Nicola Griffith – Kalt wie Eis. Erotischer Frauenkrimi

Erotischer Krimi: Showdown auf dem Gletscher

„Kalt wie Eis“ ist ein erotischer Krimi, der in Atlanta und in Norwegen spielt. Kontraste spielen eine große Rolle nicht nur im Klima zwischen diesen beiden Orten, sondern zwischen dem lesbischen Liebespaar Julia und Aud – Gegensätze, die die Autorin wunderbar zu einem menschlichen Drama ausgearbeitet hat.

Die Autorin

Die britische Autorin des preisgekrönten Romans „Ammonit“ (dt. bei Heyne) erhielt 1996 für den Roman „Slow River“ (dt. als „Untiefen“) den begehrten Nebula Award. Auch Griffiths Kurzprosa, die bislang nur verstreut erschien, kann sich sehen lassen. Sie befaßt sich mit heißen wissenschaftlichen Themen in interessanter, kritischer Weise, die von humanistischer Grundeinstellung zeugt. Griffith bekennt sich zu ihrer Homosexualität und hat Anthologien von Erzählungen herausgegeben, die Homosexualität thematisieren.

Nicola Griffith wird als vielversprechende Nachfolgerin von Ursula K. Le Guin und James Tiptree (d.i. Alice Sheldon) angesehen. Sie hat auch die Krimis „The Blue Room“ und „Stay“ geschrieben. Sie ist Herausgeberin einer Jahres-Anthologie mit lesbischer und schwuler Science-Fiction. Der Lambda-Preis wird solchen AutorInnen verliehen. Aus Mittelengland stammend, lebt die Autorin heute in Seattle, USA.

Handlung

Unsere Heldin und Ich-Erzählerin ist eine Art Polizei-Beraterin und Privatdetektivin, ein Ex-Cop in Atlanta: Aud Torvingen, eine Ex-Norwegerin. Ihre Mutter ist die norwegische Botschafterin in London, doch zu ihr hatte Aud nie eine richtige Beziehung. Daher konnte Aud auch leichten Herzens mit 18 Jahren nach Atlanta ziehen.

Aud beherrscht Karate und lehrt die Polizeianfänger Selbstverteidigung. Sie schliddert zufällig in einen Fall von Brandstiftung samt Mord an einem Kunsthändler. Als sie sich bereit erklärt, der Freundin des Ermordeten bei der Aufklärung der Hintergründe zu helfen, ahnt sie noch nicht, auf was sie sich eingelassen hat.

Denn der Kunsthändler war einer Bildfälschung auf die Schliche gekommen. Diese gehörte einem Kunstmäzen und Bankier in Atlanta, Michael Honeycutt. Wie Aud herausfindet, arbeit er mit dem mexikanischen Drogenkartell zusammen und wäscht Drogengelder durch Kunsttransaktionen.

Als Aud und Julia in Honeycutts Villa einbrechen, um Beweise für ihren Verdacht zu suchen, stoßen sie ihrerseits auf Einbrecher, die dabei sind, Honeycutts verwicklung in den Kunsthändlermord zu vertuschen. Zu spät: Aud setzt zwei außer Gefecht, Julia verjagt den dritten.

Nun ist man hinter ihnen her, weiß Aud. Sie schließt sich Julia an, als diese das Angebot erhält, in Oslo ein Bürogebäude künstlerisch auszustatten. Leider macht Aud den Fehler, dem Falschen zu vertrauen. Nach einer wunderbaren Liebeszeit mit Julia taucht der erste Killer auf…

Mein Eindruck

Nicola Griffith schrieb mit ‚Kalt wie Eis‘ ihren ersten Krimi. Das Buch gefällt mir sehr gut, vor allem wegen der ungewöhnlichen Heldin. Aud ist ungewöhnlich selbstbeherrscht. Das verrät auch ihr objektiver Erzählstil. Die einzigen Gelegenheiten, in denen sie schwärmt, sind Naturbeobachtungen. Diese Diskrepanz hat, wie eingangs angedeutet, einen guten Grund.

Zum zweiten ist dies kein gewöhnlicher Krimithriller. Die relevante Action findet nur auf den ersten 100 und den letzten 50-60 Seiten statt. Dazwischen ist der entstehenden heftigen Liebe zwischen den zwei Frauen viel Raum gewidmet. Insbesondere Oslo, die Tante Hjördis und die norwegische Landschaft und Seele stehen im Mittelpunkt – so lernt Julia Aud besser kennen (und wir sie!). In dieser Passage spielen Humor und Heiterkeit eine große Rolle…

„Kalt wie Eis“ ist ein mehrdeutiger Titel, der sich aber nur wenig für einen so warmherzigen Roman eignet. Der Originaltitel „The blue place“ bezieht sich auf die Farben in einer Gletscherspalte, also tief im Eis. Der „blaue Ort“ ist für Aud aber auch der Ort, wo Gewalt herrscht. Und schließlich, so zeigt sich im Handlungsverlauf, beschreibt beides den Zustand in Auds eigenem Herzen.

Dieser Zustand wiederum steht für den Zustand der westlichen Kultur: das Wegschließen der Gefühle unter dem Ansturm von gewalttätigen Geschehnissen, um den Schmerz nicht mehr fühlen zu müssen. Dieser Mechanismus wiederum erlaubt es, andere Menschen als Objekte zu behandeln, ihnen seinerseits Gewalt und Unrecht anzutun – ein Teufelskreis.

Natürlich hat diese Geschichte ein tragisches Ende und einen Showdown, wie sich das gehört. Aber dieses Ende ist auch ein Anfang und darum umso bewegender. Ein Buch, das in Erinnerung bleibt – wie jedes Buch von Nicola Griffith. Krimi-Fans kommen eher weniger auf ihre Kosten.

Taschenbuch: 392 Seiten
Originaltitel: The Blue Place, 1998
Aus dem Englischen von Stefan Troßbach
ISBN-13: 9783426613245

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