Norbert Sternmut & Birte Schumann – Pfeilschrift. Reflexionen über die Liebe

Dieses umfangreiche Buch ist wieder mal eine Kooperationsarbeit in Norbert Sternmuts lyrischem Werk: Birte Schumann schrieb die Essays und stellte Märchen zum Thema „Liebe und Tod“ zusammen. Sternmut schrieb die Gedichte zum Thema. Warum Märchen? Weil sie eine der ältesten Formen der Poesie und Dichtung darstellen.

„Ganz besonders hat es ihnen ein klassisches Liebesmärchen angetan: Dornröschen. Dieses Märchen birgt in seinen Fassungen von Basile ganze Dramenstränge über die Abgründe der Liebe, spielt aber auch mit der tiefen, offenkundigen Schönheit, die der Liebe seit Menschengedenken anhaftet.“ (Verlagsinfo)

Die Autoren

Norbert Sternmut (= Norbert Schmid), geboren 1958, lebt bei Stuttgart und arbeitet als Sozialpädagoge. Der Theaterautor, Rezensent, Maler, Lyriker und Romanschreiber erhielt Stipendien vom Land Baden-Württemberg und der Stadt Gerlingen. Er veröffentlichte zwanzig Einzeltitel seit 1980 und ist in über 50 Anthologien vertreten. Als Maler trat er mit 75 Ausstellungen an die Öffentlichkeit.

Der gelernte Werkzeugmacher wurde nach einem Studium zwischen 1982 und 1987 Sozialpädagoge und ist seit 1993 in verschiedenen Bildungsinstitutionen tätig. Mehr Infos gibt’s auf seiner Website www.sternmut.de und in der Wikipedia ((https://de.wikipedia.org/wiki/Norbert_Sternmut)) .

Seit 1980 hat Sternmut eine ganze Reihe von Lyrikbänden veröffentlicht, darunter die von mir vorgestellten Bücher „Photofinish“, „Triebwerk“ und „Absolut, du“. In dem Band „88 Rätsel zur Unendlichkeit“ arbeitete er mit dem Grafiker Volker Funke zusammen: Die Rebus-artigen Rätselgrafiken harmonierten mit den frei assoziierenden Gedichttexten Sternmuts. Eine Webseite ergänzte das multimediale Werk auf der Zeit angemessene Weise.

Auf der Prosaseite in eine Romantrilogie hervorzuheben, zu der „Der Tote im Park“ (1999), „Marlies“ (2003) und „Norman“ (2008) gehören. „Wildwechselzeit“, ein Tagebuch-Roman über die Beziehung zu Christof Schlingensief und dessen Tod, sorgte für lebhafte Debatten. Eine Reihe von z.T. phantastischen Erzählungen erschienen in dem Band „Das Zeitmesser“ (Rainar Nitzsche Verlag, Kaiserslautern, 1997).

Birte Schumann lebt in Berlin und Caputh bei Potsdam. Sie hat sich intensiv mit Märchen und deren Botschaft beschäftigt und analysiert in diesem Band deren Darstellung von Liebe beziehungsweise deren Gegenteil in allen seinen Erscheinungsformen. Sie kennt sich in Literaturgeschichte von Aristophanes zu den Brüdern Grimm aus, zitiert auch Bruno Bettelheim, möglicherweise als Vorbild.

Übersicht

Der Band „Pfeilschrift“, der 2015 erschien, bildet unter den Lyrikbänden eine gewisse Ausnahme. Der Untertitel lautet nämlich „Reflexionen über die Liebe“, und: Es handelt sich um eine Kooperation mit Birte Schumann.

Darin sind mehrere klassische Märchen von den Gebrüdern Grimm, von Charles Perrault und Basile enthalten. Sternmut über dieses besondere Buchprojekt:

„Der Band ‚Pfeilschrift‘ kreist um das Thema „Liebe“ in Gedichten und Prosa. Wir wollten zusammen ein Buch über die großen Dichterthemen Liebe und Tod machen und haben uns schließlich in der gemeinsamen Arbeit auf das Thema Liebe verständigt. Birte Schumann schrieb die Prosa und stellte Märchen zum Thema vor. Ich schrieb die Gedichte zum Thema. Damit vereinigen sich in „Pfeilschrift“ unterschiedliche Zugänge und Schreibweisen zu einem Thema.“ (Interview für Buchwurm.org, 2018)

Die Prosa (von Birte Schumann)

1) Vom Suchen und Finden der Liebe

Die Autorin betrachtet in ihrem kurzen Essay die Beispiel für das Suchen und Finden der Liebe im Märchen „Dornröschen“, die sie als Maßstab nimmt. Durch die drei Epochen und Versionen hindurch verändert sich das männliche Vorgehen, wenn es ums Eindringen ins Schloss geht (siehe unten). Die Prinzessin bleibt durchweg passiv, was die Autorin aber nicht weiter stört. Wenigstens berücksichtigt sie die Existenz der beiden Hauptgeschlechter, spricht daher von „Partner bzw. Partnerin“.

