Mulisch, Harry / Striegele. Valerie / Saher, Vibeke von – Die Entdeckung des Himmels Hörspiel)

Spielbälle des göttlichen Plans

Onno und Max sind alte Freunde – bis sie sich beide in Ada verlieben. Was sie nicht ahnen: Ihre Dreiecksgeschichte ist nur Spielball eines göttlichen Plans. Denn Gott will seinen Vertrag mit der missratenen Menschheit lösen und die mosaischen Gesetzestafeln zurückhaben. Doch die Liebenden durchschauen nach und nach das göttliche Vorhaben und versuchen, den Plan zu durchkreuzen.

Der Autor

Harry Mulisch wurde am 29. Juli 1927 in Haarlem (NL) als Sohn eines Ex-Offiziers aus Österreich-Ungarn, welcher im 2. Weltkrieg mit den deutschen Besatzern kollaborierte, und einer Jüdin aus Frankfurt/Main geboren. Die Teilnahme am Eichmann-Prozess (ca. 1961) verarbeitete Mulisch in der Reportage „Strafsache 40/61“, die 1963 mit dem Vijverberg-Prijs ausgezeichnet wurde.

Spätestens mit seinem in 16 Sprachen übersetzten politischen Roman „Das Attentat“ wurde er weltberühmt, die Verfilmung mit einem Oscar ausgezeichnet. Sein Bestseller „Die Entdeckung des Himmels“ wurde 2001 unter der Regie von Jeroen Krabbé mit Stephen Fry verfilmt und 2007 zum besten niederländischen Buch aller Zeiten gewählt. Mulisch lebt in Amsterdam.

Die Sprecher / Die Inszenierung

Die Rollen und ihre Sprecher

Engel: Udo Samel
Cherub: Jochen Striebeck
Onno Quist: Christian Baumann
Max Delius: Jaques Breuer
Ada Brons: Lisa Wagner
Helga Hartmann / Krankenschwester: Susanne Schröder
Sophia Brons: Beate Himmelstoß
Quinten als Kind: Louis Merki
Quinten als junger Mann: Paul Herwig
Theo Kern / Parteiführer: Thomas M. Meinhardt
Onnos Bruder / Piet Keller / Arzt: Markus H. Eberhard
Onnos Mutter / Frau am Telefon: Franziska Bronnen

Der Roman wurde von Valerie Striegele zum Hörspiel umgearbeitet. Regie führte Vibeke von Saher, die Musik trugt Henny Vrienten bei, die Technik steuerten Monika Volger und Jochen Scheffer von den Down Town Studios, München.

Der Schauspieler Udo Samel war 15 Jahre lang Ensemblemitglied der alten Berliner Schaubühne und spielte unter einer Reihe von bekannten Regisseuren. Er wurde mehrfach ausgezeichnet, darunter mit dem Adolf-Grimme-Preis und dem Europäischen Filmpreis. Zurzeit ist er in Wien am Burgtheater engagiert.

Jochen Striebeck war lange Jahre am Bayerischen Staatsschauspiel in München engagiert, bevor er 1973 zum Ensemble der Münchner Kammerspiele wechselte, dem er immer noch angehört. Er spielte in zahlreichen Filmen und Fernsehspielen und wirkte in etlichen Hörspielproduktionen mit. Striebeck ist die Synchronstimme von Donald Sutherland und Philippe Noiret.

Christian Baumann wirkte in zahlreichen Hörspielen mit, u. a. in „War of the Worlds“ von Orson Welles. Seit 1996 ist er auf der Bühne zu sehen, u. a. in Tom Waits‘ Musical „The Black Rider“. Zuletzt spielte Baumann in dem Kinofilm „Bis zum letzten Mann“ unter der Regie von Carl Schenkel.

Jaques Breuer war von 1977 bis 1979 Ensemblemitglied des Bayerischen Staatsschauspiels, seitdem ist er freischaffend tätig. Als Fernsehdarsteller kennt man ihn aus Serien wie „Derrick“, „Ein Fall für zwei“ oder den „Tatort“-Produktionen. Als Synchronsprecher lieh er seine Stimme Viggo Mortensens Aragorn sowie Robert Carlyle in dessen Hitler-Biopic „Hitler – Der Aufstieg des Bösen“.

