Die drei ??? und der verschollene Pilot (Band 163)

Zur Story

Die Überführung eines Autos für Onkel Titus führt die drei Fragezeichen in die Anuella Mountains, wo sie im dichten Nebel beinahe von der Straße abkommen. Peter hatte es auch besonders eilig, da Kelly im Zielort in einem Ferienzeltlager befindet und der dritte Detektiv die Konkurrenz knackiger Surflehrer fürchtet – dementsprechend locker saß auch der Gasfuß. Ein ziemlich kauziger Einheimischer geleitet sie zu einem vollkommen heruntergekommenen Hotel, wo das Trio erst einmal Rast einlegen will. Zwangsweise. Denn bei der dichten Suppe fährt man sich als Ortsunkundiger hier bestimmt über kurz oder lang tot. Scheinbar verlassen liegt die gespenstisch stille Absteige vor ihnen. Keine Menschenseele weit und breit – doch was hatte der seltsame Mann ihnen noch aufgetragen auszurichten? „Sagt Hunterman, er soll endlich aufgeben!“ Was auch immer der schräge Nachbar auch damit andeuten wollte – er hat wirklich nicht unrecht.

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Pax, Rebekka – Flammenmond (Vampirjäger 2)

_|Vampirjäger|:_

Band 1: [„Septemberblut“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7976
Band 2: _“Flammenmond“_

[„Septemberblut“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7976 war eine ziemlich unüberraschende Romantic Fantasy aus der Feder einer deutschen Autorin. Es gab die üblichen Klischees zu bestaunen: Ein einzelgängerischer und mysteriöser Vampir, der an eine unschuldige Maid gerät, woraufhin die beiden in unsterblicher Liebe zueinander entbrennen. Eine Geschichte, wie man sie auf die eine oder andere Weise wohl schon Dutzende Male gelesen hat. Im zweiten Band von Rebekka Pax‘ Reihe um den jahrhundertealten Vampir Julius Lawhead und seine menschliche Geliebte Amber geht es gar nicht mehr in erster Linie um die beiden: In „Flammenmond“ stehen stattdessen Julius‘ Freund Brandon und dessen Freundin Christina im Mittelpunkt. Und das ist gut so. Denn wenn der erste Band „Septemberblut“ vor allem daran krankte, dass es fast ausschließlich um die mäßig interessante Liebesgeschichte zwischen Amber und Julius ging, bekommt Rebekka Pax im zweiten Band elegant die Kurve und nimmt den Leser mit auf einen vampirischen Road Trip, der mit allerlei spannenden Momenten aufwarten kann.

Brandon und Christina sind am Anfang des Romans unterwegs in Brandons Vergangenheit, mit der er endlich Frieden schließen will. Doch dieser Versuch geht gründlich nach hinten los, denn bald werden die beiden von dem Vampir Nathaniel Coe aufgegriffen. Dieser ist Brandons alter Meister, ein sadistischer Vampir, den alle für tot gehalten hatten. Doch nun hat er Brandon wieder in seinen Fängen und will ihn prompt behalten – etwas, das Julius unmöglich zulassen kann. Und so macht er sich mit Amber und einem vampirtauglich umgebauten Wohnwagen auf ins Indianergebiet, um mittels Diplomatie Brandon zurückzuholen. Doch diese Mühlen mahlen langsam und bevor Julius irgendwelche Fortschritte machen kann, hat Nathaniel Brandons Geist schon so weit zerstört, dass dieser sich nur noch nach dem Tod sehnt. Und das auch noch, als Julius ihn endlich befreien kann. Was also tun? Ein selbstmordgefährdeter Vampir ist sicherlich keine gute Gesellschaft für seine Mituntoten.

Nachdem L. A. in Pax‘ Erstling „Septemberblut“ bisweilen recht steril wirkte, kann sie nun in „Flammenmond“ mit lebendigen und interessanten Settings punkten. Die Beschreibungen der Stationen des Road Trips, die besuchten Siedlungen und nicht zuletzt die Einblicke in das Leben der amerikanischen Indianer sind originelle Einfälle, die man so vielleicht nicht in einem Vampirroman erwarten würde und die deshalb umso mehr Wirkung entfalten. Pax nimmt sich viel Zeit, um die heutige Indianerkultur lebendig werden zu lassen und wer „Ein Mann, den sie Pferd nannten“ gesehen hat, wird wahrscheinlich bei der Lektüre ein Déjà-vu erleben. Den dort gezeigten „Sonnentanz“, einen indianischen Ritus, bei dem sich die tanzenden Krieger mit Holzpflöcken die Haut durchstechen und vier Tage und Nächte um einen Baum tanzen, findet man an zentraler Stelle in „Flammenmond“ wieder. Mit großer Detailverliebtheit und angemessenem Respekt vor der indianischen Kultur widmet Rebekka Pax einen großen Teil ihres Romans Brandons Suche nach seinen indianischen Wurzeln. Dabei nimmt sie in Kauf, dass der Leser – wie Julius im Roman – befremdet auf die unbekannten Riten und Traditionen reagiert. Doch in dieses Befremden mischen sich zunehmend Faszination und Respekt. Nachdem sich Generationen von Autoren französische, amerikanische, russische und manchmal auch japanische Vampire ausgedacht und auf den Buchmarkt losgelassen haben, ist Rebekka Pax vermutlich die erste, die ihrem Publikum einen Indianer als Vampir präsentiert. Interessante Wahl …

Rebekka Pax lässt ihre männlichen Protagonisten offensichtlich gern leiden, allerdings nimmt man Brandon die Rolle des tragischen Helden eher ab als Julius in „Septemberblut“, der gern weinerlich und unentschlossen beim Leser rüberkam. Brandons Charakter jedoch hat echte Brüche und so folgt man seiner Reise mit wirklichem Interesse. Julius und Amber spielen diesmal die zweite Geige – und das tut dem Buch unheimlich gut.

_Insgesamt muss man_ Rebekka Pax eine wirklich positive Entwicklung bescheinigen. „Septemberblut“ war noch sehr geradlinig gestrickt und bot kaum Überraschungen für den Leser. In „Flammenmond“ gelingt es Pax dann plötzlich, ihre Settings und Charaktere tatsächlich zum Leben zu erwecken. Es passiert generell mehr und das, was passiert, ist durchdachter und fesselnder. Und im Gegensatz zu dem eindimensionalen Bösewicht ihres Erstlings hat sie mit Nathaniel Coe hier nun einen herrlichen Schurken geschaffen, den man mit jeder Faser hassen kann. Schließlich ist Coe mehr als das reine Abziehbild des Bösewichts – er ist ein Charakter mit einer eigenen Geschichte. Und das verleiht dem zentralen Konflikt des Romans mehr Tiefe.

Wer nach „Septemberblut“ aufgeben wollte, der sollte „Flammenmond“ auf jeden Fall noch eine Chance geben. Leser, die schon den Erstling mochten, werden mit Freude feststellen, dass sich Rebekka Pax als Schriftstellerin steigern konnte.

|Taschenbuch: 464 Seiten
ISBN-13: 978-3548282497|
http://www.ullsteinbuchverlage.de

Harris, Charlaine – Vampir mit Vergangenheit (Sookie Stackhouse 11)

_|Sookie Stackhouse|_:

Band 1: [„Vorübergehend tot“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=788
Band 2: [„Untot in Dallas“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=939
Band 3: [„Club Dead“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1238
Band 4: [„Der Vampir, der mich liebte“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2033
Band 5: [„Vampire bevorzugt“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3157
Band 6: [„Ball der Vampire“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4870
Band 7: [„Vampire schlafen fest“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5450
Band 8: [„Ein Vampir für alle Fälle“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6161
Band 9: [„Vampirgeflüster“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6593
Band 10: [„Vor Vampiren wird gewarnt“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7208
Band 11: _“Vampir mit Vergangenheit“_

Da ist er nun also: Der elfte Band in Charlaine Harris‘ Erfolgsserie um die Gedanken lesende Kellnerin Sookie Stackhouse. „Vampir mit Vergangenheit“ heißt er und um es kurz zu machen: Er ist zumindest besser als der Vorgängerband [„Vor Vampiren wird gewarnt“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7208. Harris hat diesmal versucht, sich zusammenzureißen und ihren Lesern so etwas wie einen stringenten Plot zu präsentieren.

Das heißt nun nicht, dass nicht auch dieser Band an den gleichen Ermüdungserscheinungen leidet, der die Serie schon seit zwei oder drei Jahren heimsucht: Zum einen scheint sich die Autorin bezüglich ihres eigenen Universums nicht mehr ganz sicher zu sein und vergisst von Zeit zu Zeit, was sie in vergangenen Romanen geschrieben hat. Auf der anderen Seite gibt es auch in „Vampir mit Vergangenheit“ die schon bekannten Urschleimexpositionen, die Grundlegendes wiederholt seit Beginn der Serie wiederkäuen. Offensichtlich hat Harris eine Liste mit Dingen, die sie in jedem Band mindestens einmal erwähnen möchte: Die Tatsachen, dass Sookie früher kein Geld hatte und dass sie eine neue Küche hat (nachdem ihr Haus fast abgebrannt wäre) gehören dazu. Charlaine Harris wird einfach nicht müde, diese Fakten dem genervten Leser wieder und wieder aufzutischen. Man sollte Autoren vertraglich dazu verpflichten, solche Erklärungen für neue Leser zu streichen – sie beleidigen nur die Intelligenz langjähriger Fans. Und wer beim Bücherkauf wirklich findet, es sei eine gute Idee mit Band elf einer Serie einzusteigen, dem ist ohnehin nicht mehr zu helfen.

Sei’s drum. Zumindest hat es Harris diesmal geschafft, die banalen Alltäglichkeiten in Sookie Stackhouses Leben auf ein erträgliches Minimum zu reduzieren. Zwar erleben wir auch hier wieder, wie Sookie putzt, duscht und sich die Haare schneiden lässt, doch ersticken diese Füllszenen zum Glück nicht den Rest der Handlung. Und immerhin gibt es an dieser Front so einiges zu berichten! Victor macht Eric das Leben schwer – immer noch. Mittlerweile hat er eine Kneipe aufgemacht, die vom Merlotte’s Kunden abzieht. Und eine Vampirbar hat er auch eröffnet, was Erics Fangastia sofort zu spüren bekommt. Die Animositäten zwischen Eric und Victor gehen also weiter, doch wird nun heimlich beschlossen, Victor und seinen Anhängern endgültig den Garaus auszumachen. Und so schmieden Eric, Sookie und Pam einen Plan, wie man den unliebsamen Victor loswerden könnte.

Außerdem verfolgt Charlaine Harris Sookies Elfenerbe weiter. Nicht nur haben sich Claude und Dermit praktisch auf Dauer in Sookies Obergeschoss eingenistet, auch findet Sookie beim Ausräumen des Dachbodens einen geheimnisvollen Elfengegenstand, den ihr ihre Großmutter vererbt hat. Zunächst heißt es also herauszufinden, was es mit dem Gegenstand auf sich hat – und dann zu entscheiden, wie er am besten einzusetzen ist!

Abgesehen von diesen beiden Haupthandlungen bietet Harris wieder die übliche Parade von Nebenschauplätzen- und charakteren. Bill darf ein paar Sätze sagen und Elvis darf diesmal sogar singen. Sookie richtet für Tara eine Babyparty aus, Amelia kommt zu Besuch, Mr Cataliades schaut kurz vorbei und Sookie besucht mit ihrem Neffen Hunter den Tag der offenen Tür von dessen zukünftiger Vorschule. Wie gesagt, all diese Nebensächlichkeiten wirken in „Vampir mit Vergangenheit“ nicht so willkürlich wie zum Beispiel in „Vor Vampiren wird gewarnt“. Doch ist es wohl trotzdem zu spät, Charlaine Harris zu raten, ihre Personage etwas einzudampfen. Es scheint, sie will sich wirklich jeden Charakter für das große Finale in Band 13 warmhalten. Ob dieses Abdriften ins Seifenopernhafte der Reihe jedoch gutgetan hat, bleibt weiterhin zu bezweifeln.

_Wer sich bis hierhin_ durch die Sookie-Stackhouse-Reihe gekämpft hat, der bekommt mit „Vampire mit Vergangenheit“ endlich wieder einen lesbaren Band präsentiert, der zwar nicht an die Glanzzeiten der Serie anknüpfen kann, aber immerhin solide und spannende Unterhaltung bietet. Weniger Filler, dafür mehr Killer war diesmal wohl Harris‘ Devise. Diese Taktik geht auf: Es fließt wieder mehr Blut, die Taktfrequenz der Action wurde hochgeschraubt und Sookie und Eric dürfen wiederholt aneinandergeraten. Was etwas schade ist, ist das die Grundkonstellation der Reihe (Gedanken lesende Kellnerin) schon seit einer Weile aus dem Blick geraten ist. Wo Sookies fragwürdige Begabung zu Anfang fast wie eine Behinderung wirkte, hat sie mittlerweile kaum noch damit zu kämpfen, dass sie anderer Leute Gedanken lesen kann. Meistens stellt es sich als superpraktisch heraus, einen Moment vorher zu wissen, dass einem jemand nach Leben trachtet. Doch die unangenehmen und peinlichen Momente, die Sookie einst zur Einzelgängerin machten, die gibt es kaum noch.

Trotzdem kann man „Vampir mit Vergangenheit“ empfehlen. Das Buch lädt mit seinem griffigem Umfang von 400 Seiten zum Schmökern ein und bietet sich geradezu dazu an, an einem lauen Sonntagnachmittag in einem Rutsch durchgelesen zu werden. Na dann, viel Vergnügen!

|Taschenbuch: 416 Seiten
Originaltitel: Dead Reckoning
ISBN-13: 978-3423213868|
[www.dtv.de]http://www.dtv.de

_Charlaine Harris bei |Buchwurm.info|:_

|Harper Connelly|:
Band 1: [„Grabesstimmen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4704
Band 2: [„Falsches Grab“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5608
Band 3: [„Ein eiskaltes Grab“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6318
Band 4: [„Grabeshauch“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7031

Treat, Lawrence – M wie Mord

_Das geschieht:_

Architekt Wayne Bannerman nimmt einen neuen Auftrag an, obwohl er lieber in New York bliebe, um seiner Lebensgefährtin Martha im Kampf mit dem Noch-Ehemann beizustehen, der sie einfach nicht freigeben will. Nun trifft Bannerman den verhassten Rivalen ausgerechnet in der Stadt, in der er für einige Zeit arbeiten wird: Auch John Avrillian hat hier zu tun; er recherchiert im Fall der schönen Hellseherin Julia Sandeau, die vor zehn Jahren ihren Gatten umgebracht haben soll aber vor Gericht freigesprochen wurde.

Dies ist eine kleine Stadt, und zufällig treffen sich Bannerman und Julia, die ihn im Avrillian verwechselt. Deshalb lockt sie den Architekten in ihr Haus und schüttet ein Wahrheitsserum in seinen Drink. Bannerman verliert das Bewusstsein. Als er am nächsten Morgen erwacht, findet er Julia tot mit einem Dolch im Leib. Voller Panik und Furcht, im Delirium selbst zum Mörder geworden zu sein, verwischt er seine Spuren, flüchtet – und begegnet im Zug nach New York Avrillian, der ihm auf den Kopf zusagt, Julias Mörder zu sein, den er in einem Artikel bloßstellen werde; zuvor wolle er Bannerman allerdings zappeln lassen.

Bannerman setzt auf sein Glück. Sollte die Polizei ihn ausfindig machen, hat er sich ein Alibi zurechtgelegt. Nur Martha erzählt er die Wahrheit. Um sich zusätzlich abzusichern, beginnt Bannerman selbst zu ermitteln – und stellt fest, dass praktisch jede Person, die er kennt, in den Fall verwickelt ist. Sein Chef, dessen Gattin, sein neuer Auftraggeber, ein Angestellter mit geheimer Doppel-Identität und der undurchsichtige Avrillian haben Julia Sandeau noch am Tag ihres Todes oder in der Mordnacht selbst aufgesucht. Alle haben sie gute Gründe, die junge Frau, die nicht nur in die Zukunft sah, sondern auch als Erpresserin gut verdiente, aus dem Weg zu räumen, alle wissen voneinander – und alle belauern und manipulieren sich. Den Letzten in dieser Kette werden die Hunde beißen: Der elektrische Stuhl wartet …

|Die Aussichten sind dunkel|

In den Jahren ab 1929 setzte in den USA nie erwarteter und deshalb umso beängstigenderer Niedergang ein. Der Weltwirtschaftskrise folgte die „Große Depression“, die Millionen Bürgern Arbeit, Heim und Stolz raubte. Damit verbunden waren politische Umbrüche. Eine zunehmende Radikalisierung der Verzweifelten ängstigte jene, die den Status Quo fixiert sehen wollten, solange sie selbst von der Krise nicht betroffen wurden.

Der allmähliche Aufschwung im Zuge des „New Deal“ wurde relativiert, als sich die USA ab 1941 nicht mehr dem Zweiten Weltkrieg entziehen konnten. Nunmehr rückten ganze Jahrgänge in ferne Länder ab. Häufig kehrten sie nicht mehr zurück. Die Heimkehrer fanden sich ab 1945 in einem Land wieder, das gelernt hatte, ohne sie zu funktionieren. Vor allem die Frauen hatten ihre Unentbehrlichkeit an der „Heimatfront“ verinnerlicht und Gefallen an den daraus resultierenden Freiheiten gefunden. Die Rückkehr zum Frieden verlief deshalb keineswegs konfliktfrei. Hinzu kamen neue Bedrohungen aus dem Ausland: Auch die „Roten“ hatten inzwischen die Atombombe, und überall schienen sie die USA unterwandern zu wollen.

