Morgan, Fidelis – Rival Queens, The

Meine neueste Entdeckung heißt Fidelis Morgan. Über ihren ersten historischen Kriminalroman [„Unnatural Fire“ 1006 habe ich bereits berichtet. Dieses Mal soll es um die Fortsetzung „The Rival Queens“ gehen.

_Theater, Theater …_

London, 1699: Die Hauptfiguren Countess Anastasia Ashby de la Zouche, ihre Helferin Alpiew sowie den grummeligen Diener Godfrey kennen wir bereits aus dem ersten Band. Wer diesen nicht gelesen hat: Die drei stehen ständig kurz vorm Schuldturm, wohnen zu dritt in der Küche eines ehemals vornehmen, jetzt aber fast nur noch von Tauben bewohnten Stadthauses. Und ähnlich heruntergekommen wie ihre Residenz sind auch die drei ungewöhnlichen Protagonisten. Die Countess ist eine alte Schachtel, ein gutes Stück jenseits der Sechzig, der ständig die Perücke vom Kopf rutscht und das Make-up vom Gesicht bröselt. Alpiew ist im mittleren Alter und mit einem prächtigen Vorbau ausgestattet. Godfrey ist der Älteste, mit gebücktem Greisengang, zahnlos und zudem noch ein puritanischer Kostverächter, der trotz seiner untergebenen Stellung immer etwas zum Meckern findet – besonders an den beiden Frauen.

Dieses Mal also stolpern Alpiew und die Countess über den Mord an einer Schauspielerin. Verdächtige bieten sich zuhauf an, der schmierige Kollege, die rivalisierende Schauspielerin Rebecca Montagu, mit der sich die Ermordete häufig öffentlich gestritten hat, der geldgierige Theatermanager Mr. Rich, ein Lebkuchenverkäufer und der Anführer einer adligen Bande von Taugenichtsen sind da nur die wichtigsten, die zu nennen wären. Unsere beiden Hobby-Detektivinnen werden von der Bühnen-Rivalin Rebecca Montagu angeheuert, den Mord zu lösen. Und wenn sie nicht (schon wieder) im Schuldturm landen wollen, müssen sie den Auftrag auch annehmen – allerdings scheint ihnen Rebecca selbst die wahrscheinlichste Täterin zu sein. Und wie kommt eigentlich eine Schauspielerin an derartige finanzielle Rücklagen, dass sie sich eine ganze Kiste Gunpowder-Tee leisten kann? Doch dann kommt es zu einem zweiten Mord. Und langsam erahnen die Countess und Alpiew, dass in der Welt des Theaters das offensichtlich Erscheinende nicht immer der Wahrheit entsprechen muss und ein Blick hinter die Kulissen und Masken eine ganz andere Wahrheit zu Tage fördern kann.

_Barock unplugged_

Dieses Buch ist alles andere als gewöhnlich. Vergeblich sucht der Leser hier die hübsche, jugendliche Hobbydetektivin. Stattdessen finden wir eine alte Dame und ihre auch nicht mehr ganz taufrische Gefährtin sowie einen Diener, der auf bemalte Holzzähne zurückgreifen muss. Vergeblich sucht man auch die fast unvermeidlich gewordene Liebesgeschichte und findet stattdessen einen fesselnden historischen Krimi mit Schmunzeleffekten, was ich für eine sehr angenehme Abwechslung halte. Auch die Nebenfiguren – von der temperamentvollen, fußstampfenden Schauspielerin bis zum stotternden und etwas trotteligen Gefängniswärter – sind allesamt voller Detailfreude gezeichnet, dabei aber doch in Zeit und Plot eingepasst und insgesamt sehr glaubhaft.