Die Existenz der sozialen Netzwerke ist ihr ebenfalls bestens bekannt, gibt aber zu bedenken, dass der Überfluss an Partnerangeboten zu Überdruss und Einerlei führen kann. Die Einzigartigkeit der Liebe verfliegt. An keiner Stelle findet eine literaturgeschichtliche und Gender-kundliche Untersuchung der drei Versionen von „Dornröschen“ statt, was ich suboptimal finde.

2) Ein Rauschen im Tale – die kreative Kraft der Liebe

Die Entstehung von Liebe wird von der Autorin höchsten Tönen als Wonne gelobt. Die Schaffenskraft der Liebe bezieht sich nicht nur auf den physischen und seelischen Akt des Liebens, sondern auch auf Minne und Liebeslyrik. Zu letzter zählt sie besonders die von Norbert Sternmut und zitiert aus seinen hier abgedruckten Gedichten.

Andererseits zitiert sie auch mehrfach aus den drei Versionen von „Dornröschen“, die hier nachzulesen sind, und verweist auf Ursprünge wie etwa die Medea-Sage und Das Schauspiel „Die Vögel“. Diese dunkle Seite der Liebe in Gestalt von Eifersucht wird aber schnell wieder ausgeblendet. Die Opfer und Schmerzen, die die Prinzen in Perraults „Dornröschen“ bringen müssen, zählen ebenfalls (noch) nicht zur destruktiven Seite der Liebe, warum auch immer. Am Schluss versteigt sich die Autorin zu einer salomonischen Predigt im Stil des Hohen Lieds, nur eben auf die Liebe an sich.

Die Liebe ist also eine ganz tolle Sache. Insbesondere dann, wenn man schöne Hormone wie Endorphine, Oxytocin und Serotonin dabei ausgeschüttet bekommt, die die Autorin eingangs ihres Textes aufzählt. Liebe, so lernen wir, sorgt für ein High, und von dem wünscht man sich bald, dass es nie aufhört bzw. ständig erneuert werde. Liebe als Form der Sucht – diese „kreative Kraft“ fehlt in der Aufzählung.

3) Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende: Liebesschwüre

Nach der Hochzeit, die selbstverständlich prächtig und glückselig ist, und den Flitterwochen zieht der Alltag in die Beziehung ein, und das böse Erwachen beginnt. Anhand des Märchens vom Fischer und seiner Frau veranschaulicht die Autorin, was alles schieflaufen kann, wenn ein Paarteil egoistisch und der andere genügsam und nachgiebig ist.

Das Ergebnis ist enttäuschend und bedeutet das Ende aller Hoffnung. Im Ton einer Partner- und Eheberaterin ermahnt die Autorin Paare zu Toleranz, Neugier und konstruktivem Verhalten. Nur dann kann daraus in beiderseitigem Geben und Nehmen eine „blühende Liebe“ erwachsen.

4) Sein Liebstes zu töten: Die destruktive Kraft der Liebe

Die böse Fee verhängt einen Todesfluch über die Prinzessin, denn nur eine weitere Fee in einen hundertjährigen Schlaf umwandeln und abmildern kann. Kränkung durch Missachtung ist die Motivation der Fee – und natürlich Vergeltung.

Ebenbürtig ist ihr die (vermeintlich) betrogene Stiefmutter/Königin in „Sonne, Mond und Thalia“ sowie in „Machandelboom“. Schon bei Basile wird von einem Nerolächeln und einem Medeaherz gesprochen. Medea opferte ihr Kinder, um sich für Jasons Untreue zu rächen. Beide Märchen-Frauen rächen sich am vermeintlichen Betrüger, dem König, indem sie seine Kinder töten und zum Essen vorsetzen. Dieses Vorgehen hat Vorbilder in den altgriechischen Sagen, etwa bei Prokne, deren Schwester Philomele zuvor von Proknes Gatten Tereus vergewaltigt worden war: Prokne setzt ihm seinen Sohn zum Essen vor.