In dieser Stimmung blühte ein neues Genre auf, das nur auf solchem Boden gedeihen konnte. Unterhaltsam verschlüsselt aber denkbar düster spielten Schriftsteller und Drehbuchautoren mit den Elementen Angst, Unsicherheit, Pessimismus. Im Kino zählte man diese in den 1940er und 50er Jahren entstandenen Filmen zum „Film Noir“. Ihm eng verwandt waren die Kriminalromane und -storys des „Crime Noir“, das eigene Großmeister wie James M. Cain (1892-1977), Cornell Woolrich (1903-1968) oder W. R. Burnett (1899-1982) hervorbrachte.

|Die Polizei, dein Feind und Schrecken|

Lawrence Treat gehört nicht zu den ‚typischen‘ Noir-Autoren. Als schreibender Profi in einer schlecht zahlenden Unterhaltungsindustrie griff er jedoch aktuelle Trends auf, um sie verkaufsförderlich in seine Werke einfließen zu lassen. Die „Noir“-Elemente in „M wie Mord“ kommen primär im Mittelteil zum Tragen, wo Treat präzise beschreibt, wie sich das Netz um den – vielleicht sogar schuldigen – Wayne Bannerman immer fester zuzieht.

„Noir“-typisch hat er nicht einen Augenblick daran gedacht, sich nach dem entdeckten Mord der Polizei zu stellen. Bannerman fürchtet um seinen Ruf, er will seine Martha nicht allein lassen, und er traut der Polizei nicht. Problemlos verwischt und manipuliert er deshalb Beweise und hofft, der Gerechtigkeit durch die Lappen zu gehen – selbstverständlich vergeblich, denn stattdessen hat er sich eine Grube gegraben, in die er immer tiefer rutschen wird.

Im ’normalen‘ Noir-Krimi würde ihm die Polizei auf die Spur kommen und durch die Mangel drehen. So ergeht es Bannerman zwar ebenfalls, aber es fehlt das Element des Schicksalhaften. Die Polizei arbeitet professionell und muss ihn deshalb früher oder später entdecken: Treat ist ein früher Vertreter des „Police Procedural“. Er schildert Ermittlungs- und Vernehmungspraktiken möglichst authentisch. Der Forensiker Jub Freeman – der auch in anderen Treat-Krimis auftritt – ist ein früher Vertreter der „CSI“-Spezialisten, die heute an Tatorten wahre Wunder wirken. In den späten 1940er Jahren sind die Methoden verständlicherweise deutlich rustikaler, doch Treat gelingt es, ein Umdenken in der Polizeiarbeit zu verdeutlichen: Nicht mehr der harte Bulle, der den Verdächtigen Stunde um Stunde und unter Androhung von Gewalt unter Druck setzt, um ihn zu „brechen“, löst den Fall, sondern der Experte, der sorgfältig gesicherte Spuren zu entschlüsseln weiß.

|Liebe macht schwach, Vertrauen tötet|

„Noir“-Frauen sind mysteriöse und verdächtige Geschöpfe, in den Augen der zeitgenössischen Männer erschreckend selbstständig und außerdem berechnend. ‚Weibliche Schwäche‘ wird vorgetäuscht und planvoll eingesetzt, um verliebte und daher geistig eingeschränkte Männer zu manipulieren. Selbst haben diese Frauen keine Gefühle; entwickeln sie dennoch welche, ist es meist ihr Ende. Ansonsten tötet sie irgendwann ein betrogener und vor Wut und Schwäche rasend gewordener Mann.

In „M wie Mord“ repräsentiert Julia Sandeau diese „Noir“-Frau. Sie setzt ihre Schönheit ein, lässt sich aushalten, verdient als Erpresserin dazu und ist sogar mit einem Gattenmord davongekommen, weil sie die Jury um den Finger wickeln konnte. Ihr Tod ist ebenso tragisch wie unvermeidbar.

Zwar ist Martha Avrillian keine verworfene Schönheit. Sie entspricht dennoch nicht mehr dem zeitgenössischen Klischee, sondern lebt getrennt, ohne deshalb unter einem schlechten Gewissen zu leiden. Als sie eine Chance sieht, ‚ihrem‘ Mann zu helfen, greift auch Martha indizienmanipulierend in den Fall ein. Dafür zahlt sie ihren Preis und erlebt im Polizeirevier ein Verhör „dritten Grades“, bei dem womöglich wie in der guten, alten Zeit ein Stück Gummischlauch die Geständnisfreude unterstützt; in diesem Punkt schweigt sich Treat aus.

|Das Verhängnis als Kette|

Nicht nur aller guten Dinge sind drei. Wenn das Pech zuschlägt, wird die Kette sogar länger. Immer wieder ist es die Tücke des Objekts, die noch den genialsten Plan zunichtemacht. Wayne Bannerman muss es erleben: Man hat ihn mit dem Opfer gesehen, sein Nebenbuhler ist ausgerechnet ein Kriminalreporter, der ihn hasst, und kann sich zudem ein ihn belastendes Indiz beschaffen, die unauffällige Flucht vom Tatort endet beinahe vorzeitig vor den Fäusten eines betrunkenen Matrosen.

Hinzu kommt die Erkenntnis, dass der Freund dein Feind sein könnte. Jede der auftretenden Figuren hat etwas zu verbergen und ist bereit, die eigene Haut durch Verrat zu retten. Nicht einmal die ermittelnden Beamten sind ohne Fehl und Tadel. Mitch Taylor hat in einem früheren Fall Vorschriften missachtet und wurde degradiert. Nun lässt er sich für ein Interview bezahlen und gerät erneut in Schwierigkeiten. Jub Freeman hat Ärger mit dem neuen Chef und steht vor der Kündigung. John Avrillian, der als Journalist der Wahrheit besonders verpflichtet sein sollte, vermischt Arbeit und Privatleben und gießt außerdem Öl ins Feuer, um einen nur schwelenden Kriminalfall in seinem Sinne anzufachen.

Menschen sind schwach – und zwar auf beiden Seiten des Gesetzes. Diese eigentlich simple Erkenntnis wurde vom Gros der Krimi-Autoren lange ignoriert. Treat gehörte zu jenen, die es in ihre Geschichten einfließen ließen. Die realitätsnahe Ambivalenz lässt Treat-Krimis deutlich ‚frischer‘ wirken als viele zeitgenössische Werke. In Deutschland wurde der Verfasser nur selten veröffentlicht. Ob es daran lag, dass sich im Land des „guten Goldmann-Krimis“ die Leser lieber bestätigen ließen, dass Verbrechen sich niemals auszahlen?

_Autor _

Lawrence Treat wurde als Lawrence Arthur Goldstone am 21. Dezember 1903 in New York City geboren. Er besuchte das Darthmouth College und begann 1924 an der Columbia University Jura zu studieren. Nach seinem Abschluss 1927 arbeitete Goldstone als Anwalt, doch seine Kanzlei ging 1928 bankrott. Er sattelte um und schrieb in den nächsten Jahrzehnten mehr als 300 Storys und 17 Kriminalromane.

Unter dem später auch offiziell geänderten Namen Lawrence Treat erschien 1940 der erste Band einer vierteiligen Serie um den Psychologen und Ermittler Carl Wayward. Weitere Treat-Figuren sind Commander Bill Decker, der Polizist Mitch Taylor und der Forensik-Experte Jub Freeman: keine einsam ermittelnden Detektive, sondern ausgebildete Spezialisten, zu dem sich der erfahrene Polizist gesellt, der im Team arbeitet. Treat wurde zu einem Pionier des „Police Procedural“, das Schriftstellerkollegen wie Ed McBain, John Creasey oder Joseph Wambaugh Jahre aufgriffen und zur Vollendung brachten.

1945 war Treat einer der Gründer der „Mystery Writers of America“. Außerdem lehrte er an verschiedenen Universitäten und Schulen das Schreiben von Kriminalgeschichten. Treat verfasste das „Mystery Writer’s Handbook“, das zum Standardwerk wurde und für das er 1978 mit einem „Edgar Allan Poe Award“ geehrt wurde.

In den 1980er Jahren schrieb Treat Krimi-Rätsel für jüngere Leser und blieb ins hohe Alter aktiv. Am 7 Januar 1998 ist Lawrence Treat in Oak Bluffs, Massachusetts, im Alter von 94 Jahren gestorben.

|Taschenbuch: 191 Seiten
Originaltitel: T as in Trapped (New York : William Morrow 1947)
Übersetzung: Rosa Rudel|
[Verlagshomepage]http://www.fischerverlage.de/verlage/scherz_verlag

John Burnside – In hellen Sommernächten

Das geschieht:

Kvaløya ist eine kleine Insel unweit der nordnorwegischen Küste. In dieser Region am nördlichen Polarkreis sind die Winter hart und dunkel. Im Sommer geht die Sonne dagegen wochenlang überhaupt nicht unter. Sie taucht das Land auch in den ‚Nächten‘ in ein unwirkliches, helles Licht, das vor allem dem für Irritationen empfindlichen Menschenhirn Streiche spielt.

Vor 15 Jahren hat sich die Malerin Angelika Rossdahl auf Kvaløya angesiedelt. Hier führt sie ein arbeitsreiches, zurückgezogenes Leben. Gesellschaft leistet ihr Liv, ihre Tochter, die den Vater niemals kennengelernt hat. In diesem Sommer des Jahres 2001 ist Liv 18 Jahre alt und eher noch einsiedlerischer als die Mutter. Kontakt hält sie nur zum alten Kyrre Opdahl, einem Einheimischen, der noch fest an die Realität einer Welt glaubt, die in der aufgeklärten Gegenwart längst unter dem Titel „Mythologie“ ad acta gelegt wurde.

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Simms, Chris – Panther, Der

_Das geschieht:_

Detective Inspector Jon Spicer von der Greater Manchester Police bearbeitet aktuell den Fall eines anonymen Notrufs, der eine blutige Schlägerei auf einem Parkplatz meldete. Die eintreffende Streife fand viel Blut aber kein Opfer. Spicer kann trotzdem einen der Beteiligten ermitteln. Derek Peterson ist allerdings wenig mitteilsam. Der wegen Kindsmissbrauch aktenkundige Mann hatte auf dem Parkplatz nach Sexpartnern Ausschau gehalten, als er verprügelt wurde.

Dass Peterson nicht die ganze Wahrheit sagt, will ihm Spicer zunächst durchgehen lassen. Am nächsten Tag ist Peterson tot: Mit zerfleischtem Oberkörper und herausgerissener Kehle liegt er auf einem anderen Parkplatz unweit des stadtnahen Moors. Kurze Zeit zuvor hatte man die Farmersfrau Rose Sutton nur wenige Kilometer entfernt ebenso zugerichtet gefunden.

Die Medien horchen auf: Seit jeher werden im weiten, unwegsamen Moor große Raubkatzen gesichtet. Sicher feststellen konnte man sie dort freilich nie. Doch Haare in den Wunden der Leichen lassen sich einem Panther zuordnen. In den Zoos der Umgebung vermisst niemand ein Tier. Spicer glaubt ohnehin an einen Mörder, der eine falsche Spur legen will.

Diese Rechnung könnte aufgehen, denn schnell beginnt sich Panik auszubreiten. Spicer gerät immer stärker unter den Druck nervöser Vorgesetzter und ungeduldiger Reporter. Zusätzlich lenken private Probleme ihn ab: Die gerade geborene Tochter raubt ihm den Nachtschlaf, und Gattin Alice scheint unter Depressionen zu leiden. Der Fall droht dem überforderten Spicer die letzten Kräfte zu rauben. Als der ‚Panther‘ wieder zuschlägt und kurz darauf der endlich ermittelte Hauptverdächtige tot aufgefunden wird, kann Spicer nicht mehr …

_Englischer Krimi von glücklicherweise hoher Stange_

Keine Sorge, er fängt sich bald wieder, wobei die Einmischung eines besonders verhassten Vorgesetzten den dringend erforderlichen Energieschub bringt. Zudem gehört der Ärger mit dem Boss, der unterstützen müsste aber stattdessen mobbt & mauert, zur unbedingten Dreiheit des modernen englischen Kriminalromans. Zu dem zählt „Der Panther“ nicht nur, sondern in dem scheint er spurlos aufzugehen: Selten findet man einen Krimi, der so deckungsgleich jede Genrevorgabe erfüllt. Da erstaunt es zunächst umso mehr, dass „Der Panther“ trotz des gänzlich fehlenden Faktors „Originalität“ gut unterhält: Solides Handwerk kann ein sprühendes Ideenfeuerwerk durchaus ersetzen.

Um das oben angerissene Thema abzuschließen: Die übrigen Elemente der erwähnten Dreiheit sind natürlich „der Fall“ – das Verbrechen an sich – und das Privatleben der Hauptfigur, das Simms vorschriftsmäßig chaotisch schildert. Der Säugling schreit, die Gattin verhält sich wunderlich, die hübsche Kollegin gurrt, der lästige Hund soll aus dem Haus, und Oma hat die Nase voll vom Babysitten: Kein Mainstream-Krimi geht heute mehr ohne Seifenoper; Schaumschläger wie Elizabeth George füllen damit mindestens die Hälfte ihrer ziegelsteindicken Bestseller-Schwarten.

Auch „Der Panther“ ist deutlich seitenstärker als nötig geraten. Umfang und Handlung stehen in keinem ausgewogenen Verhältnis zum Plot, obwohl Simms es nicht ausufern lässt: Sein Roman ist immer noch mehr Krimi als Ausschnitt aus der Lebens- und Leidensgeschichte eines englischen Polizisten.

|Katzenspuk in nebliger Landschaft|

Es beginnt trügerisch als langweilige Routine. Detective Inspector Spicer untersucht eine Schlägerei. Das Schicksal und Chris Simms wollen es, dass binnen kurzer Zeit ein Panther umgeht, die Zahl der Leichen sprunghaft wächst und die Spuren bis ins Afrika der 1950er Jahre zurückreichen: Arthur Conan Doyle trifft Henning Mankell, könnte man es beschreiben, nur dass Chris Simms nicht in dieser Liga schreibt.

Der um den Panther kreisende Handlungsstrang erzählt eindeutig die bessere Geschichte. Simms lebt in Manchester; er kennt die Stadt und ihr Umland sowie ihre Bewohner. Auf seiner hochprofessionellen Website gewährt der Autor einen bestätigenden Blick hinter die Kulissen seines Romans.

Wir erfahren dort außerdem, dass Einheimische und Touristen seit vielen Jahren und vorzugsweise in der Dämmerung Panther, Pumas u. a. Großkatzen durch das Moor schleichen sehen. Die Landschaft begünstigt solche Sichtungen. Große Teile der Grafschaft Greater Manchester gehören zum Peak-District-Nationalpark, der sich über weite Teile Mittel- und Nordenglands und über mehrere Grafschaften erstreckt. Die Landschaft wird durch unwirtliche, menschenleere Hochmoore gekennzeichnet, in denen sich sicherlich auch Elefanten verstecken könnten, wenn es den englischen Winter nicht gäbe. Jedenfalls wurde noch niemals eine der ‚entdeckten‘ Raubkatzen nachgewiesen, was Krypto-Zoologen, UFO-Gläubige und (andere) Spinner nicht davon abhält, an ihre Existenz zu glauben. Das Internet birst vor einschlägigen Websites, die vor allem als gruseliger Einblick in die verbohrte Wirrköpfigkeit erschreckend zahlreicher Zeitgenossen taugen.

|Ein Instrument der Rache|

Auf seinem zweiten Standbein ruht Simms Garn ein wenig wackeliger. Um dem Plot zur dem Umfang angemessenen Intensität zu verhelfen, greift der Autor räumlich und zeitlich weit aus. Was er dabei mit den Fingerspitzen erwischt, rutscht ihm ein wenig aus der Schreibhand. Was genau damit kritisiert wird, soll und darf hier nicht konkretisiert werden, um dem Leser die Auflösung der Geschichte fair vorzuenthalten. Angedeutet sei hier der Rückgriff auf ein Kapitel der Vergangenheit, das Simms zum Zeitpunkt der Niederschrift stark beschäftigt hat. Dass es nicht gut ins Gefüge dieses Krimis passt, konnte oder wollte er nicht einsehen. Er zog sogar noch eine weitere Subtext-Ebene ein: Zwischen den alten Gräueln, die seinen Mörder zu seinen Taten bringen, schlägt Simms einen Bogen zu jenen Folter-Skandalen, mit denen die US-Armee im Irak 2006 und damit zum Zeitpunkt der Niederschrift dieses Romans unrühmlich von sich reden machte.