Beate Himmelstoß studierte Philosophie und Theaterwissenschaft in München und absolvierte eine private Schauspielausbildung. Seit 1987 arbeitet sie als Sprecherin beim Bayerischen Rundfunk. Für den |Hörverlag| las sie eine Reihe von Hörbüchern, darunter „Die Totenleserin“ von Ariana Franklin.

Handlung

Gott hat die Nase voll. Die missratene Menschheit kümmert sich nicht mehr um seine Gebote. Er beauftragt seinen Oberengel Cherubin, die Gesetzestafeln, die er seinerzeit einem gewissen Moses übergeben hat, zurückzuholen. Herr Cherubin denkt nicht daran, sich selbst die Finger mit irdischen Angelegenheiten schmutzig zu machen, sondern schickt seinerseits Engel Nr. 1 los, um die Sache zu erledigen. Nach einer Weile von Erdenjahren kehrt Engel Nr. 1 zurück, um seinem Chef Bericht zu erstatten. Aber wieso hat er die Gesetzestafeln nicht dabei?

Gemach, gemach, beschwichtigt der Engel und erzählt. Er musste die Sache von langer Hand einfädeln, damit es nicht so aussieht, als würde ein himmlisches Wesen persönlich eingreifen. Das hätten die Menschen dem Himmel wahrscheinlich übelgenommen – man kennt sie ja, das undankbare Pack. Also hat er vor 70 Erdenjahren einen Plan in Gang gesetzt, damit es so aussieht, als wäre die Rückgabe ihre eigene Idee …

Auf Erden

Im Hause der Familie Quist wird gerade das Geburtstagsfest für den Sippenchef, den früheren Minister Henrikus Quist, gefeiert. Es ist der 13. Februar 1967. Da fällt der Strom aus, denn Engel Nr. 1 hat einen Kurzschluss verursacht. Onno Quist, Henriks Sohn, 34, flachst etwas vom Ende der Welt und bringt einen Toast auf Che Guevara aus. Als er um 1:30 Uhr das Haus verlässt, um nach Hause zu gehen, lässt er sich per Anhalter von Max Delius mitnehmen, der gerade von einem seiner vielen Damenrendezvous kommt.

Max kennt Onno aus der Zeitung, denn der habe ja einen Ehrendoktor für die Entzifferung der etruskischen Schrift erhalten. Max selbst ist Astronom. Sie fahren zusammen nach Amsterdam, doch sie verstehen sich auf Anhieb so gut, dass sie noch eine ganze Weile zwischen ihren Wohnungen hin und her spazieren. Max erzählt, dass sein eigener Vater als Nazi-Kollaborateur seine jüdische Mutter ins KZ Auschwitz gebracht hat, wo sie umkam. Das kann er ihm nie verzeihen. Max selbst ist bei Katholiken aufgewachsen, als „Halbjude“, wie ihn die Nazi bezeichnet hätten.

Von nun an sind die beiden Freunde unzertrennlich, und zwar so sehr, dass es den Verdacht erregt, sie könnten schwul sein. Onnos Freundin Helga Hartmann macht Schluss mit ihm. Aber als beide die 21-jährige Ada Brons kennenlernen, weil sie schön Cello spielt, ist es Max, mit dem sie zuerst ins Bett geht. Onno redet mit ihr wie ein Schwiegervater, sehr taktvoll und vorsichtig. Eines Abends ist es jedoch das gleiche Lied wie bei Helga. Sobald Onno an der Tür klingelt, ist Max nicht mehr für seine Geliebte zu sprechen. Obendrein rät er ihr auch noch zum Abschied: „Mach’s dir selbst!“ Für die ziemlich ernüchterte Ada ist damit der Ofen aus.

