Michael Moorcock – Zeitnomaden. Die Abenteuer Captain Oswald Bastables

Der Brite im Tempel des Todes

Dieser Sammelband umfasst die drei OSWALD-BASTABLE-Romane, in denen Moorcock in den Jahren 1971, 1974 und 1981 die Abenteuer des Captain Oswald Bastable auf alternativen Zeitströmen schilderte:

1. Warlord of the Air, Ace Books 1971, OCLC 14007905
Die Herren der Lüfte, König 1973, Übersetzer Walter Ernsting und Rosemarie Ott, ISBN 3-8082-0052-9
2. The Land Leviathan, Doubleday 1974, ISBN 0-385-01473-2
Der Landleviathan, Heyne 1982, Übersetzerin Sylvia Pukallus, ISBN 3-453-30827-1
3. The Steel-Tsar, Mayflower / Granada 1981, ISBN 0-583-13432-7
Der Stahlzar, Heyne 1984, Übersetzerin Sylvia Pukallus, ISBN 3-453-31086-1
The Nomad of Time, Granada 1984, (Sammelausgabe von 1–3)
Zeitnomaden. Heyne 1991, ISBN 3-453-05009-6
The Flight from Singapore (1979, Kurzgeschichte) (Quelle: Wikipedia.de)

In drei Geschichten besucht der Ich-Erzähler Captain Oswald Bastable, ein Viktorianer von altem Schrot und Korn, drei unterschiedliche Welten: Eine Welt, in der bis in die 1970er Jahre die Imperialmächte (lang lebe Kaiserin Victoria!) mit Luftschiffen und Kolonien die Welt beherrschen, zweitens eine durch Kriege zerstörte Welt und schließlich eine des Russischen Bürgerkriegs. Alle drei Romane sind wunderbar illustriert von Themistokles Kanellakis.

Der Autor

Der Brite Michael Moorcock, geboren 1939 in London, ist mit seinen diversen Fantasyzyklen um den Ewigen Helden (Elric, Corum, Hawkmoon und andere) zu einer zentralen Figur in der Phantastik seines Heimatlandes geworden. Er ist ein entschiedener Gegener von Autoren wie Tolkien und C.S. Lewis.

In den sechziger Jahren machte er sich mit seinem SF-Magazin „New Worlds“ zum Sprecher einer neuen Strömung innerhalb der SF, die Errungenschaften der modernen Hochliteratur verarbeitete – sehr zum Ärger der amerikanischen Traditionalisten. Mit manchen dieser Werke erregte er derart Anstoß, dass ihm Parlamentarier die Zuschüsse streichen wollten. Norman Spinrads „Champion Jack Barron“ gehört dazu, aber auch einer der Kurzromane von James Graham Ballard.

Moorcock selbst schrieb Popromane um seinen Helden Jerry Cornelius, aber auch durchschnittliches Fantasyfutter, das durch seine Verkäufe die anderen Romane finanzierte. In den letzten Jahren hat er mehrere Zyklen in umgeschriebener Form (etwa als Comicbook) zusammengefasst – darunter auch den Elric- und den Von-Bek-Zyklus – und sich dem Schreiben exzellenter Mainstream-Romane („Mother London“ und Fortsetzungen) zugewandt. In den diversen Biografien wird seine Mitwirkung an der Rockband „Hawkwind“ niemals vergessen. Seine Homepage ist sehr umfangreich und weist sogar ein Forum auf, über das sich seine Fans austauschen können. (Angaben ohne Gewähr)

Inhalte

Im Jahr 1902 leitet ein englischer Kolonialoffizier eine militärische „Befriedungs“-Expedition im nordindischen Grenzgebiet zu Nepal, Tibet und Bhutan. Dort leisten nämlich die fanatischen Bewohner der Klosterstadt Teku Benga den englischen Besatzern Indiens erbitterten Widerstand. Das kann man sich wohl wie in „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ vorstellen.

Captain Oswald Bastable lässt sich vom Abt des Klosters unvorsichtigerweise in die Tempelanlage locken, wo ihn denn auch prompt ein Hinterhalt erwartet. Als er wieder aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht, findet er sich zwar in den Ruinen der Tempelstadt wieder, stellt aber fest, dass inzwischen etliche Jahre vergangen sein müssen.

Kurz darauf rettet ihn ein Luftschiff des Königlich-Indischen Luftdienstes und bringt ihn in die Zivilisation zurück. Doch in welche Zivilisation!

Der Herr der Lüfte

Man schreibt das Jahr 1973. Bastable ist also in die Zukunft geraten, doch es ist die einer Parallelwelt: In Russland herrscht immer noch der Zar; das Britische Empire strahlt in alter Pracht wie eh und je; in Deutschland regiert immer noch (oder schon wieder) ein Kaiser; in Südafrika hat Mahatma Gandhi den Vielvölkerstaat Bantustan geschaffen; der Rest Afrikas wird von General Cicero Hood beherrscht, dessen Truppen in den USA den letzten Sklavenhalterstaat zerschlagen sollen; während in Russland sich ein ukrainischer Kriegsherr, der eine Eisenmaske und den Namen Dschugaschwili trägt, sich den Namen eines Despoten erwirbt. Nun muss man wissen, dass dieser „Stahlzar“ in unserer Welt unter dem Namen „Stalin“ berühmt-berüchtigt geworden ist.

Oswald Bastable begegnet also auf seinen Missionen einer Reihe von für den Verlauf der Weltgeschichte recht wichtigen Leuten. Das soll aber nicht bedeuten, dass er allzu viel aus seinen Abenteuern lernt. Er ist kein Parsifal auf der Queste nach dem heiligen Gral. Er macht nur seinen Job – der meist darin besteht, schlicht zu überleben.

Mein Eindruck

Die Struktur dieser drei eigenständigen Romane ist eher an den spanischen Picaro-Roman angelehnt, in dem ein „Held“ bzw. Anti-Held eine Reihe von Abenteuern erlebt, die in erster Linie dazu dienen, den Leser zu unterhalten. „Don Quixote“ ist ein später Ableger davon, die Parodie des traditionellen Ritterromans.

Bei Moorcock hat dieses Muster aber, wie man bei diesem Parodisten erwarten kann, etwas mehr Tiefgang. Im ersten Band stichelt er gegen imperialistische Unterdrückung, im zweiten gegen rassistische, im dritten gegen vermeintliche heilsbringer, die sich als blutrünstige Despoten entpuppen.

Es ist zwar ebenfalls unterhaltsam, was er erzählt, aber er zeigt die bekannten Weltbeweger wie Stalin und Gandhi in anderen Umständen: Hätten sie dann genauso gehandelt? Ein interessantes Gedankenspiel – kurzweilig und humorvoll-ironisch präsentiert obendrein. Wer solche Abenteuer mag, wird auch Moorcocks Jerry-Cornelius-Romane mögen.

Taschenbuch: 653 Seiten
Originaltitel: The Warlord of the Air (1971); The Land Leviathan (1974); The Steel Tsar (1981)
Aus dem Englischen von Sylvia Pukallus
ISBN-13: 9783453050099

www.heyne.de

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