Ian Fleming – James Bond 007: Moonraker

Das geschieht:

Er ist ein Kriegsheld, einer der erfolgreichsten Geschäftsmänner seiner Zeit, märchenhaft reich, ein Philanthrop, der mit Spendengeld um sich wirft. Jetzt finanziert und konstruiert Hugo Drax seinem britischen Heimatland sogar die modernste Rakete der Gegenwart, die Atombomben an jeden Ort der Erde tragen kann, wo Kommunistenpack oder anderer Abschaum sich gegen die freie Welt des Westens verschwören will.

„Moonraker“ ist für die auch in diesem Jahr 1955 notorisch klamme Regierung Ihrer Majestät ein Geschenk des Himmels. An der englischen Küste nahe Dover wird die Wunderrakete gebaut und in Stellung gebracht. Zwischenfälle sind unerwünscht. Umso peinlicher, dass ausgerechnet M, der die 00-Abteilung des Secret Service – zuständig für ganz besonders diffizile Geheimdienstaufgaben – leitet, den in seinem Lieblingsclub zockenden Drax als Falschspieler entlarvt. Guter Rat ist teuer, um einen Skandal zu vermeiden. So bittet M James Bond, Dienstnummer 007, um Hilfe. Ian Fleming – James Bond 007: Moonraker weiterlesen

Lovecraft, H. P. – kosmische Schrecken, Der

„Der kosmische Schrecken“ ist ein Sammelband mit den besten Kurzgeschichten und Novellen von Howard Phillips Lovecraft, dem sogenannten Tolkien der Horrorliteratur. Er gilt noch heute als einer der Vordenker und Begründer der klassischen Horrorliteratur und ist zusammen mit Edgar Allen Poe wohl auch der bekannteste Autor dieses Genres. Wer mehr über den Autor erfahren möchte, sollte unbedingt die unten stehenden Links beachten.

Seine bekanntesten und in diesem Band versammelten Werke sind „Der Schatten über Innsmouth“, „Die Ratten im Gemäuer“ sowie „Das Ding auf der Schwelle“. Desweiteren enthält „Der kosmische Schrecken“ die Kurzgeschichten „Dagon“, „Der Flüsterer im Dunkeln“ und „Der Außenseiter“ sowie Anmerkungen, Notizen und eine verworfene Fassung zur Geschichte „Der Schatten über Innsmouth“.

Der Sammelband erschien in „H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens“ des |Festa|-Verlags und ist edel gebunden und von hoher Qualität, sowohl inhaltlich als auch materiell.

Ich möchte nunmehr die Geschichten kurz vorstellen, wobei ich „Dagon“ und „Der Außenseiter“ bewusst auslasse, da diese beiden den Begriff Kurzgeschichte mit sieben beziehungsweise neun Seiten durchaus wörtlich zu nehmen wissen.

_Die Ratten im Gemäuer_

Ein Amerikaner namens Delapore bezieht den neu renovierten Stammsitz seines Clans in England, die Exham Priory. Das Gemäuer stand seit 1610 leer, da ein Vorfahre nach Virginia auswandern musste. Warum, ist dem Neuankömmling noch unklar. Doch schnell merkt er, dass er von den Einwohnern der umliegenden Dörfer gemieden wird und zahlreiche Schauergeschichten über die Exham Priory und das Geschlecht derer De la Poer(so hießen sie vor der Auswanderung) kursieren.

Delapore stellt Nachforschungen an und findet heraus, dass seine Vorfahren und er als Geschlecht erbranker Dämonen dargestellt werden, gegen die Gilles de Rais und der Marquis de Sade wie blutige Anfänger wirken. Besonders lebhaft allerdings bleibt ihm die Geschichte von einer Rattenarmee im Gedächtnis, die sich aus dem Haus ergossen haben soll und vielen Tieren und einigen Menschen aus der Umgebung den Tod brachte. Er bringt außerdem in Erfahrung, dass die Grundmauern seines Hauses noch aus der Römerzeit stammen und dort der dunkle Kult der Magna Mater seine Riten praktizierte.

Nachdem Delapore nun eine Woche in Exham gewohnt hat, geschieht etwas Merkwürdiges. Seine zahlreichen Katzen spielen verrückt, einschließlich seines Katers Nigger, denn hinter den Wänden des Herrenhauses ist das Tippeln von unzähligen Ratten zu hören. Bei den Nachforschungen zu diesem Vorfall, die er zusammen mit seinem Bekannten Captain Norrys betreibt, entdeckt er im Keller einen Altar der Fruchtbarkeitsgöttin Kybele.

Zusammen mit einigen eiligst eingeladenen Archäologen untersuchen sie das Steingebilde und finden darunter einen Gang. Sie wissen nicht, dass der Schrecken, der dort unten lauert, weit älter ist als die Römerzeit und seine Finger schon nach Delapore ausgestreckt hat …

_Das Ding auf der Schwelle_

|Es ist wahr, dass ich meinem besten Freund sechs Kugeln durch den Kopf gejagt habe, und dennoch hoffe ich mit dieser Aussage zu beweisen, dass nicht ich sein Mörder bin.| (Auszug aus dem Buch)

Der Berichterstatter und ausführendes Organ dieser Tragödie, Daniel Upton, berichtet, wie es zu ebenjener kam. Der Freund, den er erschoss, hieß Edward Pickaman Derby und war zu Lebzeiten ein Student des Okkulten an der Miskatonic-Universität in Arkham, Neuengland. Da er allerdings von weichem Gemüte war und den Campus nicht verlassen wollte, studierte er mit seinen 38 Jahren noch immer dort. Das wurde ihm zum Verhängnis, als er die junge Asenth White kennen und lieben lernte.

Nach kurzer Zeit heirateten Edward und Asenath. Von nun an bekommt Upton seinen Freund nur noch selten zu sehen, und wenn doch, ist er stark verändert. Der Wandel Derbys vom schwachen Lethargiker zum schwungvollen, energiegeladenen Bonvivant macht Upton misstrauisch. Daher beginnt er, Nachforschungen über Asenath White und deren Vergangenheit anzustellen.

Asenaths Vater ist der im Wahnsinn verstorbene Hexenmeister Ephraim White, der um 1850 in Innsmouth einen Pakt mit seltsamen Wesen aus dem Meer geschlossen haben soll (siehe auch „Der Schatten über Innsmouth“ weiter unten). Sie scheint erstaunliche Gaben von ihrem Vater geerbt zu haben, denn sie ist eine begnadete Hypnotiseurin und vermag das Bewusstsein zweier Personen kurzfristig auszutauschen.

Die Jahre vergehen, und Ed Derby wird immer dynamischer und jünger, doch als Upton zufällig Asenath durch ein Fenster erblickt, bekommt er einen Schreck. Sie sieht alt und krank aus und scheint von ihrem Ehemann im ersten Stock eingesperrt worden zu sein. Wenige Tage später bekommt der Protagonist einen Anruf, in dem er erfährt, dass Edward Derby völlig verwirrt im Wald aufgefunden wurde. Upton holt ihn ab und auf der Heimfahrt eröffnet Edward ihm Ungeheuerliches.

Seine Frau würde mit ihm immer wieder die Seelen tauschen und ihn dann in Asenaths Körper einsperren. Außerdem sei es gar nicht Asenaths Seele, sondern die von ihrem Vater Ephraim White, die in ihrem Körper wohne. Er habe nämlich schon im Kindesalter die Kontrolle über seine Tochter übernommen und sucht jetzt einen männlichen Körper, da der weibliche nicht ausreichend für seine Zwecke sei. Daher hat er vor, die Seelen dauerhaft mit Derby zu tauschen.

Kurze Zeit später tötet Derby seine Frau und ein Ding klopft an Uptons Türe und fordert einen letzten Gefallen ein.

_Der Flüsterer im Dunkeln_

Albert N. Wilmarth ist Literaturprofessor an der Miskatonic-Universität. Er wird gebeten, einen Artikel über merkwürdige Sichtungen bei einer Überschwemmung in Vermont anno 1927 zu schreiben. Bei dieser wurde von krustentierartigen Wesen mit Flügeln berichtet, die tot in den Fluten trieben. Der Professor tut dies als Aberglauben ab, da die Beschreibungen außergewöhnlich gut zu alten Sagen und Volksmärchen aus dieser Gegend passen.

Kurze Zeit darauf erhält er einen Brief von einem gewissen Henry W. Akeley, der ihn bittet, die öffentliche Diskussion über die Sichtungen einzustellen, da die Leute von den Bergen Vermonts ferngehalten werden müssten. Er führt aus, dass es diese Wesen wirklich gebe und er ihm sogar Beweise zukommen lassen würde, wenn Wilmarth das wolle. Zudem behauptet er, die Wesen seien eine außerirdische Rasse, die in den Bergen Vermonts Rohstoffe abbaue und sehr ungehalten auf Störungen reagiere. Wilmarth stimmt dem Versand der Beweise zu und erhält ein Tonband, auf dem die Stimmen der Wesen aufgezeichnet sind, sowie Fotos von deren Fußabdrücken.

Die beiden Herren schreiben sich immer häufiger, und Akeley berichtet von menschlichen Spionen der Außerirdischen, dass er von diesen Wesen bedrängt würde und dass er seine Sicherheit nur seinen Wachhunden zu verdanken habe. Seine Briefe werden immer ängstlicher, doch er lehnt kategorisch ab, dass Wilmarth ihm zu Hilfe kommt, da er ihn nicht ebenfalls in Gefahr bringen möchte.

Doch nach einige merkwürdigen Vorfällen berichtet Akeley, dass er sich mit dem Wesen verständigt habe und lädt Wilmarth in sein abgelegenes Landhaus in die Berge von Vermont ein …

_Der Schatten über Innsmouth_

Ein junger Mann bereist im Jahre 1927 Neuengland. Auf seiner Reise hört er Geschichten über einen Ort namens Innsmouth, der allerdings auf keiner Straßenkarte verzeichnet ist. Dies weckt seine Neugier und er beschließt, diesem Städtchen einen Besuch abzustatten, trotz der Warnungen der Bevölkerung umliegender Dörfer. Dort seien die Menschen degeneriert und unchristlich und so mancher Fremder sei nicht mehr von dort zurückgekehrt.

Als der Ich-Erzähler in Innsmouth ankommt, erwartet ihn, was ihm beschrieben wurde: Eine halb verfallene und heruntergekommene Gemeinde, abweisende froschgesichtige Bewohner und einen unchristlichen Kult, der sich die Kirche des Dagon nennt.

Neugierig macht sich der junge Mann auf die Suche nach Informationen und erhält sie auch von einem 96-jährigen alkoholsüchtigen Kauz. Zadok Allen, wie dieser Kerl heißt, erzählt ihm mit lallender Zunge, dass ein hier ansässiger Kapitän einen Teufelspakt mit fischartigen Kreaturen aus dem Meer geschlossen habe und seitdem deren Gott Cthulhu Menschenopfer darbringe. Doch das ist noch nicht alles, denn die Rassen, Meereswesen und Menschen, haben angefangen sich zu vermischen, und die meisten Bewohner von Innsmouth seien mittlerweile hybride Mischwesen, die aus dieser ungeheuerlichen Verbindung hervorgegangen seien.

Dass es sich bei dieser Erzählung des Alten nicht um seniles Gerede handelt, merkt der Protagonist schnell, denn jetzt wird unerbitterlich Jagd auf ihn gemacht …

_Mein Eindruck_

Lovecraft versteht es meisterlich, trotz relativ absehbarer Handlung, den Leser zu überraschen. Die Geschichten sind alle in der Ich-Perspektive geschrieben und beschreiben alle, bis auf „Der Außenseiter“, vergangene Ereignisse. Dadurch erhalten sie eine Spannung und Direktheit, die den Leser fesselt. Sie fesseln nicht durch Action, wie das viele der heutigen Horrorgeschichten tun, sondern durch die Atmosphäre und den hintergründigen Schrecken. Interessant ist, dass das Ende der Geschichte meist schon zu Beginn feststeht; es ist also der Weg zu diesem Ende, der so spannend ist.

Auch die Zusammenstellung des Sammelbandes ist hervorragend. „Die Ratten im Gemäuer“, „Das Ding auf der Schwelle“, „Der Flüsterer im Dunkeln“ und „Der Schatten über Innsmouth“ zählen zweifellos zu den besten Kurzgeschichten Lovecrafts. Die Auflockerungen durch die wirklich kurzen „Dagon“ und „Der Außenseiter“ sind eine willkommene Abwechslung, und speziell erstere Geschichte passt stimmig zusammen mit „Der Schatten über Innsmouth“, schließlich heißt der dortige Kult nicht zufällig „Kirche des Dagon“.

Allerdings muss man Lovecraft auch durchaus kritisch bewerten. Schließlich ist das Frauenbild, das er in seinen Geschichten, speziell in „Das Ding auf der Schwelle“, präsentiert, alles andere als fortschrittlich. Wenn ein Hexer einen männlichen Körper sucht, weil der weibliche nicht über genügend geistige Kapazität verfügt, spricht das Bände. Auch der fremdenfeindliche Unterton in „Der Schatten über Innsmouth“ oder solche Dinge wie der Name des Katers (Nigger) in „Die Ratten im Gemäuer“ sind nicht zu leugnen. Doch meine ich, man sollte sich erst bewusst machen, dass erstens die Geschichten zwischen 70 und 80 Jahren alt sind und einer anderen Kulturepoche entstammen, und dass zweitens Lovecraft ziemlich eigenbrötlerisch und fremden Dingen allgemein wenig aufgeschlossen war.

Wer über diese Dinge hinwegsehen kann, wird mit diesem Sammelband seine wahre Freude haben. Doch auch wer schon einige der Kurzgeschichten besitzt, sollte eine Anschaffung erwägen, denn das Zusatzmaterial zu „Der Schatten über Innsmouth“ ist äußerst interessant, und Lovecrafts Notizen lassen durchaus auch auf seinen Charakter schließen sowie Zugang zu den Gedanken finden, die er sich über seine Geschichten gemacht hat.

So bleibt zu sagen, dass sich dieser Band sowohl für Lovecraft-Neulinge als auch für Fans eignet und einen guten Überblick über das Schaffen dieses bedeutenden Phantastik-Autors vermittelt.

Wer noch mehr über Lovecraft und seine Werke erfahren möchte, sollte sich ergänzend diese Besprechungen näher anschauen:

[Schatten über Innsmouth 506

[H. P. Lovecraft – Eine Biographie 345

Weitere Rezensionen zu Lovecraft-Werken bei |Buchwurm.info|:

[Der Cthulhu-Mythos (LPL-Hörbuch) 524

[Cthulhu: Geistergeschichten 1421

[Das Ding auf der Schwelle & Ratten im Gemäuer (LPL-Hörbuch) 589

[Der Fall Charles Dexter Ward 897

[Der Schatten über Innsmouth (LPL-Hörbuch) 424

[Die Katzen von Ulthar und andere Erzählungen 1368

Kotteder, Franz – Billiglüge, Die – Die Tricks und Machenschaften der Discounter

Mal Hand aufs Herz: Jede/r von uns war schon mal bei Aldi, Lidl, Schlecker und Konsorten einkaufen, oder? Und vor nicht allzu langer Zeit hat selten eine Werbekampagne die Käufermentalität besser auf den Punkt gebracht als: Geiz ist geil! Die Discounter sind, ob wir´s wollen oder nicht, immer stärker auf dem Vormarsch. Aldi zum Beispiel ist Marktführer bei PCs und Laptops, Seidenstrumpfhosen, Toilettenpapier und sogar beim Kaffee die Nummer drei in Deutschland. Der Marktanteil der Discounter beträgt 40 Prozent. Tendenz: Steigend!

Der Autor des Buches, Franz Kotteder, hat sich da so seine Gedanken gemacht, wie zur Zeit die Einkaufsmentalität (nicht nur der Deutschen) beschaffen ist, und welcher Rattenschwanz hinter den „Schnäppchen“ steckt. Hauptberuflich ist er seit 1991 Redakteur bei der „Süddeutschen Zeitung“ mit dem Schwerpunkt Kultur, hat sich aber auch als Autor von politischen Sachbüchern einen Namen gemacht.

