Minninger, André (Adaption) / Sonnleitner, Marco (Autor) – Die drei ??? – Stadt der Vampire (Hörspiel) (Folge 140)

Zu der Zeit als Fall 140 der drei Detektive die Buchläden erreichte, schwelte ein inzwischen fast schon legendär gewordener Lizenzstreit zwischen Stammverlag |Kosmos| und den |EUROPA|-Studios, in dessen Konsequenz und in einem Anflug zivilen Ungehorsams Letztere die Serie „Die Dr3i“ auf Basis der originalen Figuren von Robert Arthur als Hörspiele auflegten. Glücklicherweise wurde der Zwist schon bald beigelegt und die drei ??? durften endlich – seit inzwischen 30 Jahren gewohnter Manier – auch wieder in den Hörspielen ermitteln und die „Dr3i“ wurden zur großen Freude der Fans eingestellt. Marco Sonnleitners „Stadt der Vampire“ von 2008 brauchte dennoch immerhin noch zwei volle Jahre bis zu seiner Vertonung.

_Zur Story_

Justus, Peter und Bob sind in den Ferien des Detektivtreibens ein wenig überdrüssig und machen sich auf in die nahen Rocky Mountains. Einfach mal ein wenig wandern und die Seele baumeln lassen. Eine kleine, versteckt liegende Ortschaft erregt ihre Neugier schon von Weitem und weckt zudem Sehnsüchte nach einem Gasthaus mit saftigen Steaks und Fritten – statt Konserven vom Gaskocher. „Yonderwood“, wie Bobs Karte verrät, wird aber wohl zumindest einen Laden haben, damit sich die Jungs mit einigen Vorräten eindecken können. Da auch noch ein Unwetter heraufzieht, beeilen sie sich das Kaff rechtzeitig zu erreichen. Das bietet allerdings auch ohne das nun einsetzende Gewitter ein gespenstisches Bild. Die Hälfte der Häuser scheint verlassen und kurz darauf, in der mit Kreuzen und Knoblauch überdekorierten Dorfkneipe, bereitet man ihnen einen höchst eisigen Empfang. Immerhin gelangen sie doch noch zum Drugstore, wo Betreiberin Josy ihnen nach anfänglichem, peinlichem Zögern auch verrät, warum alle hier so komisch sind: In Yonderwood geht seit geraumer Zeit ein Vampir um.

_Eindrücke_

Der Beginn ist viel versprechend, wenn auch nicht sonderlich neu: Die drei ??? in den Bergen? Das hatten wir alles schon bei „Nebelberg“ & Co. Jammern auf hohem Niveau?. Vielleicht. Grund für des Rezensenten bereits recht früh einsetzenden Missmut ist aber schon die von Beginn an nicht wirklich überzeugende Produktion. Das fängt bei Bobs langwierigem Zählen der Blitz-/Donner-Zeiten an und geht über sein nerviges Gestammel beim Lesen der Landkarte bis hin zu ebensolchem im Pub. Dort befinden sich die Sprecher allerdings in bester – respektive schlechter – Gesellschaft, denn insbesondere diese Szene ist an falscher wie liebloser Betonung der hölzernen Dialoge kaum zu übertreffen. Doch. Gastsprecher und Schauspiel-Legende Gerd Baltus als sabbernder und vollkommen unglaubwürdig klingender Pfarrer schießt diesbezüglich den Vogel noch ab.

Irgendwie will bei den Sprechern diesmal der Funke nicht so recht überspringen. Ausnahmen sind Lily Draeger und Sascha Rotermund, deren Performance ausgezeichnet ist, ansonsten ist „lustlos“ die passendste Vokabel, selbst Oliver Rohrbecks fehlerhaftes „YonderHOOD“ blieb von der Regie offenbar unbemerkt. Ein Grund könnte die gegenüber dem Buch arg eingedampfte Geschichte sein, der man ausgerechnet für die Hörspieladaption einige wichtige und spannungsförderliche sowie sinnstiftende Schlüsselmomente gestrichen hat. Damit ist sie lahm, wirr und zahnlos (nettes Bild bei einer Vampirgeschichte) geworden, vielleicht schlug das allen Beteiligten etwas aufs Gemüt. Lediglich die Musik weiß zu gefallen, vor allem das sakrale Orgelspiel passt sehr gut ins Szenario, doch auch die Sound-Bites der seligen (Ur-)Hui Buh Ära sind artgerecht verwendet.

Die Buchvorlage hatte eigentlich nur einen wirklichen Schwachpunkt und der lag darin, dass der Übeltäter ohne Not das ganze Brimborium veranstaltet und sich somit quasi (und vollkommen unnötigerweise) grade dadurch selbst ein Bein stellt. Natürlich gehören solcherlei nicht immer ganz nachvollziehbares Gehabe und Übertreibung auch irgendwie zu einem drei-???-Fall wie das Pflegen bestimmter Klischees. Allerdings ist bei der Umsetzung einiges schiefgegangen. Zum Beispiel die gefundene Patronenhülse im Grab, aus der dann später beim großen, pathetischen Justus-erklärt-allen-mal-wieder-alles-haarklein-Finale ein Projektil wird. Letzteres ist übrigens korrekt, logisch und vorlagenkonform. Die Hülse hat sich fälschlicher- wie frecherweise ins Drehbuch geschlichen. Wie so manche andere kleine Seltsamkeit, die erst mit Kenntnis des Buches plötzlich sinniger erscheint. Details seien hier aus Gründen des letzten bisschen Spannungserhalts verschwiegen.

_Die Produktion_

Buch und Effekte: André Minninger
Redaktion und Geräusche: Wanda Osten
Regie und Produktion: Heikedine Körting
Musik: Hagitte & Bertling (STIL), Morgenstern, George, Conrad

_Sprecher und Figuren_

Oliver Rohrbeck (Justus Jonas), Jens Wawrczeck (Peter Shaw), Andreas Fröhlich (Bob Andrews), Thomas Fritsch (Erzähler), Lili Draeger (Josy McDonaghough), Christian Senger (Homer Diesel), Annabelle Krieg (Mary Stamper), Klaus Dittmann (Otis Stamper), Eckehard Dux (Jonathan Black), Sascha Rotermund (Miles Black), Steffi Kirchberger (Klara Kowalski), Gustav A. Artz (Silverster Proud), Gerd Baltus (Pfarrer Clark)

_Fazit_

Während das Buch trotz seines nicht immer ganz plausiblen Grundgerüsts trotzdem zu überzeugen weiß, präsentiert sich das gleichnamige Hörspiel als höchst alberner Abklatsch. Ausgerechnet die Stellen, an denen die Vorlage es versteht Spannung und Atmosphäre aufzubauen, griff hier der Rotstift vollkommen unverständlich ein. Auf der anderen Seite wurden dafür ziemlich unwichtige Szenen in die Länge gezogen und die eigentlich spannende und mysteriöse Geschichte mit unterdurchschnittlicher Sprecher- sowie Regieleistung endgültig zunichtegemacht. Von einigen Logiklöchern mal ganz zu schweigen. Kleiner Trost: Die Vorlage füllt diese auf unterhaltsame Art auf, es lohnt sich also, das Buch in die Hand zu nehmen. Für die ziemlich vergeigte Adaption zeigt der Daumen jedoch deutlich nach unten.

|Audio-CD mit einer Laufzeit von ca. 82 Minuten
Erzählt von Marco Sonnleitner nach Figuren von Robert Arthur
EAN: 886974414025|
[www.natuerlichvoneuropa.de]http://www.natuerlichvoneuropa.de

Mehr als 80 weitere Rezensionen zu den „Drei ???“ findet ihr in unserer [Datenbank]http://buchwurm.info/book .

Eva Völler – Zeitenzauber – Die magische Gondel

Venedig 2009. Die 17 Jahre junge Anna_ verbringt mit ihren Eltern die Sommerferien in Venedig. Ihr Vater, ein bekannter Archäologe, hat beruflich in der Stadt der schwarzen Gondeln zu tun. Nachdem Anna schon viel Kultur „ertragen“ musste, ist sie froh, dass ihre Eltern viel unterwegs sind und sie ihre Tage frei von Verpflichtungen gestalten kann.

Bei einem Stadtbummel fällt Anna eine rote Gondel ins Auge, sie stutzt kurz, schließlich sind in Venedig alle Gondeln schwarz. Da am nächsten Tag jedoch eine historische Bootsparade stattfindet, misst sie der Gondel nicht allzu viel Bedeutung bei. Merkwürdig ist allerdings, dass sie ein leichtes Kribbeln im Nacken spürt, eine Warnung vor Gefahr!

Am nächsten Tag besucht Anna mit ihren Eltern die historische Bootsparade. Durch ein Gedränge, hervorgerufen durch einen gutaussehenden Jungen, wird Anna ins Wasser gestoßen. Prustend taucht sie aus dem verschmutzen Wasser auf und wird von einem alten einäugigen Gondoliere ausgerechnet in die merkwürdige rote Gondel gezogen. Anna will gerade wieder auf den Bootssteg klettern, als die Luft um sie zu flirren beginnt. Plötzlich wird die Welt dunkel um Anna und sie verliert das Bewusstsein.

Anna erwacht völlig nackt und muss mit Erschrecken feststellen, dass sie im Venedig des 15. Jahrhunderts gelandet ist!

_Kritik_

Eva Völler hat mit „Zeitenzauber – Die magische Gondel“ ihren ersten Jugendroman im Genre „Fantasy“ geschrieben. Eingebettet in eine wunderbare Kulisse erzählt die Autorin die Abenteuer die Anna erlebt.

Klar und flüssig erzählt Eva Völler die fesselnde Geschichte, rückblickend auf die Ereignisse, aus der Perspektive ihrer jungen Protagonistin Anna. Der Schreibstil ist auf die Zielgruppe junger Leser ausgerichtet. Verständlich und mit einer guten Portion Humor fesselt die Autorin ihre Leser spielend. Begriffe und Schauplätze, die nicht jedem geläufig sind, wie beispielsweise die Namen einiger Museen oder die mittelalterlichen Zeitangaben wie „Terz“ werden in der Fußzeile erklärt. So ist der unterhaltsame Roman auch für jüngere Leser leicht verständlich. Humorvoll löst die Autorin auch das Problem mit den neumodischen Begriffen im Jahre 1499, ihre Darsteller aus der Zukunft unterliegen einer Sprach-„Sperre“, die zum Beispiel aus der Toilette einen Abtritt oder aus einem iPod schnell einen Spiegel werden lässt.

Der Großteil der Geschichte spielt sich im Venedig des Jahres 1499 ab, dank einer guten Recherche, schafft es die Autorin den Lesern diese Zeit in der Renaissance bildgewaltig nahezubringen. Authentisch und detailliert werden die Gebäude und die Stadt beschrieben und so fällt es leicht, mit den Figuren in die Geschichte einzutauchen.

Auch die Spannung lässt keine Wünsche offen, mit den Ereignissen steigt auch der Spannungsbogen stetig an und schnell ist der Leser von den abwechslungsreichen Abenteuern gefesselt. Nach einem spannenden Showdown läuft die Geschichte langsam aus. Dabei bleiben letztendlich jedoch einige Fragen offen, was auf weitere Fortsetzungen hoffen lässt. Auch die abschließenden Ereignisse lassen auf den Beginn einer Reihe hoffen.

Eva Völler hat ihre liebenswerten Darsteller sehr sympathisch und authentisch konzipiert. Äußere Erkennungsmerkmale sind hervorgehoben und so fällt es leicht, sich die Figuren bildlich vorzustellen. Auch das Verhalten passt zu dem jeweiligen Alter und auch zu den Zeiten, aus denen die verschiedenen Figuren kommen.

Am besten lernt der Leser Anna kennen, da die Geschichte aus ihrer Sicht erzählt wird, werden ihre Charaktereigenschaften und Gefühle glaubwürdig übermittelt und der Leser hat die Chance, sich in die junge Protagonistin hineinzuversetzen. Altersgemäß tritt Anna auf und beweist zudem eine Menge Mut.

Leider wirken die weiteren Figuren recht eindimensional und blass. Auch wenn diese Figuren trotzdem für einige Überraschungen im Handlungsverlauf sorgen, wirken diese unvollständig. Einige Fragen bleiben daher ungeklärt oder verlaufen im Nichts. Viele Hintergründe dieser Charaktere werden nur kurz angerissen und diese werden lediglich von der Handlung vorangetrieben. Hier bleibt zu hoffen, dass die Autorin einen Mehrteiler geplant hat und sich auch die weiteren Figuren entwickeln können.

Das Cover fällt besonders ins Auge, auf dunkelblauem Hintergrund sind ein voller Mond, eine rote Gondel und Anna zu sehen. In diese Illustrationen ist der Titel eingebettet. Stimmig zum Inhalt ist dieses Cover wunderschön anzusehen.

_Autorin_

Eva Völler hat sich schon als Kind gern Geschichten ausgedacht. Trotzdem hat sie zuerst als Richterin und später als Rechtsanwältin ihre Brötchen verdient, bevor sie Juristerei und Robe schließlich endgültig an den Nagel hängte. „Vom Bücherschreiben kriegt man auf Dauer einfach bessere Laune als von Rechtsstreitigkeiten. Und man kann jedes Mal selbst bestimmen, wie es am Ende ausgeht.“ Die Autorin lebt mit ihren Kindern am Rande der Rhön in Hessen.

_Fazit_

„Zeitenzauber – Die magische Gondel“ ist ein zauberhafter und magischer Jugendroman. Eva Völler hat hier, trotz der bekannten Idee, etwas ganz Eigenes geschaffen. Hier überzeugt nicht nur der charmante Sprachstil, auch die zarte Romanze und besonders die wunderbare Kulisse überzeugen absolut. Da fällt es leicht, kleinere Schwächen zu vergeben.

Junge und jung gebliebene Leser werden viel Freude an „Zeitenzauber – Die magische Gondel“ haben, besonders Liebhaber von Zeitreiseromanen wie zum Beispiel Kerstin Giers „Edelstein“-Trilogie ist das Buch wärmstens zu empfehlen.

Gebundene Ausgabe: 336 Seiten
ISBN-13: 978-3833900266
www.luebbe.de
www.evavoeller.de

Bennett, Robert Jackson – Mr. Shivers

_Inhalt_

Für Michael Conelly ist seit dem Tod seiner Tochter nichts mehr, wie es einmal war. Diese wurde brutal ermordet und in all der Trauer hat Michael Conelly nur einen Wunsch: Rache! Besessen von diesem Wunsch verlässt er seine Frau und irrt als Landstreicher durchs Land, um den Mörder, den alle nur Mr. Shivers nennen, zu finden und zu töten. Während seiner Tour durchs Land lernt er immer mehr Menschen kennen, die ebenfalls Rache an Mr. Shivers üben wollen, denn der Mord an Conellys Tochter ist nicht der Einzige.
Aber können die Männer ihn tatsächlich finden und es mit dem Serienkiller aufnehmen?

_Eindruck_

„Mr. Shivers“ ist das Erstlingswerk von Robert Jackson Bennett. Der Schreibstil ist flüssig, direkt und schonungslos, so sollte ein Thriller geschrieben sein. Perfekt. Obwohl der Inhalt selbst mich nicht ganz von sich überzeugen konnte, so konnte es der Autor auf jeden Fall. Seine Ideen wurden gut umgesetzt und die Thrillerelemente sind sehr gut verpackt. Da kann man noch Großes erwarten.

Die Geschichte bleibt bis zum Schluss spannungsgeladen, allerdings gibt es auch hier Höhen und Tiefen. Einige Sachen waren vorhersehbar, andere haben mich dagegen absolut überrascht. Unverständlich ist jedoch für mich, dass dieser Roman allen Stephen-King-Lesern empfohlen wird. Sicherlich, „Mr. Shivers“ ist ein Thriller, aber die gewisse Portion Horror, die man bei King erwarten darf, wird dem Leser hier nicht geboten. Da wäre eine Empfehlung in Richtung Dan Wells passender gewesen, da man so nicht in die Irre geführt wird und etwas anderes erwartet.

Die Gefühlswelt von Michael Conelly, der hier als Progragonist durch die Geschichte führt, ist erschreckend und nachvollziehbar zugleich. Seine Rache- und Mordgelüste gegenüber Mr. Shivers werden authentisch dargestellt und ich habe als Leserin ein gutes Bild darüber bekommen, was passieren kann, wenn man einen Menschen zu sehr hasst.

Besonders gelungen ist das Cover und die Buchgestaltung. Die verschiedenen Grüntöne und die verlassene Landschaft passen perfekt zur düsteren Stimmung. Gleichzeitig ist die Straße ein gutes Bild für den langen Weg, den Michael Conelly hier zu gehen hat. Das Taschenbuch hat den „Rough Cut“-Look erhalten, den der Verlag besonders gerne bei seinen Thrillern anbringt (siehe auch die Serienkiller-Reihe von Dan Wells). Die durchgezackten Seitenränder kann man mögen, muss man aber nicht. Ich für meinen Teil mag diese sehr gerne.