Dieses Anliegen – verstärkt durch lange historische Rückblenden – bekommt dem Roman schlecht, da es ihm sichtlich aufgepfropft wird, statt in die Handlung einzufließen. Simms scheut nicht einmal vor einem märchenhaften Epilog zurück, in dem das ‚Erbe‘ des Mörders – der auch als Historiker beachtliche Qualitäten bewies – zur Veröffentlichung vorbereitet und der Gerechtigkeit zum Sieg verholfen wird. Es wäre hilfreicher gewesen, der Handlung ein wenig mehr Aufmerksamkeit zu schenken. So wird im Laufe des Geschehens tatsächlich ein Panther im Moor geschossen, wodurch die Gefahr gebannt zu sein scheint. Simms möchte möglicherweise einer Szene aus „Der weiße Hai“ seine Referenz erweisen. Leider ‚vergisst‘ er uns darüber in Kenntnis zu setzen, woher dieses Tier eigentlich gekommen ist; dieser Referent hat jedenfalls trotz intensiven Suchens keine entsprechende Info entdeckt.

Es ist wie gesagt das Handwerk, mit dem Simms nicht nur den Karren aus dem Dreck, sondern auch die Aufmerksamkeit seiner Leser auf sich zieht. Er |kann| schreiben, er hat einen Sinn für Humor, den er deutlich feiner dosiert als beispielsweise Ian Rankin oder gar Stuart MacBride und er zeichnet gut Figuren. Auf diese Weise schafft man keine Klassiker aber Unterhaltung, was keineswegs als Negativkritik gemeint ist.

_Autor_

Chris Simms wurde 1969 in Horsham, einer unweit Londons gelegenen Kleinstadt in West Sussex, geboren. Er studierte an der Newcastle University, gönnte sich nach dem Abschluss eine Weltreise und siedelte sich 1994 in Manchester an. Er arbeitet freiberuflich für Werbeagenturen.

„Outside the White Lines“, ein erster Kriminalroman, wurde 2003 veröffentlicht und erhielt gute Kritiken. Mit „Killing the Beasts“ (dt. „Das siebte Opfer“) erschien zwei Jahre später der erste Band einer Serie um Detective Inspector Jon Spicer von der Greater Manchester Police. Vom „Shots Magazine“ wurde dieses Buch als bester Kriminalroman des Jahres ausgezeichnet.

|Taschenbuch: 509 Seiten
Originaltitel: Savage Moon (London: Orion 2007)
Übersetzung: Silvia Visintini
ISBN-13: 978-3-426-50487-1
Als eBook: August 2011 (Knaur eBook)
ISBN-13: 978-3-426-40970-1|
http://www.chrissimms.info
http://www.knaur.de

Briggs, Patricia – Aralorn – Die Wandlerin (Sianim 1)

_|Sianim|-Reihe:_

Band 1: _“Aralorn – Die Wandlerin“_
Band 2: „Aralorn – Der Verrat“ (November 2012)
Band 3: „When Demons Walk“ (noch ohne dt. Titel)
Band 4: „Wolfsbane“ (noch ohne dt. Titel)

Patricia Briggs ist in Deutschland hauptsächlich für ihre Bücher um die Werwölfe in den Tri-Cities bekannt. Dem Erfolg der „Mercy Thompson“- und der „Alpha und Omega“-Serie sei dank hat sich Bastei Lübbe nun entschieden, die ersten High-Fantasy-Romane der Autorin ebenfalls zu veröffentlichen. Den Anfang macht „Aralorn – Die Wandlerin“, der erste Band der losen „Sianim“-Reihe, der in den Staaten ursprünglich 1993 erschien.

Wirklich weit entfernt sich die Autorin allerdings nicht von ihrem Lieblingsthema: Auch Hauptfigur Aralorn ist eine Gestaltwandlerin. Allerdings funktioniert diese Gabe bei ihr etwas anders als bei den anderen Figuren Briggs‘. Aralaron kann mit grüner Magie umgehen, die ihr hilft, ihr Äußeres zu verändern. Das können einzelne Gesichtszüge sein, sie kann sich aber auch in Tiere verwandeln, zum Beispiel in eine Maus, was in ihrem Beruf sehr nützlich ist.

Aralorn arbeitet als Spionin. Ihr aktueller Auftrag ist nicht ungefährlich. Sie soll sich in der Burg des ae’Magi, des stärksten Magiers des Landes, umschauen und in Erfahrung bringen, ob es wirklich stimmt, dass jemand ein Attentat auf ihn plant. Doch was sie in den Gemächern des Zauberers sieht, lässt sie ihren eigentlichen Auftrag vergessen. Der ae’Magi tötet Menschen, sogar Kinder, um seine Macht zu stärken.

Doch als Aralorn ihre Bedenken, dass in der Burg etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, laut äußert, wird sie plötzlich in ganz Sianim gemieden. Ihr Vorgesetzter, der Meisterspion Ren, schickt sie absichtlich auf eine langweilige Mission, um sie loszuwerden. Nur einen gibt es, der ihr glaubt: der sprechende Wolf namens Wolf, den Aralorn vor vier Jahren gerettet hat. Obwohl er schon so lange ihr Reisegefährte ist, der kommt und geht, wann er will, weiß sie nicht viel über ihn. Noch nicht mal, was er eigentlich ist. Ein Grünmagier ist er nicht, das merkt sie, aber ein Menschenmagier könnte sich nicht derart verwandeln.

Doch das ist nicht sein einziges Geheimnis. In einem abgelegenen Tal hat sich eine kleine Gruppe von Leuten zusammengefunden, die ein ähnliches Erlebnis wie Aralorn hatten: Nach Kritik am ae’Magi wurden sie verfolgt oder geschnitten. Unter ihnen ist auch Myr, der König von Reth, den der ae’Magi gerne beseitigen möchte. Sie finden heraus, dass die Leute, die Aralorn und ihre neuen Gefährten vertrieben haben, unter dem Einfluss des ae’Magi stehen. Gemeinsam mit Wolf macht sie sich daran, dem mächtigsten Magier des Reiches das Handwerk zu legen …

_Nach der Lektüre_ von „Aralorn – Die Wandlerin“ stellt sich vor allem eine Frage: Wieso hat der deutsche Verlag sich so lange Zeit gelassen, das Buch auch hier zu veröffentlichen? Sicher, Briggs‘ Debütroman ist nicht ohne Fehler, bietet aber trotzdem sehr gute Unterhaltung.

Seine größte Stärke sind der Humor und die Lockerheit, die vielen Fantasyromanen fehlt. Der Schreibstil lebt von seinen schlagfertigen Dialogen, eingestreuten witzigen Bemerkungen und dem gleichzeitig stellenweise sehr gehobenen Schreibstil. Zusammen ergibt dies eine tolle Mischung, die aber nie übertrieben komödiantisch wirkt. Sicherlich ist das Buch durch diesen flapsigen Stil und die junge Hauptfigur eher etwas für eine jüngere Zielgruppe, aber auch Erwachsenen macht das Lesen Spaß.

Aralorn und Wolf sind zwei sehr sympathische Hauptfiguren. Sie funktionieren schon alleine ganz gut. Aralorn ist eine sehr gewiefte Spionin, die gemeinsam mit ihrem frechen Pferd Schimmer ihre Aufträge immer zur vollsten Zufriedenheit erledigt. Die grüne Magie, mit deren Hilfe sie sich verwandeln kann, ist eine nette Idee. Die Hintergrundinformationen, die die Autorin dazugibt, verflechten sich mit der Zeit zu einem sehr interessanten Konstrukt, mit dessen Hilfe schließlich auch Wolfs Geheimnis gelöst wird. Aralorns treuer Gefährte wirkt anfangs brummig und verschlossen, zeigt dem Leser aber bald eine andere Seite von sich. Gerade das humorvolle Zusammenspiel zwischen beiden Hauptfiguren macht die Geschichte zu etwas Besonderem.

Die Handlung der Geschichte ist interessant und gut aufgebaut. Die Welt, in der Briggs ihren Roman spielen lässt, ist, genau wie die Vergangenheit ihrer Hauptpersonen, toll ausgearbeitet und schlüssig. Das eigentliche Ziel des Buches, das Ausschalten des ae’Magi, ist keine besonders innovative Idee und wird von Briggs eher konventionell gelöst. Das ist allerdings nicht das Problematische. Die meisten Autoren erfinden das Rad nicht neu. Briggs stellt sich zwischendurch allerdings immer wieder selbst ein Bein. Dann wird sie zu kompliziert, will zu viel auf einmal oder vergisst, was ihr eigentliches Ziel ist. Die sympathischen Hauptfiguren und der tolle Schreibstil helfen allerdings über diese Stellen hinweg.

_Unterm Strich bleibt _letztendlich trotzdem ein überdurchschnittliches Fantasybuch zurück. Der ungewöhnliche lockere Tonfall und das gute Zusammenspiel der Figuren machen sehr viel Spaß beim Lesen und helfen über die eine oder andere Handlungsschwäche hinweg.

|Taschenbuch, 380 Seiten
Originaltitel: Masques
Deutsch von Michael Neuhaus
ISBN-13: 978-3404206803|
http://www.luebbe.de
http://www.patriciabriggs.com

_Weitere Bücher von Patricia Briggs bei |Buchwurm.info|:_
[„Drachenzauber“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3933
[„Rabenzauber“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4943

_Alpha & Omega:_
Band 1: [„Schatten des Wolfes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5926
Band 2: [„Spiel der Wölfe“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6851

_Mercy-Thompson-Serie:_
Band 1: [„Ruf des Mondes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4490
Band 2: [„Bann des Blutes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5091
Band 4: [„Zeit der Jäger“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6250
Band 5: [„Zeichen des Silbers“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6976
Band 6: [„Siegel der Nacht“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7470

Die drei ??? – Im Schatten des Giganten (Band 165)

Zur Story

„Hier wohnen Jene. Und sie töten.“ So lautet jedenfalls die Übersetzung des indianischen Wortes „Yosemite“ – und eben hierher in den gleichnamigen Nationalpark, hat es die drei Detektive verschlagen. In den Schatten des Giganten, dem berühmten „El Capitan“ und dem nicht minder beeindruckenden „Half Dome“. Es ist Herbst und Journalist Bill Andrews – Bobs Vater – schickt sich an eine Story über einen brandneuen Rettungshubschrauber zu verfassen, dafür besucht er die Helitack-Staffel des YOSAR (YOsemite Search And Rescue) mit dessen Leiterin, Jeanne Chase, er befreundet ist. Die drei ??? dürfen ihn auf diese Reise begleiten – unter der Voraussetzung diesmal keinerlei irgendwie gearteten Ermittlungen anzustellen und sich wirklich mal zu erholen. Und die gewaltige Naturkulisse ist genau dafür denkbar gut geeignet.

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Recht, Z. A. – Jahre der Toten, Die

_Die „Morningstar-Strain“-Trilogie:_

(2006) _“Die Jahre der Toten“_ |(Plague of the Dead)| – Heyne TB 52941
(2008) „Aufstieg der Toten“ |(Thunder and Ashes)| – Heyne TB 53424
(2012) |Survivors| [vollendet von Thom Brannan]

_Das geschieht:_

Sie haben es seit Jahren angekündigt, wurden aber wie üblich aus Kostengründen überhört: Mediziner aus aller Welt warnten deshalb vergeblich vor der Geschwindigkeit, mit der eine unbekannte, unheilbare Seuche in einer globalisierten Welt über die Menschheit kommen könnte. Genau dies ist jetzt geschehen. Irgendwo in Afrika entwickelte sich der Morgenstern-Virus. Er verwandelt seine Wirte in tollwütige Zombies. Nur ein Kopfschuss kann diese Kreaturen stoppen, sonst stehen sie selbst tot wieder auf.

Sämtliche Quarantäne- und Evakuierungsmaßnahmen versagen. Die örtlich begrenzte Seuche wird zur Pandemie: Ahnungslos tragen bereits infizierte aber zunächst noch symptomfreie Menschen den Virus per Flugzeug in die ganze Welt. Überall bricht die Krankheit aus. Die Behörden sind machtlos, bald muss das Militär eingreifen, doch die lebenden Toten sind bereits überall und weit in der Überzahl.

Aus dem nördlichen Afrika schlägt sich eine kleine Gruppe notverbündeter US-Soldaten und Zivilisten um den Drei-Sterne-General Francis Sherman heimwärts gen Vereinigte Staaten durch. Der Weg ist weit, und als an Bord des Schiffes, auf dem man reist, die Seuche ausbricht, gibt es kein Entrinnen. Nur wenige Überlebende erreichen ihr Ziel – und betreten einen Kontinent, auf dem der Virus die Oberhand gewonnen hat.

In Washington versucht die Morgenstern-Spezialistin Anna Demillio, ein geheimes Forschungsinstitut der US-Army im US-Staat Nebraska zu erreichen, um dort ein mögliches Gegenmittel zu entwickeln. Ihr sind nicht nur die Zombies, sondern auch ein fanatischer Beamter der Nationalen Sicherheitsbehörde auf den Fersen, der Demillio für eine Landesverräterin hält. Während die großen Städte in Flammen stehen, versuchen die beiden Gruppen verzweifelt, einen sicheren Ort zu finden, an dem sie vor den allgegenwärtigen Zombies sicher sind …

|Sie sind überall: Zombies!|

Den schlappschwänzigen Nackenbeißer-Vampiren hart auf den Fersen sind in deutschen Buchläden aktuell die Zombies. Während die einen Jungmädchen-Träume befeuchten, sind und bleiben die anderen unbelehrbare Horror-Schweine: Sie verwesen im Stehen, sind unverbesserliche Kannibalen, und ihr Hirn besteht aus Matsch. Damit taugen sie überhaupt nicht als Projektionsfiguren für die oben genannte Klientel – glücklicherweise, denn so bleibt uns echten Horrorfreunden wenigstens ein Monster, das sich der Weichspülung erfolgreich widersetzen kann!

Natürlich hält sich der Unterhaltungswert kannibalischer Untoter im Gegenzug in Grenzen. Vor allem existieren sie, um zu fressen. Darüber hinausgehende Motive lassen ihre zerfallenden Hirne nicht zu. Z. A. Recht ist in diesem ersten Band seiner „Morgenstern-Virus“-Trilogie konsequent. Zwar gibt es neben den fußlahm torkelnden „Watschlern“ auch die pfeilschnellen „Sprinter“. Nach dem Tod wieder schlau gewordene Zombies spart der Autor jedoch aus. Die Furcht vor den wandelnden Untoten beschränkt sich deshalb auf äußere Eigenschaften: Überzahl, relative Unverwundbarkeit, Furchtlosigkeit, Kannibalismus und hässliches Aussehen.

Dies mag erschreckend genug sein, verzichtet aber als Konzept dennoch auf den wichtigsten Furcht-Faktor: einen intellektuell präsenten Gegner, der seinen Feldzug gegen die Menschheit planvoll führen kann. Allerdings wäre dieser Kampf wohl rasch entschieden, denn solchen Zombies könnten die Lebenden nicht widerstehen.

|Der Zombie in uns allen|

Also konzentriert sich der Schrecken, der dem Zombie innewohnt, primär auf die unbarmherzige Feindschaft eines Feindes, der gerade noch Familienmitglied, Freund oder Nachbar gewesen ist. Hinzu kommt die vollständige Auflösung bisher schützender Strukturen. Angesichts der wirklich großen Katastrophen ist in der Geschichte der Menschheit noch niemals ein Rettungsschirm groß genug gewesen. Hinzu kommt der Faktor menschlichen Versagens. Je mehr Menschen an einem Unternehmen beteiligt sind, desto höher werden die damit verbundenen Risiken. Autor Recht spielt dies sehr anschaulich mit dem Versuch nach, den gesamten Kontinent Afrika vom Rest der Welt abzuriegeln. Anfänglich ist vor allem das Militär davon überzeugt, mit Manpower und Ausrüstung die Aufgabe meistern zu können. Stück für Stück zerfällt mit der Mauer um Afrika diese Selbstsicherheit, die nahtlos in Arroganz übergeht. Hier kommt ein Feind, dem nicht beizukommen ist.

Die Konsequenzen sind spektakulär – und sie fallen beim US-amerikanischen Autor Z. A. Recht entsprechend aus: amerikanisch. Auf den anderen Kontinenten mögen die Menschen ihr Heil in der Flucht suchen. In den USA verbarrikadiert man sich und geht in die Offensive. In einem kurzen, launigen aber informativen Vorwort bringt es Bowie V. Iberra so auf den Punkt: |“Der Fremde von gegenüber wird plötzlich zu deinem besten Freund. Der ‚Verrückte‘, den jeder wegen seiner Waffensammlung für einen Terroristen gehalten hat, wird plötzlich zu eurem größten Aktivposten. Jetzt muss man auch dem seinem Rivalen zusammenarbeiten, um einen gemeinsamen Gegner zu bekämpfen … Die Zombie-Apokalypse bringt die Menschen einander näher.“| (S. 6) Der uramerikanische Pioniergeist erwacht zu neuem Leben. Wie man sich einst gegen die Briten, die Indianer oder gegen die Kommunisten gestellt hat, wird man auch die Zombies Mores lehren.

|Yes, we can!|

Wenn Recht diesen Punkt erreicht hat, beginnt seine Geschichte zu verflachen. Die Besonderheit einer ansonsten typischen Horror-Story lag bisher in dem ‚globalisierten‘ Blick auf die Apokalypse. Recht hat die Mechanismen einer Pandemie sehr genau erfasst und umgesetzt. Über viele Seite schildert er die Bemühungen, der Morgenstern-Seuche Einhalt zu gebieten. Forscher, Katastrophenschutz-Behörden, das Militär und sogar Politiker arbeiten dabei zusammen. Selbstverständlich vereinfacht Recht, aber seine Darstellung funktioniert und fasziniert.

