Nnedi Okorafor – Akata Witch (The Nsibidi Scripts, Band 1)

Ein Albinomädchen unter afrikanischen Geistern und Hexen

Sunny Nwazue lebt jetzt in Nigeria, aber geboren wurde sie in New York City. Ihre gesichtszüge sind westafrikanisch, doch ihre Haut ist die eines Albinos. Sie ist eine tolle Athletin, aber sie kann nicht in die Sonne gehen, um Fußball zu spielen. Es scheint keinen Ort zugeben, an den sie passt. Und dann entdeckt sie etwas Wunderbares: Sie ist eine „freie Agentin“ mit verbogenen magischen Kräften. In dieser Hinsicht muss sie viel nachholen.

Sie bekommt eine Einladung, einem magischen Zirkel von Studenten beizutreten, die das Sichtbare ebenso studieren wie das unsichtbare, um zu lernen, wie sie die Realität verändern können: die Realität der „Lämmer“, während sie selbst zu den „Leoparden“ gehören. Sunny und ihre drei Freunde werden von der Gemeinschaft der Lehrer der Leoparden gebeten, einen Verbrecher zu stellen, der ebenfalls Leopardenmagie beherrscht. Werden ihre vereinten Kräften ausreichen, sich einer Macht entgegenzustellen, die ganz klar ihrer eigenen überlegen ist?

Die Autorin

Nnedi Okorafor (* 8. April 1974 in Cincinnati, Ohio) ist eine nigerianisch-amerikanische Schriftstellerin und Professorin für Creative Writing an der University of Buffalo. Ihre Veröffentlichungen gehören den Genres Science-fiction, Fantasy und Afrofuturismus an.

Okorafors Werke sind geprägt durch die Verbindung von sozialer Utopie bzw. Post-Apokalypse mit afrofuturistischen Visionen und postkolonialer Kritik, knüpfen aber auch an westafrikanische Mythologie an, insbesondere an die Kosmologie und an soziale und spirituelle Traditionen der Igbo. Okorafors zentrale Motivation liegt darin, dass sie afrikanische Perspektiven, bzw. die spezifische Perspektive afrikanische Diaspora in der Science-fiction-Literatur als nicht hinreichend repräsentiert sieht.

Werke

Jugendbuch—verfasst unter dem Namen Nnedi Okorafor-Mbachu

• Zahrah the Windseeker (2005, Houghton Mifflin Harcourt; Taschenbuch 2008, Graphia/Houghton Mifflin Harcourt)
• The Shadow Speaker (2007, Hyperion/Disney)
Kinderbuch— verfasst unter dem Namen Nnedi Okorafor
• Long Juju Man (2009, Macmillan Africa)
• Iridessa and the Secret of the Never Mine (2012, Disney Books)

Jugendbuch—verfasst unter dem Namen Nnedi Okorafor

• Akata Witch (2011, Viking/Penguin) (veröffentlicht als What Sunny Saw in the Flames in Nigeria und in UK bei Cassava Republic)
• Akata Warrior (2017)
– Akata Woman (2022)

Shadow Speaker (The Desert Magician 1)
Like Thunder (The Desert Magician 2)

Belletristik—verfasst unter dem Namen Nnedi Okorafor

• Who Fears Death (2010, DAW/Penguin); deutsch als „Wer fürchtet den Tod“ (2017, Cross Cult) ISBN 978-3-95981-186-6
• „Hello, Moto“ (2011, A Tor.Com Original short story)
• „Moom!“ Kurzgeschichte, erschienen in AfroSF: Science Fiction by African Writers (2012, Storytime)[11]
• Kabu Kabu (2013, Prime Books)
• Lagoon (2014, Hodder & Stoughton Ltd.) (2015, Saga Press/Simon & Schuster); deutsch als Lagune (2016, Cross Cult) ISBN 978-3-86425-873-2