_Fazit:_

Robert Jackson Bennett hat mit „Mr. Shivers“ einen soliden Debutroman geschrieben, der für ein paar entspannte Lesestunden gesorgt hat, aber nicht lange in Erinnerung bleibt. Der Autor ist jedoch so talentiert und ideenreich, dass ich auf viele weitere Bücher von ihm gespannt bin.

|Taschenbuch: 400 Seiten
Originaltitel: Mr. Shivers
Ins Deutsche übertragen von Andreas Decker
ISBN 978-3492267533|
[www.piper-verlag.de]http://www.piper-verlag.de

_Sabrina Reithmacher_

Flinn, Alex – Kissed

_Der 17 Jahre alte Jonny_ arbeitet in seinen Ferien im Familienbetrieb, einem Schusterladen in einem großen Hotel Miamis. Trotzdem er fast rund um die Uhr arbeitet und auch seine Mutter einen weitern Job angenommen hat, ist die kleine Familie kaum in der Lage, anfallende Rechnungen zu bezahlen.

Als dann Prinzessin Victoriana in dem Hotel absteigt, scheint sich jedoch das Blatt zu wenden. Victoriana macht Jonny ein Angebot, das ihm ein sorgloses Leben verspricht. Ungläubig hört sich Jonny Victorianas Geschichte an. Eine böse Hexe hat ihren Bruder Prinz Philippe in einen Frosch verwandelt, um sie zu einer Ehe mit dem grausamen Prinzen Wolfgang zu zwingen.

Victoriana bietet Jonny nicht nur mehr als genug Geld um die offenen Rechnungen zu zahlen, sondern verspricht ihm auch die Ehe, falls er in der Lage ist, ihren Bruder zu retten. Jonny hält Victoriana für verrückt, bis sie Jonny zwei magische Geschenke macht, mit denen er unter anderem in der Lage ist, sich mit zu Tieren verwandelten Menschen zu unterhalten.

So macht sich Jonny an die schier unmögliche Aufgabe, Prinz Philippe zu finden.

_Kritik_

Nach dem erfolgreichen Roman „Beastly“ hat die Autorin Alex Flinn einen neuen märchenhaften Roman veröffentlicht: „Kissed“. „Kissed“ vereint verschiedene Märchen wie „Der Froschkönig“, „Die sechs Schwäne“, „Die Wichtelmänner“, um nur ein paar zu nennen.

Dem fließenden und jugendlich gehaltenen Erzählstil der Autorin kann leicht gefolgt werden und kurze Kapitel unterstützen zudem den Lesefluss. Lebendig weiß die Autorin ihre abwechslungsreiche und magische Handlung zu gestalten und den Spannungsbogen auszubauen. Dieser flaut zwar immer mal wieder ab, wird dann aber durch verschiedene Ereignisse geschickt wieder angezogen.

Während die Dialoge zwischen Jonny und seiner besten Freundin Meg, auch durch verschiedene Schuhzitate aus Märchen und Filmen, angenehm und amüsant zu lesen sind, wirken die Dialoge zwischen ihm und Victoriana anstrengend. Dies liegt vor allem an Victorianas französischem Akzent, hier währe es passender und wesentlich angenehmer gewesen, hätte die Autorin diesen nur erwähnt.

Erzählt wird die Geschichte von Jonny selbst. Aus dieser Perspektive erlebt der Leser nicht nur die Ereignisse mit, auch Jonnys Gefühle und Gedanken werden authentisch vermittelt. Schnell lernt der Leser diesen sympathischen Charakter in seiner ganzen Vielfalt kennen.

Überhaupt hat Alex Flinn sehr lebendige Figuren geschaffen. Diese wirken greifbar und haben einen authentischen Hintergrund, der sie antreibt. Jonny ist trotz seiner jungen Jahre sehr verantwortungsbewusst und stellt seine eigenen Träume schon mal nach hinten, um seiner Mutter zu helfen, den seit Generationen im Familienbetrieb befindlichen Schusterladen zu halten. Passend zu seinem Alter reagiert er, trotz seiner Reife, aber auch etwas blauäugig auf das Heiratsangebot von Prinzessin Victoriana. Ihr Geld und das ansprechende Äußere der Prinzessin scheinen ihm schon Garant für eine glückliche Ehe.
Victoriana erfüllt zunächst das Klischee der blonden und verwöhnten Prinzessin voll und ganz. Doch dieser erste Eindruck erweist sich schnell als falsch, versucht sie durch ihre Eskapaden das Augenmerk von ihrem vermissten Bruder abzulenken. Schließlich ist nicht nur sie auf der Suche nach Prinz Philippe, auch die böse Hexe Sieglinde ist dem Froschprinzen auf den Fersen.

Überraschend war Jonnys Freundin Meg. Genau wie Jonny arbeitet sie hart im Familienbetrieb und trägt die Last geduldig. Auch sie hat so manches Geheimnis, und als Jonny dringend Hilfe benötigt, ist sie zur Stelle. Obwohl Meg Gefahr läuft, Jonny nach dem gemeinsamen Abenteuer zu verlieren, unterstützt sie ihn in seinem Vorhaben und rettet ihn nicht nur einmal. Als fassbare Gegenspielerin fungiert die Hexe Sieglinde, machthungrig und von zweifelhaftem Charakter füllt diese die ihr angedachte Rolle sehr gut aus.

Die einzelnen Kapitel werden durch Zitate aus den verschiedenen Märchen eingeleitet, die Bestandteil von „Kissed“ sind. Diese passen immer wunderbar zu den märchenhaften Ereignissen. Auch das Cover ist märchenhaft. Auf mattschwarzem Hintergrund hebt sich der Titel durch die froschgrüne Farbe und Spotlack hervor. Dem Titel entspringt ein Seerosenblatt, auf dem der gekrönte Froschprinz sitzt.

_Autorin_

Alex Flinn, geb.1966 in New York, lernte schon mit drei Jahren Lesen und wollte bereits mit fünf Schriftstellerin werden. Heute ist sie eine vielfach preisgekrönte Jugendbuchautorin, die Märchen ganz besonders liebt und zahlreiche Bücher erfolgreich veröffentlicht hat. Im Baumhaus Verlag erschienen bereits ihr Romanbestseller „Beastly“, der auch verfilmt wurde, sowie der romantische Liebesroman „Kissed“.

_Fazit_

Insgesamt ist der Autorin Alex Flinn mit „Kissed“ ein lesenswerter Roman gelungen. Der magische Plot, interessante Charaktere und eine jugendliche Sicht der Dinge machen „Kissed“ aus. Vor allem jugendliche Leser, die sich von Märchen verzaubern lassen, sind hier in jedem Fall richtig und dürften sich begeistert auf das Gebotene stürzen.

|Hardcover: 368 Seiten
Originaltitel: Cloaked
Ins Deutsche übertragen von Sonja Häußler
ISBN 978-3833900211|
[www.luebbe.de]http://www.luebbe.de
[www.alexflinn.com]http://www.alexflinn.com

Campbell, Jack – Gearys Ehre (Die Verschollene Flotte 4)

_|Die verschollene Flotte|:_

Band 1: [„Furchtlos“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6124
Band 2: „Black Jack“
Band 3: [„Fluchtpunkt Ixion“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7009
Band 4: _“Gearys Ehre“_
Band 5: „Der Hinterhalt“ („Relentless“, 2009) (erscheint am 25.11.2011)
Band 6: „The Lost Fleet: Victorious“ (2010)
Band 7: „The Lost Fleet: Beyond the Frontier“ (04/2011)

Alles klar Schiff? Es menschelt gewaltig an Bord

Seit hundert Jahren kämpft die Allianz verzweifelt gegen die Syndikatswelten, und die erschöpfte Flotte ist in Feindgebiet gelandet. Ihre einzige Hoffnung: Captain John Geary. Seit seinem heldenhaften letzten Gefecht hält man ihn für tot. Doch wie durch ein Wunder hat er im Kälteschlaf überlebt. Nun soll er als dienstältester Offizier das Kommando über die Flotte übernehmen, um sie sicher nach Hause zu bringen. In einem Krieg, der nur in einem Fiasko enden kann …

Band 4: „Black Jack“ Geary musste als Kommandeur schon viele riskante Entscheidungen fällen. Doch seine Offiziere zweifeln an seinem Verstand, als er die Allianz-Flotte wieder ins Lakota-Sternensystem zurückbeordert, wo sie zuletzt beinahe zerstört wurde. Während er sich bemüht, dem Feind immer einen Schritt voraus zu sein, muss er sich Verschwörern aus den eigenen Reihen stellen – eine unbekannte Anzahl an Offizieren will ihn des Kommandos entheben. Geary weiß, dass seine Flotte sich keinesfalls innere Unruhen leisten kann. Denn sonst reißen die Syndics ihn und seine Leute in tausend Stücke … (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Hinter dem Pseudonym „Jack Campbell“ verbirgt sich der ehemalige U.S. Navy-Offizier John G. Hemry. In seinem aktiven Dienst bei der Marine sammelte er viel Erfahrung, die er in seine SF-Romane einfließen ließ. Campbell lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in Maryland, unweit Washington, D.C.

Zyklus „Stark’s War“

1. Stark’s War (April 2000)
2. Stark’s Command (April 2001)
3. Stark’s Crusade (March 2002)

Zyklus „Paul Sinclair“

1. A Just Determination (May 2003)
2. Burden of Proof (March 2004)
3. Rule of Evidence (March 2005)
4. Against All Enemies (March 2006)

_Vorgeschichte_

Captain John „Black Jack“ Geary ist ein Kriegsheld aus jenen Tagen vor hundert Jahren, als der Krieg der Allianz mit den Syndikatswelten begann. Damals rettete er sich an Bord einer Rettungskapsel, die ihn im Kälteschlaf hielt, und wurde hundert Jahre später aufgefischt. Jetzt hat ihn die Flotte wieder aufgetaut, weil ein Notfall eingetreten ist: Die Allianz-Flotte ist im Feindgebiet umzingelt, nachdem sie verraten wurde. Ihr bleibt nur die Wahl zwischen bedingungsloser Kapitulation und völliger Vernichtung durch die zahlenmäßig überlegene Syndic-Flotte.

Geary verlässt seine Kabine an Bord des Flaggschiffs „Dauntless“ (= Furchtlos) und geht zur Brücke. Dort übergibt ihm Admiral Bloch als dem dienstältsten Offizier das Kommando über die Flotte und verrät ihm ein ungemein wichtiges Geheimnis: Die „Dauntless“ darf um keinen Preis in die Hand des Feindes fallen, sonst ist die Allianz verloren. Dann fliegt Bloch mit einer Fähre zum Flaggschiff des Gegners, um zu verhandeln. Hilflos muss Geary auf dem Bildschirm die Videoübertragung mit ansehen, wie der Vorstandsvorsitzende (CEO) des Syndikats Bloch und seine Adjutanten kaltblütig abknallen lässt. Es gibt keine Verhandlungen, sondern ein Ultimatum: eine Stunde bis zu Kapitulation oder Vernichtung.

Eine Stunde kann eine Menge Zeit sein, wenn es drauf ankommt, denkt Geary. Nach einer Rücksprache mit Captain Desjani, der Kommandantin der „Dauntless“, über das Geheimnis lässt er eine Videokonferenz der anderen Kapitäne einberufen. Er bringt trotz des Widerstands einiger Offiziere – wer traut schon einem Aufgetauten? – alle auf seine Linie und lässt einen Rückzugsplan ausarbeiten: Operation Ouvertüre. In einem Vier-Augen-Gespräch mit der Ko-Präsidentin zweier verbündeter Flotten muss er zu seinem Missvergnügen feststellen, dass auch sie das Geheimnis der Flotte kennt – oder zumindest gut geraten hat. Immerhin ist Ko-Präsidentin Victoria Rione abschließend bereit, den Gegner hinzuhalten.

Während sich die Flotte umformiert, um den Massensprungpunkt anzuvisieren, der sie aus dem feindlichen System herauskatapultiert, führt Geary ein Gespräch mit dem CEO des Gegners. Der ist zunächst verständlicherweise ungläubig, dass ein vor hundert Jahren gestorbener Offizier nun das Kommando über die Allianz-Flotte übernommen haben will. Das soll wohl ein Trick oder schlechter Scherz sein? Geary pflegt nicht zu scherzen, aber es gibt ihm Gelegenheit, den CEO eine weitere halbe Stunde aufzuhalten. Bis dieser die Verbindung entnervt unterbricht, um Gearys Offiziere einzeln zur Aufgabe zu überreden. Geary unterbindet diesen Versuch energisch.

Mit einem verlustreichen Rückzugsgefecht gelingt es Geary, seine Flotte fast komplett aus dem Feindsystem springen zu lassen. Doch er verliert dabei seinen Großneffen, der sich für die Flotte opfert und in Gefangenschaft geht. Geary verspricht ihm, ihn rauszuholen und Michaels Schwester zu kontaktieren, die auf einer der Allianzwelten lebt.

Doch jenseits des Zielpunktes nach dem Sprung muss Geary feststellen, dass hundert Jahre Krieg ihre Spuren hinterlassen haben, nicht nur auf den Welten, sondern vor allem in Gearys eigener Flotte …

_Handlung_

Im Lakota-System hat die Flotte vor den überlegenen Syndiks nach Ixion Reißaus nehmen müssen. Doch dort gab es kein Weiterkommen, also kehrte Geary mit seiner Flotte in einem wahnwitzig erscheinenden Manöver um und zerschoss das Zentrum der sie verfolgenden Flotte, büßte dabei jedoch drei Schlachtschiffe ein. Es dürfte ein paar Stunden, bis die Syndik-Flotte das Wendemanöver nachvollzieht, erwartet Geary.

Nun befindet sich seine Flotte in einem ahnungslosen und im Durcheinander befindlichen Lakota-System, das er nach seinem Belieben gestalten kann. Wracks schweben ebenso umher wie Gefängsnisschiffe und große Frachter. Da die Flotte dringen neue Ressourcen benötigt, lässt er diese Frachter als Erstes kapern, dann die Gefangenen der Allianz von den Gefängnisschiffen holen – insbesondere von der „Audacious“ – und kann einen Plan vorbereiten, wie er die bald zurückkehrende Syndik-Flotte empfangen will.

Zu seinem Erstaunen hat er mehr als vier Lichtstunden Zeit, und zwar vor allem aus dem Grund, dass die beiden CEOs der gegnerischen Flotte um die Ehre streiten, Geary fertigmachen zu dürfen. Bei den Syndiks läuft die Führungswechseltaktik eben anders als bei der Allianz. Der obsiegende CEO verfolgt nun die Allianz-Flotte mit aller Macht, um deren vermeintlich wehrlose Überreste ins Nirvana zu blasen.

Allerdings hat Geary mit einer Idee Victorias Riones und der Hilfe von Captain Tanya Desjani eine Falle aufgestellt, die sich für die Syndik-Flotte als verheerend erweisen soll …

Nach der Vernichtung der Syndiks erhalten die Wachschiffe der Syndiks im Lakota-System von fliehenden Syndik-Schiffen den Befehl, das Hypernet-Portal zu sprengen. Zu spät erkennt Geary die potenzielle Gefahr und kann nicht mehr intervenieren. Vom Sancere-System weiß er, dass ein solches Portal mit der Gewalt einer Nova explodieren und ein komplettes Sonnensystem in Schutt und Asche legen kann.

Gearys letzte Warnung an den Planeten Lakota III kommt wohl zu spät, und da fegt auch schon die Druckwelle der Portalexplosion durchs System. Die dem Portal zugewandte Seite der Welt wird verwüstet, die Atmosphäre hinweggerissen. Doch Gearys Schiffe sind weit davon entfernt in Position gegangen und stellen ihre Nase in Richtung der anrollenden Vernichtungswelle. Wird es irgendwelche Überlebenden geben, die davon berichten können, welche Gefahr ein solches Portal darstellt – und zwar auch für die Hauptwelten der Allianz?

_Mein Eindruck_

Die Handlung lässt sich in drei Teile gliedern. Die ersten rund 200 Seiten, also praktisch die erste Hälfte, spielt nur im Lakota-System und schildert die actionreiche Schlacht gegen die Syndikflotte und die mindestens ebenso aufregende Explosion des Hypernet-Portals mit fast der Gewalt einer Sternen-Nova.

