Näter, Thorsten – Doppelter Einsatz: Gefährliche Liebschaft

_Amnesie: Schusswechsel mit Folgen_

Der Kronzeuge gegen einen Unterwelt-Boss wird umgebracht, Sabrinas neue Kollegin Caro kennt zwar alle Einzelheiten aus den Verhören, doch die Gegenseite hat bereits einen bitterbösen Plan, Caro als Zeugin unglaubwürdig zu machen.

Die TV-Reihe „Doppelter Einsatz“ wurde laut Verlag mehrfach mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. Dass dies völlig gerechtfertigt ist, stellt auch diese Episode unter Beweis.

Episode Nr.1: [„Mord auf dem Stundenplan“ 2311
Episode Nr.2: „Gefährliche Liebschaft“
Episode Nr.3: „Der Fluch des Feuers“

_Die Macher und Sprecher_

Es sprechen die Originalschauspieler der gleichnamigen RTL-Verfilmung, allerdings mit zusätzlichen Erzählertexten, gesprochen von Despina Pajanou, die im Film die Polizistin Sabrina Nikolaidou spielt. Es gibt noch einen zusätzlichen Erzähler, den Frank Gustavus (|Ripper Records|) spricht. Diese Texte stammen alle aus seiner Feder.

Die ziemlich wichtige Musik und die Hörbuch-Postproduction übernahmen Horst-Günter Hank und Dennis Kassel. Zusätzliche Aufnahmen, Schnitt und Mastering erfolgten durch die d.c. Tonstudios in Breckerfeld/Berlin.

Zu den zu hörenden Darstellern gehören: Despina Pajanou, Eva Herzig, Gerhard Garbers, Jürgen Janza, Jockel Tschiersch, Konstantin Graudus, Tim Wilde, Burkhart Klaußner, Peter von Strombeck u.v.a.

Das Drehbuch schrieb Thorsten Näter, der auch Regie führte.

_Handlung_

In seiner Schreinerei in St. Pauli erhält der Mann, der sich jetzt Viktor Grolek nennt, einen Ruf. Er begibt sich nach Santa Fu, wo der Gangsterboss Pjotr Nesic inhaftiert ist, aber immer noch jede Menge Strippen zieht. Weil Nesic ihm die Schreinerei finanziert hat, schuldet er ihm was. Nesic bittet ihn, den Kronzeugen Horst Meinert zu töten, der im kommenden Prozess gegen ihn, Nesic, aussagen würde. Nesic soll seinen Geschäftsführer getötet haben. Viktor muss den Mordauftrag annehmen.

Caro Behrends und Sabrina Nikolaidou vom Kriminalkommissariat (KK) 15 in Hamburg sollen die Bewacher des Kronzeugen ablösen. Aber wo ist Meinert selbst? Es heißt, er sei ins Seaworld-Aquarium gegangen, mit Dilber, seinem Bewacher. Sabrina ist sofort auf 180, denn sie wittert Unrat. Was fällt Meinert ein? Und Dilber hat offensichtlich Mist gebaut.

Vor Ort können sie Meinert abfangen, der im Aquarium seine Familie wiederzusehen erwartet. Doch der Anruf war fingiert. Obwohl Sabrina noch rechtzeitig einen unbekannten Mitarbeiter des Aquariums ausmachen kann, feuert dieser – es ist natürlich Grolek – tödliche Schüsse auf Meinert ab. Im folgenden Feuergefecht, das die ganze Anlage in Panik versetzt, werden Caro und ein anderer Beamter durch Schüsse verletzt. Sie kommt ins Krankenhaus.

Ein Debakel auf der ganzen Linie. Jetzt ist Nesic ja fein raus. Und Caro kann sich wegen ihres Schädeltraumas nicht mal an das Gesicht des Schützen erinnern. Aber sie bietet wenige Tage später an, anstelle von Meinert gegen Nesic auszusagen, denn Meinert habe ihr fast alles, was er über den Gangster wusste, mitgeteilt. Staatsanwalt Gallwitz hat damit offenbar ein Problem, das sagt er aber nicht den Polizisten, sondern Nesic persönlich! Von Nesic erpresst, befiehlt Gallwitz Grolek, Caro auszuschalten, sie notfalls umzulegen.

