Zappa, Ahmet – fabelhaften Monsterakten der furchtlosen Minerva McFearless, Die (Lesung)

_Enzyklopädisch: Monsterjäger gegen den König des Bösen_

„Mein Name ist Minerva McFearless. Ich bin die Tochter des weltberühmten Monsterjägers Manfred McFearless und ständig in Lebensgefahr. Vor allem jetzt, denn die Monster haben Rache geschworen: Der Zarmaglorg, die abscheulichste, grausamste Gruselbestie höchstpersönlich, hat meinen Vater entführt! Und nun sind mein kleiner Bruder Max und ich unterwegs zu den finsteren Verliesen seiner Festung, um unseren Vater zu befreien. Unsere einzige Waffe: Miss Monstroklopädia – das klügste, bissigste und gefährlichste Buch der Welt …“ (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Ahmet Emuukha Rodan Zappa (* 15. Mai 1974 in Los Angeles, Kalifornien) ist ein US-amerikanischer Musiker, Schauspieler und Buchautor. Ahmet Zappa ist das dritte von vier Kindern des Künstlers Frank Zappa. Er wurde nach dem Produzenten Ahmet Ertegün benannt, dem Gründer und Besitzer des Plattenlabels Atlantic Records.

Zusammen mit seinem Bruder Dweezil Zappa spielte er in der Band „Z“ und auf Alben mit Musikern wie Steve Vai oder Mike Keneally. Zappa hatte in den 1990er-Jahren mehrere kleine Fernsehrollen und trat unter anderem in der Fernsehserie „Roseanne“ auf. In der Bildungsserie Robotica war er drei Jahre lang Fernsehmoderator. (Wikipedia)

Zappas erstes Buch enthält Zeichnungen des Autors und Fotos von Clay Sparks. Zum Buchschreiben kam er erst, als er aus Spaß Aquarelle von Monstern malte und sie an seine Freunde verschickte. Zappa gibt an, mit dem Buch Kindern helfen wolle, die Angst vor Ungeheuern, unter der er als Kind selbst litt, zu überwinden.

Bevor das erste Exemplar des Buches in den USA veröffentlicht wurde, hatten sich Disney und Jerry Bruckheimer Films, die Produzenten von „Fluch der Karibik“, für 1,5 Millionen US-Dollar die Filmrechte gesichert. Zurzeit schreibt Ahmet Zappa an die Fortsetzung seines Buches, in dem Max McFearless der Ich-Erzähler ist. (Wikipedia)

Mehr Info: http://www.mightymcfearless.com

_Die Sprecherin_

Sylvie Nogler, geboren 1958 in Innsbruck, absolvierte ihr Schauspielstudium von 1983 bis 1986 am Tiroler Landestheater Konservatorium Innsbruck. Es folgten Theaterauftritte am Kampnagel in Hamburg, am Altstadt-Theater Berlin und mehrere Tourneen in Deutschland und Österreich. Seit den 1990er Jahren spielt sie in TV-Serien wie „Großstadtrevier“ und ist Sprecherin für Film, Fernsehen und Hörspiele. Sylvie Nogler lebt in Hamburg. (Verlagsinfo)

Musik: Ulrich Maske

Ulrich Maske, geboren in Hannover, ist Text- und Musikautor, Musiker und Produzent. Nach seinem Studienabschluss als Diplompsychologe arbeitete er als Musikproduzent mit Hannes Wader, Zupfgeigenhansel, vielen international namhaften Folk- und Jazzmusikern und produzierte Hörbücher und Hörspiele für Kinder und Erwachsene. Seit Mitte der 1970er Jahre entwickelt er ein innovatives Repertoire für Kinder und Erwachsene, seine Produktionen erhielten diverse Auszeichnungen. Er schreibt Bücher, Kinderlieder, Reime und Gedichte. Bei JUMBO erscheinen seine Hörspiel-, Hörbuch- und Musikproduktionen. Ulrich Maske lebt in Hamburg und verantwortet die Programme JUMBO und Goya. (Verlagsinfo)

Regie: Uticha Marmon, Inga Richter
Tonmeister: Joszi Sorokowski im WunderWeltStudio, Hamburg

_Handlung_

|Prolog|

Die elfjährige Minerva McFearless und ihr Bruder Maxwell sitzen in einem großen Käfig, der sich in der finsteren Festung des Zarmaglorg befindet, der abscheulichsten, grausamsten Gruselbestie, die man sich nur vorstellen kann. Der Käfig hängt über einer Grube, an deren Grund brodelnde Lava glüht. In einem Käfig sitzt leider auch ihrer beider Vater Manfred McFearless, seines Zeichens Monsterjägers. Eigentlich wollten sie ihn ja befreien, doch nun muss er sich bemühen, sie zu befreien. Denn alle drei werden vom schrecklichsten aller Monster bewacht, dem Schnurgelschnöselsaurus.

Doch wie konnten sie nur in diese missliche Lage geraten? Alles begann vor etwa zwei Jahren.

|Haupthandlung|

An diesem Tag haben alle drei den Todestag von Mami McFearless gefeiert, doch spät abends muss Dad, wie so häufig, noch mal weg. Daher machen es sich Minerva und Maxwell in der großen, vollgestopften und mit einem Sternenhimmel bemalten Bibliothek gemütlich. An deren Wand hängt ein Gemälde, das ihren Ururgroßvater Maximilius McFearless zeigt; er trägt eine Augenklappe über einem Auge. Minerva holt gerade ein Glas Wasser, als sie ihren jüngeren Bruder schreien hört. Hoffentlich nicht wieder einer seiner Streiche! Doch nein, diesmal treibt er keinen Schabernack, sondern zeigt bloß auf den Kamin.

|Das Labor|

Dort befindet sich auf einmal eine Geheimtür, die sie nie zuvor bemerkt haben. Sie treten hindurch, folgen einem düsteren Tunnel und gelangen durch eine zweite Tür in ein verborgenes Laboratorium, mit Büchern, Schränken, Waffen und Proben von unbekannten Tieren. Während Max, der Waffennarr, es schafft, ein Schwert auf seinen Fuß fallen zu lassen, fasst Minerva ein geheimnisvolles Buch an, das sie unversehens beißt. Und dieser Biss lässt sie in Ohnmacht fallen, denn er ist giftig.

Dads Warnung ist zu spät gekommen. Jetzt verarztet er Minervas geschwollene Hand mit den Bisswunden und gibt ihr eine Medizin zu trinken, die den Schmerz abklingen lässt. Natürlich will sie wissen, was es mit dem Labor und dem Buch auf sich hat. Bei dem Labor handle es sich um sein Arbeitszimmer, denn er sei ein „MonsTerminator“, genau wie seine Vorväter. Das Buch sei ein lebendiges, intelligentes Ungeheuer: Miss Monstroklopädia. Es tue ihr sehr leid, dass sie Minerva gebissen habe. Aber wäre Minerva keine McFearless, wäre sie bereits tot.

Miss Monstroklopädia ist ein lebendiges und sprechendes Buch, das alle Informationen der McFearless über Monster enthält und darüber, wie man sie bekämpfen kann. Um darin lesen zu können, muss man von ihr gebissen werden, allerdings sei ihr Biss giftig. Manfred erzählt, dass alle Mitglieder der Familie McFearless Monster jagen, um die Menschheit vor dem Bösen zu beschützen. Und Monster gibt es bekanntlich jede Menge, besonders in letzter Zeit.

Seinen beiden Kinder allerdings verbietet er zwar, je wieder in das Labor hineinzugehen oder in Miss Monstroklopädia zu lesen, denn wenn Miss Monstroklopädia jemals wieder zu den Monstern zurückkehrt, könnten furchtbare Dinge passieren. Der König des Bösen, dem sie einst von Ururgroßvater Maximilius gestohlen wurde, will sie nämlich dringend zurückhaben, zusammen mit einem Kleinod: dem magischen Diamanten Enotslived.

|Selbstausbildung|

Doch die beiden Kinder überlisten ihr männliches Kindermädchen Randolph und schleichen sich immer wieder in das Laboratorium, um heimlich alles über Monster zu lernen. Ihr Ziel ist es, echte McFearless zu werden, um eines Tages die Familientradition fortzuführen. Nur blöd, dass sich der Schisser Maxwell weigert, sich von Miss Monstroklopädia beißen zu lassen. Wie soll da aus ihm ein echter Monsterjäger werden? Sie muss ihm alles aus dem Lexikon vorlesen, weil er erst durch den Biss Monströsisch lesen könnte.

Eines Tages bekommt Dad eine geheimnisvolle Kiste vor die Haustür gelegt. Minerva weiß Bescheid: Es muss sich um eine von diesen Täuschertrixtruhen handeln, die sich nur von Eingeweihten öffnen lassen. Als Dad von der Monsterjagd zurückkehrt und die Kiste zu sehen bekommt, tut er so, als wäre das nichts Besonderes. Er ist der schlechteste Lügner der Welt, findet Minerva. Er schickt sie natürlich ins Bett, aber kaum ist in sein Arbeitszimmer verschwunden, folgen ihm die beiden Kinder, um ihn zu beobachten.

|Der Überfall|

Tatsächlich gelingt es ihm, die Täuschertrixtruhe zu öffnen. Er entnimmt ihr einen scharlachroten Edelstein. „Der Enotslived! Das ist nicht gut“, murmelt er. In der Tat! Noch in derselben Nacht stürzt er ins Zimmer seiner Kinder, um sie rasch ins Labor in Sicherheit zu bringen. Drei Monster sind gekommen, um den Enotslived und Miss Monstroklopädia zu rauben! Sie verbarrikadieren die Tür. In dem gewonnenen Moment zeigt Dad ihnen, dass sie sich in einer Geheimkammer unter dem Schreibtisch verstecken sollen, natürlich mit den zwei gesuchten Objekten. Und sie dürfen auf keinen Fall vor Sonnenaufgang wieder hervorkommen. Denn wie jeder weiß, können Monster das Licht der Sonne nicht ertragen.

Kaum sind sie durch die Falltür gekrochen, ertönt ein Krachen und ein viertes Monster stürzt durchs Fenster ins Arbeitszimmer: ein Gräuelheuler! Minerva hört schreckliches Krachen, Brüllen, Schlagen und Knirschen, doch dann herrscht ominöse Stille. Minerva fällt in Schlaf. Als sie wieder erwacht, steht die Falltür ihrer Geheimkammer offen, das Buch ist ebenso weg wie der Samtbeutel mit dem Diamanten. War alles umsonst?

|Ein unerwarteter Besucher|

Als sie herauskabbelt, entdeckt sie eine merkwürdige Gestalt im Sonnenlicht: ein aufrecht stehender Kojote, der einen Spazierstock benutzt, einen Zylinder und eine Augenklappe trägt. Er nennt sich Mr. Devilstone. Dieser Schlaufuchs erklärt den beiden perplexen Geschwistern, dass sich ihr Vater in der Gewalt vom Zarmaglorg, dem schrecklichsten aller Monster, dem König des Bösen, befindet.

|Die Mission|

Nach anfänglichem Misstrauen machen sich Minerva und Max, zusammen mit Miss Monstroklopädia und Mr Devilstone auf eine gefahrvolle Reise, um ihren Vater zu retten. Dabei müssen sie eines der vier Monster, die ihn entführten, nach dem anderen bezwingen. Und dann ist da schließlich Zarmaglorg. Von diesem empfängt Minerva neuerdings schauerliche Visionen, wie er ihren Vater foltert, um die Kombination der Täuschertrixtruhe zu erfahren. Und ein grausiger Suzzler macht Anstalten, ihm diese Erinnerung aus dem Gehirn zu saugen …

_Mein Eindruck_

Es gibt also jede Menge Gründe, sich in diesem Hörbuch vor Monstern zu fürchten. Das ist genau der Sinn und Zweck der Geschichte: Jedes Kind macht eine Phase durch, in der sich seine Ängste (von denen es meist jede Menge besitzt) als Ungeheuer manifestieren können. Da ist das allseits bekannte Monster unter dem Bett, das in den Schatten lauert, es gibt aber auch Monster, die sich einen Spaß daraus machen, einen legasthenischen Jungen das Buchstabieren beibringen zu wollen … So erging es dem Autor, der eine Leseschwäche hatte und viel lieber Monster malte, als Aufsätze zu schreiben.

Der Sinn der Geschichte besteht also darin, die Monster materialisieren zu lassen, was sie schon mal halb so furchterregend macht. In der Monstroklopädia steht sogar ganz genau, worin ihre Eigenschaften und Stärken bestehen. Zum Glück haben MonsTerminatoren wie die McFearless auch Informationen über die Schwächen der Monster zusammengetragen. Sie geben jeweils ein Rezept zur Herstellung eines ABWEHRMITTELS an.

Jeder der zwölf Einträge sieht etwa so aus:
1) „Der Klogo: (Stärken/Schwächen); Echsenpastillentee“ (= Abwehrmittel)
2) „Der Grumpelmies: Überraschungseier des Verderbens nach Art des Grauses“
3) „Das Debilion: Die Katzenpfote des Verderbens“ usw.

Es folgen:

4) Der Urks: dreimal so groß wie ein Elefant, aber nicht mal ein tausendstel so intelligent; darf nichts essen, was er schon mal gegessen hat, sonst ist es sein Verderben.
5) Der Suzzler (der im Finale eine Hauptrolle spielen wird)
6) Der Gräuelheuler
7) Der Moderan: ein kein ganz schlechtes Monster, das als Undercover-Agent für die Guten arbeitet! Telepathische Telekineten – sehr praktisch für das Kontaktieren von Informanten!
8) Der Medighul
9) Der Schnurgelschnöselsaurus (siehe Abbildung im Booklet)
10) Das Krallummerdon
11) Der Dreckschlecker (Vorsicht: besonders hinterhältig da allgegenwärtig!)
12) Das Einhörnige Pupswampit

Da jedes Monster seine Schwäche aufweist, lässt es sich auch besiegen. Zumindest theoretisch. Voraussetzung ist natürlich, dass der Monsterjäger, etwa Minerva, genügend Mut, Kaltblütigkeit und Einfallsreichtum aufbringt, um diese Schwäche auszunützen. Etwas Glück wäre auch nicht schlecht. Indem Minerva und Maxwell ihre Antipathie überwinden, gelingt es ihnen, das eine oder andere Monster zu erledigen. Ganz ohne die Konsultation von Mr Devilstone.

Bei Minerva hapert es jedoch gewaltig an der Kaltblütigkeit. Der Grund dafür besteht darin, dass sie als „gutes amerikanisches Mädchen“ sehr reinlich erzogen wurde und auf maximale Hygiene bedacht ist. Nun, Monster sind das genaue Gegenteil von Hygiene, wie man sich leicht vorstellen kann. Und alle Abwehrmittel sind so etwas von unhygienisch, dass Minerva sich anschließend am liebsten zwei Jahre lang mit Bürste und Seife abschrubben würde. Wir lernen hier eine ganze Menge darüber, wovor sich reinliche American Girls am meisten fürchten.

Und Maxwell ist auch etwas gehandicappt: Ihm fehlt es an Besonnenheit. In jede Situation stolpert er zwar mutig hinein, doch unversehens verliert er die Kontrolle darüber. Dann ist es Minervas Geschick oder purem Glück überlassen, ihn wieder aus der Patsche zu holen. Im Finale hat er sogar einen genialen Plan – den ihm ausgerechnet Minerva wieder zunichte macht! Wenigstens sind beide mutig genug für fünf, weil sie ihren Daddy wiederhaben wollen.

|Die Story|

Soweit der originelle Teil, der für die Verfilmung (s. o.) den Ausschlag gegeben haben muss. Der Rest, den das gekürzte Hörbuch bietet, kommt dem Kenner doch recht vertraut vor: Alles nur geklaut. Da ist das Objekt der Macht, das der Oberböse haben will. Hier heißt er nicht Sauron, sondern Zarmaglorg und stammt aus der Dämonenwelt. Dieser trifft à la Darth Vader auf den besten Kämpfer der Guten, nämlich eben jenen Ururgroßvater Maximilius, der auf so mysteriöse Weise verschwand. Sie fechten mit Energiestrahlen gegeneinander, gegen die Laserschwerter ein Mumpitz sind.

Dass Max und Minnie, die Nachwuchs-Monsterjäger, erst einmal lernen müssen, versteht sich von selbst. Wer jetzt an „Harry Schotter“ denkt, liegt genau richtig. Allerdings läuft der Unterricht sehr irregulär ab, und Lehrer gibt es auch keine. Deren Stelle nimmt die liebenswürdige Miss Monstroklopädia ein, ein romantisches Frauenzimmer mit einer Reptilienhaut, welches nur zu gern eine Menschin wäre, um Maximilius, der sie einst vor Zarmaglorg rettete, ihre Liebe beweisen zu können.

Dass es diverse überraschende Wendungen in diesem Plot gibt, ist zu erwarten, doch davon soll kein Sterbenswörtchen erwähnt werden. Auch nicht, was aus dem gefressenen Mr. Devilstone wird, dessen Name eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Diamanten Enotslived aufweist … ja, und ob sie ihren Vater retten können, hängt ganz vom Gelingen von Maxwells Plan ab. Wer hätte das von diesem übereifrigen Möchtegern-Piraten erwartet? Minerva jedenfalls als Allerletzte.

_Der Sprecher_

Sylvie Nogler ist eine ausgebildete und vielfach erprobte Schauspielerin, die sich nicht scheut, die ulkigsten Stimmen nachzumachen. Sie weiß, dass man in eine Rolle entweder ganz oder gar nicht schlüpfen muss. Deswegen legt sie sich auch energisch ins zeug, um den grässlichen Monstren ebenso wie den liebevollen Monsterjägern und ihren Verbündeten charakteristische Stimmen und Ausdrucksweisen zu verleihen.

Der Urks beispielsweise spricht, aufgrund seiner mega-elefantösen Größe, sehr tief, was die Sprecherin doch einigermaßen hinbekommt. Denn auch das andere Extrem muss sie überzeugend beherrschen: Miss Monstroklopädias Stimme ist so mädchenhaft kieksig, dass es schon fast wehtut. Und Minervas Stimme ist nur eine halbe Haaresbreite tiefer.

Irgendwo in der Mitte sind die menschlichen Figuren und die zwielichtigen Monster angesiedelt. Vater Manfred McFearless soll zwar autoritär tief klingen, doch er erscheint nur sehr angestrengt, ohne die natürliche Autorität einer sonoren Stimme. Auch einen Schnurgelschnöselsaurus hätte ich mir etwas eindrucksvoller vorgestellt; stattdessen versucht Nogler das Wesen mit einer kaum verständlichen radebrechenden Sprechweise als völlig unterbelichtet zu kennzeichnen. Die Handicaps Noglers sind vielfältig.

Wenigstens gelingen ihr bei Mr Devilstone, den drei Moderanen und bei Zarmaglorg ausgezeichnete Stimmporträts. Devilstone ist nicht der, als der er sich ausgibt, die moderanischen Undercover-Agenten und was können wir von einem „König des Bösen“ schon Gutes erwarten? Nur Scheinheiligkeit. Diese macht sich in einer verdächtig sanften Sprechweise gegenüber den Kindern bemerkbar.

|Geräusche und Musik|

Geräusche gibt es keine, aber sie werden so zahlreich beschrieben, dass man sie sich leicht hinzu vorstellen kann. Ein gutes Beispiel dafür ist die Offscreen-Szene des Kampfes im Laboratorium, als Daddy Manfred vergeblich gegen die vier Monster streitet – und schließlich unterliegt.

An Musik gibt es zwei Stücke von Ulrich Maske, die als Intro und Outro fungieren. Die etwas angejazzte Instrumentierung intoniert Melodien und Kadenzen, die sowohl leicht bedrohlich à la Monster, aber auch recht schräg à la Komödie klingen sollen. Das Outro ist ein viereinhalb Minuten langer Rausschmeißer, der der turbulenten Geschichte noch die entsprechende Abrundung verleiht.

_Unterm Strich_

|Faktoren|

Ob einem die Geschichte gefällt, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Ein Rezensent fand beispielsweise die zahlreichen ekligen Ausdrücke wie „Rotz“ und „Kotze“ höchst unappetitlich. Naja, Erwachsene! Was kann man da schon erwarten? Dabei sind es genau diese ekligen Sachen, die dem jungen Antihelden die Geschichte so versüßen. So etwa die Sache mit den Pythonlederstiefeln: Nur wenn sie so richtig nach Stinkefuß stinken, wirken sie gegen eine ganz bestimmte Monsterart. Mindestens 300 Tage lang und im Umkreis eines Vorortblocks. Sagt jedenfalls die Monstroklopädia.

Neben diesem hohen Ekelfaktor sind es die Lexikonartikel der Monstroklopädia, die einem gefallen müssen. (Deren Aufbau habe ich oben beschrieben.) Sie unterbrechen den Verlauf der Geschichte doch nicht unerheblich. Obwohl sie diesen Verlauf bremsen und so die Spannung darauf erhöhen, wie es weitergeht, können sie bei geballtem Auftreten, etwa auf CD 4, die Geschichte so stark unterbrechen, dass man kaum wieder hineinfindet. Das ist etwas kontraproduktiv.

|Antipoden|

Immerhin dürften die beiden kindlichen Hauptfiguren jedem Leser / Hörer unter zehn Jahren recht vertraut vorkommen. (Mein eigenes Paar aus Neffe & Nichte ist ein Paradebeispiel dafür.) Die beiden sind so unterschiedlich, dass sie sich ohne zu wissen wie prächtig ergänzen, wenn es um die Monsterbekämpfung geht. Schließlich lassen sie sich sogar dazu hinreißen, einander ob ihres Erfolges zu loben.

|Schwächen|

Aber die Geschichte hat auch ein paar Löcher, die es zu stopfen gilt. So ist die Abwesenheit der Mutter doch recht auffällig. Nie ist die Rede davon, wie sie zu Tode kam und wie man sie vielleicht retten könnte – außer ganz am Schluss, als Ururgroßvater Maximilius den Vorschlag macht, sie zu retten. Das verblüfft einerseits, andererseits macht es gespannt auf die Fortsetzung.