Jedoch musste Flottenkommandant Geary in der Schlacht feststellen, dass zwei Kapitäne durch ihre feigen Aktionen eines der großen Kampfschiffe in Gefahr brachten und seinen Untergang herbeiführten. Einen der Kapitäne verurteilt er zum Tod, den anderen zu Haft. Ihr Grund: Sie lehnen seine Flottenführung ab. Sie überleben nicht lange: Das Shuttle, in dem sie transportiert werden, explodiert – Zufall oder Sabotage? Geary kann nichts mehr ausschließen.

|Phase 2|

Dies leitet die zweite Phase der Handlung ein: die Suche nach den Verrätern in den eigenen Reihen. Denn nicht nur in offenen Handlungen zeigt sich die Opposition, sondern auch in schädlicher Software in den Computersystemen. Die Würmer hätten das Flaggschiff und Gerys getreueste Kapitäne ins Verderben geschickt. Eine weitere Entdeckung von Würmer ist schlimmer, denn sie betrifft die gesamte Flotte: Antriebe hätten bei der Schlacht oder im Sprung versagt – und Waffensysteme machen sich selbständig.

|Finsterer Verdacht|

Geary teilt seinen Verdacht, dass auch die unbekannten Aliens ihr Händchen im Spiel haben. Denn diese lieferten ja Syndiks und Allianz die gesamte Hypernet-Technologie. Und Gearys Flaggschiff führt einen erbeuteten Hypernet-Schlüssel mit sich. Er verfügt über sein eigenes Betriebssystem und ist mit den Computersystemen verbunden.

Als verdächtige Quantenmanipulationen an den Kommunikationssystemen entdeckt werden, lässt dies darauf schließen, dass die Aliens alles mithören, was die Menschen kommunizieren. Und dies manipuliert wird. Offenbar nur zu einem Zweck: Es darf zu keiner friedlichen Verständigung zwischen Syndikats-Welten und Allianz kommen. Selbst als Gearys im Stich gelassene Syndik-Siedler rettet, wird dieser Versuch sabotiert.

Kaum hat er die Siedler im Cavalos-System abgeliefert, als ihm die CEO (Chief Executive officer = Vorstandsvorsitzende) der Zentralwelt dort dankt – der gerettete Bürgermeister ist ihr verschollen geglaubter Bruder. Und sie zeigt Geary, wo die Syndiks Vorräte versteckt und vergessen haben. So viel Entgegenkommen ist nur möglich, weil Geary seine Ehre dareinsetzt, auch den Gegner menschlich zu behandeln.

|Das Spiel der Aliens|

Dass nicht alle CEOs so human handeln, sondern mehr aus Eigeninteresse, stellt Geary fest, nachdem er die nächste Syndik-Flotte vernichtet hat. Der Gefangene Vize-CEO – die Syndiks arbeiten mit den Rängen der US-Wirtschaft – wird einem ausgefeilten Verhör inklusive Stimmanalyse und Hirnstrom-Abtastung verhört. Er weiß vom Deal der Syndiks mit den Aliens, um die Allianz anzugreifen. Dumm nur, dass die Aliens die Syndiks dabei im Stich ließen. Seit hundert Jahren tobt deshalb der Krieg unter den Menschen – zum Nutzen der Aliens, die so eine Flanke unter Kontrolle haben. Befinden sie sich selbst mit anderen Aliens im Krieg? Dann könnten sich die Menschen verbünden, um die Manipulation der Aliens abzuschütteln, schlägt Geary vor – und lässt den CEO frei.

|Afghanistan und die Folgen|

Auf Seite 355 beklagt der Autor mit den Worten seines Helden, wie lange sich dieser Krieg schon hinzieht und weiterhin sinnlose Opfer fordert. Mit diesen Opfern sind zerbrochene Leben von Verwandten und Liebenden verbunden. Genau wie bei den US-Soldaten, die im Irak und in Afghanistan kämpfen bzw. gekämpft haben. Viele von den Heimkehrern bringen sich um, weil sie den Stress der post-traumatischen Symptome wie Albträume, Herzjagen, Depressionen, Aggressionen usw. nicht mehr aushalten. Erst unter Präsident Obama kümmert sich die US-Regierung um die psychologische Betreuung dieser Hunderttausenden von Veteranen. Man weiß, dass auch deutsche Soldaten unter den gleichen psychischen Folgen zu leiden haben. Gibt es auch hier eine Betreuungsstelle?

|Phase 3|

Der letzte Teil der Handlung, rund hundert Seiten, schildert eine zweite Raumschlacht. Die ist aber kein großes Problem für Gearys fähige Kapitäne. Intensiv wird dieser letzte Teil jedoch durch Gearys persönlichstes Problem: Wie kann er eine liebevolle, emotionale Beziehung zu Captain Tanya Desjani eingehen, die für beide ehrenhaft ist und doch eine Zukunft haben soll? Ganz einfach: Sie versprechen sich einander, sobald sie wohlbehalten in der Heimat angekommen sind.

Fortwährend kabbeln sich Desjani und Senatorin Victoria Rione um Geary und sehen sich zu seinem Verdruss nicht in der Lage, ein einziges vernünftiges Wort miteinander zu reden. Das ist quasi die erheiternde Komödie, die die ansonsten recht grimmige Handlung um ein erleichterndes Element bereichert. Nachdem hier die Fronten geklärt sind, kann die Fortsetzung mit einem neuen Ausblick beginnen. Band 4 bildet also ein Bindeglied zwischen der ersten Trilogie und der zweiten.

_Die Übersetzung _

Ralph Sander hat einen guten, wenn auch nicht sonderlich anspruchsvollen Job erledigt. Seine falschen Endungen halten sich sehr in Grenzen, und es gibt nur einen Buchstabendreher – auf Seite 335 heißt es „Kruezers“ statt „Kreuzers“.

Lustiger finde ich hingegen den Fehler, der sich im Titel auf dem Buchrücken eingeschlichen hat. Während überall sonst korrekt „Gearys Ehre“ steht, heißt es dort „Geareys Ehre“, also mit vier E’s. Nobody’s perfect, und darauf heben wir einen.

_Unterm Strich_

Ich habe auch dieses Geary-Abenteuer in nur drei Tagen gelesen. Wie schon die meisten der drei Vorgänger kombiniert der vierte Band glaubwürdige geschilderte Raumschlachten (hier zeigt sich der Sachverstand des ehemaligen Marineoffiziers), spannende und rätselhafte Vorgänge in den eigenen Reihen mit – last but not least – privaten Problemen des Flottenkommandeurs Geary.

Man sieht in dieser Hinsicht in den vier Bänden eine deutliche Weiterentwicklung seineer Figuren: Vom legendären „Black Jack“, den die „lebenden Sterne“, also Götter, geschickt haben müssen, wird er zu einer Art Hoffnungsträger der Flotte (v.a. Desjanis), der sich durchaus auch mal von seiner menschlichen Seite zeigen darf, und zwar nicht nur gegenüber Kolleginnen, sondern auch gegenüber dem sogenannten Feind. So etwa im Fall der Syndik-Siedler, die er rettet und zu Ihresgleichen bringt.

Wie in jeder Heldengeschichte hagelt es weise Sentenzen. Bei „Spider-Man“ lautet die wichtigste Botschaft: „Mit großer Macht geht große Verantwortung einher.“ (Oder so ähnlich.) Hier lautet die wichtigste Botschaft. „Nur wer anderen Gnade gewährt, kann erwarten, dass ihm selbst Gnade widerfährt.“ Damit lässt sich Gearys Ehre erklären.

Interessanterweise dreht sich die letzte Aussprache des Buches aber nicht um seine, Gearys, Ehre, sondern um Tanya Desjanis Ehre. Sie lässt sich dazu hinreißen, ihm alles zu versprechen, wenn er nur weiter die Flotte führt und zwar auch nach der Rückkehr in die Heimat. Eine Frau verspricht so etwas nicht ohne ihre Ehre aufs Spiel zu setzen und damit ihre berufliche Karriere. Interessant ist also, was Geary damit anfängt. Es menschelt also auch ganz gewaltig an Bord des Kriegsschiffs. Die Romantik kommt vielleicht hier erstmals richtig zu ihrem Recht.

|Taschenbuch: 416 Seiten
Originaltitel: The Lost Fleet: Valiant
Aus dem US-Englischen von Ralph Sander
ISBN-13: 978-3404233519|

Lahm, Philipp – feine Unterschied, Der – Wie man heute Spitzenfußballer wird

_Viel Lärm um nichts?_

Eigentlich hätte Philipp Lahm ja damit rechnen sollen, dass die Publikation eines Fußballspielers, der als Kapitän der Deutschen Nationalmannschaft und des erfolgreichsten hiesigen Klubvereins eine Menge Verantwortung trägt und dementsprechend ständig in den Medien präsent ist, bereits vor der eigentlichen Veröffentlichung von der Boulevardpresse zerpflückt wird. So geschehen ist dies dann auch vor wenigen Wochen, als das berüchtigte Revolverblatt mit den vier Buchstaben einige Passagen aus „Der feine Unterschied“ zitierte und damit auch sofort für Skandalmeldungen und Gesprächsstoff sorgte, wodurch der Spieler des FC Bayern sofort in die Schusslinie gerät. Namhafte Ex-Begleiter wie Rudi Völler und Jürgen Klinsmann empörten sich über Lahms offenkundig angriffslustige Seite und beklagten dessen wortreiche Freizügigkeit bei der Kritik an seinen einstigen Förderern und Mitstreitern. Wie sich mit der endgültigen Freigabe des biografischen Werks nun jedoch herausstellt, ist „Der feine Unterschied“ jedoch alles andere als die vorab propagierte Abrechnung mit dem deutschen Fußball. Stattdessen beschreibt Top-Star Lahm lediglich die Tücken des Profidaseins anhand seines persönlichen Lebenswegs und blickt hierbei ausschließlich auf Erfolge und Niederlagen seiner Karriere zurück, die ihn schließlich zu dem Fußballer und Menschen geformt haben, der derzeit wohl die größte Last auf seinen vergleichsweise kleinen Schultern trägt. Skandale? Mitnichten! Aufwiegelei? Nein, das war nie die Motivation dieses Buches. Insofern sind die Vorankündigungen zu jener Geschichte, die mit „Wie man heute Spitzenfußballer wird“ untertitelt bleibt, völlig irreführend – und haben letzten Endes wieder gezeigt, wozu eine gewisse Stimmungsmache fähig ist. Nämlich in diesem Fall dazu, viel Lärm um nichts zu machen!

_Profi durch und durch_

„Der feine Unterschied“ wird seinem Titel schließlich insofern gerecht, dass Philipp Lahm sich intensiv mit seiner Vergangenheit als Kind und Jugendlicher auseinandersetzt und beschreibt, worauf es bereits in dieser Zeit ankommt, hat man die Motivation, sich eines Tages als Profi auf dem Platz zu präsentieren. Geduld, Enthaltsamkeit, ein absoluter Wille sind seines Erachtens die tragenden Säulen, die ein talentierter Fußballer zwingend mitbringen sollte, um die Bühnen, auf denen sein Spiel stattfindet, peu à peu zu vergrößern. Lahm selber hatte das Glück, relativ bald bei der Jugend des FC Bayern unterzukommen und dort unter besten Bedingungen trainieren zu können. Und dennoch schien sein Heißhunger auf die großen Stadien nicht so gierig zu sein, dass er sein Privatleben voll und ganz missachtete. Für Lahm ist diese Kombination der Schlüssel zum Erfolg, auch heute noch. Ein Profifußballer ist gleichzeitig ein Teil der landesweiten Prominenz, insbesondere in der Stellung eines Nationalspielers, aber dennoch darf die Familie nie zu kurz kommen, selbst wenn vergleichsweise größere Opfer gebracht werden müssen. Planung ist daher alles, so dass man sich bereits in frühen Jahren Gedanken machen muss, wer zum Stab der Vertrauten heranwächst, wie man sein eigenes Management aufbaut, wie man verhandelt, aber auch wie man zurücktritt, um sich einer ganzen Mannschaft unterzuordnen. Profisport ist in zweiter Linie auch Planwirtschaft, vielleicht vor einem anderen Hintergrund, aber im Rahmen des knallharten Geschäfts namens Bundesliga sicherlich in diesem Setting passend. Und wer sich damit nicht arrangieren will und zu oft seinen eigenen Kopf durchsetzen mag, der bleibt ganz einfach auf der Strecke.

Lahm beschreibt, wie er die Tücken bewältigt hat, wie er sich anpassen musste, und welche universelle Bereitschaft vorhanden sein muss, um den langen, harten Weg an die Spitze zu meistern. Dabei zeigt er auch einige unschöne Seiten auf, bekundet aber letzten Endes, dass jede Entbehrung schlussendlich auch zu großem Lohn geführt hat – wirtschaftlich, aber auch rein mental. Denn dieses Gefühl, das er beschreibt, welches einen überkommt, wenn man vor unzähligen Fans in einem WM- oder im Heimstadion aufläuft, entschädigt Woche für Woche für all die Strapazen, die er in inzwischen 27 Jahren auf sich genommen hat. Ein Profi durch und durch eben, dieser Philipp Lahm – aber eben auch ein Mensch, der genau weiß, was er will und was er aufzubringen hat, um seine Ziele zu erreichen!

_Eine lesenswerte Biografie – mehr nicht_

Rein strukturell ist Lahms Titel schließlich eine zumeist chronologisch geführte Autobiografie, die hier und dort ein paar kritische Randbemerkungen bereithält, am Ende aber niemanden frontal attackiert. Wenn man ein paar Worte über die zweifelhaften Methoden eines Louis van Gaal auf den Tisch kommen, bewahrt Lahm immerzu den Respekt vor seinem ehemaligen Trainer. Und auch die angesprochenen Herren Völler und Klinsmann sollten eigentlich keinen Grund haben, sich über die Inhalte des Buches zu beklagen, da Lahm sachlich analysiert, aber eben nicht angreift. Für solche Begleiterscheinungen bleibt auf den rund 270 Seiten allerdings auch gar kein Spielraum, weil Lahms bisheriger Karriereverlauf und die wichtigsten Ereignisse in seinem Leben als Fußballer schon genügend Stoff bieten, um die Seiten zu füllen. Er beschreibt seine Jugend, seinen Start bei den Amateueren, den rasanten Aufstieg nach seinem Wechsel zum VfB Stuttgart und schließlich die Einberufung in die Nationalelf, die analog zur Rückkehr zum FC Bayern dazu führte, dass sich Lahm als Weltstar und einer der besten Abwehrstrategen der deutschen Fußballgeschichte etablieren konnte. Und all diese Begeisterung, die in diesen Worten mitschwingt, transferiert der Autor schließlich auch in „Der feine Unterschied“. Vergessen sind am Ende, die plumpen Vorab-Storys, das Geschwätz, die überflüssigen Statements in den vermeintlich großen Blättern – denn rein inhaltlich ist die Biografie eigentlich nicht angreifbar. Lediglich die Tatsache, dass Lahm sich nicht bis zum Ende seiner Karriere Zeit gelassen hat, ist verwunderlich. Den Lesegenuss trübt sie aber keinesfalls!

|Hardcover: 269 Seiten
ISBN-13: 978-3888977299|
[www.kunstmann.de]http://www.kunstmann.de

Riordan, Rick – Schlacht um das Labyrinth, Die. (Percy Jackson 4) (Lesung)

_|Percy Jackson|_:

1) „Diebe im Olymp“
2) [„Im Bann des Zyklopen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7273
3) [„Der Fluch des Titanen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7344
4) _“Die Schlacht um das Labyrinth“_
5) „Die letzte Göttin“
6) „The Demigod Files“ (noch ohne dt. Titel)

_In Tunneln und Wildnis: Percys Traum vom Fliegen_

Die Armee des Titanen Kronos wird immer stärker! Nun ist auch Camp Half-Blood nicht mehr vor ihr sicher, denn das magische Labyrinth des Dädalus hat einen geheimen Ausgang mitten im Camp. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn der Titan und seine Verbündeten den Weg dorthin fänden!

Percy und seine Freunde müssen das unbedingt verhindern. Unerschrocken treten sie eine Reise ins Unbekannte an, hinunter in das unterirdische Labyrinth, das ständig seine Form verändert. Und hinter jeder Biegung lauern neue Gefahren … (abgewandelte Verlagsinfo)

_Der Autor_

Rick Riordan war viele Jahre lang Lehrer für Englisch und Geschichte. Mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen lebt er in San Antonio, Texas, und widmet sich ausschließlich dem Schreiben. „Percy Jackson. Diebe im Olymp“ war sein erstes Buch für junge Leser. Dessen Verfilmung mit Pierce Brosnan und Uma Thurman lief ab 11. Februar 2010 in deutschen Kinos.

_Der Sprecher_

Marius Clarén, 1978 in Berlin geboren, ist Synchronsprecher, -autor und –regisseur. Er lieh seine Stimme Tobey Maguire, Chris Klein und Jake Gyllenhaal sowie vielen mehr.

Regie führte Kati Schaefer, die Aufnahme bei soundcompany audiopost erledigte Klemens Fuhrmann, die Musik steuerte Andy Matern bei. Clarén liest eine von Kai Lüftner bearbeitete Fassung.

