Die beliebte Jugendbuchserie hat nach einigen Ups und Downs in ihrer bewegten Geschichte mittlerweile die 150-Fall-Marke satt überschritten. Schon seit den Neunzigern fand eine mehr oder weniger schleichende Abnabelung von Amerika statt und die Geschichten der drei Fragezeichen wurden ausschließlich von deutschen Autoren weitergeführt. 2007/2008 schien es mal wieder so, als gäbe es keine Einigung mit den Lizenzgebern. So kam es, dass Neuveröffentlichungen zwischen Mitte 2006 und Anfang 2008 eher schleppend stattfanden, bis die Situation bereinigt wurde. Seither hat der Output wieder auf Normalmaß angezogen, der vorliegende Band 135 „Fluch des Piraten“ von Ben Nevis, stellt jedoch noch eine ???-Veröffentlichung aus jener turbolenten Ära dar.
Zur Story
Statt einen schönen Ferientag am Strand von Rocky Beach mit Freunden und -innen verbringen zu können, sorgt die Begegnung mit einer alten Bekannten der drei Fragezeichen für ein augenblickliches Verwerfen sämtlicher Freizeitpläne. Das sieht zumindest Justus so, als die Jungs von Althena aus der weiblichen Konkurrenz-Detektei „Calidae“ aus Los Angeles (vgl. „Die drei ??? – Höhle des Grauens“) quasi über den Haufen gerannt werden. Offensichtlich wird Althena von einem bewaffneten Mann verfolgt, der dem Schauspieler Ray Liotta ziemlich ähnlich sieht. Dank der raschen und beherzten Intervention der drei Jungs kann ihre Kollegin entkommen. Nach diesem ungewöhnlichen Zusammentreffen stellt Justus fest, dass sie ihm bei dem absichtlich herbeigeführten Rempler ihre Digicam zugesteckt haben muss.
Die darauf enthaltenen Bilder wecken natürlich seine Neugier und erweisen sich als rätselhaft, doch man findet heraus, dass Althena sich gerade mit einem Fall beschäftigt, der wohl von der gefährlicheren Sorte zu sein scheint: Auf einem ist zu erkennen, wie sie mit einer Waffe bedroht wird. Was es allerdings mit einem geheimnisvollen alten Brief eines Sträflings an seine Familie und einem Kinoplakat zu einem über 30 Jahre alten Piratenfilm auf sich hat, bleibt zunächst im Dunkeln. Dabei drängt die Zeit, der Sache auf den Grund zu gehen, denn alle Kontaktversuche mit Althena verlaufen im Sand. Das Mädel bleibt spurlos verschwunden und es steht zu befürchten, dass der offenbar skrupellose Liotta-Verschnitt sie eventuell doch kassiert haben könnte.
Dieser Verdacht bestätigt sich, als dann doch eine eigenartig verfasste Nachricht von Althena eintrudelt, in welcher sie vordergründig behauptet, alles sei OK; zwischen den Zeilen sind jedoch einige Hinweise versteckt, welchen die drei Detektive nachgehen. Die Spur führt zu einem lange zurückliegenden Raub goldener Figuren und dem auf ominöse Weise verschwundenen Regisseur Dennis Browne. Die Beute hatte man damals nicht gefunden, wiewohl der Täter überführt und eingebuchtet wurde. Er starb im Knast, jedoch hinterließ er seiner Schwester einen verschlüsselten Brief, welcher das Versteck der überaus wertvollen Kunstgegenstände preisgeben soll – nur verstand sie ihn nicht. Dieses Rätsel gilt es zu lösen, allein schon, um Althena aus den Händen ihres Entführers zu befreien.
Eindrücke
Die Grundidee an sich ist schon einmal nicht schlecht, wiewohl es nach 135 Bänden nie ganz zu vermeiden ist, dass ein paar Elemente und Versatzstücke aus vorangegangenen Geschichten fröhliche Zweitverwertung erfahren. Insbesondere im Fall der Wiederaktivierung von Althena ist dies selbstverständlich vollkommen beabsichtigt und auch legitim. Querverweise innerhalb der Serie sind eigentlich immer eine willkommene Vertiefung des Drumherums, auch wenn „Höhle des Grauens“ bei den Fans einen eher zwiespältigen Ruf besitzt. Doch das ist eine andere Baustelle und soll hier nur exemplarisch angeführt sein, da auf sie bei „Fluch des Piraten“ Bezug genommen wird und dort bezeichnender Weise teils die gleiche Problematik in Sachen Stil und diverser Unzulänglichkeiten auftritt. Unschwer zu erraten, dass auch diese Geschichte von Ben Nevis stammt.