Dabei fällt auf, dass sich das Buch sehr gut lesen lässt und recht kurzweilig geschrieben ist. Das Thema wird von seinen unterschiedlichsten Seiten beleuchtet. Der Schwerpunkt wird von der Discounterseite auf Aldi, Lidl und Schlecker gelegt. Natürlich gibt es erfolgreiche oder weniger erfolgreiche Nachahmer, doch die Erstgenannten sind nunmal die Marktführer. Interessant sind vor allem die Persönlichkeiten hinter den „Billigheimern“: Karl und Theo Albrecht (Aldi), Dieter Schwarz (Lidl) und Anton Schlecker (Schlecker). Die Personen hinter den Kulissen passen wie die günstigen Preise zu den einzelnen Ketten. Manch eine Tugend, die man normalerweise unter einer Marotte abtun würde, sieht man angesichts der Milliardenschwere der Gründer unter einem ganz anderen Blickwinkel. Es ist schon interessant, wie sparsam die Gründer sind, denn anders lässt sich ihre Mission, den günstigsten Preis herauszuholen, nicht erklären. Vor allem ist es interessant zu erfahren, wie die Preise zustande kommen bzw. welche Tricks und Kniffs die Ketten dabei anwenden.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Behandlung des Personals und warum die Discounter alles andere als darauf erpicht sind, einen Betriebsrat zuzulassen. Dass z. B. bei Rewe genauso viel Personal jeweils hinter der Fleisch-, Bäcker- und Käsetheke steht wie beim Aldi in einem ganzen Markt, ist sehr bezeichnend. Anders lässt es sich nicht erklären, warum die Mitarbeiter bei Aldi z. B. fleißig wie die Bienen ackern müssen, um den Markt in Schwung zu halten. Natürlich werden sie dabei gut entlohnt, doch welchen Preis müssen die meisten Mitarbeiter bei den Discountern zahlen?

Natürlich kommen auch grundlegende Dinge, wie z. B. die Herkunft der Billig-Eier, unter welchen Bedingungen Kakao geerntet wird und die „Produktion“ von Hähnchen und Puten zur Debatte. Danach überlegt man es sich mehr als einmal, ob beim nächsten Einkauf die Ware der Discounter die erste Wahl darstellt. Dasselbe trifft (leider) natürlich auch auf Garnelen zu, und den Preis für diese Produkte zahlt die Umwelt beziehungsweise am Ende der Kette der Verbraucher mit seiner Gesundheit. Die aufgeführten Beispiele bilden leider die Regel, was wohl auf absehbare Zeit nicht gestoppt werden kann.

Dass es aber trotzdem Wege aus der „Geizfalle“ gibt, wird in dem letzten Kapitel aufgezeigt. Interessant ist dabei, wie man das System „Discount“ auch auf einen Biodiscounter übertragen kann. Dabei handelt es sich um den Biodiscounter „Erdkorn“, der vom ehemaligen Aldi-Manager Thomas Hinz gegründet wurde. Die Vorgehensweise ist dabei wie beim Discounter, nur mit dem Unterschied, dass die Mitarbeiter besser behandelt werden und es sich ausschließlich um Bioprodukte handelt. Natürlich haben auch die ihren Preis, ohne Frage, doch kann die Kette die zwar guten, aber sehr teuren Reformhäuser preistechnisch unterbieten.

Alles in allem sind die aufgeführten Fakten schon bezeichnend, denn gerade aktuell wird das Thema in den Medien sehr stark hochgekocht. Seien es die Proteste der Gewerkschaft gegenüber Lidl oder die Einfuhrbeschränkung für aus China stammende Textilien: Das Thema ist aktueller denn je und wird wohl auch in Zukunft mächtig Staub aufwirbeln. Was das Buch angeht, so ist es meiner Meinung nach gut geschrieben, aber die Meinung, die dort vom Autor vertreten wird, ist sehr einseitig. Natürlich ist es leicht, die Discounter an den Pranger zu stellen und sie für vieles verantwortlich zu machen, was sie auch ohne Frage sind. Aber auf der anderen Seite kann ich´s mir nicht erklären, warum dieselbe Hähnchenbrust von „Kupfer“ bei Rewe doppelt so teuer ist wie beim Aldi, obwohl es sich um dasselbe Produkt handelt. Auch in Sachen „Bio“ sind die Discounter auf dem Vormarsch, wo auch hier wieder Aldi Pionierarbeit leistet. Das sind einige Punkte, die mir auch nach zweimaliger Lektüre des Buches nicht unbedingt einleuchten wollen.

Das Beste aber ist es, wenn ihr euch selbst das Buch zulegt, um euch ein eigenes Bild von den „Zuständen“ bei den Discountern zu machen. Spannend ist es auf jeden Fall, und wer Cents, ähm, ich mein Blut geleckt hat, dem seien noch folgende Bücher als Ergänzung empfohlen:

Dieter Brandes, „Die 11 Geheimnisse des Aldi-Erfolgs“, Frankfurt/Main 2003

Dieter Brandes, „Konsequent einfach – Die Aldi-Erfolgsstory“, München 2001

Andreas Hamann und Gudrun Giese, „Schwarz-Buch Lidl – billig auf Kosten der Beschäftigten“, herausgegeben von Verdi, Berlin 2004

Naomi Klein, „No Logo – Der Kampf der Global Players um Marktmacht“, München 2001

Dela Cruz, Arthur – Kissing Chaos

„Kissing Chaos“ ist das Comic-Debüt von Arthur Dela Cruz, der 2002 für einen |Eisner Award| nominiert wurde – als Talent, das größere Aufmerksamkeit verdient hat. Die erste Miniserie, die in diesem Band gesammelt vorliegt, wurde außerdem von |Ain’t Cool News/Gray Haven Magazine| als eine der zehn besten Comic-Serien des Jahres ausgezeichnet.

Dela Cruz ist einer dieser aufstrebenden Zeichner, die in ihren Büchern Emotionen, Gewalt, Action und Tiefgang darstellen und somit auch ein gewises Maß an Melancholie kreieren. Bei „Kissing Chaos“ ist es dem Autor und Zeichner dabei gelungen, düstere Schwarzweiß-Ilustrationen mit einer wirklich sehr guten Geschichte zu verknüpfen, die darüber hinaus gar nicht mal so leicht durchschaubar ist – und das, obwohl Dela Cruz sich weitestgehend der Umgangssprache bedient.

_Story:_

Angela, Damien und Raevyn könnten von ihrer Ausstrahlung her kaum verschiedener sein. Erstere strahlt eine fast schon unheimliche innerliche Ruhe aus und spricht nicht ein Wort. Doch der äußere Schein trügt, denn Angela trägt ein schreckliches Geheimnis in sich, von dem nicht mal ihr Engel, der geliebte Damien, weiß. Damien ist ein ziemlich übler Draufgänger-Typ, dem jedes Mittel recht zu sein scheint – egal in welcher Hinsicht. Angela hat er nur zufällig getroffen, doch hat diese kurze Zeit schon gereicht, um ein Zeichen in ihrem Leben zu hinterlassen, das sich nicht mehr entfernen lässt. Raevyn hingegen ist eine ziemlich eigenbrödlerische Zicke mit einem übertriebenen Selbstbewusstsein, die ab und zu durch ihre flotten Sprüche Ärger provoziert. Sie war zudem einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort und gerät mitten in eine recht chaotische Geschichte hinein.

Doch jetzt haben die drei Charaktere eines gemeinsam: Allesamt sitzen sie in einem gestohlenen Auto und fliehen darin vor der jüngeren und älteren Vergangeheit – und vor der Polizei, die den Mörder eines älteren Geschäftmannes sucht und ihn in diesem Wagen vermutet. Doch ihre Flucht verläuft alles andere als problemlos: Alle drei werden wieder von ihrer Vergangenheit eingeholt, treffen dabei auf skrupellose Killer, Personen, die sie eigentlich nie wieder sehen wollten und geheimnisvolle Männer in Trenchcoats, die scheinbar überall anzutreffen sind. Und alle beherbergen sie nach wie vor ein individuelles, unheimliches Geheimnis …

Arthur Dela Cruz hat mit diesem Werk eine ziemlich komplexe und sehr tief greifende Geschichte entwickelt, bei der ich jetzt schon froh darüber bin, dass ich sie in diesem Sammelband komplett vorfinde. Ansonsten hätte man sicherlich ziemlich schnell den Faden verloren, denn der Autor und Zeichner wechselt fast beständig die Szenarien und schwenkt dabei immer wieder zwischen Vergangenheit, Illusion und Gegenwart hin und her.

Im Mittelpunkt steht dabei ganz klar die verlegene Angela, die unsterblich in ihren Begleiter Damien verliebt ist. Warum das so ist, kann man anfangs nur erraten, jedoch wird man im Laufe der Erzählung immer mehr mit dem gemeinsamen Geheimnis und ihrer seltsamen Verbindung konfrontiert. Angela spricht in diesem Buch nicht einen Satz, bekommt aber durch die verschiedenen illsutrierten Gedankengänge genügend Raum, um ihre Gefühle und Emotionen darzustellen. Die von Dela Cruz charakterisierte hübsche Frau wirkt dabei sehr zerbrechlich; erst blind aus Liebe, dann immer mehr von Selbstzweifeln geplagt und schließlich zu allem bereit, um die Illusion ihres Helden, ihres Engels aufrecht zu erhalten.

Und genau dieses Dilemma ist auch der Kernpunkt der Geschichte und wird durch die einzelnen Zwischenüberschriften beziehungsweise die poetisch vorgetragenen Übergänge zwischen den Kapitel deutlich verstärkt.

Es geht nämlich nicht in erster Linie um die fast schon oberflächlich erscheinende Flucht, sondern eher um die Umstände, die dazu führten. Sehr wohl beschäftigt sich „Kissing Chaos“ aber in gewisser Weise mit der Flucht vor Vergangenem und somit auch vor der Realität, und genau das wird durch die Gegenwartshandlung symbolisch geschildert.

Dela Cruz hat dabei als Autor, vor allem aber auch als Zeichner, der einen sehr guten Blick fürs Wesentliche hat und sich nicht mit unwichtigen Details aufhält, ganze Arbeit geleistet. Dies verraten auch die ganzen Hintergrundinformationen, die diesem Sammelband angehängt wurden. Hier bekommt Dela Cruz Gelegenheit, die einzelnen Charaktere noch einmal aus seiner Sicht vorzustellen und ihre Entstehungsgeschichte darzulegen. Dazu gibt es einzelne entfallene und alternative Sequenzen, welche die Geschichte dann nochmal in ein etwas anderes Licht rücken und Anlass zum Nachdenken geben.

Schlussendlich muss man jedenfalls sagen, dass hier das gesamte Paket ausgezeichnet ist, sowohl die Zeichnungen und die Story als auch die Aufmachung dieses edlen Bandes. Wer über den normalen Comic hinaus eine komplexe Story mag, der findet in „Kissing Chaos“ sicherlich das, wonach er sucht.

http://www.eidalon.de/

Robert Charles Wilson – Die Chronolithen

Wer ist Kuin?

Wissen Sie das? Nein? Nun, keiner weiß, wer Kuin ist. Aber jeder kennt ihn. Seit dem Tag, an dem der erste „Chronolith“ im thailändischen Chumphon erschien. Ein blauer Obelisk aus einem unbekannten, nicht analysierbaren und anscheinend auch unzerstörbaren Material mit einer Inschrift, die den Sieg der alliierten Streitkräfte Kuins über Süd-Thailand und Malaysia preist – am 21. Dezember 2041. Zwanzig Jahre in der Zukunft. Spätestens aber, nachdem ein wesentlich größeres Exemplar in Form einer stilisierten menschlichen Gestalt explosionsartig Bangkok entkernt und zahllose Todesopfer gefordert hat. Und das war erst der Anfang …

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Dark, Jason u. a. – John Sinclair – Der Anfang (Die Nacht des Hexers: SE01)

John Sinclair sollte absolut keinem Hörspiel-Fan unbekannt sein, immerhin zählt die erfolgreiche Serie um den mysteriösen Geisterjäger schon 34 Episoden (von denen die Folgen 31-34 im November & Dezember erscheinen werden). Abseits davon gibt es aber auch zwei Sondereditionen, von denen mir die erste, „Der Anfang“, nun zur Rezension vorliegt. Dieses besondere Hörspiel beschäftigt sich mit den Anfängen des jungen Inspektors von Scotland Yard sowie mit seinem ersten Kontakt mit übersinnlichen Erscheinungen.

Als Einführung in die Welt von John Sinclair ist „Der Anfang“ daher sowieso esenziell, doch auch im Bezug auf die Handlung ist dieses Hörspiel ein absolutes Klassewerk, das den ’normalen‘ Episoden aus dieser Reihe in nichts nachsteht.

_Story:_

In einer kleinen Gemeinde in Schottland ist ein junges Mädchen gestorben. Das Ehepaar Winston hat die gemeinsame Tochter gerade betrauert, da bricht auch schon der nächste Schock über sie herein. Kaltblütig wird die Mutter von einer sonderbaren Gestalt zur Strecke gebracht, während ihr Mann im Wohnzimmer des Hauses eingenickt ist. Nach dem bösen Erwachen sammelt Ronald jedoch zügig seine Gedanken und eilt seinen Kindern, die ebenfalls von dieser Erscheinung bedroht werden, zur Hilfe. Mit letzter Kraft gelingt es ihm, das mysteriöse Wesen zu erledigen, doch der sich ihm bietende Anblick ist noch schockierender als die Vision seiner verstorbenen Frau: Ronald sieht in dem Wesen den Geist der verstorbenen Tochter, der nach seinem Angriff zu Staub zerfällt.

Bei der ortsansässigen Polizei glaubt Ronald natürlich niemand, und so wird der Familienvater des Mordes an seiner Frau angeklagt, zumal ihn seine sprachlosen und noch immer schockierten anderen Kinder nicht entlasten können. Andererseits findet Winston bei den Behörden auch einen Fürsprecher, der nicht daran glaubt, dass der Mann zu einem solchen Verbrechen fähig ist. Als die jüngste Tochter dann die Geschichte ihres Vaters bestätigt, kommt für diesen schon jede Hilfe zu spät: Ronald hat sich im Gefängnis erhängt.

Hilfesuchend wendet sich der zuständige Polizeibeamte an Scotland Yard, woraufhin Inspector John Sinclair sich des Falles annimmt. Sinclair, eigentlich ein kühler Analytiker, der in der Regel seine Fälle durch rationales Denken und mit Hilfe seiner Berufsroutine löst, muss vor Ort jedoch schnell feststellen, dass hinter den Verbrechen mehr steckt, als sich der Normalsterbliche vorzustellen vermag. Die Spur führt ihn zu einem Schloss, von dem die ebenfalls frisch angereiste Klatschreporterin Ann Baxter nicht mehr zurückgekehrt ist, geradewegs in die Hände des russischen Professors Ivan Orgow. Doch Sinclair bleibt nicht viel Zeit, um neue Bekanntschaften zu machen; Orgow hat nämlich ein teuflisches Mittel entdeckt, um die Toten wieder auferstehen zu lassen, und dessen bedient er sich nun mittels eines Mediums, um somit durch die Unterstützung wandelnder Leichen die Weltherrschaft an sich zu reißen. Der Inspektor von Scotland Yard ist trotz der unglaublichen Geschehnisse dazu gezwungen, Ruhe zu bewahren, doch als eine Schar lebendiger Toter durch die Straßen der kleinen Stadt wandelt und gleichzeitig ein verheerendes Zugunglück den Ort erschüttert, verliert der ansonsten ruhige Beamte langsam aber sicher die Nerven …

Die Inszenierung der Handlung ist von den Machern dieses Hörspiels wirklich perfekt arrangiert worden. Beständig schwebt man als Hörer zwischen den Gedanken, ob es sich hier um reine Fiktion oder doch um die Realität handelt, denn immer wieder finden die ermittelnden Charaktere rationale Erklärungen für die seltsamen Geschehnisse, die sich in dem kleinen schottischen Dorf abspielen. Ergänzt wird diese Spannung durch die gruseligen Effekte, die ihre Wirkung selten verfehlen und den Hörer so manches Mal aufzucken lassen; das ist eben beste Gruselspannung und nicht zu Unrecht Teil einer Klassiker-Serie!

Einen noch größeren Anteil am Gelingen dieses Hörspiels haben aber die zahlreich involvierten Sprecher (über 30 an der Zahl), denen man deutlich anmerkt, dass sie die Geschichte nicht nur mit ihrer Stimme begleiten, sondern den Inhalt wirklich leben. Besonders im Falle des von Joachim Tennstedt (Stimme von John Malkovich, Dustin Hoffman, Michael Keaton) gesprochenen Kommissars Brad Jones und des gemeinen Ivan Orgow (gesprochen von Tilo Schmitz, der Stimme von Ron Perlman), aber natürlich auch beim Hauptdarsteller John Sinclair, dem Frank Glaubrecht (Stimme von Pierce Brosnan, Kevin Costner, Jeremy Irons, Richard Gere, Al Pacino, Christopher Walken und vielen mehr) wie immer seine Stimme geliehen hat, fällt dies sehr positiv ins Gewicht und verstärkt die enorm düstere Atmosphäre. Hier haben Idealisten gearbeitet, für die „Der Anfang“ nicht nur ein weiterer Job war! Aber – und da darf ich jetzt gerne eine fast schon klischeebehaftete, aber in der Tat allgemeingültige Aussage machen – Perfektion wird bei John-Sinclair-Hörspielen seit jeher groß geschrieben.