_Handlung_

Es sind sechs Monate seit Percys letztem Abenteuer vergangen, und wieder mal sucht er eine neue Schule. Vom neuen Freund seiner Mutter, Paul Blowfiss, hat er eine Einladung an dessen Highschool erhalten. Zusammen mit seiner Freundin Annabeth, der Tochter Athenes, geht er hin, um sich die Sache mal anzusehen. Was soll dabei schon passieren?

|Gefährliche Begegnungen|

Als Percy ein Mädchen mit rotem Kraushaar erblickt, nimmt er einen Umweg und geht zum Seiteneingang. Man weiß ja nie, wann man der Medusa begegnet. Am Seiteneingang warten allerdings schon zwei freundliche Cheerleaderinnen, die nicht sonderlich vertrauenerweckend wirken. Paul ruft aus der Schule, und Percy geht weiter. Als er die eine, Kelly, streift, klingt diese sonderbar metallisch und hohl. Er achtet nicht darauf, denn schon wieder kreuzt er den Pfad der Rothaarigen, deren Augen sich bei seinem Anblick weiten. Warum nur?

Rachel Elizabeth Dare sagt, sie kenne Percy vom Hoover-Damm und könne durch den Nebel blicken, der die Götter und Halbblute vor den Sterblichen verbirgt. Und weil das so ist, zerrt sie ihn ins Musikzimmer, damit sie sich dort verstecken können. Vor wem denn bloß, will er wissen. Zum Beispiel vor den beiden Cheerleaderinnen Kelly und Tammy, die gar keine sind, sondern eine ganz besondere Art von Monster: Empusen, Dienerin der Nachtgöttin Hekate. Ihr besonderes Merkmal: Blutdurst und spitze Zähne!

Im Verlauf des folgenden Kampfes vernichtet Percy Schwert die Empusen, doch leider geht dabei Kelly in Flammen auf, welche ihrerseits die Schule in Brand stecken. Rachel bringt Percy in Sicherheit und zu Annabeth. Dann geht sie zurück, um Percys Ruf zu retten. Oder was jetzt noch davon noch übrig ist. Das Duo bringt sich vor Polizei und Feuerwehr in Sicherheit.

|Zwei Neulinge|

Im Camp Halfblood stößt Percy als Erstes auf einen Höllenhund. „Keine Angst, der will bloß spielen“, meint eine neue männliche Stimme. Der neue Schwertkampflehrer nennt sich Quintus. „Das ist Mrs. O’Leary, mein Haustier.“ Nett. Als Nächstes muss Percy Chiron, dem Unterrichtskoordinator, alles erzählen. Unterdessen entscheidet der Rat der Satyrn über das Schicksal seines Freundes Grover. Grover behauptet, den seit 2000 Jahren vermissten Gott Pan beinahe gefunden zu haben. Man gibt ihm dennoch nur noch eine Woche Frist. Diese Demütigung empört Grovers Freundin, die Baumnymphe Wacholder.

|Eine Botschaft|

Um Mitternacht erhält Percy eine Iris-Botschaft per Regenbogen, aber von einem unbekannten Absender. Er sieht eine Szene mit Nico DiAngelo, dem Sohn des Hades, der seine Schwester Bianca verloren hat (wie Percy aus seinem letzten Abenteuer nur zu gut weiß). Nico, der Percy nicht bemerkt, befindet sich am Ufer eines Flusses in der Unterwelt. Ein Geist spricht zu ihm und bietet ihm einen Seelentausch an, wobei er von Gerechtigkeit und Vergeltung spricht. Der Geist sagt, er habe einen Plan, um Biancas Seele zu befreien und wolle Nico durchs Labyrinth führen. Wohin? Und welche Seele soll eingetauscht werden? Percy ahnt, dass es um seine eigene geht.

|Über das Labyrinth|

Am nächsten Morgen erklärt Chiron die Sache mit dem Labyrinth, das Dädalus einst für König Minos von Kreta bauen ließ, um den Minotaurus gefangen zu halten. Das Labyrinth ist inzwischen jedoch weitergewachsen und hat sich unter allen Städten ausgebreitet. Unter Phoenix in Arizona hat Clarisse, die Tochter des Ares, den wahnsinnigen Chris Rodriguez im Labyrinth gefunden und ins Camp gebracht. Er berichtet von Lukes Titanenarmee.

Sobald Luke, der abtrünnige Sohn des Hermes, den Aufbau des Camps durch den Ariadnefaden kenne, könne er seine Armee überallhin führen. So etwa auch, um das Camp der Halbblute zu überfallen – und danach den Olymp. Dagegen muss etwas unternommen werden. Aber Percy sieht auch den Nutzen für Grovers Suche nach Pan. Normalerweise wollen Satyrn nicht unter die Erde, aber Pan ist definitiv dort unten.

|Eine Entdeckung|

Bei einer weiteren „Erobert die Flagge“-Übung fallen Percy und Annabeth zwischen großen Findlingsfelsen hindurch in einen Tunnel, der offensichtlich zum Labyrinth gehört. Tatsächlich, da ist das Delta, das Zeichen des Dädalus. Als Annabeth auf eines der Symbole drückt, findet sie einen Aufgang, der zur Erdoberfläche führt. Die anderen schimpfen, sie wären fast eine Stunde fort gewesen. Dabei kam es Percy und seiner Freundin nur wie eine Minute vor. Das ist ja interessant. Und auch beängstigend: Der Zugang führt nämlich mitten ins Camp. Luke könnte seine Armee unbemerkt bis hierher führen.

|Ratsschluss|

Kein Wunder also, dass der Sicherheitsrat zusammentritt, mit Argus, dem Sicherheitschef. Die Baumnymphe Wacholder erzählt, dass Luke den Zugang oft benutzt habe, ebenso Chris Rodriguez, sein Späher. Luke suchte nämlich die Werkstatt des Dädalus, die im Zentrum des Labyrinths liegt, weil er dort den Ariadnefaden vermutet. Das einhellige Urteil lautet, dass man Luke zuvorkommen müsse. Da Annabeth die Fachfrau für Architektur ist, hat sie die Ehre, die Mission anzuführen und dazu das Orakel des Camps befragen zu dürfen.

|Aufbruch|

Doch die Weissagung ist wie immer uneindeutig. Jedenfalls darf Annabeth ihre Helfer und Gefährten bei der anstehenden Mission wählen: Percy, das ist eh klar, muss mit, ebenso Percys Halbbruder, der Zyklop Tyson, und Grover. Auch Rachel Elizabeth Dare erhält die seltene Ehre, mitkommen zu dürfen, denn ihre Fähigkeit ist von unschätzbarem Wert, um Monster und Halbblute zu durchschauen.

Zum Abschied gibt Quintus Percy eine stygische Hundepfeife, die in der Lage ist, Mrs O’Leary, den Höllenhund, herbeizurufen. Natürlich nur in Zeiten der Gefahr. Annabeth will Percy auf keinen Fall den Schluss der Weissagung verraten. Er wird erst nach seiner Rückkehr die Wahrheit und den Grund ihres Schweigens erfahren.

Dann steigen die vier Gefährten ins Labyrinth und begeben sich auf eine gefährliche Reise, von der sie nicht wissen, wie sie enden wird …

_Mein Eindruck_

Diesmal hat die Reise der Gefährten gleich mehrere Ziele:
1) Lukes Titanenarmee aufhalten
2) die Titan Chronos finden und unschädlich machen
3) die Werkstatt von Dädalus finden
4) dort den Ariadnefaden bergen
5) Pan finden und retten
6) Möglichst alle Angriffe durch Monster überleben!

Und Monster gibt es im Labyrinth nicht wenige, so etwa die erwähnten Empusen – von denen ich hier zum ersten Mal erfahren habe. Aber auch Drakenae, ein Mittelding aus Fledermaus und Schlangenfrau, sind nicht zu unterschätzen, vor allem nicht ihre Anführerin Kampe. Denn natürlich kann es bei der abschließenden Schlacht um Camp Halfblood nicht ausbleiben, dass all die Ungeheuer und Titanen, die Luke um sich geschart hat, die Sprösslinge der Olympier als Erstes angreifen. Wie der Kampf ausgeht, soll hier nicht verraten werden.

|In der Schmiede|

Viel interessanter ist eigentlich, welchen Leuten Percy und Kompanie in den Tunneln des Labyrinths begegnen. Die Göttin Hera, Zeus‘ Gattin, gibt ihnen einen guten Tipp: Dädalus, der Typ mit dem Schlüssel zum Labyrinth, sei ein enger Mitarbeiter des Feuergottes Hephaistos. Und dessen Werkstatt sei eigentlich leicht zu finden: unter dem Mount St. Helens.

Ich musste sofort an Sarumans Schmiede unter Isengard sowie an den Schicksalsberg denken, als Percy und Annabeth (Grover und Tyson suchen unterdessen Pan) die Werkstatt des Feuergottes besuchen. Lavasee, Amboss, Hammer sind vorhanden und die Arbeit wird von rebellischen Telchinen verrichtet, die charakterlich etwas an Zwerge erinnern, aber weitaus quengeliger sind. Weil sie sich von Hephaistos betrogen fühlen, rebellieren sie. Annabeths Tarnkappe erweist sich anschließend als sehr nützlich.

|Dädalus, der Ingenieur|

Auch Dädalus selbst ist kein einfacher Zeitgenosse. Wer seine Sage kennt, weiß ja, dass er nicht nur seinen Sohn Ikarus verloren hat, sondern auch seinen Neffen Perdix auf dem Gewissen hat. König Minos ließ ihn das Labyrinth für den Minotaurus bauen, und es zeigt sich, dass Minos ihn in Geisterform immer noch sucht, um sich für Dädalus‘ Verrat zu rächen. Für diesen Ernstfall hat die x-te Inkarnation von Dädalus stets ein paar Flügelpaare bereitstehen, um entkommen zu können. Dädalus, das ist der Clou, ist ein beseelter Automat. Wir würden heute Roboter sagen.

|Antaios und Chronos|

Natürlich kann es nicht ausbleiben, dass Percy auch auf Luke und dessen Gesindel stößt. Er muss jedoch feststellen, dass Luke über einen mächtigen Verbündeten verfügt: Antaios, einen Riesen, dessen Mutter Gaia ihn unbesiegbar gemacht hat, weil sie ihm stets neue Kraft zuführt. Dennoch muss Percy den Riesen in der Arena überwältigen, sonst ist seine Mission nur von kurzer Dauer …

Auch die Begegnung mit Chronos, dem Titanen, erweist sich als wenig ersprießlich und nicht gerade das, was sich Percy unter einem Sieg vorstellt. Der unsterbliche Titan, den in den drei bisherigen Abenteuern, in einem goldenen Sarkophag herumgetragen wurde, in dem Luke ihm Lebenskraft und Körperteile zuführte, ist nun vollendet und erwacht zum Leben!

|Der Große Gott Pan|

Die traurigste Begegnung jedoch hat Percy mit dem Großen Gott Pan, dessen Tod schon vor 2000 Jahren verkündet wurde. Allerdings weigerten sich die Satyrn, seine ziegenbeinigen Ebenbilder, dies zu glauben und hielten ihn so am Leben. Nun erfahren Grover, der erfolgreiche Sucher, Tyson, Percy und die anderen, den Grund für Pans damaligen Fortgang, sein Weiterleben in einer Höhle und seine Sehnsucht nach einem gnädigen Tod.

Pan war von alters her der Hüter der Wildnis. Als Hirte der Ziegen spielte er die Syrinx, die Panflöte. Doch die Sterblichen haben sie erst zurückgedrängt, um ihre Häuser zu bauen und das Vieh zu weiden, dann breiteten sie sich über die ganze Erde aus, um die Wildnis in Weiden, Gärten, Parks und Steppe zu verwandeln. In seinen letzten Worten bittet er seine Besucher, sich um die letzten Reste der Wildnis zu kümmern und sie zu bewahren. Grover jedoch macht er ein ganz besonderes Geschenk: die Gabe, Panik zu verbreiten. Dann löst sich sein Geist von seiner sterblichen Hülle und verschwindet.

In der Schlacht um Camp Halfblood erweist sich Grovers neue Gabe als äußerst nützlich. Und auch wenn ihm der Rat der Satyrn nicht glaubt, was passiert ist, so begeben sich die meisten Satyrn, die ihm glauben, in die Nationalparks und andere Gegenden, um die Wildnis zu hüten. Dieses Abenteuer hat also auch eine ökologische Botschaft. Und das finde ich sehr sympathisch.

Wer jedoch gar nicht auftritt, sind Ariadne, ihr Held Theseus und das Ungeheuer Minotaurus. Wozu auch? Sie sind alle schon längst vergangen, und es zählt nur ihr Vermächtnis.

_Der Sprecher_

Marius Clarén verfügt als Sprecher über einige erstaunliche Fähigkeiten, die ich der Reihe nach vorstellen will. Zunächst charakterisiert er jede Figur durch eine eigene Ausdrucksform. Percy Jacksons Tonlage entspricht der deutschen Stimme von Tobey Maguire, wie wir sie aus den Spider-Man-Filmen kennen. Der junge Held ist uns also schon mal ziemlich sympathisch, muss aber zahlreiche Prüfungen bestehen. In Camp Halfblood sagt Annabeth gleich zu ihm: „Du sabberst im Schlaf.“ Na, wenn das nicht eine nette Begrüßung ist! Offenbar mag sie ihn.

Ganz anders hingegen sein Freund Grover, der junge Satyr. Schwere Proben muss der Ärmste bestehen, ist er doch Percys Hüter. Seine Redeweise ist entsprechend unsicher und wiederholt etwas mitleiderregend. Aber man kann nicht böse auf ihn sein, denn Ziegenfüßer habens auch nicht leicht.

|Kalypso & Co.|

Alle seine weiblichen Figuren sprechen selbstredend in einer höheren Tonlage als die männlichen Vertreter, so etwa auch Annabeth und die schlangenhaft zischenden Cheerleader, natürlich auch Rachel Elizabeth Dare. Am eindrucksvollsten sprechen jedoch die Göttin Hera und die unglückselige Nymphe Kalypso. Sie wurde auf eine einsame Insel verbannt, um dort gestrandete Helden gesundzupflegen (etwa Odysseus). Dabei verliebt sie sich unweigerlich in den jeweiligen Heros, doch gerade ihre Pflege versetzt ihn in die Lage, sie wieder zu verlassen, um seine Aufgabe zu erledigen.

Natürlich werden alle Stimmen der jeweiligen Situation angepasst. Sie rufen, sind ängstlich, wütend, nervös, zweifelnd und vieles mehr. All dies hört man genau aus Claréns Darstellung heraus. An einer Stelle wird sogar ein Klangeffekt eingesetzt: Die Stimme wird verdoppelt, um Chronos, den wiederauferstandenen Titanen, noch mächtiger wirken zu lassen.

Alles in allem sorgen all diese Klangfarben für einen sehr lebhaften Vortrag, an dem Kinder und Jugendliche ihre helle Freude haben werden.

|Musik|

Einen Serien-Jingle gibt es nicht mehr. Vielmehr erklingt gleich die Hintergrundmusik, die im Intro, Outro und am Schluss jeder CD eingespielt wird. Nach einem Auftakt mit Harfe und tiefer Trommel setzen die Streicher ein, so dass eine recht mystische Stimmung entstehen kann.

Geräusche gibt es leider keine, so dass man sich jederzeit voll auf den Vortrag des Sprechers konzentrieren kann. Ein paar Soundeffekte hätten aber vielleicht nur gestört.

Die Zusatzinformationen, die bislang im Booklet abgedruckt waren, gibt es jetzt nicht mehr. Offensichtlich muss Lübbe Audio sparen.

_Unterm Strich_

Dieses Abenteuer ist höchst abwechslungsreich: Spannung, Action, Humor, viel Romantik, aber auch Tragik werden unterhaltsam kombiniert. Aber der junge Zuhörer ist gut beraten, sich zuvor ein wenig mit der Sage von Dädalus und Ikarus vertraut zu machen. Hier hätte das inzwischen gestrichene Glossar zum Hörbuch wertvolle Dienste geleistet.

Man könnte höchstens einwenden, dass die griechische Sagenwelt doch stark amerikanisiert worden sei, aber das muss auch so sein, um sie überhaupt der Moderne näherbringen zu können. Harry Schotter hat sicherlich Pate gestanden und vielleicht auch Bilbo Beutlin, aber der Rest liest sich wie eine Mischung aus Detektivroman und Fantasy-Abenteuerfahrt. Zum Glück hat der Autor alle Ungeheuer vermenschlicht und modernisiert, so dass jeder heutige Hörer etwas damit anfangen kann.