Während Max auf Erinnerungstour in Auschwitz weilt, treffen sich Onno und Ada im Café. Onno erklärt ihr die Sache mit Max‘ Eltern, erzählt dann alles von sich selbst, bis er und Ada sich ziemlich nahekommen. (Der Engel ist entzückt. Alles läuft nach Plan!) Als Max zurückkehrt, gibt er dem frischverliebten Paar großzügig seinen Segen, scherzhaft bezeichnet er es als Rückvergütung für den Verlust von Helga Hartmann.

Zusammen fahren alle nach Havanna, wo Ada auf einem Konzert spielt. In einem sehr romantischen Moment am Meer verführt Max seine frühere Geliebte und schläft mit ihr unter dem Sternenhimmel der Karibik. Hinterher schläft sie nochmal mit Onno. Als sie nach wenigen Wochen merkt, dass sie schwanger ist, weiß sie nicht, wer von beiden der Kindsvater ist. Sie weigert sich, Max‘ Drängen nachzugeben und abzutreiben. Dieses Baby sei für sie ein Lichtblick, sagt sie und heiratet Onno.

Schicksalsschläge

Doch das Schicksal bzw. der Engel Nr. 1 schlägt mal wieder gnadenlos zu. In einer stürmischen Regennacht wollen die beiden Freunde die hochschwangere Ada ins Krankenhaus fahren, weil ihr Vater einen Herzinfarkt erlitten hat. Als sie wegen eines Hindernisses anhalten und aussteigen müssen, bleibt Ada natürlich im Auto sitzen. Ein, nein, zwei Bäume fallen auf das Auto und begraben Blech und Frau unter sich! Ada wird bewusstlos ins Krankenhaus eingeliefert. Doch als sie zwei Monate lang nicht aus dem Koma nicht mehr erwacht, beschließen die Ärzte am 30. Mai, das Kind zu holen. Es ist ein Junge mit strahlend blauen Augen und schimmernder Haut. Die Krankenschwester nennt ihn sofort „engelhaft“, und damit liegt sie genau richtig. Onno tauft ihn auf den Namen Quinten Quist, aber Adas Mutter Sofia nennt ihn immer nur QQ, als würde sie ihn wie ein Kuckuck rufen …

Quinten wächst in Ermangelung einer Mutter, die sich um ihn kümmern könnte, bei Max und Sofia auf, die inzwischen heimlich ein Liebespaar geworden sind. Max sieht gleich, dass Quinten von ihm ist. Der Junge wird ein schönes Kind, doch warum sagt er nie ein Wort? Erst auf einem Spaziergang mit seinem „Vater“ Onno sagt er sein erstes Wort: „Obelisk“. Er hat Obelisken in den Bildbänden des Nachbarn gesehen, bei Architekturprofessor Kern. Und der zweite Nachbar, Schlosser Pieter Keller, hat ihm alles beigebracht, was man über das Öffnen von Schlössern wissen muss.

Die Mission

Quinten hat immer denselben Traum: ein Weltgebäude mit endlosen Korridoren, Säulengängen, Hallen, als wäre es von Piranesi entworfen. Die Traumreise führt stets zu einem Portal, das verschlossen ist. Hier liegt die Mitte der Welt. Doch wo liegt dieser Ort in seiner eigenen Welt? Erst als Quinten als erwachsener junger Mann 1985 nach Rom kommt und seinen Vater Onno wiedersieht, entdeckt er diesen Ort. Und dreimal darf man raten, was hinter dem Portal mit den vielen Schlössern auf ihn wartet …

Mein Eindruck

Was ist von einer Geschichte zu halten, in der volkstümlich vorgestellte himmlische Mächte tatkräftig in die Schicksale der Menschen eingreifen? Ist dies eine Art „Göttlicher Komödie“, die die Sterblichen vor allen möglichen Sünden warnen und sie zugleich zum Streben nach sündenfreiem Leben anhalten soll? Nichts von alledem, denn die Stärken des Buches liegen ganz woanders, und erst nach einigem Nachdenken kommt man darauf, was der Autor mit dieser fabulösen Geschichte im Sinn gehabt haben mag.