Andererseits sollte aber auch nicht unerwähnt bleiben, dass dieses Hörspiel wohl eher erst ab dem fortgeschrittenen Jugendalter zu empfehlen ist, denn die Geschichte mit ihren zahlreichen Morden und den teilweise blutrünstigen Charakteren ist in Sachen Brutalität schon ziemlich harter Tobak; gerade bei „Der Anfang“ geht es, um es einmal umgangssprachlich zu formulieren, ziemlich zur Sache. Die Action ist ständig im Gange, und wenn dann mal ein kurzer musikalischer Zwischenpart eingeflochten wird, dann auch nur, um die düstere Stimmung der Handlung nachhaltig zu unterstreichen.

Das Fazit zu „Der Anfang“ könnte also kaum besser sein: In 77 Minuten und über 30 Kapiteln entwickelt sich hier eine spannende, düstere und nicht gerade leicht verdauliche Story, die auf ständigen erzählerischen Höhepunkten aufbaut und nicht eine Minute Zeit zum Durchatmen lässt. Veredelt wird das Ganze übrigens vom rockigen Titelsong der Rockband BLACKMAIL, der zum Schluss für spürbare Entspannung sorgt. Dieses Hörspiel sollte man gehört haben, am besten noch bevor man sich so richtig an das Thema John Sinclair heranbegibt.

http://www.sinclairhoerspiele.de/

_|Geisterjäger John Sinclair| auf |Buchwurm.info|:_

[„Der Anfang“ 1818 (Die Nacht des Hexers: SE01)
[„Der Pfähler“ 2019 (SE02)
[„John Sinclair – Die Comedy“ 3564
[„Im Nachtclub der Vampire“ 2078 (Folge 1)
[„Die Totenkopf-Insel“ 2048 (Folge 2)
[„Achterbahn ins Jenseits“ 2155 (Folge 3)
[„Damona, Dienerin des Satans“ 2460 (Folge 4)
[„Der Mörder mit dem Januskopf“ 2471 (Folge 5)
[„Schach mit dem Dämon“ 2534 (Folge 6)
[„Die Eisvampire“ 2108 (Folge 33)
[„Mr. Mondos Monster“ 2154 (Folge 34, Teil 1)
[„Königin der Wölfe“ 2953 (Folge 35, Teil 2)
[„Der Todesnebel“ 2858 (Folge 36)
[„Dr. Tods Horror-Insel“ 4000 (Folge 37)
[„Im Land des Vampirs“ 4021 (Folge 38)
[„Schreie in der Horror-Gruft“ 4435 (Folge 39)
[„Mein Todesurteil“ 4455 (Folge 40)
[„Die Schöne aus dem Totenreich“ 4516 (Folge 41)
[„Blutiger Halloween“ 4478 (Folge 42)
[„Ich flog in die Todeswolke“ 5008 (Folge 43)
[„Das Elixier des Teufels“ 5092 (Folge 44)
[„Die Teufelsuhr“ 5187 (Folge 45)
[„Myxins Entführung“ 5234 (Folge 46)
[„Die Rückkehr des schwarzen Tods“ 3473 (Buch)

Lolly Winston – Himmelblau und Rabenschwarz

Der Tod ist gemeinhin eine ernste Angelegenheit – todernst sogar. Ein Buch, das sich der „Trauerarbeit“ einer Witwe widmet, muss folglich eine tieftraurige, trockene und gleichsam tränenfeuchte Angelegenheit sein. Aber muss es das wirklich? Dass ein Roman um Tod und Verlust durchaus leichtfüßig, unterhaltsam und witzig sein kann, beweist die Amerikanerin Lolly Winston mit ihrem Debütroman „Himmelblau und Rabenschwarz“.

Sophie Stanton ist 36, als ihr Mann Ethan an Krebs stirbt. Sie ist am Boden zerstört, fällt in eine tiefe Sinnkrise und hat Schwierigkeiten, die einfachsten Dinge des Alltags zu bewältigen. Freunde und Familie versuchen sie aufzubauen, schließlich geht das Leben weiter, doch Sophie mag das nicht glauben und droht zu verzweifeln.

Lolly Winston – Himmelblau und Rabenschwarz weiterlesen

Barclay, James – Himmelsriss (Die Chroniken des Raben 4)

Band 1: [Zauberbann 892
Band 2: [Drachenschwur 909
Band 3: [Schattenpfad 1386

Jetzt, da ich dies schreibe, mag es ungefähr zehn Minuten her sein, dass ich die letzte Seite von „Himmelsriss“ gelesen habe, doch ich möchte die noch immer anhaltende Euphorie, vor allem aber die weiterhin sicht- und fühlbare meterdicke Gänsehaut, die mich im letzten Kapitel dieses Buches ergriffen hat, für diese Rezension nutzen. Mit dem vierten und wahrscheinlich auch düstersten Teil der „Chroniken des Raben“ ist es dem britischen Autor James Barclay erneut gelungen, eine fesselnde Fantasy-Geschichte zu erzählen bzw. den Faden weiterzuspinnen und somit die Geschichte noch weitschweifender auszubauen. Mehr denn je beschleicht mich mittlerweile das Gefühl, dass „Die Chroniken des Raben“ nur so nach einer Verfilmung schreien, denn wenn ich mir überlege, welches Kopfkino sich in den letzten Kapiteln dieses vierten Teils wieder in meinem Kopf abgespielt hat, dann hätten wir es hier bei einer entsprechenden Umsetzung mit einem Unterfangen zu tun, das selbst die Verfilmung von „Der Herr der Rings“ übertreffen könnte. Und das ist jetzt keine dramatisierte Übertreibung, sondern eine Tatsache, die lediglich von meiner Begeisterung für diese Reihe ein wenig getrübt sein könnte.

_Story:_

Der Riss im interdimensionalen Raum wird von Tag zu Tag größer, und die Drachenbrut der Kaan kann das Loch am Himmel nicht mehr lange gegen die verfeindete Brut der Naik verteidigen. Doch in Balaia ist sich nur die legendäre Söldnertruppe des Raben über die Tragweite dieses Himmelsrisses bewusst und macht sich auf den direkten Weg zum Kolleg von Julatsa, das weiterhin unter starkem Beschuss durch die Wesmen liegt. Den Rabenkriegern gelingt es, in das Kolleg einzudringen, um in der dortigen Bibliothek nach Hinweisen des genialen Magiers Septern zu suchen, mit Hilfe derer man schließlich das Loch im Himmel wieder schließen könnte. Tatsächlich finden sie einige Manuskripte und begeben sich anschließend wieder zurück zum Haus des Dimensionsmagiers Septern. Für Ilkar ist diese Entscheidung besonders schwer, denn er verlässt sein Heimatkolleg in dem Bewusstsein, dass er es bei einer eventueller Rückkehr nur noch in Schutt und Asche wiederfinden wird. Doch die gemeinsame Sache ist von größerer Bedeutung, und so entfernt sich der Rabe wiederum unbemerkt aus Julatsa.

Derweil haben die Wesmen große Teile von Balaia eingenommen und einen erheblichen Teil der gegnerischen Streitkräfte besiegt. Lediglich eine kleine Garnison unter der Führung des berüchtigten Generals Darrick leistet noch Widerstand. Verbündet mit den einflussreichen Baronen Grese und Blackthorne, bekämpft er die übermächtige Wesmenarmee unter der Führung von Lord Tessaya und gewinnt so wichtige Zeit für den Raben. Dieser nämlich hat sich durch das Tor in Septerns Haus in die Welt der Drachen begeben, um von dort aus gemeinsam mit dem ehemaligen Herrscher von Xetesk, Styliann, den entscheidenden Spruch zur Schließung des Himmelsrisses zu wirken. Doch die Söldner mitsamt ihrer Magier haben nur noch wenig Zeit, denn das Loch kann nicht mehr lange verteidigt werden. Und rund um Septers Haus können Stylianns Protektoren die heranstürmende und zahlenmäßig deutlich überlegene Wesmenarmee, die mittlerweile von der Mission des Raben erfahren hat, nicht mehr lange in Schach halten. Der Krieg kommt somit in seine entscheidende Phase, sowohl in Balaia als auch in der Dimension der Drachenbruten …

Es vergehen jeweils drei Monate, bis endlich die deutsche Fortsetzung dieser Serie auf den Markt kommt, und diese drei Monate sind jedes Mal von Neuem eine ziemlich harte Zeit, gerade nach dem ereignisreichen und offenen Ende des Vorgängerbandes „Schattenpfad“. Doch nachdem man dann die ersten Seiten des neuen Buches gelesen hat, fühlt man sich sofort wieder heimisch – heimisch in der Welt von Balaia und in der Welt von James Barclay.

In diesem Fall weicht die Spannung jedoch erst einmal der Brutalität der Vorgänge an den verschiedenen Schauplätzen der Handlung. „Himmelsriss“ steht besonders im Zeichen der Schlachten zwischen den Wesmen und den Streitkräften von Korina, die das Land Balaia verteidigen wollen, und dementsprechend ausführlich beschreibt Barclay auch die Verläufe der Gefechte und deren blutige Folgen, ganz besonders im ersten Drittel. Dann jedoch holt der Autor wieder sehr weit aus und wechselt fast von Seite zu Seite den Schauplatz, springt vom Raben zur Situation in Julatsa, dann wieder in die Drachendimension, anschließend zu den Kämpfen an Septerns Haus und schließlich zum taktischen Gefecht zwischen Lord Tessaya und den beiden Baronen Blackthorne und Gresse sowie ihrem Verbündeten, General Darrick.

Hier zeigt sich wieder die ganze Klase von James Barclay, indem er alle Punkte bis ins letzte Detail schildert, kurz vorm finalen Moment aber wieder in eine andere Szene springt und den Leser somit auch spielend ans Buch fesselt. Der Drang, schnellstmöglich Lösungen und Entscheidungen in Erfahrung zu bringen, ist enorm groß; ergo verschlingt man auch dieses Buch mit derselben Intensität, wie es bei den drei Vorgängerbänden der Fall war.

Weiterhin ausgezeichnet finde ich, wie Barclay die einzelnen Rollen der Charaktere sehr offen lässt; man weiß nicht immer, ob man Xetexk-Magier Styliann, dem Brutführer Sha-Kaan, dem Gestaltenwandler Thraun oder aber den Protektoren trauen kann, und das macht einen nicht unerheblichen Reiz bei diesem Buch und der Serie im Gesamten aus.

Und doch sind es im Endeffekt die Beschreibungen der Szenarien, die für die eingangs erwähnte Gänsehaut verantwortlich zeichnen. Ich würde gerne vorgreifen und erklären, was mich am Ende so euphorisch gestimmt hat, aber damit würde ich zu viel über den Verlauf der Geschichte preisgeben. Nur so viel: Es ist ein wahrlich erhabenes Gefühl, das ich in dieser Form nur bei den finalen Momenten der „Herr der Ringe“-Filme verspüren konnte – und damit habe ich jetzt wahrscheinlich doch schon zu viel verraten …

„Himmelsriss“ ist wiederum all das, was den modernen Fantasy-Autor James Barclay auszeichnet und diese Reihe so wertvoll macht, und ein Grund mehr, sich mit den „Chroniken des Raben“ auseinanderzusetzen. Selten hat mich eine Fantasy-Reihe derart ergriffen, wie es hier der Fall ist. Und jetzt folgen eigentlich wieder drei harte Monate bis zur Veröffentlichung von „Nachtkind“, aber aufgrund einer längeren Lesepause meinerseits darf ich mich bereits in wenigen Wochen auf die Lektüre des fünften Bandes freuen.

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Isaac Asimov – Der Aufbruch zu den Sternen (Foundation-Zyklus 3)

„Der Aufbruch zu den Sternen“ ist die direkte Fortsetzung der Ermittlungsromane um Elijah Baley und R. Daneel Oliwav, mit denen Asimovs „Foundationzyklus“ seinen Anfang nimmt, lässt man die Robotergeschichten ein bisschen außen vor. In diesen Romanen wird der Grundstein zur Foundation-Trilogie gelegt, die weltweite Berühmtheit erlangte. Im vorliegenden Roman findet erstmals das Konzept der „Psychohistorik“ Erwähnung, überraschend ist allerdings der Ursprung dieser Idee.

Aufbruch oder nicht?

Auf der Erde trainieren mutige Menschen unter Baleys Leitung den Aufenthalt im Draußen, unter freiem Himmel, fern der überkuppelten Stahlhöhlen. Baley selbst, der durch seine Ermittlungserfolge bei den Spacern große Sprünge auf der Karriereleiter machte (s. „Die Stahlhöhlen“) und dessen Taten durch hollywoodartig übertriebene Vorführungen berühmt wurden, muss eine weitere Ermittlung aufnehmen. Diesmal verschlägt es ihn nach Aurora, der ersten durch Menschen besiedelten Welt, auf der Dr. Fastolfe (Konstrukteur und Entwickler des humaniformen Roboters Daneel) in politische und gesellschaftliche Bedrängnis geriet.

Er ist Befürworter eines Plans, nach dem die weitere Besiedlung der Galaxis durch Erdenmenschen mit Hilfe der Spacertechnik erfolgen soll, da sie weitgehend unabhängig von Robotern sein können, im Gegensatz zu den Spacern selbst, die die Galaxis durch Roboter erschließen lassen wollen, um sich ins gemachte Nest zu setzen. Jetzt wird ihm zur Last gelegt, einen zweiten humaniformen Roboter zerstört zu haben, um damit die Bestrebungen seiner politischen Gegner zu sabotieren.

Mit seinem politischen Ende wäre der Traum der Menschen um Baley, die Erde zu verlassen, ausgeträumt. Es liegt also alles an ihm, durch geschickte Ermittlung die Unschuld Fastolfes zu beweisen.

Isaac Asimov ist zweifellos einer der bedeutendsten Science-Fiction-Schriftsteller aller Zeiten, wird oft sogar als der bedeutendste bezeichnet. Seine wichtigsten Hinterlassenschaften finden sich in den Drei Gesetzen der Robotik und in der Foundation-Saga, in deren Verlauf er den Weg der Menschheit ins All und ihr dortiges Bestehen schildert. Asimov wurde 1920 in der Sowjetunion geboren und verstarb im April 1992 in den Vereinigten Staaten.


Das Zwei-Wege-Rätsel

Der typische Stil Asimovs führt in diesem Roman, so man bereits etwas von Asimov gelesen und sich mit seinem Stil bekannt gemacht hat, schon auf der Anreise auf Aurora zur Ahnung einer Erkenntnis, die entscheidend für die Geschichte ist. Wie ist es möglich, dass der offensichtlich alte und überholte Roboter Giskard, der trotzdem ein Favorit des Robotikers Fastolfe ist, und der zusammen mit dem überragenden humaniformen Roboter Daneel zur Erde reist, um Baley abzuholen, eine konkrete Gefahr für den Geist Baleys vor Daneel bemerkt und eingreift, obwohl er sich im Gegensatz zu Daneel nicht mit Baley in einem Raum befindet? Es ist nicht nur diese Situation, die auf eine besondere Fähigkeit Giskards schließen lässt. Schrittweise führt Asimov den Leser an die offensichtliche Erkenntnis heran, die bereits in den ersten Kapiteln möglich ist – aber nur, da dem erfahrenen Leser klar ist, dass Asimov keine für die Geschichte irrelevanten Details einbringt, sondern sich so klar wie kaum jemand sonst an der Linie seiner Erzählung hält. Natürlich umfasst das auch Verwirrungsstrategien, denen der Leser wie auch der Protagonist erliegt und auf falsche Fährten gelockt wird.