Sehr schön, weil unendlich traurig fand ich die Episoden mit der Nymphe Kalypso (s.o.) und dem Großen Gott Pan. Letzterer vermittelt eine willkommene ökologische Botschaft. Diese mag nach vierzig Jahren Umweltbewegung vielleicht ein wenig wohlfeil erscheinen und auf taube Ohren stoßen, aber ich bezweifle, dass amerikanische Highschoolkids neben Sex, Musik und Sport noch für etwas anderes Interesse aufbringen, und auch für die ist dieses Buch geschrieben worden.

Für den, der meint, er wisse schon alles über griechische Mythologie, hält auch dieses Abenteuer wieder einige Überraschungen bereit. Das sind die Drakenae, die Empusen, die Telchinen und schließlich noch die Hunderthändigen, darunter ein gewisser Briareus. Und ein Höllenhund, dessen Namen „Mrs O’Leary“ man sicher auch nicht erwartet hätte. Sicherlich ein privater Scherz des Autors.

|Das Hörbuch|

Der Sprecher Marius Clarén hat sich wahrlich ins Zeug gelegt, um sein jugendliches Publikum mit einer Vielzahl von Stimmen zu unterhalten. Die damit zum Leben erweckten Figuren sind leicht unterscheidbar und bereiten obendrein einigen Spaß. Geräusche und Musik würden nur von den Dialogen ablenken. Schade, dass das Glossar nicht mehr mitgeliefert wird. Dieses findet man jedoch ausführlich im Buch.

|4 Audio-CDs
Spieldauer: 312 Minuten
Gelesen von Marius Clarén
Originaltitel: Percy Jackson and the Olympians: The Battle of the Labyrinth (2008)
Aus dem US-Englischen übersetzt von Gabriele Haefs
ISBN-13: 978-3785744437|
[www.luebbe.de]http://www.luebbe.de

Clifton Adams – Die Schonzeit ist vorüber

Im Jahre 1890 verdingt sich ein Ex-Marshall als Führer einer Jagdgesellschaft im Indianerreservat von Oklahoma. Zu spät wird ihm klar, was tatsächlich geplant ist: Eine Räuberbande wird Mann für Mann aus dem Hinterhalt erlegt, bis sich der Marshall auf ihre Seite schlägt … – Ungewöhnlicher Spät-Western bar jeder Cowboy-Romantik, ohne Helden oder Happy-End, stattdessen düster und realistisch: ein Rückblick in die 1970er Jahre, als sogar Unterhaltungsliteratur mit gesellschaftskritischem Anspruch geschrieben wurde.
Clifton Adams – Die Schonzeit ist vorüber weiterlesen

McIntosh, Fiona – letzte Pfad, Der (Der Feuerbund 3)

_|Der Feuerbund|:_

Band 1: [„Die dunkle Gabe“ 4786
Band 2: [„Die Prophezeiung“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5901
Band 3: _“Der letzte Pfad“_

_Nach all dem, _was Wyl von Elysius erfahren hat, ist er zum Hain zurückgekehrt. Mit dessen Hilfe gelangt er nach Werryl, wo er erfährt, dass Morgravias Legionen an der Grenze zu Briavel aufmarschiert sind. Um Valentyna mehr Zeit zu verschaffen, beschließt er, den Körper seiner Schwester an Celimus auszuliefern …

Wyls Freund Aremys hat derweil das Vertrauen des Gebirgskönigs errungen und wird von ihm beauftragt, Celimus den Abschluß eines Friedensvertrages anzubieten. Um Celimus zu einem Treffen mit Cailech zu bewegen, verspricht er ihm die Auslieferung von Ylena Thirsk…

_Neue Charaktere _von Bedeutung tauchen in diesem dritten Band keine mehr auf und auch eine Entwicklung bekannter Figuren findet nicht mehr statt, es sei denn, man möchte die Tatsache, dass Valentyna sich doch noch dazu durchringt, an Magie zu glauben, oder Jessoms Erkenntnis, dass Celimus niemals ein fähiger König werden wird, als Charakterentwicklung bezeichnen.

Auch am Handlungsverlauf ändert sich nicht mehr viel. Sämtliche Beteiligten sind hauptsächlich damit beschäftigt, aus den unterschiedlichsten Gründen ständig in der Gegend herumzulaufen oder zu -reiten. Dass dem Leser nicht immer die Beweggründe für diese Ortswechsel verraten werden – wie zum Beispiel, warum Wyl im Hain beschließt, ausgerechnet nach Werryl zu müssen -, macht die Sache stellenweise etwas wirr.

Dennoch gelingt es der Autorin, immer wieder mal kleinere Spannungsbögen aufzubauen, da all jene, die gegen Celimus arbeiten, so weit voneinander entfernt sind, dass sie meist nicht in der Lage sind, ihre Pläne und die dafür erforderlichen Lügen aufeinander abzustimmen, was immer wieder zu brenzligen Situationen führt.

Nicht besonders gelungen fand ich dagegen Fynchs Treffen mit dem König der Geschöpfe im Hain. Dieses Treffen ist in einer derart schmalzigen Ausdrucksweise beschrieben, dass ich die gesamte Szene als völlig unnatürlich empfand. Auch, dass der aufgeweckte und – zugegebenermaßen – sehr treue und gutmütige Fynch in diesem Zusammenhang schon fast zum Heiligen stilisiert wurde, lässt diese bisher sympathische und angenehme Figur zu einem klebrigen Bonbon werden. Daran ändert auch der durchaus interessante magische Zweikampf mit Rashlyn nichts mehr, zumal dessen Rolle innerhalb des Gesamtzyklus nicht so groß oder wichtig war, dass sie tatsächlich die Bedrohung vermittelt hätte, die der König der Geschöpfe ihr beimisst.

Ebenfalls enttäuscht war ich vom Showdown. Obwohl dankenswerterweise Wyl für das Happy End des Buches nicht in Celimus Körper landet, womit ich schon fest gerechnet hatte, beruht der Weg, der dies vermieden hat, auf einem solch krassen, logischen Bruch, dass ich schon dachte, ich hätte etwas überlesen. Dem war aber nicht so. Und so leidet die Basis für die Wendung zum glücklichen Ende ebenso an Instabilität wie die der ursprünglichen Ausgangssituation, anhand derer alles seinen Anfang nahm.

_Zurück blieb _ein durchwachsener Gesamteindruck. Trotz sympathischer Helden, einiger interessanter Zusammenhänge und gelungener Überraschungen wirkt der Zyklus großteils hyperaktiv, weil die Hauptperson, aber auch diverse Nebenfiguren wie Elspyth und Fynch, ständig von einem Ort zum anderen reisen. Es geht zu wie in einem geschäftigen Bienenstock, und doch scheint sich bis zu den letzten zweihundert Seiten nichts so recht vorwärts zu bewegen. Als der wirre Knoten sich endlich löst, tut er das auf eine Weise, die das Ende ebenso unglaubwürdig macht, wie es der Beginn des Zyklus war. Dabei hätte man aus der faszinierenden Grundidee so viel mehr machen können. Schade.

_Fiona McIntosh_ stammt ursprünglich aus England, ist aber bereits als Kind viel zwischen Afrika und England hin- und hergereist, hat eine Zeitlang in Paris gearbeitet und ist schließlich in Australien gelandet, wo sie mit ihrem Mann und zwei Kinder hängengeblieben ist. Der Herausgabe eines Reisemagazins folgte 2005 der Roman „Myrren’s Gift“, der erste Band ihrer |Feuerbund|-Trilogie. Seither hat die Autorin mit |Trinity|, |Percheron| und |Valisar| drei weitere Trilogien geschrieben. Außerdem hat sie sich dem Krimifach zugewandt. Beschäftigt ist sie zurzeit mit einem weiteren Roman, der in der Welt ihrer |Feuerbund|-Trilogie spielt. Außer dem |Feuerbund| ist jetzt auch ein weiterer ihrer Romane auf Deutsch erschienen unter dem Titel „Herzen aus Gold“.

|Originaltitel: The Quickening 3: Bridge of Souls
Übersetzung von Wolfgang Thon
Taschenbuch, 763 Seiten
ISBN-13: 978-3-453-52396-8|
[www.fionamcintosh.com]http://www.fionamcintosh.com
[www.heyne.de]http://www.heyne.de

Theroux, Marcel – Weit im Norden

_Das geschieht:_

Irgendwann im 21. Jahrhundert haben Umweltzerstörung, Erderwärmung und Bevölkerungsexplosion die Zivilisation global kollabieren lassen; ein III. Weltkrieg gab der Menschheit den Rest. Milliarden sind verhungert, die Überlebenden führen eine kärgliche Existenz als Jäger, Farmer und Sammler. Um die wenigen Ressourcen wird weiterhin gekämpft. Jegliche staatliche Ordnung hat sich aufgelöst, es gilt das Recht des Stärkeren. Sklaverei ist an der Tagesordnung; oft verkaufen sich die Menschen selbst, um dem Hungertod zu entrinnen.

Im Norden Sibiriens entstanden einige Jahre vor der Katastrophe fünf neue Städte. Vor allem fromme Quäker aus den USA siedelten sich hier mit Billigung der russischen Regierung an. Das Klima hatte sich aufgeheizt, sodass ein Leben am Polarkreis möglich wurde. Doch der Krieg erreichte auch Sibirien. Die Siedler zogen fort oder wurden von Flüchtlingswellen überrollt.

Not und Gewalt haben auch die Stadt Evangeline veröden lassen. Nur noch Makepeace Hatfield, die letzte Überlebende ihrer Familie, hält aus. Als sie eines Tages ein Flugzeug abstürzen sieht, wird sie aus ihrer Lethargie gerissen: Gibt es irgendwo wieder eine Zivilisation im Aufbau? Makepeace macht sich auf den Weg nach Westen. Doch weit kommt sie nicht. Im Festungsdorf Horeb gerät sie unter Frömmler, die sie ausrauben und als Sklavin verkaufen.

Ein Arbeitslager hoch im Norden wird ihre neue ‚Heimat‘. Makepeace schlägt sich durch und wird schließlich befördert: Als Wächterin soll sie eine Sklavengruppe begleiten, die in den Ruinen der Industriestadt Polyn nach Wertvollem suchen soll. Zu spät erkennt Makepeace, dass sie an einer Himmelfahrtsmission teilnimmt: Polyn ist verstrahlt und vergiftet. Wer einmal in die Tiefen der Stadt vorgedrungen ist, wird sie niemals lebend verlassen …

|Ganz leise geht der Mensch dahin|

Normalerweise geht die Welt – vor allem im Film – spektakulär vor die Hunde. Außerirdische greifen an, Zombies steigen aus den Gräbern, der III. Weltkrieg bricht aus. (Wahrscheinlich gibt es sogar Geschichten, die diese drei Effekte gleichzeitig bemühen.) Anschließend wird es nicht besser; in der Darstellung der „Post-Doomsday“-Ära haben Mad Max & Co. nachhaltig Maßstäbe gesetzt; auch „Weit im Norden“ finden wir ihre Spuren.

Von den vielen Apokalypsen seiner Vorgänger übernahm Marcel Theroux bestimmte Handlungselemente sowie einen Grundtenor unendlicher Melancholie. Der Untergang der Menschheit ist gewiss kein erheiterndes Ereignis, doch selten gelang es, die damit einhergehende Stimmung so intensiv heraufzubeschwören. |“Das Ende der Zivilisation … ist der Beginn eines großen Abenteuers“| lesen wir auf dem hinteren Umschlag die Worte eines Klappentext-Dichters, der das dazugehörende Buch offensichtlich nicht gelesen hat.

Denn zumindest für Makepeace Hatfield bedeutet das Ende ihrer Welt das allmähliche Verlöschen der eigenen Existenz. Die „Post-Doomsday“-Literatur wimmelt von kernigen Pioniergestalten, die in die Hände spucken und die Trümmer beiseiteschieben, um aus den Ruinen eine neue und hoffentlich bessere Welt zu errichten. Auf den ersten Blick ist Makepeace eine von ihnen. Sie ist kein Opfer und gehört nicht zu den 99,9% der Erdbevölkerung, die gestorben sind, weil sie sich in ihr Schicksal ergeben haben. Makepeace wehrt sich notfalls mit der Waffe in der Hand. Mitleid kann sie sich nicht leisten, denn eine deprimierende Lehre, die sie – in Vertretung des Verfassers – aus den Erfahrungen ihres Lebens ziehen musste, war die Erkenntnis, dass Mitgefühl gefährlich ist. Nicht einmal Cormac McCarthy geht in „The Road“ (dt. „Die Straße“) in der Darstellung einer Welt ohne Menschlichkeit so weit wie Theroux.

|Es ist zu spät – in jeder Hinsicht|

In verschiedenen Rückblenden erinnert sich Makepeace an die Jahre des Umbruchs und Untergangs. Die Menschheit hatte sich durch fortgesetzte Umweltausbeutung und -zerstörung buchstäblich den Ast abgesägt, auf dem sie selbst saß, und eine ökologische Kettenreaktion in Gang gesetzt. Von der Verödung fruchtbarer Landstriche und weltweiten Missernten, die erstmals auch die Industrieländer im Speckgürtel dieser Erde nicht verschonten, erfahren wir nur von Makepeace, die sich auf Grundsätzliches beschränkt und dadurch erst recht ahnen lässt, welche globalen Tragödien sich abgespielt haben.

Den eigentlichen Schlussstrich zog der Mensch, indem er jegliche Solidarität aufgab, sondern jene angriff, die besser dastanden oder sogar helfen wollten: Bittsteller wurden zu Neidern, Besitzende mussten um das kämpfen, das sie nicht hergeben konnten und wollten. Nicht einmal der III. Weltkrieg fand mit der befürchteten atomaren Wucht statt: Die Gegner waren schon vor dem Ausbruch offener Feindseligkeiten erschöpft.

Nachdem die meisten Menschen tot sind, könnte endlich Ruhe einkehren. Doch nicht die vollständige Ausschöpfung der irdischen Ressourcen brachte der Zivilisation den Untergang. Theroux macht deutlich, dass auch die überbevölkerte Erde ihre Bewohner noch ernähren konnte, während sich die menschenleere Erde zu erholen beginnt. Der Mensch allein verursachte seinen Untergang.

|Barbarei und Abfallverwertung|

„Weit im Norden“ spielt weit abseits aller politischen, wirtschaftlichen oder kulturellen Zentren. Schon vor der Katastrophe war Sibirien ein hartes Land, das entweder von denen besiedelt wurden, die mehr oder weniger zwangsweise dorthin geschickt wurden, oder genügsamen, den rauen Verhältnissen angepassten Ureinwohnern eine Heimat bot, die den fremden Siedlern skeptisch bis feindlich gegenüberstanden. Theroux hat kleine Zellen der US-Kultur nach Sibirien verpflanzt, die wie in einer Petrischale im Kleinen nachbildet, was sich in Nordamerika ereignet hat.

Die Geschichte wird auf diese Weise schlank gehalten bzw. auf ihre wichtigsten Elemente reduziert. Der Mensch beginnt nicht sofort mit der Anpassung an die neuen Bedingungen. Makepeace Hatfield symbolisiert ebenso wie die Jäger, Sklavenhändler, Schrottsammler etc. einen Menschentyp, dem die Adaption nicht gelingt, weil er zu sehr der Vergangenheit verhaftet ist. Immer wieder stößt Makepeace auf Menschen, die ihre Kraft in die Bewahrung oder Neubelebung vergangener Lebensverhältnisse investieren. Sie muss schließlich lernen, dass sie trotz ihrer Unabhängigkeit auch zu ihnen gehört. Erst die nächsten Generationen, die sich an die alte Zivilisation nicht mehr erinnern können, werden sie nicht mehr vermissen und – vielleicht – einen echten Neustart schaffen.

Bis es soweit ist, bleibt der Blick nach rückwärts gerichtet, fällt der Mensch in nie bewährte aber allzu tradierte Verhaltensformen zurück. Feudale Strukturen werden in eine Sklavenhaltergesellschaft eingekreuzt, deren ‚Stabilität‘ auf Furcht und Gewalt basiert. Technische Errungenschaften entstammen einer Vergangenheit, die schon jetzt kaum mehr verstanden wird. Abgerundet wird diese gar nicht schöne, neue Welt durch religiösen Fanatismus, der für realpolitische Zwecken missbraucht wird (und Theroux zum einzigen echten Klischee gerinnt).

|Keinen Schritt vor, zwei Schritte zurück|

Mit Makepeace Hatfield schuf Theroux die ideale Hauptfigur für seine traurige Zukunftsmär. Schon ihr Vorname demonstriert die Verbindung zu einer Vergangenheit, die mit ihren Idealen gestorben ist. Makepeace hat auf die harte Tour lernen müssen, wie die Gegenwart funktioniert. Im Gegensatz zu ihrer Familie war sie willens und fähig, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Dies hat sie allerdings tief traumatisiert und vereinsamen lassen.