Zunächst weigert sich Grolek, Gallwitz‘ Befehl auszuführen. Doch als er erfährt, dass Nesic seine Frau und seinen Sohn hat entführen lassen, muss er klein beigeben. Er macht sich als Seelentröster an die etwas geknickte Caro heran und führt einen perfiden Plan aus, in dessen Verlauf Caro nicht nur beinahe ums Leben kommt, sondern auch noch ihre Glaubwürdigkeit völlig einbüßt. Die Abteilung für interne Angelegenheiten ermittelt gegen sie wegen Fahrerflucht und unterlassener Hilfeleistung.

Das Schlimmste für die in der Tinte sitzende Caro ist jedoch der Umstand, dass sie sich an das, was nach dem Kneipenbesuch passiert ist, ums Verrecken nicht erinnern kann. Viktor Grolek hat ihr offenbar Rohypnol, also KO-Tropfen gegeben, die eine teilweise Amnesie auslösen. Nun muss Sabrina alles aufbieten, um ihr aus der Patsche herauszuhelfen.

_Mein Eindruck_

Die Episode wirft ein Schlaglicht auf verschiedene Probleme, die im Zusammenhang mit moderner Kriminalität auftreten. Der Gangster Nesic sitzt zwar in U-Haft, verfügt aber über ein eingeschmuggeltes Handy und einen korrupten Gefängnisbeamten über beste Kontakte nach draußen. Er hat wichtige Leute an der Hand. Grolek ist sein Mann fürs Grobe, der Auftragskiller. Und Staatsanwalt Gallwitz ist sein Mann auf der Seite des Gesetzes. Daher dauert es eine ganze Weile, bis Sabrina endlich checkt, welches Sicherheitsleck in ihrem eigenen Kommissariat existiert. Zum Glück verrät sich Gallwitz durch eine unbedachte Äußerung.

Der Mittelteil ist an einer Stelle nicht ganz durchschaubar. Der Grund: Es gibt zwei Pärchen in der Handlung, und der Hörer fragt sich, welches davon denn nun Viktor und Caro sind? Im Nachhinein löst sich die Verwirrung auf, die dem aktuellen Geisteszustand von Caro entspricht. Der Hörer weiß also nicht (wesentlich) mehr als Caro auch. Das ist vom Drehbuchautor ganz schön riskant eingefädelt und geschildert, zahlt sich aber durch erhöhte Spannung aus. Wir lernen, dass auch Polizistinnen nicht gegen fiese Machenschaften gefeit sind, sondern jeden Tag ihr Leben aufs Spiel setzen. (Der Stoff Rohypnol wird übrigens nie genannt, vermutlich, um keine Amateure auf dumme Gedanken zu bringen.)

Ich hätte nicht gedacht, jemals in einem modernen Krimi Hypnose angewendet zu „sehen“, aber diesmal ist es der Fall: Caro findet ihre Erinnerung wieder, so schmerzhaft dies für sie persönlich auch ist. Nach diesem Durchbruch kann es endlich richtig losgehen. Gallwitz wird enttarnt und packt aus. Der Showdown ist jedoch keineswegs eine Formsache, sondern eine trickreiche und knifflige Angelegenheit, denn Grolek ist ja auch nicht auf den Kopf gefallen. Mehrmals wird erwähnt, er sei bei der „Legion“ gewesen. Damit könnte die Fremdenlegion gemeint sein. Was das Umlegen von Menschen angeht, so kennt er keinerlei Skrupel. Sabrina, Caro & Co. bekommen dies am eigenen Leib zu spüren.

Alles in allem ist diese Episode also völlig anders aufgezogen als Episode Nr. 1 „Mord auf dem Stundenplan“. Nach einem furiosen Auftakt folgt ein kniffliges „Mittelspiel“, das nach dem genannten Durchbruch in einen ebenso furiosen Showdown mündet. Doch Polizisten sind – so unglaublich es klingen mag – auch Menschen, und deshalb kommt auch das Privatleben von Caro nicht zu kurz (Sabrina scheint diesmal keines zu haben). Auf diese Weise ist für den human touch gesorgt, der diese Serie so herausragend macht.

Der Humor in dieser Serie ist ziemlich grimmig. In einer Szene wollen die KK-Beamten Grolek hochnehmen und dringen in sein Haus ein. Doch was sie nicht wissen: Die Abteilung für innere Angelegenheit ist schon da, um ihren wichtigsten Belastungszeugen gegen Caro zu beschützen. Die Internen gucken aber ebenso in die Röhre wie die KK-Beamten: Der Vogel Viktor ist ausgeflogen.