Die Lösung des Rätsels gelingt Baley schließlich auf eine Art, die nicht vorhersehbar ist, und damit gelingt Asimov wieder eine Wendung, die selbst jene Leser überrascht, die den oben angesprochenen Aspekt der Geschichte früh durchschaut haben, oder zu haben glaubten. Bei der Lösung lässt Asimov nämlich die Frage, wer den zweiten humaniformen Roboter zerstört hat, in den Hintergrund treten und hangelt sich stattdessen an den eigentümlichen gesellschaftlichen Eigenschaften der Auroraner im Gegensatz zu jenen der Erdenmenschen entlang, bis es Baley gelingt, Fastolfe auf diese Art zu entlasten. Hier könnte man enttäuscht sein, würde das doch bedeuten, dass es zu einem Stilbruch gekommen wäre und der mitdenkende Leser seinen Erfolg nicht zu greifen bekommt. Aber selbstverständlich gibt sich Baley nicht nur mit der Lösung des Falls zufrieden, sondern sucht nach eben jener Erkenntnis, die Asimov tröpfchenweise in die Geschichte träufelte und die so wichtig ist für den Zusammenhang mit der Foundation-Trilogie und der Psychohistorik.

Hier wirft sich nämlich eine weitere interessante Frage auf, die keine direkte Beziehung zur Lösung des Falles Fastolfe hat: Wie kommt es zur Entstehung des Begriffs „Psychohistorik“ Jahrtausende vor dem genialen Hari Seldon, der die psychohistorische Mathematik entwickeln und den Begriff prägen wird? Es ist erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit Asimov dieser Brückenschlag zu fallen scheint, ein in unserer realen Zeit Jahrzehnte umfassender Brückenschlag zwischen diesen wichtigen Werken, die er erst später zu einem zusammenhängenden Zyklus zusammenstellte und kleine Lücken mit mehr oder weniger großem Geschick füllte (siehe „Das Foundation-Projekt“).

Fazit

Die beiden wichtigsten Aspekte des Romans (im Gesamtbild des Foundation-Zyklus) stehen nur bedingt mit der Lösung in Zusammenhang, aber direkt im Interesse Baleys, so dass es Asimov trickreich gelungen ist, eine spannende und sehr unterhaltsame Geschichte zum Träger einer wichtigen Idee zu machen. Was fast alle seiner Geschichten mit sich bringen, kommt in dieser sehr stark zum Tragen: die Möglichkeit für den Leser, seinen eigenen Gehirnschmalz mit einzusetzen und die Lösungsschritte Baleys entweder nachzuvollziehen oder vorwegzunehmen. Dieser Roman macht richtig Spaß!

Der Foundation-Zyklus

Meine Freunde, die Roboter
Die Stahlhöhlen
Der Aufbruch zu den Sternen
Das galaktische Imperium
Die frühe Foundation-Trilogie
Die Rettung des Imperiums
Das Foundation-Projekt
Die Foundation-Trilogie
Die Suche nach der Erde
Die Rückkehr zur Erde

Perry, S. D. – Resident Evil – Die Umbrella-Verschwörung

Die „Special Tactics And Rescue Squad“ (S.T.A.R.S.) rund um die ehemalige Diebin Jill Valentine und den Allroundpolizisten Chris Redfield bekommt den Auftrag, rätselhafte Morde in der Umgebung des Waldes in der Nähe der Bergstadt Raccoon City aufzuklären. Dabei handelt es sich offensichtlich um Kannibalenmorde, die die Gegend in Angst und Schrecken versetzen. Polizeichef Chief Irons schickt zunächst das Bravo-Team, einen Teil der S.T.A.R.S.-Truppe, mit einem Hubschrauber voraus, um sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen. Als der Kontakt mit dem Team abbricht, wird auch das zweite Team um die beiden oben genannten Protagonisten mit dem Hubschrauber losgeschickt.

Die zweite Mannschaft, das Alpha-Team, findet ein zertrümmertes Fluggerät und einen toten Mann des Bravo-Teams vor. Als die Mannschaft selbst unter Druck gerät und von mörderischen, mutierten Hunden angegriffen wird, bleibt aufgrund der Tatsache, dass Brad Vickers, der Pilot des Alphateams, flieht, nur der Sprint in die nahe gelegene Villa eines der Gründer des Umbrella-Konzerns, Spencer. Dort teilt sich die Mannschaft auf, um Überlebende und einen anderen Fluchtweg zu finden.

Im zweistöckigen Haus mit Garten treiben sich fortan Albert Wesker (Chef des S.T.A.R.S.-Teams), Barry Burton (Waffenexperte), Jill und Chris herum. Chris findet in einem abgelegenen Ruheraum Verstärkung in der jungen Rebecca Chambers, ihres Zeichens Biochemikerin und einzige Überlebende des Bravo-Teams. Nach kurzer Steppvisite stellt sich auch relativ bald die ungeheure Wahrheit heraus, denn anhand von Tagebüchern und Briefen wird der eigentliche Zweck des Herrenhauses offenbar: Es gewährte den Forschern der Umbrella-Corporation Unterschlupf und ist im Endeffekt nichts anderes als ein Vertuschungsmanöver des Pharmaziekonzerns, denn unterhalb des Hauses befinden sich die geheimen Labors des Unternehmens, die nur mit Hilfe eines sensationellen Mechanismus zu betreten sind. Dort wurde unter anderem an Biowaffen und Mutationen gearbeitet. Durch einen Fehler der Angestellten brach der so genannte T-Virus aus, der die Mitarbeiter in schreckliche Zombies verwandelte und jegliches Leben früher oder später auslöscht.

Somit wird das S.T.A.R.S.-Team Untoten, mörderischen Mutantenhunden, den so genannten Huntern oder der zerstörerischen Tyrant-Mutation ausgesetzt. Diese Tatsache ist nicht das einzige Problem, denn das Haus ist voll mit Fallen und Schlössern, und um den Garten mit dem Zugang zu den Laboren betreten zu können, benötigt die Mannschaft vier Medallions, die kreuz und quer im Haus versteckt sind. Darüber hinaus ist ein Verräter in den eigenen Reihen, der von Umbrella bezahlt wird und die Beweise, die für die Forschung am T-Virus sprechen, vernichten soll …

S.D. Perry veröffentlicht mit diesem Roman den ersten Teil der Resident-Evil-Reihe, die auf den Kult-Videogames basiert. Endlich erfährt man die Zusammenhänge, die im Spiel ungeklärt bleiben. Die Autorin verändert die Geschichte nur leicht, indem sie die Mannschaft beispielsweise komplett im Haus ankommen und zusammenarbeiten lässt. Das Herumirren im Haus ist für die Protagonisten genauso verwirrend wie für den Leser selbst, wodurch man sich noch besser in die Charaktere hineinversetzen kann. Besonders interessant ist die Geschichte aufgrund der Tatsache, dass die Perspektiven ständig wechseln. Noch dazu werden Gedankengänge der Hauptfiguren dargestellt. Vertieft wird die Story ab und an mit Briefen und Zettelbotschaften der Mitarbeiter. Ebenso genial ist der Einstieg in die Serie mit Hilfe von Artikeln der Zeitungen in Raccoon City.

Den eigentlichen Sinn des Horrorromans erfüllt S. D. Perry tadellos: Die Kämpfe mit den Mutationen werden genau wie die Leichen oder das Herumirren im Haus detailreich beschrieben, so dass man sich ein perfektes Bild der Morde, aber auch der Räume und Gänge erschaffen kann.

Die wichtigsten Aufgaben, wie der Ritterrüstungen-Raum oder das Vernichten der Riesenschlange in der Mansarde, finden natürlich statt, nur werden diese im S.T.A.R.S.-Team verteilt und vernichten somit den etwas unsinnigen ursprünglichen Spielablauf, in dem nur die gewählte Hauptperson alle Aufgaben erledigen muss und alle anderen sich anscheinend schlafen gelegt haben, nur um irgendwann mysteriöserweise zurückzukehren. Einige Rätsel beschreibt Perry nicht, zumindest die Zimmer der angesprochenen Rätsel werden aber erwähnt (z.B. der Raum mit der mutierten Pflanze, bei der die Chemikalie eingesetzt werden muss).

Nichtsdestotrotz sind die Zusammenhänge teilweise zu verwirrend beschrieben; es scheint unmöglich, mehrere dutzend Räume und das eigentliche Anwesen komplett und zusammenhängend zu beschreiben. Zu diesem Zweck hätte S. D. Perry vielleicht eine Karte zeichnen oder beilegen sollen. Durch das Hin- und Herspringen der Perspektiven wird die Verwirrung für Nichtspieler des Games außerdem noch größer sein, obwohl die verschiedenen Sichtungsweisen wie oben beschrieben Vorteile bringen. Ein weiterer Punkt: Zusätzlich hätte für meinen Geschmack der Schluss im Labor etwas ausführlicher sein können, der Roman endet ziemlich abrupt und lässt Fragen offen, die nicht im Spiel, aber dafür in den Fortsetzungsromanen geklärt werden.

Fazit: Sowohl für Spieler als auch für Neulinge absolut empfehlenswert. Resident-Evil-Fans werden aufgrund der detailreichen Erzählung Antworten finden, die bisher nicht geklärt worden sind, Neulinge werden sich sofort in die Handlung und Reihe verlieben.

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Sara Douglass – Glaszauberin, Die (Die Macht der Pyramide 1)

Tirzah ist eine begnadete Glasschleiferin. Aber sie ist auch eine Sklavin. Zusammen mit ihrem Vater wurde sie in den fernen Süden verkauft, zur Tilgung seiner Spielschulden. Nicht einmal ihren wirklichen Namen durfte sie behalten. Nun schleift sie Glasnetze für eine riesige Pyramide, deren Zweck sie nicht versteht. Doch schon beim ersten Betreten des riesigen Bauwerks spürt sie, dass damit etwas nicht stimmt. Das Glas schreit regelrecht vor Qual und bittet Tirzah um Hilfe. Nur was für Hilfe? Und wie sollte eine Sklavin helfen können? Noch dazu, wo ihre Gabe des Verstehens von Elementen und den ihnen innewohnenden Geistern sie sofort den Kopf kosten kann …

Yaqob, ein Glasarbeiter wie sie, will die Sache auf seine Weise lösen: durch bewaffneten Aufstand. Bevor die Männer jedoch losschlagen können, bringt eine Reihe von Ereignissen alles durcheinander:
Ein Baustein, der oben an der Spitze der Pyramide für die Einfassung des gläsernen Schlusssteins verwendet werden sollte, macht sich selbstständig und tötet einen Sklaven! Die Tatsache, dass niemand in der Nähe war, der ihn hätte anstoßen oder hinunterwerfen können, macht den Bauleiter Ta’uz aus irgendeinem Grund äußerst nervös.

Chad Nessar, der König des Landes, kommt, um die Baustelle zu inspizieren und lässt bei seiner Abreise zusätzlich zu weiteren 2000 Mann Bewachung seinen Neffen Boaz zurück, einen der fanatischsten und härtesten Magier der gesamten Kaste. Und Boaz lässt, kaum dass er angekommen ist, Tirzah zu sich holen …

Tirzah ist nicht unbedingt die typische Heldin. Sie ist nicht ausschließlich zu dem Zweck geboren worden, um das Land Ashdod vor dem Untergang zu retten, keine Prophezeiung zwingt sie gegen ihren Willen, über sich hinauszuwachsen. Was das junge Mädchen vor allem auszeichnet, ist ein ausgeprägter Wille zu überleben. Sie fügt sich in alles, was ihr an Unbill widerfährt, in dem Bewusstsein, dass ihr nichts anderes übrig bleibt, doch ertragen kann sie es nur, weil sie auf gar keinen Fall sterben will. Sonst hätte sie womöglich längst den Freitod gewählt, scharfes Werkzeug steht ihr ja in ausreichender Menge zur Verfügung. Ihr Überlebenswille erstreckt sich aber nicht nur auf ihr eigenes Leben, sondern auch auf das ihrer Freunde. Yaqobs Revolte flößt ihr deshalb mindestens so viel Angst ein wie die Pyramide.

Dennoch ist Tirzah etwas Besonderes aufgrund der Tatsache, dass sie so viel Zeit mit Boaz verbringt. Sie steht in unmittelbarer Nähe zu diesem Mann, hat Einblicke, die sonst niemand hat und hält damit den Schlüssel in der Hand. Sie weiß, dass sie ihn eigentlich benutzen sollte, doch unwillkürlich geht sie den Weg des geringsten Widerstandes. Sie fürchtet sich zu sehr vor der Unberechenbarkeit ihres Herrn.

Yaqob ist davon ziemlich enttäuscht. Eigentlich ist er ein recht sympathischer, netter Kerl. Aber obwohl Tirzah und er ein Paar sind, fällt ihm zu Boaz Aufforderung an Tirzah, in sein Haus zu kommen, als Erstes ein, dass sie damit in der idealen Position ist, um zu spionieren. Nicht, dass Tirzahs Situation ihm gleichgültig wäre, er hasst Boaz deswegen doppelt und dreifach und ist außerdem eifersüchtig. Trotzdem scheint die Revolte ihm wichtiger zu sein als Tirzah. Das und seine extreme Gewaltbereitschaft sind ein ziemlich dunkler Fleck auf seiner weißen Weste, zumal der Sklavenaufstand, selbst wenn er gelänge, das eigentliche Problem, nämlich die Fertigstellung der Pyramide, in keiner Weise lösen würde.

Der zwiespältigste Charakter ist Boaz. Nicht wirklich schizophren, aber mit zwei sehr unterschiedlichen Gesichtern, von denen er eines außerhalb der Wände seines Hauses niemals zeigt! In allererster Linie ist er ein Magier, der kurz davor steht, seinen Traum von einer ungeheuren Machtfülle zu verwirklichen. Diese machthungrige, rücksichtslose und auch grausame Seite hat die andere fest im Griff. Doch seit er Tirzah begegnet ist, gerät die Seite des Magiers aus zwei Richtungen zunehmend unter Druck, und das stürzt auch Tirzah in eine Menge Gewissenskonflikte.

Das alles zeigt bereits, dass die Autorin glaubhafte und stimmige Charaktere ohne Schwarz-Weiß-Zeichnung in eine Geschichte eingewoben hat, in der – wie im |Weltenbaum|-Zyklus auch – die innere Welt der Protagonisten eine ebenso große Rolle spielt wie die Geschehnisse um sie herum. In anderen Punkten unterscheidet sich dieses Buch wiederum erheblich von Sara Douglass‘ Erstlingswerk. Bis auf den Anfang und die Reise in den Süden, die relativ kurz gehalten wurden, spielt sich die gesamte Handlung auf der Baustelle der Pyramide und in der benachbarten Siedlung ab. Da Tirzah aus der Ich-Perspektive erzählt, gibt es nur einen einzigen Handlungsstrang. Die Komplexität von Boaz‘ Charakter, die durch die feine Beobachtungsgabe Tirzahs voll zur Geltung kommt, und Tirzahs eigene Zerissenheit bieten jedoch genügend Vielschichtigkeit auch für Leser, die es gerne etwas komplizierter haben.

Spannung bezieht das Buch nicht nur aus Boaz‘ Unberechenbarkeit, sondern auch aus der stetig wachsenden Bedrohung durch den Schatten, den die Pyramide über das Land wirft. Sara Douglass hat sich hier von Pythagoras und anderen griechischen Denkern inspirieren lassen, für die die Mathematik nicht nur eine Natur- sondern auch eine Geisteswissenschaft war. Das Aufstellen allgemeingültiger Lehrsätze führte in der philosophischen Betrachtung zu der Folgerung, dass Zahlen nicht einfach Mengendefinitionen von Menschenhand sind, sondern die Essenz aller Dinge. Für sie war die ganze Welt aus Zahlen aufgebaut, und die Untersuchung von Zahlen sollte sie daher zu Erkenntnissen über Funktion und Ordnung des Kosmos führen. Die Eins nahm dabei einen besonderen Raum ein. Als erste aller Zahlen sah man in ihr den Ursprung der Welt, sie galt deshalb als unteilbar.

Angelehnt an dieses philosophische Prinzip hat die Autorin ihren Kult von der Eins entworfen. Die Pyramide der Magier ist die Verkörperung der vollkommenen mathematischen Formel. Sie soll es den Magiern ermöglichen, die Eins nicht nur wie bisher kurz zu berühren, sondern mit ihr zu verschmelzen und damit ungeschränkt auf die ihr innewohnende Macht zuzugreifen.

Doch die Sache scheint einen Haken zu haben. Der Leser hat das Gefühl, dass da etwas unaufhaltsam auf ihn zukriecht, das er zwar nicht versteht, dessen Bösartigkeit aber in den diversen Unfällen an der Baustelle und den Veränderungen, die offenbar ganz von selbst mit der Pyramide vorgehen, deutlich zu Tage tritt. Die Aussicht auf den Tag der Fertigstellung und erst Recht auf den der Einweihung wird immer mehr zum Albtraum.

