Jeff Noon – Gelb (Manchester-Trilogie 1)

Orpheus in der Drogenwelt: Trip mit Federn

Das Manchester der Zukunft: eine Stadt aus Chrom und Glas, bevölkert von rivalisierenden Banden, Dealern und der Geheimpolizei. Alle sind auf der Suche nach dem ultimativen Kick, der Dimensionsdroge „Vurt“. Scribbles Schwester Desdemona wurde dank Vurt in eine andere Realität katapultiert, und Scribble setzt alles daran, sie zurückzuholen. Doch dafür braucht er selbst eine Dosis der Droge – und der Preis ist unfassbar…. (Verlagsinfo)

Der Autor

Der Manchester-Bürger (die Eingeborenen bezeichnen sich als „Mancunians“) Jeff Noon, ein Musiker, Maler und Bühnenautor, ist mittlerweile in der Phantastik-Szene ein erfolgreicher Senkrechtstarter mit vier veröffentlichten Romanen: „Gelb“, „Pollen“ und „Nymphomation“ bilden die Manchester-Trilogie.

Der britische Schriftsteller Jeff Noon, der sich in dieser Fortsetzung der zwei klassischen Alice-Romane „Zenith O’Clock, writer [= righter] of wrongs“ nennt, ist der einfallsreiche Autor der phantastischen Romane „Vurt“ (dt. „Gelb“), „Pollen“ (dt. gleich) und „Nymphomation“ (noch nicht übersetzt). Sie spielen alle in seiner Heimatstadt Manchester. Und dies ist auch zum großen Teil der Schauplatz der wundersamen Ereignisse in „Automated Alice“.

Romane

Vurt (dt. Gelb, ISBN 3-442-44449-7, ISBN 3-442-54007-0)
Pollen (dt. Pollen, ISBN 3-442-44408-X, ISBN 3-442-54031-3)
Automated Alice (dt. Alice im Automatenland, ISBN 3-442-54065-8)
Nymphomation
Needle in the Groove
Falling Out Of Cars

Theaterstücke

Woundings
Vurt – the theatre remix
Alphabox
Somewhere the Shadow
The Modernists

Für „Gelb“, das im Oktober 1993 von einem kleinen unabhängigen Manchester-Verlag veröffentlicht wurde, erhielt er den |Arthur C. Clarke Award|; es wurde in mindestens 15 Sprachen übersetzt und gilt als das „Uhrwerk Orange“ der 90er Jahre. Zwischenzeitlich war es in zwei Ausgaben als |Goldmann|-Taschenbuch erschienen und zumindest auf der britischen Insel ein Bestseller.

Handlung

Scribble lebt im Manchester der nahen Zukunft, und das Einzige, was ihn sein tristes Dasein ertragen lässt, ist Vurt (von engl. „virtual“). Vurt ist der ultimative Kick, die perfekte Droge, ein Traumzustand, eine Realität für sich. Und Vurts, das sind verschiedenfarbige Federn, die sich der Junkie in den Mund steckt, um den Wirkstoff aufzunehmen – für jede Stimmung und jedes Bedürfnis das Passende. Nur von den gelben Vurts sollte man tunlichst die Finger lassen: Wer sich in ihre Welt begibt, riskiert, nie wieder zurückzukehren. So wie Desdemona, Scribbles verschwundene inzestuös geliebte Schwester.

Scribble muss also selbst an die höchst illegale Farbe herankommen, um Desdemona wiederzufinden, doch seine Chancen stehen schlecht. Noch weiß er nicht, dass dieser Kick nur mit etwas ganz Besonderem erkauft werden kann. Denn „Curious Yellow steht für die Vergangenheit, die schlimmstmögliche Version der persönlichen Vergangenheit“, sagt Jeff Noon in Interzone vom Oktober 1994. „Du kannst ihr nicht entrinnen, bis du dich ihr gestellt hast. Und wenn du mit ihr fertig geworden bist, lebst du. Wenn du’s nicht schaffst, stirbst du.“

Vurt ist eine eigenständige Realitätsversion, die die hiesige Realität durchdringt und umgekehrt. So tauchen etwa Traumschlangen auf, deren Biss tödlich ist und einen ins Vurt reißt. Nachdem Desdemona verschwand, tauchte bei Scribble ein Vurt-Wesen auf, das schlicht The Thing from Outer Space genannt wird. Es zu essen, befördert schnurstracks ins Vurt. Keiner Wunder, dass alle Dealer und Junkies hinter ihm her sind.

Das Vurt ist Teil der Kultur, ein Mythos, eine Art Magie. Nur noch wenige wissen um die Entstehung des Vurt: Miss Hobart zum Beispiel, und die Game Cat, die dem Leser alles über die Federn erklärt. Miss Hobart kontrolliert den Mechanismus des Austausches zwischen beiden Realitätsebenen, wie eine Art Schamane, der den Stamm in die Welt der Geister führt.

Mein Eindruck

Bizarre Handlungen werden von faszinierenden Figuren ausgeführt. Da sind zum Beispiel die zwei Späthippies oder Rastas, deren langes Haar zusammengewachsen ist, so verfilzt ist es. Als die Frau erschossen wird und stirbt, muss Scribble die schmerzhafte Prozedur des Haareschneidens übernehmen. Intelligente Robothunde scheißen auf den Teppich und nennen Scrible „Sir“. Ferngesteuerte Sonden und Geheimpolizistinnen tauchen auf – ein Hauch von Cyberpunk und Iain Banks‘ Culture.

In einigen Passagen erinnern die Übergänge und Figuren an Lewis Carrolls Buch „Alice im Wunderland“, an dessen eigenwilligen und rätselhaften Humor und metaphorische Gestalten. Insofern ist „Gelb“ nicht nur Post-Cyberpunk, sondern auch ein zutiefst moralisches Buch.

Ursprünglich sollte es ein Bühnenstück namens „The Torture Garden“ werden, inspiriert von dem gleichnamigen phantastischen Roman des 19.-Jh.-Franzosen Octave Mirbeau. Doch ein Hinweis William Gibsons auf diesen Roman verhalf „Gelb“ zur Geburt als das „Uhrwerk Orange“ der Neunzigerjahre. Kein Wunder, dass das erste Kapitel stark an den rasanten Gibson-Roman „Neuromancer“ erinnert. „Curiouser and curiouser“, wie Alice sagen würde.

Taschenbuch: 384 Seiten
Originaltitel: Vurt, 1993
Aus dem Englischen von Ute Thiemann
ISBN-13: 978-3442540075

https://www.penguinrandomhouse.de/Verlag/Goldmann/4000.rhd

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)