_Die Sprecher / Die Inszenierung_

Am besten wirken die Stimmen der Schauspielerinnen, die ja direkt vom TV-Band stammen, wenn sie sehr emotional sind. Das fällt Despina Pajanou, die zudem Ich-Erzählerin ist, nicht schwer. Man sieht es als Hörer natürlich zwar nicht, aber wenn Sabrina wütend wird, kann sie schon mal handgreiflich werden, und das bekommt Pjotr Nesic am eigenen Leib zu spüren.

Caro kommt in ihrer Rolle weniger gut weg als Sabrina, folglich muss Caros Darstellerin Eva Herzig (siehe Titelfoto, links) etwas härter darauf hinarbeiten, Eindruck zu machen. Dies gelingt ihr allerdings nur bedingt, ob als Mutter, Polizistin oder als geknickte Kneipengängerin: Sie bleibt eben immer nur die Nummer zwei hinter Sabrina / Pajanou. Immerhin bietet Caros Rolle Eva Herzig Gelegenheit, eine gewisse Vielseitigkeit zu entfalten.

Die männliche Darsteller bleiben mit einer Ausnahme ziemlich farblos, obwohl sie natürliche alle recht kernige Stimmen vorzuweisen haben. Die eine Ausnahme ist Viktor Grolek, der heimliche Held der Episode. Ich stelle ihn mir mit Stellan Skarsgard („Ronin“) am besten besetzt vor: eine Tiefe der Empfindung, kombiniert mit einer Entschlossenheit im Handeln. Einmal führt er wie Shakespeares Hamlet einen inneren Monolog, dann wieder tröstet er seine Frau, die ihm nicht mehr vertrauen kann. Besonders dann nicht, als sie merkt, dass er eine Pistole trägt.

_Musik und Geräusche_

Da es sich hier um die O-Tonspur der Filmepisode handelt, entsprechen die Geräusche denen im Film, und der Zuhörer kann sich ohne weiteres die zugehörige Umgebung vorstellen. Absolut genial fand ich als Actionfan das Feuergefecht, das am Anfang zwischen dem Attentäter und den Polizisten stattfindet, die ihren Kronzeugen schützen wollen. Absolut echt klingende Schüsse, ziemlich viele Schreie der Aquariumsbesucher, schließlich ein Aufschrei, der im Off verhallt – das ist saubere Arbeit.

Für diese Szene ist keine Musik nötig, schon klar. Aber ansonsten bildet die Musik recht eindrucksvoll und passend den Hintergrund. Jede Szene hat ja ihre eigene Stimmung und erfordert die entsprechende Instrumentierung. Nach dem rockigen Intro rückt die Musik in den Hintergrund, bis sie sich in Gestalt einer melancholischen Ballade wieder in den Vordergrund drängt. Das Piano illustriert Caros Verwirrung über ihren Gedächtnisverlust überdeutlich.

In den weiteren Szenen werden diese Hand voll Musikmotive variiert oder auch nur einfach wiederholt, zum Teil sind sie auch als Kneipenmusik zu hören. Sie alle stammen aus dem Hause Horst-Günter Hank und Dennis Kassel, das neuerdings auch für die Produktion von Hohlbeins Hörbuch-Serie „Raven“ herangezogen wurde.

_Unterm Strich_

Bis auf den psychologisch kniffligen Mittelteil hat mich auch diese Episode wieder voll von der Qualität der TV-Serie überzeugt. Nach einem furiosen Auftakt folgt ein „Mittelspiel“ mit human touch, das nach dem erinnerungstechnischen Durchbruch in einen ebenso furiosen Showdown mündet. Wir merken also, dass für die Leute vom KK 15 nicht immer alles nach Plan läuft, sondern dass in ihren eigenen Reihen kräftig quergeschossen wird. Interessant, dass auch ein Staatsanwalt ein fauler Zahn sein kann. Lediglich die Szene nach Caros Kneipenbesuch ruft beim Hörer Verwirrung hervor. Das kann aber Absicht sein – siehe meine Erläuterungen oben.

Dass die TV-Serie professionell produziert worden ist, bedarf wohl kaum der Erwähnung. Die Musik ist mitreißend bis anrührend, mit allen Nuancen dazwischen. Nun bin ich auf Episode Nr. 3 gespannt: „Der Fluch des Feuers“.

|89 Minuten auf 2 CDs|