Dem allgemeinen Zusammenbruch folgt wie angedeutet der regionale Pakt des zur Zusammenarbeit bereiten Individuums. Leider aber sehr typisch verknüpft Recht dies mit einer allgemeinen, nicht sehr zielsicheren und eher aus dem Bauch kommenden Kritik an einer US-Regierung, der man spätestens seit dem 9/11-Inferno jede Dumm- und Bosheit zutraut. Hier begibt sich Recht auf ein Terrain, das von Verschwörungsfanatikern, Survival-Rednecks u. ä. Spinnern bevölkert wird, die sogar noch gefährlicher als Zombies sind.

Hatte Recht bisher die Welt im Auge, verengt sich im letzten Drittel sein Fokus auf zwei kleine Gruppen, die in einem chaotischen Amerika nicht nur um ihr Leben kämpfen, sondern gleichzeitig eine Mission verfolgen – selbstverständlich, muss man sagen, denn der wahrlich Tüchtige denkt nie nur an sich selbst, sondern auch an die Rettung der Welt. Von dieser antiquierten, nicht nur in Hollywood gepflegten Haltung will oder kann auch Recht nicht lassen. „Die Jahre der Toten“ verwandelt sich in die bekannte Abfolge von Kämpfen Mensch gegen Zombie, die in dunklen Kellern, unübersichtlichen Lagerhäusern oder in dreiseitig umbauten Hinterhöfen stattfinden. Dabei kommt ein vom Verfasser detailtreu in Konstruktion und Wirkung beschriebenes Waffenarsenal zum Einsatz; es lässt sich jederzeit ergänzen, da überall im Land vorsichtige Bürger (s. o.) entsprechende Lager angelegt haben.

|Geprüft & für hart genug befunden|

Mit der Figurenzeichnung hapert es, was vielleicht auch dem Alter des Verfassers geschuldet ist: Z. A. Recht war gerade 23 Jahre ‚alt‘, als er „Die Jahre der Toten“ veröffentlichte. Dies hat auf der anderen Seite durchaus Vorteile: Die Handlung bleibt von vielen einschlägigen Klischees verschont. Es gibt keine „Love-Amongst-the-Ruins“-Interludien, Familiendramen oder ähnliche Seifenoper-Einschübe, mit denen gern Zeit geschunden wird. Auch der bekannte Diktator, der die Überlebenden härter drangsaliert als die Zombies, bleibt (noch) ausgespart.

Klug hält sich der Verfasser daran, was er meistern zu können glaubt. Dies gelingt ihm abermals in den ersten beiden Roman-Dritteln besser. Als er sich seinen Hauptfiguren, die sich ohnehin erst im Verlauf der Handlung herauskristallisieren, stärker nähert, verschwimmen die Konturen. Plötzlich gewinnt an Bedeutung, was Recht bisher in Frage zu stellen schien. Der ‚gute‘ General Sherman gibt seine Männer zwar frei, die jedoch unter Beibehaltung des militärischen Zeremoniells sämtlich bei ihm bleiben. Sie werden sogar noch patriotischer, falls dies überhaupt möglich ist, wobei „patriotisch“ hier im ursprünglichen Sinn gemeint ist und das Festhalten an nunmehr obsolet gewordenen Vorschriften und Regeln ausdrücklich ausklammert: Sherman und seine Männer schlagen sich direkt auf die Seite derjenigen, die sie bisher höchstens im Ausland beschützen sollten. Die Kavallerie ist da, um die bedrohten Siedler vor den Indianern zu schützen, die dieses Mal indes (politisch korrekt) alle Ethnien vertreten.

„Die Jahre der Toten“ – für den seltsamen deutschen Titel, der wohl vor allem eindrucksvoll klingen soll, kann der Autor nichts: Die „Jahre“ beschränken sich auf die Monate von September 2006 bis Januar 2007 – endet mit einem Cliffhanger. Die Handlung wird in „Thunder and Ashes“ – in Deutschland abermals dämlich mit „Der Aufstieg der Toten“ ‚übersetzt‘, obwohl diese schon in Band 1 die Macht übernommen haben – fortgesetzt. Man darf gespannt sein, denn Z. A. Recht weiß, wie man unterhält, und schreiben kann er auch: keine Selbstverständlichkeit gerade im Sub-Genre Zombie-, Atommutanten- und Killer-Horror, in dem sich viel zu viele Autoren darauf beschränken, durch die Reihung möglichst ’schockierender‘ Meuchel-Szenen zu langweilen und dabei vor Sätzen mit mehr als fünf Wörtern zurückscheuen.

_Verfasser_

Zachary Allan Recht wurde am 4. Februar 1983 in Bunker Hill, US-Staat West Virginia, geboren. Ein Studium der Geschichte schloss er nicht ab, sondern wurde 2007 ständiger Mitarbeiter der Zeitschrift „The Journal“.

Im Vorjahr hatte er den Roman „Plague of the Dead“ veröffentlicht, der als erster Band einer „Morningstar-Strain“ genannten Trilogie oder Serie geplant war. Mit der ungewöhnlichen, weil nicht auf die üblichen Zombie-Metzeleien beschränkten, sondern die Apokalypse in einen globalen Rahmen stellenden Geschichte erregte Recht großes Aufsehen. Den ersten Erfolg konnte er mit dem Nachfolgeband wiederholen. Die großen Verlage interessierten sich für Recht, der schließlich von Simon & Schuster unter Vertrag genommen wurde.

Privat litt Recht an einer Abhängigkeit von Beruhigungs- und Schmerzmitteln. Im August 2008 verhaftete ihn die Polizei bei dem Versuch, in eine Arztpraxis einzubrechen, um sich dort entsprechende Medikamente zu verschaffen. Am 10. Dezember 2009 wurde Z. A. Recht tot in seiner Wohnung aufgefunden; er war 26 Jahre alt. Seinen zu diesem Zeitpunkt im Entwurf vorliegenden Roman „Survivors“, der die „Morningstar-Strain“-Trilogie fortsetzen oder abschließen sollte, wurde vom Schriftsteller Thom Brannan komplettiert und erschien 2012.

|Taschenbuch: 447 Seiten
Originaltitel: Plague of the Dead (New York : Pocket Books 2006)
Übersetzung: Ronald M. Hahn
ISBN-13: 978-3-453-52941-0
eBook: 959 KB
ISBN-13: 978-3-641-08287-1|
http://www.themorningstarsaga.com
http://www.randomhouse.de/heyne

Schüller, Martin – TATORT: Moltke

_Duisburg: Moltke_

_Zur Story_

Es weihnachtet in Duisburg und während Thanner sich schon darauf freut seine neue Flamme Simone festlich zu bekochen und von „savoir vivre“ salbadert, ist Kollege Horst Schimanski von dem ganzen Trubel ziemlich angenervt. Als die beiden mit Thanners Einkäufen vollgepackt zu ihrem Dienstwagen kommen, erwartet sie im Kofferraum eine Überraschung. Immobilien-Mogul Gress liegt dort als hübsch verschnürtes Weihnachtspaket darin – ausgeknockt aber lebendig – zusammen mit einer Pulle Wodka. Schimanski weiß sofort, dass dies eine Botschaft für ihn ist. Der Wink mit dem Zaunpfahl stammt vom Polen Zbigniew Pawlak, genannt „Moltke“. Der ist offenbar inzwischen aus dem Knast raus. Dort war er vor zehn Jahren nach einem schweren Raubüberfall gelandet, bei dem einer ihrer Komplizen seinen verwundeten Bruder Bruno während der Flucht förmlich hinrichtete.

Moltke wurde als einziger der insgesamt vier Täter geschnappt – von Schimanski. Zwei davon sind demnach also immer noch auf freiem Fuß und freuten sich über die 1,5 Millionen Mark Beute, die mit ihnen verschwand. Bis jetzt. Gress war wohl einer davon, doch leugnet er die Beteiligung am Überfall natürlich vehement. Schimanski rollt seinen alten Fall von 1978 wieder auf, um endlich einen Schlusspunkt darunter zu setzen und Moltkes Rachefeldzug zu beenden, bevor der sich den anderen Komplizen – und Mörder seines Bruders – auch noch krallt. Gress wurde inzwischen nämlich ermordet aufgefunden, doch ist Schimmi nicht von der Täterschaft des im Prinzip sanftmütigen Polen überzeugt. Im Gegensatz zu Thanner, für den ist der Fall glasklar. Er möchte sich zudem gerne profilieren, da er eine leitende Position im Rauschgiftdezernat angeboten bekommen hat.

_Eindrücke_

Die Umsetzung eines solch kultigen Falles, noch dazu einen mit Schimanski und Thanner, war für Martin Schüller sicher nicht ganz leicht. Immerhin lebt(e) der Duisburger TATORT ganz stark von Goetz George als Darsteller des stets etwas schmuddelig wirkenden Hauptkommissars mit dem Herz am rechten Fleck. Erschwerend kommt hinzu, dass die dazugehörige Kulisse schon 24 Jahre zurückliegt – Erstausstrahlung war immerhin 1988, wo dementsprechend auch die Handlung spielt. Das nostalgische Flair der späten Achtziger einzufangen und authentisch in einen erst 2010 entstandenen Roman zu packen, ist ihm aber recht gut gelungen. Schimmis schnoddrige Ruhrie-Schnauze und Thanners dazu kontrastierenden Spießeranwandlungen, sowie eine ordentliche Portion Lokalkolorit, lesen sich amüsant, können aber den audiovisuellen Eindruck der TV-Vorlage nicht erreichen, trotz dem, dass „Moltke“ beinahe 1:1 dem Drehbuch entspricht.

Dabei wurden selbstverständlich einige Anpassungen fällig, da das Storytelling in beiden Medien naturgemäß grundverschieden ausfällt. Die novellisierte Version muss oft Gefühlsregungen und Gedanken der Figuren in Worte kleiden und das lässt de facto meist weniger Interpretationsspielraum für das Publikum, als Mimik und Gestik des jeweiligen Schauspielers. Damit begibt sich jemand, der ein Drehbuch zum Roman aufbohrt, immer auch auf einen schmalen Grat, unter Umständen zu viel zu verraten. Vor allem bei einem Krimi besteht eine nicht unbeträchtliche Gefahr das ganze Ding so zu spoilern, dass die Spannung letztlich lange vor dem Showdown flöten geht. Das ist hier dankenswerterweise nicht so. Der Plot an sich ist schon so konzipiert, dass bis zum Schluss nicht klar ist, wer nun eigentlich der Vierte im Bunde der Bankräuber war. Doch auch als das offenbart wird, ist die Sache noch nicht (ganz) durch.

_Fazit_

Schimmi in Romanform – kann das klappen? Ja, es kann. Allerdings fehlt schon ein wenig etwas, wiewohl das Kopfkino so manches ausbügelt, zumindest, wenn man die damaligen TV-Vorlage(n) kennt. Nicht-TATORTler dürften die Figurenzeichnung hingegen vielleicht etwas flach finden, wobei auch das Original damals schon ziemlich arg im (Ruhrpott-)Klischee wühlte. Aber davon ab: Dieser Personenkreis wird sich sicher eher zufällig zur Lektüre einfinden. Alles in allem bringt Martin Schüller auch diese, diesmal nostalgisch angehauchte, TATORT-Umsetzung (er adaptierte für die Buchreihe bislang bereits die Kölner, Münsteraner und sogar einen Fall des bayerischen Ermittlerteams) routiniert unter Dach und Fach. „Moltke“ ist zwar nun nicht der kriminalistische Kracher, doch durchaus eine der besseren Episoden – sei es als TV-Fassung oder wie hier in Schriftform. Daumen hoch.

|Taschenbuch, 154 Seiten
Von Martin Schüller
Nach einem Drehbuch von Axel Götz, Jan Hinter und Thomas Wesskamp
Emons-Verlag, Mai 2010
ISBN 978-3-89705-734-0|
[www.emons-verlag.de]http://www.emons-verlag.de

_Der TATORT bei |Buchwurm.info|_

[40 Jahre TATORT – Das Lexikon]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7281
[Köln: Die Blume des Bösen]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6803
[München: A gmahde Wiesn]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6804
[Saarbrücken: Aus der Traum]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6547
[Berlin: Blinder Glaube]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5914
[Kiel: Borowski und die einsamen Herzen]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7105
[Hannover: Erntedank]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7000
[München: Starkbier]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7149
[Bremen: Strahlende Zukunft]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5956
[Münster: Tempelräuber]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6549
[Leipzig: Todesstrafe]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6346
[Köln: Das Phantom]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7655
[Münster: Das ewig Böse]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7682

John Sinclair – Alptraum in Atlantis (Folge 75)

_Die Handlung:_

Als John Sinclair das halb verfallene Haus inmitten von London betritt, erwartet ihn eine Überraschung, die jede Vorstellungskraft sprengt: Er stürzt in eine Welt, die 10.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung existierte. Inmitten des sagenumwobenen Atlantis trifft der Geisterjäger auf seinen einst mächtigsten Gegner. Der Schwarze Tod bereitet den Untergang von Atlantis vor und er ist stärker als jemals zuvor … (Verlagsinfo)

_Mein Eindruck:_

Diesmal setzt der Verlag das Taschenbuch mit der Nummer 5 um, das erstmalig im Jahr 1981 am Kiosk und im Buchhandel zu bekommen war. Da die Abenteuer von John Sinclair auch und gerade im Taschenbuchformat nicht zwangsläufig in der nummerischen Reihenfolge genossen werden müssen, macht es nichts aus, dass das letzte Abenteuer die Hörspielfassung von Taschenbuch Nummer 11 gewesen ist.

Für John ist diese Folge der „Alptraum in Atlantis“, für den Hörer ist es Kopfkino der Extraklasse. Nicht nur toben sich die Effektbastler so richtig aus und schöpfen aus dem Vollen, auch die Story kann diesmal mit dem Hintergrund und der Musik mithalten.

Zeitreisen, Feuer speiende Drachen, der Schwarze Tod, Vogelmenschen … Atlantis? Das ist ja schon fast zu viel des Guten. Eine gute Stunde voller Action ohne Atempause für John oder den Hörer werden hier mit alten beliebten und unbeliebten Bekannten garniert. So trifft John in der Vergangenheit auf Kara, der er beistehen will.

Atlantis allerdings wird hier gar nicht so beschrieben, wie ich es mir vorgestellt habe … ich dachte da eher immer an Hochtechnologie, die in der Blüte untergeht. In Jason Darks Atlantis-Version hingegen wird noch mit Armbrüsten geschossen! Und anschließend präsentiert er auch seine Idee davon, wie es mit dem Kontinent zu Ende geht … und durch wen. Der Schwarze Tod spielt da eine gewichtige Rolle. Dessen Geburtsstätte „besucht“ John Sinclair gegen Ende übrigens auch noch. Und all das in rasantem Tempo, immer auf der Suche nach dem Spiegel, den John für Myxin besorgen soll.

Die nicht zum Genre passende Erzählerin stört in dieser Folge nicht so stark wie in den Vorgängerepisoden, bekommt sie doch nur am Anfang ein paar Einleitungssätze vom Skript spendiert und schweigt in der Folge.

|Die Sprecher und ihre Rollen:|

Erzählerin: Alexandra Lange-Baehr
John Sinclair: Frank Glaubrecht
Delios: Claus-Dieter Clausnitzer
Kara: Susanna Bonaséwicz
Alassia: Shandra Schadt
Myxin: Eberhard Prüter
Goran: Raimund Krone
Eiserner Engel: Johannes Steck
Haro: Martin Keßler
Kandor: Erik Schäffler
Ansage: Jürgen Holdorf

sowie: Peter Franke, Tim Kreuer, Ulrich Krohm, Sven Plate, Tim Sander, Jens Wendland, Jörg von Liebenfelß

|Technik-Credits:|

Hörspielskript und Regie: Dennis Ehrhardt
Sounddesign, Schnitt und Mischung: ear2brain productions
Musik: Andreas Meyer
Gitarren im John-Sinclair-Theme: Jan Frederik
Produktion: Marc Sieper (Lübbe Audio)

|Die Ausstattung:|

Die komplett schwarze CD steckt in einem Jewel-Case. Das Booklet-Faltblatt enthält eine Liste der bereits veröffentlichten Folgen der „2000er“-Serie und der „Classic“-Serie. Zusätzlich werden noch die Sprecher und ihre Rollen aufgeführt sowie die Technik-Credits.

Außerdem müssen wir hier leider auch einen extra gekennzeichneten Nachruf lesen: Karlheinz Tafel, der bislang Sir James Powell gesprochen hat, verstarb am 28.04.2012.

|Die Sonderausgaben|

Da „75“ eine schöne Jubiläumszahl ist, bringt der Verlag dieses Hörspiel nicht nur auf CD und als Download heraus. Für runde 20 Euro kann der Fan eine Doppel-Schallplatte der Folge erstehen und für etwa 36 Euro gibts die auch als auf 666 Stück limitierte Picture-Vinyl-Ausgabe mit vier verschiedenen Bild-Motiven.

Die Picture-Vinyl-Scheiben wurden von Jason Dark handisgniert … und da das ein wenig dauerte, erschien diese Variante von „Alptraum in Atlantis“ auch erst etwas später.

|Der verschwundene Track|

Gar nicht gut kam bei den Fans und grad den Sammlern unter ihnen an, dass auf ihren Silberscheiben ein Track „fehlt“. Aufgrund eines Special Deals zwischen den Machern des Hörspiels und Apples iTunes, hat die Download-Version des „Albtraums“ einen zusätzlichen Track zu bieten. Laut offizieller Seite soll dieser aber für die Handlung nicht wichtig sein und nur atlantische Vorgeschichte bieten.