Das zweite Loch ist die Vorgeschichte eben dieses Maximilius: Sie muss in einem langen Monolog nachgeliefert werden, den er den Kindern in Zarmaglorgs Höhle vorträgt. Nicht sonderlich elegant. Und von Randolph, dem Kindermädchen, ist nach einer flüchtigen Erwähnung am Anfang eh nie mehr die Rede. Was mag nur aus ihm geworden sein?

|Das Hörbuch|

Die Sprecherin bemüht sich mit allen verfügbaren Kräften, die Monster zum Leben zu erwecken, doch das gelingt ihr nur bedingt. Immerhin legt sie sich so ins Zeug, dass die Szenen mit den Figuren wirklich zum Leben erweckt werden, und mehr kann man kaum verlangen, wenn es weder Hintergrundmusik noch Geräusche gibt. Für junge Hörer bis max. zehn Jahre ist das völlig ausreichend, denke ich. Alle, die älter sind, finden den Ekelaspekt wahrscheinlich doch viel zu eklig, um sich daran freuen zu können.

Das Booklet liefert nicht nur viele Informationen über die Sprecherin, den Autor (Frank Zappas drittes Kind) und die Enzyklopädieeinträge über Monster, sondern enthält auch viel Illustrationen. Sie zeigen den Urks, den Moderan, den fiesen Suzzler und den Schnurgelschnöselsaurus, der so genauso dämlich aussieht, wie er redet. Der Rest des Booklet besteht aus Werbung für das Jumbo-Medien-Programm.

Für junge Hörer zwischen sechs und zehn Jahren könnte das Hörbuch recht lustig wirken. Alle anderen sollten sich nach etwas mit geringerem Ekelfaktor umsehen. Ich habe jedenfalls stellenweise mehrfach lachen müssen.

|4 Audio-CDs
Spieldauer: 316 Minuten
Originaltitel: The Memoirs of a Mighty McFearless (2006)
Aus dem US-Englischen übersetzt von Vanessa Walder
ISBN-13: 978-3833717994|
[www.jumboverlag.de]http://www.jumboverlag.de

Lindqvist, John Ajvide – Wolfskinder

_Das geschieht:_

Im Wald findet der gescheiterte Musiker Lennart Cedarström einen lebendig begrabenen Säugling. Er rettet das kleine Mädchen, das seine Aufmerksamkeit erregt, weil es nicht schreit, sondern glockenreine Töne ertönen lässt: Das Kind verfügt über die absolute Stimme.

Cedarström sieht seine Chance zur triumphalen Rückkehr in die Musik. Er beschließt, das Mädchen – dem später der Sohn Jerry den Namen „Theres“ geben wird – quasi zu adoptieren, seine Existenz jedoch den Behörden zu verheimlichen, es von der Außenwelt zu isolieren und zu einer perfekten Sängerin zu dressieren.

Wie üblich beugt sich Cedarströms labile Lebensgefährtin Laila ihm, zumal sie Theres allmählich liebgewinnt. Das ist keineswegs einfach, da dieses Kind kaum Emotionen an den Tag legt und stets wörtlich nimmt, was man ihr sagt. Auf diese Weise können ihre ‚Eltern‘ sie zwar kontrollieren, doch sie ziehen ein gefühlskaltes Wesen heran, das eines Tages ihr Verderben wird.

Anderenorts wächst die junge Teresa heran. Sie ist ein einsames, unglückliches Kind, das von ihren Eltern nicht verstanden und von den Klassenkameraden gemobbt wird. In Theres, die inzwischen bei ihrem ‚Bruder‘ Jerry lebt, meint sie eine verwandte Seele zu erkennen. Auf ihre verquere Art will Theres tatsächlich helfen. Gemäß ihrer Philosophie ist des Todes, wer sie bedroht. Diese Lehre gibt sie an Teresa und eine wachsende Schar junger Mädchen weiter, die ebenfalls Außenseiter sind.

Ihr Gesangstalent gibt Theres die Möglichkeit, möglichst viele ‚Feinde‘ an einem Ort zu versammeln. Ein öffentlicher Bühnenauftritt soll ihr und ihrem ‚Rudel‘ die Möglichkeit geben, es der gleichgültigen Gesellschaft heimzuzahlen …

|Unter trügerisch ruhiger Oberfläche|

Seit jeher werden viele Köpfe über der Frage zerbrochen, wann oder gar ob der Mensch ‚zivilisiert‘ geworden ist. Man kann es angesichts spektakulärer technischer oder wissenschaftlicher Leistungen glauben, und auch das Element der Nächstenhilfe wird erkennbar, wenn sich mit Milchpulver und Aspirin beladene Flugzeuge und Lastwagen dorthin auf den Weg machen, wo sich wieder einmal ein Erdbeben oder eine Flut ausgetobt haben.

Doch die Antwort auf genannte Frage sowie die Definition von Zivilisation gestaltet sich schwieriger, wenn man nicht die Ausnahme, sondern den gesellschaftlichen Normalzustand als Maßstab nimmt. Hier hat der Barbar im Menschen auch im 21. Jahrhundert offensichtlich mehr als eine Nische gefunden. Sein Wirken wird verwaltet, gemaßregelt und verschwiegen, er ist aber präsent und springt hervor, wenn allzu großer Druck die Grenzen seines Territoriums sprengt.

John Ajvide Lindqvist schrieb und veröffentlichte „Wolfskinder“ 2010 und damit ein Jahr vor dem Amoklauf des Anders Behring Breivik, der in Oslo und auf der norwegischen Ferieninsel Utøya 77 Menschen umbrachte. Zwischen Buch und Amoklauf gibt es somit keine direkte Verbindung, und man sollte mögliche Parallelen weder überbewerten noch nachträglich auf das Romangeschehen projizieren. In einem Punkt gibt es allerdings eine echte Überschneidung. Zwar sind seine „Wolfskinder“ nicht politisch motiviert und verblendet, doch sie geraten in einen Teufelskreis, die sie in ihrer eigenen, verzerrten Welt isoliert, wo sie die Signale der Realität zunehmend falsch interpretieren, ihren Zorn und ihrer Frustration aufstauen und schließlich in mörderischer Gewalt explodieren.

|Die Fremden unter uns|

Das Verdrängen und Unterpflügen nicht gesellschaftskonformer Individuen ist ein düsteres Erbe aus uralter Zeit: Wer nicht mit der Meute heulen kann oder will, wird von ihr verschlungen. Die Mehrheit geht schweigend unter. Manchmal lassen die Umstände eine Theres oder eine Teresa (oder einen Breivik) entstehen. Diesem Mechanismus, dem „Drehen der Schraube“, wie Henry James es bereits 1898 bildhaft in Worte fasste, geht Lindqvist auf den Grund. Das Ergebnis ist ein Horror-Roman, gegen dessen realistische Schrecken kein Zombie und kein Vampir ankommen.

Ignoranz, Missbrauch, Mobbing, Eifersucht, Gier, Bosheit, Eigennutz: Grundsätzlich sind es die klassischen sieben Todsünden, die Lindqvist mit deprimierendem Einfallsreichtum modernisiert und abwandelt. Eltern, Lehrer, Polizisten, Politiker, Priester: Sie alle werden in einem Alltag, der wie ein Mahlwerk wirkt, so zerrieben und ausgelaugt, dass sie nicht merken, welches Unheil in ihrer Mitte entsteht, und unterschätzen, welches Unheil sie quasi selbst heranzüchten.

Das klassische Wolfskind wurde angeblich im Säuglingsalter ausgesetzt oder ist auf andere Weise in die Wildnis geraten. Dort wird es von wilden Tieren – im europäischen Kulturkreis meist Wölfen – aufgezogen und nimmt deren Verhalten an. Später wird das Findelkind entdeckt und muss mühsam zum Menschsein erzogen werden, was niemals vollständig gelingt. Wissenschaftlich belegbare Fälle sind rar; sie regen die Fantasie des Menschen an, die ideenreich für ‚Fakten‘ sorgt; Romulus und Remus, die mythischen Gründer Roms, sollen von einer Wölfin aufgezogen worden sein, in der modernen Literatur taucht das „wilde Kind“ als Mowgli oder Tarzan auf.

|Auf beiden Seiten des Spiegels|

Lindqvist konfrontiert uns mit modernen Wolfskindern. Sie wachsen unter Menschen auf und sind doch einsam. Die Gefahr entsteht aus der Negierung durch eine Gesellschaft, die sie ignoriert und ausschließt. Theres, Teresa und ihre Gefährtinnen finden daraufhin zu einer Parallel-Gesellschaft mit eigenen Regeln zusammen. Sie bilden ein „Rudel“ und identifizieren sich dabei in fehlgeleiteter Faszination mit DEM Symbol der wilden, ungebändigten Kreatur: dem Wolf, der gleichzeitig bedingungslose Solidarität zu den Angehörigen seines Rudels beweist.

Teresa steht für die ‚menschliche‘ Seite dieser ‚Auswilderung‘. Lindqvist gelingt die bemerkenswert dichte Darstellung einer alltäglichen Hölle, die von außen als normales Schuldasein durchgeht. Tatsächlich wird Teresa auf erfinderisch boshafte und bösartige Weisen gepeinigt, gemobbt und schließlich in den Wahnsinn getrieben.

Theres repräsentiert das übernatürliche Element dieser Geschichte. Lindqvist thematisiert ihre mysteriöse Herkunft nicht, aber Theres erinnert an die Hauptfigur der Erzählung „Grenze“ (2006 erschienen in der Story-Sammlung „Im Verborgenen“), die erkennt, dass sie kein Mensch ist, sondern zu den höchstens menschenähnlichen „Anderen“ gehört, die in einer Art Parallelwelt existieren.

Lindqvist postuliert zufällige Schnittpunkte zwischen der hiesigen und der anderen Welt. Schon in „So finster die Nacht“ (2004) hatte er sie miteinander konfrontiert und dabei eine generelle Unverträglichkeit mit meist üblen Folgen festgestellt. In „Menschenhafen“ (2008) hatte er das Konzept verfeinert, beschränkte sich aber weiterhin klug auf Andeutungen. Auch „Wolfskinder“ bringt beileibe kein Licht in dieses Rätsel.

|Das Zeigen der Instrumente|

Eine besondere Ironie liegt in der Tatsache, dass die Unmenschlichkeit von Theres zu einem Gutteil andressiert ist: Womöglich wäre selbst aus dem ‚anderen‘ Wechselbalg ein halbwegs angepasstes Menschenkind geworden, hätten seine selbsternannten Eltern es nicht systematisch von der Gesellschaft ferngehalten und in dem Glauben erzogen, alle anderen Menschen trachteten ihm nach dem Leben. Nicht Theres‘ Gefühlskälte aber ihre mangelhafte Anpassungsfähigkeit ist hausgemacht, was ihrem Verhalten eine verhängnisvolle Konsequenz verleiht.

Die Gefahr liegt im Grunde ’nur‘ in einem Hirn, das nach dem Prinzip der Wortwörtlichkeit arbeitet. In der modernen Gesellschaft, die zu einem guten (bzw. schlechten) Teil auf Übertreibung und Lüge aufbaut, muss dies Folgen haben. Der mit allen Wassern gewaschene Musikproduzent Max Hansen nimmt vor allem deshalb ein böses Ende, weil er sich außerstande ist zu begreifen, dass es Menschen wie Theres gibt, die sich durch Schmeicheleien, Unwahrheiten oder Drohungen nicht beeinflussen lassen, sondern entsprechende Versuche geradezu alttestamentarisch, d. h. direkt und blutig ahnden.

|Wasser und Säure|

Womöglich hätten Theres und Teresa einsame, unglückliche Leben geführt, wären sie nicht zusammengekommen. Damit kam zueinander, was keinesfalls zueinander hätte finden dürfen, weil es im Negativsinn zu perfekt passt: Durch Teresa findet Theres aus ihrer Isolation in die Welt hinaus, wo sie weitere ‚Jüngerinnen‘ finden und ‚befreien‘ kann. Durch Theres findet Teresa die Kraft, sie zu unterstützen und dabei eigene Fesseln abzuwerfen.

Dabei liegen sie nie wirklich auf einer Wellenlänge. Theres ist nicht ‚böse‘. Als sie ihr ‚Rudel‘ schult, will sie wirklich helfen. Allerdings hilft sie auf ihre Weise, was zur finalen Katastrophe führt. Teresa ist menschlich und deshalb bewusst böse. Ihre Frustration im realen Leben reagiert sie an noch Schwächeren u. a. als „Troll“ in Internet-Foren ab und ist geht dabei ähnlich planvoll und tückisch vor wie ihre Schulfeindinnen. Das Böse – so Lindqvists Fazit – benötigt keine Unterstützung aus dem Jenseits. Der Mensch erschafft, nährt und verbreitet es selbst perfekt.

Ihre Sogwirkung erhält diese Geschichte daher nicht durch das Wüten übernatürlicher Kreaturen. Nicht einmal die zahlreichen Bluttaten sind wirklich wichtig. „Wolfskinder“ fesselt – und deprimiert – als spannender Trip durch eine reale Hölle. Es gibt keine Rettung, nicht einmal Erlösung, es endet in sinnlosem Elend. Nicht einmal das von den amoklaufenden Mädchen befreite Zoo-Wolfsrudel mag sich ihnen anschließen. Die Freiheit, die Theres meint, funktioniert in der Menschenwelt nicht.

_Autor_

John Ajvide Lindqvist wurde 1968 in Blackeberg, einem Vorort der schwedischen Hauptstadt Stockholm, geboren. Nachdem er schon in jungen Jahren als Straßenmagier für Touristen auftrat, arbeitete er zwölf Jahre als professioneller Zauberer und Comedian.

Sein Debütroman „Låt den rätte komma” (dt. „So finster die Nacht“), eine moderne Vampirgeschichte, erschien 2004. Bereits 2005 folgte „Hanteringen av odöda“ (dt. „So ruhet in Frieden“), ein Roman um Zombies, die in Stockholm für Schrecken sorgen. „Pappersväggar” (2006; dt. „Im Verborgenen“) ist eine Sammlung einschlägiger Gruselgeschichten. Lindqvist schreibt auch Drehbücher für das schwedische Fernsehen. Das prädestinierte ihn dafür, das Script für die erfolgreiche Verfilmung seines Romanerstlings zu verfassen, die 2008 unter der Regie von Tomas Alfredson entstand. Schon 2010 drehte Matt Reeves ein ebenfalls gelungenes US-Remake unter dem Titel „Let Me in“.

Als Buchautor ist Lindqvist in kurzer Zeit über die Grenzen Schwedens hinaus bekannt geworden. Übersetzungen seiner Werke erscheinen in England, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Polen und Russland.

|Paperback: 557 Seiten
Originaltitel: Lilla stjärna (Stockholm : Ordfront Förlag 2010)
Übersetzung: Thorsten Alms
ISBN-13: 978-3-7857-6056-7
eBook-Download: Oktober 2011 (Lübbe Verlag)
ISBN-13: 978-3-8387-1036-5|
[johnajvide.com]http://johnajvide.com
[www.luebbe.de]http://www.luebbe.de

_John Ajvide Lindqvist bei |Buchwurm.info|:_
[„So finster die Nacht“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5218
[„So ruhet in Frieden“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5364
[„Menschenhafen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5938
[„Im Verborgenen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6512

Franziscowsky, Hans Gerhard (als H.G. Francis) – Sternentor: Planet der Seelenlosen (Folge 2) (Hörspiel)

_|Das Sternentor:|_

01 [„Der rote Nebel“ (2002)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7705
_02 „Planet der Seelenlosen“ (2003)_
03 [„Der verbotene Stern“ (2003)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8255
04 „Im Land der grünen Sonne“ (2004)
05 „Verloren in der Unendlichkeit“ (2006)
06 „Im Bann der glühenden Augen“ (2006)
07 „Der dritte Mond“ (2008)
08 „Das Rätsel der sieben Säulen“ (2008)
09 „Die Zeitfalle“ (2009)

Hans Gerhard Franciskowsky (1936 – 2011) hatte stets ein breites Tätigkeitsfeld, so war er als langjähriger „Perry Rhodan“-Autor ebenso erfolgreich wie als Verfasser diverser Hörspieladaptionen, die unter seinem Pseudonym H. G. Francis erschienen. Die Namens- und Vertonungsrechte seiner (Jugend-)Sci-Fi-Reihe „Commander Perkins“, welche seinerzeit im |Franz Schneider Verlag| unter dem Alias „H. G. Francisco“ in Buchform veröffentlicht wurde, liegen immer noch bei den EUROPA-Studios, welche den Commander in den Siebzigern bereits erfolgreich auf die Hörerschaft losließen. Die neuere, nun stark an die späteren Romane angelehnte Hörspielserie durfte daher bei ihrer Vertonung durch MARITIM den Namen nicht tragen. Unter dem Label „Das Sternentor“ können Randy Perkins, Peter Hoffmann und Ralph Common seit 2002 aber dennoch werkgetreuer denn je akustisch durch die Dimensionen jetten.

_Zur Story_

Eine fremde Macht hat offenbar die Möglichkeit gefunden, den von Professsor Common gebauten Dimensionsbrecher auf der Mondbasis Delta 4 zu manipulieren. Nach Erkundung des auf den Namen „Psion“ getauften, 120 Lichtjahre entfernten, Planeten macht sich das Gerät plötzlich selbstständig und spuckt einen Haufen Metallteile aus, die ursprünglich offenbar zu einem Roboter gehörten. Kurz darauf bricht Commons telepathisch begabter Sohn Ralph plötzlich zusammen. Der Vierzehnjährige ist dem Tode nah, bis es kurz vor knapp gelingt, ihn gegen den psionischen Angriff abzuschirmen. Commander Perkins und Major Peter Hoffmann sollen auf den Planeten reisen, um die Quelle des Übels auszumachen – und natürlich neutralisieren. Ralph will und soll sie dabei begleiten, denn seine parapsychischen Fähigkeiten dürften sich bei der Suche wieder einmal als nützlich erweisen. Dort angelangt erwartet das Expeditionsteam eine Zivilisation, die nur aus abgestumpften und teilnahmslosen Bewohnern zu bestehen scheint. Doch es gibt noch andere Gruppierungen auf Psion. Und die sind den Terranern nicht unbedingt freundlich gesonnen.

_Eindrücke_

„Planet der Seelenlosen“ ist der zweite Roman der insgesamt 9 Bände umfassenden Reihe, den MARITIM vertonte und nimmt wie schon sein Vorgänger einen kleinen Sonderstatus ein. Beide haben nämlich gemein, dass sie in sich abgeschlossenen Storys präsentieren, während die nachfolgenden Geschichten stärker aufeinander aufbauen, sodass man dort von Zyklen sprechen kann. Zudem betritt in Folge 2 ein weiterer Hauptcharakter die Bühne: „Camiel“. Der Roboter wird das Team ab sofort bei jedem Abenteuer verstärken und zumeist als cooler Counterpart zum flapsigen Major Hoffmann fungieren. Camiel wird von Michael Pan gesprochen, dessen Stimme kennen vor allem Trekkies als die von Lt. Com. Data aus der „Next Generation“-Crew des Raumschiffs Enterprise. Damit befindet er sich in guter Gesellschaft, denn Ernst Meincke (Commander Perkins) ist die spätere Synchronstimme seines dortigen Captains: Jean-Luc Picard.

Das Zusammenspiel der Figuren funktioniert leider nicht so gut wie im Buch, obwohl zumeist routinierte Synchronsprecher-Profis am Werk sind. Gerade die Kabbeleien zwischen Camiel und Major Hoffmann zünden nicht so recht. Zum einen mags daran liegen, dass einige der besten humorigen Szenen der beiden gestrichen wurden, zum anderen daran, dass Camiels Stimme nicht nach Roboter klingt bzw. seine Kommentare nicht so süffisant-trocken ausfallen, wie es der Roman vorgibt. Seine Betonung ist auch etwas gewöhnungsbedürftig. In puncto „seltsame Sprechweise“ fällt aber doch eher Michael Harck (Talvoran) ins Ohr. Bei ihm entsteht zuweilen der Eindruck, als würden auf Psion stark sedierende Drogen angebaut – und auch reichlich konsumiert. Gut hingegen, dass Urgestein Peer Augustinski in der Gastrolle des Psion-Wissenschaftlers Arkary mitmischt, das hebt den Performance-Durchschnitt dann wieder.

Bei einer Laufzeit von knapp einer Stunde, dürfte klar sein, dass auch dieses Hörspiel nicht ohne Kürzungen gegenüber der Vorlage auskommt – wiewohl die zugrundeliegenden Schneider-Bücher auch nicht grade mit vielen Seiten protzen. Es fehlen dennoch eine ganze Reihe – mehr oder weniger kleiner – Passagen, die allerdings für das Verständnis der Geschichte an sich nicht ganz so von Belang sind. Man kann dem Plot trotzdem problemlos folgen und er geht dabei sogar, ohne in Konflikte mit der Logik zu geraten, schlüssig auf. Wie schon beim Vorgänger „Der rote Nebel“ zu bemerken, wurden die Hörspieladaptionen ohnehin grundsätzlich etwas mehr auf Action gebürstet.

