Michelle Stern – Zeitriss (Perry Rhodan 2800)

Die Terraner starten eine Mission ins Ungewisse – doch ihr Flug führt in die Katastrophe

Auf der Erde schreibt man den Herbst 1517 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Menschen haben Teile der Milchstraße besiedelt, Tausende von Welten zählen sich zur Liga Freier Terraner. Man treibt Handel mit anderen Völkern der Milchstraße, es herrscht weitestgehend Frieden zwischen den Sternen.
Doch wirklich frei sind die Menschen nicht. Sie stehen – wie alle anderen Bewohner der Galaxis auch – unter der Herrschaft des Atopischen Tribunals. Die sogenannten Atopischen Richter behaupten, nur sie und ihre militärische Macht könnten den Frieden in der Milchstraße sichern.
Wollen Perry Rhodan und seine Gefährten gegen diese Macht vorgehen, müssen sie herausfinden, woher die Richter überhaupt kommen. Ihr Ursprung liegt in den Jenzeitigen Landen, in einer Region des Universums, über die bislang niemand etwas weiß.
In diesen mysteriösen Raum wollen die Terraner vorstoßen: Mit der RAS TSCHUBAI und einer wagemutigen Mannschaft bricht Perry Rhodan zu einem Flug ins Unbekannte auf. Doch dann geht alles schief – die Gefährten stürzen durch einen unheimlichen ZEITRISS … (Verlagsinfo)


Nachdem die ATLANC zuletzt in die Synchronie eindrang, versucht Michelle Stern, uns mit den ersten Sätzen des Jubiläumsbandes zu überraschen, in dem ein Namenloser durch eine Wüste stapft. Okay, so undeutbar ist die Szene für den Rhodan-Leser gar nicht. In der aktuellen Situation kommen als Figuren nur zwei in Frage: Rhodan oder Atlan – oder halt eine fremde Figur, die eingeführt werden soll. Das ist im Zusammenhang mit dem Vorgängerband allerdings unwahrscheinlich, und tatsächlich erinnert sich der Namenlose bald an seinen Namen und sein Vorhaben. Perry Rhodan sucht Kontakt zum ANC der ehemaligen CHUVANC. Diese Szenerie soll als interessanter Einstieg in den Roman dienen und offenbar alle Leser (neue und alte) abholen.

Schnell ist die Szene abgehandelt, die Wahrnehmungen und Handlungsorte werden mit der vorherigen Handlung vereinbarer, und leider schildert Stern die gleiche Szene im chronologischen Ablauf erneut, so dass schon am Anfang ein befremdliches Gefühl entsteht.

Ihr Vorhaben und der Anspruch eines Jubelbandes, auch potenzielle Neuleser ansprechen zu wollen, führt natürlich zu Wiederholungen aus der Rhodan-Geschichte und Neuvorstellungen der wichtigsten Figuren – was Stern zum Glück recht knapp und gar nicht weit entfernt der typischen Serienwiederholungen gestaltet.

Was erwartet der Leser der letzten Bände von diesem Eintauchen in die Synchronie? Als Durchgang in die Jenzeitigen Lande, nur pilotierbar durch jemanden, der bereits »jenseits der Materiequellen« war, hab ich einen zeitlosen Sprung erwartet. Nur für Atlan sollte der Flug eine Bedeutung haben – jedoch scheinen sich an Bord der Raumschiffe zunächst normale Verhältnisse zu befinden. Stern zieht die Dauer des Durchtritts in die Länge und versucht, eine unwirkliche Stimmung zu erzeugen mit kruden Details, die eigentlich nur zum Überfliegen reizen und keine Spannung entstehen lassen. Dadurch breitet sie natürlich die Situation vor dem Neuleser aus, schwebt aber in der Gefahr, den Altleser zu langweilen.

Interessant in diesem Abschnitt, der mit einer unvorhergesehenen Flucht der Laren in eine lange vergangene Zeit endet, ist die Beeinflussung Atlans durch eben jene Waffe, die ursprünglich das Richterschiff in ihre Hände brachte. Wenn das bei der Rückkehr der Helden in die Gegenwart keine Auswirkungen für den skrupellosen Ara Zheobitt hat, ist Rhodan nicht mehr Rhodan.

Ein weiteres Detail, das hier sein Ende findet, ist Guckys Entwicklung: Der Ilt, der im letzten Zyklus seine Fähigkeiten verlor und sich gerade in den letzten Bänden mit seinen neuen Gaben abzufinden und anzufreunden begann, wird zurückgepolt und nunmehr wieder weitgehend der alte sein, möglicherweise mit Resten der neuen Fähigkeiten, wenn das nötig oder praktisch erscheint. Alles auf Null, sozusagen. Warum er dann die ganze Entwicklung durchmachen musste, erschließt sich mir nicht. Möglicherweise hatte man endlich doch Angst vor der eigenen Courage, als man diese Figur so grundlegend umkrempelte.