Nach Bethlehem?

Da wird also einem Paar Menschen ein Sohn himmlischen Ursprungs geschenkt. Allein schon die Umstände seiner Zeugung sind, wie es sich für Halbgötter gehört, recht ungewöhnlich. Und erst recht seine Geburt: Quinten wird seiner komatösen Mutter Ada aus dem Leib geschnitten. Deren Mutter ahnt bereits, um was es sich bei dem Kind handelt, vielleicht aus „weiblicher Intuition“ heraus: Sie nennt Quinten Quist neckisch QQ, nach seinen Initialen, aber auch „Kuckuck“, denn er erscheint ihr wie ein ins Nest gelegter fremder Vogel.

Wie Parzival ahnt Jung-Quinten nichts von seiner Bestimmung, doch anders als der Gralsritter begeht er nicht lauter tumbe Torheiten, sondern zeigt sich im Gegenteil sehr verständig. Wie Dr. Faust folgt er im Goetheschen Sinn seinem „dunklen Drange“ und strebt nach Obelisken und anderen architektonischen Besonderheiten. Er wurde von Engeln programmiert und muss so lange suchen, bis er das eingegebene Ziel findet. Freier Wille? Vergiss es! Endlich stößt er in Rom darauf, genauer gesagt im Lateran und einer seiner Kapellen.

Willensfreiheit

Doch was für den Himmel und seine Bürokratie – der Engel ist einem Cherubin untergeordnet und dieser wiederum einer höheren Ebene – Recht ist, das muss für die Menschlein hienieden noch längst nicht förderlich sein. Was wird denn passieren, wenn die mosaischen Gesetzestafeln bzw. die zehn Gebote wieder an ihren himmlischen Herkunftsort zurückgekehrt sind? Der Engel deutet es am Schluss an: Die Herrschaft Satans bricht an, denn nun haben die Menschen ja keinen Leitfaden für „gutes“ Verhalten mehr.

Ist also dieser ferngesteuerte Quinten Quist ein Agent des Guten, wie er den meisten, die ihn sehen, erscheint, oder doch vielmehr ein Agent des Bösen, denn er läutet mit seiner Tat ja das Zeitalter Satans ein? Tja, endlich sind die Menschen völlig frei in ihrer Wahl, und selbst moralische Instanzen wie die katholische Kirche und alle nebengeordneten religiösen Institutionen der Christenheit können sich nicht mehr auf göttliche Gebote berufen. Müssten also alle Christen zum Islam oder Buddhismus übertreten?

Kodex

Der Autor macht nur wenige Andeutungen, wie es weitergehen soll. Er lässt lediglich den nunmehr in den verdienten Ruhestand geschickten Engel (als ob Engel altern könnten) so etwas wie eine Rebellion anzetteln. Natürlich muss er bei den Menschen anfangen, nicht bei den Engeln. Denn da die Engel nicht mehr eingreifen müssen, um die Gesetzestafeln zurückzuholen, haben die Menschen vollständige Willensfreiheit erlangt. Allein auf sich gestellt, müssen sie zwischen Gut und Böse wählen. Da sie keinen Leitfaden haben, müssen sie ihren Kodex erarbeiten. Es gibt viel zu tun, packen’s wir’s an.

Teleologie

Der Engel hat bei seiner ersten Mission ziemlich drastische Mittel eingesetzt. Er ließ gleich zwei Bäume auf das Auto krachen, in dem Ada saß – doppelt genäht hält eben besser. Er lässt Onnos Frau Helga sterben und seine Karriere scheitern, damit dieser verzweifelt nach Rom ins Exil geht. Dort trifft er Jahre später seinen Sohn wieder, um ihm bei seiner Suche nach den Tafeln zu helfen. Diese Sichtweise der Abläufe wird als „teleologisch“ bezeichnet – „vom Ziel (telos) her gedacht“. Es ist nicht die Denkweise, der wir uns täglich befleißigen, halten wir doch das meiste Geschehen für ein Zusammenspiel aus Ursache und Wirkung, das mitunter jeder vernünftigen Begründung unzugänglich ist oder jedes Sinns entbehrt, so etwa eine Naturkatastrophe.