Im „Machandelboom“ und „Thalia“ entgehen die Übeltäter ihrer gerechten Strafe nicht, so dass die Welt und ihre Werte wieder ins Lot kommen. Aber die so geschilderte dunkle Seite der Liebe ist die besitzergreifende, den Partner seelisch, dann auch körperlich vernichtende Begierde. Diese Art der Liebe wird von der Autorin strikt abgelehnt und gibt ihr Anlass, für eine gutartige, Agape-artige Form der Liebe zu plädieren (man könnte auch „predigen“ sagen).

Sternmut: Die Lyrik

Es wäre ein vergebliches Unterfangen, 110 Seiten an Liebesgedichten beschreiben zu wollen.

Daher kann ich nur meinen allgemeinen Eindruck wiedergeben. Die Liebe ist das Begehren, das die Körper und Seelen zueinander zieht. Sie sind erfüllt von Feuer, das die Nacht erhellt und den „alten Schmerz“ [der Einsamkeit] vertreibt. Auf Seite 54 steht das titelgebende Gedicht „Pfeilschrift“. Angelehnt an den Ausdruck „Keilschrift“, aber bezogen auf Amors Pfeile, erkennt das lyrische Ich die macht der Liebe in den Städten, in jedem Menschen, „gestellt ins Licht“, „verkörpert ins Vertrauen/ins flammende Miteinander“:
„In den Augen glüht //
Ein Stern in der Nacht.“

Birte Schumann zitiert aus dem Gedicht „Mein Lieb„, das typisch ist für den Hohelied-Charakter dieser Lyrik erscheint:

„Du flüsterst mir das leichte Wort
ins Ohr, öffnest mir das Feld,
worauf ich wachse,

den Garten mit den Rosenbüschen,
Kirschblüten, legst mir das Wappen
ins Herz, schimmernd
bewegst du mich mit Geduld
ins Sonnenlicht.

Du berührst mich, träumst
mir das Licht ins Gemüt,
nimmst mich bei der Hand,
führst mich zum hellen Reim.“

Die Gedichte loben wie weiland König Salomo sowohl die emotionale und spirituelle Dimension der Liebe wie auch ihre körperlich-sinnliche: Agape wird mit Eros vermählt.

Die Märchen

1) Giambattista Basile: Sonne, Mond und Thalia

Die Prinzessin fällt wegen eines Fluches in einen todesähnlichen Schlaf. Ein König kommt, findet, vergewaltigt und schwängert die Schlafende, woraufhin sie nach angemessener Zeit die Zwillinge Sonne und Mond gebiert. Als die Königin von der Liebesbesessenheit ihres Gemahl erfährt, lässt sie die Zwillinge entführen und vom Koch schlachten, um sie ihrem Gatten zu kredenzen. Der Koch indes hat ein weiches Herz und ersetzt die Kinder durch Zicklein. Als die Prinzessin vorgeladen wird, sollte sie auf dem Scheiterhaufen brennen. Doch es kommt alles ganz anders…

Man sieht also: Nekrophilie, Vergewaltigung, Hexenverbrennung und Kannibalismus waren schon im Mittelalter bestens bekannt. Kein Text für schwache Nerven, und von Realismus weit und breit keine Spur. Weitere Informationen unter :
https://de.wikipedia.org/wiki/Giambattista_Basile (1575-1632) und https://de.wikipedia.org/wiki/Dornr%C3%B6schen und
https://de.wikipedia.org/wiki/Sonne,_Mond_und_Thalia (1634-1636).

2) Charles Perrault: Dornröschen oder Die schlafende Schöne im Wald (1697)

Schon die Überschrift lügt! Denn wie auch bei den Brüdern Grimm fällt die 15-jährige Prinzessin nicht in einem Wald dem Fluch der alten Fee zum Opfer, sondern in einem Turmgemach. Erst dann wächst um das Schloss, in dem alles zum Stillstand gekommen ist, ein Wald aus Dornenhecken und Sträuchern.

Doch als der Königssohn ins verwunschene Schloss eindringt, stutzt der gewiefte Krimikenner: Auf wundersame Weise ist die Prinzessin aus besagtem Turmgemach in eine „vergoldete Schlafkammer“ gelangt, wo sie in einem prächtigen Bette schlummert, bis der Prinz endlich geruht, sie per Kuss von Fluch und Schlaf zu erlösen.

