrum für Straftäter zwei Ex-Militärpolizisten kennengelernt hatte: Franklin und Delgado. Mit diesen beiden könnte er am letzten Labor Day-Feiertag die WestLand-National Bank ausgeraubt haben.

Denn in die WestLand-National Bank gelangten die Räuber durch einen selbst gegrabenen Tunnel, der von dem ausgedehnten Regenabflusstunnelsystem der Metropole (rund 2400 Kilometer) abzweigte. Einmal in die Bank eingedrungen, bohrten sie die Schließfächer auf. Aber was suchten sie? Die Beute ist noch nicht aufgetaucht – mit Ausnahme eines Jade- und Goldarmbands, das Meadows beim Pfandleiher versetzt hatte, um seine Drogensucht zu finanzieren. Das Armband ist verschwunden – wen wunderts? Es wurde bei einem Einbruch in der Pfandleihe gestohlen.

Ein Vergleich der Listen der Ausgeraubten mit anderen lässt macht klar, um was es den Einbrechern der Bank ging: Um Diamanten, die ein korrupter südvietnamesischer Polizeihauptmann in die USA eingeschmuggelt hatte. Aber er war nur einer von dreien, die im Saigon des Jahres 1975 mit Diamanten floh. Einer seiner Partner starb, einer lebt noch: Nguyen Tran.

Bosch und Wish wird klar, dass der nächste Bankraub direkt bevorsteht, weil ein langes Wochenende den Räubern das ungestörte Graben und Sprengen ermöglicht, und zwar dort, wo der zweite Mann, Nguyen Tran, seine Juwelen versteckt hat: in einem Tresorraum in Beverly Hills. Eigentlich müsste jetzt alles glatt ablaufen, doch Bosch vermutet einen Verräter in der Mitte der Ermittlungen, wahrscheinlich beim FBI. Mit dieser Vermutung liegt er zwar goldrichtig, doch es ist nur die Hälfte der Wahrheit…

Mein Eindruck

Auch dieser Krimi von Michael Connelly ist eine kunstvoll gedrechselte Story, die auf mehreren Ebenen funktioniert, genau wie „Schwarze Engel“. Doch während sich der Autor in „Engel“ ziemlich weit aus dem Fenster lehnt, um ein Statement über Polizei- und Stadtpolitik im Besonderen sowie die moralischen Zustände im Allgemeinen abzugeben, beschränkt sich Connelly auf indirekte Kommentare über die mangelhafte Aufarbeitung des Vietnamkriegs und seiner Teilnehmer. Das Buch könnte auch „Die Vietnam-Connection“ heißen.

Kriegsgewinnler

Einfache Kämpfer müssen mit dem Erlebten fertigwerden, durch Polizeiarbeit wie Bosch oder Drogen und Rehabilitation wie Meadows. Aber es gibt auch die „leitenden Angestellten“ des Krieges, die nun ihr Schäfchen ins Trockene gebracht haben: korrupte südvietnamesische Polizisten, die sich in Diamanten auszahlen ließen. Doch wer hat ihnen beim Schmuggeln geholfen? Leute, die Diplomatengepäck hatten. Leute, die später Agenten beim FBI, der Bundespolizei, oder bei der CIA wurden.

Verwirrung des Herzens

Während diese Zusammenhänge Harry Bosch, den Vietnamveteranen, auf einer dienstlichen Ebene einholen, so erfolgt dies auf der privaten Ebene in Gestalt der FBI-Agentin Eleanor Wish. Ich darf hier aber nicht zu viel verraten, sonst geht die Überraschung verloren. Jedenfalls behauptet Eleanor, sie sei zum FBI, weil ihr Bruder Michael nicht mehr aus Vietnam zurückgekehrt sei. Mit dieser Formulierung verschleiert sie die brisante und für sie traurige Wahrheit auf elegante Weise: Michael war ein Diamantenkurier…

Comedy darf sein

Um die grimmige Stimmung ein wenig aufzuhellen, hat der Autor diesmal auch ein Comedy-Element eingebaut. Die fortwährende Überwachung durch die LAPD-Dienstaufsicht wird von den beiden Superspürhunden Lewis und Clarke – benannt nach zwei berühmten Entdeckern – so stümperhaft so erledigt, dass Bosch sie einmal erfolgreich aufs Kreuz legen kann: Gefesselt mit ihren eigenen Handschellen, müssen sie ihm Rede und Antwort, ähem, liegen. Prompt versauen sie ihm in ihrem Diensteifer auch noch die Observation des öffentlichen Tresorraumes. Sie verdächtigen Bosch der Korruption und glauben, er wolle hier ein dickes Ding drehen. Leider führt ihr Diensteifer sie direkt in die Arme der Einbrecher, die keinen Spaß verstehen.


Unterm Strich

Im Vergleich zu dem fulminanten „Schwarze Engel“ fällt „Schwarzes Echo“ ein wenig ab, was raffinierte Handlungsführung und Vielschichtigkeit der Handlung sowie Erzählstil angeht. Doch war es dort die Metapher von Engeln und Dämonen, so ist es in „Schwarzes Echo“ durchgehend das Motiv der Tunnel, Röhren und Gefängnisse, in denen sich die Figuren wiederfinden: meist ihrem Schicksal ausgeliefert (besonders Sharkey, der in einem Tunnel ermordet wird). Die Stadt der Engel ist auch eine Stadt der Tunnel, mit einer geheimen Unter-Welt, nicht viel anders als das finsterste Vietnam. Und selbst ein strahlender Engel wie Agentin Eleanor D. Wish kann hier nicht rein von Sünde sein.

Mir hat „Schwarzes Echo“ fast so gut gefallen wie „Schwarze Engel“. Und es kann sogar einen Pluspunkt vorweisen: die Comedy der zwei Dick & Doof-Typen von der Dienstaufsicht. Lewis & Clarke – man sollte eine TV-Serie mit ihnen machen, mit Dieter Bohlen als Moderator. Mal sehn, wer von beiden der Superstar wird.

Taschenbuch: 512 Seiten
Info: Black Echo, 1992
Aus dem US-Englischen übersetzt von Jörn Ingwersen
ISBN-13: 978-3453206908

www.heyne.de

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