_Mein Fazit:_

Ein fulminant inszeniertes und temporeiches Abenteuer für den Geisterjäger, das kaum Zeit zum Luftholen lässt. Exzellente Effekte und dramatische Musik unterstützen die spannende Handlung, die diesmal weniger Horror, aber mehr Action bietet und John und den Hörer mal eben 10.000 Jahre in die Vergangenheit schleudert.

|Audio-CD
Spieldauer: 53 Min. (+ 7,5 Min. iTunes-Download-Version)
Tracks: 10 (+ 1 iTunes-Download-Version)
ISBN: 978-3-7857-4595-3|
[www.luebbe-audio.de]http://www.luebbe-audio.de

Eine Hörprobe bietet der Verlag unter [dieser Adresse]http://www.luebbe.de/Hoerbuecher/Spannung/Details/Id/978-3-7857-4595-3# auch an.

Über 40 Rezensionen rund um den beliebten Geisterjäger |John Sinclair| findet ihr in [unserer Datenbank]http://buchwurm.info/book

Gruppe, Marc – Sherlock Holmes – Die Affenfrau (Die geheimen Fälle des Meisterdetektivs 5) (Hörspiel)

_|Die geheimen Fälle des Meisterdetektivs|:_

Folge 1: [„Im Schatten des Rippers“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7494
Folge 2: [„Spuk im Pfarrhaus“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7519
Folge 3: [„Das entwendete Fallbeil“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7519
Folge 4: [„Der Engel von Hampstead“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8036
Folge 5: [„Die Affenfrau“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8035

_Zwei Gnome – und eine behaarte Bestie!_

Zum Entsetzen von Mrs. Hudson stellen sich eines Abends unangemeldet die sicherlich außergewöhnlichsten Auftraggeber in der Baker Street 221 B ein, die dort je erschienen sind. Der Fall, den sie Sherlock Holmes zur Aufklärung übertragen, steht ihrem durchaus befremdlichen Aussehen in nichts nach … (Verlagsinfo)

Diese Fälle dieser neuen Holmes-Reihe wurden nicht von Sir Arthur Conan Doyle geschrieben, sondern alle von Marc Gruppe. Sie basieren natürlich auf den originalen Figuren, die mittlerweile Allgemeingut geworden sind.

_Der Autor_

Marc Gruppe ist der Autor, Produzent und Regisseur der erfolgreichen Hörspielreihe GRUSELKABINETT, die von Titania Medien produziert und von Lübbe Audio vertrieben wird. Genau wird dort erscheinen auch „Die geheimen Fälle des Meisterdetektivs“ meist im Doppelpack.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

|Die Rollen und ihre Sprecher|

Sherlock Holmes: Joachim Tennstedt (dt. Stimme von John Malkovich)
Dr. John H. Watson: Detlef Bierstedt (dt. Stimme von George Clooney u.a.)
Mrs. Hudson: Regina Lemnitz (dt. Stimme von Kathy Bates)
Nicodemus: Dirk Petrick
Prinzessin Marietta: Daniela Reidies
Zenora Pastrana: Susanne Tremper
Leonard: Matthias Keller
Elvira: Ingrid van Bergen
Valerie Hudson: Susanne Uhlen
Violet Hudson: Hildegard Meier
Mr. Sherman: Lothar Didjurgis
J. Marx: Rolf Berg
Frederick Trevis: Horst Naumann
Joseph Merrick: Patrick Wolff

Regie führten die Produzenten Marc Gruppe und Stephan Bosenius. Die Aufnahmen fanden in den Planet Earth Studios statt. Alle Illustrationen – im Booklet, auf der CD – trug Firuz Askin bei.

_Handlung_

Der Zirkus ist in London: Ein Marktschreier preist die verblüffenden Attraktionen der „Abnormitätenschau“ an, die heutzutage als Freak Show bekannter ist. Da gibt es die Siemesischen Zwillinge, die dickste Frau der Welt, Marietta, die lebende Teepuppe, und schließlich Julia Pastrana, die Affenfrau …

|Schrecken|

Sherlock Holmes und Dr. Watson hören ihre Wirtin Mrs. Hudson angstvoll aufschreien! Als sie endlich die Besucher ankündigt, bekommt sie vor angstvollem Keuchen kaum ein Wort heraus: „Zwei Gnome – und eine behaarte Bestie!“ Sie schlug ihnen die Tür vor der Nase zu. Nun, das ist kein konstruktiver Anfang, findet Holmes und spricht aus dem Fenster, um die Besucher, die vor dem Haus warten, hereinzubitten.

Mrs. Hudson protestiert vergeblich und kommandiert die Besucher folglich indigniert herum. Dr. Watson räuspert sich halb verlegen, halb erwartungsvoll. Tatsächlich: Zwei Gnome – und eine „behaarte Bestie“, genau wie Mrs. Hudson gesagt hat. Allerdings stellen sich Nicodemus, der Conferencier, und Marietta als Kleinwüchsige vor. Leonard hingegen bezeichnet sich als „Löwenmensch“, der ob seiner Körpergröße und üppigen Behaarung entfernt an den König der Tiere erinnert.

Sie beklagen den Diebstahl ihrer Affenfrau, denn ohne diese stünde ihre Truppe vor dem finanziellen Ruin. Sie war eine Mumie der berühmten Julia Pastrana, die anno 1860 zuletzt auftrat: Sie sah wie eine Mischung aus Frau und Gorilla. „Vermutlich Hypertrichose“, diagnostiziert Watson fachmännisch. Doch die Mumie ist von zwei unbekannten Männern gestohlen worden, wie Marietta gesehen hat. Sie brauchen sie zurück, soll das Schlimmste abgewendet werden.

|Vor Ort|

Der erste Weg führt Holmes aber nicht zum Zirkus, sondern ins örtliche Tierasyl. Hier lebt „die beste und hässlichste Spürnase von London“. Damit ist nicht etwa ein Doppelgänger gemeint, sondern Toby, ein Schnüffler auf vier Beinen. Toby soll sich schon bald als Gold wert erweisen.

Danach begeben sich Holmes und Watson an den Tatort. Es ist ein Zelt, in dem die Mumie der Affenfrau aufbewahrt wurde. Watson ist von der Pietätlosigkeit dieser Ausstellung immer noch angewidert. Die in die Zeltplane geschnittene Öffnung spricht Bände. Der Gestank an diesem Ort dürfte Spürnase Toby völlig ausreichen, den geraubten Gegenstand aufzuspüren.

Aber wer sind die Täter? Vielleicht weiß Zenora, die Schwester der Affenfrau, mehr darüber. Es wird eine unheimliche Begegnung …

_Mein Eindruck_

Die Viktorianer waren bekanntlich nicht weniger sensationsgierig als die heutige Generation. Sie reisten nicht nur zu exotischen Orten, brachten von dort Trophäen und Erinnerungen mit. Sie ließen auch Abnormitäten im Zirkus auftreten, und ein es gab wohl kaum einen Zirkus ohne Freak Show (der farbenfrohe, aber auch unheimliche Ursprung für einige wunderbare phantastische Romane).

Die Handlung stellt die beiden Affenfrauen Julia und Zenora mit überraschend vielen Details über deren Lebensläufe vor. Denn natürlich handelt es sich nur auf den Plakaten um „Schwestern“, doch die Herkunft von Julia und Zenora ist völlig unterschiedlich. Dieser Detailreichtum lässt Neugier aufkommen: Woher hatte der Drehbuchschreiber Marc Gruppe diese Informationen? Denn dass sie keineswegs aus der Luft gegriffen sind, belegen ja gerade die authentischen Details, die zu den bekannten Fakten über Wanderzirkusse in Europa passen.

Das Thema sind natürlich Menschen, die auf irgendeine Weise missgebildet oder sonst wie auffällig sind – Freaks eben. Doch es geht darum, wie man diese Abnormitäten behandelt. Meist werden sie lediglich als Objekte der Sensationslust betrachtet, doch dies wird den Menschen hinter der Freak-Fassade wohl kaum gerecht. Sie haben das Recht, als Menschen mit Würde betrachtet zu werden, fordert nicht zuletzt auch Dr. Frederick Trevis, der Holmes und Watson besucht.

Trevis‘ Besuch stellt eine überraschende finale Wendung dar. Denn in seiner Begleitung befindet sich eine der berühmtesten Missgeburten der Geschichte. Und ich werde hier nur verraten, dass Joseph Merricks Geschichte ausgezeichnet mit Anthony Hopkins und John Hurt verfilmt worden ist.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Die Hauptfigur ist natürlich der Titelgeber himself. Joachim Tennstedt verleiht Sherlock Holmes eine flexible Janusköpfigkeit. Die erste Seite bekommen wir zu sehen, wenn Holmes recht abweisend zu Mrs. Hudson, der treuen Seele des Haushalts, ist. Das hält sie aber nicht davon ab, die Vorhänge aufzureißen und frische Luft in die Detektivsgruft zu lassen.

Die andere Seite Holmes‘ ist die des energischen Ermittlers, der sich auch verkleidet. Die Dritte ist die des freundlichen Verführers und Gentlemans – sie bekommen wir erst in späteren Folgen zu Gesicht, insbesondere im Tussaud-Fall. Wie bei John Malkovich können wir uns auf einen Facettenreichtum an Darstellungsformen freuen.

|Dr. Watson |

Die Figur des Dr. Watson ist in vielen Verfilmungen missrepräsentiert worden. Neben Basil Rathbone und Peter Cushing musste er den vetrottelten Stichwortgeber mimen. Er war der selbstgefällige Körper neben dem rastlosen, aber kranken Geist des Detektivs. Nicht so in dieser neuen Serie.

Detlef Bierstedts Stimme ist uns von George Clooney vertraut, daher kann er mit einer gewissen geliehenen Autorität auftreten, ganz besonders in allen medizinischen Belangen. Dennoch kommt er häufig über die Rolle des Stichwortgebers nicht hinaus. Holmes hat stets die Initiative. In Folge 3 wird Watson sogar als Aktenträger missbraucht. Doch auch er verfügt über einen Revolver und die Kenntnisse, diesen zu gebrauchen, besonders aus seiner Zeit in Afghanistan.

|Mrs. Hudson|

Regina Lemnitz als Mrs. Hudson zeigt sich stets hilfreich, mal energisch, mal als fühlende Seele, etwa bei ihrem Besuch im Wachsfigurenkabinett, bei dem sie unverhofft von Sherlock Holmes überrascht wird – dieses „Experiment“ ist sehr erfolgreich. Außerdem ist sie das moralische Zentrum jeder Folge. Alles, was Holmes & Watson tun, müssen sie nicht nur gegenüber Inspektor Abberline rechtfertigen, sondern vor allem vor ihrer Haushälterin. Sie würde sie sonst hochkant hinauswerfen. Regina Lemnitz als Mrs Hudson dürfte man für eine ganze Weile nicht so aufgeregt schreien und keuchen hören.

|Missgeburten|

Eine Mischung aus Affe und Frau spricht gewiss anders als eine ganz normale Frau. Dementsprechend hohe Ansprüche stellt die Darstellung an die Stimme des jeweiligen Sprechers. Susanne Tremper spricht die Zenora mit einer (für eine Frau) sehr tiefen, rauen Stimme. Patrick Wolff muss seine Stimme für die Rolle des Joseph Merrick ebenfalls eindrucksvoll verstellen. Am witzigsten ist sicherlich Daniela Reidies in der Rolle der Prinzessin Marietta: sehr hoch und piepsig.

|Tiere|

Hier hat Toby, die beste und hässlichste Spürnase von London seinen großen Auftritt: wuff! Er bellt kräftig, knurrt und lässt auch sonst einiges hören, was man von intelligenten Schnüfflern erwartet – äh, von vierbeinigen!

|Geräusche|

Die Geräusche sind genau die gleichen, wie man sie in einem realistischen Spielfilm erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Szenen dicht und realistisch aufgebaut. Statt der aus dem GRUSELKABINETT vertrauten Andeutungen setzt diese Reihe mitunter auf handfeste Splattereffekte. In dieser Episode sind jedoch eher stimmliche Künste gefragt, siehe oben.

|Musik|

Die Musik entspricht der eines Scores für einen klassischen Spielfilm, also nicht zwangsläufig für einen Horrorstreifen. Klassische Instrumente wie Violine, Cello und Kontrabass werden manchmal von elektronisch erzeugten Effekten ergänzt. Schnelle Musik deutet Dynamik und Dringlichkeit an, langsame Musik entspannt und immer wieder endet eine Szene in einem dramatischen Crescendo. Die Haupthandlung beginnt mit Jahrmarktklängen wie etwa einer Drehorgel – vielleicht sogar einem Orchestrion. Glöckchen usw. gehören ebenfalls zum Instrumentarium.

Musik, Geräusche und Stimmen wurden so fein aufeinander abgestimmt, dass sie zu einer Einheit verschmelzen. Dabei stehen die Dialoge natürlich immer im Vordergrund, damit der Hörer jede Silbe genau hören kann. An keiner Stelle wird der Dialog irgendwie verdeckt.

|Das Booklet|

Im Booklet sind die Titel des GRUSELKABINETTS verzeichnet sowie Werbung für den verstorbenen Künstler Firuz Askin zu finden. Die letzte Seite zählt sämtliche Mitwirkenden auf. Ein zweites Booklet listet sämtliche Titel von Titania Medien auf, und zwar auch alle Neuerscheinungen bis Mai 2012.

|Hinweise auf die nächsten Hörspiele:|

Nr. 64: Francis Marion Crawford: Der schreiende Schädel (Mai)
Nr. 65: Mary Elizabeth Braddon: Gesellschafterin gesucht (Mai)
Nr. 66 + 67: Lovecraft: Der Schatten über Innsmouth Teil 1+2 (9/12)
Nr. 68: W. Irving: Die Legende von Sleepy Hollow (10/12)
Nr. 69: W.H. Hodgson: Stimme in der Nacht (10/12)
Nr. 70: Robert E. Howard: Schwarze Krallen (11/12)
Nr. 71: M.R. James: Der Eschenbaum (11/12)

_Unterm Strich_

Der Reiz dieses „geheimen Sherlock-Holmes-Falles“ liegt weniger im Verbrechen als in den davon Betroffenen. Zahlreiche Rätsel umgeben den harmlos erscheinenden Diebstahl der titelgebenden Mumie. Das größte dieser Rätsel wird, wie es sich gehört, erst ganz am Schluss gelöst. Doch welche Rolle Joseph Merrick spielt, soll hier nicht verraten werden.

Wer also wie beim Fallbeil-Fall Entsetzen und Grusel sowie Action erleben will, für den eignet sich dieser Fall weniger. Ebenso wie in „Der Engel von Hampstead“ legt die Regie mehr Wert auf Psychologie, genaue Milieubeschreibungen (wie schon im Debüt über Jack the Ripper) und eine überraschende finale Wendung. Ein zweites Reinhören lohnt sich allein schon wegen der großen Fülle an Details, aber auch wegen der zahlreichen komödiantischen Szenen: Eine vor Furcht kreischende Mrs. Hudson – das gibt’s nicht jeden Tag.

|Das Hörspiel|

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und bekannte Stimmen von Synchronsprechern und Theaterschauspielern einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. Die Sprecherriege für diese neue Reihe ist höchst kompetent zu nennen, handelt es sich doch um die deutschen Stimmen von Hollywoodstars wie John Malkovich und George Clooney.

Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für gruselige Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert, und die Stimmen der Hollywoodstars vermitteln das richtige Kino-Feeling.

|Audio CD mit 75 Min. Spieldauer
ISBN 9783785746431|

Home – Atmosphärische Hörspiele

deWitt, Patrick – Sisters Brothers, Die

_Das Sublime und der Horror_

Hermann Kermit Warm wird sterben. Sein Tod wurde von dem geheimnisvollen und mächtigen Kommodore befohlen, und die Brüder Charlie und Eli Sisters werden den Auftrag ausführen. Die beiden machen sich auf den Weg von Oregon nach Kalifornien, wo sie Warm aufspüren sollen. Ihre Reise durch den vom Goldrausch geprägten amerikanischen Westen wird allerdings immer wieder von bizarren und blutigen Begegnungen unterbrochen.

Zugleich zeigt sich, wie verschieden die beiden Brüder sind: Charlie ist ein eiskalter, skrupelloser Killer – Eli ein Grübler, der sich mit geradezu existenziellen Fragen beschäftigt. Er beginnt an seinem Beruf zu zweifeln – und an seinem Partner. Doch als die beiden schließlich in Kalifornien eintreffen, nehmen die Ereignisse eine höchst unerwartete Wendung … (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Patrick deWitt wurde 1975 auf Vancouver Island in Kanada geboren. Er lebte unter anderem in Kalifornien, Washington und Oregon. Nach „Ablutions: Notes for a Novel“ ist „Die Sisters Brothers“ sein zweiter Roman. Er war für den „Man Booker Prize“ sowie den „Giller Prize“ nominiert, wurde mit dem Rogers Writers‘ Trust Fiction Prize, dem Ken Kesey Award und der Stephen Leacock Memorial Medal for Humour ausgezeichnet und von „Publishers Weekly“, der „Washington Post“ sowie der Canadian Booksellers Association zu den besten Romanen des Jahres gezählt. Patrick deWitt lebt heute mit seiner Frau und seinem Sohn in Portland, Oregon.