Glaube

Gläubige Christen wie etwa Nonnen oder Mönche denken nicht so, sondern erklären alles mit dem Willen und Wirken eines umfassenden und allmächtigen Gottes. Ob dieser allerdings gütig ist, steht auf einem anderen Blatt. Was wäre der Mensch, den Willen und die Absichten eines Gottes zu erklären oder gar zu hinterfragen? Die Figuren in dem Roman tun dies jedenfalls zu keiner Zeit, sie wissen nicht einmal von Gott (mit einer Ausnahme: QQ).

Deshalb treffen Schicksalsschläge wie auch Wunder sie in gleicher Weise in ihrer Psyche. Als Onno in einem Café eine alte Dame mit sehr blauen Augen bemerkt und sieht, dass sie eine KZ-Nummer eintätowiert hat, muss er sofort an die Mutter seines Freundes Max denken, die angeblich in Auschwitz starb. Die Wirkung auf Onno ist eine durchschlagende Epiphanie: Er erkennt, wessen Kind „sein“ Sohn Quinten tatsächlich ist, nämlich das von Max. Onno hinterfragt die Wahrheit und seine eigene Erkenntnisfähigkeit. Vielleicht ist dies die erste Voraussetzung für die „Entdeckung des Himmels“.

Der Himmel hienieden

Der Autor will uns vor Augen führen, wie sehr sich doch die Erscheinungen der von uns wahrgenommenen Realität auch auf völlig andere Weise deuten ließen. Man könnte meinen, er führe mit sanftem, abgeklärtem Humor eine „göttliche Komödie“ auf, doch tatsächlich geschehen recht schreckliche Dinge. Der Bodycount ist ziemlich hoch, wenn man mal nachzählt. Von einem Meteoriten erschlagen zu werden, wie es Max widerfährt, dürfte nicht gerade zu den natürlichen Todesarten zahlen. Brachiale Methoden wie diese dienen stets einem Zweck – diesmal der Verschleierung der Entdeckung des Himmels. Und solche Mittel offenbaren stets die Verachtung der Mächtigen für die allzu Neugierigen, aber auch ihre Angst vor ihnen.

Man könnte sagen, die da oben sind auch nicht besser als wir hier unten. Was macht es also schon aus, wenn die Gesetzestafeln weg sind? Es macht überhaupt keinen Unterschied. Der Himmel befindet sich eigentlich auf der Erde, unter den Menschen. Es kommt lediglich darauf an, ihn in den Augen des Mitmenschen zu entdecken und festzuhalten.

Die Inszenierung

Die Sprecher

Ich fand die Stimmen der Darsteller durchweg sehr passend und nie deplatziert oder übertrieben. Wenn dies eine Verfilmung wäre, so bestünde die Besetzung aus optimal geeigneten Schauspielern. Und mit Udo Samel & Co. hat man ja schon eine gute Riege beisammen. Ich wüsste beim besten Willen nicht, was man hier anders machen sollte.

Geräusche

Die Geräuschkulisse ist schon recht ausgefeilt, überdeckt aber nie den Dialog, sondern dient nur zur akustischen Untermalung, ähnlich wie die Musik. Wir hören also viele Naturgeräusche wie etwa Wellenrauschen oder fallenden Regen und Donner, aber auch Maschinengeräusche wie etwa den Motor eines Autos oder quietschende Reifen. Zu den Maschinen gehört leider auch eine Herzlungenmaschine im Krankenhaus, die Ada am Leben erhält. Ein EKG-Messgerät fiept regelmäßig. Einmal ist sogar Explosionsdonner zu hören, als der Meteorit Max erschlägt.

Zum Glück sind auch vielerlei menschliche Laute zu hören, so etwa Babygeschrei, Lachen, Schnaufen beim Sex und sogar Küsse. Nur selten wird ein Filter eingesetzt, nämlich dann, als Onno eine Rede hält, und ein Halleffekt, als in Rom ein Rabe gen Himmel fliegt.

