Oliver Plaschka – Das Licht hinter den Wolken (Lied des Zwei-Ringe-Lands)

April hat es nicht leicht. Sie ist in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, ohne eine Mutter und mit einem Vater, der sie ausbeutet und misshandelt. Cassiopeia dagegen ist eine Senatorentochter, reich und privilegiert. Beide wurden bei ihrer Geburt auserwählt. Aber keines der beiden Mädchen weiß davon. Bis die Mächte der Welt den ersten Zug in der letzten Runde ihres Spiels machen …

So unterschiedlich wie ihre Lebenssituation sind auch die Mädchen selbst.

Cassiopeia ist zielstrebig und für eine Patrizierin ziemlich zäh. Nahezu alles, was sie von „Spielbeginn“ an tut, dient der Rache, und ganz gleich, was sie dafür aushalten muss, sie weicht nicht von ihrem Weg ab, opfert alles dafür.

April dagegen scheint nicht recht zu wissen, was sie mit ihrem Leben anfangen soll. Kaum hat sie den Ursprung des geheimnisvollen Lichts gefunden, das sie ihr Leben lang wahrgenommen und nach dem sie sich immer so gesehnt hat, gestaltet sich ihr weiterer Werdegang eher planlos. Sämtliche Entscheidungen scheinen aus dem Bauch heraus getroffen, aus Übermut, Angst oder anderen überschäumenden Gefühlsregungen heraus. April ist so emotional, wie Cassiopeia beherrscht ist.

Janner wiederum hat zwar durchaus ein paar Träume und Ziele, im Gegensatz zu Cassiopeia gelingt es ihm jedoch nicht, mit derselben Energie darauf hinzuarbeiten. Immer wieder lässt er sich von anderen, den Umständen oder auch seiner eigenen Schwäche ablenken.

Und dann wäre da noch Sarik, ein Magier auf der Suche nach seinen Erinnerungen. Im Grunde ist er kein schlechter Kerl, aber auch solche Leute machen Fehler, und Sarik fehlt ganz entschieden die Fähigkeit, mit seinen Fehlern umzugehen.

Oliver Plaschkas Charaktere sind wirklich sehr eigenständig und glaubwürdig geraten. So richtig sympathisch war mir aber keiner von ihnen. In Janners Fall lag das vor allem an seinem Verhalten Cassiopeia gegenüber, sowohl bei ihrem Wiedersehen in Ipatana wie auch am Ende des Buches. Mit jemandem, der wie April beschließt, Banken zu überfallen, einfach nur, weil er es kann, kann ich auch nicht viel anfangen. Und Sarik stellte sich im Laufe der Geschichte, in der er seine Erinnerungen zurückerhält, als ziemlicher Jammerlappen heraus, der außerdem nichts aus seinen Fehlern gelernt hat. Das alles bot nicht sehr viel Identifikationspotenzial.

Sehr gelungen fand ich dafür den Bösewicht, nicht nur, weil der Autor seine Identität gekonnt verschleiert hat, sondern vor allem, weil er nicht von vorneherein als solcher auf die Welt kam und sein Leben lang nichts anderes tat, als aus Machtgier die Welt zu unterjochen.

Die Verschleierung hat allerdings auch ihre Nachteile. Es dauert ziemlich lange, bis sich aus den einzelnen Teilen allmählich herauskristallisiert, worum es bei der Geschichte überhaupt geht. Bis die erste Andeutung fällt, vergehen gut zweihundert Seiten, und dann dauert es weitere hundertsechzig Seiten, bis die Erzählung sich dieser Thematik wieder zuwendet. Da ist die Hälfte des Buches gelesen.

Das hätte nicht unbedingt ein Nachteil sein müssen, wenn das Füllmaterial dazwischen genug Substanz aufgewiesen hätte. Statt dessen hatte ich immer wieder Durchhänger, vor allem im Zusammenhang mit dem ersten Teil der Ballade von Banneisen und Schneeklinge. Zwar hatte das Gebaren der beiden unbestreitbar Auswirkungen auf die Entwicklung der Handlung, ein wenig Straffung hätte diesem Teil der Geschichte meines Erachtens aber nicht geschadet. Bei den Ereignissen um Cassiopeia war es nicht ganz so schlimm, aber auch hier fragte ich mich, ob man nicht auf ein paar Details hätte verzichten können, zum Beispiel die Sache mit dem namenlosen Jungen, Loal und Dalcaro.

So kommt es, daß der Leser sich durch vierhundert Seiten lesen muss, ehe die Fäden von April und Cassiopeia sich erstmals berühren und der Leser erfährt, worin überhaupt die Verbindung zwischen den beiden besteht. Das ist der Punkt, wo die Geschichte zum Kern der Sache kommt, und ab da wird es interessanter. Aber nicht unbedingt einfacher.

Ein Großteil der Enthüllungen wird in Rückblenden erzählt. Die sind zwar zur Unterscheidung kursiv gedruckt, das sind einfache Gedanken aber auch. Abgesehen davon ergeben die Rückblenden nur im Zusammenhang mit den alten Legenden einen Sinn, und das alles kommt nicht chronologisch daher. Der Leser muss die richtige zeitliche Abfolge selbst herstellen. Natürlich, während er weiterhin den einzelnen Strängen der eigentlichen Handlung folgt.

Trotz aller Komplexität hat der Autor seine Geschichte insgesamt schlüssig und ohne große logische Haken erzählt. Ein paar Fragen sind dennoch geblieben. Zum Beispiel, warum die Lagandäer die ankernden Galeeren an der teveralischen Küste angegriffen haben. Oder wie genau Lesardre sich den Dämon zugezogen hat, denn aus der Erinnerung geht nicht hervor, daß die Krähe ihm auch nur nahe gekommen wäre, geschweige denn ihn verletzt hätte.

Am Ende blieb ich mit gemischten Gefühlen zurück. Obwohl keine seiner Figuren mir wirklich nahe kam, waren sie doch erfreulich klischeefrei und lebendig gezeichnet. Auch an anderen Stellen zeigte der Autor sich ausdrucksstark, zum Beispiel im Zusammenhang mit Sariks Besuch bei der Herrin der Dämmerung. Anderes empfand ich trotz gelungener Schilderung allerdings eher als Balast, so zum Beispiel die ausführlichen Abenteuer von Banneisen und Schneeklinge. Sie waren zwar abwechslungsreich, aber nicht übermäßig spannend, und irgendwann fragte ich mich, was daran wohl so wichtig war, daß Oliver Plaschka so ausführlich darauf einging. Im Nachhinein muss ich sagen: eigentlich nichts.

Kurz: ein intelligenter Plot, stellenweise etwas langatmig erzählt, interessant, aber nicht unbedingt mitreißend.

Oliver Plaschka studierte Ethnologie und Anglistik und arbeitet als freier Autor und Übersetzer. Aus seiner Feder stammen unter anderem „Der Kristallpalast“, „Die Magier von Montparnasse“ und sein Debutroman „Fairwater“, für den er 2008 den deutschen Fantastikpreis erhielt.

Gebundene Ausgabe 686 Seiten
ISBN-13: 978-3-608-93916-3

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