Mehr Informationen zum Autor und seinem Werk finden Sie unter [patrickdewitt.net]http:// patrickdewitt.net (Ohne Gewähr).

_Handlung_

Eli Sisters (der Erzähler) will den Mann, den man im Oregon-Territorium des Jahres 1851 den „Kommodore“ nennt, gar nicht sehen. Genug, dass sein Bruder Charlie mit dem Kerl redet, für den sie Leute umlegen. Meist handelt es sich um Menschen, die ihm Geld schulden. Bloß gut, dass Mutter nichts davon weiß. Sie würde ihnen die Leviten lesen. Charlie kommt zurück. Der neue Auftrag lautet, einen Mann namens Hermann Kermit Warm in San Francisco umzulegen. Und wieso? Warm habe dem Kommodore ein Geheimnis gestohlen oder vorenthalten oder was auch immer, meint Charlie. Jedenfalls ist die Bezahlung mal wieder fürstlich. Eli schwört sich, dass es ihr letzter Auftrag ist.

Vorsichtig bahnen sich die beiden Gunmen ihren Weg durch die Wildnis, die sich bis nach Kalifornien erstreckt, also durch Indianerland, das gerade von den Goldsuchern und Glücksrittern in Scharen durchquert wird. Immer wieder stoßen sie verwaiste Jungs, weinende Männer, ausgeraubt und mittellos. Aber auch auf eine Frau, die definitiv eine Hexe sein muss, denn sie belegt Eli mit einem Fluch. Sie entkommen Bären, schließen selber welche, gelangen schließlich nach Jacksonville und Mayfield, wo weitere Barone residieren.

In Mayfields Palast alias Bordell verliert Eli sein Herz an eine Schöne, die auf ihn warten will. Doch Charlie, den nichts schrecken kann außer ein tüchtiger Kater nach einer durchzechten Nacht, verhöhnt sein Bruderherz. Solche romantischen Flausen sollte er sich für später aufheben. Prompt müssen sie sich der Freunde der schönen Hure erwehren.

Schließlich erreichen sie die Stadt der Wunder. San Francisco wird von einem Wald verlassener Schiffe belagert, scheint es Eli. Die Schiffe ankern herrenlos in der Bucht. Sie suchen Morris, den Agenten des Kommodore, doch wie sich herausstellt, ist Morris übergelaufen. Sein Tagebuch verrät, was es mit dieser Wendung auf sich hat.

Demnach ist Hermann Kermit Warm ein Erfinder höchsten Grades. Sein Vater ist ein deutscher Einwanderer und war ein gescheiterter Uhrmacher. Der Sohn suchte sein Glück im Westen, im Gelobten Land, wo das Gold in den Bächen nur aufs Heben wartet. Doch anders als all die anderen Idioten mit ihren Sieben hat Warm eine industrielle Methode ersonnen, mit der sich ganze Seen voll Gold über Nacht vom Gold befreien lassen – mit Chemie!

Es ist diese chemische Formel, hinter der der Kommodore her ist, klarer Fall, denkt Eli. Und Morris, der Agent, muss auf Warms Idee hereingefallen sein, denn er hat offenbar Warms Expedition den Sacramento hinauf finanziert und ausgerüstet. Nun müssen sie schon fast in Indianerland angekommen sein. Die beiden Revolverbrüder machen sich auf den Weg, um die Goldsucherexpedition zu überfallen und Warm zur Rechenschaft zu ziehen.

Doch vor Ort verlaufen die Ereignisse völlig anders als erwartet. Denn der unbekannte Faktor ist eben jene chemische Substanz, deren Wirkung sich als verhängnisvoll erweist …

_Mein Eindruck_

Eli ist der melancholische Beobachter und Denker, der das unmotivierte Töten verabscheut und sich nur in Notwehr verteidigt – in der Regel. Charlie hingegen liebt das Schießen, kennt keine Angst, denn er weiß, dass er immer der Schnellere ist. Bis zu jenem verhängnisvollen Tag, an dem Charlies Schusshand verletzt wird. Von da ab verändert er sich auf für Eli nahezu unheimlich Weise. Auf einmal Eli zum Hüter seines Bruders. Das hat weitreichende Folgen.

In der Auseinandersetzung mit Warm und Morris hätte Charlie ohne sein Handicap sicherlich nicht gezögert, alle über den Haufen zu schießen, um kurzen Prozess zu machen. So aber beginnen die beiden Gunmen mit dem Mann, auf den sie angesetzt wurden, zu reden und erfahren, wie die Dinge in Wahrheit stehen.

Wieder einmal hat sie der Kommodore hinters Licht geführt, sie angelogen und ausgenutzt. Das Gefühl, keinen Deut besser zu sein als all die Gold suchenden Idioten in den kalifornischen Bergen, ist kein angenehmes, findet Eli. Er beschließt, sich der Unternehmung des deutschen Chemikers anzuschließen. Denn ein Mann, der ein gewisses Alter erreicht hat, muss an seinen Lebensabend und sein Auskommen denken, oder? Was wäre besser als ein See voller Gold? Und sobald er den geleert hat, wird Eli mit dem Auftraggeber abrechnen. Allerdings hat er die Rechnung ohne die Chemie gemacht …

|Kapitalismus|

Dies ist kein Öko-Western, no way, Mister. Der Roman schildert eine groteske Odyssee durch ein neues Eldorado, wo sich Gold- und Glückssucher die Zukunft mit den Baronen streitig machen, die wiederum Revolvermänner einsetzen, um ihren Willen durchzusetzen. Es ist eine Zukunft im Aufbau, aber was für eine. Es ist Raubtierkapitalismus in Reinkultur, der hier am Werk ist. Und wer nun an ungesicherte, ungezähmte Börsengeschäfte denkt, der sich wohl nicht verkehrt. Alle arbeiten sich in den Abgrund, und wen kümmert’s, wenn es links und rechts der eigenen Ellbogen Opfer gibt.

|Freunde|

Charlie ist einer voller Ellbogen, doch Eli, sein ungleicher Bruder, denkt darüber nach, was eigentlich passiert – und aus welchen Gründen. Hat eine Hexe sie beide mit einem Fluch belegt? Wer kann das schon genau sagen. Denn weit und breit gibt es keinen Priester, mit dem man darüber debattieren könnte. Gut möglich, dass Tub, das alte Pferd mit dem Hängerücken, der beste Freund in der Wildnis ist. Mit einer wahren Rosskur schafft es Eli, Tub zu einem verlängerten Leben zu verhelfen. Eli ist ja so was von sentimental und dämlich, findet sein Bruderherz.

|San Francisco|

Einer der Höhepunkte der Erzählung ist sicherlich das Kapitel über San Francisco. Wer jemals dort war, weiß, dass es dort Russian Hill und Chinatown gibt, die noch heute an Siedler aus aller Herren Länder erinnern. Anno 1851 ist alles im Aufbau, wird niedergebrannt, wieder aufgebaut, als gäbe es keine Zeit zu verlieren, und natürlich sind die Preise für alles und jedes, von der Hure bis zum Pferd, geradezu exorbitant im Vergleich zum Hinterland.

Auch hier behaupten sich die Brüder, als hätten sie es jeden Tag mit der lebenden Hölle zu tun. Allerdings sind sie froh, endlich herauszukommen und der Warm-Expedition zu folgen. Sie ahnen nicht, was sie erwartet, haben keinen Plan, aber sie sind entschlossen, das Beste draus zu machen. So ist es eigentlich bis heute, und die Republikaner predigen immer noch: „Starve the Beast – hungert die Regierung aus!“, als wären alle noch Pioniere an der Grenze zur Wildnis.

|Krisengewinn|

Mitte des 19. Jahrhunderts gab es eine weltweite Krise, die die USA ganz direkt zu spüren bekamen: Die Hungersnot in Irland brachte nicht nur etwa die Hälfte der Bevölkerung um, sondern trieb auch den Rest zur Auswanderung in die USA. Ende 1848 waren alle März-Revolutionen der reformwilligen Bürger gescheitert, die Reaktion der adeligen und besitzenden Stände hatte gesiegt. Politische und soziale Reformer (Heine, Börne und viele andere) wurden ins Exil nach Frankreich getrieben – oder gleich weiter über den Atlantik, wollten sie nicht im Kerker der Landesfürsten landen.

1849 platzte in diese Krisenstimmung die Nachricht von den Goldfunden in Kalifornien. Wie günstig also, dass die Vereinigten Staaten gerade den Krieg gegen Mexiko gewonnen hatten und ihr Staatsgebiet um ein Drittel erweitern konnten! Nun gehörte Kalifornien, vordem spanisch und mexikanisch, zum Staatsgebiet der USA. Dort gab es ungeheuere Pfründe zu verteilen, und die Landbarone konnten ihren Claim abstecken. Der „Kommodore“ und Mr. Mayfield, der eine eigene Stadt sei Eigen nennt, sind im Roman Beispiele dafür.

Die Handlanger dieser Barone sind Gunmen wie die Sisters Brothers. Die Ironie der Handlung besteht nun genau darin, die Stützen dieser Konstruktion als wacklig, illegitim und vorübergehend zu präsentieren – ein „Haschen nach Wind“, wie der Prediger Salomo schreibt. Folglich ist auch das Treiben der Sisters Brothers ohne jedes Fundament, ein reines Zuträgergeschäft, ein Leben von der Hand in den Mund. Am Schluss haben sie genau das Gleiche gewonnen wie alle anderen, denen wir im Buch begegnen: absolut nichts. Die Endstation heißt „Hotel Mama“. Immerhin: Sie haben überlebt. Wenn das kein Witz ist.

|Das Sublime|

Es gibt nur sehr wenige Augenblicke, in denen die Brüder eine höhere Ebene der Existenz und Erkenntnis erreichen. Einer davon ist das Tagebuch von Agent Morris. Der andere Moment ist jenes nächtliche Ereignis, als sich durch das Wunder der Chemie das Gold am Grund des Bibersees zeigt. Das ganze Wasser strahlt golden, als wäre die Sonne hineingefallen.

Doch wie man schon an den vielen dialektischen Wendungen oben gemerkt hat, folgt auf diesen Moment, in dem sich das Erhabene zeigt, der blanke Horror, verursacht ebenfalls durch die Chemie. Die Aussage ist ziemlich klar: Durch unsere Technologie – Chemie, Physik, Informatik – sind wir gleichermaßen in der Lage, die Welt in ein Paradies oder in eine Hölle zu verwandeln. Der Schlüssel zur Wahl, was wir wollen, liegt in uns selbst.

_Die Übersetzung _

Die sprachliche Leistung des Übersetzers Marcus Ingendaay ist schlichtweg superb. Sie hat mich immer wieder begeistert, besonders wenn der Stil genau jener nahezu antiken Zeit um 1850 angepasst ist. Die Menschen dachten anders als wir, folglich sprachen und schrieben sie auch ganz anders.

Die verschiedenen Stilebenen genau wiederzugeben, gelingt Ingendaay immer wieder mit verblüffender Detailgenauigkeit. Auf diese Weise wird jede Seite nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich und gedanklich zu einer Entdeckung. Die Druckfehler, die ich trotz allem fand, hielten sich sehr in Grenzen. Es handelt sich meist um falsche Endungen, also das Übliche.

_Unterm Strich_

Ich habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen, also in wenigen Tagen. Nicht nur, dass die Kapitel kurz und die drei teile überschaubar sind, hilft bei der Bewältigung. Vielmehr sind es die ungewöhnlichen Szenen, mit denen der Autor an jeder Ecke aufwartet. Der Leser ahnt nie, was auf der nächsten Seite an grotesken oder makabren Wundern auf ihn wartet.

In der Mitte erfährt die Handlung, wie es sich gehört, eine unerwartete und fundamentale Wendung. Die Reise auf den Spuren Warms führt ins Ungewisse, wo keine der gewohnten Regeln mehr gelten und unerhörte Finge geschehen können. Es bleibt dem Leser nichts anderes übrig, als die Seiten in sich aufzusaugen. Eine Wendung jagt die Nächste, und was als packende Auseinandersetzung beginnt, wandelt sich unversehens zur Tragödie und von da zur Komödie.

Mit anderen Worten: Der Western ist ein literarisches Wunderwerk, und man muss kein Westernliebhaber wie ich sein, um seinen Gefallen daran zu finden. Allerdings seien zartbesaitete Gemüter eindringlich gewarnt: Schreckliche Dinge geschehen, und wer sich vor Blut und Gewalt fürchtet, sollte das Buch gar nicht erst aufschlagen.

|Gebunden: 352 Seiten
Originaltitel: The Sisters Brothers (2011)
Aus dem US-Englischen von Marcus Ingendaay
ISBN-13: 978-3442547005|
http://www.randomhouse.de/manhattan

McDonald, L. J. – Schattenmacht (Die Krieger der Königin 3)

_|Die Krieger der Königin|:_

Band 1: [„Die Krieger der Königin“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7079
Band 2: [„Falkenherz“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7575
Band 3: _“Schattenmacht“_

Sylphental wächst und gedeiht, dank der Handelskarawanen, die aus allen Teilen des Kontinents anreisen. Doch keines der Nachbarländer hat das junge Königreich bisher politisch anerkannt, Solies ehemalige Heimat Eferem begegnet ihr sogar mit offener Feindseligkeit. Es hat ihr zwar nicht direkt den Krieg erklärt, dafür aber gleich eine ganze Gruppe Attentäter geschickt.

Nun ist es nicht so einfach, ein Attentat auf jemanden zu verüben, der von hochempathischen Kriegssylphen bewacht wird, und so ist es kein Wunder, dass die Männer recht schnell gefasst sind. Aber wie kommt es dann, dass innerhalb kurzer Zeit mehrere Kriegssylphen ihre Meister verlieren? Ist das wirklich nur Zufall?

_Der einzige Neuzugang_ unter den Charakteren ist Sala. Sala ist Gabralinas beste Freundin, zumindest glaubt das Gabralina, aber die hübsche Blondine ist so gutmütig, wie sie dumm ist. Sala dagegen ist überhaupt nicht dumm, sondern extrem ehrgeizig und genießt es, Macht über andere zu haben. Abgesehen von ihrem Ehrgeiz ist sie aber vollkommen gefühllos. Empfindungen wie Freude, Mitgefühl oder Trauer scheint sie nicht zu kennen, nicht einmal Ärger. Bestenfalls Nervosität, wenn etwas nicht so klappt, wie sie es geplant hat.

Obwohl Salas Darstellung zu keiner Zeit an die Rils oder Claws heranreicht, ist sie doch klar und stimmig ausgefallen. Sala ist ein manipulatives, intrigantes Miststück und als solches ausgesprochen gelungen.

Das gilt vor allem im Hinblick auf die Handlung, die die Autorin aufgebaut hat. L. J. McDonald legt fast von Anfang an offen, wer der wahre Feind ist, und welche Absichten er hat. Und da der Leser weiß, mit wem er es zu tun hat, kann er jeden ihrer Schritte mitverfolgen. Selbst wenn sie ihre Maßnahmen erst im Nachhinein reflektiert, weiß der Leser schon vorher, was wirklich passiert ist und warum. Aber Solie und ihr Rat wissen es nicht!

Da sie gerade erst eine Handvoll Attentäter dingfest gemacht haben, suchen sie den Täter zunächst in einer völlig falschen Richtung. Und Sala ist klug genug, niemals selbst in Erscheinung zu treten, sondern schickt immer andere. Und sie geht indirekt vor, sodass jemand, der das eigentliche Ziel nicht kennt, keine Zusammenhänge zwischen den einzelnen Ereignissen herstellen kann. Der Leser sieht deshalb zu, wie sich die Schlinge allmählich immer enger zieht, während Solie und ihre Verbündeten zunehmend hilflos und unsicher agieren.

Selbst, als Leon und die Witwe Blackwell die ersten Anhaltspunkte finden, um zum Kern der Sache vorzudringen, dauert es noch eine ganze Weile, ehe für die Sylphentaler offensichtlich wird, wer dahinter steckt. Und obwohl ab diesem Zeitpunkt ziemlich klar ist, dass Sala ihr Ziel wohl nicht erreichen wird, spitzt sich die Lage dennoch immer weiter zu bis zum Showdown.

Abgesehen von dem intelligent angelegten Plot hat die Autorin auch zum ersten Mal einen genaueren Blick in die Welt geworfen, aus der die Sylphen ursprünglich stammen, ein dünner Handlungsstrang zwar, der aber zusätzlich zur eigentlichen Geschichte interessante neue Aspekte mit einbrachte.

_Ich muss gestehen,_ ich war von diesem dritten Band des Zyklus ziemlich überrascht. Nach den beiden leichtgewichtigen Vorgängern hatte ich nicht erwartet, dass die Fortsetzung derart spannend ausfallen würde! Doch das tat sie, und das ist hauptsächlich Sala zu verdanken. Dabei ist sie nicht einmal der übermächtige, unbesiegbare Gegner, der sonst so gern in der Fantasy bemüht wird, sondern verfolgt ihre Pläne einfach nur mit einer unauffälligen, gründlichen und gleichzeitig so gefühllosen Niedertracht, dass man nur staunend den Kopf schütteln kann. Da fiel nicht einmal mehr die naive Gutgläubigkeit ins Gewicht, mit der Blue sich davon abhalten lässt, Sala zu kontrollieren.