Was dann folgt, kennt man schon. Kaum hat der frischgebackene König die Prinzessin – fünfzehn scheint das ideale Heiratsalter zu sein! – geehelicht und mit ihr zwei Kinder gezeugt, als er auch schon in den Krieg muss und seine Familie der insgeheim bösen Königinmutter anvertraut. Die will erst die beiden schönen Kinderlein, dann die Königin verspeisen, und der Haushofmeister soll ihr dabei helfen. Der erbarmt sich jedoch der Opfer und versteckt sie. Als die Königin alias Schwiegermonster die Versteckten entdeckt, will sie sie und ihre Helfershelfer in ein Fass voller giftiger Schlangen stecken, kommt darin aber letztlich selbst darin um…

Basiles Grundmotive sind alle vorhanden, inklusive der Feen, nur die Vergewaltigung und Nekrophilie fehlen. Dafür wird der Kannibalismus regelrecht, ähem, ausgekostet. Sehr schön ist das Motiv der Zeitreise herausgearbeitet: 100 Jahre lang war das Schloss praktisch verschwunden, und als der Prinz der Neuzeit eintritt, glaubt er sich in die Zeit seiner Großmutter versetzt, so veraltet sind Make-up und Mode der wiederwachten Damen.

Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Dornr%C3%B6schen und https://de.wikipedia.org/wiki/Charles_Perrault .

3) Grimm: Dornröschen (ab 1812)

Diese Version folgt Perrault, lässt aber die zweite Hälfte weg, in der die eifersüchtige Königinmutter auftritt und ihren Unfug treibt. Kaum hat der Prinz also nach Ablauf der Fluchdauer von 100 Jahren das Schloss betreten und die immer noch 15-jährige Prinzessin geküsst, erwacht der ganze Hofstaat und es darf bald Hochzeit gefeiert werden.

Wie man sieht, ist der Text des 19. Jahrhunderts klinisch getestet und frei von allen verfänglichen Details, die noch Perrault kannte. Kein Wunder, dass diese expurgierte Endfassung (die frühen Fassungen sehen ganz anders aus) es in allen bürgerlichen Haushalten weltweit zum Bestseller schaffte.

4) Von dem Fischer un syner Frau (auf Plattdeutsch)

Der Fischer und seine Frau leben ärmlich in einem „Pisspott“, doch ein sprechender Butt, den der Fischer am Leben lässt, revanchiert sich mit einem erfüllten Wunsch, den die Frau begehrt: eine eigene Hütte. Der Fischer wär’s eigentlich zufrieden, doch seine Frau, die Ilsebill, die will nicht so, wie er will. Folgende Wünsche werden ihr vom Butt erfüllt: ein eigenes Schloss, sie wird König, sie wird Kaiser, sie wird Papst. Drüber gibt’s nichts mehr, denkt der Fischer. Zu früh gefreut: Sie will wie Gott werden…

Anhand der Farbe und des Zustandes des Meeres kann der Fischer ablesen, wie der Butt aufgelegt ist: Dessen Seelenzustand ist im Zustand der See gespiegelt. Deren Farbe wird immer dunkler und gewittriger. Vorm letzten Wunsch (wie Gott werden) tobt ein Orkan. Nach der Erfüllung landen die beiden wieder im „Pisspott“. Ein Beispiel für destruktive Liebe?

5) Grimm: Von dem Fischer und seiner Frau (ab 1812)

Erstaunlicherweise folgt der hochdeutsche Text der Grimm-Version exakt den Vorgaben aus der friesischen Sage. Dem Gesagten ist also nichts hinzuzufügen. Weitere Informationen in der Wikipedia unter https://de.wikipedia.org/wiki/Vom_Fischer_und_seiner_Frau.

6) Grimm: Von dem Machandelboom (ab 1812)

Als die erste Frau des reichen Mannes stirbt, hinterlässt sie ihm einen wunderschönen Knaben. Er begräbt sie unter dem Machandelbaum ((Wacholder)). Von der zweiten Frau hat er eine Tochter, doch er ahnt nichts von ihrer heißen Eifersucht auf den Jungen, dem sie das Leben schwer macht.

Eines Tages gelingt es ihr, ihn auf raffinierteste Weise ins Jenseits zu befördern. Ihre Tochter Marlenchen ahnt nichts und stupst die aufrecht sitzende Leiche an, dass dieser der Kopf vom Hals fällt. Untröstlich läuft sie zu ihrer Mutter, doch die schlachtet den Körper und serviert ihn ihrem Mann in Sauerkraut. Der findet den Braten höchst lecker, wundert sich aber über die Abwesenheit seines Sohnes. Er sei zu Verwandten gereist, lügt die Frau, und der Mann isst den Braten ratzekahl.