Die Autorin Fidelis Morgan ist selbst eine in Großbritannien gefeierte Schauspielerin und hat darüberhinaus einige Sachbücher zur Geschichte des Theaters besonders in der Zeit der Reformation veröffentlicht. Sie hat einen Abschluss in „Drama and Theatre Arts“ von der Birmingham University. Dort hat auch ihr Interesse an der Restaurationsperiode und insbesondere ihrer Theaterkultur seinen Ursprung genommen. Heute ist Fidelis Morgan eine erfolgreiche Schauspielerin. Obwohl sie auch in britischen Fernsehproduktionen wie u. a. „Jeeves & Wooster“, „Big Women“, „Mr. Majeika“, „As Time Goes by“ und „Dead Gorgeous“ aufgetreten ist, liegt ihr Erfolg doch hauptsächlich am Theater. Besonders gerühmt wurde ihre Arbeit am Glasgow Citizens Theater. Neben der Schauspielerei hat sie auch an der Adaption von Romanen für die Bühne mitgearbeitet. Bevor sie begann, historische Romane zu schreiben, hatte sie bereits fachliche Abhandlungen über Theater und Schauspieler der Geschichte, insbesondere der Restaurations-Periode veröffentlicht.
[„Unnatural Fire“ 1006 war Fidelis Morgan erster Roman und zugleich ist er der erste Band einer Serie von vier historischen Kriminalromanen um die beiden eher ungewöhnlichen Detektivinnen. Nach dem hier behandelten zweiten Band „The Rival Queens“ sind also noch zwei weitere Bände der Serie erschienen.

Ihr Fachwissen bringt Fidelis Morgan in dieses Buch ausgezeichnet ein und schafft es so, einen lebendig und dreidimensional erscheinenden historischen Hintergrund zu zeichnen, ohne jemals langweilig oder gar schulmeisterhaft zu klingen. Ganz im Gegenteil, auch in diesem Buch behält sie ihre Eigenart bei, historische Persönlichkeiten von ihrem hohen Ross zu heben. Letztes Mal hatten wir Isaac Newton als etwas wirren Nachbarn der Countess, dieses Mal ist der heute insbesondere noch durch seine mehrfach veröffentlichten Tagebücher bekannte Samuel Pepys an der Reihe, der kurzerhand zum Wohle der Auflösung der Geschichte mit der Countess bekannt ist. Doch der ehrwürdige Pepys erscheint in einem ganz neuen Licht, nämlich als ältlicher Spinner, dessen einzige Konversationsthemen Sex und Schiffe sind und der unserer Heldin Alpiew penetrant an die Wäsche will.

Auch London, Schauplatz unserer Geschichte, erscheint mir historisch glaubhaft und dabei sehr eindringlich geschildert, wobei die Autorin sehr gut den Unterschied zwischen den ärmeren Vierteln und den Wohngegenden der besser situierten Reichen und Adligen herausgearbeitet hat. So folgen wir den Protagonisten an die unterschiedlichsten Schauplätze, vom Londoner Tower über einen barocken Sexshop bis hinter die Kulissen der Theater.

Der kriminalistische Teil der Geschichte ist eher noch spannender als im ersten Band. Die Spannung setzt eigentlich sofort ein und hält über das gesamte Buch hinweg an. Und wenn es mir auch gelungen ist, einzelne Teile des gesamten Puzzles vor den beiden älteren Damen zu lösen, so erlebt der Plot dann doch einige überraschende Wendungen, doch nicht so übertrieben, dass ich mich von der Autorin hinters Licht geführt fühle.

Die Sprache ist üppig, von ein paar Kraftausdrücken durchsetzt und dem barocken Zeitalter hervorragend angepasst; dadurch fügt sie sich nahtlos in das Gesamterscheinungsbild ein. Dennoch ist sie durch ihre stärkere historische Prägung nichts für Anfänger im Lesen englischer Originale, und die eine oder andere Redewendung, die selbst dem durchschnittlichen englischen Muttersprachler nicht vertraut sein wird, muss in Kauf genommen werden. Die Bedeutung lässt sich stets auch ohne spezielle Wörterbücher aus dem Kontext entnehmen.

Ganz ohne Frage: Die Countess und Alpiew haben sich mit ihrem zweiten Fall endgültig einen Stammplatz in meinen Bücherregalen erarbeitet. Ihre Bücher sind Fans ungewöhnlicher historischer Kriminalromane uneingeschränkt zu empfehlen und mein abschließendes Urteil lautet: „Encore!“