Was genau die Eins so mächtig macht, welche Nebenwirkungen die Magier mit ihrem Experiment heraufbeschwören und welche Folgen die Fertigstellung der Pyramide letztlich haben wird, erfährt der Leser leider nicht. Das ist allerdings nicht die Schuld der Autorin. Vielmehr liegt es daran, dass |Piper| das Buch einfach verkrüppelt hat. Genauer gesagt, es wurde nur die erste Hälfte veröffentlicht! Das geschieht nicht zum ersten Mal. Schon beim |Weltenbaum|-Zyklus hat der Verlag alle drei Bände einfach jeweils halbiert. Selbst bei einem Zyklus gibt es dafür keinen ersichtlichen Grund außer dem, mehr Profit zu machen. Dieses Buch aber war niemals als Zyklus gedacht, sondern als in sich abgeschlossener Einzelband! Trotzdem hat sich der Verlag das Recht herausgenommen, dem Leser das Ende vorzuenthalten und auf die zweite Hälfte zu vertrösten, deren Veröffentlichungsdatum noch nicht feststeht. Genauso gut könnte der Buchhandel beschließen, bei allen Harry-Potter-Büchern vor Verkauf die zweite Hälfte der Seiten herauszutrennen, und den Käufern erklären, diese stünden erst in einem halben Jahr zum Verkauf!

Für den Leser ist diese Vorgehensweise schlicht inakzeptabel. Und ich wage zu bezweifeln, dass die Autorin, die „Tresholder“ (der Originaltitel des Gesamtbuches) als eines ihrer Lieblingswerke bezeichnet hat, davon begeistert wäre. Sollte |Piper| davon künftig nicht Abstand nehmen, ist es wohl besser dazu überzugehen, die Bücher im Original zu lesen. Eine Mühe, die ich bisher gescheut habe, die mir eine unverstümmelte Version aber allemal wert ist!

Ein abschließendes Fazit ist mir zu diesem Buch also leider nicht möglich. Was ich jedoch bisher gelesen habe, hat mir ausnehmend gut gefallen, auch wenn der eigentliche Höhepunkt des Buches leider erst im nächsten Band zu finden sein wird. Glaubhafte Charaktere und ein ausgewogenes Verhältnis von innerer und äußerer Handlung ergeben eine Geschichte, die ein Stück außerhalb der üblichen Abläufe und Erzählformen der Fantasy liegt, aber dennoch zu fesseln versteht. Eine angenehme und gelungene Abwechslung und ein neuerlicher Beweis für die hohe Erzählkunst der Autorin.

Sara Douglass arbeitete zuerst als Krankenschwester, bevor sie ein Studium in historischen Wissenschaften begann. Sie promovierte und arbeitete in den folgenden Jahren als Dozentin für mittelalterliche Geschichte. Das Schreiben fing sie nebenbei an, als Ausgleich zum Stress. Nach dem Erfolg ihres |Weltenbaum|-Zyklus stieg sie aus ihrem Beruf aus und konzentrierte sich aufs Schreiben und ihren Garten. Sie lebt in einem Cottage in Bendigo/Australien. Außer dem Weltenbaumzyklus und „Tresholder“ schrieb sie diverse Romane und Kurzgeschichten, von denen auf Deutsch bisher nur noch „Der Herr des Traumreiches“ erschienen ist.

My Сreative

_Sara Douglass bei |Buchwurm.info|:_
[Die Sternenbraut 577
[Sternenströmers Lied 580
[Tanz der Sterne 585
[Der Sternenhüter 590
[Das Vermächtnis der Sternenbraut 599
[Die Göttin des Sternentanzes 604
[Der Herr des Traumreichs 1037

Thomas F. Monteleone – Das Blut des Lammes

Vatikan – Stadt des Bösen

Pater Amerigo Ponti wird 1967 Mitglied der „Sonderkommission des Papstes“, einer Kommission, über die niemand auch nur Gerüchte zu spinnen wagt. Er soll etwas stehlen, eine geheimnisvolle Glasphiole, deren mysteriöser Inhalt Ponti in blankes Erstaunen versetzt. Als er die Phiole seinem Auftraggeber übergibt, wird ihm das Lebenslicht ausgepustet.

Nach diesem Prolog richtet Monteleone seine Kamera in das Jahr 1998, auf das Leben von Pater Peter Carenza. Der ist gutaussehend, hat eine wohlklingende Stimme, zeigt massig Einsatz und ist von idealistischer Intelligenz – einfach jeder liebt ihn. Er selbst ist mit seinem Leben zufrieden, bis plötzlich ein Blitz aus seinen Händen schießt und einen Jugendlichen tötet, der Peter gerade hatte überfallen wollen.

Thomas F. Monteleone – Das Blut des Lammes weiterlesen

Stone, Jonathan – Bittere Wahrheit

Dreißig Jahre arbeitet er als Polizeichef von Canaanville, einer Kleinstadt hoch im Norden des US-Staates New York: Winston Edwards, den man nicht ohne Grund den „Bären“ nennt, ein riesenhafter und poltriger Mann, aber gleichzeitig ein fabelhafter Detektiv, dem in seiner langen Laufbahn noch nie ein Mörder entkam. Edwards hasst Überraschungen, was Julian Palmer, einem neuen Mitarbeiter, trotz eines famosen Lebenslaufes einen schlechten Start beschert: Dem Vornamen zum Trotz entpuppt sich Palmer als Frau …

Julian ist Teilnehmerin eines Austauschprogramms der Polizei von New York, das Auszubildenden die Chance bietet, Alltagserfahrungen außerhalb der Stadt zu sammeln. Die junge Frau sucht den Kontrast und wagt buchstäblich den Sprung ins kalte Wasser: Canaanville liegt im „Schneegürtel“ des Staates und gilt als recht unwirtliches, wenn auch landschaftlich reizvolles Fleckchen.

Wider Erwarten gibt Edwards, der den Polizei-Dinosaurier eher spielt als verkörpert, der neuen Kollegin eine Chance. Seine wenigen Mitarbeiter haben das Pulver nicht erfunden und waren ihm bisher keine große Hilfe beim vielleicht schwersten Fall seiner Karriere. Sarah Langley, eine junge Kellnerin, wurde nicht nur ermordet, sondern auch mit psychotischer Sorgfalt in Stücke gehackt, und es gibt keinerlei Hinweise auf den Täter, geschweige denn einen Verdächtigen.

In seiner Not versucht es Edwards nun mit dem Übernatürlichen. Der Seher Wayne Hill behauptet, „Eingebungen“ zu haben, die endlich neue Spuren im Langley-Mord aufwerfen. Doch Hill ist ein undurchsichtiger und auch labiler Mann, der ebenso beeindruckt wie Misstrauen weckt. Seine sparsam und dramatisch preisgegebenen Visionen lassen ihn für die Polizei rasch selbst zum Tatverdächtigen aufsteigen.

Doch für Julian Palmer beginnt sich plötzlich eine ganz andere Spur abzuzeichnen: Sie führt zu Chief Edwards selbst, dessen Beziehung zu Sarah Langley wesentlich inniger gewesen zu sein scheint als bisher bekannt wurde. Aus dem Verdacht wird scheinbar Gewissheit, als sich Wayne Hill plötzlich als Dr. Ernest Tibor zu erkennen gibt, Hills Psychiater und gleichzeitig der Geliebte Sarah Langleys, der die Bluttat und Winston Edwards, den Mörder, als Augenzeuge miterleben musste.

Noch bevor die überraschte und entsetzte Julian sich auf die verheerende Situation einstellen kann, wartet Edwards mit einer neuen Sensation auf: Tibor ist ebenfalls nicht der, der zu sein er vorgibt, sondern Eugene Green, ein schizophrener Gelegenheitsdieb, der gemeinsam mit dem echten Wayne Hill von Dr. Tibor behandelt wurde. Er passt wunderbar als Täter in das Mordszenario, doch die Indizien deuten weiterhin ebenfalls auf Chief Edwards hin, der womöglich, wie Julian argwöhnt, die Gelegenheit beim Schopf ergreift, ein perfektes Verbrechen in ein noch perfekteres zu verwandeln.

Hilflos sieht sich Julian in einem unlösbaren inneren Konflikt gefangen. Denn auch die junge Frau hütet düstere Geheimnisse und ist seelisch alles andere als ausgeglichen. Als Kind musste sie hilflos die Ermordung des Vaters erleben; eine Untat, die ungesühnt blieb und Julian dazu trieb, zur Polizei zu gehen. Im eindrucksvollen Edwards fand sie die lange vermisste Vaterfigur – und mehr: Edwards, der sich in einer erloschenen Ehe gefangen fühlt, macht Julian kaum verhohlen Avancen, und sie ist bereit, darauf einzugehen.

Immer rettungsloser beginnen sich falsche und echte Spuren zu verwirren. Chief Edwards scheint durch massive Manipulationen von sich als Täter abzulenken. Julian entdeckt, dass er womöglich Estelle, seine gekränkte Gattin, deckt, die durchaus von der Affäre mit Sarah Langley wusste. Kurz darauf findet sie überzeugende Beweise, die Green entlasten; Edwards behauptet daraufhin, diesen nur verhaftet zu haben, um den wahren Täter in Sicherheit zu wiegen: Im Alibi des echten Dr. Tibor tut sich plötzlich eine entscheidende Lücke auf. Gleichzeitig gibt Green zu, den Mord selbst nie beobachtet zu haben.

Der überaus gelungene Start einer neuen Cop-Krimi-Reihe prunkt mit einer hervorragend geplotteten und zügig erzählten Handlung, präsentiert bekannte, aber mit echtem Leben gefüllte Figuren, spielt vor einer ebenfalls nicht wirklich neuen, aber ökonomisch eingesetzten Kulisse und wird gekrönt durch ein unerwartetes, wirklich spannendes und kluges Finale.

Viel mehr lässt sich über diesen Roman eigentlich nicht sagen, möchte man nicht gar zu viel vorab verraten; muss aber auch nicht sein, wenn einem als Lese-Veteranen so ein feines Stück Krimi-Handwerk unter die Finger kommt. Dass dem so ist und man sich in guten Händen fühlen darf, macht bereits die Lektüre der ersten Seiten klar. Das Figurenensemble ist übersichtlich, der Ort des Geschehens ebenfalls: Geschickt setzt sich Jung-Autor Stone nicht selbst unnötig unter Druck, meidet Action-Leerlauf oder bläht die Handlung mit forensischer Fantasy aus der Wunderwelt des Polizei-Labors auf. Insofern ist „Bittere Wahrheit“ das Exemplar einer selten gewordenen Spezies: ein klassischer Thriller, der nie vorgibt, etwas anderes zu wollen, als seine Leser zu unterhalten, ohne sie dabei für dumm zu verkaufen.

Beinahe ehrfürchtig verfolgt man aber vor allem die Meisterschaft, mit der Autor Stone seine Leser wieder und wieder in Verwirrung zu stürzen weiß. Praktisch auf jeder neuen Seite wird uns ein neuer Verdächtiger präsentiert, der einige Zeilen später entlastet wird, um sogleich erneut in den Mittelpunkt des Misstrauens zu rücken. Diesen bravourösen Balanceakt hält Stone über mehr als 200 Seiten durch, bis er endlich dem wahren Übeltäter die Maske vom Gesicht reißt. Wir ahnen es erfreut: Es erwartet uns erneut eine Überraschung!

Der erfreuliche Inhalt spiegelt sich (wohl unabsichtlich) in dem wirklich gelungenen Titelbild der deutschen Ausgabe wider. Das muss an dieser Stelle einmal hervorgehoben werden, weil gerade die Taschenbücher des |Blanvalet|-Verlags seit viel zu langer Zeit mit kreuzlangweiligen und nichts sagenden aber kostengünstigen Cover-Motiven aus Bildstöcken und ”Image-Bänken” versehen werden: Kunsthandwerk per Mouseklick und genauso sieht es auch aus! Doch hier passt das Bild einer windschiefen, halb zerfallenen und schneebedeckten Holzhaus-Ruine perfekt; nur das Tüpfelchen auf dem i, aber eines, das den Lesespaß abrundet, denn zumindest das Auge des echten Bücherfreundes ruht mit Wohlgefallen selbst auf einem für den raschen Konsum produzierten Taschenbuch, wenn es einen zweiten Blick wert ist!

Jonathan Stone hat seinem Debüt übrigens inzwischen eine Fortsetzung folgen lassen. In „Heat of Lies“ (2001; dt. „Kaltes Gewissen“, Blanvalet TB Nr. 35672) erleben wir eine ältere und erfahrene Julian Palmer, die an ihrer neuen Dienststätte nicht nur einen weiteren rätselhaften Mord aufklären muss, sondern auch ungebetenen Besuch von einem tief gefallenen Winston Edwards erhält.

Buchwurminfos V/2005

Nach wie vor beschäftigt uns die _Rechtschreibreform_. Auch die als unumstritten geltenden Teile der Reform (wie Groß- und Kleinschreibung) könnten nach Auskunft des Vorsitzenden des „Rats für deutsche Rechtschreibung“, Hans Zehetmair, noch nachgebessert werden. Interessant sind auch die beginnenden juristischen Auseinandersetzungen. In Oldenburg hatte eine Schülerin dafür geklagt, dass sie in ihren Klassenarbeiten die alte Rechtschreibung nicht als Fehler gewertet bekommt. Im September entschied das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg, dass sie weiterhin die alte Rechtschreibung verwenden darf. Das Gericht bekräftige seine Rechtsauffassung, wonach Schüler Anspruch darauf haben, in der Rechtschreibung unterrichtet zu werden, die in der Gesellschaft allgemein praktiziert wird. Den Schülern dürfen nur Regeln beigebracht werden, die „der Schreibpraxis entsprächen“. Die „allgemeine Akzeptanz“ der neuen, 2004 modifizierten Regeln sei aber zweifelhaft.

Jeder kennt das Phänomen: Preisgünstige neue Bücher erhalten einfach einen Stempel „_Mängelexemplar_“ und werden dann viel günstiger verkauft. Dieser Praxis wurde nun Ende Juli durch ein Grundsatzurteil vom Oberlandesgericht Frankfurt ein Ende gesetzt. Das bloße Kennzeichnen eines neuen Buches als Mängelexemplar rechtfertigt ab sofort nicht mehr die Aufhebung der Preisbindung. Die Verantwortung für die Einhaltung der Preisbindung liegt dabei beim Letztverkäufer. Ein Sortimenter muss nun also genau prüfen, ob Titel, die er als Mängelexemplare eingekauft hat und weiter anbietet, auch tatsächlich Mängel aufweisen. Er kann sich nicht mehr auf den Standpunkt stellen, gutgläubig gehandelt zu haben. Wahrscheinlich wird nun die Zahl der Mängelexemplare deutlich sinken und verschiedene Preiskämpfe werden unterbleiben. Echte Mängelexemplare unterliegen natürlich weiterhin nicht der Preisbindung.

_Harry Potter_ ging mit dem neuesten Band zwar wie gewohnt sofort auf den ersten Platz der Bestseller-Listen, aber das Interesse flaute diesmal schon zwei Wochen nach dem Erstverkaufstag ab, der große Boom scheint vorbei zu sein. Die Preisnachlässe bei Harry Potter beschäftigen nunmehr auch das britische Parlament, da es zu bis zu 70 % Rabatt auf den empfohlenen Verkaufspreis kam. Zum Schutz des Buchhandels müssten Autoren und Verlage ihren Vertriebspartnern solch „exzessive Nachlässe“ untersagen. Das wäre aber ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Helfen würde ein fester Buchpreis wie in Deutschland, der war aber in England 1995 zu Fall gebracht worden.

Religiöse Bücher boomen ebenfalls, seit Harry Potter auftauchte, aber seit dem Tod von Papst Johannes Paul II. und der Wahl des _Papstes Benedikt XVI._ verkauft sich vor allem und überraschend das katholische Thema wieder wie nur selten in den letzten Jahrzehnten. Die Nachfrage nach den Papstbüchern ebbt einfach nicht ab, wohl auch wegen des in Köln stattgefundenen Weltjugendtages. Dort kaufte die Jugend selbst aber wenig Bücher, deren Interesse lag eindeutig bei Musik-CDs.

Wie bereits berichtet, steigt demnächst „Focus“ ins _Hörbuch-Download-Geschäft_ ein. Bevor allerdings „Claudio“ (das Projekt von Focus mit dem Hörverlag) ins Netz ging, kam Ende August nach den bisherigen zwei Anbietern Soforthoeren.de und Audible.de ein anderer neuer Anbieter. Diadopo.de geht mit 300 Titeln ins Netz, und den Vorsprung zu den Vorgängern wollen diese Anbieter mit vielfältigen redaktionellen Inhalten und günstigen Konditionen wettmachen.