Stilistisch liefert Stern kein Meisterwerk ab. Während die Geschichte im zweiten Abschnitt etwas Fahrt aufnimmt und sich selbst trägt, fällt auf, dass es keinen Fokus gibt. Je nach Situation und Nutzen springt der allwissende Erzähler von hier nach dort, kein Gedanke ist vor ihm sicher – und damit auch jegliche Spannung. Die Figuren können so nicht richtig profiliert werden, hier wäre die Konzentration auf weniger sehr hilfreich gewesen. Stern versucht statt dessen, alles auf einmal zu erledigen und jeder Seite gerecht zu werden; so bemüht sie sich beispielsweise mit Rückblicken in Sichu Dorksteigers Vergangenheit um eine Charakterisierung. Das ebbt aber auch schnell wieder ab, und am Ende erinnert man sich eigentlich nicht mehr daran.

Eine Schwäche der Serie wird auch in diesem Roman deutlich: Der Anspruch, alle pseudowissenschaftlichen Details auch kundzutun. Technobabbel nennt man das in Insiderkreisen. Und das kann manchmal auch ganz interessant sein, wenn die Geschichte es hergibt. Hier ist das leider nicht der Fall, zumindest ist es für mich nicht vorstellbar, dass man in Zeitnot, wenn es um schnelle Entscheidungen geht, erst noch eine Konferenz über technische Details, Funktionsweisen und Neuentwicklungen abhält. So etwas kann man locker in die Handlung integrieren, aber als eigenes Briefing wirkt es wie Copy&Paste aus Datenblättern. Möglicherweise mag das jemand.

Vor dem Hintergrund der jahrtausendealten Geschichte unserer Helden stellt sich immer wieder die Frage, warum sie in beinahe jedem Zyklus auf technisch überlegene Gegner treffen. Spannende Geschichten jedenfalls kann man auch auf ausgeglichenem oder andersrum polarisiertem technischen Niveau erzählen, und gerade in diesem Setting durch die verringerte Hyperimpedanz könnten die Terraner auchmal haushoch überlegen sein. Aber nein, sie sind es nicht. Und doch finden sie einen Weg zur Flucht, nachdem man sie einfach und ohne Anstrengung einkerkern konnte. Ja, ihr Fluchtversuch wurde kaum nennenswert behindert, was sich am nahenden Romanende erklären könnte. Nicht einmal Schirmfelder werden ihnen in den Weg gestellt.

Die Geschichte an sich ist im Ansatz interessant und entwirft eine typische Abenteuergeschichte, wie sie der Serie entspricht. Da können durchaus einige unterhaltsame Stunden zusammen kommen, und auch der vorliegende Roman war großstreckig unterhaltsam – wenn auch mit einigen Längen gerade im ersten Abschnitt.

Kleinigkeiten häufen sich leider, wobei teilweise nicht zuordenbar ist, ob es sich um Exposéevorgaben oder Einfälle der Autorin handelt. So kehrt Rhodans Schiff gegen Ende nochmal zur Grenze der Synchronie zurück. Dabei zaudern die Verantwortlichen erneut, nachdem die Entscheidung zu diesem Thema schon ziemlich früh gefallen war, als man sich zur Verfolgung der Laren aufmachte. Ach ja, die Laren: Wie haben sie es geschafft, sich auf die Synchronie vorzubereiten? Waren sie etwa auch schon hinter den Materiequellen oder wie konnten sie Atlan zu einem anderen, präzise vorbereiteten Kurs zwingen? Was hatten sie überhaupt für Werte, die sie Zheobitt für die Optags anbieten konnten? Und woher wollten sie die genauen Hyperimpedanzwerte haben, die ihnen die rasche Flucht ermöglichten? Man nehme es hin.

Renier Baaken liest diesen Roman in gewohnt routinierter Form. An seiner Leistung gibt es nur eine Kleinigkeit auszusetzen: Rhodan und Atlan, die beiden stets als überlegen und selbstsicher geschilderten Hauptpersonen, dürften keine sprachlichen Unsicherheiten erkennen lassen, wie sie Baaken gerne produziert, um die Dialoge zu beleben. An diesen Stellen schießt er etwas über das Ziel hinaus.

Insgesamt ist der Roman etwas zu lang ausgewalzt für meinen Geschmack, und es häufen sich die kleinen Kleinigkeiten, die bei der Lektüre ins Auge fallen. Die größten Probleme ergeben sich aus dem Exposée, dem wechselhaften Stil und den Charakterisierungen, die ohne Eigenständigkeit bleiben. Die Handlung ist anfangs etwas zäh und irrelevant, steigert sich aber zu guter Unterhaltung und breitet den Schauplatz der kommenden Geschichten aus. Möge Atlan eine eigene Handlungsebene erhalten, und möge die Vergangenheits-Schnitzeljagd nur ein kurzes Intermezzo sein und nicht die Grundlage für den Zyklus.

Gelesen von Renier Baaken
Länge: 6 Stunden 23 Minuten
Format: MP3 – 192 kb/s (Multitrack/Onetrack)
Tracks: 73
Erscheinungsdatum: 16.04.2015
Copyright: Eins A Medien GmbH, Köln; © Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

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