• The Book of Phoenix (2015, DAW/Penguin/PRH) (Prequel von Who Fears Death); deutsch als Das Buch des Phönix (Oktober 2017, Cross Cult) ISBN 978-3-95981-493-5
• Binti (2015, Tor.com)
• Binti 2: Home (2017, Tor.com)
– Binti 3: The Night Masquerade (2018, Tor.com)
Binti 1-3 (bei Cross Cult)

• • Remote Control (2018, Hodder & Stoughton)

Shuri Vol. 1: The Search For Black Panther (Shuri (2018-2019))
Shuri Vol. 2 (2018-2019) (Dilogie)

The Black Pages (Black Stars 1)
Just out of Jupiter’s Control (The Far Reaches Collection; Amazon)

Handlung

Die zwölfjährige Sunny Nwazue ist in den Vereinigten Staaten geboren und aufgewachsen, musste aber mit ihren Eltern zurück nach Nigeria ziehen, um in Aba zu leben. Sie ist Nigerianerin, schwarz, aber ein Albino, und kann daher nur mit einem Regenschirm in die Sonne gehen. Ihre neuen Mitschüler in Aba nennen sie hässlich und sonderbar, kurzum „Akata“, was in nigerianischen Dialekten „aus dem Busch“ bedeutet und sehr abwertend gemeint ist.

Als sie von ihrer weißen Lehrerin einmal für den besten Aufsatz gelobt wird, zieht sie sich den Zorn der Mitschüler zu, doch als sie diese für ihre schlechten Leistungen auch noch bestrafen soll, weigert sie sich. Die Mitschüler verprügeln sie trotzdem, einfach, weil sie es können.

Juju

Dass sie eine magische Fähigkeit besitzt, merkt sie, als sie in eine Kerzenflamme schaut und dort eine Vision vom Untergang der Welt erblickt. Natürlich verbrennt sie sich dabei das Haar und wird so noch “hässlicher”. Aber ein Mitschüler namens Orlu hat sie bei der Prügelei vorm Schlimmsten bewahrt. Er nimmt sie zu seiner Freundin Chichi mit, die mit ihrer Mutter in einer Lehmhütte lebt, die mit Büchern vollgepackt ist. Beide Frauen finden, dass an Sunny etwas Besonderes ist, und nachdem sie ein strenges Schweigegelübde abgelegt hat, darf sie mit zu einer Art Hexendoktor, der am Stadtrand lebt. Juju gehört einfach zum afrikanischen Leben, weiß Sunny.

Die Leopardenmenschen

Anatov gehört ebenso wie die drei Kinder der Gemeinschaft der Leopardenmenschen an, aber er ist einer der Meister, der immerhin den dritten Grad des Wissens errungen hat. Die Leopardenmenschen schätzen Wissen und Erkenntnis über alles, weshalb sie alle viele Bücher lesen. Um ihre Verachtung für Gold zu zeigen, bewerten sie es in ihrer Währung, die “Chittim” heißt, am niedrigsten, aber Kupfer und Bronze am höchsten. Silber liegt dazwischen. Für einen halben Kupferring kauft Chichi für Sunny das Handbuch für den Freien Agenten. Anatov hat Sunnys Talent als Freien Agenten erkannt, sie mit einem Zauber belegt und ihr spirituelles Gesicht offengelegt: Es zeigt eine strahlende Sonne – ausgerechnet, wo sie doch ein Albino ist, der die Sonne meiden muss.

Als viertes Mitglied im lokalen Hexenkreis schließt sich ihnen Sasha an, der aus Chicago hierher verbannt wurde, um Disziplin zu lernen. Zwei er ein fotografisches Gedächtnis hat, fühlt sich Sasha vielen „Lämmern“ überlegen, doch nun muss er sich anderen „Leoparden“ unterordnen. Das ist nicht einfach für ihn, aber schon bald interessiert sich Chichi sehr für ihn. Besser als andere, kann Chichi wegen ihrer Abstammung aus einem Königshaus Sunnys Begabung besser als andere sehen.