Der dritte Band bietet so viel mehr als die ersten beiden, dass er regelrecht aus dem Zyklus heraussticht. Ihn einzeln zu lesen, macht allerdings wenig Sinn. Wer jetzt Lust auf dieses Buch bekommen hat, wird die anderen beiden zuerst lesen müssen.

_L. J. McDonald_ ist Kanadierin und begann mit dem Schreiben auf die Ermunterung ihres Englischlehrers hin. Ein Schreibwettbewerb im Jahr 2008, den sie nicht gewann, brachte dennoch den Durchbruch. Zu diesem Zeitpunkt bestand die Geschichte um Solie und ihre Kriegersylphen bereits aus vier Bänden. Im April dieses Jahres erschien neben den bisher veröffentlichten drei Bänden eine Anthologie aus vierundzwanzig Kurzgeschichten mit dem Titel „Alphabet Soup for Sylphes“ , in denen auch die Elementarsylphen eine etwas größere Rolle spielen. Zwei weitere Bände stehen in der Warteschlange. Die Autorin arbeitet derweil an neuen Ideen für ihren nächsten Zyklus.

|Taschenbuch 336 Seiten
Originaltitel: Queen of Sylphs
Deutsch von Vanessa Lamatsch
ISBN-13: 978-3-426-50948-7|
http://www.ljmcdonald.ca
http://www.droemer-knaur.de

Ed McBain – Heißer Sonntagmorgen

Auf dem Weg zu einem Mord erlebt eine Jugendgang, wie ihr kriminelles Idol in eine Polizeifalle gerät; aus der Festnahme wird ein öffentliches Spektakel, das unterdrückten Volkszorn und tödliche Gegenattacken auslöst … – Das spannende Geschehen gleicht einer bedrückend reibungslos arbeitenden Maschine, die durch rassistische Vorurteile angetrieben wird und mit hoher Produktionsrate neue Gewalt erzeugt: ein manchmal didaktisch wirkender aber weiterhin eindrucksvoller Kriminalroman.
Ed McBain – Heißer Sonntagmorgen weiterlesen

E.L. Greiff – Zu den Anfängen (Zwölf Wasser 1)

Zwölf Wasser:

Band 1: „Zu den Anfängen“
Band 2: (erscheint Oktober 2013)
Band 3 (erscheint Oktober 2014)

Babu entstammt einem Volk ehemaliger Nomaden. Doch im Gegensatz zu seinen Stammesgenossen ist er rastlos und unzufrieden. Als ein Sterbender ihm ein gefährliches Geheimnis verrät, verlässt Babu seine Heimat, um … ja was eigentlich?
Felt ist im Grunde das genaue Gegenteil von Babu. Er hätte keine großen Schwierigkeiten damit, sein gesamtes Leben damit zu verbringen, auf den Mauern seiner Heimatstadt Goradt zu patrouillieren, obwohl es der ungastlichste Ort auf dem gesamten Kontinent zu sein scheint. Aber dann geschieht das Ungeheuerliche: Die Undae brechen ihr Schweigen und sprechen eine Warnung aus! Und gegen seinen Willen findet Felt sich bald darauf auf einer Reise wieder, deren Ziel er nicht kennt, und deren Zweck er nicht begreift …

E.L.Greiff macht es dem Leser nicht leicht mit seinen Charakteren. Selten habe ich über Figuren gelesen, die so außerhalb jeglicher Schublade standen wie Babu und Felt.

Felt ist Soldat, pflichtbewusst, diszipliniert, sorgfältig. Aber sein Vorstellungsvermögen ist begrenzt, und so ist sein einziger Halt auf der gemeinsamen Reise mit den Undae die Tatsache, dass er es gewohnt ist, Befehle zu befolgen, selbst wenn er ihren Sinn nicht versteht. Je länger er unterwegs ist, desto deutlicher wird allerdings, dass Felt sich auf Dauer nicht davor drücken kann, die Zusammenhänge zu verstehen. Der Panzer aus Sturheit und Unwissenheit bekommt Risse.

Babu dagegen ist ein Getriebener, der nicht weiß, was ihn treibt. Er sucht nach Freiheit, ohne eine Vorstellung davon zu haben, was Freiheit ist, und gleichzeitig nach seinen Wurzeln, die er nicht zu haben scheint. Und doch kann er sich erst von seinem Zuhause trennen, als er dazu gezwungen wird.

Bei beiden hat der Leser das Gefühl, die Undae hätten ihnen Hemden übergestreift, die ihnen ein paar Nummern zu groß sind, und jetzt müssen die beiden irgendwie da hineinwachsen. Ein schmerzhafter Prozess.

Mit der Handlung verhält es sich ähnlich. Wer den Klappentext des Buches gelesen hat, wird sich irgendwann im Laufe der ersten Kapitel fragen, ob die Seiten den richtigen Einband tragen. Nur eine kurze Szene am Fluss verrät, dass es sich bei dem Text tatsächlich um das beschriebene Buch handelt. Denn zunächst dreht sich die Handlung ausschließlich um Babu. Erst als sie sich nach gut hundert Seiten Felt zuwendet, taucht auch die eigentliche Thematik des Buches auf: Das Wasser und die Bedrohung der Quellen. Aber auch, nachdem die Undae und ihre Begleiter sich auf den Weg gemacht haben, scheint die ganze Angelegenheit nicht so recht vom Fleck zu kommen. Das liegt nicht nur an den weltlichen Hindernissen, sondern auch ein wenig an den Undae.

Die Undae sind so etwas wie die Priesterinnen des Wassers. Jahrhundertelang haben sie nichts weiter getan, als seinem Gemurmel zu lauschen. Und es ist das erste Mal in all dieser Zeit, dass Hohe Frauen ihre Grotte verlassen. Man könnte meinen, dass sie deshalb ziemlich weltfremd sind, doch das ist ein Irrtum. Durch das Wasser sind die Undae mit allem verbunden, was lebt. Allerdings haben sie eine völlig andere Sichtweise! Und da sie ihr Verhalten niemals im Voraus erklären, wird der Leser genau wie Felt und Babu immer wieder mit Situationen konfrontiert, die seltsam, unverständlich, ja befremdlich wirken, letztlich aber doch immer irgendwie Sinn machen.

Nicht nur die Undae sind rätselhaft, auch sonst ist das Buch voller Geheimnisse. Das fängt an mit demjenigen, das Babu veranlasst hat, seine Heimat zu verlassen und reicht über Babus eindeutig magischen Falken und die offizielle Geschichtsschreibung, die offenbar nicht ganz vollständig ist, bis hin zu den einzelnen Stationen der Reise. Dabei sind es vor allem die diversen Orte, die am meisten zum mystischen Flair der Geschichte beitragen. Schon allein die Ascheebenen des ehemaligen Welsien wirken entrückt und fremdartig, noch mehr gilt das für die Quellen, für die Sümpfe und Boirad, den Nebelwald, und ganz besonders für die Stadt in den Wolken. Fantasy ist ja – zumindest bis zu einem gewissen Grad – immer mit einer Welt verbunden, die fremdartige Züge trägt, hier jedoch ist es so, dass selbst innerhalb des Fantastischen noch eine weitere Ebene zu existieren scheint, halb losgelöst von Babus Tal, Goradt und der reichen Stadt Pram, eine Art geistige Parallelwelt, die wie ein Schleier über dem Alltäglichen liegt, und mit dem Felt und Babu nun zum ersten Mal in Berührung kommen. Selbst die Kämpfe, die hier ausgefochten werden, finden gleichzeitig sowohl auf greifbarer als auch geistiger Ebene statt.

Ich fand dieses Buch ausgesprochen faszinierend. Schon die Idee der Quellen, die mehr als nur Ursprung eines Gewässers sind, klang hochinteressant, aber auch die Umsetzung hat mir sehr gefallen. Greiff schreibt sehr plastisch und eindringlich, ob es nun um Träume, Örtlichkeiten oder Ereignisse geht. Die beiden Hauptfiguren sind weder edle Übermenschen noch unfreiwillige Helden voller Selbstzweifel, sondern lebendige und glaubhafte Personen, die nicht nur mit ihren eigenen inneren Dämonen zu kämpfen haben, sondern auch mit denen, die die Existenz der Welt bedrohen.

Wer von seiner Lektüre erwartet, dass sie sofort zur Sache kommt, wer beim Lesen gern auf der Ebene greifbarerer Schwierigkeiten wie geographischen Hindernissen, Schwertkämpfen und hinterhältigen Intrigen bleibt, der ist hier wahrscheinlich eher falsch. Wer allerdings schon lang in den Massen der Drachen-Elfen-Vampir-Fantasy nach etwas wirklich Neuem, Ausgefallenem sucht, der sollte sich dieses Buch auf jeden Fall gönnen. Es ist keine Geschichte, die man einfach so wegliest. Aber in dieses Hemd reinzuwachsen, lohnt sich!

E. L. Greiff ist in Kapstadt geboren und lebt inzwischen in den Niederlanden. Nach einem Studium der Germanistik und der Theaterwissenschaften folgte eine längere Tätigkeit in der Filmregie. „Zu den Anfängen“ ist nicht nur der erste Band der Trilogie |Zwölf Wasser|, sondern auch Greiffs Romandebut. Die Fortsetzungen sollen jeweils im Oktober 2013 und 2014 erscheinen.

Broschiert 608 Seiten
ISBN-13: 9783423249140

http://www.12wasser.de/
http://www.dtv.de/

Der Autor vergibt: (5.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Rönkä, Matti – Bruderland (Viktor Kärppä 2)

_|Viktor Kärppä|:_

Band 1: [„Der Grenzgänger“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7978
Band 2: _“Bruderland“_
Band 3: [„Russische Freunde“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7947
Band 4: [„Entfernte Verwandte“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7955

_Das Wiesel mausert sich zum Chefdiplomaten zwischen den Fronten_

Viktor Kärppä hat sein Auskommen: Er lebt von seinem kleinen Autobahnkiosk, geringfügigen Schiebereien und dann und wann sogar versteuerten Gelegenheitsjobs. Doch der launische Polizist Korhonen reißt ihn aus seiner Idylle heraus. Erneut ist ein Jugendlicher in Helsinki an verunreinigtem Heroin gestorben und Viktor soll herausfinden, wer das gefährliche Rauschgift nach Finnland schmuggelt. Widerstrebend und auf seine sehr eigenwillige Art macht er sich an die neue Aufgabe und gerät bald einmal mehr zwischen die Grenzen von legal und illegal, Polizei und Mafia, Finnland und Russland, Bruderhass und Familienzusammenhalt. (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Matti Rönkä, geboren 1959 in Nord-Karelien, ist Journalist. Er hat sowohl in den printmedien als auch beim Radio gearbeitet und ist heute Chefredakteur und Nachrichtensprecher beim finnischen Fernsehen. Jeder Finne kennt ihn als „Mister Tagesschau“ – und als Autor sehr erfolgreicher Krimis. Rönka lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in Helsinki. Er wurde mit dem Finnischen, dem Nordischen und dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet. (Verlagsinfo)

Für seinen ersten Roman „Der Grenzgänger“ wurde Rönkä sowohl mit dem „Deutschen Krimipreis 2008“ als auch mit dem finnischen Krimipreis 2006 ausgezeichnet. Der Autor erhielt außerdem den Nordischen Krimipreis 2007.

_Hintergrundinformationen _

Folgendes Wissenwertes berichtet der Autor in seinem Nachwort zu „Entfernte Verwandte“:

Auf mütterlicher Seite ist Viktor Gornojewitsch / Kärppä ein Karelier. Diese bilden ein eigenes Volk, dessen Sprache eng mit dem Finnischen verwandt ist. Nach dem finnischen Bürgerkrieg von 1917/18, der auf die Unabhängigkeit von Schweden folgte, flohen viele der unterlegenen „Roten“ vor den bürgerlichen „Weißen“ nach Russland. Hier wollten sie das Arbeiterparadies aufbauen. Während der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre kamen selbst Finnen aus den USA und Kanada hierher nach Karelien.

Auf der väterlichen Seite jedoch ist Viktor Ingermanländer. Diese siedelten in einem schmalen Streifen nordöstlich von St. Petersburg. Es sind Finnen, die im 17. und 18. Jahrhundert von den Schweden angesiedelt wurden, um die lutherische Kirche im Osten zu stärken. Rund 200.000 Finnen pflegten die finnische Kultur usw. Doch besonders zu Stalins Zeiten wurden Finnen verfolgt, in Lager gesteckt, Familien auseinandergerissen und Bevölkerungsteile in ferne Gegenden Russlands vertrieben.

Im 2. Weltkrieg eroberte die deutsche Wehrmacht Ingermanland, um Leningrad einzuschließen. Die dort lebenden menschen wurden nach Finnland umgesiedelt. Dort schlossen sie Ehen mit Finnen und adoptierten verwaiste Kinder. Ingermanländische Männer, die (1939/1940) in finnische Gefangenschaft geraten waren, schlossen sich der finnischen Armee (1941-45) an, wo sie „Stammesbataillone“ bildeten. Den Ingermanländern wurde insgeheim eine gesicherte Zukunft in einem „Großfinnland“ versprochen.

Nach dem verlorenen Krieg 1944 mussten allen Sowjetbürger zurück in die Sowjetunion, darunter an die 60.000 Ingermanländer mit zahlreichen Adoptivkindern. Manche blieben mit gefälschten Papieren in Finnland oder flohen nach Schweden. In der Sowjetunion wurden die Ingermanländer erneut zerstreut, doch vielen gelang es, sich in Russisch-Karelien, Estland oder Ingermanland niederzulassen. Nach 1990 erlaubte Finnland den Ingermanländern die Rückkehr nach Finnland. Etwa 30.000 Ingermanländer erlangten so die finnische Staatsangehörigkeit, doch sie sprachen kein Finnisch und waren entwurzelt. So erging es auch Viktor.

_Handlung_

Nach seinen Abenteuern in „Der Grenzgänger“ rackert Viktor wieder auf dem Bau, macht aber für Kumpel Karpow auch halblegale Sachen. Viktors Freundin Marja weil in den USA zu einem Studienaufenthalt, und sie finden beim Mailen heraus, dass sie einander fehlen. Als Brüderchen Alexej nach dem Tod der Mutter endlich eine Genehmigung zur Auswanderung bekommt, will auch der Neuzugang untergebracht und mit Arbeit versorgt sein. Der ehemalige Ingenieur wird erst einmal in einer Werkstatt eingestellt und erweist sich dort als Verkaufsgenie für Motoröl.

Alles scheint in Butter zu sein, als Teppo Korhonen von der Kripo auftaucht und Viktor ordentlich Feuer unterm Hintern macht. Wieder ist ein finnischer Junge an schlechtem Heroin verreckt, nun werden andere Saiten aufgezogen. Und da Viktor sowieso Korhonen noch einen Gefallen schuldig sei, könne er gleich mal anfangen, nach dem Importeur dieses Teufelszeugs Ausschau zu halten. Und wehe, es sind die Russen! Dann könne sich Viktor schon bald auf ein Donnerwetter gefasst machen. Viktor glaubt nicht, dass Alexej etwas damit zu tun hat. Oder doch?

Doch die Finnen sind nicht die Einzigen, die den Heroinimporteur suchen. Weil sowas die internationalen Beziehungen beschädigen könnte, sucht die Petersburger Unterwelt selbst nach den Konkurrenten in Helsinki. Viktor freut sich wenig über das Wiedersehen mit einem ehemaligen Kollegen aus der Spezialtruppen-Ausbildung in der alten Sowjetunion. Und Nazarjan ist begleitet von einem „Kühlschrank“ namens Gerasimow, der ebenso kalte Augen aufweist – ein Killer, wie er im Buch steht.

Da kommt auch ein Wiesel wie Viktor ins Frösteln. Er ruft bei Onkel Oleg in Petersburg an; wenige Tage später erhält er eine Einladung ins Allerheiligste der Petersburger Unterwelt. Dort schmiedet man große Pläne für die Zukunft Russland, und wolle Viktor dabei nicht in verantwortungsvoller Position mitmachen? Viktor konzentriert sich lieber auf das Naheliegende, nämlich auf die Suche nach dem Heroinimporteur. Als ein ihm vertrauter Name genannt wird, läuft es ihm eiskalt über den Rücken: Es ist ein guter Freund.

Doch als sich Viktor aufmacht, den Freund vor den Killern der Petersburger Mafia zu schützen, stellt er sich zwischen alle Fronten …

_Mein Eindruck_

Was sich schon im Debütroman „Der Grenzgänger“ angedeutet hat, wird in „Bruderland“ zur Spezialität ausgebaut: ein ehemaliger Russe, der aber eigentlich Finne ist (s. o.) wird zur Schachfigur, die sich im Spannungsfeld von Fremdenhass, Integration und biografischen Altlasten zu behaupten versucht. Mit der Finnin Marja hat Viktor die Chance, die Integration zu schaffen – obwohl Marjas Familie auch schön eigenwillig ist.