_Hörbuch-Automaten_: In Deutschland stehen bereits etwa 700 DVD-Automaten, und wer in nächster Zeit die Augen aufmacht, wird in den Städten auch Hörbuchautomaten mit je nach Größe Platz für 400 bis 800 Hörbücher finden. An einer Buchautomatenentwicklung wird auch bereits gearbeitet. In Frankreich werden Taschenbuchautomaten derzeit schon in Metro-Stationen getestet. Verläuft dort der Test gut, folgen Bahnhöfe, Krankenhäuser, Schulen und Universitäten.

Die Agentur |MEMA Messe & Marketing| veranstaltet vom 10. bis 12. November 2006 in der Oberschwabenhalle Ravensburg erstmals die _Hörbuchmesse Hearing 2006_. Die Veranstalter rechnen mit ca. 60 Ausstellern und 5.000 Besuchern. Auf der Messe (Ausstellungsfläche: 3.000 Quadratmeter) sollen alle Themengebiete rund um das Medium Hörbuch angeboten werden. Zudem soll ein Rahmenprogramm mit Lesungen, Voice-Castings, Vorträgen etc. Besucher anlocken. Das Angebot der Messe richtet sich am ersten Tag an den Fachhandel; an den beiden darauf folgenden Tagen direkt an den Endverbraucher. Die Mehrheit der Hörbuchverlage steht dennoch dieser Messe sehr kritisch gegenüber. Fortwährende neue Messen sind für sie nicht leistbar und man konzentriert sich weiterhin auf Leipzig und Frankfurt. Der Markt für Hörbücher geht zwar stetig nach oben, scheint nun aber im Ganzen doch überschätzt zu werden. Es braucht nicht noch weitere Regionalmessen, sondern wichtig sind die bisherigen drei überregionalen – wobei schon da die Hörbuchmesse auf der LitCologne unverändert umstritten bleibt.

Reinhilde Ruprecht, bis Ende 2004 noch Verlegerin von Vandenhoeck & Ruprecht, hat ihren eigenen Verlag gegründet: _Edition Ruprecht_ startet 2006 mit Titeln eines überwiegend geisteswissenschaftlichen Programms.

15 Jahre alt ist nunmehr schon _Faber & Faber Leipzig_, den nach der Wende der frühere „Aufbau“-Verleger Elmar Faber mit seinem Sohn Michael Faber leitet. Bis 1992 stand Elmar Faber an der Spitze von „Aufbau“, dem auch so genannten „Suhrkamp des Ostens“.

Der Verlag _Vittorio Klostermann_ durfte 75-jähriges Jubiläum begehen. Am 1.10.1930 gründete der 28-jährige Vittorio Klostermann seinen Verlag in Frankfurt am Main, für die damaligen Wirtschaftsverhältnisse eine sehr ungünstige Zeit. Zudem war drei Jahre später die Machtergreifung Adolf Hitlers, und einige Autoren der ersten Stunde wie Herbert Marcuse, Karl Löwith, Kurt Rietzler und andere mussten fliehen. Zwölf Jahre bestand das Dritte Reich und das Verlagsprogramm blieb eine Gratwanderung. Bücher von Otto J. Hartmann und Rudolf Hauschka wurden von der Gestapo beschlagnahmt. Hanns Wilhelm Eppelsheimer verlor seine Anstellung, weil er mit einer jüdischen Frau verheiratet war. Werner Krauss wurde zum Tode verurteilt und konnte nur dank des energischen Eintretens von Hans-Georg Gadamer und seinen Freunden überleben. Der Verlag wich auf ideologiefernere Gebiete aus, verlegte zoologische und finanzgeschichtliche Literatur. Juristische Quellentexte und die „Philosophischen Texte“, die Gadamer betreute, wurden für das Studium an der Front und später in den amerikanischen Kriegsgefangenenlagern benötigt. Der Verlag wurde daher dann bis zu seiner Schließung 1944 sogar als „kriegswichtiger“ Betrieb eingestuft. Da Vittorio Klostermann aber keine Nazi-Umtriebe nachsagbar waren, konnte dieser mit Lizenz der amerikanischen Militärregierung in Frankfurt 1946 neu beginnen. Das war die Zeit der goldenen Jahre, die Bevölkerung hungerte nach guter Literatur und die Höhe der Druckauflagen wurde allein durch die Papierbewilligungen begrenzt. 1978 verstarb Vittorio Klostermann, aber die beiden Söhne waren bereits in die Verlagsarbeit integriert. Der ältere Bruder starb 1992, und seitdem leitet Vittorio E. Klostermann allein den Verlag, dessen Schwerpunkte Philosophie, Rechtsgeschichte, Literaturwissenschaft und Fachliteratur für Bibliothekare sind. Alles nicht ohne Schwierigkeiten, denn Deutsch geht als Wissenschaftssprache im Ausland seit Jahrzehnten drastisch zurück und die notwendigen Auflagenhöhen sind nur durch den starken Exportanteil (Japan, USA, Italien u. a.) zu erreichen. Dennoch steht für den Verlag die Qualität der Bücher weiterhin vor den Interventionen des Marketings. Im Internet findet man ihn unter http://www.klostermann.de.

|Droemer/Knaur| hat sich vom _Battenberg Verlag_ getrennt und ihn an den H. Gietl Verlag verkauft. Battenberg bringt jährlich zehn Novitäten für Münzliebhaber heraus. Mit dem Verkauf will Droemer seine Strategie einer populären Gesamtausrichtung der Programme fortsetzen.

Wie wir berichteten, hatte sich |Rowohlt| vom „Kursbuch“ getrennt. Das erste neue „_Kursbuch_“ erschien nun zum 25. August unter dem Dach des _Zeitverlags_. Herausgeber sind Michael Naumann von der „Zeit“ und, wie schon zuvor, Tilman Sprengler. Das 140- bis 150-seitige und zehn Euro teure Magazin ist jetzt vierfarbig, hat ein kleineres Format und erscheint wie bisher vierteljährlich. Die Auflage, die bei Rowohlt zuletzt auf weniger als 10.000 Exemplare abgesackt war, liegt zum Neustart bei 25.000 Exemplaren. Sie soll verstärkt über den Kiosk vertrieben werden. Das kulturpolitische Blatt ist seit der 68er-Gründerzeit berühmt, und niemand konnte wirklich verstehen, wie Rowohlt dieses Projekt einfach einstellen konnte.

Eigentlich sollte auch „_Die andere Bibliothek_“ bei Eichborn wechseln, worüber wir ebenfalls schon ausführlich berichteten. Es kam deswegen ja zu juristischen Auseinandersetzungen, und das Oberlandesgericht Frankfurt hat nun entschieden, dass die fristlose Kündigung der Vereinbarung durch Hans Magnus Enzensberger nicht gültig ist und er nicht als Herausgeber der von „FAZ“ und |dtv| geplanten _Frankfurter Allgemeinen Bücherei_, die im November starten soll, fungieren darf. Die FAZ hat aufgrund dieses Urteils beschlossen, das Buchprojekt zunächst zurückzustellen.

Die _Brigitte-Edition_, eine 26-bändige, von Elke Heidenreich zusammengestellte Buchreihe, lief wie erwartet gut an. Der erste Band (Enquists „Der Besuch des Leibarztes“) kam sofort in die „Focus“-Bestsellerliste. Den Startauflagen der ersten Titel von 50.000 Exemplaren folgten sofort Nachdrucke.

Nun startet auch der _Stern_ Ende des Jahres eine preiswerte Krimi-Bibliothek mit 24 Romanen. Vertriebspartner ist |Random House|, also ein Schwesternunternehmen aus dem Hause Bertelsmann.

Derzeit laufen die Comic-Editionen von _Bild_ mit |Weltbild| und der _FAZ_.

_Heyne_ startet im November eine neue Taschenbuchreihe: _Heyne Hardcore_. Vorzeitig kam bereits – aufgrund des Dokumentarfilms „Inside Deep Throat“ – wieder „Die Wahrheit über Deep Throat“ von Linda Lovelace heraus. Die neue Reihe richtet sich an Leser, die sich für anspruchsvolle, aufsehenerregende Titel interessieren – Titel, die das Potenzial zum Kultbuch haben. Die Startauflagen bewegen sich zwischen 15.000 und 25.000 Exemplaren pro Titel. In den ersten sieben Titeln geht es um Pornografie, SM-Alpträume, Horror und Drogeneskapaden. Heyne Hardcore spiegelt genau das wider, was in Hollywood oder in der Musikindustrie seit Jahren als extreme Kunst im Mainstream fest verankert ist. Die Bücher sollen provozieren und anecken, aber literarischen Ansprüchen ebenso genügen.

_Egmont Ehapa_ legt das Werk des Disney-Zeichners _Carl Barks_ in einer exklusiven Ausgabe vor. Die „Carl Barks Collection“ ist eine von Geoffrey Blum kommentierte 30-bändige Werkausgabe rund um den Schöpfer von Mickey Mouse und Donald Duck, limitiert auf 3.333 Exemplare in zehn Kassetten, die jeweils drei Bände mit einem Umfang von bis zu 288 Seiten enthalten (Preis pro Kassette: 149 Euro). Die exklusiv gestalteten, neu kolorierten Bände breiten auf mehr als 8.000 Seiten den gesamten Entenhausen-Kosmos aus – darunter auch die verschollen geglaubte Dagobert-Story „King Scrooge I“, die Charles Dickens´ geizigen Mr. Scrooge aus „Ein Weihnachtsmärchen“ zum Vorbild hat. Der deutsche Text der Disney-Storys basiert auf der Übersetzung von Erika Fuchs, die kürzlich mit 98 Jahren verstarb.

Am 22. August ist im Alter von 76 Jahren _Roland Klett_, Mitinhaber des Ernst-Klett-Verlages, gestorben. Im Börsenverein hatte er sich in den 70er Jahren sehr engagiert für Tarifpolitik eingesetzt.

Im September ist auch der Zeichner und Autor _F. K. Waechter_ im Alter von 68 Jahren an einem Krebsleiden verstorben. Er war Mitbegründer der Neuen Frankfurter Schule und des Satire-Magazins „Titanic“, schrieb rund 40 Bücher für Kinder und Erwachsene und ebenso viele Theaterstücke, an deren Inszenierungen und Bühnenbildern er mitwirkte. Richtungsweisend waren seine Bücher „Anti-Struwwelpeter“, „Opa Huckes Mitmach-Kabinett“ und „Wahrscheinlich guckt wieder kein Schwein“.

Die Zahl der Aussteller der kommenden _Frankfurter Buchmesse_ vom 19. – 23.Oktober ist weiter gewachsen, und in diesem Jahr wurde erstmals die Marke von 7.000 Ausstellern überschritten. Premiere haben in diesem Jahr eine Pressemesse, die Frankfurter Antiquariatsmesse und die Ausstellung „Spiele & Spielen“ in Kooperation mit der Spielwarenmesse Nürnberg.

Vor Beginn der Frankfurter Buchmesse, am 17. Oktober, wird der neue _Deutsche Buchpreis_ für den besten Roman des Jahres verliehen, ausgewählt aus 138 Romanen. (www.deutscher-buchpreis.de) Von diesen wurden am 19. September bereits sechs Titel vorgestellt, die es geschafft haben, in die Endrunde zu gelangen. Der Preis ist mit 25.000 Euro dotiert – 2.500 Euro fließen an jeden weiteren Titel von den sechsen der Shortlist. Mit dem Deutschen Buchpreis will der Börsenverein eine Auszeichnung für den besten deutschsprachigen Roman etablieren, die sich an Vorbildern wie dem Prix Concourt in Frankreich oder dem britischen Man Booker-Prize messen lassen soll. Zur Preisverleihung stellt die Stadt Frankfurt den Kaisersaal im Frankfurter Römer zur Verfügung. Gert Scobbel, Grimme-Preisträger und Moderator der 3sat-Sendung „Kulturzeit“, führte durch die einstündige Veranstaltung, die den kulturellen Auftakt der Buchmesse darstellte. Der Börsenverein hofft, dass sein jüngstes Projekt, ähnlich wie der renommierte Friedenspreis, nach und nach internationale Strahlkraft entwickelt – und auf diese Weise der deutschsprachigen Literatur im Ausland den Rücken stärken kann.

Nominiert wurden:
Thomas Lehr, „42“, Aufbau-Verlag 2005, 368 S., 22,90 Euro
Arno Geiger, „Es geht uns gut“, Hanser Verlag 2005, 392 S., 21,50 Euro
Gila Lustiger, „So sind wir“, Berlin Verlag 2005, 260 S., 18 Euro
Daniel Kehlmann, „Die Vermessung der Welt“, Rowohlt 2005, 304 S., 19,90 Euro
Friedrich Mayröcker, „Und ich schüttelte einen Liebling“, Suhrkamp Verlag 2005, 19,80 Euro
Gert Loschütz, „Dunkle Gesellschaft“, Frankfurter Verlagsanstalt 2005, 220 S., 19,90 Euro

Die _Friedenspreisverleihung_ dagegen stellt das eventuell künftige EU-Mitgliedsland Türkei einmal mehr ins völlige Abseits. Mit Bestürzung haben der Stiftungsrat Friedenspreis und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels zur Kenntnis genommen, dass die türkische Staatsanwaltschaft _Orhan Pamuk_, Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2005 , wegen „öffentlicher Herabsetzung des Türkentums“ angeklagt hat. Dabei droht eine Haftstrafe von mehreren Jahren. „Wir protestieren und fordern den türkischen Staat auf, das Verfahren gegen Orhan Pamuk einzustellen, denn die Freiheit des Wortes gehört zu den Grundwerten einer demokratischen Gesellschaft“, so Dieter Schormann, Vorsteher des Börsenvereins. Auch das PEN-Zentrum Deutschland kritisiert: „Die Anklage ist ein brutaler Angriff auf die Meinungsfreiheit. Die Türkei kann ihre inneren Konflikte nur lösen, wenn sie sich endlich auch den dunklen Seiten ihrer Geschichte stellt“. Die türkische Staatsanwaltschaft legt dem Friedenspreisträger in ihrer Anklage Interview-Äußerungen in einer Schweizer Zeitung zum Völkermord an den Armeniern zur Last, der in der Türkei bis heute offiziell nicht anerkannt wird. Pamuk hatte davon gesprochen, dass in der Türkei eine Million Armenier und 30.000 Kurden umgebracht worden seien. Orhan Pamuk wird am 23. Oktober 2005 in der Frankfurter Paulskirche der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen. In der Begründung des Stiftungsrats heißt es: „Mit Orhan Pamuk wird ein Schriftsteller geehrt, der wie kein anderer Dichter unserer Zeit den historischen Spuren des Westens im Osten und des Ostens im Westen nachgeht, einem Begriff von Kultur verpflichtet, der ganz auf Wissen und Respekt vor dem anderen gründet. So eigenwillig das einzigartige Gedächtnis des Autors in die große osmanische Vergangenheit zurückreicht, so unerschrocken greift er die brennende Gegenwart auf, tritt für Menschen- und Minderheitenrechte ein und bezieht immer wieder Stellung zu den politischen Problemen seines Landes.“ Die Freiheit des Wortes ist Grundlage demokratischer Gesellschaften und damit auch der freien verlegerischen und buchhändlerischen Tätigkeit. Auch der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels entstand vor dem Hintergrund dieses Wertes. Er würdigt seit 1950 Persönlichkeiten, die mit ihrer literarischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Arbeit als Friedensstifter wirken. Anderen türkischen Trägern des deutschen Friedenspreises ging es schon ähnlich: _Yasar Kemal_, der Friedenspreisträger von 1997, wurde 1995 zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Dass nun zehn Jahre später die Staatsanwaltschaft in Istanbul erneut ein Exempel statuieren will, wirft kein gutes Licht auf einen EU-Beitritt der Türkei.