Quartett

Zwei Jungs, zwei Mädchen – perfekt. Als Freie Agentin soll Sunny alles über die magische Gemeinschaft der Leopardenmenschen lernen. Das verborgene spirituelle Zentrum lässt sich über eine magische Brücke erreichen, auf der Sunny dem Flussgott ihr spirituelles Gesicht zeigen muss, um den Übergang zu bestehen.

Sunnys Mutter, eine Krankenschwester, ist sehr besorgt, als Sunny viel später als versprochen aus diesem Dorf zurückkehrt. Dabei geht doch ein Kindermörder namens Black Hat Otokoto um! Dessen Untaten gegen Kinder stehen fast täglich in der Zeitung. Weil es im geheimen Dorf der Leoparden keinen Handyempfang gibt, konnte sie ihre Mutter nicht warnen. Jedenfalls bekommt sie eine gesalzene Ohrfeige, eine Standpauke vom Vater, einem Rechtsanwalt, und obendrein Stubenarrest. Sunny wagt gar nicht daran zu denken, wie sie es anstellen soll, Anatov und die anderen drei um MITTERNACHT zu treffen, und das schon in vier Tagen.

Bewährung

Von Anatov erhalten die vier Kinder den Auftrag, Black Hat Otokoto zu finden und unschädlich zu machen. Doch Black Hat Otokoto versteht sich ebenfalls auf Zauberei, und zu ihrer Bestürzung findet Sunny heraus, dass ihre eigene Großmutter seine Lehrerin war. Warum hat ihr ihre Mutter dies nur verschwiegen?

Mein Eindruck

Dieses Jugendbuch von einer Afroamerikanerin schildert eine afrikanische Parallelgesellschaft, um auf der Basis dieses Gegensatzes verschiedene Generalthemen anpacken zu können: ethnische Zugehörigkeit, jugendliche Identität und der Umgang mit den jeweils geerbten Gaben oder Flüchen, die das Leben einem mitgibt. Sunnys Werdegang innerhalb ihres ersten Lehrganges steht exemplarisch für diese Themen.

Innerhalb der nigerianischen Afrikaner ist sie zu amerikanisch-westlich, und dann ist sie auch noch ein Albino, was sie zu einer „akata“ macht, einer Ausgegrenzten. Von da ist der Schritt zur „Hexe“ nicht weit. Juju bei den „Leopardenmenschen“, das scheint eine tolle Sache zu sein. Zudem lernt sie dabei, durch Wände und Türen zu gehen und sich unsichtbar zu machen. Außerdem zeigt sie ihr Geistergesicht, eine strahlende Sonne („ayanwu“), obwohl das streng verboten ist.

Den „Lämmern“ dürfen die „Leoparden“ eben nichts Verbotenes zeigen, und dazu gehört vieles. Chichi wird einmal wegen Ungehorsams von einer der Lehrerinnen verdroschen. Die Lehre daraus: Leoparden müssen sich um die Sicherheit und Unschuld der Lämmer kümmern, statt sie durch Untätigkeit zu Schaden kommen zu lassen. So etwa die entführten und missbrauchten oder gar getöteten Kleinkinder, die sich Black Hat Otokoto schnappt.

Die Linie zwischen Gut und Böse scheint klar und deutlich gezogen zu sein. Und wenn Leopardenmal in Gefahr geraten, dann unter ihresgleichen, draußen im wilden Busch. Doch diese klare Trennlinie zwischen Gut und Böse gibt es nicht, denn Sunnys Familie trägt an einer bis dato verborgenen Schuld: Ozoemena Nimm, Sunnys Großmutter mütterlicherseits, war die Lehrerin von Black Hat Otokoto. Was heißt das für Sunny, fragt sie ihre Mutter. Doch die hat keine klare Antwort. Ganz am Schluss übergibt sie Sunny jedoch einen Brief von Ozo. Und der erklärt die Vergangenheit ebenso wie Sunnys Abstammung vom Geistervolk, um Sunny eine klare Vision ihrer Zukunft zu eröffnen.