Musik

Die Musik bildet eine recht dezente Untermalung, um die emotionale Wirkung einer Szene zu steuern. Vielfach ist das romantische Motiv zu hören, das auf einer akustischen Gitarre gespielt wird. Ada spielt selbstverständlich, wie im Text gesagt, virtuos Cello. Das Cellomotiv wird später aber ohne Ada wiederholt. Immer wenn es romantisch wird, findet also die Tonregie eine Möglichkeit, Musik einzubauen. Seltsam mutet dann aber der Schluss an, wenn die Hintergrundmusik nach der Absage aller Mitwirkenden in tiefste Bässe absinkt. Na ja, wenn Satan die Weltherrschaft antritt, kann man wohl schlecht die Engelschöre jauchzen lassen.

Unterm Strich

Ohne Zweifel ist „Die Entdeckung des Himmels“ eine schöne und anrührende Geschichte mit glaubwürdigen Figuren und ihrem faszinierenden Schicksal. Es bleibt dem Leser bzw. Hörer überlassen, was er von der Einmischung des Engels in die Belange der Menschen hält. Ähnlich einer antiken oder biblischen Geschichte über die Einmischung eines Gottes sehen wir die Menschen einem unwahrscheinlichen Schicksal ausgesetzt. Man fragt sich, ob Ada dieses Schicksal, das von oben „Geschickte“, verdient hat und ob dies nicht empörend ist. Aber für den Autor ist diese Frage nicht relevant.

Das traurige Schicksal Adas wird im größeren Zusammenhang der Dinge durch Quintens Tat wieder aufgewogen, der ja nichts weniger als ein Wunder vollbringt. Die Folgen dieser Tat wiederum sind noch nicht abzusehen, aber sie haben viel mit Freiheit und Selbstverantwortung zu tun. Vielleicht geht es dem Autor letzten Endes darum, darüber spekulieren zu dürfen, was geschähe, wenn es die zehn Gebote nicht mehr gäbe. Welchen Kodex würden sich die befreiten Menschen dann geben? Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass sie sich genauso wie davor verhalten würden, also weiterhin ihres Nächsten Weib begehren etc. In einer Wiederholungsschleife würde Max wieder seinen Freund mit Ada betrügen, Onno wiederum Ada mit Helga usw. Die menschlichen Fehler und Tugenden bleiben konstant, ob nun mit oder ohne Gebotstafeln.

Das Hörspiel muss notwendigerweise die Handlung verkürzen und viele Zusammenhänge auf das Nötigste verdichten, doch das passiert in der Verfilmung, die ich gesehen habe, ganz genauso. Nur die Lektüre des Buches selbst lässt die Geschichte mehr als eine schnelle Abfolge skurriler Szenen erscheinen, da sie anderen Gesetzen der Spannung und Schilderung folgen darf. Ich lege die Lektüre daher sehr ans Herz.

Innerhalb seiner eigenen Formgrenzen erledigt das Hörspiel seine Aufgabe der Unterhaltung ausgezeichnet und mit einer Fülle von gestalterischen Elementen und Mitteln, seien es die Dialoge, die Musik oder die Geräusche. Alle Elemente stehen harmonisch miteinander in Beziehung und ergeben ein wirkungsvolles Ganzes. Es ist aber eben nur eine Möglichkeit, den Roman darzustellen, und das Buch selbst ist eine ganze andere. Wer die ganze Tiefe der Absichten des Autors und seines Werks ausloten will, der sollte möglichst den Roman lesen. Wenn man das Hörspiel und die Verfilmung als Richtschnur nimmt, so lohnt sich die Lektüre ganz bestimmt.

Originaltitel: De ontdekking van de hemel, 1992
Aus dem Niederländischen übersetzt von Martina den Hertog-Vogt
130 Minuten auf 2 CDs
ISBN-13: 978-3867170765

http://www.hoerverlag.de

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

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