Die Figurenzeichnung im vorliegenden Band, insbesondere die der Hauptcharaktere, scheint nicht so recht geglückt: Die Interaktion der drei untereinander erinnert an ein altes Ehepaar, welches sich aufgrund divergierender Interessen (Justus will immer ermitteln, Peter will lieber an den Strand, Bob hat meist eh keine eigene Meinung) augenscheinlich permanent gegenseitig auf den Sack geht. Man fragt sich, ob die Fragezeichen auf dieser Basis überhaupt irgendetwas gebacken kriegen können. Speziell Peter zeigt sich als zickige Diva, welche auch mal mutwillig das Handy in die Botanik feuert, weil etwas nicht ganz in geraden Bahnen läuft. Dazu süffelt der Vorzeigesportler ständig Cola und nervt sich mit seinem dauernden „so what?“ nicht gerade in die Herzen der Leserschaft – auch dem Autor selbst geht das schlussendlich scheinbar auf und er zieht dankenswerter Weise doch noch diesbezüglich die Notbremse.
Peter also ein jähzorniger, „Converse Chucks“ (warum auch immer hier entgegen der Gepflogenheiten innerhalb der Serie ein expliziter Markenname verwendet wurde) tragender Randale-Prolet und Opportunist? Ein Wesenszug, den man von ihm trotz seiner schon berühmten Lamenti wegen seiner mindestens ebenso legendären Hasenfüßigkeit so nicht kennt und gar nicht weiter kennen lernen will. Auch Justus verliert sich gegen Ende in billige Beleidigungen gegenüber des Tatverdächtigen und tituliert ihn mehrfach als „Speckbauch“ – eine Retourkutsche für eine vorangegangene beleidigende Bezeichnung, welche auf seine eigene Körperfülle abzielte. Das ist wenig Justus-like, der über solcherlei Banalitäten normalerweise quasi schwebt. Alles in allem geben die Figuren kein wirkliches Vorbild für das jugendliche Klientel ab und man hört Robert Arthur förmlich in seinem Sarg rotieren.
SPOILERWARNUNG
Auf den ersten Blick mag der Plot schlüssig wirken, doch bei genauerem Hinsehen treten da eine ganze Reihe Konsistenzprobleme auf. Mit anderen Worten: Vieles ist nicht plausibel, manches schlicht fehlerhaft. Dabei braucht man nicht auf den zwei oder drei Rechtschreibfehlern herum reiten, die dem Lektorat bei der Erstausgabe schlicht entgangen sind. Oder dass Spinnen fälschlicherweise als Insekten eingestuft werden. Vielmehr sind es Logiklücken, die sich partout nicht schließen lassen wollen. Die dicksten Hämmer sind hier die Handys der drei, welche auf einer weit außerhalb vom Schuss befindlichen Insel im Pazifik noch funktionieren sollen. Auch wenn sich dort laut Story ein „Militärstützpunkt“ befindet, ist es recht unwahrscheinlich, dass irgendein Provider nur für eine Hand voll GIs ein GSM-Netz dort bereitstellt. Den Akteuren Funkgeräte zu verpassen, wäre sinniger gewesen.
Dann findet Peter (mal wieder) ein Skelett, ausgerechnet unter Wasser in nicht unbeträchtlicher Tiefe und noch dazu direkt unter einem Wasserfall. Dramaturgisch ist das Skelett als solches in der Serie erstens ausgelutscht (aber so was von), zweitens sein (noch-)Vorhandensein naturwissenschaftlich zumindest fraglich. Nicht nur, dass in der Strömung eines Wasserfalls eine etwaige Leiche sicher von selbigem weg getrieben worden wäre, nein, von dem Leichnam dürfte streng genommen nach all den Jahren überhaupt nichts mehr übrig sein, da die natürlichen Seebewohner mit Sicherheit diesen Festschmaus aus Weichgewebe innerhalb weniger Monate vertilgt hätten und sich selbst die übrig gebliebenen Knochen nach so langer Zeit vollständig zersetzt haben müssten. Somit erscheint besonders das letzte Drittel des Buches extrem konstruiert und wenig durchdacht.
Fazit
Der Beginn ist auch Dank der Reaktivierung von Detektivkollegin Althena recht viel versprechend geraten, das Ganze wird recht spannend inszeniert. Leider hapert es ganz arg bei der modernen Charakterzeichnung der Protagonisten – man mag das „an die heutigen Realitäten angepasst“ nennen, sympathisch und/oder pädagogisch wertvoll ist definitiv anders. Schlussendlich klemmt es dann in den immer so wichtigen Details der Logik und Plausibilität. Unterm Strich bleibt ein schnell und leicht zu konsumierender Jugendkrimi, der jedoch kein allzu gutes Aushängeschild für die Reihe darstellt. Schade.
Die Buchdaten auf einen Blick:
„Die drei ??? – Fluch des Piraten“
Basierend auf Figuren von Robert Arthur
Erzählt von Ben Nevis
Franckh-Kosmos, 2007
126 Seiten Hardcover
Cover Illustration: Silvia Christoph
Redaktion: Martina Zierold / Julia Röhling
ISBN-13: 9783440109007
ISBN-10: 3440109003