Unterm Strich

Mancher Kritiker hat das wunderbare unterhaltsame Jugendbuch mal als „Harry Potter in Afrika“ beschrieben, was sich als gar nicht so verkehrt herausstellt. Die Parallelen sind übersehbar. Doch beide Bücher bzw. Geschichten befolgen uralte Regeln, die für viele Jugendbücher gelten.

Erstens entdeckt das Kind trotz seiner offensichtlichen Andersartigkeit, dass es über eine verborgene Gabe verfügt. Zweitens kann es diese Gabe nur in der Obhut anderer Andersartiger entfalten, kontrollieren und weiterentwickeln. Drittens muss es sich bei der Bewältigung einer schier unmöglichen Aufgabe bewähren, stets in Gemeinschaft mit anderen Schülern.

Mutter Afrika

Der große Unterschied zu Harry Potter und seinen Mitschülern und Lehrern auf dem Hogwarts-Internat ist natürlich Afrika, genauer: die vielfältige nigerianische Gesellschaft. Dies war für mich der interessanteste und unterhaltsamste Aspekt, sowohl bei den Lämmern, wie auch bei den Leoparden. In der Parallelgesellschaft der Magiebegabten erlebt Sunny mit weit aufgerissenen Augen viele ungewöhnliche Dinge, so etwa einen leibhaftigen Engel und dessen Himmelfahrt. Aber sie findet auch das einzigartige Juju-Messer, mit dem sie den entscheidenden Juju-Zauber gegen Black Hat Otokoto vollziehen kann.

Bewährung

Die Auseinandersetzung mit diesem machtvollen Verbrecher, der sich einen Dreck um den Kodex der Leoparden schert, ist das aufregende und großartige Finale dieses Auftaktbandes. Denn Otokoto ist nur der Türöffner zu jenem Monster, einer „Maskerade“, das den Untergang der bekannten Welt herbeiführen soll. Und auf diese Weise würde die Schreckensvision, die Sunny ganz Anfang in der Kerzenflamme erblickt hat, doch noch Wirklichkeit werden. Nun muss Sunny nicht nur zeigen, was in ihr – und ihren drei Kameraden – steckt, sondern auch entdecken, was ihr die Großmutter durch die Gene vererbt hat.

Zum Cover

Auf der Titelillustration ist das geisterhaft bleiche Gesicht Sunnys mit verschiedenen, gebogenen Symbolen sowie einem Insekt bedeckt. Die Symbole gehören zu der Nsibidi-Schriftsprache, die die Autorin meines Wissens erfunden hat. Dass diese Sprache nicht nur in Sunny „Ayanwu“ Nwazue magische Kräfte weckt, wird am Schluss nahegelegt.

Das grüne Insekt auf ihrer Stirn ist ein dienstbarer Geist, der ihr Gesellschaft leistet. Was die vielen schwarzen Balken unter dem Gesicht andeuten, könnte ein Scheiterhaufen sein. So drückt das Bild eine Spannung zwischen zwei Möglichkeiten des Schicksals für das abgebildete Mädchen aus.

Ich habe das Buch in wenigen Tagen verschlungen. Die Sätze sind meist sehr kurz und die Szenen meist täuschend einfach, obwohl komplexe Sachverhalte und Beziehungen geschildert werden. Am besten gefiel mir der Jahrmarkt der Leoparden, bei dem Sunny nicht nur am besten Fußball spielen kann, sondern sie auch einem Engel begegnet. Beides hat etwas zu bedeuten, aber was das sein mag, muss jeder junge Leser für sich selbst herausfinden.

Ich kann es kaum erwarten, die beiden Folgebände zu entdecken.

Taschenbuch: 351 Seiten.
O-Titel: Akata Witch, 2011, ursprünglich als „What Sunny Saw in the Flames“ in UK und Nigeria veröffentlicht.
ISBN-13: 9780142420911

www.penguiteenn.com

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