Es gibt nach Frankfurt und Leipzig und der anders gelagerten LitCologne in Köln eine weitere deutsche Buchmesse: _Buch! Berlin_ bietet fünf Wochen nach der Frankfurter Messe vom 25. – 27.November deutschen und internationalen Verlagen die Möglichkeit, sich zu präsentieren, inklusive Direktverkaufserlaubnis am Stand. Die Buchhandlungen in Berlin sind verärgert deswegen. Neben den Verlagsständen gibt es umfangreiches Programm auf mehreren Lesebühnen, darunter Buchvorstellungen für Kinder und Jugendliche und eine Ausstellung für Comic-Art.

|Das Börsenblatt, das die hauptsächliche Quelle für diese Essayreihe darstellt, ist selbstverständlich auch im Internet zu finden, mit ausgewählten Artikeln der Printausgabe, täglicher Presseschau, TV-Tipps und vielem mehr: http://www.boersenblatt.net/.|

John Connolly – In tiefer Finsternis [Charlie Parker 3]

Ein Privatdetektiv stößt auf einen kriminellen Sektenchef, dessen ‚Kirche‘ eng mit terroristischen Neo-Nazis und fanatischen Fundamentalisten zusammenarbeitet. Der unheilige Bund gedenkt sich nicht in seine selbst auferlegte Mission zur „Reinigung“ der sündhaften Gesellschaft pfuschen zu lassen und tritt zum mörderischen Gegenangriff an … – Enorm spannender, wie immer sehr düsterer (dritter) Thriller der Charlie Parker-Serie, der vor dem Hintergrund des US-amerikanischen Sektenwesens spielt und diese Kulisse recht dramatisch wenn auch um des Spektakulären (hoffentlich) arg überspitzt nutzt.
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Ralf Isau – Das gespiegelte Herz (Die Chroniken von Mirad 1)

Ergil ist ein ruhiger, nachdenklicher Junge mit einer unerschöpflichen Wissbegierde. Stunden kann er damit verbringen, das Leben im Wald zu beobachten, und wenn er damit fertig ist, fragt er seinen Ziehvater Falgon Löcher in den Bauch. Diese Eigenschaften resultieren aus dem tief verwurzelten Wunsch, die Welt und ihre Wesen zu verstehen. Wenn er sich nur selbst verstehen könnte! Einiges an ihm selbst scheint ziemlich merkwürdig zu sein, und er träumt immer so seltsam …

Twikus ist ein Wildfang und immer in Bewegung. Er scheint vor nichts Angst zu haben, das Wort Vorsicht existiert in seinem Wortschatz gar nicht. Sein Lieblingszeitvertreib ist die Jagd. Twikus ist ein exzellenter Bogenschütze. Umso mehr wundert er sich immer wieder über die Träume von einem jungen Burschen, der offenbar ein totaler Weichling ist …

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Tornow, Wolfgang – Sei HARTz. Das Märchen von der Arbeitslosigkeit

„Sei HARTz“ ist ein satirischer Roman über das Thema Arbeitslosigkeit, die der Autor Wolfgang Tornow durch eigene Erfahrung und Gespräche mit 200 Betroffenen kennen gelernt hat. Zugleich ist das Buch in der zweiten Hälfte auch eine gelungene politische Parodie auf Zustände, die eigentlich schon eine Realsatire darstellen. Auf Bedenken, ob man über eine ernste Sache wie Arbeitslosigkeit einen Unterhaltungsroman wie etwa einen Krimi schreiben dürfe und ob den dann jemand lesen wolle, antwortet der Verfasser mit einem nicht zu widerlegenden Argument: „Es gibt wesentlich mehr Arbeitslose als Ermordete samt ihrer Mörder zusammen.“

_Die Geschichte_

Der durch ein Rationalisierungsprogramm im Himmel arbeitslos gewordene Liebesgott Amor rafft sich noch mal zu einem guten Werk auf und bringt in Kartoffelhausen Wolle und Tamara zusammen. Aber die Kobolde gönnen Amor diesen Erfolg nicht, und so wird das junge Glück bald von Wolles Arbeitslosigkeit überschattet. Wolle muss nun mit weniger Geld auskommen, schreibt erfolglose Bewerbungen und erlebt die bürokratische Unfähigkeit des Kartoffelhausener Arbeitsamtes. Dadurch leidet auch die Beziehung zwischen Wolle, der sich durch finanzielle Hilfen seiner Freundin gedemütigt fühlt, und Tamara, die in der schwierigen Lage krampfhaft alles richtig machen will und bei Rückschlägen überdramatisiert, immer stärker.

Aber es kommt noch schlimmer: Der Teufel, dessen Unternehmen Hölle auch nicht mehr so gut läuft, muss einen Nebenjob annehmen und wird Chef der Kartoffelanstalt für Arbeit. Wolle besucht nun ein Bewerbungstraining und EDV-Kurse für das Sanduhr-Anzeige-Programm (SAPperlot, hier kennt jemand die Organisationsprobleme moderner Handelsunternehmen.). Er ergreift Billigjobs, die seinen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung mindern, heuert bei einer Zeitarbeitsfirma an und wird durch die ständigen Rückschläge immer gleichgültiger und bitterer. Die Arbeitsanstalt fährt stets neue propagandistische Aufmunterungsprogramme („Von den Kosten der professionellen Vermarktung dieser Kampagne hätten 25.000 Krankenschwestern ein ganzes Jahr leben können.“). Die Regierung gibt derweil die eigene Währung auf und öffnet die Grenzen zum Ostkartoffelreich, wodurch sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt noch weiter verschärft („Hätten wir die Braut nicht erst einmal kennen lernen sollen, anstatt sie gleich zu heiraten?“).

Amor, motiviert durch seinen Volltreffer, baut inzwischen eine Karriere von der Scheinselbständigkeit über den Vorruhestand bis in den hingebungsvoll praktizierten Alkoholismus auf. Und dann hat Satan seinen großen Auftritt vor den Dämonen und den Kobolden … Doch mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden.

_Das Buch_

Das Buch beginnt etwas schwach. Seitenweise erleben wir das frisch verliebte Paar Tamara und Wolle, und Arbeitslosigkeit ist nur insofern ein Thema, als dass sie die Beziehung der beiden belastet. Wenn ausführlich beschrieben wird, wie engagiert sich Wolle in seine zunächst noch vorhandene Arbeit kniet und wie glücklich er mit seiner Tamara ist, kann man eine persönliche Vergangenheitsbewältigung des Autors, der übrigens Wolfgang heißt, vermuten. Der bürokratische Kampf um die Erstattung von Bewerbungskosten durch das Arbeitsamt wird nur erzählt. Wieso keine Szenen und Dialoge? Es sollte doch eine satirischer Roman und kein Bericht werden.

Aber etwa ab dem 5. Kapitel steigert sich die Geschichte deutlich. Endlich kommt Tornow zum Thema, und nun gelingen ihm Episoden, die mich trotz des ernsten Hintergrundes der Geschichte immer wieder laut lachen ließen. Wolle erlebt konfuse Manager, die unfreundliche Unfähigkeit des Arbeitsamtes und später die freundliche Unfähigkeit der Arbeitsagentur und ein System, das ihm immer wieder Stöcke zwischen die Beine wirft, wenn er selbst die Initiative ergreifen will. Dass aber in der Episode über seinen Minijob als Telefonist ein Fall von Kindesmissbrauch für ein paar Kalauer herhalten muss, ist völlig daneben.

Absolute Höhepunkte der Geschichte sind die Ansprachen des Dozenten im Bewerbungskurs und des neuen Arbeitsvermittlers in der Agentur sowie Wolles Erlebnisse als Zeitarbeitskraft in Firmen, die von Unternehmensberatungen fast kaputt optimiert worden sind. An diesen punktgenauen Treffern erkennt man die Recherchearbeit Tornows. Und wie erwähnt, funktioniert die Geschichte gegen Ende auch noch als politische Satire, wenn sie kaum noch verschlüsselt den Wahnsinn der Wirklichkeit schildert.

_Fazit_

Abgesehen vom etwas langatmigen Anfang ist „Sei HARTz“ ein gelungenes und empfehlenswertes Buch über ein heikles Thema. Wolfgang Tornow hat Mut bewiesen, indem er über etwas so Unangenehmes wie Arbeitslosigkeit, worüber viele nichts mehr hören mögen, geschrieben und dabei sicher auch einige eigene schmerzhafte Erfahrungen berichtet hat. Ein ungewöhnliches Buch über ein ungewöhnliches Thema.
Vor weiteren Auflagen, die „Sei HARTz“ auf jeden Fall zu wünschen sind, wäre aber eine gründliche Lektorierung angesagt. Arbeitslosigkeit ist schrecklich. Der Einzige, dem man dieses Schicksal wünschen mag, ist der frühere Deutschlehrer des Autors, der seinem Schüler die Zeichensetzung und den Unterschied zwischen Dativ und Akkusativ nicht richtig beigebracht hat.

Wer mehr über das Buch wissen möchte, sollte die Webseite http://www.seiHARTz.de besuchen, auf welcher der Autor ausführliche Informationen über sein satirisches Märchen bereithält.

Kubert, Joe – Yossel, 19. April 1943

Vor einiger Zeit hat es schon einmal die Diskussion gegeben, ob man ein so brisantes Thema wie den Holocaust durch die Darstellung in einem Comic verharmlosen darf. Auslösender Faktor war damals der Band „Auschwitz“ von Pascal Croci, den die Comic-Schmiede |Ehapa| seinerzeit veröffentlichte und damit in Teilen der Fangemeinde – immerhin werden auch die Geschichten von Micky Maus und Donald Duck über diesen Verlag auf den Markt gebracht – für Entrüstung sorgte. Völlig unsinnig, wie ich finde, denn wer die Intention der Geschichte begriffen hat, sollte wissen, dass man erstens mit Comics keine realen Fakten verharmlost, zweitens lediglich seine Fantasie in Bilder fasst und drittens nicht gleich politisch Stellung bezieht, wenn man sich einem schwierigen Thema widmet. Eigentlich spielt meine Meinung diesbezüglich hier nur eine zweitrangige Rolle, aber ich finde ganz und gar nicht, dass schwarze Flecken in der Geschichte auf ewig ein Tabuthema bleiben sollten, und deswegen kann ich gegen eine derartige, in gewisser Hinsicht sicher außergewöhnliche Herangehensweise auch absolut nichts einwenden.

Das hat sich wohl auch Joe Kubel, ein gebürtiger Pole, der bereits 1926 im Alter von gerade mal zwei Monaten in die Vereinigten Staaten auswanderte, gedacht und zum 60. Jahrestag des Aufstands im Wahrschauer Ghetto einen ganz besonderen Comicband erstellt, der teils auf realen Fakten basiert, teilweise aber auch fiktiv inszeniert wurde.
In „Yossel, 19. April 1943“ beschreibt Kubert nämlich die Situation im Wahrschauer Ghetto, in der er selbst damals zwar nicht gewesen ist, er versetzt sich allerdings auch selber in die Lage der dort zusammengepferchten Juden und erzählt die Geschichte aus der Perspektive eines gefangenen Juden. Im Mittelpunkt steht der „Was wäre wenn“-Gedanke, der Kubert wohl sein ganzes Leben begleitet hat. Womöglich befände dieses Buch jetzt gar nicht in meinen Händen, wären Kuberts Eltern nicht damals ausgewandert, und alleine diese Tatsache mutet schon ziemlich seltsam an, verdeutlicht aber auch, welches Glück der Autor und Zeichner einerseits hatte, auf der anderen Seite aber auch, dass die grausame Gefangennahme von zwei Millionen Menschen damals auch den sehr wahrscheinlichen Tod bedeutete. Dies alles sind Themen, die man ja heutzutage gerne von sich schiebt, doch in Person dieses fast 80-jährigen Mannes, dessen glückliches Schicksal ihm damals unwissend das Leben gerettet hat, noch einmal auf eine recht seltsame Weise vor Augen geführt bekommt und die nicht weniger schockieren als vergleichbare Bände der allgemeinen Literatur.

_Geschichte:_

Joe Kobert alias Yossel wird infolge des deutschen Angriffs mitsamt seiner Familie von den Nazis ins Warschauer Ghetto gesperrt und dort unter menschenunwürdigen Bedingungen am Leben gelassen. Tagtäglich beobachtet er, wie Leute in seinem direkten Umfeld in deutsche Arbeitslager gebracht werden, denen man nachsagt, dass sie gleichzeitig auch Todeslager seien. Währenddessen hat sich der Junge, der ein besonderes Talent im Zeichnen hat, auch einer Gruppe von jungen Rebellen angeschlossen, die insgeheim schon Fluchtpläne schmieden.

Bei einer Routinekontrolle entdecken die Gefängniswächter das Talent von Yossel und laden ihn ins Hauptquartier der Polizei ein, wo seine Darstellungen von Heldenfiguren als Symbol für den arischen Übermenschen interpretiert und gut geheißen werden, woraufhin Yossel von nun an Tag für Tag zu diesen Menschen gebeten wird, um sie mit seinen Zeichnungen zu unterhalten. Die übrigen Menschen im Ghetto mögen die plötzliche Sonderstellung des jungen Zeichners gar nicht und beäugen ihn misstrauisch, sehen teilweise sogar einen Verräter in ihm. Doch seine Familie ermutigt ihn, seiner Bestimmung zu erfolgen und so dem kaum vermeidbaren Tod zu entrinnen – diese Option bleibt ihnen nämlich nicht mehr, denn trotz Yossels Bemühungen um einen weiteren Verbleib werden seine Angehörigen allesamt nach Auschwitz gebracht.

Im Folgenden beteiligt sich Yossel mehr und mehr an den Aktivitäten der von einem gewissen Mordacai geführten Rebellengruppe und nutzt seine Kontakte zu den Deutschen, um als Spion tätig zu werden. Gemeinsam und von Angst vor dem Tod getrieben, plant man den Aufstand im Ghetto, auch wenn er für den größten Teil der eingesperrten Juden mit dem Todesurteil gleichzusetzen ist.

Grundsätzlich gefällt mir die Idee, Realität und Fiktion miteinander zu verknüpfen, in diesem Fall sehr gut; was mir aber nicht so gut gefällt, ist die Tatsache, dass Joe Kubert die von ihm verkörperte Hauptfigur Yossel anfangs zum Helden einer Geschichte machen will, die einen solchen Typen gar nicht verlangt, und der dabei die eigentliche Tragik und das unglaubliche Verbrechen der Nationalsozialisten (so unsinnig das im Hinblick auf den grausamen Hintergrund auch klingen mag) auf eigene Faust zu aufzulösen versucht.

Kubert stellt dabei immer wieder sein zeichnerisches Talent in den Mittelpunkt der Handlung und erwähnt auch wiederholt, wie fabelhaft dies alle Menschen in seinem Umfeld fanden, und irgendwann nervt das und führt dazu, dass die notwendige Ernsthaftigkeit hinter diesem Thema verloren geht. Ein fataler Fehler, den ich hier ganz stark krisieren möchte, denn die eigentliche Absicht wird hier teilweise ad absurdum geführt.

Es ist zu begrüßen, dass Kubert bemüht ist, einen Comic zun entwerfen, in dem er Historisches mit fiktiven Einschüben kombiniert, aber er hat sich dort an ein Themengebiet herangewagt, in dem die künstlerischen Freiheiten sehr stark limitiert sind, und mir persönlich sagt die Art und Weise, wie er sich an dieses Thema heranwagt, nicht besonders zu, auch wenn dieses Bild im Verlauf der Geschichte immer besser wird. Ich möchte nicht außen vor lassen, dass mich die von ihm entworfenen Bleistiftzeichnungen zum Aufstand im Warschauer Ghetto zutiefst berührt haben, auch nicht, dass die schrecklichen Bilder den Schrecken von damals ziemlich authentisch widergeben, aber sobald der Wahl-Amerikaner seine eigene Note in die Handlung einbringt, leistet er sich grobe Schnitzer und dreht die Geschichte in seiner Erzählung in eine Richtung, die zumindest in den Texten des Comics nicht einmal ansatzweise den Schrecken des Lebens in dieser Nazieinrichtung originalgetreu reflektiert. Lediglich die Zeichnungen sind voller Tiefgang, aber da der Text hier größtenteils das Geschehen überlagert, geht dieser Aspekt sehr häufig unter.

Vielleicht ist dieser Punkt nun auch eine allzu harte Kritik, denn es ist sicherlich nicht Kuberts Ziel, die eigene Person zu rühmen und die Zustände im Warschauer Ghetto durch den fiktiven Einbezug des jungen Helden Yossel herunterzuspielen (und das tut er besonders in der zweiten Hälfte ganz bestimmt nicht, eher im Gegenteil), aber wir haben es hier nun einmal mit einem Thema zu tun, das nach wie vor nicht einfach ist, und an das man zu Recht mit einer gespannten Erwartungshaltung und gänzlich anderen Kriterien herangeht als an eine ’normale‘ Geschichte. Und wenn man das berücksichtigt, dann hat der Mann hinter diesem Hardcover-Band abgesehen von den Zeichnungen ein wenig das Ziel verfehlt.

