Der urzeitliche Weg des Menschen über die noch unbesiedelte Erde war auch ein Kampf gegen die örtliche Tierwelt, welche die Neuankömmlinge nie mit offenen Armen, aber mit weit geöffneten Mäulern begrüßte. Intelligenz ermöglichte unseren Vorfahren, sich ihre Nische zu ertrotzen … – Das Begleitbuch zu einer erfolgreichen BBC-Serie schildert den Stand der Forschung und zeigt die Vorzeit und ihre Bewohner in (digitalen) Bildern: Wissenschaft anschaulich und spannend, wenn auch sehr light, da die Besiedlungsgeschichte des ganzen Planeten verkürzt dargestellt wird und die Autoren übertreiben, indem sie Jahrtausende der Menschheitsgeschichte als permanenten Kampf gegen angebliche Monster dramatisieren: dennoch empfehlenswert.
Inhalt
Der Weg des urzeitlichen Menschen führte ihn nach und nach über die gesamte Erde. Ganze Kontinente galt es zu entdecken, zu erforschen und zu besiedeln. Immer trafen die Neuankömmlinge dabei auf tierische Ureinwohner, die zwar nicht besonders schlau, aber entweder schmackhaft oder wenig erfreut über konkurrierende Nachbarn waren. Auf jeden Fall waren sie groß und mit scharfen Zähnen oder Klauen ausgestattet, was den Homo Sapiens vor Probleme stellte. „Menschen gegen Monster“ folgt unseren Vorfahren, wobei die Kapitel den zeitlichen Ablauf nachzeichnen.
Kapitel 1: Der Mensch ist nach Ansicht der modernen Forschung in Afrika ‚entstanden‘. Etwa sechs Millionen Jahre ist es her, dass dort durch dichten Urwald ein kleines Tier sprang, aus dem sich später Affen und Menschen entwickelten. Bis es soweit war, mussten beide der heimischen Großfauna ihren Tribut zollen. Offenbar war es vor allem die Angst, die unsere Vorfahren über Äonen vor ihren überlegenen (und hungrigen) Gegnern ausstanden, aber das Hirn zwecks Gegenwehr wachsen ließ, während sich die Erinnerung an die Schmach, ständig gejagt und gefressen zu werden, genau dort einprägte. Deshalb ‚wissen‘ wir instinktiv noch heute, dass um einen Löwen lieber einen Bogen zu schlagen ist, während sich dieser daran ‚erinnert‘, dass sich die leckere Beute von einst erst zu einer Landplage und dann zu einer ernsten Gefahr entwickelt hat.
Kapitel 2: Vor 60000 Jahren war es soweit: Der Mensch verfügte über das (geistige) Rüstzeug und die Entschlossenheit, um über den afrikanischen Tellerrand zu schauen. Wie es aussieht, war es Australien, das man zuerst ansteuerte; Europa lag zwar näher, wurde aber gerade wieder einmal von Eiszeit-Gletschern blockiert. Die Vorfahren der heutigen Aborigines stellten ihre Intelligenz und Entschlossenheit unter Beweis, denn Australien war damals wie heute ein Inselkontinent, der sich nur per Boot erreichen ließ. Sie erreichten eine Welt, die an einen fernen Planeten erinnerte, denn sie wurden u. a. erwartet von straußengroßen Enten und gelenkbuslangen Echsen.
Kapitel 3: Vor 35000 Jahren hatte sich das Eis über Europa zwar noch nicht zurückgezogen, aber es konnte den Menschen nicht mehr stoppen. Köpfchen und Kleidung zeichneten Siedler aus, die ganz sicher keine grunzenden Höhlenbewohner waren. In der neuen Welt traf man auf viele unerfreuliche alte Bekannte: Vor dem Menschen hatte die afrikanische Großtierwelt Europa als Lebensraum entdeckt. Löwen, Hyänen, Bären, Elefanten, Nashörner – sie waren alle schon da und hatten in der Kälte an Größe, Haaren und Selbstbewusstsein noch zugelegt.