Unter dem Schutzpanzer steckt ein vielschichtiger Charakter, der nur allmählich zum Vorschein kommt. Ein großer Moment gelingt Theroux, wenn er Makepeace schließlich Bilanz ziehen lässt. Sie muss sich eingestehen, dass sie nicht lebt, sondern nur überlebt hat. Ihre Entdeckungsreise in einen von der Apokalypse verschonten Teil der Welt führt sie nur im Kreis. Nach entbehrungsreichen Jahren landet sie wieder dort, wo sie ihre Reise begonnen hat. Für Makepeace Hatfield gibt es kein Entrinnen. Sie ergibt sich schließlich in ihr Schicksal. Ihrer Tochter Ping bleibt es überlassen, eine echte neue Welt zu finden.

|Anmerkung|

Zum Thema „Ressourcenvergeudung“ leistet der Heyne Verlag mit der Erstausgabe von „Weit im Norden“ seinen eigenen Beitrag: Was hier mit aller Gewalt zum ‚mehrwertigen‘ Paperback aufgeblasen wird, fällt eigentlich in die Kategorie „Großdruck für Sehbehinderte“. Kümmerliche 27 Zeilen ‚füllen‘ jede Seite, und „Großbuchstaben“ tragen ihren Namen zu Recht, weil sie sich stolze 4 mm in die Höhe recken. Der Rezensent freut sich immerhin über breite Ränder, auf denen er sich schon während der Lektüre fleißig Notizen machen kann. Doch ist dies (Achtung: rhetorische Frage!) den stolzen Mehrpreis wert? „Weit im Norden“ ist ein gutes Buch mit einem unerwarteten Subtext: Beutelschneider gibt es nicht nur in Makepeace Hatfields zukünftigen Sibirien …

_Autor_

Marcel Raymond Theroux wurde am 13. Juni 1968 in Kampala, der Hauptstadt Ugandas, geboren. Er wuchs in Wandsworth, einem Stadtbezirk von London, auf, besuchte das Royal College of St. Peter in Westminster und studierte Englische Literatur am Clare College in Cambridge sowie Internationale Beziehungen in Yale, wobei er sich auf die Region Osteuropa und Russland konzentrierte.

Wie sein Vater, der (Reise-) Schriftsteller Paul, ist Marcel Theroux Autor. Ein erster Roman erschien 1998. Für „The Paperchase”/“The Confessions of Mycroft Holmes” (dt. „Wer war Patrick March?“) gewann Theroux 2002 den „Somerset Maugham Award”. Darüber hinaus schreibt Theroux Sachbücher sowie Artikel.

Marcel Theroux arbeitet nicht nur als Autor, sondern auch als Dokumentarfilmer. Unter anderem realisierte er 2004 im Rahmen der Serie „The War on Terra“ für den britischen Channel 4 den Beitrag „The End of the World as We Know It“. Hier thematisierte er den globalen Klimawandel. Über die Probleme von Russland nach der Sowjetzeit berichtete er 2006; ein weiterer Film über Kunst in Russland folgte 2008. Im Jahr darauf bereiste Theroux Japan mit der Kamera.

Mit seiner Familie lebt Marcel Theroux in London.

|Paperback: 431 Seiten
Originaltitel: Far North (London: Faber and Faber 2009)
Übersetzung: Oliver Plaschka
ISBN-13: 978-3-453-52846-8|
[marceltheroux.com]http://marceltheroux.com
[www.randomhouse.de/heyne]http://www.randomhouse.de/heyne

Kazinski, A .J. – Auserwählten, Die

Es ist doch erstaunlich, wie viel wir Menschen im Laufe unserer Evolution erreicht haben. Neben der Technik mit ihren Kommunikationskanälen und Fortschritten, haben wir weitreichende Entwicklungsschritte mit der Nanotechnologie und Medizintechnik gemacht. Seit Ende des letzten Jahrhunderts stehen wir mit der Quantenphysik vor einigen neuen Erkenntnissen, aber noch mehr offene Fragen stellen sich den Wissenschaftlern, was Raum und Zeit angeht. Gibt es mehrere Dimensionen? Dass dabei die Religion und die Wissenschaft immer mal wieder auf Konfrontationskurs gehen, bleibt nicht aus. Doch sehen wir alle die Welt nur aus einer sehr beschränkten Perspektive, als würden wir durch ein Fernglas schauen und konzentrieren uns dabei nur auf einen kleinen Ausschnitt.

Kann man Religion erforschen und ggf. mit der Wissenschaft kombinieren, um eine Basis der Zusammenarbeit zu finden? Was wissen wir wirklich? Im Grunde nicht viel, da eindeutig die Anzahl der Warum, Wieso, Was, Wann und Wer – einfach gigantisch überwiegt.

Dann ist da noch die Frage nach „Gott“! Ob nun religiös oder wissenschaftlich betrachtet – eine der elementarsten! Was passiert nach unserem Tod? Wartet da eine neue Welt auf uns, in der alles besser ist oder gehört der Tod zu Gottes Plan und ist für uns nur ein nächster Schritt? Elisabeth Kübler-Ross und Dr. Ramond Moody haben das Phänomen „Nahtod-Erlebnis“ erforscht und hinterfragt. Ihre Theorien sind ausgesprochen interessant und laden zum Nach- oder Umdenken ein.

In dem vorliegenden Roman „Die Auserwählten“ des dänischen Autorenduos A. J. Kazinski geht es um eine ganz Reihe von derartigen Theorien. Und dieser Wissenschafts- und Mystikthriller hat es wirklich in sich.

_Inhalt_

Tommaso di Barbara, ein venezianischer Polizist ermittelt in einem sonderbaren Mordfall. Das Opfer trägt ein sonderbares, blutiges Mal auf dem Rücken, das den Ermittler verstört. Als Tommaso feststellt, dass es rund um den Erdball mehrere Opfer gegeben hat, die alle mit einem ähnlichen Mal gezeichnet wurden, beginnt er alleine zu ermitteln. Sehr zum Widerwillen seiner Vorgesetzten, denn diese suspendieren ihn kurzerhand.

Tommaso ist überzeugt davon, dass der nächste mysteriöse Mordfall in Kopenhagen passieren wird. Er nimmt Kontakt zu Kommissar Niels Bentzon auf und überlässt ihm seine gesamte Ermittlungsarbeit. Eines haben diese Opfer alle gemeinsam: Sie sind gute Menschen und haben es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen zu helfen, zu beschützen.

Da in Kopenhagen gerade der Klimagipfel in der Vorbereitungsphase ist, wird Kommissar und Polizeipsychologe Bentzon darauf angesetzt, um zugleich jegliche terroristische Bedrohung zu untersuchen. Da Bentzon als psychisch labil eingestuft wird, ist das für seine Dienststelle die Gelegenheit, ihn aufs Abstellgleis zu schieben. Doch Bentzon findet schnell heraus, dass er hier etwas Großem auf der Spur ist und intensiviert seine Ermittlungen. Hat es einen terroristischen Hintergrund, dass gezielt Menschen in aller Welt zu Tode kommen und von diesem Mal gezeichnet wurden?

Ihm zur Seite steht die Astrophysikerin Hannah Lund. Eine sinnliche und schöne Frau, die nicht über den Tod ihres Sohnes hinwegkommt. Sie schließt sich Bentzon an und sieht das Rätsel als mathematische Gleichung. Mit analytischen Theorien und Bentzons Idealismus ermitteln die beiden und kommen auf der Spur von 36 Gerechten. Menschen, die scheinbar das Schicksal der Welt in ihren Händen halten und es nicht wissen. Als nur noch zwei Opfer fehlen, beginnt ein atemloser Wettkampf mit der Zeit.

_Kritik_

„Die Auserwählten“ ist ein großartiger Wissenschafts- und Mystikthriller. Den beiden dänischen Autoren merkt man an, dass sie erfahrene Drehbuch- und Romanautoren sind.

Das Kernthema, die Idee von 36 Gerechten, ist nicht unbedingt neu, aber in Verbindung mit Physik und Zahlensystem bekommt „Gottes Plan“ eine gewisse Originalität. In jedem Fall fesselt der Roman, auch wenn sich die beiden Autoren viel Zeit damit lassen, die herrschenden Charaktere zu positionieren. Die beiden Polizeibeamten Tommaso und Bentzon sind in gewisser Weise Antihelden. In jedem Auftreten findet man sich selbst ein Stück wieder und sympathisiert schnell mit den beiden.

Niels Bentzon steht sich meistens selbst im Weg. Seine Ehe mit der erfolgreichen Architektin Katherine, die inzwischen in Südafrika lebt und arbeitet, ist auf Messers Schneide. Ihre intimen Gespräche finden zumeist vor dem Computer in einem Chatsystem statt und nur zu gerne geht Niels Konfrontationen aus dem Weg. Zu gerne würde er seiner Frau wieder nahe sein, doch sein großes Problem, eine ausgeprägte Reisekrankheit und Angst hält ihn davon ab, ins nächste Flugzeug zu steigen. Weiter als Berlin ist er noch nicht gekommen, und das hat schon alles von ihm abverlangt.

Doch beruflich gibt Bentzon sein Bestes. Als Polizeipsychologe hat er schon einiges gesehen und psychisch durchmachen müssen, wenn es darum ging, einen Geiselnehmer zu beschwichtigen und zu überzeugen, dass eine Aufgabe die beste Alternative ist. Doch er gilt als müde, abgebrannt und manisch-depressiv. Im Roman wirkt er allerdings überhaupt nicht so. Im Gegenteil, voller Energie und mit vollem Einsatz widmet er sich seiner neuen Aufgabe.

Die Astrophysikerin Anna und ihr Ermittlungspartner ergänzen sich wunderbar. Sie sieht die ganze Welt mit den Augen und Sinnen einer logischen Analytikerin. Hochbegabt und mit viel Feingefühl verfolgt sie die Spuren und entdeckt den Plan, nicht aber den Auslöser oder den Sinn.

Die Handlung ist auch immer wieder durch kleinere Nebenschauplätze durchwoben. Eindrucksvoll ist hier auch zu lesen, wie Bentzon eine Geiselnahme deeskaliert oder der Klimagipfel startet. So viel Detailreichtum festigt noch einmal die Klasse des Romans und vervollständigt das Lesevergnügen. Überaus spannend ist natürlich auch die Haupthandlung in denen sich Fakten und Fiktion wunderbar ergänzen. Allein schon die These der 36 Gerechten aus dem jüdischen Talmud ist eindrucksvoll beschrieben.

Auch wenn die Spannung im Laufe der Handlung immer größer wird, so ist das Ende bzw. der Ausgang ziemlich enttäuschend. Im Nachhinein relativiert sich das wieder, wenn man darüber nachdenkt, doch beim Schließen des Buches bleiben einige Fragen gänzlich unbeantwortet.

„Die Auserwählten“ ist mit Sicherheit ein Titel, der nur auf die Verfilmung wartet, denn ein solcher Thriller voller Geheimnisse lässt sich wunderbar in den Kinosaal transportieren.

_Die Autoren_

A. J. Kazinski ist das Pseudonym für das dänische Autorenduo Anders RønnowKlarlund und Jacob Weinreich. Anders RønnowKlarlund, Jahrgang 1971, arbeitet als Autor und Regisseur. Für seine Filme ist er bereits mehrfach ausgezeichnet worden. Jacob Weinreich, 1972 in Århus geboren, ist Drehbuch- und Romanautor. „Die Auserwählten“ ist ihr erster gemeinsamer Roman. (Verlagsinfo)

_Fazit_

„Die Auserwählten“ ist ein brillanter Thriller und ein wahrer Pageturner. Abgesehen vom schwächeren Ende, das man später wieder relativieren wird, hat mich der Thriller absolut überzeugen können.

Wissenschaft und Religion können Hand in Hand gehen und schließen sich nicht aus. Viele Dialoge im Roman drehen sich eigentlich immer wieder um das Kernthema von „Gut“ und „Böse“. Der Roman lässt den Leser nachdenken, auch über ein evtl. Weiterleben nach unserem Tode.

Nicht nur Niels Bentzon wird am Ende des Romans seine Welt und seine Existenz mit ganz anderen Augen sehen.

Prädikat: Exzellent und absolut zu empfehlen.

|Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 608 Seiten
Originaltitel: Den sidste gode mand
Originalverlag: Politiken
Aus dem Dänischen von Günther Frauenlob
ISBN-13: 978-3453267671|
[www.randomhouse.de/heyne]http://www.randomhouse.de/heyne

_A. J. Kazinski bei |Buchwurm.info|:_
[„Die Auserwählten“ (Lesung)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7308

Annette Klosa – DUDEN – Richtiges und gutes Deutsch (Band 9)

Beschreibung:

Mehrere Hunderttausend Anfragen an die Duden-Sprachberatung bilden die Grundlage für diesen Sprachratgeber. Behandelt werden die typischen Zweifelsfälle der deutschen Sprache. Sortiert von A bis Z gibt der Titel Antworten auf orthografische, grammatische und stilistische Fragen. Erstmals enthält der Band Dudenempfehlungen bei grammatischen Varianten. Außerdem ergänzen Formulierungshilfen und Erläuterungen zum aktuellen Sprachgebrauch dieses Standardwerk. Verständliche Erklärungen, Übersichtsartikel zu Themen wie Groß- und Kleinschreibung und Kommasetzung sowie zahlreiche Beispiele runden den Titel ab. (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

Was der „Knigge“ für gutes Benehmen ist, das ist „Richtiges und gutes Deutsch“ für das Schreiben und den guten Umgangston. In einer Zeit, in der sich immer mehr Menschen auf die Rechtschreibprüfung ihrer Textverarbeitung verlassen, weil sie spätestens seit der „Neuen Rechtschreibung“ keine Ahnung mehr haben, wie denn nun was geschrieben wird, verspricht der Sprachratgeber aus der DUDEN-Reihe Hilfe. Aber auch und gerade Vielschreiber finden hier professionelle Hilfe.

In diesem handlichen und ziegelgewichtigen Buch bietet die DUDEN-Redaktion Tipps für Zweifelsfälle an. Alphabetisch sortiert, damit man sich schneller zurechtfindet und mit Empfehlungen, falls es mehrere richtige Möglichkeiten gibt. Erstmals auch mit gelb gekennzeichneten DUDEN-Empfehlungen für Grammatik- und Stilfragen, das gab es bislang nur für die Rechtschreibvariante der DUDEN-Reihe. Und das Ganze auch noch verständlich formuliert, sagt die DUDEN-Redaktion.

Am Anfang wird dem interessierten Vielschreiber auf wenigen Seiten übersichtlich erklärt, wie er optimal mit dem Buch umgehen sollte und dann folgt direkt die alphabetisch sortierte Rundum-Glücklich-Hilfe. Die Entscheidung, das Buch auf diese Weise zu ordnen, vereinfacht die Suche ungemein.

Und Suchen kann man in diesem Ratgeber nach Herzenslust. Fündig wird man dabei auch. Alles, was mir spontan in den Sinn kam, habe ich auf Anhieb gefunden. Vieles davon war sogar als ausführliche „Überblicksartikel“ vorhanden. In denen steht nicht nur, wie man was richtig schreibt, sondern auch warum.

Zu den „Überblicksartikeln“ gehören unter anderem die Klassiker: Apostroph, Getrennt- und Zusammenschreibung, Groß- und Kleinschreibung, Genitiv-s und Kommaregeln. Aber auch jede Menge andere Tipps bietet „Richtiges und gutes Deutsch“. Artikel zu Bewerbungen, Brief-Deutsch, wie man das Partizip I und II bildet, indirekt redet und vieles mehr.

Den dicksten Teil aber machen die vielen Zweifelsfälle der deutschen Sprache aus, die von der Menge her mit einem Wörterbuch für Rechtschreibung locker mithalten können. Spontan aufgeschlagen fand ich grad: „hierzulande / hier zu Lande“. Tja, was ist nun richtig? Beides, das ist ja das Problem. Die DUDEN-Redaktion empfiehlt übrigens die erste Variante und markiert diese gelb. Noch ein Beispiel? Gern: „Lassen Sie mich mich erst anziehen / Lassen Sie mich erst anziehen“ … ginge beides, ist aber „stilistisch unschön“ und sollte eh umformuliert werden.

Je nachdem wie leicht man zu verunsichern ist, hilft „Richtiges und gutes Deutsch“, das eigene Wissen zu verfestigen oder es hilft dabei, die eigenen Zweifel noch stärker zu schüren, weil hier wirklich so viele Tipps und Hilfen zu finden sind, dass man ständig in das Buch schaut, ob man jetzt die richtige Variante erwischt hat.

Wer also richtig und gut Deutsch schreiben und sprechen möchte, dem bietet dieser Teil der DUDEN-Reihe die perfekte Unterstützung in wirklich allen Fragen, die man sich beim Erstellen von Texten jemals gestellt hat und vielleicht irgendwann mal stellen wird oder von denen man nie gedacht hat, dass man sie sich einmal stellen würde. Alles frisch für die aktuelle Auflage noch einmal neu überarbeitet, weil die deutsche Sprache nicht starr ist, sondern sich verändert. So habe ich übrigens zu meinem Leidwesen erfahren, dass man „noch mal“ auch zusammenschreiben darf, auch wenns nicht empfohlen wird. Empfohlen wird aber bei „wenns“ das Apostroph wegzulassen und es nicht „wenn’s“ zu schreiben. Vorsicht also beim Verbessern von anderen, es könnte ein Eigentor werden.