Zu erwähnen wäre noch, dass der Text in „Yossel, 19. April 1943“ an zu vielen Stellen eine gewichtigere Rolle spielt als die bewusst grob gehaltenen Zeichnungen, und das ist ein weiterer Punkt, den man kritisieren könnte, vor allem, weil Kubert durchaus in der Lage wäre, seine Bilder ganz für sich sprechen zu lassen. Ich kann einfach nicht oft genug betonen, dass der Mann tatsächlich aus diesem Buch eine bewegende und mit vielem Emotionen geschmückte Erzählung hätte kreieren können, und ich merke, dass ich während dieser Rezension doch noch versuche, die positiven Aspekte dieser Schöpfung irgendwie herauszustellen, aber schlussendlich muss ich mir vielleicht auch eingestehen, dass ich ein wenig davon enttäuscht bin, dass Kubert das Potenzial hinter seiner Idee nur in seinen Zeichnungen, nicht aber im Gesamtwerk ausgelebt hat. Eine zwiegespaltene Angelegenheit also, ich empfehle jedoch Interessenten dieses Themenbereichs, mal einen Blick in das Buch zu werfen, die Texte erstmal außen vor und sich von den Bildern leiten zu lassen. Zumindest das wird einem unter Garantie ein paar atemberaubende Momente bescheren, von denen der Autor locker noch mehr hätte erschaffen können. Wie gesagt, im Endeffekt finde ich es schade um die ungenutzte Chance.

Hall, Sarah – Elektrische Michelangelo, Der

Sarah Hall ist international noch ein eher unbeschriebenes Blatt, in ihrer britischen Heimat wird sie allerdings schon als die |“vielversprechendste neue Stimme der englischen Literatur“ (The Independent)| gefeiert. Ihr Romandebüt „Haweswater“ wurde mehrfach ausgezeichnet und ihr Zweitwerk „Der Elektrische Michelangelo“ wurde 2004 gar für den Booker-Preis nominiert.

Cyril Parks ist der titelstiftende „Elektrische Michelangelo“. Anfang des letzten Jahrhunderts wächst Cy im Seebad Morecambe Bay an der englischen Nordwestküste auf. Seine Mutter führt direkt an der Bay ein Hotel, das überwiegend von lungenkranken Arbeiter aus den nahe gelegenen Industriestädten frequentiert wird. Cy, der schon immer ein talentierter Zeichner war, tritt in jungen Jahren eine Lehre bei Eliot Riley an. Keine gewöhnliche Lehre, schließlich dürfte Tätowierer kein anerkannter Ausbildungsberuf sein. Riley ist ein begnadeter Künstler, aber auch ein notorischer Trinker und ein draufgängerischer Querulant, der keinen guten Ruf genießt. Nur als Tätowierer ist seine Reputation tadellos.

Als Cys Mutter stirbt, nimmt Riley den Jungen ganz unter seine Fittiche. Cy lernt in dieser Zeit viel über die tiefen Abgründe des Lebens und die hohe Kunst des freihändigen Tätowierens. Als Riley dann in den 30er Jahren stirbt, packt Cy die Koffer und schifft sich nach Amerika ein. Sein neues Zuhause wird Brooklyn, der kunterbunte Schmelztiegel New Yorks. Als Tätowierer kommt Cy schon bald auf Coney Island unter, eine eigene Welt, wo das Können eines guten Tätowierer ein gefragter Dienst ist. Auf Coney Island herrscht der ewige Jahrmarkt vor den Toren New Yorks, mit Karussells und Freakshows, mit Zirkus und Hot Dogs.

Hier geht Cy seiner Arbeit nach, tätowiert Meerjungfrauen und Herzen auf Oberarme und trinkt abends im Varga, der Kneipe mit den siamesischen Kellnerinnen, einen Drink – bis die mysteriöse Zirkusakrobatin Grace mit einem äußerst ungewöhnlichen Auftrag an ihn herantritt und Cy sich in sie verliebt …

Schon inhaltlich erzählt Sarah Hall eine Geschichte, wie man sie nicht alle Tage vorgesetzt bekommt. Die Lebensgeschichte eines Tätowierkünstlers ist schon für sich genommen ein literarisch eher seltenes Vergnügen. Halls Figuren stehen fast allesamt am Rande des Gesellschaft. Menschen, die von der Masse belächelt werden, weil sie auf merkwürdige Art anders sind. Hall führt eine Reihe skurriler Figuren in die Geschichte ein. Der eigenbrötlerische Querulant Eliot Riley ist nur einer von ihnen. Auf Coney Island, im Trubel des ewigen Jahrmarkts, lernt Cy noch einige andere wunderliche Typen, allesamt Randerscheinungen der Gesellschaft, kennen. Da wären beispielsweise die siamesischen Zwillinge hinter dem Tresen des Varga, die an der Hüfte zusammengewachsen sind, da wäre das geradezu riesenhafte Pärchen Arthur und Claudia (er Tätowierer, sie Gewichtheberin) und da wäre die geheimnisvolle Grace, die ihre spärliche Wohnung mit ihren Pferd Maximus teilt.

Sarah Hall versteht es, den Leser größtenteils aufgrund ihrer Figurenbeschreibungen bei der Stange zu halten. Spannung im eigentlichen Sinn baut sie kaum auf. Sie unterhält den Leser einzig mit ihren sprachlichen Mitteln und der Figurenzeichnung. Und das ist absolut nicht langweilig. Cy wächst dem Leser schnell ans Herz und auch die übrigen Figuren gehen einem so schnell nicht aus dem Kopf.

Hall widmet sich einem faszinierenden Ausschnitt vom Rande der menschlichen Gesellschaft und erzählt dabei eine Geschichte, die dennoch mitten aus dem Leben gegriffen scheint. Halls Figuren haben Ecken und Kanten. Sie mögen noch so kurios erscheinen und noch so sonderbar wirken, sie wirken dennoch echt. Jeder trägt seine eigene dunkle Seite in seiner Seele, jeder Charakter hat ausgeprägte helle wie dunkle Züge. Die Figuren, die als ganz wesentlicher Bestandteil die Geschichte tragen, sind einer der unumstößlich positiven Aspekte des Romans.

Coney Island mit seinen merkwürdigen Freakshows, die stets darauf bedacht waren, die Andersartigkeit der Darsteller auf dem Silbertablett zu präsentieren, war zur damaligen Zeit für die Menschen ein Fenster zu weiten Welt. Man sah dort Dinge, die man sonst nirgends zu sehen bekam, von Missgebildeten bis zu Kleinwüchsigen. Man konnte staunen und sich ekeln, so dass von der ganzen Insel auch etwas Faszinierendes ausging. Im Zeitalter des aufkommenden Fernsehens und mit zunehmender Abstumpfung der Betrachter, wurden in den 50ern auch nach und nach die Attraktionen von Coney Island eingemottet. In der Rückschau betrachtet, sind sie ein faszinierendes Phänomen, das ein wunderbares Setting für einen Roman bildet und dessen Sarah Hall sich hier bedient.

Eine ähnliche Faszination geht vom Tätowieren an sich aus. Cy ist zu einer Zeit aufgewachsen, als höchstens Seeleute und zwielichtige Gestalten Tätowierungen trugen. Die Kunst, die Cy erlernt, hat einen verruchten, dunklen Charakter, der eine gewisse Faszination abstrahlt. Hall beobachtet das bunte Treiben im Tätowierstudio von Eliot Riley, erzählt kuriose Geschichten um Tätowierungen und Tätowierte, Geschichten zwischen Schönheit, Schmerz und Leidenschaft.

Doch nicht nur die Geschehnisse auf Coney Island und im Tätowierstudio von Morecambe Bay sind interessant erzählt, auch Cys Kindheit ist erzählerisch eine sehr gute Leistung. Der Grund liegt vor allem in Sarah Halls herausragender sprachlicher Fingerfertigkeit. Virtuos jongliert sie mit Worten und zeichnet im Kopf des Lesers farbenprächtige und plastische Bilder – ähnlich unauslöschlich, wie die Bilder, die Cy seinen Kunden mit der Nadel in die Haut ritzt.

Unumstößlicher Mittelpunkt der Geschichte ist Cy. Weitestgehend geht es um seine Arbeit. Sein Gefühlsleben verläuft eher unspektakulär. Er ist ein Einzelgänger, der nicht viele Kontakte pflegt. Eine solche Hauptfigur mag im ersten Moment etwas langweilig wirken, aber Cy geht seinen Weg und der Leser nimmt daran Anteil. Mit dem ersten Auftauchen von Grace kriegt die Geschichte dann genau das, was ihr bisher fehlte. Cy verliebt sich in sie und sie wird innerhalb der Handlung zu seinem Gegenpol. Sie bleibt stets geheimnisvoll, scheint etwas Magisches an sich zu haben, das nicht nur Cy fasziniert, sondern auch den Leser.

Etwas überraschend entwickelt sich der Roman auf den letzten 70 Seiten. Plötzlich kippt die Handlung, tragische Ereignisse nehmen ihren Lauf und erzeugen eine ganz eigene Spannung, die die Handlung zuvor nicht hatte. Es ist ein sehr deutlicher Bruch und im ersten Moment ist man versucht, ihn als unpassend zu schelten. Je näher dann allerdings das Finale rückt, desto mehr gewinnt man den Eindruck, dass das Buch genau so eine Wendung vielleicht auch braucht. Der Bruch in der Handlung hat einen gewissen Schockeffekt, aber er hat auch auf Figuren und Handlung genau diese Wirkung und es ergeben sich daraus Dinge, die man bei den Figuren anfangs nicht für möglich gehalten hätte.

Am Ende sind es alle großen menschlichen Gefühle, die der Roman in sich vereint, und das hinterlässt einen nachhaltigen Eindruck. In „Der Elektrische Michelangelo“ spiegeln sich viele Facetten von Liebe, Schmerz und Lebensphilosophie, sowie die dunklen und auch die hellen Seiten der menschlichen Seele wider. Der Roman bekommt dabei trotz seiner kuriosen, „unnormalen“ Figuren etwas Universelles und schafft es deswegen auch, den Leser zu berühren. Letztendlich sind die Typen aus den Freakshows auf dem Jahrmarkt und die tätowierten Sonderlinge auch nur Menschen wie du und ich …

Bleibt unter dem Strich ein sehr positiver Eindruck zurück. Sarah Hall zeichnet sich durch einen wunderbaren, geradezu virtuosen Umgang mit Worten aus. Geschickt zeichnet sie mit Worten lebhafte Bilder und lässt die Lektüre zu wahrem Kopfkino werden. Liebevoll entwirft sie skurrile, aber liebenswürdige Figuren mit Ecken und Kanten, die so wirken, als wären sie direkt aus dem Leben gegriffen. Sie spiegelt die Facetten der menschlichen Emotionen wider und gibt ihrem Roman damit trotz der „Randgruppenthematik“ einen universellen Anstrich. Und zu guter Letzt widmet sie sich auch der geheimnisvollen Frage, was an in die Haut gestochenen Bildern so besonders und faszinierend ist.

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Froideval, François Marcela / Pontet, Cyril – Krone des Schattens, Die (Die Chroniken des schwarzen Mondes 6)

Band 1: [Das Zeichen der Schatten 1625
Band 2: [Der Flug des Drachen 1638
Band 3: [Das Zeichen der Dämonen 1697
Band 4: [Die Stunde der Schlange 1767
Band 5: [Scharlachroter Tanz 1768

Mit dem sechsten Band von „Die Chroniken des schwarzen Mondes“ tat sich in dieser Serie eine gewichtige Änderung auf. Von nun an war Cyril Pontet für die grafische Gestaltung der Comics zuständig und löste den etatmäßigen Olivier Ledroit ab.

Cyril Pontet wurde 1971 in Marseille geboren und begann nach dem Abitur Psychologie zu studieren. Doch mittendrin brach er das Studium ab, um Comics zu zeichnen. Seine Inspiration holte er sich sowohl von amerikanischen Comics als auch aus der Fantasy-Literatur von Tolkien, Fritz Leiber, Michael Moorcock sowie Lovecraft und Ramsey Campbell. „Die Chroniken des schwarzen Mondes“ ist seine erste Serie.

_Story:_

Der Krieg scheint beendet und der Kaiser wähnt sich nach der offensichtlichen Niederlage und dem Tod von Hazeel Thorn und dem Baron von Moork als sicherer Sieger. Doch mit der Eintracht ist es nicht lange her, denn von Neuem werden Intrigen gesponnen, um dem Landesherren die Macht streitig zu machen. Der eigens von Kaiserhand entmachtete Fratus Sinister schwört ebenso Rache wie der sich verraten gefühlte Parifal, und auch Hazeel Thorn und der Baron von Moork, die ihr Leben irgendwie dennoch haben retten können, schmieden bereits neue Pläne, um den schwarzen Mond an die Macht zu bringen.

Wismerhill kann die beiden dazu ermutigen, erst einmal eine Zeit lang von der Bildfläche zu verschwinden und ihn über Moork herrschen zu lassen. So können sie fernab des Kaiserreichs einen neuen Angriff vorbereiten und den Kaiser schließlich gänzlich in die Knie zwingen. Der jedoch weiß nichts von diesen Machenschaften und entsendet Graf Horkher nach Moork, um ihm die Macht über das Gebiet des ehemaligen Barons zu überlassen. Horkher glaubt zu träumen, als er in Moork von einer netten Bevölkerung begrüßt und herzlich aufgenommen wird.

Doch der Schein trügt; Wismerhill hat dem Grafen einen Hinterhalt gelegt und überfällt sein Gefolge in einem blutigen Attentat. Den Grafen verschont er unter der Bedingung, dass er ihm seine Stadt überlässt und als Graf abdankt. Horkher bleibt keine andere Wahl, und in einem weiteren blutigen Anschlag nimmt Wismerhill seine Stadt ein – aus weiter Ferne wird er allerdings von Hazeel Thorn und dem Baron von Moork beobachtet, die seinem Treiben mit Wohlwollen zuschauen. Auch der Kaiser bekommt von Wismerhills Feldzug Wind, und als der Ritter schließlich vor ihn tritt, um dem Kaiser Treue und Gefolgschaft zu schwören, erahnt der alte Herrscher den erneuten Hinterhalt und schwört sich insgesheim, Wismerhill und seine Helfershelfer teuer bezahlen zu lassen.

In „Die Krone des Schattens“ legt François Froideval ein gehöriges Erzähltempo vor, was leider, wie auch schon im vorangegangenen Band, dazu führt, dass es nicht immer leicht ist, dem wilden Treiben im Kaiserreich Lhynn zu folgen. Dieses Mal ist es sogar noch ein ganzes Stück schwerer, weil zum Beispiel die Rolle des Succubus und der plötzliche Sinneswandel Wismerhills, der hier immer mehr zum brutalen Räuber und machtgierigen Herrscher avanciert, nicht eindeutig dargestellt werden. Er allein weiß von der weiteren Existenz Hazeel Thorns, doch erklärt das noch lange nicht den kompromisslosen Machtmissbrauch und seine kaltherzige Herrschaft, der selbst seine eigenen Leute zum Opfer fallen. Es wird also mal wieder komplex, was gleichzeitig bedeutet, dass der Autor erneut weitere Nebenhandlungen aufbaut, die jedoch hier noch nicht mal ansatzweise gelöst werden. Man muss also weiterhin auf seinen langen Atem vertrauen und sich bis zur Fortsetzung im nächsten Buch vertröstet lassen, ist sich andererseits aber auch irgendwie sicher, dass später wieder alles logisch zusammenfällt, man selber sich aber gleichzeitig ärgert, dass man diverse Hintergründe nicht schon früher durchschaut hat. Aber genau das ist ja auch in gewissem Maße die Stärke von „Die Chroniken des schwarzen Mondes“ und ihrem Schöpfer François Marcela Froideval.

Andererseits gehen die Zeichnungen des neuen Grafikers Cyril Pontet genau die umgekehrte Richtung und sind ein wenig runder und simpler dargestelt, als dies bei seinem Vorgänger der Fall war. Andererseits hat er aber ganz klar den Schriftzug von Olivier Ledroit übernommen, nur dass Pontet nicht ganz so viele Details in seinen Zeichnungen unterbringt. Aber ich muss zugeben, dass es auch sehr schwer fällt, die einzelnen Unterschiede, die sich wirklich auf Feinheiten beschränken lassen, festzustellen und der Leser dies wahrscheinlich auch nicht sehen würde, wenn er nicht wüsste, dass hier ein neuer Zeichner am Werk ist. Der Wechsel der Zeichner hat also nur minimale Änderungen hervorgerufen, die aber für die weiterhin geniale, dieses Mal wieder weniger brutale Serie quasi gewichtslos sind. Als Fan kann und muss man die Geschichte mit „Die Krone des Schattens“ in aller Ruhe weiterlesen.