Kapitel 4: Vor 13000 Jahren ging der Mensch daran, den riesigen amerikanischen Doppelkontinent unter die Lupe zu nehmen. Die größte Landnahme, seit er Afrika verlassen hatte, fand lange vor Kolumbus statt. Die Monster warteten auch hier, aber inzwischen hatte ihr zweibeiniger Kontrahent längst gelernt, solche Kämpfe für sich zu entscheiden; selbst elefantengroße Faultiere und andere bizarre Ungetüme wurden jetzt recht zügig ausgerottet.
Kapitel 5: Die Polynesier übernahmen es, sich den Rest der Erde untertan zu machen. Großinseln wie Madagaskar, Neuseeland oder Hawaii wurden vergleichsweise spät, d. h. manchmal erst vor wenigen Jahrhunderten besiedelt. Da blieb den Menschen wenig Zeit, die vor Ort gefundenen Monster auszurotten. Aber sie hatten sich weit entfernt von den ängstlichen Duckmäusern aus Ur-Afrika, sodass sie die letzten Großtiere der Eiszeit gerade noch umbringen konnten, bevor sich der Naturschutzgedanke manifestierte.
Ein abschließendes Kapitel versucht zu interpretieren, was uns im Schnelldurchlauf vorgestellt wurde: Hat die (eiszeitliche) Welt den Menschen oder hat der Mensch die Welt geprägt? Der kaum überraschende Schluss bejaht beides, nur dass sich das Schwergewicht stetig verschob. Je weiter wir uns der Gegenwart nähern, desto souveräner wusste der Mensch seine Position zu behaupten. Aus der Beute wurde im Laufe von Äonen der Nachbar und schließlich der Herr – ein unduldsamer Herr, der seine Ressourcen allzu oft unbedacht vernichtete, statt sie einzuteilen. Der Kampf „Menschen gegen Monster“ endete ausnahmslos mit dem ‚Sieg‘ der Zweibeiner. Bis es soweit war, musste freilich viel blutiges Lehrgeld gezahlt werden. Das schärfte den Intellekt, weshalb wir Menschen den ‚Monstern‘ zu danken haben: Ohne sie wären wir wohl nicht sehr weit gekommen, sondern würden womöglich weiterhin in einem warmen Land von Ast zu Ast springen.
Das „Monster“ als Symbol
Der Weg des Menschen über die Erde, bevor sie ihm ‚gehörte‘, die einzelnen Stationen fassbar gemacht am Beispiel der ursprünglichen Bewohner, die ihm das Leben schwer, es aber gleichzeitig erst möglich machten: „Menschen gegen Monster“ ist trotzdem ein Locktitel, erdacht anscheinend mit dem Gedanken, dass man Naturwissenschaft heutzutage spannend ‚verkaufen‘ muss, um ihr ein nach ständigen Sensationen gierendes Publikum zu gewinnen.
Glücklicherweise ist dies der einzige Trick, denn im Buchinneren geht es wesentlich sachlicher zu. Schon im Vorwort relativieren die Verfasser die Bezeichnung „Monster“: Sie werden primär als Ausdruck einer Emotion definiert, die unsere Vorfahren empfanden, welche sich hilflos den Löwen, Säbelzahntigern und anderen Raubtieren ausgeliefert sahen. Gleichzeitig waren da Mammuts, Auerochsen und andere schmackhafte Kreaturen, die sich einfach nicht kampflos in den Kochtopf locken lassen wollten und erst durch wahre Knochenarbeit dorthin zu zwingen waren.
Das Autorenkollektiv versucht uns Leser kurz und knapp mit dem faszinierenden Phänomen der Erdbesiedlung vertraut zu machen. Die stellt sich aber nicht als ständiger Krieg gegen geifernde Ungeheuer dar. Stattdessen lernen wir den Menschen als zunehmend klügeren und vor allem hartnäckigen Zeitgenossen kennen, der sich seine Nische erst sucht, dann findet und später erobert.