Marlenchen aber, die ihren Bruder geliebt hatte, sammelt alle Knochen in einem Seidentuch auf und begräbt sie unter dem Machandelbaum. Ein Licht, ein Feuer und ein Nebel, dann erscheint ein sprechender Vogel in den Zweigen des Machandelbaums und fliegt davon. Dieser Vogel begibt sich auf eine besondere Rachemission, an deren Ende die verbrecherische Stiefmutter den Tod findet. Der Knabe erscheint wieder, und die Familie ist glücklich wiedervereint.

Es handelt sich um ein Märchen über Gut und Böse, Verrat und Treue, Wiederauferstehung und Bestrafung. Unzählige Motive wie etwa den Totenvogel finden sich anderen deutschen Märchen. Weitere Informationen finden sich in einem umfangreichen Wikipedia-Artikel unter https://de.wikipedia.org/wiki/Von_dem_Machandelboom.

Hinweise:

• Johann Wolfgang von Goethe verwendet das Märchen vom Machandelbaum (Erstausgabe 1812) am Ende von Faust I („Urfaust“ 1772-1775; Buchausgabe 1808) Gretchen singt das Lied des Vogels in etwas abgewandelter Form, als sie im Kerker sitzt.

• Franz Fühmann verfasste ein Hörspiel zu „Von dem Machandelboom“.

• Roderick Watkins schrieb eine Oper mit dem Märchenstoff: „The Juniper Tree, An Opera in One Act“ (aufgeführt auf der „Musikbiennale für neues Musiktheater“, Frühjahr 1997 in München)

Unterm Strich

Die Märchen sind die eigentliche Grundlage dieses Buches, und daher habe ich diese Texte als erste gelesen, danach erst ihre Interpretation durch Birte Schumann. Interessant fand ich v.a. die drei völlig unterschiedlichen Fassungen des Dornröschen-Märchens (siehe dazu meine Anmerkungen und die weiterführenden Links). Das Fischer-Märchen bekommen wir hingegen zweimal präsentiert, einmal hoch-, einmal plattdeutsch. Das Märchen vom Machandelboom ist seit jeher von großer Wucht und nur mit Basiles Blut- und-Tod-Metaphorik zu vergleichen.

Die Autorin versucht sich mit verständlicher Textanalyse, Partnerberatung und Philosophie an diesen exemplarischen Texten, muss aber notgedrungen zahlreiche Aspekte außen vor lassen. Ich fasste ihre vier Essays als Anregungen auf, sich dem Generalthema Liebe auf verschiedenen Wegen zu nähern.

Sternmuts Gedichte loben wie weiland König Salomo sowohl die emotionale und spirituelle Dimension der Liebe wie auch ihre körperlich-sinnliche: Agape wird mit Eros vermählt, in glühender Sprache wird das Generalthema schier unendlich variiert.

Zielgruppen

Wer auch immer sich als Erwachsener mit dem Thema Liebe und Schicksal beschäftigen will, kann gerne zu diesem vielseitigen Band greifen, um darüber zu reflektieren. Märchenfreunde und Lyrikbegeisterte finden ausgezeichnete Texte, die man an andere Erwachsene verschenken kann. Ob Motive wie gekochte und servierte Kinder für Minderjährige so geeignet sind, wage ich zu bezweifeln. Auch Vergewaltigung und Nekrophilie sind wie dieser Kannibalismus nicht jedermanns Sache – aber man diese Basile-Fassung von „Dornröschen“ auch einfach links liegenlassen.

Sex findet praktisch nur bei Basile statt – alle anderen Texte blenden das Thema und seine Metaphorik aus. In der Lyrik wird es verschlüsselt, und man muss schon ein Schelm sein, die Symbole richtig zu dekodieren. Der Gedanke, Dornröschens Erweckung könnte gar ein Geschlechtsakt gewesen sein, findet sich nicht in diesem Buch, sondern in den drei „Dornröschen“-Romanen von Vampirspezialistin Anne Rice, die sie unter dem Pseudonym „Anne Roquelaure“ (ein französischer „roquelaure“ war ein weiter – nomen est omen – Mantel) verfasst und veröffentlicht hat. So breiten auch wir das, ähem, Mäntelchen des Schweigens über dieses lästige Thema.

Taschenbuch: 233 Seiten
ISBN-13: 9783956322846

https://www.wiesenburgverlag.de/

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