_Sprecher und Figuren_

Jürgen Neumann (Erzähler), Ernst Meincke (Commander Randy Perkins), Nicolas Böll (Major Peter Hoffmann), Wolfgang Bahro (Ralph Common), Thomas Kästner (Oberst G. Camiel Jason), Karin Eckholt (Cindy Common), Rolf Jülich (Professor Arthur Common), Sascha Draeger (George Croden), Michael Pan (Camiel der Roboter), Michael Harck (Talvoran), Peer Augustinski (Arkary), Sabine Hahn (Wahrsagerin/Talvorans Mutter – uncredited)

_Fazit_

Eine gut durchdachte wie spannende Story. Das Buch hat gegenüber dem Hörspiel jedoch mehr Feinheiten zu bieten und geht dementsprechend in vielerlei Hinsicht etwas smoother über die Bühne. Und was die herzerfrischenden Zankereien zwischen Hoffmann und Camiel angeht, auch um einiges witziger. Dafür kann das Hörspiel mit einer straffen, aufs Wesentliche beschränkten, Gangart punkten und natürlich mit Stimmen und Geräuschen. Ob Micheal Pan für den vorlauten Roboter ohne unterstützendes Soundengineering die richtige Wahl war, obliegt sicherlich dem persönlichen Geschmack. Altgediente „Perkins“-Fans hätten sicherlich eine dunklere und gelassenere Stimme erwartet. Summa summarum gibt es aber sonst eigentlich nichts wirklich Gravierendes zu bemängeln. Schön, dass sich MARITIM der Vertonung der kultigen Romane annahm.

|Hörspiel mit einer Laufzeit von ca. 60 Minuten
Nach der „Commander Perkins“-Reihe von H. G. Francis
Maritim, April 2003
Erstveröffentlichung: Franz Schneider Verlag, 1979|

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Brian W. Aldiss – Tod im Staub

Ein Hauch von Graham Greene: die Endlösung der Bevölkerungsfrage

Als Kapitän Nolan mit seinem Frachter im 22. Jahrhundert über den Atlantik schippert, fischt sein Maat einen Toten auf, der über die Wellen geht. Damit handelt sich die Besatzung eine Menge Ärger ein. Denn die mit 20 Milliarden Menschen überbevölkerte Welt ist voller Gifte, und die alten Supermächte sind längst auf den Stand von Entwicklungsländer herabgesunken. Währenddessen haben sich die afrikanischen Nationen zu Großmächten aufgeschwungen, die eifersüchtig über ihre Besitzstände wachen. Durch den Toten wird Nolan mitten in diesen Konflikt hineingezogen …

_Der Autor_

Brian W. Aldiss (* 1925) ist nach James Graham Ballard und vor Michael Moorcock der wichtigste und experimentierfreudigste britische SF-Schriftsteller. Während Ballard nicht so thematisch und stilistisch vielseitig ist, hat er auch nicht Aldiss‘ ironischen Humor.

Aldiss wurde bei uns am bekanntesten mit seiner „Helliconia“-Trilogie, die einen Standard in Sachen Weltenbau in der modernen SF setzte. Das elegische Standardthema von Aldiss ist die Fruchtbarkeit des Lebens und die Sterilität des Todes. Für „Hothouse“ („Am Vorabend der Ewigkeit“) bekam Aldiss den HUGO Award. Er hat auch Theaterstücke, Erotik, Lyrik und vieles mehr geschrieben.

_Handlung_

Im 22. Jahrhundert schippert Kapitän Knowle Noland mit seinem vollautomatisierten Frachter „Trieste Star“ gerade auf die südwestafrikanische Skelettküste zu, um dort Sand zu laden, als der Tote auftaucht. Dieser Tote hält sich nicht an die Regeln: Er liegt nicht brav in einem stillen Grab, sondern schwebt über die Wellen des Atlantiks.

Als Nolans erster Maat den Toten an Bord holt, zeigt sich, dass dieser einen Antigrav-Anzug umgeschnallt trägt, die sein Gewicht auf etwa zehn Kilo reduzierte. Dr. Thunderpeck weiß Bescheid: So etwas können sich nur sehr reiche und herzkranke Leute leisten, und der feine Anzug des Toten spricht dafür. Wahrscheinlich machte er eine Erholungskur an der Küste, in einer Luxusferienanlage. Von dort wehte ihn vielleicht der Wind aufs Meer hinaus, wo er verhungerte. Und jetzt haben sie den Salat, denkt Noland.

Genau. Als sei der Tote ein Geist seiner schuldbeladenen Vergangenheit, balgt sich Noland mit ihm – und entdeckt die Briefe. Es sind Liebesbriefe von einer gewissen Justine an einen gewissen „Peter“. Sie muss einen Geheimauftrag im Umkreis des afrikanischen Präsidenten El Mahasset haben und der Adressat, den sie „Peter“ nennt, ein hohes Tier aus Großbritannien sein. Der letzte Brief datiert erst zwei Tage zuvor. Justines Worte verzaubern den seit 19 Monaten pausenlos auf See schippernden Kapitän. So entgeht ihm eine verhängnisvolle Entwicklung an Bord.

Der Autopilot ist ausgefallen. Noch während er mit dem Maat die unheilbringende Leiche – der Maat hat bereits rote Flecken im Gesicht – über Bord wirft, erkennt der Kapitän, dass das Land der klippenstarrenden Küste bereits in unmittelbarer Nähe ist. Jede Kursänderung kommt zu spät, wird ihm klar. Vollgas gebend lacht Noland auf: „Jetzt erst recht, Justine!“ Und rammt seinen 80.000-Tonnen-Kahn mit Karacho in die Felsen der Skelettküste, die ihren Namen vollauf verdient. Unzählige Wracks liegen hier. Und schon ist die „Trieste Star“ eines von ihnen.

|Rückblende|

In seinem Bericht blickt Noland zurück auf die Ereignisse, die ihn hierhergebracht haben. Wegen seines speziellen geistigen Zustands, der ihn unter Stress in Halluzinationen mit Schreikrämpfen verfallen lässt, war er vor zwölf Jahren aufs Land verschickt worden. Dort befinden sich nur scharf bewachte Strafkolonien in der mechanisierten Landwirtschaft. Als er per Zufall auf die vogelfreien „Wanderer“ stieß, verriet er deren Anführer und wurde von seinem Boss, dem Farmer, dafür mit dem Posten auf der „Trieste Star“ belohnt. Seit jenem Tag vor zwölf Jahren fühlt sich Noland an der Ermordung der „Wanderer“ schuldig.

|Odyssee|

Der Atomreaktor der „Trieste Star“ gerät just in dem Moment außer Kontrolle, als eine Militärpatrouille von Neu-Angola an Bord gehen will, um die leckere Prise in Besitz zu nehmen. Die Atomexplosion verschont lediglich das Leben von Noland, doch keinen sonst (ein Irrtum, wie sich herausstellt). Auf der Suche nach Nahrung wendet sich der Schiffbrüchige nach Süden und wird von einer anderen Patrouille gefangen genommen.

In dem Freistaat Walvis Bay geht etwas vor sich: Überall wird gebaut und dekoriert. Hier lernt Noland endlich seine Traumfrau kennen, die Justine aus den Briefen. Er kann nicht anders, als ihr seine Liebe anzubieten. Voll Verachtung schiebt sie diesen ahnungslosen „Plebejer“ beiseite. Aufgrund der Briefe, die man ihm abnimmt, verdächtigt sie Noland natürlich, etwas mit dem Tod jenes Mannes zu tun haben, der mit seinem Antigravgerät auf das Meer hinausgetrieben worden – er war ein Spion. Ergo muss auch Noland ein Spion sein, oder? Vergeblich beteuert er seine Unschuld, was ihn nur umso erbärmlicher wirken lässt.

Seine Häscher wollen ihn zu Justines Verbündetem bringen, der natürlich ebenfalls in den unheilvollen Briefen erwähnt wird: Es ist der Adressat Peter Mercator. Zu seinem Entsetzen stellt sich Mercator als sein früherer Boss heraus. Welche Rolle Justine und Peter an diesem schicksalhaften Vorabend spielen wollen, soll Nolan nur zu bald herausfinden. Denn sie haben ihm eine zentrale Rolle dabei zugedacht …

_Mein Eindruck_

Dieser SF-Klassiker war einer der Ersten, der sich ernsthaft und konsequent mit dem schon Anfang der sechziger Jahre absehbaren Problem der Überbevölkerung auseinandersetzte. Ein halbes Jahrzehnt später beschäftigte sich John Brunner in „Schafe blicken auf“ mit den daraus entstehenden Schwierigkeiten, die die Menschheit zu bewältigen hat. In dieser Thematik sind die britischen Autoren, zu denen auch J. G. Ballard zu zählen ist, den meisten ihrer amerikanischen Kollegen um Jahre voraus.

Aldiss schildert ein 22. Jahrhundert, in dem sich nicht weniger als 24 Milliarden menschliche Wesen in Städten drängen, die inzwischen auf Plattformen über der völlig ausgebeuteten und automatisierten Landwirtschaft gebaut werden. Die Macht der Nationen hat sich inzwischen umgekehrt: Der Westen und Asien schauen neidisch auf die vergleichsweise noch fruchtbaren Ebenen Afrikas. Deshalb spielt jenes Afrika, in dem Noland strandet, eine so entscheidende Rolle.

Und er landet hier am Vorabend eines Tages, der über die Zukunft Afrikas und somit der Erde entscheidet: Der afrikanische Präsident El Mahasset soll in Walvis Bay, einer winzigen Exklave, praktisch einen neuen Staat gründen. Gelingt ihm dies, so wäre dies eine Demonstration für den Frieden in Afrika. Scheitert er, so wird er Krieg mit Algerien und Neu-Angola führen, die nur darauf warten, ihn zu ersetzen.

Fatalerweise steht mit dieser Entscheidung auch das Problem der Überbevölkerung auf der Kippe: Die Maßnahme der Enthaltsamkeit, der sich die Abstinezler-Sekte hingibt, fruchtet nichts. Nun sinnt die Sekte auf eine weitaus radikalere Maßnahme, um die zunehmende Überbevölkerung nicht nur zu stoppen, sondern sogar zu verringern: Krieg ist das patentierte und erprobte Mittel zur Dezimierung von Menschenmassen. Und Krieg wird es geben, sobald El Mahasset in aller Öffentlichkeit ermordet wird.

Dies haben Justine und Peter Mercator im Sinn, als Noland auftaucht. Da Mercator todkrank ist, soll Noland für ihn einspringen. Und was soll er bitteschön davon haben, fragt er hartnäckig. Das ist eben die knifflige Frage, die er in intensiven Dialogen mit Mercator und Justine erörtert. Was gewinnt er, was gewinnt die Welt, wenn er El Mahasset tötet? Die Frage sei doch vielmehr, ob es mindestens einen Gewinner geben wird, erwidert Justine: die Wanderer, die Noland selbst so schnöde verraten hat. Und mit ihnen hätte die Erde eine Überlebenschance. Wird Noland schießen?

_Die Übersetzung_

Die Übersetzung, die der Lichtenberg-Verlag 1970 unter der Leitung von Günther Schelwokat anfertigen ließ, zeichnet sich durch hohes sprachliches Niveau und das Fehlen jeglicher Druckfehler aus. Das erlaubt ein höchst erfreuliches Leseerlebnis. Erst 1973 und erneut 1983 veröffentlichte Heyne diese Übersetzungsfassung.

Lediglich zwei Wörter fielen mir auf. Auf S. 37 ist von einer „Sprue“-Krankheit die Rede. Der Ausdruck war mir nicht geläufig. Das englische Wort bezeichnet eine fiebrige Erkrankung. Auf Seite 53 wird das Wort „Garage“ wieder mal im alten Sinn „Autowerkstatt“ verwendet.

_Unterm Strich_

Die Imitation des offensichtlichen Vorbilds Graham Greene, bekannt für Romane wie „Der stille Amerikaner“ und „Der Honorarkonsul“, rechtfertigt noch nicht, dass dieser Roman einen Status als Klassiker erreicht hat. Nein, es reicht nicht, einen Engländer in eine Agentensituation à la James Bond zu schicken, auch wenn die Action noch so packend ist. Es ist daher die zweite Komponente, die den Ausschlag gibt: die Figur des Knowle Noland selbst.

Er ist nicht nur das hilflose Produkt der Zustände auf einer übervölkerten, ausgepowerten Erde. Vielmehr ist er obendrein ein höchst unzuverlässiger Chronist. Er leidet an einer seltenen Geisteskrankheit, die ihm Visionen und Halluzinationen vorgaukelt, die mal poetisch, mal horrormäßig anmuten. Und einer dieser Trancezustände verzerrt seinen Geisteszustand derart, dass er eine lange „Fugue“ von Visionen erlebt. Wir können zwar annehmen, er sei zu Tode gestürzt, und er selbst nimmt das ebenfalls an, doch ist das objektiv nicht der Fall – der Leser wird genarrt.

In dieser Fugue findet ein fundamentaler Wandel in Nolands gequälter Seele statt. Die Begegnung mit dem Tod, mit Toten, mit weisen Männern voll ironischer Sprüche – all dies ermöglicht erst, dass Noland verändert zu Mercator und Justine zurückkehren kann – um mit ihnen zu kollaborieren. So eine seelische Transformation sucht man in konventionellen SF-Abenteuern vergeblich. Dieser Inner Space hebt das Buch, ebenso wie die Problematik, weit über den Durchschnitt hinaus.

Entgegen meiner Erwartung – ich war abgestoßen vom scheußlichen Titelbild – erlebte ich also einen spannenden Roman, der politisch relevant ist, eine kritische Vision der Zukunft aufweist und zudem so gut erzählt ist, dass einem die Figur des Knowle Noland unweigerlich in Erinnerung bleibt. Hinzukommt die hohe Qualität der Übersetzung. Sammler greifen am besten zur weißen Ausgabe aus der Heyne SF Bibliothek, die 1983 erschien.

Taschenbuch: 144 Seiten
Originaltitel: Earthworks (1965)
Aus dem Englischen von Evelyn Linke
ISBN-13: 978-3453309050
www.heyne.de

Franziscowsky, Hans Gerhard (als H.G. Francis) – Sternentor: Der rote Nebel (Folge 1) (Hörspiel)

_|Das Sternentor|:_

01 _“Der rote Nebel“_ (2002)
02 „Planet der Seelenlosen“ (2003)
03 „Der verbotene Stern“ (2003)
04 „Im Land der grünen Sonne“ (2004)
05 „Verloren in der Unendlichkeit“ (2006)
06 „Im Bann der glühenden Augen“ (2006)
07 „Der dritte Mond“ (2008)
08 „Das Rätsel der sieben Säulen“ (2008)
09 „Die Zeitfalle“ (2009)

Hans Gerhard Franciskowsky (1936 – 2011) hatte stets ein breites Tätigkeitsfeld, so war er als langjähriger „Perry Rhodan“-Autor ebenso erfolgreich wie als Verfasser diverser Hörspieladaptionen (u. a. für „Die drei ???“ uvm.), die unter seinem Pseudonym H. G. Francis erschienen – für gewöhnlich bei den EUROPA-Studios. Eben diese haben aber auch die Namens- und Vertonungsrechte an seiner von ihm selbst erdachten (Jugend-)Sci-Fi-Reihe, welche seinerzeit im |Franz Schneider Verlag| (hier übrigens unter dem Alias „H. G. Francisco“) veröffentlicht wurde: „Commander Perkins“. Die stark an die Romane angelehnte Hörspielreihe durfte daher bei ihrer Vertonung durch MARITIM nicht so benannt werden, wie die (inhaltlich eigenständige) EUROPA-Produktion aus den Siebzigern. Unter dem Label „Das Sternentor“ können Randy Perkins, Peter Hoffmann und Ralph Common seit 2002 aber nun werkgetreuer denn je durch die Dimensionen jetten. „Der rote Nebel“ bildet dabei den Auftakt.

_Zur Story_

Professor Arthur Common und seiner Tochter Cindy ist es gelungen, eine revolutionäre Maschine zu konstruieren: den Dimensionsbrecher. Mit diesem ist man in der Lage quasi in Nullzeit an jeden beliebigen Punkt der Galaxis zu gelangen – ganz ohne Raumschiff. Doch dieses Tor zu einer anderen Welt, welches Commander Randy Perkins und sein Freund und Kollege Major Peter Hoffmann zusammen mit Commons telepathisch veranlagten Sohn Ralph, bereits häufiger durchschritten, ist nicht ohne Nebenwirkungen. Und keine Einbahnstraße. Als sich die drei nach ihrem letzten Ausflug auf der Erde einfinden müssen, wo sie auf etwaige Veränderungen in ihren Gehirnen gecheckt werden, manifestiert sich über der nördlichen Hemisphäre ein seltsamer roter Nebel, der alles und jeden zu verschlingen droht, was mit ihm in Kontakt kommt. Ausgespuckt hat dieses Etwas der Dimensionsbrecher auf der Mondbasis „Delta 4“, als man einen neu entdeckten Planeten mittels Robotern auskundschaftete. Man taufte den, von seiner offenbar früher einmal vorhandenen Zivilisation leer gefegten, Planeten scherzhaft „Empty“ und ahnt dabei nicht, dass dieses Attribut ironischerweise auch bald auf die Erde zutreffen könnte.

_Eindrücke_

Der Stoff mag in die Jahre gekommen sein, doch er verfängt noch immer. Dabei ist das Konzept bzw. der Aufbau der Geschichte recht einfach, was auch darin begründet sein mag, dass es sich bei der Vorlage um einen Jugendroman handelt. Noch dazu einen nicht sonderlich umfangreichen dazu – wer die altehrwürdigen „Schneider-Bücher“ noch kennt, weiß, dass die nie besonders dick ausfielen und dementsprechend fix von der damaligen Zielgruppe konsumiert waren, zu welcher sich auch der Rezensent stolz zählen darf. Hinzu kommt, dass die Story recht flott gestrickt ist, langweilig wird es in der knapp einstündigen Laufzeit des Hörspiels also nicht, welches sich übrigens recht nah an der Vorlage bewegt, wobei leider aber so manch wichtiger Handlungsstrang entweder ausgelassen oder umgebogen wurde.

Diese Kürzungen der Adaption strapazieren nicht nur das Verständnis von Nichtkennern der Serie. Die Protagonisten werden zum Beispiel nicht erst groß vorgestellt, es geht direkt in die Vollen. Figuren und die hiesigen Begleitumstände kriegt man sozusagen on-the-fly präsentiert. Das reicht prinzipiell auch vollkommen aus um Perkins, Hoffmann & Co. kennen zu lernen. Vielleicht einen Tick zu stereotyp das Ganze, doch wie gesagt: Es ist ursprünglich ein Kinder-/Jugendbuch gewesen. Schlimmer wirkt jedoch, dass im Finale sehr plötzlich und ohne wirklich logisch nachvollziehbare Begründung Commander Perkins ebenso pathetisch wie ratzfatz Schluss mit dem Nebel macht. Der Roman war diesbezüglich wesentlich runder und bemühte sich um eine plausible Begründung, die dem Hörspiel bedauerlicherweise abgeht.

Technik wird nicht als Mittel zum Zweck missbraucht. Natürlich muss man sich grundsätzlich darauf einlassen, dass es möglich ist, Materie zu desintegrieren und anderenorts wieder materialisieren zu lassen. Das dürfte für das vermutlich Sci-Fi gestählte Klientel sicher kein Problem sein: Transporterstrahl („Star Trek“) respektive Fiktiv-Transmiter („Perry Rhodan“) lassen schön grüßen. Auch „Stargate“ könnte von dieser Idee des interdimensionalen Reisens inspiriert worden sein. Insbesondere zu „Perry Rhodan“ weist die Reihe ohnehin eine gewisse Nähe auf, die sich allein schon dadurch erklären lässt, dass H. G. Francis halt zum dortigen Autorenteam gehörte und sich praktischerweise von PR einige Elemente nutzbar machen konnte.

Allerdings gibt sich das technologische Umfeld aber eher konventionell und nicht ganz so weit hergeholt. Die Reise zum Mond erfolgt per Raumgleiter innerhalb einiger Stunden, Aufzeichnungen finden mittels „Magnetband“ statt (heute sicher schon ein Anachronismus), Faustfeuerwaffen sind bei Expeditionen Usus – die so genannten „MiniRaks“ verschießen, wie der Name bereits richtig vermuten lässt, Sprengprojektile. Gewalt ist übrigens auch ein Thema, richtet sich allerdings seitens der Protagonisten gegen leblose Ziele, wie Gebäudeteile oder Roboter und wird obendrein später als „Fehler“ eingestanden. Wie man aber festhalten muss, gegenüber der Vorlage in einem ziemlich anderen Kontext. Die entsprechende Schlüssel-Passage wurde komplett geändert, was der Geschichte eine andere Färbung verleiht: Mehr Action, weniger Sinn.

_Sprecher und Figuren_

Jürgen Neumann (Erzähler), Ernst Meincke (Commander Randy Perkins), Nicolas Böll (Major Peter Hoffmann), Wolfgang Bahro (Ralph Common), Thomas Kästner (Oberst G. Camiel Jason), Karin Eckholt (Cindy Common), Rolf Jülich (Professor Arthur Common), Sascha Draeger (George Croden), Pia Werfel (Professor Ester Breadshaw), Günter Lüdke (Alter)

_Fazit_

Selbstverständlich lebt ein Hörspiel von der Kulisse, sprich: dem passenden Arrangement von Sprechern, Geräuschen und Musik. MARITIM bewies mit dieser Produktion ein gutes Händchen und zeigt, dass man sich hinter der von EUROPA eigentlich nicht verstecken braucht. Die Atmosphäre ist so dicht, wie es sich für einen todbringenden Nebel geziemt. Die Sprecher-Riege agiert durch die Bank glaubhaft und engagiert. Alles zusammen trägt dazu bei, ein durchweg spannendes Flair zu erzeugen, was dieses Hörspiel zu einem kurzweiligen Vergnügen werden lässt, das bestimmt nicht nur jungen (oder wenigstens jung gebliebenen Sci-Fi-Fans) gut gefällt. Aufgrund der Einschnitte gegenüber der letztendlich deutlich schlüssigeren und runderen Romanvorlage gibt es allerdings Punktabzug.

|Hörspiel mit einer Laufzeit von ca. 53 Minuten
Nach der „Commander Perkins“-Reihe von H. G. Francis
Erstveröffentlichung: Franz Schneider Verlag, 1979|

[Audible]http://www.audible.de

[Maritim Hörspiele]http://www.maritim-produktionen.de

Jussi Adler-Olsen – Das Alphabethaus

Die Handlung:

Deutschland zur Zeit des Zweiten Weltkriegs: Nach einem Flugzeugabsturz über feindlichem Territorium retten sich die britischen Fliegerpiloten Bryan und James in einen Krankentransport. Um nicht entdeckt zu werden, nehmen sie die Identität von zwei deutschen Soldaten an und gelangen so in ein Lazarett für Geisteskranke. Hier müssen sie ihre Rolle spielen und sind der Willkür und dem Sadismus des Personals hilflos ausgeliefert. Bryan gelingt schließlich die Flucht, doch das Schicksal von James bleibt ungewiss. (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

Nachdem wir in Deutschland erst das Sonderdezernat Q und seinen leicht verschrobenen Carl Mørck kennenlernen durften, erscheint nun der 1997 erstmalig auf Dänisch veröffentlichte Roman „Alfabethuset“ von Jussi Adler-Olsen auch bei uns. Ganz anderes Setting, ganz andere Zeit. Und man merkt, dass Adler-Olsen sich hier auf einem Terrain bewegt, auf dem er sich auskennt. Als Sohn eines Mannes, der mit psychisch kranken Menschen zu tun hatte, bekam er als Kind eine Menge mit und verarbeitete dies auch in seinem „Alphabethaus“. Gut recherchiert und authentisch beschrieben wirken seine „Heilanstalt“ und die Grausamkeiten, die dort an den Patienten vorgenommen werden.

Leider nicht ganz so spannend, wie man aufgrund des Klappentextes erwarten könnte, gestaltet sich dieser erste von zwei Handlungssträngen, es ist eher eine Erzählung. Die beiden britischen Soldaten, die über kleinere Umwege in eine deutsche Anstalt gelangen, in der an Menschen experimentiert wird, entdecken noch weitere „Simulanten“. Einem der Soldaten gelingt die Flucht und sein schlechtes Gewissen darüber, den Kameraden und Freund zurückgelassen zu haben, bringt ihn gute 30 Jahre später im zweiten Handlungsfaden dazu, sich auf die Suche nach ihm zu machen. Deutschland hat den Zweiten Weltkrieg mittlerweile überstanden und wir befinden uns am Anfang der 1970er. Hier wird es dann auch interessanter, weil sich die Suche als schwieriger und komplizierter gestaltet, als es der Hörer angenommen hat. Und auch das Ende wird sicher nicht jeder so erwarten, wie es sich gestaltet.

Das Hörerlebnis:

Wolfram Koch ist bemüht, die Stimmungen und Gefühle der Charaktere lebendig ins Ohr des Hörers zu transportieren. Leider gelingt ihm das nicht wirklich. Es ist ein ambitioniertes Vorlesen, kein lebendiges Erzählen, kein echtes Hör-Erlebnis. Zu sehr und zu oft wird der Hörer durch seine oftmals gleichmäßige Erzählweise daran erinnert, dass hier jemand im Studio ein Skript abliest. Außerdem baut er in fast jeden Satz zu lange Sprechpausen ein, um die Dramatik künstlich zu steigern oder das gerade Berichtete sacken zu lassen, das dämpft aber recht schnell den Hörspaß wie eine Stotterbremse das entspannte Autofahren. Vielleicht ist das ja auch seinem Theater-Sprachtraining anzulasten.

Der Autor:

Jussi Adler-Olsen (*2. August 1950), geboren in Kopenhagen. Er studierte Medizin, Soziologie, Politische Geschichte und Film. Bevor er 1995 mit dem Schreiben begann, arbeitete er in verschiedenen Berufen, u. a. als Redakteur für Magazine und Comics und als Koordinator der dänischen Friedensbewegung. 1997 erschien sein erster Roman »Alfabethuset«. Weitere Kriminalromane folgten, bevor Adler-Olsen 2007 mit »Erbarmen«, das den ersten Fall von Carl Mørck vom Sonderdezernat Q schildert, einen Riesenerfolg hatte. 2008 stürmte er mit dem zweiten Roman über Kommissar Carl Mørck die Bestsellerlisten. Seither gilt er als bestverkaufter dänischer Krimiautor. (Verlagsinfo)

Der Sprecher:

Wolfram Koch hat an der Hochschule für Musik und Darstellende Künste in Frankfurt studiert. 1995 bis 2000 war er festes Ensemblemitglied am Schauspielhaus Bochum, seitdem arbeitet er frei unter anderem am Schauspiel Frankfurt, an der Volksbühne und am Deutschen Theater in Berlin. Außerdem tritt er oft in Film und Fernsehen auf. (Verlagsinfo)

Mein Fazit:

Adler-Olsen beschreibt, was er kennt. Seine Jugenderfahrungen in der Psychiatrie seines Vaters hat er hier geschickt eingearbeitet und mit einer interessanten Grundidee gekoppelt. Lässt sich der erste Teil, der während des Zweiten Weltkriegs spielt, noch recht schleppend an, so wird es 1972 in Freiburg interessanter und spannender. Leider hat mich die Sprecherleistung nicht wirklich überzeugen können und somit war mein Kopfkino nicht mit 3D-Technik und auch nicht mit Surround-Sound ausgestattet.

Spieldauer: 8:27 Std.
1 Track
Format: AAX+ mit DRM-Kopierschutz (für das Abspielen wird ein kompatibler Player benötigt)
Download mit 467 MB
Aufnahme: 128 kbit / 44 kHz
Originaltitel: Alfabethuset
Gelesen von Wolfram Koch
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Dorothy L. Sayers – Ärger im Bellona-Club

Sayers Wimsey05 Bellona Club Cover RoRoRo 2003 kleinDas geschieht:

Der alte General Arthur Fentiman besitzt nicht nur die Rücksichtslosigkeit, im Salon des ehrwürdigen Bellona-Clubs zu London das Zeitliche zu segnen. Sein Tod ruft außerdem die Justiz auf den Plan, denn beinahe zeitgleich verblich Lady Felicity Dormer, Arthurs Schwester, die ebenfalls betagt sowie ungemein vermögend war. Mindestens eine halbe Million Pfund sind im Topf, doch wer wird sie erben? Das Geld der Lady sollte an den Bruder fallen und würde nunmehr an dessen überlebenden Nachkommen, die Enkel und Brüder George und Robert Fentiman, gehen. Ist der General jedoch vor seiner Schwester gestorben, erbt Ann Dorland, Lady Felicitys Gesellschafterin und Quasi-Tochter. Dorothy L. Sayers – Ärger im Bellona-Club weiterlesen

Scott, Michael – unsterbliche Alchemyst, Der (Die Geheimnisse des Nicholas Flamel 1)

_|Die Geheimnisse des Nicholas Flamel|_

Band 1. _“Der unsterbliche Alchemyst“_
Band 2. „Der dunkle Magier“
Band 3. „Die mächtige Zauberin“
Band 4. „Der unheimliche Geisterrufer“
Band 5: „Der schwarze Hexenmeister“
Band 6: |Die Fee| (Arbeitstitel, geplant Frühjahr 2013)

_San Francisco 2007._ Am helllichten Tag wird in Nick Flemings Buchhandlung unter Einsatz von Magie ein altes Buch gestohlen. Die Zwillinge Sophie und Josh staunen nicht schlecht, als der Buchhändler sich als der berühmte Alchemyst Nicholas Flamel zu erkennen gibt, geboren vor über 670 Jahren! Er hat einst das Geheimnis des ewigen Lebens entdeckt und nun sind die Mächte des Bösen hinter ihm her. Ein atemberaubendes Abenteuer beginnt …

_Kritik_

Wie der Titel schon verrät, begeben wir uns in Michael Scotts Roman „Die Geheimnisse des Nicholas Flamel – Der unsterbliche Alchemyst“ auf Spurensuche des geheimnisvollen Nicholas Flamel, seines Zeichens der wohl bekannteste und unsterbliche Alchemyst aller Zeiten.

Über 400 Seiten Geschichte behandeln hier gerade zwei Tage im Leben von Sophie, Josh und Nick Fleming (Nicholas Flamel). Dank des fantasievollen, leicht zu lesenden Erzählstils des irischen Autors liest sich der Roman sehr flüssig. Die Leser werden gleich zu Beginn in eine rasante Geschichte geworfen, deren Plot sich kräftig an der verworrenen Welt voller mystischer Sagengestalten, alter ägyptische Götter, keltischer Mythologie, Schattenwelten und der Magie aller Zeiten von der grauen Vorzeit bis in die Gegenwart bedient. Selbstverständlich ist auch der Kampf Gut gegen Böse ein Thema, dessen sich der Autor bedient und dieses zwischen Flamel und seinem ewigen Gegner Dr. John Dee austragen lässt. Dank des außergewöhnlichen Erzählstils dürften sich die Leser schnell in der fantastischen Welt des Nicholas Flamel zurechtfinden und in die Geschichte eintauchen. Obwohl die Ideen, die Michael Scott hier aufgreift, nicht die Neuesten sind, schafft er es, diese interessant und fesselnd umzusetzen. Der Roman endet offen und so bleibt den Lesern nicht viel anderes übrig, als am besten direkt zum nächsten Teil der auf sechs Bände ausgelegten Reihe zu greifen.

Die Spannung, die der Autor aufgreift, lässt sich nur mit atemberaubend und nervenzerreißend beschreiben. Schon auf den ersten Seiten wird schnell ein Spannungsbogen entwickelt, der sich stetig steigert. Jedes Kapitel endet mit einem Cliffhanger, der das Unterbrechen geradezu qualvoll macht. So dürften Leser, die gerade etwas Zeit haben oder Schlaf überbewerten diesen Schmöker in einem Rutsch lesen. Bis zum Showdown bleibt kaum Zeit Luft zu holen.

Erzählt aus der Perspektive eines Beobachters, bekommt der Leser einen guten Überblick über das Geschehen. Gekonnt wechselt der Erzähler die Perspektiven und ein umfassender Einblick in die Abenteuer wird gewährleistet. Zwar konzentriert sich diese dritte Person auf die Zwillinge Sophie und Josh, allerdings kommen auch andere Darsteller durchaus zu Wort. Diese unterschiedlichen Perspektiven machen den Roman äußerst unterhaltsam und vieles kann der Leser so nachvollziehen.

Die Zeichnung der vielen unterschiedlichen Figuren, ob Mensch, Fabelwesen, Gottheit ist dem Autor durchaus gelungen. Zwar bleiben viele der Figuren etwas blass, was bei der Fülle nicht weiter verwundert. Angesichts der Tatsache, dass es hier noch fünf weitere Bände gibt, kann dies verziehen werden, schließlich bleibt genug Raum, um alle Persönlichkeiten weiterzuentwickeln. Es ist auch durchaus reizvoll, langsam in die Geheimnisse der einzelnen Darsteller eingeweiht zu werden.

Die Zwillinge Sophie und Josh werden erst einmal mit einer Menge konfrontiert. Magie und Sagen kannten beide zwar aus Büchern, dass diese aber wirklich vorhanden ist, ist ein Schock. So schlittern die jungen Protagonisten völlig unvorbereitet in eine magische Welt und kommen erstaunlich gut in dieser klar.

Dann ist da selbstverständlich der geniale, unsterbliche Alchemyst Nicholas Flamel. Seit fast 700 Jahren weilt er nun schon auf der Erde, immer im Kampf gegen das Böse. Gemeinsam mit seiner Frau Perenelle Flamel, ihres Zeichens Zauberin, schützt und versteckt er den Codex, um zu verhindern, dass das Böse die Weltherrschaft übernimmt.

Auch die verschiedenen Nebenfiguren tragen zum Lesespaß bei. Richtig interessant wird es dann noch mal bei den Gegnern, Dr. John Dee, der sich der Unterstützung der Katzenkönigin Basset und der Rabenkönigin Morrigan sicher sein kann.

Das Cover ist ein wahrer Eyecatcher, verschiedene Symbole auf dunklem Grund fallen ins Auge. Am Anfang eines jeden Kapitels sind ebenfalls Zeichnungen der Symbole zu finden. Eine angenehme Kapitellänge unterstützt den Lesespaß.

_Autor_

Michael Scott ist einer der erfolgreichsten und profiliertesten Autoren Irlands und ein international anerkannter Fachmann für mythen- und kulturgeschichtliche Themen. Seine zahlreichen Fantasy- und Science-Fiction-Romane für Jugendliche wie für Erwachsene sind in mehr als zwanzig Ländern veröffentlicht. Seine Reihe um die „Geheimnisse des Nicholas Flamel“ ist ein internationaler Bestseller. Michael Scott lebt und schreibt in Dublin.

_Fazit_

Mit „Die Geheimnisse des Nicholas Flamel – Der unsterbliche Alchemyst“ hat der Autor Michael Scott einen fantastischen Jugendroman verfasst, der auch Erwachsene begeistert und in den Bann ziehen kann. Geschickt verwebt der Autor bekannte Sagen und Mythen zu einer Geschichte, die ihre Leser in den Bann zieht, ein Feuerwerk an Erzählkunst. Der fesselnde und mystische Plot überzeugt durch atemberaubende Spannung, fabelhafte Ideen und nicht nur durch sympathische Darsteller, auch die Bösen haben ihren Reiz.

Den Lesern bleibt hier nur eines, schnell den nächsten Teil lesen, um zu erfahren, wie es weitergeht.

|Gebundene Ausgabe: 416 Seiten
ISBN-13: 978-3570133774
Vom Hersteller empfohlenes Alter: 12 – 15 Jahre
Originaltitel: The Secrets of the Immortal Nicholas Flamel – The Alchemyst|
[www.randomhouse.de/cbjugendbuch]http://www.randomhouse.de/cbjugendbuch
[www.nicholas-flamel.de]http://www.nicholas-flamel.de

_Michael Scott bei |Buchwurm.info|_
[„Der unsterbliche Alchemyst“(Lesung)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4760

St. Crow, Lili – Verraten (Strange Angels 2)

_|Strange Angels:|_

Band 1: [„Verflucht“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7061
Band 2: _“Verraten“_
Band 3: „Jealousy “ (noch ohne dt. Titel)
Band 4: „Defiance “ (noch ohne dt. Titel)
Band 5: „Reckoning“ (noch ohne dt. Titel)

_Dru und ihr bester Freund Graves_ tauchen in einer geheimen Schule unter, um sich vor ihren Verfolgern in Sicherheit zu bringen. Doch während der junge Werwolf mit offenen Armen empfangen wird, behandelt man Dru wie eine Gefangene. Noch dazu trachtet ihr auch hier jemand nach dem Leben. Als Vampire die Schule angreifen, gerät Dru in höchste Gefahr – und muss sich die schockierende Frage stellen, ob der Verräter ihr näher ist, als sie für möglich hielt … (Verlagsinfo)

_Kritik_

Mit „Verraten“ erscheint der zweite Teil der auf fünf Bände ausgelegten Reihe um die „Strange Angels“ von Lili St. Crow. „Verraten“ knüpft direkt an das Ende von „Verflucht“ an. Dem Titel wird hier Rechnung getragen, aber wer hat Interesse daran, die junge Svetocha Dru zu verraten? Schnell findet der Leser sich wieder in die Handlung ein, durch kurze Rückblicke in die Geschehnisse aus dem ersten Teil wird dies erleichtert.

Der Erzählstil der Autorin überzeugt schon dadurch, dass Lili St. Crow es versteht, die düstere Atmosphäre greifbar zu übermitteln. Auch die verschiedenen Emotionen werden fassbar transportiert und so gelingt es den Lesern spielend, sich in die Protagonisten einzufühlen. Fesselnd und unterhaltsam werden die spannenden Abenteuer der Darsteller erzählt. Gekonnt greift die Autorin auch auf eine Umgangssprache zurück, die sich den jüngeren Darstellern und Lesern anpasst und so sehr authentisch wirkt. Mühelos hält die Autorin sich an den roten Faden ihrer Geschichte und wertet diese durch Rückblicke und kleinere Nebenhandlungen auf. So erfährt der Leser beispielsweise einiges aus dem Leben Drus Mutter, etwas das manche Fragen, die im ersten Band offenblieben, klärt. Es werden dabei aber auch neue Fragen aufgeworfen, um die Neugier auf die weiteren drei Bände aufrechtzuerhalten. Die Schauplätze werden greifbar beschrieben, sodass es leichtfällt, sich diese vorzustellen. Ein mitunter düsteres Bild der Schola und der Umgebung wird gezeichnet. Fantastische Elemente bettet die Autorin glaubwürdig in die reale Welt ein und schafft so eine überzeugende Basis für ihre Geschichte.

„Verraten“ ist actiongeladen und spannend. Gleich zu Beginn wird wieder ein Spannungsbogen aufgebaut, der sich meist im oberen Level hält. Zwar kommt es immer mal wieder zu ruhigeren, durch Dru nachdenklichen Szenen, diese passen sich der actionreichen Spannung dabei sehr vorteilhaft an. Die Leser dürften geradezu durch das Buch fliegen, um dann einen Cliffhanger zu erleben, der das Warten auf den nächsten Band nicht einfach macht.

Erzählt wird der Roman weiterhin aus der Perspektive Drus. Dies macht einen guten Teil des Rätselhaften aus, da der Leser wie Dru selber nicht weiß, wer sie verrät und wer wirklich zu ihr hält. Drus Stimmungen und Gefühle werden so nachvollziehbar weitergegeben und die Leser sehen sich auch mit den Ängsten und Schwächen der Protagonisten konfrontiert.

Ihre Figuren hat die Autorin authentisch und lebendig konzipiert. Vom Denken und Empfinden altersgemäß wachsen die lebendigen Figuren dem Leser schnell ans Herz. Dieses dürfte auch daran liegen, dass die Figuren nicht ohne Fehl und Tadel furchtlos ihre Abenteuer bewältigen, sondern auch von Angst und Zweifeln gequält werden.

Dru muss dabei das größte Päckchen tragen, nicht nur, dass sie plötzlich ohne Familie dastehen muss, auch ihre Gaben sind ihr suspekt. Verständlich, dass sie von den Lehrern der Schola fordert, mehr beigebracht zu bekommen und eine vernünftige Ausbildung auch im Kampf zu erhalten. Dass sie mit Samthandschuhen angefasst wird und das Gefühl bekommt in einen Glaskasten gesperrt zu werden, ist daher nachvollziehbar und auch gerechtfertigt.

Graves dagegen bekommt genau das, was Dru sich so sehnlich wünscht, eine fundierte Ausbildung. Mit seiner liebenswerten und hilfsbereiten Art macht er sich schnell Freunde und steigt auch in der Rangordnung an der Schola schnell auf. Auch die Herzen seiner jungen Leserinnen dürfte sich dieser Darsteller sicher sein.

Nach wie vor geheimnisvoll und undurchsichtig bleibt der Djamphir Christophe. Immer zur Stelle, wenn Dru Hilfe braucht, hütet er ein verhängnisvolles Geheimniss.

Die Aufmachung des Covers passt sich dem des ersten Bandes perfekt an. Dunkle Farben, ein heller Schriftzug, der zu leuchten scheint und der samtige Eindruck beim Berühren des Covers machen den Schutzumschlag zu etwas Besonderem. Lediglich das männliche Model scheint nicht zu den Protagonisten zu passen, auch wenn klar ist, dass es sich hier um Graves handelt.

_Autorin_

Lili St. Crow ist das Pseudonym der amerikanischen Autorin Lilith Saintcrow, das sie für ihre actiongeladenen, spannenden Jugendromane verwendet. Sie wurde in New Mexico geboren und lebt heute mit ihrer Familie in Vancouver.

_Fazit_

Lili St. Crow zeigt, was sie kann. Mit „Verraten“ steigert sie die actionreiche Geschichte ihrer „Strange Angels“. Nervenzerreißende Spannung, ein authentischer und flüssiger Sprachstil und ansprechende, äußerst überzeugende Charaktere bieten nicht nur jungen Lesern unterhaltsamen Lesespaß.

Die Reihe um die „Strange Angels“ verspricht spannend zu bleiben und so freue ich mich schon jetzt auf den dritten Teil.

|Gebundene Ausgabe: 384 Seiten
ISBN-13: 978-3426283462
Vom Hersteller empfohlenes Alter: 12 – 15 Jahre
Originaltitel: Strange Angels: Betrayal|

_Lilith Saintcrow bei |Buchwurm.info|:_
|Jill Kismet|:
Band 1: [„Dämonenmal“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6337
Band 2: [„Schattenjagd“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6789
Band 3: [„Blutige Vergeltung“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7012

[„Teufelsbraut“ (Dante Valentine – Dämonenjägerin 1)“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5288
[„Höllenritt“ (Dante Valentine – Dämonenjägerin 2)“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5957
[„Feuertaufe“ (Dante Valentine – Dämonenjägerin 3)“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6150
[„Sündenpfuhl“ (Dante Valentine – Dämonenjägerin 4)“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6353
[„Höllenschlund“ (Dante Valentine – Dämonenjägerin 5)“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6476

Troisi, Licia – Im Bann der Wächter (Die Feuerkämpferin 1)

_|Die Feuerkämpferin|:_

Band 1: _“Im Bann der Wächter“_
Band 2: „Tochter des Bluts“

_Story:_

Es scheint, als habe die Aufgetauchte Welt endlich ihren Frieden gefunden; Learco hat die Schreckensherrschaft seines Vaters beendet und steht als König der ganzen Länder ebenso hoch im Kurs seiner Bevölkerung wie als Friedensbotschafter in der Geschichte seiner Welt. Gemeinsam mit seiner Frau Dubhe regiert er am Hofe Makrats, blickt stolz auf die Entwicklung seiner Drachenritter zurück und hat über eine weitere Generation eine neue Familie gegründet. Doch nach einem halben Jahrhundert, in dem der Frieden gefestigt und die Länder wieder zusammengewachsen sind, scheint sich eine neue Bedrohung einzunisten. Eine rätselhafte Seuche, die das Volk mit schwarzen Flecken versieht und sich alsbald als Todesurteil entpuppt, befällt immer mehr Städte der Aufgetauchten Welt. Und weder der König noch sein treuherziges Gefolge haben auch nur den Funken einer Ahnung, was genau hinter diesem sich schnell verbreitenden Virus steckt.

Zur gleichen Zeit entdeckt der angehende Drachenritter Amhal auf einer verlassenen Wiese eine junge Frau, die ihr Gedächtnis verloren hat, scheinbar jedoch besondere Fähigkeiten in sich trägt. Amhal nimmt sich ihrer an und bringt sie selbstlos nach Makrat, wo sie am Hofe des Königs eine Stellung als Kindermädchen für Learcos Enkeltochter Amina erhält. Der junge Ritter tauft sie auf den Namen Adhara und entwickelt sehr schnell Gefühle für die eigenartige Schönheit – und diese Gefühle werden von Adhara noch intensiver erwidert. Erst als der verlorene Sohn San, Sennars Enkel, wieder zurückkehrt, scheint sich die Situation zu ändern. Amhal ist fasziniert von dem magischen Kämpfer, der ihm zuvor bereits in seinen Träumen begegnet war, und verliert die junge Liebe mit einem Mal wieder aus ihren Augen. Stattdessen verfällt er der Versuchung, seiner ständigen Blutlust nachzugeben, was San schamlos ausnutzt, um Amhal weitere verbotene Zauber beizubringen. Als sich die Seuche immer weiter über das Land legt und durch eine Intrige das gesamte königliche Gefolge in Mitleidenschaft gezogen wird, entfernen sich San und Amhal in ein externes Lager. Und während Amhal immer noch glaubt, sein legendärer neuer Lehrmeister ist die einzige Person, die die Aufgetauchte Welt noch vor ihrem Untergang bewahren kann, schmiedet dieser bereits Pläne, die seinem namhaften Erbe nicht mehr gerecht werden. Dies wird auch Adhara bewusst, die Amhal nachreist und endlich herausfinden möchte, welche Ereignisse ihre Vergangenheit ausgemacht haben …

_Persönlicher Eindruck:_

Eigentlich war es nur eine Frage der Zei, bis Licia Troisi ihre Geschichte um die Aufgetauchte Welt fortführen würde. Zu viel Liebe hat sie in die Deals zu ihrer Fantasy-Schöpfung investiert, zu ausgefallen waren die Charaktere, die die italienische Autorin vor allem in ihrer zweiten Trilogie Drachenkämpferin geschaffen hat. Insofern war der Start eines weiteren Dreiteilers nicht nur logisch, sondern dringend erwünscht, nicht zuletzt, weil der letzte Band der vorangegangenen Serie relativ abrupt endete, jedoch noch eine Menge Potenzial bewahrte, Dubhe, Learco, San und Co. weiterleben zu lassen – und die ist nun mit „Die Feuerkämpferin“ respektive dem ersten Kapitel „Im Bann der Wächter“ geschehen.

Allerdings ist die neue Story zu Beginn noch nicht ganz so atemberaubend und unberechenbar, wie es Troisis Bücher in der Vergangenheit waren. Recht viele Parallelen zur mysteriösen Dubhe aus „Die Drachenkämpferin“ erlebt man beispielsweise in der Charakterzeichnung der neuen Protagonistin Adhara, die zwar richtig stark in die Story eingefügt wird, in ihrem weiteren Handeln jedoch mehrfach sehr naiv agiert, was den Plot nicht bloß einmal weniger glaubwürdig gestaltet, als man das von der jungen Italienierin gewohnt ist. Abeer auch der unstete Partner, der ihr in „Im Bann der Wächter“ zur Seite gestellt wird, scheint zu leicht beeinflussbar, hat nicht diese Leidenschaft und Ausdrucksstärke wie die Helden aus Troisis früheren Werken. Amhal beispielsweise auf eine Stufe mit Lonerin oder Ido zu stellen, wäre absolut vermessen – hier zeigt die Autorin jedenfalls einige klare Schwächen bei der Erstellung neuer, glaubhaft agierender Persönlichkeiten.

Der Aufbau der Erzählung indes ist gewohnt souverän, auch wenn man hier und dort das Gefühl bekommt, Troisi müsste sich zu einigen Wendungen zwingen, um das spannungsvolle Gerüst auch aufrechtzuerhalten. Dabei spielt man ihr eigentlich die Bälle zu, sei es nun bei der Erwähnung des finsteren Ordens, beim Mysterium um Adhara oder eben bei der Dokumentation von Sans eigenartigem Lebenswandel. Aber auch die bekannten Figuren, die ihr Wesen im Laufe der Zeit selbstredend angepasst und verändert haben, geben einiges her, was Troisi jedoch nicht allzu konsequent nutzt, um der Geschichte noch ein paar weitere pikante Eckdaten zu verpassen. Man könnte daher sagen, dass hier auf Nummer sicher gegangen wird, nicht zu viel Risiko existent ist, um das Niveau zu halten. Letzteres geschieht zwar alleine schon wegen des tadellosen Schreibstils völlig automatisch, doch „Die Feuerkämpferin“ bringt auch ohne den bekannten Vorbau schon genügend Potenzial mit, um öfter mal ein Wagnis einzugehen und die Story nicht mit Geplänkel wie der ziemlich naiven Liebelei zwischen Amhal und Adhara oder der offenkundigen moralischen Blindheit mancher Akteure zu vergeuden. Erstmals gibt es einige Längen, vor allem auf den letzten 100 Seiten, die auf ein anständiges Finish abzielen, dieses aber nicht gebührend inszenieren, als dass die Wirkung entsprechend mitreißend ist. Die Autorin verliert zwischenzeitlich den eigentlichen Fokus aus dem Auge und damit auch den Kernpunkt dessen, was „Im Bann des Wächters“ im rasanten Start ausmacht, später aber nicht mehr gleichermaßen leidenschaftlich auslebt.

Nichtsdestotrotz ist einmal mehr die Saat für eine sehr gute Fantasy-Story ausgelegt, und das trotz der Kritik auch auf Ebene der Charaktere. Denn was man auch nicht übersehen darf: Troisi bringt renommierte Opfer, um den Plot anzukurbeln und bewahrt sich somit dennoch einen Teil der Unberechenbarkeit der letzten beiden Dreiteiler. Fans dieser Serien werden daher auch nicht an „Die Feuerkämpferin“ vorbeikommen – so viel ist jetzt schon klar! Doch man darf dem Beginn dieser Trilogie eben auch nicht ganz unkritisch gegenüberstehen. Schließlich hat die Südeuropäerin durch ihren berechtigten Erfolg auch Erwartungen geschürt, die hier zwar größtenteils, aber eben nicht in Gänze befriedigt werden. Allerdings hat sie ja noch zwei weitere Romane, um verlorenen Boden wieder gutzumachen …

|Gebunden: 512 Seiten
Originaltitel: Leggende del Mondo Emerso 1 – Il destino di Adhara
ISBN-13: 978-3453266179|
[www.heyne.de]http://www.heyne.de

_Licia Troisi bei |Buchwurm.info|:_
[„Im Land des Windes“ (Drachenkämpferin 1)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2488
[„Der Auftrag des Magiers“ (Drachenkämpferin 2)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4130
[„Der Talisman der Macht“ (Drachenkämpferin 3)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4507
|Die Schattenkämpferin|:
Band 1: [„Das Erbe der Drachen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6633
Band 2: [„Das Siegel des Todes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7342
Band 3: [„Der Fluch der Assassinen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7648

Stephen King – Der Anschlag

Die Handlung:

Am 22. November 1963 fielen in Dallas, Texas, drei Schüsse. John F. Kennedy starb, und die Welt veränderte sich für immer. Wenn man das Geschehene ungeschehen machen könnte – wären die Folgen es wert? Jake Epping kann in die Vergangenheit zurückkehren und will den Anschlag verhindern. Aber je näher er seinem Ziel kommt, umso vehementer wehrt sich die Vergangenheit gegen jede Änderung. (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

Dass Stephen King aus einer einfachen Prämisse einen über tausend Seiten starken Ziegel fertigen kann, das weiß man nicht erst, seitdem er in seinem letzten Türstopper „Die Arena“ eine Energieglocke über eine Stadt gestülpt hat.

Genauso verhält es sich auch bei dieser Geschichte. Natürlich hätte er seinen Protagonisten auch direkt dahin schicken können, wos für alle interessant ist, damit er das tun kann, was ihm wichtig erscheint. Das wäre dann in ein paar Hör-Minuten getan und es wäre eine schöne Kurzgeschichte entstanden. Aber Stephen King ist der Meister des Zurücklehnens und des Betrachtens jeder Einzelheit und er lässt die Dinge sich gern entwickeln.

Und so hat auch Jake Epping einen Anlauf von fünf Jahren bis zu dem Mordanschlag, den er verhindern will, führt die Treppe doch nach 1958 und nicht ins Jahr 1963, in dem das Kennedy-Attentat stattfand. Und natürlich hätte King seinen Protagonisten Oswald auch 1958 schon aus dem Weg räumen lassen können, aber dann wäre zum einen das Buch 1000 Seiten zu früh zu Ende und die Lesung nach einer halben Stunde gegessen gewesen und zum anderen soll und will Jake herausfinden, ob Oswald wirklich nur der Sündenbock war, für den er sich nach dem Attentat ausgab. Aufgeklärt werden konnte die Sache ja bekanntlich nicht, denn Oswald wurde selbst von Ruby erschossen. Außerdem ist dies kein Roman, der eine alternative Geschichte darüber erzählt, was ohne ein Attentat auf Kennedy mit der Welt passiert wäre, das war auch nicht die Absicht von Stephen King, wenngleich er sich diesem Gedanken dennoch kurz hingibt.

Und so macht Jake bei der ausführlichen Recherche über Oswald eine Entwicklung durch, mit der er nicht gerechnet hätte, in einer Zeit, die für ihn anders verläuft, als er es sich vor seinem Portaldurchgang gedacht hatte. Dass er gerade hier die große Liebe finden würde, das hätte er nicht erwartet … und das macht alles für ihn komplizierter.

Der Hörer kann sich von David Nathan eine Geschichte erzählen lassen, die aufgrund ihrer Länge und geschilderten Ausführlichkeit jeder dem Autor wichtigen Einzelheit, ein echtes Eigenleben im Kopf des Hörers entwickelt und ihn magisch anzieht, um noch ein Stündchen und noch ein Stündchen zu verweilen. Schon vom ersten Erlebnis Jakes an, als er die Treppe ins Jahr 1958 nimmt, fühlt der Hörer die Sonne, riecht den Schwefel und ist völlig in der Zeit gefangen. Jeder Charakter, jede Szene, jede Situation, jeder Geruch, jeder Geschmack und jeder Ort wird so lebendig beschrieben, dass er bunt und authentisch im Kopfkino über die Leinwand flimmert.

David Nathan gehört nicht zu Unrecht zu den beliebtesten Sprechern im deutschsprachigen Raum. Und weil er auch in dieser Produktion wieder ein spannendes Szenario für den Hörer entstehen lässt, ist es umso schöner, dass es sich hier um eine ungekürzte Lesung handelt. Trotz aller Länge lässt die Sprecherleistung nie nach, lässt Nathan den Hörer nie abdriften, behält ihn immer dicht am Geschehen und lässt ihn durch seine Interpretation des Skripts und der verschiedenen Charaktere am Leben der Menschen im Jahr 1958 teilhaben.

Durch Variation in der Sprechgeschwindigkeit und Modulation der Stimme bietet David Nathan immer wieder ein lebendig authentisches Schauspiel hinter dem Mikro. Und den Einsatz hört man, weil er sich richtig ins Zeug.

Wir bekommen es mit bekannten und unbekannten Figuren aus der US-amerikanischen Geschichte zu tun, erfundenen und realen. Und wir erfahren, zu welchem Schluss Stephen King gekommen ist bei der Frage: Hat Oswald nun allein gehandelt oder war er wirklich nur ein Sündenbock? Und, kann Jake ihn aufhalten und wenn ja, was passiert danach? Und was wird dann aus der Bibliothekarin Sadie, der großen Liebe von Jake? Am Ende der (Zeit-)Reise bekommen wir die Antworten. Aber bis dahin sind es satte 32 Stunden mit David Nathan, die dem Hörer viele Tage im Amerika Ende der 1950er bescheren und viele Tage des Hörens Anfang 2012. Und auch das Ende der Geschichte ist absolut gelungen und hinterlässt keinen bitteren Nachgeschmack, sondern ein Lächeln. Stephen King, wie er besser nie war. Er kann es immer noch und das ist toll.

Dass die Filmrechte an dieser Story schon vor dem Verkaufsstart des Buchs verkauft wurden, das wundert kaum jemanden. Stephen King wird den ausführenden Produzenten bei den Dreharbeiten geben, die im Herbst 2012 beginnen sollen.

Die Ausstattung:

Random House Audio folgt dem Trend hin zu ungekürzten Hörbüchern und will den Mitbewerben von der Download-Shop-Fraktion nicht den gesamten Markt überlassen. Das Problem, so viel Story unterzubringen, ist auch keins mehr, dank MP3. So bleibts bei der Produktion bei nur wenigen CDs, die aber wirtschaftlicher gefüllt sind.

Gespart hat der Verlag auch an anderen Stellen. So stecken die vier mit einem roten Münz-Konterfei bedruckten CDs in Einschüben einer Papp-Klappbox, deren Einschübe zwar schick und rot sind, die aber ansonsten keinerlei weitere Informationen enthalten. Die Box steckt in einem Pappschuber, der rundum im gleichen roten Design gestaltet ist. Neben kurzen Infos zu Sprecher und Autor gibts eine im Gegensatz zur Schuberrückseite erweiterte Inhaltsangabe auf der CD-Klappbox zu lesen.

Die MP3s liegen in der Qualität 192 Kbps und 44.1 kHz vor und enthalten in den ID3-Tags den Titel und die Namen des Autors und des Sprechers. Ein Cover gibts hier leider nicht zu sehen, sodass das Display einiger MP3-Player leer bleibt, wenn man dies nicht von Hand ändert. Die Dateinamen bestehen lediglich aus der Tracknummer und gehen von „001“ bis „391“, aufgeteilt auf die vier CDs.

Der Autor:

Stephen King, 1947 in Portland, Maine, geboren, ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller. Schon als Student veröffentlichte er Kurzgeschichten, sein erster Romanerfolg, „Carrie“, erlaubte ihm, sich nur noch dem Schreiben zu widmen. Seitdem hat er weltweit 400 Millionen Bücher in mehr als 40 Sprachen verkauft. Im November 2003 erhielt er den Sonderpreis der National Book Foundation für sein Lebenswerk. (Verlagsinfo)

Der Sprecher:

David Nathan, die deutsche Stimme von Christian Bale, Johnny Depp u. a., gehört zu den gefragtesten Hörbuchsprechern Deutschlands. Für Random House Audio hat er zuletzt die Hörbücher zu Guillermo del Toros „Die Saat“ und „Das Blut“ und Ryan David Jahns „Ein Akt der Gewalt“ gesprochen. (Verlagsinfo)

Mein Fazit:

Stephen King hats nicht eilig mit dem Vorankommen seiner Geschichte. Wer sich darauf einlässt, der erlebt eine Zeit, die so lebendig und intensiv beschrieben wird, dass sich selbst Nicht-Amerikaner gern die Stufen hinab und durch das Zeitportal mitnehmen lassen, um herauszufinden ob der Kennedy-Attentäter wirklich allein gehandelt hat oder ob er Teil einer Verschwörung war. Und bei King ist auch oftmals der Weg das Ziel. Dieser hier führt nach 1958 … und Dank David Nathan, der eine wunderbar lebendige Vorstellung vor dem Mikro bietet und ein fesselndes Kopfkino-Abenteuer entstehen lässt, habe ich jede Minute dieser Reise genossen … Hey-ho, Daddy-O.

4 MP3-CDs
Spieldauer: 32:02 Std.
Tracks: 391
Originaltitel: 11/22/63
Gelesen von David Nathan
ISBN: 978-3-8371-1107-1

www.randomhouse.de

Winslow, Don – Zeit des Zorns

_Ophelia, genannt O._ hat zwei Freunde: Ben ein hochintelligenter und smarter Surfertyp, der idealistische Vorstellungen von karitativen Projekten lebt und unterstützt. Nicht selten reist der junge Mann in Krisengebieten und hilft der dortigen Bevölkerung eine Infrastruktur aufzubauen. Man kann schon sagen, Ben ist ein Entwicklungshelfer.

Chon dagegen ist der Pragmatiker, anders als sein Freund und Geschäftspartner Ben, ist Chon ein Realist, der, wenn es sein muss, mit Gewalt so beispielslos selbstverständlich seine Interessen durchsetzt. Er ist ein Einzelgänger, allerdings würde er für O. und Ben durch die Hölle gehen. Seine Vergangenheit als SEAL, die als die härteste, militärische Eliteeinheit der USA gilt, hat den jungen Mann geprägt. Seine Einsätze in Kriegsgebieten haben Chon psychisch nicht zugesetzt. Ein Job ist für ihn ein Job, ohne Reue oder Fragen diente er als Soldat seinem Land. Allerdings zeigt sich immer wieder, dass er noch Mensch geblieben ist.

O. ist die gute Seele des Trios. Sie wäscht das verdiente Geld und gibt einen guten Teil davon selbst aus. Ben und Chon liebt sie beide, auf recht unterschiedliche Weise, doch für sie sind diese beiden ihre ganze Welt.

Alle drei Personen verbindet ihre Firma. Ben und Chon betreiben ein exklusives Drogengeschäft mit hochwertigem und in der Branche einzigartigem Dope. Es bringt ihnen Millionen an Geld ein und manchmal auch reichlich Ärger. Ihre Kundschaft allerdings ist erstklassig und ihr Ruf wird immer besser. Eigentlich läuft alles prima.

Erfolg bringt Neider und Konkurrenz mit sich. Das mexikanische Drogenkartell Banja wird auf das Trio aufmerksam und möchte ihr Geschäft übernehmen. Das Baja-Kartell ist gewohnt, dass es sich nicht bitten lässt und setzt seine Interessen mit brutaler Gewalt durch. Auch Chon und Ben wird ein unmissverständliches Angebot unterbreitet. Doch beide Männer haben sich noch nie gerne etwas vorschreiben und befehlen lassen. Nach deren Absage an das Kartell, eskaliert die Situation. O. wird vom Kartell entführt und nun beginnt die Zeit des Zorns. Chon und Ben entwickeln einen höchst riskanten Plan und gehen damit einen Weg, von dem es für beide Seiten kein Zurück mehr gibt …

_Kritik_

Wer „Zeit des Zorns“ von Don Winslow nach z. B. „Satori“ gelesen hat, wird hier kaum Parallelen feststellen können, was den Stil des Autors angeht. Selten habe ich zwei Romane gelesen, in denen man feststellt, dass der Autor großartig seinen erzählerischen Stil der Geschichte angepasst hat. Don Winslow beschreibt seine Szenen wie in einem Drehbuch – kurz, prägnant, rasant und brutal effektiv. Die Dialoge der Protagonisten sind auf den Punkt gebracht. Die Gedankenwelt der einzelnen Figuren wird nicht mit den Dialogen kombiniert und steht für sich alleine.

„Zeit des Zorns“ ist ein harter Thriller auf einer hohen Welle der Gewalt, auf der die beiden Sunnyboys Chon und Ben reiten. Allerdings bricht sich auch jede Welle an den Klippen oder der Brandung und dann ist Geschick gefragt. Ben und Chon sind ein Dream-Team, zwar nicht immer einer Meinung, aber in dieser Situation ergänzen sie sich ausgezeichnet.

Dem Leser wird schnell klar, dass Angriff zwar die beste Verteidigung ist, aber ebenso ist es klar, dass Ben und Chon den Krieg nicht gewinnen können. Doch die eine oder andere Schlacht schlagen die beiden Männer fulminant. Ihre Waffen sind nicht nur todbringende und großkalibrige Schusswaffen, sondern auch Intrigen, Lügen, Neid und Zwietracht. Ihre Strategie von Verwirrung und Missverständnissen, von angezettelten inneren Kämpfen des Kartells geht auf. Das System wankt, aber fällt nicht. Aber das reicht auch schon, um Ophelia (O.) eventuell retten zu können.

Das Baja-Kartell wird von der Drogenlady Elena Lauter regiert. Quasi in die Rolle der Patin gedrängt, führt die Mutter einer studierenden Tochter, ihre Organisation knallhart und wirtschaftlich erfolgreich. Doch eine Tochter ist auch ein Schwachpunkt denken sich Chon und Ben – Auge um Auge – Zahn um Zahn – denn die Bibel hat doch Recht!?

Don Winslow schreibt in einer recht deutlichen Sprache und die ist verdammt vulgär. Trotz aller hartenr Worte schafft es der Autor allerdings auch, viel Zynismus und Ironie in seiner Geschichte unterzubringen. Und ebenso verhält er sich recht kritisch gegenüber unseren zivilisierten Werten, die doch nur auf das Materielle aus sind. Manche Auflistungen haben große Ähnlichkeiten mit Einkaufslisten und frönen unserer Konsumgesellschaft. Raffiniert und gar nicht deplatziert.

Wenn Winslow seine Charaktere zu Wort kommen lässt, dann überspitzt er gerne mal das aktuelle Zeitgeschehen und reflektiert mit Pointen unsere gesellschaftliche Wahrnehmung.

Der Roman macht Spaß, wenn auch der Autor es manchmal arg übertreibt in der Beschreibung von detaillierten Sex- und Gewaltszenen. Im Grunde bringt das dann die Handlung nicht weiter voran, aber steht stellvertretend für das innere Verhältnis der drei Helden.

_Fazit_

Zeit des Zorns von Don Winslow ist eine Achterbahnfahrt von Sex, Drugs und Rock’n Roll, durchsetzt mit Gewalt und Brutalität.

Eigentlich ist das Buch prädestiniert für eine Verfilmung, das Gute daran ist, dass quasi das Drehbuch schon vorliegt. Don Winslow greift das Thema um den Terror der Drogenkartelle in Mexiko auf. Dass er hierbei allerdings Ben und Chon nicht verurteilt, die ebenso mit Drogen und Tod Gewinne erzielen, ist manchmal etwas suspekt. Die andere Seite des Baja-Kartells dagegen wird unmenschlich und brutal betrachtet. Alles eine Frage der Perspektive?

„Zeit des Zorns“ von Don Winslow ist anders als „Satori“, aber weder besser noch schlechter – nur schneller und brutaler.

Anschnallen, lesen, durchatmen und vielleicht einen Drink nehmen, um sich beruhigen zu können.

_Autor_

Don Winslow arbeitete als Privatdetektiv in New York, schmuggelte Geld in Südafrika, verkaufte Safaritouren in China und lebt heute als Autor und Surfer in Kalifornien.

|Taschenbuch: 338 Seiten
Verlag: Suhrkamp Verlag; Auflage: Deutsche Erstausgabe (24. Oktober 2011)
ISBN-13: 978-3518463000|
[www.suhrkamp.de]http://www.suhrkamp.de

Condie, Ally – Flucht, Die (Cassia & Ky 2)

_|Cassia & Ky|:_

Band 1: [„Die Auswahl“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6903
Band 2: _“Die Flucht“_
Band 3: „Juntos“ (noch ohne dt. Titel)

_Wie durch ein Wunder gelingt Cassia_ die Flucht in die Äußeren Provinzen. Sie will nach Ky suchen, ihrer großen Liebe. Dort kämpft Ky als Soldat für die Gesellschaft und ist ununterbrochen brutalen Angriffen ausgesetzt. Als Cassia endlich auf eine Spur von Ky stößt, ist er bereits entkommen und auf dem Weg in die wilden Canyons in den Grenzgebieten. Verzweifelt macht sich Cassia auf den lebensgefährlichen Weg. Was wird sie am Ende der ihr bekannten Welt finden? Zwischen steinigen Schluchten und staubigen Pfaden sucht Cassia nicht nur nach Ky – sondern auch nach sich selbst. (Verlagsinfo)

_Kritik_

Mit „Die Flucht“ hat Ally Condie den sehnsüchtig erwarteten zweiten Teil ihrer Trilogie um Cassia und Ky geschrieben. Wie der Titel schon verrät, sind die beiden Darsteller Cassia und Ky auf der Flucht vor einem System, das die komplette Kontrolle über die Menschheit hat.

Der Sprachstil der Autorin ist wie auch im ersten Teil „Die Auswahl“ flüssig zu lesen, dabei aber auch sehr detailliert und greifbar. Schnell gelingt es den Lesern, sich wieder in die Geschichte einzufinden und begibt sich dann mit den Darstellern auf „Die Flucht“. Auch die Poesie nimmt wieder einen Raum in der Geschichte ein, Gedichte, die auf eine Bewegung gegen das System und den „Steuermann“ hinweisen, werden rezitiert. Gerade diese Gedichte machen einen guten Teil der Fragen aus, die sich dem Leser schnell stellen dürften: Um was geht es dabei genau und wer ist der Steuermann? Die Schauplätze, besonders die Canyons, werden greifbar beschrieben. Die Umgebung nimmt so Gestalt vor dem inneren Auge an. In der Handlung liegt der Fokus auf der Flucht, aber auch die Entwicklung der Charaktere und deren Geheimnisse nehmen Raum ein. Erschreckend ist die Brutalität und die menschenverachtende Haltung des Systems. Wer sich nicht an die Vorgaben des Systems hält und wagt eigensinnig zu sein, läuft schnell Gefahr vom Bürger zu „Aberrationen“ hinabgestuft zu werden, damit ist das Leben dann keinen Pfifferling mehr wert. Besonders Jugendliche werden so schnell zu Kanonenfutter. In verschiedenen Nebenhandlungen wird die Vergangenheit der Figuren ausgeleuchtet und vieles versteht der Leser so viel besser und kann die Handlungen der Darsteller nachvollziehen. Zum Ende hin klären sich so manche Fragen, allerdings nicht alle und dem letzten und dritten Teil um Cassia und Ky kann so entgegengefiebert werden.

Gleich zu Beginn zieht Ally Condie den Spannungsbogen rasant an und die ersten Kapitel fliegen nur so dahin. Erst stetig steigernd nimmt diese im mittleren Teil dann etwas ab und ruhigere Sequenzen behalten kurz die Oberhand. Trotz dieser ruhigen Szenen wird es allerdings nicht langweilig, zu viel gibt es zu entdecken, sei es die grandios gezeichnete Landschaft oder die Darsteller mit ihren Belangen, immer wird genug Neugier auf den weiteren Verlauf geschürt. Zum Ende hin nimmt der Roman dann noch mal an Fahrt auf.

Erzählt wird wechselnd aus der Perspektive von Cassia und Ky. Abwechselnd erzählen die Protagonisten dem Leser aus der Ich-Perspektive die Erlebnisse und der Leser erhält Einblick in das, was die beiden vorantreibt. Dies müssen nicht immer gleiche Ziele sein.

Die Zeichnung der unterschiedlichen Darsteller ist Ally Condie ansprechend gelungen. Nicht nur die beiden Hautdarsteller sind greifbar und authentisch dargestellt, auch bei den weiteren Figuren zeigt sich das die Autorin Wert auf glaubwürdige und dreidimensionale Figuren Wert legt.

Cassia wächst über sich hinaus, war sie im ersten Band besonders am Anfang dem System treu ergeben, ändert sich dieses schnell. Sie hat das System durchschaut und wird zu einer ernst zu nehmenden Gegnerin. Durch die Gedichte, die sie von ihrem Großvater erhielt, wird sie auf die „Erhebung“ aufmerksam. Mit starkem Willen gegen die Ungerechtigkeiten zu kämpfen, ist sie zu vielem bereit.

Ky nimmt immer mehr Form an. War er im ersten Teil noch so manches Mal recht undurchsichtig, wird nun klar, welche Hintergründe er hat. Dadurch, dass die Geschichte nun auch aus seiner Perspektive erzählt wird, kommt nach und nach ans Licht, warum er zu einer „Aberration“ klassifiziert wurde. Seine Ängste diesbezüglich sind nachvollziehbar.

Neu kommen Eli und Indie dazu. Diese beiden Charaktere bereichern die Geschichte. Indie treibt etwas ganz Eigenes an, sie zeigt sich als Kämpferin, die auch bereit ist, ihre Freunde im Stich zu lassen, um ihr Ziel zu erreichen. Eli dagegen ist sehr jung und daher auch etwas ängstlich, was ihn zu einer „Aberration“ macht, bleibt erst mal unklar. Mit seiner zurückhaltenden Art wächst er nicht nur Ky schnell ans Herz. Auch die Leser dürften sich seiner Art kaum entziehen dürfen.

Die Gestaltung des Covers passt zu seinem Vorgänger. War bei „Die Auswahl“ noch ein Mädchen in einer schützenden Glaskugel zu sehen, bricht eben dieses Mädchen nun aus, die Glaskugel zerbricht.

_Autorin_

Ally Condie stammt aus dem südlichen Utah, USA, einer wunderschönen Gegend, die der Landschaft in „Die Flucht“ als Vorlage diente. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren drei Söhnen in Salt Lake City. Nach ihrem Studium unterrichtete sie mehrere Jahre lang Englische Literatur in New York, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Ihre Romane um „Cassia & Ky“ werden in mehr als 30 Sprachen übersetzt und sind große internationale Bestseller.

_Fazit_

„Die Flucht“, der zweite Band um Cassia und Ky, überzeugt besonders durch die leisen, nachdenklichen Töne, die diesen Roman ausmachen. Plastische Beschreibungen vermitteln ein lebendiges Bild und die Protagonisten werden noch greifbarer. Der Plot regt weiterhin zum Nachdenken an, schnell stellt sich der Leser die Frage, wie weit er für ein selbstbestimmtes Leben gehen würde, wie viele Grenzen man selber aushalten würde.

„Die Flucht“ zeigt das einfühlsame, erzählerische Talent der Autorin. Leider endet der zweite Band um Cassia und Ky wieder viel zu schnell und der Leser dürfte gespannt auf den abschließenden Teil dieser ansprechenden Trilogie warten.

|Gebundene Ausgabe: 464 Seiten
ISBN-13: 978-3841421449
Vom Verlag empfohlenes Alter: 14 – 17 Jahre
Originaltitel: Crossed|
[www.fischerverlage.de]http://www.fischerverlage.de/verlage/fischer__fjb

André, Martina – Rückkehr der Templer, Die (Die Templer 2)

_|Die Templer|:_

Band 1: [„Das Rätsel der Templer“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4654
Band 2: _“Die Rückkehr der Templer“_

_Der Templer Gero_ und seine gefährlichste Mission

Hannah Schreyber hat den ehemaligen Templer Gero von Breydenbach geheiratet, den es mittels eines Timeservers aus dem Jahr 1307 in die Gegenwart verschlagen hat. Doch den beiden ist keine Ruhe vergönnt. Wissenschaftler finden heraus, dass die beiden ehemaligen Besitzerinnen des Servers im 12. Jahrhundert in Jerusalem festsitzen. Und dass es Hinweise gibt, dass die Vereinigten Staaten und Europa vor dem Untergang stehen. Gero und seine Templer sollen durch die Zeit reisen, um die jungen Frauen zu retten – und herausfinden, wie man die Apokalypse verhindern kann. Ein Himmelfahrtskommando beginnt …

Eine rasante Zeitreise – eine hochspannende Templergeschichte. (Verlagsinfo)

_Kritik_

Mit ihrem Roman „Die Rückkehr der Templer“ verbindet die Autorin Martina André gekonnt eine düstere Zukunftsversion mit einem großen Anteil historischem Roman. „Die Rückkehr der Templer“ spielt in den Jahren 2151, 2005 und 1153 wobei der historische Anteil deutlich überwiegt. Klar gegliedert sind diese Zeitsprünge überaus verständlich und der Leser kommt mit den Zeitenwechseln gut zurecht.

Sprachlich beweist die Autorin, dass sie Sinn fürs Detail hat, bildgewaltig und lebendig werden die Schauplätze beschrieben. Dabei verrennt Martina André sich nicht in den Beschreibungen, sondern lässt der Handlung den benötigten Raum, um sich zu entfalten. Auch eine gründliche Recherche ist nicht von der Hand zu weisen, die fiktive Handlung ist glaubwürdig in die historischen Begebenheiten eingebettet. So erfährt der Leser von vielen Ereignissen, die sich im heiligen Land um 1153 abgespielt haben. Gerade der noch junge Orden „Arme Ritterschaft Christi und des salomonischen Tempels zu Jerusalem“, kurz Templer genannt, spielt hier wie schon in „Das Geheimnis der Templer“ eine große Rolle.

Neben dem anspruchsvollen Plot gibt es eine Reihe Nebengeschichten, die geradezu perfekt in die Geschichte passen und diese abrunden. Neben grausamen Kämpfen, schrecklicher Misshandlungen von Gefangenen und hinterlistigen Intrigen bekommt auch die Romantik einen Platz in der Geschichte. Diese romantischen Szenen passen sich optimal in die Handlung ein und wirken nicht zu übertrieben oder kitschig. Die Autorin bedient so beide Geschlechter ihrer Leserschaft und dies wirklich unterhaltsam und überzeugend. Interessant ist auch die Überlegung umgesetzt, mit dem heutigen und künftigen Wissen in vergangene Ereignisse einzugreifen und diese dementsprechend umzugestalten. Die Überlegung des Möglichen und der Konsequenzen ist kaum fassbar, die Autorin hat es aber trotzdem geschafft, dieses glaubwürdig zu konzipieren. Nicht die großen Ereignisse führen hier zum Ziel, mehr die kleineren, kaum wahrnehmbaren Änderungen machen Hoffnung, die Zukunft zu einer besseren werden zu lassen. Aber nicht nur die Vergangenheit behandelt die Autorin äußerst sorgfältig, gerade auch die Ereignisse in der heutigen Zeit tragen zum Lesespaß bei. Nicht nur politische und militärische Seitenhiebe werden unterhaltsam in die Geschichte eingebracht, auch Religion und das mangelnde Verständnis für andersgläubige rundet die unterhaltsame und spannende Handlung ab und erklärt so manches. Wer sich selber die Ereignisse in der heutigen Zeit genau anschaut, wird sich schnell damit konfrontiert sehen, dass eine düstere Zukunft, so wie die Autorin sich zeichnet, gar nicht so weit entfernt ist. Ob nun Veränderungen in der Weltgeschichte zu etwas Bessrem führen? Der Leser wird auf jeden Fall zum Nachdenken angeregt und darf gespannt sein.

Actionreich könnte man den Roman um „Die Rückkehr der Templer“ nennen. Gleich zu Beginn wird der Leser mit einer äußerst spannenden und actionreichen Handlung konfrontiert, die sich nachhaltig steigert. Zeiten- und Perspektivenwechsel erhöhen den Spannungsbogen immer wieder und so sucht der Leser vergeblich nach langatmigen Sequenzen. Gerade dies bezeugt das Talent dieser Autorin, den trotz der geradezu detailverliebten Beschreibungen und der gut recherchierten, wenn auch fiktiven Handlung kommt es auf den fast 800 Seiten nie zu langweiligen Abschnitten.

Erzählt wird der Roman rückblickend aus der Perspektive einer beobachtenden dritten Person. Der Fokus hier wechselt zwischen den verschiedenen Personengruppen, die den Roman bevölkern. Dies mag sich kompliziert nachvollziehbar anhören, ist es aber nicht. Auch wenn der Fokus beim Erzählen auf eine andere Person oder Personengruppe wechselt, kann der Leser dies sofort nachvollziehen und auch nach einer Lesepause ist man direkt wieder im Bilde.

Bei den Darstellern hat die Autorin wieder ganze Arbeit geleistet. Auch wenn es durchaus Figuren gibt, die klischeehaft, stereotyp oder auch mal übertrieben dargestellt sind, es gibt auch die anderen. Die, die schon charakterlich viele Facetten vorweisen können und so auch in der Lage sind die Leser zu überraschen. So weisen die wichtigsten Figuren auch mal Ecken und Kanten auf, die diese aber auch erst authentisch und noch mal so liebenswert machen, denn wer will schon immer nur von den perfekten Menschen lesen, den es sowieso nicht gibt. Besonders interessant sind auch die historisch belegten Figuren, wie der spätere Großmeister André de Montbard und Königin Melisende und deren Ziele ausgearbeitet.

_Autorin_

Martina André lebt mit ihrer Familie in Koblenz. Bisher sind als Aufbau-Taschenbuch erschienen: „Die Gegenpäpstin“ und „Das Rätsel der Templer“. Im Verlag Rütten & Loening veröffentlichte sie zuletzt: „Die Teufelshure“.

_Fazit_

Mit ihrem neuen Roman „Die Rückkehr der Templer“ hat Martina André wieder einmal bewiesen, dass sie über erzählerisches Talent verfügt. Spannend und unterhaltsam erzählt sie uns Lesern die abwechslungsreiche Geschichte ihrer interessanten Protagonisten. Die fiktive Geschichte ist ansprechend in die historischen Begebenheiten aus dem 12. Jahrhundert eingebettet.

Hat die Autorin mich schon mit ihren Romanen „Das Geheimnis der Templer“, „Die Gegenpäpstin“ und „Die Teufelshure“ von ihrem Können überzeugt, so hat sie ihre Messlatte nochmals ein Stückchen angehoben. Ich bin schlichtweg begeistert!

|Broschiert: 761 Seiten
ISBN-13: 978-3352008139|
http://www.martina-andre.info
http://www.ruetten-und-loening.de

_Martina André bei |Buchwurm.info|_
[„Schamanenfeuer. Das Geheimnis von Tunguska“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5295
[„Die Gegenpäpstin“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4877

Binding, Tim – Fischnapping (Lesung)

Es war einmal ein sehr frustrierter Mann, der an seiner Ehefrau nichts Gutes mehr finden konnte und daher beschloss, sie eines Abends von einer Klippe in die Tiefe zu stürzen, um fortan als freier und glücklicher Mann zu leben. Und so geschah es: Nach einem heftigen Ehestreit verließ das ungeliebte Weib in einer gelben Öljacke das Haus, der Mann – nennen wir ihn einfach Al Greenwood – folgte ihr, versteckte sich an der Klippe in einem Busch und als dann eine Frau in gelber Öljacke auf der Klippe ankam, schubste er sie in die Tiefe. Glücklich und zufrieden kehrte Al nach Hause, um dort – man ahnt es bereits – seine Ehefrau, lebend und putzmunter, anzutreffen. Soweit die Geschichte des Vorgängerromans „Cliffhanger“, den ich einst mit Begeisterung gelesen habe.

In „Fischnapping“ nun kehrt Al Greenwood nach vier Jahren aus dem Gefängnis, wo er nicht etwa gesessen hat, weil er jemanden von der Klippe geschubst hat, sondern weil er im Verdacht stand, seine eigene (uneheliche) Tochter Miranda getötet zu haben. Nun aber ist Als Frau Audrey zurückgekehrt – wundersam erschlankt und glücklich mit einer Frau zusammenlebend -, um sich der Polizei zu stellen. Denn sie war es, die Als uneheliche Tochter in besagter Schicksalsnacht um die Ecke gebracht hat.

So darf Al sein altes Leben aufnehmen, doch wohnen bereits andere Leute in seinem alten Haus, der geliebte Fischteich ist zugeschüttet und seine herzallerliebsten Karpfen hatte seine verhasste Frau ja bereits im ersten Buch ermordet, sodass sie Al fortan nur noch in ausgestopfter Form – man höre und staune! – begleiten. Ein Gedanke aber lässt ihn nicht los: Wen um Himmels Willen hat er damals von den Klippen gestoßen? Denn eins ist klar: Eine Frau musste in der Nacht dran glauben und es war weder Audrey noch seine eigene Tochter oder etwa die Frau des Inspectors, wie er ebenfalls vermutet hatte. Denn die Frau des Inspectors ist inzwischen Audreys Geliebte. Diese aber hat immer noch nicht mit ihrer eigenen Ehe abgeschlossen und beschließt daher, Al zu ihrem Geliebten und Komplizen zu machen, damit dieser für sie den kostbaren und preisgekrönten Koi aus dem Teich ihres Mannes stiehlt. Und so dreht sich das Beziehungskarussell in diesem Buch immer schneller und schneller.

Außerdem erfahren wir, dass Al gar nicht so unschuldig ist, wie er immer gerne tut und einen glauben machen möchte, denn er hat nicht nur eine Frau auf dem Gewissen, sondern auch bereits den Verlobten seiner ehelichen Tochter Carol, der ihm stets ein Dorn im Auge war, weil dieser besser Scrabble spielen konnte als er selbst. Für diese Tat möchte seine Tochter ihn immer noch hinter Gittern bringen – man darf also gespannt sein, wie sich Al Greenwood aus etlichen brenzligen Situationen befreit …

_Der mit dem Blub_

Tim Binding ist mir dank „Cliffhanger“ als Autor mit wunderbar schwarzem britischem Humor im Gedächtnis geblieben, der schräge Charaktere zeichnet und ziemlich bitterböse Geschichten schreiben, einen gleichzeitig zum Lachen bringen kann. Eine wunderbare Mischung, die mich natürlich auch zu „Fischnapping“ hat greifen lassen – dieses Mal in Form einer Lesung durch Bernd Stephan.

Genau diese Tradition setzt Binding auch in „Fischnapping“ fort: Die Geschichte ist wieder einmal kurios: Während Al vier Jahre „unschuldig“ im Gefängnis gesessen hat, hat seine Frau Audrey den Sport für sich entdeckt und auch die gleichgeschlechtliche Liebe. Doch eines Nachts plagt ein Albtraum sie, sodass sie beschließt, ihren Teil der Schuld zu tragen und sich der Polizei zu stellen. Das wiederum macht den Weg für Al frei, der seine Freiheit natürlich gleich dazu nutzt, um neues Chaos zu stiften. Er gedenkt seines ersten Todesopfers, nämlich des Verlobten seiner eigenen Tochter, den er – was Wunder! – ebenfalls von einer Klippe gestoßen hat. Neue Verwicklungen sind vorprogrammiert, als er ein Auge auf Audreys Geliebte wirft, mit ihr im Bett landet und sich von ihr dazu anstiften lässt, einen wertvollen Koi zu stehlen. Denn natürlich soll alles darauf hinauslaufen, dass Al für diese Tat geradestehen muss.

Doch wieder einmal gelingt es Al Greenwood in zahlreichen Szenen, seinen Kopf im allerletzten Moment aus der Schlinge zu ziehen. Viel Glück gehört dazu, aber vor allem auch eine Portion Kreativität, denn er ist definitiv nie um eine Ausrede verlegen. Und so wendet sich für ihn alles zum Guten – egal, wie viel Mist er eigentlich baut. Das mag den Gerechtigkeitssinn so manchen Lesers stören, aber Tim Binding neigt ja grundsätzlich zu Überspitzungen und dazu, durch allerlei Übertreibungen besondere Charakteristika noch stärker in den Vordergrund zu stellen. Wäre Al bereits für den ersten Mord hinter Gitter gekommen, hätte Binding immerhin nicht an seinem Beispiel aufzeigen können, zu welch schrägen Szenen und verzweifelten Taten kommen kann, wenn ein frustriertes Ehepaar nicht in der Lage ist, über Probleme offen zu sprechen, sondern direkt beschließt, allerletzte Konsequenzen zu ziehen. Denn Bindings Werke sind zwar vordergründig einfach nur zum Lachen, doch wenn man genauer hinsieht, stimmt einen das doch nachdenklich.

Dieses Mal legt Binding vielleicht eine kleine Schippe zu viel auf, manchmal dreht die Geschichte ein wenig zu sehr ab, aber irgendwie bekommt Binding dann doch immer wieder den richtigen Dreh und fängt seine Leser (bzw. in diesem Fall Zuhörer) wieder ein. Die Geschichte überzeugte mich zwar nicht auf ganzer Linie wie Cliffhanger, ist aber dennoch so schräg, unterhaltsam und einfach nur komisch, dass man dennoch unbedingt dazu greifen sollte.

_Phlegma_

Vorgetragen wird Bindings Geschichte von Bernd Stephan, dessen Name mir zwar nichts sagte, der aber bekannt ist als Synchronstimme von John Cleese. Beim Zuhören ist mir das ehrlich gesagt aber nicht aufgefallen, ich habe die Stimme nicht wieder erkannt. Stephan trägt mir sehr ruhiger Stimme vor, betont nie zu sehr und versucht auch gar nicht erst, verschiedenen Charakteren unterschiedliche Stimmen zu verleihen, wie es beispielsweise Rufus Beck oder gar Harry Rowohlt machen. Im Prinzip klingen alle Personen gleich, ob nun Frau oder Mann. Einzig Al Greenwood, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt ist, kommt noch etwas phlegmatischer rüber als alle anderen Figuren. Spricht Bernd Stephan Gedanken oder Sätze von Al Greenwood aus, so tut er sich fast ohne jede Betonung, manchmal verwaschen dadurch die Wörter sogar. Sicher gehört das zu Stephans Interpretation der Figur Al Greendwoods und es mag auch tatsächlich passen, mir persönlich war Stephans Tonfall allerdings zu fad. Manch ein Gag geht so fast verloren. Ich kann mir schon gut vorstellen, dass viele Hörer von dieser Lesung begeistert sein werden, ich persönlich hätte mir dennoch ein klein bisschen mehr Enthusiasmus vom Sprecher gewünscht, daher ein kleines Manko. Eventuell sollte man bei „Fischnapping“ also eher zum Buch greifen.

_Fisch sucht Karpfen_

„Fischnapping“ hat mich ausgesprochen gut unterhalten. Tim Bindung spielt hier in puncto Charakterzeichnung und Wortwitz wieder all seine Trümpfe gekonnt aus. Vielleicht bleibt die Geschichte ein klein wenig hinter dem Vorgängerroman zurück, aber verstecken muss sich dieses Buch ganz sicher nicht. Vom Sprecher war ich nicht ganz so begeistert, da Bernd Stephan ein bisschen zu wenig mit seiner Stimme spielt. Unter dem Strich ist das Hörbuch aber definitiv sehr hörens- und empfehlenswert!

|Download-Version mit 6:12 h Spieldauer|
[www.audible.de]http://www.audible.de

auch erschienen als:

|5 Audio-CDs mit 372 Minuten Spieldauer
Sprecher: Bernd Stephan
ISBN-13: 978-3-8337-2750-4|
[www.jumboverlag.de/Verlag]http://www.jumboverlag.de/Verlag

_Tim Binding bei |Buchwurm.info|:_
[„Inselwahn“ 1648
[„Cliffhanger“ 5200

Gläser, Mechthild – Stadt aus Trug und Schatten

_Flora fällt aus allen Wolken,_ als sie erfährt, dass ihre Seele seit jeher ein nächtliches Doppelleben in der geheimnisvollen Stadt Eisenheim führt. Von nun an wird sie nie wieder schlafen, ohne dass ihr Bewusstsein in die farblose Welt der Schatten wandert. Als wäre das nicht unerfreulich genug, hat ihre Seele offenbar den Weißen Löwen gestohlen, einen mächtigen alchemistischen Stein, nach dem sich nicht nur die Herrscher der Schattenwelt verzehren. Bald ist Flora selbst in der realen Welt vor den Gefahren Eisenheims nicht mehr sicher und eines ist klar: Sie kann niemandem trauen, nicht einmal Marian, der plötzlich in beiden Welten auftaucht und dessen Küsse vertrauter schmecken, als ihr lieb ist. (Verlagsinfo)

_Kritik_

Mit völlig neuen und innovativen Ideen überrascht die junge Autorin Mechthild Gläser uns Leser mit ihrem Debütroman „Stadt aus Trug und Schatten“. Im ersten Teil ihrer geplanten Trilogie macht die Autorin uns mit dem düsteren Eisenheim und seinen Begebenheiten vertraut. Bereits der Prolog verspricht eine spannende Geschichte.

So recht kann man den Roman „Stadt aus Trug und Schatten“ keinem Genre richtig zuordnen, Elemente der Fantasy und des Steampunks verbinden sich mit einer Geschichte, die zeitweise in der Realität spielt. Der Plot ist genial und hat viel Potenzial, welches die Autorin gekonnt umsetzt. An zwei Orten spielen sich die Ereignisse ab, einmal in der deutschen Stadt Essen und in Eisenheim, der Stadt in der alle schlafenden Seelen die Nächte verbringen. Anschaulich werden besonders die Schauplätze in Eisenheim beschrieben, verschiedene berühmte Bauwerke, wie Buckingham Palace, Notre Dame, die Pyramiden von Giseh und auch der Kreml liegen dicht beieinander. Aber auch die weniger schönen Orte Eisenheims werden eindrucksvoll beschrieben. Die Aufteilung der unterschiedlichen Handlungsstränge ist dabei sehr gut gelungen. Unterhaltsam und niemals langweilig erlebt der Leser die Abenteuer Floras mit und die Handlung wird intensiviert. Auch das Kennenlernen Eisenheims ist nachvollziehbar beschrieben, so staunt der Leser gemeinsam mit der Protagonistin beim Kennenlernen dieser geheimnisvoll düsteren Welt. Besonders gut gelungen ist auch die Atmosphäre, geheimnisvoll und düster präsentiert sich die greifbare Grundstimmung, die sehr gut vermittelt wird. Mechthild Gläser überzeugt durch fantasievolle Ideen, die die junge Autorin einleuchtend umsetzt. Mit ihren Worten zeichnet sie ausdrucksstark die Welt der Schlafenden und ihr reicher Wortschatz überzeugt. Zwar kommt es immer mal wieder zu sprachlichen Stolpersteinen, das Vergnügen an dieser ganz eigenen Geschichte wird dadurch allerdings nur wenig geschmälert.

Verschiedene Ränkespiele und Geheimnisse sorgen schnell dafür, dass nicht nur Flora ein Problem damit hat, jemandem wirklich zu vertrauen. Auch die Leser sind schnell vor die Problematik gestellt, dass ein jeder Darsteller gegen die Protagonisten intrigieren könnte. Im Laufe der Geschichte gibt es immer wieder neue Wendungen, Nebenhandlungen und neu aufgenommene Fäden, die uns Leser verwirren. Dabei schleicht sich auch der eine oder andere vermeintliche Logikfehler ein, der sich aber so manches Mal doch aufklärt. So wird irgendwann auch klar, dass die Autorin es auf den 412 Seiten nicht alles komplett auflösen kann. Da ist es dann schön zu erfahren, dass es sich um eine geplante Trilogie handelt, wir Leser also doch noch die Möglichkeit haben alles zu enträtseln.

Eines versteht die Autorin besonders gut, eine abwechslungsreiche Spannung zu erzeugen, die fesselt und stetig steigt. Der aufgefeilte Spannungsbogen wird dabei besonders durch geschickt eingestreute Geheimnisse entwickelt. Nicht nur die Frage, wem Flora überhaupt trauen kann, auch geheimnisvolle Figuren und deren Schachzüge sorgen dafür, dass das Buch kaum aus der Hand zu legen ist.

Erzählt wird Floras Geschichte aus ihrer eigenen Perspektive in der Ich-Form. Dabei spricht die Protagonistin so manches Mal auch den Leser direkt an. So ergründet der Leser gemeinsam mit Flora die rätselhafte Welt Eisenheims, deren Gefahren und Besonderheiten.

Bis auf Flora sind die verschiedenen Figuren undurchschaubar und geheimnisvoll konzipiert. Durch facettenreiche Charaktereigenschaften wirken diese glaubwürdig.

Flora wächst bei ihrem schusseligen Vater und einer merkwürdigen Haushaltshilfe auf. Ihre Mutter verließ die kleine Familie früh, etwas, unter dem Flora noch immer leidet. Besonnen und verantwortungsbewusst übernimmt Flora so die Rolle der Frau im Haus. Ganz anders ist da ihre Seele, die risikofreudig und sehr mutig ist, bis Flora aktiv an dem Geschehen in Eisenheim teilnimmt. Das klingt erst einmal unlogisch, warum sollte die Seele so anders sein, wie der Mensch selber? Aber vielleicht liegt genau hier die Lösung, früh an Verantwortung gewöhnt, hat die Seele Floras genau das ausgelebt, was Flora in der realen Welt niemals konnte, bis der Verstand auch in der Traumwelt einsetzt.

Undurchsichtig ist Marian, mal Freund mal Feind. Marian verfolgt seine eigenen Ziele und kollidiert dabei mit den Gefühlen, die er für Flora hegt.

Auch die weiteren Darsteller sind rätselhaft und nur sehr schwer zu durchschauen, bei manchen gelingt dies bis zum Schluss nicht.

Dabei gibt es allerdings auch Figuren, die schlicht überflüssig sind, wie Linus, der Bruder von Floras bester Freundin Wiebke. Dieser hat scheinbar keine andere Daseinsberechtigung, als der gescheiterten Beziehung mit Flora hinterherzuweinen und eifersüchtig auf Marian zu reagieren.

Das Cover sticht schon durch seine Schlichtheit ins Auge. Fast komplett weiß ist eine in pink gehaltene Zeichnung sowie Titel und Autorin in gleicher Farbe zu sehen. Von diesen lichten Farben sollte der Leser sich nicht täuschen lassen. Im Inneren erwartet uns eine düstere Geschichte, auf die ein Cover in grauen Tönen zwar besser gepasst hätte, aber kaum so viel Überraschung geboten hätte.

_Autorin_

Mechthild Gläser wurde im Sommer 1986 in Essen geboren. Auch heute lebt und arbeitet sie im Ruhrgebiet, wo sie sich ihrem Studium widmet und ab und an, laut eigener Aussage, unfassbar schlecht Ballett tanzt – aber nur, wenn niemand hinsieht. Sie hat früh mit dem Schreiben begonnen und ihr Laptop steht noch immer auf der rosafarbenen Schreibtischunterlage, auf der ihre ersten Geschichten entstanden. Inspiration findet sie überall, am besten jedoch bei einer Tasse Pfefferminztee

_Fazit_

Überraschend ist das beeindruckende Debüt der Essener Autorin Mechthild Gläser zu nennen. Mit dem ersten Band ihrer Trilogie „Stadt aus Trug und Schatten“ um die geheimnisvolle Traumstadt Eisenheim überzeugt die Autorin durch einen innovativen und aufsehenerregenden Plot, den sie grandios umsetzt. Kleinere Logikfehler und ein manchmal noch holpriger Schreibstil sind da schnell vergessen und das Gefühl, etwas völlig Einzigartiges erlebt zu haben, bleibt.

Eine gut durchdachte, abwechslungsreiche Geschichte, die sich aus dem Einheitsbrei der üblichen Fantasy abhebt, interessante Charaktere, die bildgewaltige Sprache und immer neue Überraschungen sorgen hier für wundervolle Lesestunden.

Ich kann „Stadt aus Trug und Schatten“ bedenkenlos an Leser empfehlen, die einmal ein völlig anderes Abenteuer erleben wollen.

|Gebundene Ausgabe: 412 Seiten
ISBN-13: 978-3785574027
Vom Hersteller empfohlenes Alter: 13 – 16 Jahre|
[www.loewe-verlag.de]http://www.loewe-verlag.de

James Graham Ballard – Der Sturm aus dem Nichts

Die Welt, zu Staub zermahlen

Nach einer Sonneneruption erhebt sich ein weltumspannender Riesensturm, dessen Stärke pro Tag um etwa 8 km/h zunimmt. Ein Arzt und ein U-Boot-Kommandant sowie zwei Reporter, versuchen dem nachfolgenden Inferno zu entrinnen. Sie stoßen auf den geheimnisvollen Multimillionär Hardoon, der nicht nur eine Privatarmee aufgestellt, sondern auch eine riesige Pyramide gebaut hat. Doch zu welchem Zweck? Ist es eine Arche oder eine Narretei? Das versuchen die Überlebenden herauszufinden.

_Der Autor_

James Graham Ballard wurde 1930 als Sohn eines englischen Geschäftsmannes in Schanghai geboren. Während des Zweites Weltkrieges, nach der japanischen Invasion 1941, war seine Familie drei Jahre in japanischen Lagern interniert, ehe sie 1946 nach England zurückkehren konnte. Diese Erlebnisse hat Ballard in seinem von Spielberg verfilmten Roman „Das Reich der Sonne“ verarbeitet, einem höchst lesenswerten und lesbaren Buch.

In England ging Ballard zur Schule und begann in Cambridge Medizin zu studieren, was er aber nach zwei Jahren aufgab, um sich dem Schreiben zu widmen. Bevor er dies hauptberuflich tat, war er Pilot bei der Royal Air Force, Skriptschreiber für eine wissenschaftliche Filmgesellschaft und Copywriter (was auch immer das sein mag) an der Londoner Oper Covent Garden.

Erst als er Science-Fiction schrieb, konne er seine Storys verkaufen. Ab 1956 wurde er zu einem der wichtigsten Beiträger für das Science-Fiction-Magazin „New Worlds“. Unter der Herausgeberschaft von Autor Michael Moorcock wurde es zum Sprachrohr für die Avantgarde der „New Wave“, die nicht nur in GB, sondern auch in USA Anhänger fand.

Ballard und die New Wave propagierten im Gegensatz zu den traditionellen amerikanischen Science-Fiction-Autoren wie Heinlein oder Asimov, dass sich die Science-Fiction der modernen Stilmittel bedienen sollte, die die Hochliteratur des 20. Jahrhunderts inzwischen entwickelt hatte – zu Recht, sollte man meinen. Warum sollte ausgerechnet diejenige Literatur, die sich mit der Zukunft beschäftigt, den neuesten literarischen Entwicklungen verweigern?

Doch was Ballard ablieferte und was Moorcock dann drucken ließ, rief die Politiker auf den Plan. Seine Story „The Assassination of John Fitzgerald Kennedy Considered as a Downhill Motor Race“ (1966) rief den amerikanischen Botschafter in England auf den Plan. Ein weiterer Skandal bahnte sich an, als er Herausgeber von „Ambit“ wurde und seine Autoren aufrief, Texte einzureichen, die unter dem Einfluss halluzinogener Drogen verfasst worden waren. Seine härtesten Texte, sogenannte „condensed novels“, sind in dem Band „The Atrocity Exhibition“ (1970, dt. als „Die Schreckensgalerie“ und „Liebe und Napalm – Export USA“) zusammengefasst, dessen diverse Ausgaben in den seltensten Fällen sämtliche Storys enthalten …

Seither hat Ballard über 150 Kurzgeschichten und etwa zwei Dutzend Romane geschrieben. Die ersten Romane waren Katastrophen gewidmet, aber derartig bizarr und andersartig, dass sie mit TV-Klischees nicht zu erfassen sind. Bestes Beispiel dafür ist „Kristallwelt“ von 1966, das ich hier aber nicht darlegen möchte, sondern ich verweise auf meine entsprechende Rezension. Äußere Katastrophen (wie die Kristallisierung des Dschungels) wirken sich auf die Psyche von Ballards jeweiligem Helden aus und verändern sie. Dabei stehen die vier Romane „The Wind from Nowhere (1962), „The Drowned World“ (1962), „The Drought“ (Die Dürre, 1964) und schließlich „The Crystal World“ sinnbildlich für Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart, ausgedrückt durch die Metaphern Luft, Wasser, Feuer und Erde/Diamant (Kristall). Ballard starb 2009.

_Handlung_

Der Arzt Donald Maitland will gerade von London Heathrow nach Vancouver fliegen, um einer gescheiterten Ehe zu entfliehen, als das Startverbot erteilt wird: Die Scherwinde sind viel zu stark, als dass ein Flieger gefahrlos abheben könnte. Also steigt er wieder ins Taxi und schafft es durch die vielen Staus zu seiner Wohnung. Er hat aber bereits seine Schlüssel an Susan abgeschickt und muss bei sich selber einbrechen. Dabei wird er von Susan und ihrem derzeitigen Lover Sylvester überrascht und niedergeschlagen. Willkommen daheim!

Eigentlich sollte die reiche Alkoholikerin Susan ja in ihrem luxuriösen Haus an der Küste der Lust frönen, doch sie klagt, der aufgekommene Wind habe alle Scheiben bersten lassen, das gestiegene Wasser habe sie sogar vom Festland abgeschnitten. Wie grässlich! Da platzen auch in Maitlands Wohnung die Scheiben, und ein kristalliner brauner Staub bläst herein. Maitland hält hier nichts mehr, schon gar nicht Susan.

Bei seinem Kollegen Andrew Symington, einem Luftfahrtingenieur mit guten Verbindungen, gibt es auch keine guten Neuigkeiten. Luxusdampfer verkehren inzwischen ebenso wenig wie Flugzeuge; man kommt nicht mehr runter von der Insel Britannien. Der Sturm trägt Lössboden aus Tibet und Nordchina nach Europa: 50 Mio. Tonnen davon. Symington erfährt, dass die britische Regierung erste „Vorsichtsmaßnahmen“ plane: Evakuierungen in Bunker und U-Bahn-Schächte. Das Radio berichtet von enormen Verwüstungen in Asien.

|Genua / Nizza |

Der amerikanische U-Boot-Kommandant Lanyon bekommt den Auftrag, von seinem Stützpunkt in genau 240 Kilometer nach Nizza zu fahren und dort einen General aus einem Lazarett abzuholen, der bei einem Flugabsturz schwer verletzt worden sei. Die Fahrt wird bei Windgeschwindigkeit von rund 185 km/h zu einem Himmelfahrtskommando. Nur weil der Wagen schwer gepanzert und geländegängig ist sowie Allradantrieb hat, kommt Lanyons Fahrer überhaupt durch.

Der General ist mittlerweile tot und wird in einem Sarg in den Panzerwagen geladen. Auf der Rückfahrt nimmt Lanyon vier Amerikaner mit, doch sie schaffen es nur bis kurz vor Genua. Der Wagen kippt um, und wer aussteigt, wird vom Sturm weggerissen. Lanyon kann sich mit einer Radioreporterin namens Patricia Olsen in einen Keller retten. Doch wie sollen sie überleben, wenn draußen die Windstärke weiter zunimmt?

|London: die Operationszentrale, die Tunnel |

Über Symingtons Verbindungen ist es Maitland gelungen, bei der Navy als Arzt unterzukommen. Auf diese Weise kann er der Operationszentrale ebenso wie den Menschen helfen. Als er jedoch einem verunglückten kommandierenden Offizier und dessen Sekretärin hilft, entdeckt er in dessen Haus Gasmasken und Minenwerfer, außerdem genug Leute für eine Privatarmee. „Haldoon“ steht auf den Kisten. Die Geräte sind von einem Multimillionär hergestellt worden, der auf dem Lande sein eigenes Bunkersystem angelegt hat, soweit sich Maitland erinnert. Er fragt sich, was dort vor sich gehen könnte.

Die Windgeschwindigkeit ist auf 180 Meilen pro Stunden angewachsen, das sind rund 290 km/h. Sie nimmt pro Tag um 5 Meilen / Stunde zu. Nun standen auch selbst relativ moderne Gebäude dem Winddruck und -sog nicht mehr stand. Die Diensttruppen bewegen sich nur noch in gepanzerten Fahrzeugen durch die dunklen Straßen Londons, und die Zivilisten bewegen sich zwischen Zementsackbarrikaden wie Ratten in dunklen Tunneln, wenn sie zwischen Keller und U-Bahnstation wechseln wollen.

Als er erfährt, dass Susan sich immer noch in seiner Wohnung befindet, eilt er zu ihr. Warum weigert sich die Millionärin, sich in Sicherheit zu bringen? Ist sie denn irre? Sie argumentiert, dass sie nichts mehr mit Männern zu tun haben wolle, die über sie bestimmen. Als er sie packen will, um sie in die Tunnel zu bringen, reißt sie sich los – und wird vom gierigen Sturm hinaus ins Nichts gerissen. Maitland kann gerade noch dem einstürzenden Haus entgehen, als er sich vor verrammelten Tunnelzugängen wiederfindet. Gefangen …

|Unterdessen|

Die Pyramide ist fertiggestellt. Ihr Erbauer blickt zufrieden aus sicherem Versteck auf sein Werk, wo nun weitere Zugangstunnel angebaut werden. Er nennt die Pyramide „Die Tore des Sturmwinds“. Doch zu welchem geheimnisvollen Zweck hat er sie erbaut? Donald Maitland und Captain Lanyon sollen es schon bald herausfinden …

_Mein Eindruck_

Der Autor hat den Roman mit einer Geschwindigkeit von 6000 Wörtern pro Tag an nur zehn Tagen rausgehauen, um das hübsche Sümmchen von 300 Pfund Sterling zu verdienen – anno 1961 noch ein Jahresgehalt wert. (Siehe dazu das Ballard-Interview mit Pringle & Goddard von 1975.) Dementsprechend anspruchslos wirkt die Story auch. Sie unterscheidet sich in beinahe nichts von all jenen britischen Katastrophenromanen, die spätestens seit H.G. Wells‘ „Krieg der Welten“ und John Wyndhams „Die Triffids“ so in Mode gekommen waren.

Immerhin sorgt dieses in fast jeder Hinsicht konventionelle Werk für beste Unterhaltung. Actionszenen und Romantik halten sich die Waage, alles unter dem Alpdruck der bangen Frage: Wird es einen Fortbestand der Menschheit geben? Das Finale steigert das Geschehen noch einmal ins Gigantomanische: Dann wird die Frage beantwortet, ob Hardoons Pyramide der Urgewalt des titelgebenden Sturms standhalten kann oder nicht. Das soll hier aber nicht verraten werden.

Entgegen den Behauptungen anderer Rezensenten gibt der Autor durchaus eine Begründung für diesen immensen Sturm an. Die stetig steigende Windstärke soll die Folge eines ungewöhnlich starken Sonnensturms sein. Das ist zwar ziemlich hanebüchen, entsprach aber damals, anno 1961, wohl dem Stand der Wissenschaft. Immerhin hatte die Astronomie sich gerade dazu durchgerungen, die tropischen Sümpfe auf der Venus, die noch Heinlein & Co. als Abenteuerspielplatz gedient hatten, ins Reich der Phantasie zu verweisen.

Ballards Debütroman (einen anderen Erstling soll er zuvor entsorgt haben) ist ein klassisches Experiment: Was passiert, wenn eine unendlich starke Kraft auf ein Objekt trifft, dessen Widerstand möglicherweise unendlich groß ist? Die Kraft des Sturms nimmt ständig zu, und wir laufend mit Informationen versorgt, welche Bauwerke bei welcher Stärke dem Druck nachgeben. Traurig aber wahr: Auch die Krönung der Architektur in Gestalt von britischen Gebäuden der Londoner City (dito in New York City) geben nach, und selbst Bunker für U-Boote sehen sich dem Einsturz gegenüber.

Muss dann nicht die Errichtung einer großen Pyramide wie pure Narretei wirken? So flach die Figur des Multimillonärs Hardoon auch gezeichnet sein mag, so erfüllt sie doch eine Schlüsselfunktion: Sie beantwortet die Frage, ob irgendetwas von Menschenhand Errichtetes Bestand haben kann – und zwar im Schnellvorlauf. Hardoon agiert aus Trotz und fordert die Götter heraus, wenn es sie noch gäbe. Sein Schicksal liefert eine Antwort auf obige Frage (und soll hier nicht preisgegeben werden). Gleich darauf legt sich der Wind. Q.E.D.

Der absurde Wind ohne Ursache ist ebenso purer Ballard wie die Halluzinationen, unter denen Maitland leidet. Ballard wollte bekanntlich Psychiater werden und kannte sich mit abweichenden Geisteszuständen aus, ebenso mit dem grafischen Surrealismus. Allerdings hält er sich mit symbolischen Umschreibungen in diesem Debüt äußerst zurück, so dass der Roman auch als Drehbuch für einen realistischen Katastrophenthriller dienen könnte.

_Unterm Strich_

Dass der Roman völlig konventionellen Vorgaben gehorcht und voller Klischees der Katastrophenliteratur steckt, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir es doch mit einem Ballard zu tun haben: Eine einzige Kraft transformiert die gesamte Erde, genau wie in „The Drowned World“, „The Drought“ und „The Crystal World“. Stets hat der Mensch eine Möglichkeit, sich der Landschaft anzupassen, sei es in den Tropen, im Sandmeer oder im Dschungel der Kristallwelt.

Die vorliegende Umwandlung lässt den Menschen jedoch nicht die geringste Chance, sich der entstehenden Landschaft anpassen – denn aus all den Bauwerken des Menschen und allen Formen des natürlichen Lebens entsteht nur eines: Staub. Mit anderen Worten: Die Erde wird so unbewohnbar wie der Mars, aus einem relativen Eden wird eine unbarmherzige Hölle. Nur im allerletzten Augenblick gewährt die Natur den todgeweihten Überlebenden – seien es vier oder 400 – einen Gnadenaufschub. Bis zum nächsten Mal?

Die Figur Hardoons ist sowohl konventionell als auch dramatisch wichtig. Der Millionär fordert die Urkraft des Elementes Luft heraus. Er ist jedoch weder der Magier Prospero noch Kapitän Ahab, sondern ein Trotzkopf, der der unintelligenten Natur etwas selbst Errichtetes entgegenstellt. Wird er damit bestehen oder untergehen? Das sollte man selbst lesen.

|Die Übersetzung |

Bei der Übersetzung durch Gisela Stege kommt keinerlei Freude auf. Allzu sachlich und umständlich formuliert sie die Sätze, die das Original vorgibt, nach. Was aber im Englischen als guter Stil gegolten haben mag (anno 1962), das muss nicht unbedingt für das Deutsche gelten. Ich warte also immer noch auf eine mustergültige Übersetzung.

Taschenbuch: 155 Seiten
Originaltitel: The Wind from Nowhere (1962)
Aus dem Englischen von Gisela Stege
SBN-13: 978-3453305014
www.heyne.de

Rothfuss, Patrick – Furcht des Weisen, Die (Teil 2, Die Königsmörder-Chronik: Zweiter Tag)

_|Die Königsmörder-Chronik|:_

Erster Tag: [„Der Name des Windes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5367
Zweiter Tag: [„Die Furcht des Weisen“ (Teil 1)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7443
Zweiter Tag: _“Die Furcht des Weisen“_ (Teil 2)
Dritter Tag: „The Doors of Stone“ (angekündigt, noch ohne dt. Titel)

_Nach dem dramatischen_ Geschehen am Ende des Vorgängerbandes macht die Truppe um Kvothe sich auf den Rückweg nach Severe. Sie haben jedoch nicht einmal das Wirtshaus zum güldenen Penny erreicht, als ihnen eine Ablenkung begegnet, der Kvothe nicht widerstehen kann …

_Das klingt jetzt so,_ als fülle diese Ablenkung den Rest des gesamten Buches. Dem ist aber nicht so. Tatsächlich bildet dieses Abenteuer – rein von der Seitenzahl her – nur eine eher kurze Episode. Der Löwenanteil der Geschichte spielt bei den Adem, wo Kvothe das Kämpfen lernt. Mit diesem einen Satz könnte man fast die gesamte Handlung zusammenfassen, falls man lediglich Wert auf Äußerlichkeiten legt.

Natürlich ist es nicht so einfach. Kvothe lernt nicht nur zu kämpfen, er lernt auch eine Sprache. Vor allem aber lernt er eine Kultur kennen, die sich deutlich von seiner eigenen unterscheidet. Das ist es, was eigentlich die übrigen Seiten füllt, und die Geschichte über die schnöden Bewegungsabläufe eines Zweikampfs hinaus interessant hält. Wie schon bei den Ereignissen an der Universität gelingt es dem Autor auch hier, seine Erzählung interessant zu halten, obwohl sie nicht viel Bewegung bietet.

Eine neue Umgebung bedeutet zwangsläufig auch neue Figuren. Nennenswert sind hier vor allem Shehyn, die Leiterin der Kampfschule, und Vashet, Kvothes Lehrerin. Beide sind lebendig und glaubwürdig dargestellt, allerdings nicht mit allzu viel Tiefe. Ich schätze, nachdem Kvothe am Ende des Buches wieder an die Universität zurückgekehrt ist, werden diese Charaktere – ebenso wie Kvothes Begleiter auf der Suche nach den Banditen – wahrscheinlich nicht mehr auftauchen.

Die Suche nach den Chandrian hat in diesem Band erneut kaum Fortschritte gemacht. Durch eine Geschichte aus den Überlieferungen der Adem weiß der Leser nun etwas genauer, wer die Chandrian sind. Und es wurde eine Vermutung bestätigt, die dem aufmerksamen Leser wohl schon an Ende des Vorgängerbandes kam. Alles Übrige entwickelt sich jedoch so subtil, dass ich mir nie so ganz sicher bin, ob ich da nicht vielleicht zu viel reininterpretiere. Trotzdem frage ich mich schon seit längerer Zeit, ob es möglich ist, dass Dennas Schirmherr ein Chandrian ist! Und seit Neuestem, ob es wohl Zufall ist, dass Kvothes Yllisch-Lehrer plötzlich krank wird, nachdem Denna von Kvothes Yllisch-Unterricht erfahren hat.

Abgesehen von den Chandrian finde ich den Cthaeh erwähnenswert, ein boshafter Baum, der die gesamte Zukunft kennt, und sein Wissen nutzt, um diejenigen, die ihm eine Frage stellen, in seinem Sinne zu beeinflussen, weshalb die Sidhe versuchen, jegliches Geschöpf von ihm fernzuhalten. Dieser Aspekt sorgte nicht nur für Streit zwischen Bast, Kvothe und dem Chronisten, sondern auch für einen kurzen Blick auf die philosophische Seite der Problematik.

_Unterm Strich_ bleibt zu sagen, dass der zweite Teil der |Königsmörder-Chronik| genauso fesselnd und interessant erzählt ist wie die Erste. Der Ausflug in einen anderen Landesteil hat der Geschichte sehr gut getan, und wahrscheinlich hat Kvothe in dieser Zeit mehr gelernt als in seinem Jahr an der Universität. Einziger Minuspunkt ist die Aufteilung in zwei Bände. Obwohl ich die Beweggründe des Verlages in diesem Fall durchaus nachvollziehen kann, hat es sich doch als sehr störend erwiesen, und ich würde jedem empfehlen, beide Bände unmittelbar hintereinander zu lesen. Sollte der dritte Teil der Trilogie ebenfalls aufgeteilt werden, bringe ich hoffentlich die Geduld auf, das Erscheinen der zweiten Hälfte abzuwarten.

Patrick Rothfuss stammt aus Wisconsin. Lange Zeit unsicher, was er mit seinem Leben anfangen sollte, studierte er zahllose Fächer, bis die Universität ihn zwang, endlich irgendwo einen Abschluss zu machen. Inzwischen ist er an derselben Universität als Lehrkraft tätig, und die langen Winter in Wisconsin, die er früher mit Lesen verbrachte, verbringt er nun mit Schreiben. Ein Erscheinungstermin für den letzten Band der Trilogie steht bisher noch nicht fest.

|519 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, Vorsatzkarte & Lesebändchen
Originaltitel: The Wise Man’s Fear. Kingkiller Chronicle Vol.2
Aus dem Englischen von Jochen Schwarzer und Wolfram Ströle
ISBN-13: 978-3608939262|
[www.patrickrothfuss.com]http://www.patrickrothfuss.com
[www.klett-cotta.de]http://www.klett-cotta.de/home
[www.hobbitpresse.de/PatrickRothfuss]http://www.hobbitpresse.de/PatrickRothfuss__autor1429.php

Rejchtman, Grzegorz – Ubongo 3D (Brettspiel)

_Kult in 3D_

Man kann es drehen und wenden, wie man will – und das im wahrsten Sinne des Wortes – aber es gibt nur wenige Gesellschaftsspiele, die für die heimische Sammlung derart essenziell erscheinen wie [Ubongo]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4191. Lediglich Klassiker wie „Die Siedler von Catan“, das unverwüstliche Partyspiel „Looping Louie“ oder Gassenhauer wie die „Risiko“-Serie haben in der jüngeren Vergangenheit einen derartigen Kultstatus erlangt, wie das einst sehr passend als ‚Tetris on Speed‘ umschriebene Spiel von Grzegorz Rejchtmann. Dementsprechend war zu erwarten, dass die Grundidee weiter ausgebaut und auch zukünftig mit gleichnamigen Verwandten herumexperimentiert würde. Nach „Ubongo Extrem“ folgt nun vielleicht das anspruchsvollste Spiel der gesamten Reihe – und gleichzeitig ein Titel, der trotz des anfangs abschreckenden, doch verhältnismäßig hohen Preises ebenfalls eine nahezu unverzichtbare Bereicherung für den eigenen Spieleschrank darstellt: „Ubongo 3D“.

_Spielidee:_

Aufbauend auf den Grundmechanismen des klassischen „Ubongo“-Spiels geht es in der 3D-Variante darum, eine exakt vorgegebene Grundfläche mit Spielsteinen aufzufüllen und eben jene Fläche exakt abzudecken. Der elementare Unterschied: Man baut heuer in zwei Etagen und muss dafür sorgen, dass die vorgegebene Grundfläche mit wahlweise drei oder vier Klötzen passend ausgefüllt wird. Dies mag in der Theorie ein leichtes Unterfangen sein, erweist sich in der Praxis jedoch als teilweise ziemlich kniffliges Ereignis, an dem sich selbst die klügsten Köpfe die Zähne ausbeißen sollten.

_Spielmaterial:_

* 36 Legetafeln (mit insgesamt 504 Aufgaben)
* 40 Legeteile
* 1 zehnseitiger Würfel
* 1 Sanduhr
* 1 Stoffbeutel
* 58 Edelsteine
* 1 Lösungsheft

Bei einer Preisempfehlung von ungefähr 50€ darf man berechtigterweise etwas höhere Ansprüche an die Spielmaterialien stellen, zumal nun auch kein grafischer Hochgenuss zu erwarten war. Dennoch hat man sich bei der Produktion des Schachtelinhalts auf relativ schlichte ‚Baustoffe‘ beschränkt, die im Falle der Klötze vielleicht auch ein wenig Enttäuschung hervorrufen. Denn statt sich auf das vertraute Holz zu berufen, hat man Kunststoff als Material für die 40 Legeteile gewählt, und da das Ganze bereits vor dem ersten Gebrauch bzw. vorm eigentlichen Auspacken des Materials leichte Gebrauchs- und Abnutzungsspuren von sich trägt, ist Kritik sicherlich angebracht. Ansonsten ist alles in bewährter Tradition erstellt worden, sprich die Legetafeln mit afrikanischen Mustern, die bereits bekannten Edelsteine und auch die Sanduhr und der Würfel sind qualitativ und optisch sehr ordentlich verarbeitet.

_Spielvorbereitung:_

Vor jeder Partie werden die entsprechenden Spielmaterialien bereitgelegt. Dies sind für jeden Spieler exakt neun Legetafeln, die zu einem großen Stapel zusammengelegt werden, sowie eine Reihe aus jeweils neun blauen und braunen Edelsteinen, mit denen die Spielrunden markiert werden. Die Sanduhr wird bereitgestellt, alle übrigen Edelsteine in den Stoffbeutel gepackt – und dann kann das Spiel auch schon beginnen!

_Spielablauf:_

In jeder Runde wird jedem Spieler eine Legetafel ausgehändigt. Vorab sollte geklärt werden, ob man die einfache Variante mit drei oder die Profi-Version mit vier Legeteilen spielt. Der Spieler, der nun an der Reihe ist, würfelt mit dem zehnseitigen Würfel und entscheidet damit, welche Legeteile für die neue Aufgabe benötigt werden. Welche Teile dies bei welcher Augenzahl sind, ist auf den Tafeln genau festgehalten. Hat nun jeder Spieler die benötigten Klötze aus dem Vorrat herausgesucht, wird die Sanduhr umgedreht, und die Tüftelei beginnt. Sollte es einem Spieler vor Ablauf gelingen, das Rätsel zu lösen, ruft er laut ‚Ubongo‘. Dieser Spieler hat nun Anspruch auf den blauen Edelstein aus der Rundenauslage sowie einen Edelstein aus dem Beutel. Der zweitplatzierte Spieler – sollte es überhaupt einen Zweiten geben, der sein Rätsel löst – darf den braunen Stein und ebenfalls einen Edelstein aus dem Beutel ziehen. Alle anderen Spieler, die vor Ende der Runde ihre Aufgabe lösen, können immerhin noch einmal in den Beutel greifen. Sollte es jedoch vor Ablauf der Sanduhr-Strecke niemandem gelingen, sein Rätsel erfolgreich zu lösen, wird eine zweite Chance gewährt und die Uhr noch einmal gedreht. Wenn es nun jemandem gelingen sollte, die Steine passend abzulegen, darf er sich einmal im Beutel bedienen – die Runde wird dann aber auch sofort abgeschlossen.

So wird nun Runde für Runde gespielt, bis schließlich mit Ende der Runde die Schlusswertung erfolgt. Punkte gibt es selbstredend für die gesammelten Edelsteine, die von unterschiedlichem Wert sind – und wer hier die größte Summe erzielt, hat das Spiel gewonnen.

_Persönlicher Eindruck:_

Es ist schon beeindruckend, wie der Autor aus einer bereits herausragenden Idee (vorläufig?) das Maximum herausgeholt hat. „Ubongo“ gestaltete sich in der jahrelang bekannten Original-Variante bereits knifflig und manchmal mit leichter Tendenz zur Verzweiflung im Kampf gegen die Sanduhr. Doch was dies betrifft, setzt die 3D-Fassung dem Ganzen noch einmal ordentlich eins drauf! Zwar ist die Uhr nicht mehr ausschließlich tonangebend, dafür sind die Rätsel jedoch stellenweise so vertrackt und mit Kopfzerbrechen verbunden, dass es selbst für den absoluten Logiker zur unbezwingbaren Tüftelei ausartet. Gut daran: Der Spaßfaktor bleibt unterdessen nicht auf der Strecke, weil das fordernde Element des Spiels immer wieder motivierend ist, man ständig ins Schmunzeln ob des ordentlichen Anspruchs gerät und es manchmal sogar schwierig ist, sich auf die eigene Aufgabe zu konzentrieren, weil man parallel damit beschäftigt ist, die qualmenden Köpfe seiner Mitspieler zu beobachten.

Daher ist es erst einmal auch gar nicht entscheidend, wer welchen Edelstein ergattert bzw. wer mit ein wenig Glück die besten Steine absahnt und schließlich den Sieg einfährt. Nein, wichtig ist gerade in den ersten Runden, wie das System funktioniert und fesselt, wie wer an seine Aufgaben herangeht, und wie man von der schieren Verzweiflung übermannt wird, wenn es mal nicht so läuft, wie es eigentlich wünschenswert wäre.

In diesem Sinne ist jedoch auch der langfristige Reiz garantiert, zumal mit insgesamt 504 verschiedenen Optionen reichlich Stoff für den leidenschaftlichen Tüftler bereitsteht, die man im Nachhinein aber auch wieder nicht so deutlich überblicken kann, dass man einzelne Aufgaben irgendwann aus dem Stegreif löst. „Ubongo 3D“ lebt mehr noch als seine bisherigen Vorgänger von der permanenten Herausforderung und entwickelt hierbei einen derzeit unvergleichlichen, weil Genre-unabhängigen Spielreiz. Zwar sollte vorausgesetzt sein, dass man „Ubongo“-erprobt ist, damit man ins System hineinfindet und sich selbst nicht überfordert, jedoch kann man bei der anhaltenden Popularität eigentlich davon ausgehen, dass die heimische Sammlung den Original-Klassiker längst beinhaltet. Und wer „Ubongo“ in der Basis-Version lieben gelernt hat, das weiß man schon nach wenigen Testrunden, der wird die 3D-Abart sehr schnell vergöttern, weil sie einer begeisterungsfähigen, kreativen Spielidee noch weitere Reserven entlockt hat. Auch wenn der Anschaffungspreis anfangs ein bisschen abschreckt; man wird diese Investition im Leben nicht bereuen!

|Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 10 Jahren
Anzahl der Spieler: 2 – 4|
[www.kosmos.de]http://www.kosmos.de

Klein, Rachel – The Moth Diaries – Die Sehnsucht der Falter

2012 kommt der Film „The Moth Diaries“ in die Kino. Er handelt von einem Mädchen, das auf einem Mädcheninternat lebt, auf dem sich mit der Ankunft einer neuen Schülerin merkwürdige Dinge ereignen. Als Romanvorlage diente Rachel Kleins „The Moth Diaries – Die Sehnsucht der Falter“, ein zuerst 2002 veröffentlichtes Buch, das aber im Gegensatz zum Film in den 60ern oder frühen 70ern spielt.

Die junge Jüdin Rebecca geht auf ein amerikanisches Mädcheninternat und kann das neue Schuljahr und das Wiedersehen mit ihrer besten Freundin Lucy gar nicht erwarten. Doch ihre Freude wird nach einigen Tagen getrübt. Lucy verbringt immer mehr Zeit mit der Neuen in ihrer Klasse, der geheimnisvollen Ernessa, die nie isst, viel raucht und ihr Zimmer nie lüftet. Rebecca ist eifersüchtig auf Ernessa, mit der sie einige Gemeinsamkeiten hat. Zum einen sind beide Jüdinnen, zum anderen haben sie beide ihren Vater verloren, was Ernessa immer wieder gerne erwähnt.

Der Internatsalltag der Mädchen wird jäh unterbrochen, als eine Schülerin, Dora, eines Morgens tot aufgefunden wird. Sie ist vom Dach des Internats gefallen. Alle gehen von einem Unfall aus, aber Rebecca weiß es besser, denn Doras Leiche liegt direkt unter dem Fenster von Ernessa. Dann geschehen weitere mysteriöse Dinge …

_Liest man den Klappentext_ oder Kritiken von „The Moth Diaries“ hat man den Eindruck, es würde sich dabei entweder um eine etwas düsterere Version von „Hanni und Nanni“ oder „noch ein Vampirbuch“ handeln. Damit tut man Rachel Klein allerdings unrecht. Sie hat mit ihrem Roman ein tolles Buch mit jugendlichen Figuren geschrieben, dass auch für Erwachsene sehr interessant ist. Drei Dinge ragen besonders heraus: die Atmosphäre im Buch, die Erzählerin und der subtile Horror, der mit der Zeit immer deutlicher zutage tritt.

Die Geschichte ist nicht als Fließtext verfasst, sondern wird von Rebecca in authentischer Tagebuchform geschrieben. Es gibt längere wie auch kürzere Einträge, Einträge, in denen es nur um ihre Gedanken und Gefühle geht wie auch solche, in denen sie Ereignisse beschreibt. Die Autorin hält diesen Stil bewundernswert durch. Der Leser hat tatsächlich das Gefühl, einem jungen Mädchen beim Tagebuchschreiben über die Schulter zu schauen, anstatt einen Roman in der Hand zu haben. Neben einer sehr subjektiven Erzählperspektive bedeutet das auch, dass Rebecca nicht nur über die eigentliche Handlung schreibt, sondern auch andere Dinge einbringt. Sie berichtet ausführlich über den Internatsalltag, beschreibt Lehrerinnen, den Unterricht bei Mr. Davies, dem einzigen Mann an der Schule, und erzählt immer wieder von den Unterrichtsinhalten, vor allem den Büchern, die sie lesen muss. Die Autorin schafft es, dass Rebeccas Leben sowie die Besonderheiten der damaligen Zeit lebendig werden.

Dies ist die Grundlage für eine außergewöhnliche Erzählerin, die nicht alles bis ins kleinste Detail beschreibt, sondern häufig nur wenige Sätze benutzt und die Lücken vom Leser selbst füllen lässt. Rebecca wirkt sehr naiv, zurückhaltend und ein wenig prüde – Sex und Jungs findet sie (noch) doof. Gleichzeitig vertraut sie sich aber voll und ganz ihrem Tagebuch an, so dass man sie als Leser wirklich sehr genau kennenlernt und dabei merkt, dass mehr hinter ihrer Fassade steckt. Der Selbstmord ihres Vaters beschäftigt sie beispielsweise sehr, genau wie ihre Sorge um Lucy.

Mit der Zeit merkt man allerdings, dass ihre Sicht der Dinge vielleicht nicht unbedingt der Wahrheit entspricht. Je besser man Rebecca kennenlernt, umso instabiler wirkt sie. Rachel Klein lässt es dabei gekonnt im Vagen, ob die Ereignisse sich wirklich so abgespielt haben, wie Rebecca sie berichtet oder ob sie in Ernessa einfach eine Nebenbuhlerin um die Freundschaft mit Lucy sieht. Steigert sie sich nur rein und sieht Dinge, die nicht da sind, oder benimmt sich Ernessa wirklich so merkwürdig, hat Angst vor dem Sonnenlicht und ein Zimmer voller Motten? Dieses geschickte Verwirrspiel lässt den Leser am Ende zwar ratlos zurück, gelungen ist es trotzdem. Man denkt noch eine ganze Weile darüber nach, wer oder was Ernessa jetzt eigentlich ist und was die Autorin genau damit sagen möchte.

_“The Moth Diaries – Die Sehnsucht der Falter“_ ist ein ungewöhnliches Buch, das geschickt mit seinem Leser spielt. Hervorragend geschrieben und aufgebaut überlässt es ihm am Ende selbst, über die Glaubwürdigkeit von Erzählerin Rebecca zu urteilen. Spannend und sehr lesenswert!

|Originaltitel: The Moth Diaries
Deutsch von Susanne Goga-Klinkenberg
312 Seiten, broschiert
ISBN-13: 978-3841421395|
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