Äonen unter Buchseitendruck
„Menschen gegen Monster“ stellt uns die breite Ausgangssituation vor. Afrika, Australien, Europa, Nord- und Südamerika, die pazifische Inselwelt: Stets mussten eigene Strategien entwickelt werden. Die unglaubliche Herausforderung weiß dieses Buch deutlich zu machen, indem es die unterschiedlichen Welten vorstellt. Die eigentlichen Monster entpuppen sich dabei als extreme Kälte oder Hitze, scheinbar unüberwindliche Bergketten oder Wasserflächen. Sie werden ‚ergänzt‘ durch zwischenmenschliche Konflikte, die unsere Spezies begleiten, seit es sie gibt.
„Monster“ sehen wir vergleichsweise selten. Da es sie nicht mehr bzw. nur noch als klägliche Knochenhaufen gibt, wurden sie mit Hilfe modernster Technik digital neu erschaffen. Dabei bediente man sich der aktuellen Wissenschaft. Gemeint ist damit ein Zusammenspiel unterschiedlicher Fachrichtungen. Geologen, Klimatologen, Biologen, Paläontologen, Archäologen … Das Spektrum ist enorm, die daraus resultierende Arbeit gewaltig. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die Zusammenführung des vorhandenen Wissens summiert sich zu einem bemerkenswerten Gesamtbild.
Die Materie ist komplex. Das führt zu Vereinfachungen, die den Fachmann sicherlich die Stirn runzeln lassen. Aber auch der Laie merkt, dass ihm (oder ihr) manchmal Informationen vorenthalten werden. „Menschen gegen Monster“ ist vor allem eine Einführung, ein erster Überblick. Allzu simpel und oft sprunghaft rasen die Autoren durch die Zeiten. Hier macht sich zudem bemerkbar, dass „Menschen gegen Monster“ das ‚Nebenprodukt‘ einer Fernsehserie ist. Dieses Medium vermittelt seine Informationen über Bild und Ton weiter und damit unmittelbar. Das Buch fordert eigene Denkarbeit. Dies macht mehr Input und eine andere Art der Wissensvermittlung erforderlich. Dabei ist „Menschen gegen Monster“ irgendwo auf halber Strecke stecken geblieben.
Gut aufgewogen wird dieses Manko durch fabelhaftes Abbildungsmaterial. Gestochen scharfe, oft großformatige Farbfotos und sehr anschauliche Karten fesseln das Auge. Viel wurde verständlicherweise aus den TV-Filmen übernommen. Das betrifft vor allem die aufwändigen Digitalbilder längst ausgestorbener Kreaturen. Von Kostenersparnis und Serienproduktion kündet im Amerika-Kapitel auch die Übernahme von Bildern aus dem BBC-Band „Wildes Amerika“. Der Lese- bzw. Informationsspaß ist auch Jahre nach dem Ersterscheinen weiterhin beträchtlich.
Autoren
„Menschen gegen Monster“ ist ein Gemeinschaftswerk von Terry Oakes, Amanda Kear, Annie Bates und Kathryn Holmes, ihres Zeichens Naturwissenschaftler bzw. Journalisten. Sie stellen sich einer wichtigen und auch schwierigen Aufgabe und schaffen eine Schnittstelle zwischen der Forschung und dem durchaus interessierten, aber oftmals überforderten Laien. Die vier Autoren – auch verantwortlich für die TV-Miniserie – leisten gute Arbeit, für die sie sich nicht selbst auf die Schulter klopfen, sondern die Urheber der vorgestellten Thesen und Erkenntnisse nennen. „Menschen gegen Monster“ – dies sei hier abschließend noch einmal in Erinnerung gerufen – ist trotz des reißerischen Titels und des leichten Tons ein Schnappschuss des aktuellen Forschungsstandes in vielen unterschiedlichen Zweigen, die an dieser Stelle zusammengefasst und allgemein verständlich aufbereitet werden.
Gebunden: 208 Seiten
Originaltitel: Monsters We Met. Man’s Prehistoric Battle for the Planet (London : BBC Worldwide Ltd. 2003)
Übersetzung: Sebastian Vogel
Der Autor vergibt: