Nita Prose – The Maid. Ein Zimmermädchen ermittelt

Ein wohlhabender Dauergast des Londoner Regency Grand Hotels wird tot in seinem Zimmer aufgefunden. Ausgerechnet von Molly Gray, dem pflichtbewusstesten und gründlichsten Zimmermädchen Londons. Sie könnte viel über den tyrannischen Mr. Black und seinem Verhalten gegenüber dessen wesentlich jüngerer Ehefrau Giselle erzählen, aber sie tut es nicht. Molly sieht zwar alles und bemerkt vieles, aber sie behält es diskret für sich. Schon gar nicht möchte sie die einzige Person, die ihr so etwas wie eine Freundin geworden ist, in Schwierigkeiten bringen. Also gerät sie selbst in Schwierigkeiten und wird sogar verdächtigt, den Mord begangen zu haben.

Auf 368 Seiten erzählt die kanadische Autorin Nita Prose davon, wie sich Molly Gray, die seit dem Tod ihrer Großmutter ganz allein ihr Leben bestreiten muss, innerhalb einer Woche immer weiter in die Rolle der Hauptverdächtigen hineinmanövriert, um schließlich nur mit Hilfe unerwarteter Freunde die Hintergründe der Tat aufzudecken und der Polizei die wahren Schuldigen zuzuspielen.

Oder sollte auch das nur die halbe Wahrheit sein? Als Ich-Erzählerin ist Molly in doppelter Hinsicht keine verlässliche Quelle, denn der Leser bekommt nicht nur eine subjektive Sicht auf die Vorgänge sondern auch von jemandem, dem es extrem schwerfällt, Menschen richtig einzuschätzen und alle Ebenen der Kommunikation zu verstehen. Vor allem Körpersprache kann sie gar nicht oder nur unvollständig deuten und zwischen den Zeilen lesen schon gar nicht. Da möchte man ihr als Leser z.B. besonders dann, wenn sie ihren Schwarm anhimmelt, zurufen, dass sie mit ihren Einschätzungen gerade meilenweit daneben liegt und einen wirklich dummen Eindruck macht. Mit ihrer Großmutter hat sie zwar regelmäßig die Detektivserie „Columbo“ im Fernsehen gesehen, und versucht daraus zu lernen, wie jemand aussieht der lügt und sich verstellt, bei Männern bisher nur mit mäßigem Erfolg.

Dennoch ist das Zimmermädchen Molly gerade dank ihrer autistischen Züge, ihrer gelegentlichen Lebensfremdheit und der antiquierten Wortwahl eine wirklich liebenswerte und einzigartige Figur: Ordnung zu halten strukturiert ihren Tag. Ordnung zu machen gibt ihr Sicherheit und ist ihr deswegen nicht nur Beruf, sondern vor allem Berufung. Tatsächlich liebt sie ihren Job im Hotel und dabei ganz besonders die saubere Uniform und den ordentlich gefüllte Putzwagen, die jeden Tag auf sie warten. Unordnung und Schmutz sind ihre Todfeinde und, ein perfekt geputztes Zimmer zu hinterlassen, erfüllt sie mit Freude und Befriedigung.

So rückt Nita Prose mit Maid Molly eine Berufsgruppe ins Rampenlicht, die sonst schlicht übersehen und wenig wertgeschätzt wird. Mit Sicherheit steht „Zimmermädchen“ nicht auf der Liste der Traumjobs von Mittzwanzigerinnen, aber wenn man sich auf Molly und ihre Sicht der kleinen Welt in vier Wänden einlässt, dann möchte man gleich selbst zum Putzlappen greifen oder mindestens seine Schuhe säubern und in einen Schrank räumen. Da hätte es die trivialen Momente des unerwarteten Geldsegens oder der voraussehbaren Liebesgeschichte am Happy End gar nicht mehr gebraucht.

Gebundene Ausgabe: 368 Seiten
ISBN-13 : 978-3426283844
https://www.droemer-knaur.de /

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