Vorbei ist es nun mit den literarischen Vorbildern Dashiell Hammett und Raymond Chandler, denn der Autor hat nun seinen eigenen Weg gefunden. Alle folgenden Krimis (siehe meine Berichte) passen in das oben gezeichnete Muster, das der Autor auf vielfältige Weise zu variieren weiß. Es eignet sich, um diverse soziale Brennpunkte kritisch ins Auge zu fassen. In „Bruderland“ sind es Heroinimporte, in „Grenzgänger“ waren es Produktfälschungen, Schmuggel und Menschenhandel.

Während der wie stets völlig durchgeknallte Kommissar Korhonen unserem helden das Leben schwer macht, kann er swich eines leisen Misstrauens gegen den eigenen Bruder nicht erwehren. Denn Alexej pflegt zwielichtigen Umgang mit Leuten, die selbst schwerbewaffnet auf eine feuchtfröhliche Feier gehen. In einer kritischen Situation bereinigt Viktors beherztes Eingreifen die Lage – und zugleich lernt er eine attraktive Frau mit dem verlockenden Namen Helena kennen. Es dauert aber nur Monate, bis die zu ihrem Ex zurückfindet, der Viktor als „Russen-Romeo“ abqualifiziert.

Ganz allmählich dreht der Autor den Spannungshahn auf. Zu den besten Sequenzen des Romans gehört zweifellos der Besuch in St. Petersburg. Viktor hat einige Zeit hier verbracht. Doch so prächtig die Bauten der Stadt an der Newa sind, die immerhin Putin und Medwedjew hervorgebracht hat, so zwielichtig sind die noblen Vertreter der Petersburger Unterwelt. Sie wollen ein neues Russland aufbauen, und ihr Sprecher weist ein Kleine-Jungen-Gesicht auf, das nicht allzu entfernte Ähnlichkeit mit dem des ehemaligen KGB-Offiziers Wladimir Putin aufweist. Man kann sich leicht ausmalen, in wessen Taschen die künftigen Reichtümer Russlands fließen sollen. Ohne Viktor!

Natürlich muss auch die eigentliche kriminalistische Handlung zu ihrem Finale finden. Ich darf verraten, dass der Autor einige explosive Momente bzw. Effekte aufzubieten weiß. Klare Botschaft: Es herrscht Krieg in Helsinkis Straßen. Doch wer der eigentliche Heroinimporteur ist, den Korhonen sucht, wird dabei eher Nebensache. Mehr darf nicht verraten werden, aber auch diese Identität dient dem Autor zu belegen, dass Finnland in Gefahr ist: von innen wie von außen. Die Frage ist, ob Leute wie Viktor Kärppä geeignet sind, diese Gefahren abzuwenden.

_Die Übersetzung _

Die Übersetzerin legt ein großes Gespür für die korrekte Wortwahl an den Tag, so dass der deutsche Stil meist ganz natürlich klingt, ganz besonders auf der Ebene der Umgangssprache. Stilistische und semantische Schnitzer wie in „Grenzgänger“ habe ich mir keine notiert. Aber es ist nicht einfach für den deutschen Leser, finnischen Sprachwitz nachzuvollziehen. Warum ist es beispielsweise lustig, dass Korhonen den Spitznamen „Teppo“ erhält, obwohl er korrekt „Terho“ heißt? Ein Glossar oder Fußnoten wären hilfreich gewesen.

_Unterm Strich_

Ich habe den gesamten Roman auf nur zwei Bahnreisen gelesen. Die Seiten lesen sich quasi wie von selbst, denn entweder sind die Szenen spannend oder schön schräg – was in Finnland ja recht einfach ist. Der Autor kennt seine Landsleute bestens und weiß ihre Eigenarten – in jedem Haus gibt es mindestens eine Sauna – durchaus amüsant zu würdigen. Ein oder zwei ordentliche Showdowns bilden schließlich das actionmäßige Sahnehäubchen, das den Leser zufrieden zurücklässt.

Diesen Krimi sollte man nicht unbedingt als ersten Kärppä-Roman lesen, denn sein Inhalt bildet nur eine (die zweite) Station in der chronologisch weiterentwickelten Biografie der Hauptfigur. Viktors Leben mit Marja, aber auch mit Alexej wird in den Folgeromanen enger, leider auch seine Bekanntschaft mit den Spionen in der russischen Botschaft zu Helsinki.

Weil eine ganze Reihe von Nebenschauplätzen eine Rolle spielen, könnten Zweifel aufkommen, ob es sich überhaupt um einen Krimi handelt. Aber die Form des Krimis hat sich in ihrer Tradition gewandelt, vor allem seit den Krimis von Sjöwall/Wahlöö um den schwedischen Kommissar Beck. Nun werden auch sozialpsychologische Missstände für würdig befunden, untersucht zu werden, und was könnte dafür eine bessere Bühne abgeben als ein klassischer Culture Clash? Finnen, Russen und drittens Leute wie Viktor, die irgendwo dazwischen stehen – hier trifft West- auf Osteuropa.

|Taschenbuch: 222 Seiten
Originaltitel: Hyvä veli, paha veli (2003)
Aus dem Finnischen von Gabriele Schrey-Vasara
ISBN-13: 978-3894255633|
http://www.grafit.de

Sonnleitner, Marco – Die drei ??? – Nacht der Tiger (Band 159)

_Zur Story_

Der Schrottplatz von Titus Jonas hat ungebetenen nächtlichen Besuch, der es ausgerechnet auch noch auf die Zentrale der drei Fragezeichen abgesehen hat. Der Eindringling kann, trotz vollem körperlichen Einsatz und Herbeirufen einer Polizeistreife, unerkannt entkommen. Gestohlen wurde nichts, doch Justus bemerkt eine Manipulation am Computer der Detektei. Jemand hat einen Trojaner aufgespielt, mit welchem der Unbekannte Kontakt zu den dreien aufnehmen kann. In verschlüsselter Gedichtform teilt er ihnen den Ort eines anstehenden Autodiebstahls mit, die sich in Rocky Beach in letzter Zeit häufen.

Immer geht es dabei um Luxuskarossen und die als Tiger maskierten Diebe gehen erstaunlich dreist wie zielstrebig vor. Der mysteriöse Klient verfügt über jede Menge Insiderwissen und stammt – ebenso wie die Täter – vermutlich aus Polizeikreisen. Als sie ihn um Hilfe bitten wollen, zeigt sich Inspector Cotta den drei ??? gegenüber nicht nur seltsam zugeknöpft, sondern regelrecht feindselig. Es verdichten sich im Laufe der Ermittlungen die Indizien, dass er selbst aktiv in die Fälle verstrickt ist. Die drei Juniorschnüffler sind entsetzt – nicht nur über die rüde Behandlung. Cotta unter einer Decke mit Autodieben?! Die Beweislast scheint jedoch erdrückend …

_Eindrücke_

Die Geschichte, die sich Marco Sonnleitner da ausgedacht hat, ist geprägt von eher klassischen Stilelementen der Serie. Wackere, handwerkliche Ermittlungsarbeit steht an – und: mal kein Fußball. Das alleine ist schon einmal die ersten Punkte wert. Nächtliche Beschattung, Verfolgung, Befragung und auch der exzessive Gebrauch von Peters Dietrich-Set stehen diesmal ganz oben auf dem detektivischen Programm. Ein Rätsel? Na klar. Zumindest chiffrierte Gedichte des geheimen Informanten müssen entschlüsselt werden. Irgendwie schon Ehrensache und eins der wohl am häufigsten verwendeten Serienklischees. Die wollen schließlich auch bedient werden. Vollkommen legitim. Dazu kommt noch eine moderne Komponente, die des Kollegen Computer als Kommunikationsmedium nämlich. OK, nicht wirklich plausibel ausgearbeitet, doch es handelt sich bei „Nacht der Tiger“ ja auch nicht um eine Dissertation zu Logik und Computersicherheit/-technik, sondern um einen Jugendkriminalroman. Mit ein wenig Fantasie haut das schon irgendwie hin.

Auch alte Bekannte kommen mal wieder zum Zuge. Inspector Cotta verschlägt es diesmal sogar auf die Fahndungsliste der drei ???. Sieh an, das hatten wir noch nicht und ist schon mal einer der beiden originelleren Einfälle in der Story. Der andere war eben das mit dem Trojaner auf dem PC, wo der Grundgedanke positiv zählt, die letztendlich präsentierten Begleitumstände aber eben nicht ganz überzeugen. Während Inspector Kershaw nur einen kleinen Cameo-Auftritt bekommt, kann Morton samt Rolls Royce mal wieder etwas ausführlicher seine Qualitäten beweisen. Wobei die Sache mit dem Rolls schon arg fragwürdig herbei gedengelt scheint. So richtig mag man diese – ausgerechnet auch noch für die Handlung elementar wichtige – Schlüsselsituation in der Autovermietung nicht schlucken. Der generelle Ablauf des Plots gestaltet sich, trotz aller sicherlich gut gemeinten Bemühungen einige Nebelkerzen zu werfen und den Fieslingen einen gefährlich-bösen Anstrich (Tigermasken und Pistolen) zu verleihen, ansonsten nahezu überraschungsfrei.

_Fazit_

Ein routiniert heruntergeschriebener und dementsprechend auch flüssig-flott gelesener, stabiler Mittelklassefall. Leidlich spannend inszeniert, mit viel detektivischer sowie actionreicher Fleißarbeit gewürzt aber leider mit nur wenigen guten Ideen garniert, sodass man nun nicht dazu angetan ist, spontan in Lobeshymnen zu schwelgen. Dafür sind einige Elemente dann doch zu abgedroschen und/oder nicht konsequent genug durchdacht bzw. wirken doch schon ziemlich arg konstruiert. Der – fast schon traditionell – gern selbst kombinierende Leser hat überdies keine Chance hat sich die Lösung dieses 159. Falles selbst zu erarbeiten. Daher zeigt der Daumen der tigermäßigen Rezensenten-Pranke alles in allem in die Waagerechte mit minimaler Tendenz nach oben.

|Hardcover, 128 Seiten
Erzählt von Marco Sonnleitner basierend auf den Figuren von Robert Arthur
Redaktion: Martina Zierold, Martina Dold
Franckh-Kosmos, 2011
ISBN 978-3-440-12334-8|
[www.kosmos.de]http://www.kosmos.de

Mehr als 100 weitere Rezensionen zu den „Drei ???“ findet ihr in unserer [Datenbank]http://buchwurm.info/book .

Vollenbruch, Astrid (Autorin) / Minninger, André – Die drei ??? – Pfad der Angst (Hörspiel) (Folge 137)

_Zur Story_

Die Auftragserteilung ist recht ungewöhnlich. Ein mysteriöser Klient, der sich selbst „Der Polymath“ nennt, hat den dreien quasi als Eignungsprüfung ein Rätsel zukommen lassen, bei dessen Lösung sie sich als würdig erweisen sollen, in seine Dienste zu treten. Kaum jedoch haben sie das Rätsel gelöst, erhalten sie einen seltsamen Anruf, der die Jungs dazu bringen soll lieber wegzubleiben. Was die Neugier der drei ??? natürlich noch weiter anfacht. Im kleinen Wüstenort Brestow/Texas angekommen erweist sich ihr neuer Auftraggeber als verschrobener Sonderling, der mit seinem grantigen Bruder isoliert auf seinem Anwesen „Rose Hall“ lebt. Winston Granville gibt an, er sei Erfinder und jemand habe sein „Okkulus Audiens“-Gerät gestohlen. Genauer: Sein neidischer Nachbar. Die drei Detektive sollen es wiederbeschaffen. Doch Winston und Matthew scheinen selbst Leichen im Keller zu haben, zumindest können die drei geheimnisvolle, nächtliche Grabungsarbeiten im selbigen beobachten.

_Eindrücke_

Die Vorlage von Astrid Vollenbruch hatte schon unter dem Stigma des vollkommen inhaltsfernen Titels und dem vergleichsweise langweiligen Coverbild zu leiden. Pfade kommen in der ganzen Geschichte nicht ein einziger vor und wenn dann nur unfreiwillig und ohne P. OK, Eine Portion Angst gibt es für die Beteiligten zumindest beim finalen Showdown auszuhalten, der beim Hörspiel aber ziemlich gekünstelt wirkt. Da ist das Buch eleganter, auch wenn dort – verständlicherweise – ebenso dick aufgetragen wird. Bemerkenswert ist jedoch das konsequente und ungewohnt grimmige Ende. Doch bis es soweit ist, lavieren sich die Figuren durch eine wüstentrockene, langatmige Story mit wenig Drive. Ein wenig erfrischender ist schon das Element, dass auch die drei Superschnüffler sich mal täuschen lassen und darob zu Kreuze kriechen müssen – das ist dann doch eher selten. Gewohnte Kost hingegen, dass wieder einmal ein Vorfall aus der Vergangenheit der Schlüssel zu allem ist.

Richtige Lichtblicke sind dabei allenfalls die schrägen Charaktere der Granvilles und ihres nicht weniger seltsamen Handlangers Smithy. Wie man anhand der knappen Sprecherliste entnehmen kann, ist der Kreis der potenziellen Verdächtigen ohnehin ziemlich spärlich – einer davon muss schließlich der fiese Knilch sein. Wobei besonders Urgestein Uwe Friedrichsen zwar stimmlich kaum wieder zu erkennen ist, aber eine blitzsaubere Darbietung des herrlich grantigen Matthew abliefert. Definitiv das Highlight der Folge. Doch auch Christian Rode als dessen spinnerter Erfinder-Bruder rettet dem Hörspiel noch ein paar Lorbeeren, wohingegen die Stammsprecher der Hauptcharaktere subjektiv einen recht lustlosen Eindruck machen. Eher routiniert denn engagiert schaukeln diese sich über die Eineinviertelstunde Laufzeit. Auch bei der Musik haben die Soundtüftler von STIL (Christian Hagitte und Simon Bertling) schon ein glücklicheres Händchen gehabt. So richtig will diesbezüglich keine Atmosphäre aufkommen, während die Geräuschkulisse als solche durchaus in Ordnung geht.

_Die Produktion_

Buch und Effekte: André Minninger
Redaktion und Geräusche: Wanda Osten
Regie und Produktion: Heikedine Körting
Musik: Hagitte & Bertling (STIL), Morgenstern, George, Conrad

_Sprecher und Figuren_

Oliver Rohrbeck (Justus Jonas), Jens Wawrczeck (Peter Shaw), Andreas Fröhlich (Bob Andrews), Thomas Fritsch (Erzähler), Christian Rode (Winston Granville), Uwe Friedrichsen (Matthew Granville), Konstantin Graudus (Smithy), Michael Brennicke (Mr. Jackmore), Wilhelm Wieben (Professor Frazier), Tetje Mierendorf (Polizist)

_Fazit_

Eins der schwächeren Hörspiele aus der Neuzeit der Serie, wobei man sagen muss, dass dies Jammern auf recht hohem Niveau ist. Da hat man schon wesentlich üblere Produktionen präsentiert bekommen, sodass sich der 137. Fall des Trios bequem im soliden Mittelfeld positionieren kann. Die skurrilen Granville-Brüder haben schon etwas, doch insgesamt zieht sich die Story, mit dem denkbar unpassenden Titel, bis zu ihrem urplötzlich mit Handlung vollgestopften Finale, streckenweise wie Kaugummi. Das ist in sofern erstaunlich, da das Hörspiel schon um einiges reduziert daherkommt und demnach generell eigentlich straffer sein sollte, als die Vorlage. Das Gegenteil ist aber eher der Fall: Im Buch läufts reibungsloser und auch ein Stück weit plausibler ab. Da hat André Minninger für die Adaption den Rotstift scheinbar an nicht ganz optimalen Stellen angesetzt. Der staubtrockene Daumen des Rezensenten weist in die Waagerechte.

|1 Audio-CD mit einer Laufzeit von ca. 73 Minuten
Erzählt von Astrid Vollenbruch nach Figuren von Robert Arthur
EUROPA / Sony Music Entertainment, 2010
EAN: 886974413721|
[www.natuerlichvoneuropa.de]http://www.natuerlichvoneuropa.de

Mehr als 100 weitere Rezensionen zu den „Drei ???“ findet ihr in unserer [Datenbank]http://buchwurm.info/book .

Catherine Jinks – Blutsbande. Bekenntnisse einer Vampirin

Man kennt das ja: Vampire sind schön, stark und haben übersinnliche Kräfte. Aber ist das wirklich so? Nicht, wenn man der australischen Autorin Catherine Jinks Glauben schenken mag. Denn ihre Vampire sind ziemliche Loser: Sie sind eigenbrötlerische Einsiedler, die von Schwäche- und Übelkeitsanfällen geplagt werden, unter Geldnot leiden und sich von Meerschweinchen ernähren. Nicht gerade der Stoff, aus dem Träume sind …

Für einen Roman reicht es jedoch gerade so. „Blutsbande – Bekenntnisse einer Vampirin“ klingt als Titel spektakulär, bei der Lektüre sollte man sich als Leser jedoch auf ein vorherrschendes Gefühl einstellen: Mitleid nämlich. Protagonistin und Ich-Erzählerin ist die Vampirin Nina, die vor über 50 Jahren von einem Vampir infiziert wurde und seitdem in ihrem Teenagerkörper feststeckt. Das hat einerseits den Vorteil, dass sie immer noch bei ihrer Mutter wohnen kann, ohne dass sich jemand etwas dabei denkt. Andererseits verhindert es auch, dass sie einen Führerschein machen kann … schließlich sieht sie immer noch aus als wäre sie minderjährig.

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