Und wenn man grad mal nichts schreibt und Hilfe dabei braucht, kann man stundenlang wild hin- und herblättern und einfach nur Wissen und Vorschläge aufsaugen. Und mit ein bisschen Glück, behält man sich das eine oder andere sogar.

Die Zugabe

Zur Buchversion gibt die DUDEN-Redaktion auch eine CD für Windows mit dazu. Hier finden wir die beliebte Rechtschreibprüfung, auch bekannt als DUDEN KORREKTOR, in der Version 7.0 für Microsoft Office, die 30 Tage kostenlos zu benutzen ist. Aktuell ist übrigens die Version 8.0.

Mein Fazit:

Ein Ratgeber für jeden, der richtiges und gutes Deutsch schreiben muss oder möchte. Viele Hilfestellungen und verständliche Erklärungen runden das große Verzeichnis der alphabetisch sortierten „Zweifelsfälle der deutschen Sprache“ ab. Ein Standardwerk, das neben jedes Wörterbuch gehört, denn richtiges und gutes Deutsch wird eben nicht überbewertet.

Gebunden: 1064 Seiten
7., vollständig überarbeite und erweiterte Auflage (22.08.2011)
ISBN: 978-3411040957
www.duden.de

Auch erhältlich als Plugin für Microsoft Office, Works und OpenOffice/LibreOffiice auf CD-Rom für Windows, Mac und Linux und Medienpaket mit Buch + CD-Rom.

Der Autor vergibt: (5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Miller, Wade – Mord unterm Karussell

_Das geschieht:_

Die Lösung seines letzten Falls kostete drei Menschen das Leben, bescherte ihm Albträume und eine tiefe Abscheu vor Waffen. Seither übernimmt Privatdetektiv Max Thursday im südkalifornischen San Diego nur noch kleine und ungefährliche Aufträge. Sein aktueller Klient bestellt ihn kurioserweise in den Vergnügungspark „Joyland“, wo er in der Riesenschaukel auf ihn warten soll. Von dort muss Thursday mit ansehen, wie der junge Chinese David Song aus einem fahrenden Auto erschossen wird.

Leutnant Clapp von der Mordkommission übernimmt den Fall. Bei der Leiche findet sich ein Zettel, der darauf hinweist, dass Song einen unbekannten Mann namens Leon Jagger beschattet hat. Thursday will sich heraushalten, doch noch in der Mordnacht entführt ihn Davids Schwester Nancy mit Waffengewalt zum trauernden Vater Song Lee, der den Detektiv, der allmählich neugierig wird, tatsächlich engagieren kann.

Der unglückliche David pflegte zu Lebzeiten üblen Umgang. Er war dem Glücksspiel verfallen und ist offenbar in einen Gangsterkrieg zwischen Larson und Ulaine Tarrant, die brutal über ihr kriminelles Imperium herrschen, und dem Eindringling Jagger, der sein Stück vom Kuchen fordert, geraten ist.

Zwar hofft Thursday, er könne sich aus dem Konflikt heraushalten und trotzdem Davids Namen reinwaschen, doch rasch muss er bemerken, dass die ohnehin nervösen Verbrecher auf sein vorsichtiges Stochern sehr ungehalten reagieren: Versucht der Detektiv ihnen jeweils im Auftrag der Gegenseite einen Mord unterzuschieben? Sie schicken ihre Schergen aus, die Thursday eindringlich ‚befragen‘, worauf dieser, der hartnäckig weiter ermittelt, beschließt, den Schwur auf Waffenverzicht zugunsten einer Verlängerung seines Lebens zu brechen …

|Krimi-Spannung mit lässiger Eleganz|

Viel zu viele Krimis gibt es, die von der Zeit eingeholt und unter ihr begraben wurden, ohne dieses Schicksal zu verdienen. Die Klassiker Chandler, Hammett oder MacDonald werden nicht nur hierzulande immer wieder aufgelegt. Doch was ist mit den Pechvögeln, die keine Fürsprecher und Verlage finden, obwohl sich ihre Werke durchaus sehen bzw. lesen lassen?

Die Max-Thursday-Romane wurden von der zeitgenössischen US-Kritik nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern gelobt. Auch heute genießen sie ihr Renommee, und sie müssen auch in Deutschland mindestens von den Lesern zur Kenntnis genommen worden sein, denn sie sind sämtlich hierzulande erschienen. Ihre inhaltlichen wie formalen Qualitäten lassen eine Neuauflage wünschenswert erscheinen, die indes wohl nur ein Wunsch dieses Rezensenten bleiben wird.

Was ist es nun, das dieses Buch so lesenswert macht? Da ist vor allem ein Plot, der täuschend einfach wirkt aber – so gehört es sich – in die Irre führt, sodass die leicht irrwitzige aber logische Auflösung angenehm überraschen kann. Miller weiß sein Garn zu spinnen, Langeweile kommt nie auf, auch wenn so manche detektivische Ermittlung ins Leere läuft: Das gehört zum Job.

|Stimmung und Zeitkolorit|

Ein Umstand, den Miller einst womöglich für selbstverständlich hielt, hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte wie eine Vergoldung über seinen Roman gelegt: „Mord unterm Karussell“ besticht durch seine Atmosphäre. Das Buch spielt in einem Land, das den II. Weltkrieg zwar gewonnen aber noch nicht überwunden hat. Immer wieder lässt Miller die historische Gegenwart der frühen 1950er Jahre einfließen. „Joyland“ ist ein Relikt der hektischen Kriegsjahre, als Soldaten und Arbeiter in der Kriegsindustrie sich nach hartem Kampf oder Doppelschichten im Betrieb die kurze Freizeit vertreiben wollten. Die taffe Reporterin Merle Osborn gehört zu den wenigen Frauen, die nach 1945 noch nicht wieder in die Hausarbeit entlassen wurden, nachdem sie zuvor gut genug waren die in Übersee kämpfenden Männer in allen möglichen Berufen zu vertreten. Max Thursday hat selbst an der Front gedient und seine geistige Gesundheit dabei eingebüßt (s. u.)

In den klassischen, tief ’schwarzen‘ Film-Krimis dieser Ära lässt sich die Stimmung noch erfassen, die „Mord unterm Karussell“ auszeichnet. Damals muss dieser Roman sehr modern gewirkt haben. Auch heute erfreut die Abwesenheit so mancher zeitgenössischen Klischees. Die Übersetzung konnte dies bewahren und einen uralten, nur noch auf Flohmärkten zu findenden Dutzendkrimi in ein echtes, angenehm überraschendes Lektürevergnügen verwandeln.

|Das Leben kennt keine Gewinner|

Max Thursday gehört einerseits zu den geradezu klassischen Privatdetektiven: ein harter, unbestechlicher Schnüffler, der stets der Wahrheit den Vorzug vor einem bequemen Leben gibt und folglich von einem Fall auch dann nicht lassen kann, wenn dieser ihm wenig Geld aber viel Ärger bringt.

Andererseits kündigt sich mit Thursday schon ein neuer, zeitgemäßer Detektiv an, der nicht nur zum Gangsterjagen auf der Welt ist. Der II. Weltkrieg ließ auch die Unterhaltungsindustrie nicht unberührt. Zwar hatten die USA ‚gewonnen‘, doch der Preis war hoch gewesen, und nun schien man auf einen Krieg mit der Sowjetunion zuzusteuern, der jederzeit heiß werden konnte. Die Ideale der Vergangenheit hatten sich als Illusion erwiesen. Im Kino wurden nach 1945 die Krimis der „Schwarzen Serie“ zu einem eigenen Genre. Die Sünden und Schmerzen der Vergangenheit lasten hier schwer auf allen Protagonisten, denen das Schicksal nichts als Tod oder weitere Enttäuschung zu bieten scheint. Nichts ist mehr Schwarz oder Weiß, alles ist Grau.

|Vom Leben gebeutelt|

Max Thursday gehört zu denen, die nicht als siegreiche Helden, sondern als nervliche Wracks aus dem Krieg heimkehrten. Die Erinnerung daran, was er erleben und tun musste, hat ihn geprägt. Thursday will vor allem seine Ruhe, aber dafür hat er sich natürlich den falschen Job ausgesucht. Wieder ist da besagtes Schicksal, das ihn genretypisch stets dorthin führt, wo ihn wieder die fatale Entscheidung erwartet: Soll ich davonlaufen oder weitermachen? Selbstverständlich entscheidet sich Thursday für Nr. 2; er kann nicht anders, und Verfasser Wade Miller arbeitet heraus, dass genau dies auch Thursdays Problem ist. Er wird nie aufgeben und deshalb weiter verletzt werden. Dafür ‚belohnt‘ wird er mit Depressionen und Alkoholsucht.

Auch Merle Osborn kann so, wie sie Miller schildert, nur in ihrem Umfeld existieren. Sie hat die Grenzen einer alten gesellschaftlichen Schichtung überschritten, ist dank des Krieges in eine Männerdomäne vorgedrungen. Miller ist zu sehr Kind seiner Zeit, als dass er dies letztlich gutheißen könnte. So sehnt sich Osborn durchaus nach einer starken Schulter, an die sie sich in der Krise anlehnen kann. Bis es soweit – aber ohne Garantie eines Gelingens – ist, schlägt sie sich jedoch wacker und stellt eine echte Bereicherung des Figurenpersonals dar, das Miller auch sonst mit viel Liebe zum überzeugenden bis leicht absurden Detail zu zeichnen weiß.

_Autoren_

Wade Miller ist das Pseudonym des Autorenduos Robert Allison Bob Wade (geb. 1920) und H. Bill Miller (1920-1961). Die beiden seit Schultagen unzertrennlichen Freunde debütierten 1947 mit „Guilty Bystanders“, dem ersten Roman der Serie um den Privatdetektiv Max Thursday, die von der Kritik zu den besten ihrer Zeit gezählt wird. In den nächsten anderthalb Jahrzehnten schrieben Wade & Miller als „Wade Miller“ aber auch als „Will Daemer“, „Dale Wilmer“ und „Whit Masterton“ mehr als dreißig Romane, von denen immerhin neun verfilmt wurden. Unter diesen Filmen ragt hoch der Noir-Klassiker „Touch of Evil“ heraus, den 1958 Orson Welles mit Charlton Heston, Janet Leigh, Marlene Dietrich und sich selbst in den Hauptrollen inszenierte.

Als Miller 1961 völlig überraschend einem Herzanfall erlag, schrieb Wade im Alleingang weiter, beschränkte sich jedoch zukünftig auf das Pseudonym „Whit Masterton“. Sein bisher letzter Roman erschien 1979. Dem Krimigenre ist er jedoch als kundiger Spezialist und Autor der Kolumne „Spadework“ verbunden geblieben.

|Taschenbuch: 170 Seiten
Originaltitel: Fatal Step (New York: Signet 1948)
Übersetzung: A. B. Noack|
[www.ullsteinbuchverlage.de]http://www.ullsteinbuchverlage.de

JANA OLVIVER – Aller Anfang ist Hölle (Die Dämonenfängerin 1)

Die Dämonenfängerin:

Band 1: „Aller Anfang ist Hölle“
Band 2: „Forbidden“ (noch ohne dt. Titel)
Band 3: „Forgiven“ (noch ohne dt. Titel)

Die Hölle ist leer, und alle Teufel sind hier (Shakespeare).

Atlanta 2018. Riley Blackthorne lässt sich von ihrem Vater zu einer Dämonenfängerin ausbilden. Luzifer hat die Zahl der Dämonen stark erhöht und so will die junge Riley in die Fußstapfen ihres Vaters Paul treten. Dieser gilt als der erfolgreichste Dämonenfänger und Riley begegnet daher nicht nur Wohlwollen in der Zunft der Dämonenjäger.

Als ihr Vater überraschend bei einem Auftrag ums Leben kommt, stellt sich das Leben der 17 Jahre jungen Riley auf den Kopf. Ihre Mutter musste sie bereits zu Grabe tragen und so erträgt sie es nur schwer, auch noch ihren Vater zu verlieren. Nun hat sie nur noch Denver Beck, Pauls ehemaligen Lehrling und Partner an ihrer Seite. Vor Jahren war Riley sehr verliebt in den jungen Dämonenfänger, der sie aber zurückwies. So erträgt Riley Beck kaum.

Nekromanten haben es zusätzlich auf den Leichnam ihres Vaters abgesehen, Reiche würden eine Menge Geld für so einen untoten Diener zahlen. So bleibt Riley nichts anderes über, als nächtelang auf dem Friedhof Wache zu halten.

Kritik

Mit „Aller Anfang ist Hölle“ eröffnet Jana Oliver ihre Serie um die Dämonenfängerin Riley Blackthorne. Die Serie spielt in Atlanta, einer Stadt, die Luzifer mit Dämonen überspült.

Auf jugendliche Leser ausgerichtet, ist dem lockeren Erzählstil leicht zu folgen. Verständlich und flüssig geschrieben erleben die Leser die fesselnden Abenteuer Rileys mit. Dem Verlauf der Geschichte kann spielend gefolgt werden. Zwischen den interessanten Figuren geführte Dialoge sind in jugendlicher Sprache verfasst. Dies passt zwar hervorragend zu den heranwachsenden Charakteren. Bei Sätzen wie: „Die Hütte tut bald einstürzen …“ dürften sich die Leser jedoch ernsthaft fragen was sich Autorin oder Lektorat dabei gedacht haben. Witzig sind die Wortstellungen der Dämonen, diese erinnern stark an Yoda aus „Star Wars“.

Das Atlanta in dem Riley lebt wird ausführlich beschrieben und so entsteht auch schnell ein umfassendes Bild der Gesamtsituation. Interessant ist vor allem, wie es mit der Schulbildung steht und mit welchen Problemen die Bevölkerung zu kämpfen hat, nicht nur die unterschiedlichen Dämonen machen den Menschen das Leben schwer.

„Aller Anfang ist Hölle“ ist definitiv als Einführung in das Leben der jugendlichen Riley und die Serie um diese Figur zu verstehen. Viel wird erklärt und die unterschiedlichen Charaktere eingeführt. Da bleibt die Spannung so manches Mal auf der Strecke, faszinierend ist der Plot allerdings allemal. Aufgrund der interessanten Handlung bleibt der Lesefluss auch nicht auf der Strecke und interessiert verfolgt der Leser wie das Schicksal Rileys sich entwickelt. Auch wenn das Buch die meiste Zeit vor sich hinplätschert, kommt es doch zu einem gewaltigen Showdown, der extrem spannende Folgebände verspricht.

Rückwirkend erzählt ein vorurteilsfreier Beobachter die aufregenden Erlebnisse von Riley. Dabei konzentriert sich die dritte Person vollkommen auf Riley, dadurch lernt der Leser die ansprechende Protagonistin überaus gut kennen. Die persönlichen Hintergründe der weiteren interessanten Figuren bleiben allerdings noch auf der Strecke. Dies dürfte sich allerdings in den Folgebänden nach und nach legen, gehören diese offenen Fragen unter anderem zu den Dingen, die neugierig auf mehr machen.

Die Figurenzeichnung ist der Autorin sehr glaubwürdig und überzeugend gelungen. Die zumeist jugendlichen Charaktere verhalten sich, wie der Leser es von dieser Altersgruppe erwarten kann.

Rileys Charakter und auch ihre Motivation werden ausführlich und glaubwürdig beschrieben. Wie sie mit den Problemen umgeht, die sich im Zuge ihrer außergewöhnlichen Tätigkeit und des Todes ihres Vaters entwickeln, werden authentisch vermittelt. Auch die weiteren Darsteller wirken meist sympathisch. Offene Fragen gibt es zu manchen, dies macht einen Serienstart allerdings auch aus. Letztendlich lebt eine Serie davon, dass der Leser in den Folgebänden auf Antworten hofft. Dämonen stellen ja in der Regel das vollkommene Böse dar, in dem vorliegenden Roman ist dies auch genau so. Zumindest ab der Dämonenstufe drei. Durch die Sprache, die die Autorin den dämonischen Wesen in den Mund gelegt hat, schmunzelt der Leser sicherlich aber auch so manches Mal.

Das Cover ist sehr ansprechend gelungen. Hell gehalten ist ein junges Mädchen abgebildet, das durchaus Riley sein kann. In der Hand hält sie eine, in der Handlung öfter vorkommende, Glaskugel. Der Serientitel wird durch Prägung und Spotlack hervorgehoben.

Autorin

Jana Oliver, geboren und aufgewachsen in Iowa, ist eine preisgekrönte Autorin. Sie ist am glücklichsten, wenn sie haarsträubende Legenden recherchiert, auf alten Friedhöfen umherwandert und neue Geschichten erträumt. Sie glaubt wirklich, dass sie den besten Job der Welt hat. „Aller Anfang ist Hölle“ ist der erste Band ihrer neuen Serie „Die Dämonenfängerin“. Die Autorin lebt wie ihre Heldin Riley Blackthorne in Atlanta, Georgia.

Fazit

Mit „Aller Anfang ist Hölle“ hat Jana Oliver den äußerst vielversprechenden Start ihrer Serie um die Dämonenfängerin Riley Blackthorne veröffentlicht. Sicherlich als Einführung in die folgenden Bände gedacht, lernt der Leser die verschiedenen Charaktere, besonders die Protagonistin Riley Blackthorne, sehr gut kennen. Neben dem spannenden Showdown überzeugt der Roman durch den feinen Humor und die lebendigen Figuren. Der fesselnde Plot tut sein Übriges.

Ich bin sehr gespannt, wie es mit Riley weitergeht. Ich denke wir Leser können uns hier noch auf viele unterhaltsame Lesestunden freuen.

Gebundene Ausgabe: 537 Seiten
Orginaltitel: The Demon Trappers 1. Forsaken
ISBN-13: 978-3841421104

Verlagshomepage

Jeschke, Wolfgang; Aldiss, Brian W. (Hrsg.) – Titan-20

_Die Erde wird verschachert: klassische SF-Erzählungen _

In der vorliegenden Ausgabe des Auswahlbandes Nr. 20 von „Titan“ sind nicht Beiträge zur „Science Fiction Hall of Fame“ gesammelt, sondern klassische SF-Erzählungen der 1950er Jahre – Thema sind „Galaktische Imperien“. Dies ist der dritte von vier TITAN-Bänden zu diesem Thema.

Die Kriterien der deutschen Bände waren nicht Novität um jeden Preis, sondern vielmehr Qualität und bibliophile Rarität, denn TITAN sollte in der Heyne-Reihe „Science Fiction Classics“ erscheinen. Folglich konnten Erzählungen enthalten sein, die schon einmal in Deutschland woanders erschienen waren, aber zumeist nicht mehr greifbar waren.

TITAN sollte nach dem Willen des deutschen Herausgebers Wolfgang Jeschke ausschließlich Erzählungen in ungekürzter Fassung und sorgfältiger Neuübersetzung enthalten. Mithin war TITAN von vornherein etwas für Sammler und Kenner, aber auch für alle, die Spaß an einer gut erzählten phantastischen Geschichte haben.

_Die Herausgeber _

1) Wolfgang Jeschke, geboren 1936 in Tetschen, Tschechei, wuchs in Asperg bei Ludwigsburg auf und studierte Anglistik, Germanistik sowie Philosophie in München. Nach Verlagsredaktionsjobs wurde er 1969-1971 Herausgeber der Reihe „Science Fiction für Kenner“ im Lichtenberg Verlag, ab 1973 Mitherausgeber und ab 1977 alleiniger Herausgeber der bis 2001 einflussreichsten deutschen Sciencefiction-Reihe Deutschlands beim Heyne Verlag, München. Von 1977 bis 2001/02 gab er regelmäßig Anthologien – insgesamt über 400 – heraus, darunter die Einzigen mit gesamteuropäischen Autoren.

Seit 1955 veröffentlicht er eigene Arbeiten, die in ganz Europa übersetzt und z.T. für den Rundfunk bearbeitet wurden. Er schrieb mehrere Hörspiele, darunter „Sibyllen im Herkules oder Instant Biester“ (1986). Seine erster Roman ist „Der letzte Tag der Schöpfung“ (1981) befasst sich wie viele seiner Erzählungen mit Zeitreise und der Möglichkeit eines alternativen Geschichtsverlaufs. Sehr empfehlenswert ist auch die Novelle „Osiris Land“ (1982 und 1986). Eine seiner Storysammlungen trägt den Titel „Schlechte Nachrichten aus dem Vatikan“.

2) Brian W. Aldiss (* 1925) ist nach James Graham Ballard und vor Michael Moorcock der wichtigste und experimentierfreudigste britische SF-Schriftsteller. Während Ballard nicht so thematisch und stilistisch vielseitig ist, hat er auch nicht Aldiss’ ironischen Humor.

Aldiss wurde bei uns am bekanntesten mit seiner Helliconia-Trilogie, die einen Standard in Sachen Weltenbau in der modernen SF setzte. Das elegische Standardthema von Aldiss ist die Fruchtbarkeit des Lebens und die Sterilität des Todes. Für „Hothouse/Der lange Nachmittag der Erde“ bekam Aldiss den HUGO Award. Er hat auch Theaterstücke, Erotik, Lyrik und vieles mehr geschrieben.

_Die Erzählungen_

_1) John D. MacDonald: „Flucht ins Chaos“ (1951)_

Andro ist der dritte Kronprinz von Kaiser Shain, doch der missratene Sohn rebelliert gegen seinen Vater. Der Kaiser verfügt mit einem Wink seinen Tod. Die Brüder Andros mühen sich zusammen mit Delaran, dem Feldherrn, Andro zur Strecke zu bringen. Doch es ist wie verhext: Ein ums andere Mal entschlüpft ihnen der Gejagte, als ob er einen Schutzengel hätte. Und beim sechsten Mal verschwindet Andro einfach spurlos …

Er erwachst auf einer fremden Welt, stellt sich aber weiterhin bewusstlos. Schließlich ist er ja ein ausgebildeter Krieger. Kaum beugt sich die fremde Frau über ihn, versetzt er ihr einen Faustschlag, dass sie bewusstlos umkippt. Er schaut sich um, betrachtet die Fremde. Er hat alle seine Kampfesgenossen und seine Geliebte verloren, also muss dies eine Feindin sein. Sie trägt eine zitronengelbe Toga und am Gürtel sechs glänzende Instrumente, die er ihr abnimmt und versteckt.

Sie nennt sich Calna und behauptet, sie sei Agentin einer geheimen Macht, die die Welten des Universums zu einem einheitlichen Entwicklungsstand zusammenführen wolle. Sie habe Andro schon mehrfach das Leben gerettet. Er glaubt ihr nicht, denn welchen Grund hätte sie dazu. Mit geschickten Akupressurgriffen setzt sie ihn außer Gefecht, bevor sie ihre Instrumente wieder am Gürtel befestigt.

Ihre Mitagenten seien hinter ihr her, und auf dieser Welt seien sie nicht sicher. Andro will auf seine Heimatwelt, um dort einen Aufstand anzuzetteln. Aber dort habe Deralan dem Kaiser den Beweis gezeigt, dass Andro tot sei. Sie selbst hatte Deralan den Beweis in die Hand gelegt. Würde Andro nun dort auftauchen, müssten die Sklaven, die er zu befreien beabsichtigt, glauben, er sei wiederauferstanden. Na schön, muss er eben sein Gesicht umgestalten.

Zusammen gehen sie mit ihrem Agentenschiff nach Simpar und verstecken sich unter der Erde vor den Agenten, die Calna, die Abtrünnige, suchen. Der Aufstand der befreiten Sklaven wird ein voller Erfolg, und schon bald brennt die Stadt lichterloh. Doch Deralan hat eine Sklavin ausgehorcht und überrascht von Andros Anwesenheit erfahren. Als die wütenden Sklaven auch Andro, den sie nicht erkennen, angreifen und die schöne blonde Frau neben ihm ihn mit einer unbekannten Waffe verteidigt, weiß Deralan Bescheid.

Er folgt ihnen unauffällig zu ihrem Schiff. Er zieht das Messer, um es in Andros Rücken zu werfen. Doch eine unbekannte Macht ergreift von ihm Besitz und schleudert das Messer auf ein neues Ziel …

|Mein Eindruck|

Die 60 Seiten lange Erzählung folgt keineswegs dem oben skizzierten Handlungsverlauf, der nur einen kleinen Teil des Geschehens abdeckt. Vielmehr scheint das Thema der Geschichte weniger Aufstand, Kampf und Romanze zu sein, als vielmehr die Bedeutung von Statistik für die soziologische Entwicklung von wahrscheinlichen Welten. Insofern ist es eine sowohl eine Übung in Statistik als eine Variation der Psychohistorik, die Asimov schon in den vierziger Jahren „erfand“.

Der Direktor der „sozionetischen Agentur“ steuert demnach die 26 Welten der Wahrscheinlichkeit in ihrer Entwicklung, zu ihrem eigenen Wohl, aber auch um die Kontrolle zu behalten. Agentenschiffe vermögen es, von einem Rahmen der Wahrscheinlichkeit – sprich: Welt – zum nächsten und übernächsten zu „schlüpfen“, indem sie die quantenmechanische Wahrscheinlichkeit beugen. (Nicht gerade eine neue Idee.)

Doch was die abtrünnige Agentin Calna zusammen mit Andro tut, lässt auf der Welt Simpar alle anderen Wahrscheinlichkeiten zusammenbrechen. Es gibt nur noch eine einzige Wahrscheinlichkeit. Es gibt für sie folglich kein Entkommen mehr. Doch eine fremde Macht bemächtigt sich Delarans Geist, der ein Gerät konstruiert, das die anderen Wahrscheinlichkeitsrahmen wieder zugänglich macht. Doch wer oder was verbirgt hinter dieser Macht?

Calna erfährt es nicht. Denn als sie zum Direktor zurückkehrt, kann sie sich an ihre Erlebnisse nur wie an einen verrückten Traum erinnern. Sie will neu konditioniert werden. Der letzte Satz allein gibt uns einen Hinweis darauf, dass der Direktor dahinterstecken könnte. Er denkt an die Einfachheit der „dritten atomaren Ära“. Das bedeutet, dass er schon sehr alt sein muss. Alt genug, um so etwas wie ein Gott zu sein …

_2) A. E. van Vogt: „Versteck“ (1943)_

In der Kleinen Magellanschen Wolke gibt es Millionen von Sonnen, doch Wetterstationen wachen auf jede Annäherung einer uralten Bedrohung. Als Gisser Watchers Systeme das Schlachtschiff von der Imperialen Erde entdecken, gibt er den fünfzig Sonnen der bewohnten Welten Alarm und trifft Vorbereitung, seine Station zu sprengen. Die Karte des Systems darf den Erdlingen keinesfalls in die Hände fallen …

An Bord des Schlachtschiffs „Star Cluster“ begrüßt ihn eine junge Frau mit blitzenden Augen. Sie stellt sich als Großkapitänin Gloria Cecily Laurr von Laurr vor. Er soll ihr alles verraten über sein Sternensystem verraten, doch sie macht den Fehler, ihm zu drohen: Alle Abtrünnigen würden zur Rechenschaft gezogen werden. Erst die Psychosonde, die Chefpsychologin Neslon einsetzt, bricht seinen psychischen Widerstand. Doch kaum beginnt er das Dellianische System zu beschreiben, als sein Verstand sich abschottet. Bemerkenswert!

Zugleich mit Watchers Molekülen wurde auch die Station mitsamt der Sternenkarte an Bord transferiert. Doch wie ihr der Chefnavigator versichert, könne die Kapitänin nichts damit anfangen, denn es fehle der Schlüssel, der Bezugspunkt. Sie bewohnten Welten seien wie die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen unter Millionen von Sonnen versteckt. Sie Suche erweist sich als ergebnislos. Zehn Jahre Suche – und jetzt das!

Gloria Cecily beschließt, Watcher zu verführen, um an die Wahrheit heranzukommen. Doch sie ist nicht auf die ungeheuerliche Wahrheit gefasst, die sie dabei unter Lebensgefahr entdeckt …

|Mein Eindruck|

Wie so häufig bei A. E. van Vogt, dem kanadischen Star in John W. Campbells Autorenriege für „Astounding Stories“, umspannt die Story ganze Sternenimperien und Galaxien. So auch hier. Das terranische Imperien schickt sich an, die Kleine Magellansche Wolke zu unterjochen und betrachtet Widerstand als Verrat.

Der Witz an der Geschichte besteht darin, dass es sich tatsächlich um Abtrünnige handelt, die das Schlachtschiff vorfindet – aber sie spalteten sich bereits vor 15.000 Jahren ab. Und alle Scanner des Schiffes können die Bewohner dieser Welten nicht finden, weil es dort längst keine Menschen mehr gibt. Sondern nur noch Roboter …

_3) Algis Budrys: „Die Lehrer“ („To Civilize“)_

Nach Generationen friedlichen Zusammenlebens mit den Bewohnern von Voroseith bekommen die Erdmenschen den Befehl, die Welt zu verlassen und zur Erde zurückzukehren. So will es die Föderation der Welten. Deric, ein junger Kulturhistoriker der Voroseii, wundert sich über die Bereitwilligkeit der Menschen, dieser Anordnung Folge zu leisten. Er befragt Morris, einen Wissenschaftler, und Berkeley, einen Opernautor.

Die Antworten, die er freundlich erhält, stellen ihn wenig zufrieden. Sie hätten ihre Aufgabe, andere Welten zu zivilisieren, erfüllt, behauptet Berkeley. Ihre Hauptaufgabe aber habe darin bestanden, die Voroseii daran zu gewöhnen, mit anderen Rassen der Föderation zusammenzuarbeiten. Allerdings vermutet Deric noch einen weiteren Grund: Der Planet Ardan hatte sich der Anordnung widersetzt und ist ausgelöscht worden. Was Deric wirklich in den Augen seiner Freunde sieht, ist Furcht …

|Mein Eindruck|

Zivilisationen beginnen, Zivilisationen enden – das ist die Lektion dieser Geschichte mir. Eine Zivilisation mag mit einem Auftrag, Kultur zu bringen, beginnen, doch rohe Gewalt mag sie ohne Weiteres beenden, ganz gleich, wie hoch ihre Verdienste sein mögen. Zivilisation, so die Botschaft des Autors, ist kein Selbstzweck, auf dessen Lorbeeren man sich ausruhen darf. Sie ist eine Funktion, eine Aufgabe, um ein gestecktes externes Ziel zu erreichen. Nach Erfüllung der Aufgabe mag sie wieder verschwinden oder woanders verlagert werden.

Aber die Geschichte ist ein schönes Beispiel dafür, dass die für ihre Aggressivität berüchtigten Menschen durchaus friedlich mit anderen Rassen zusammenleben können. Am Schluss übergibt Berkeley das Libretto zu einer neuen Oper an Deric, den Kulturhistoriker, als übergebe er den Stab für ein Amt oder erteile einen Ritterschlag.

_4) James Blish: „Pieps“ (1954)_

Josef Faber sitzt auf einer Parkbank des Planeten Randolph und passt auf, dass der Junge und das Mädchen bei ihrem Techtelmechtel nicht gestört werden. Schließlich ist es sein Job, den festgelegten Verlauf der Zukunft zu sichern, und dazugehört nun mal auch die Paarbildung und alles, was damit verbunden ist. Die Abwehr einer feindlichen Raumflotte im Pferdekopfnebel ist zwar auch ganz nett, aber der DIENST hat sich oofenbar auch um Junge-trifft-Mädchen-Ereignisse zu kümmern. Dennoch beschwert er sich bei seinem Chef Krasna, was das für einen Sinn, wo die Zukunft doch eh schon bekannt sei? Krasna zeigt ihm eine Aufzeichnung darüber, wie alles mit dem DIENST anfing …

Die bekannte und schöne Fernsehkolumnistin Dana Lje besucht den Geheimdienstler Hauptmann Robin Weinbaum in seinem Büro. Sie will wissen, ob er je von einem „Interstellaren Informationsdienst“ gehört habe? Sie habe einen Brief von einem gewissen J. Shelby Stevens erhalten, der ihr seine Dienste anbiete. Dienste, die auf einer exakten Vorhersage kommender Ereignisse beruhen! Stevens sagt eine Schlagt im Drei-Gespenster-System voraus … Weinbaum schreit auf. Diese Info sei topsecret – noch ein Wort und er müsste sie einsperren! Das findet Dana interessant.

Weinbaum will natürlich wissen, auf welche Quelle sich dieser Stevens beruft. „Auf den Dirac-Kommunikator.“ Weinbaum wird bleich. Niemand weiß, dass es dieses Gerät gibt und von seinem Dienst gerade zum Drei-Gespenster-System transportiert wird, um getestet zu werden. Es sei denn – entsetzlicher Gedanke! – jemand hat noch einen Dirac-Kommunikator erfunden. Ein Gerät, mit dem man erstmals ohne Zeitverzögerung Nachrichten mit jedem beliebigen Ort im Universum austauschen kann. Weinbaum veranlasst die Festnahme von Stevens.

Allerdings ergibt sich dabei ein kleines Problem: Der alte Knacker Stevens ist mit der jungen Schauspielerin Dana Lje identisch. Weinbaum wird nun ganz schwummrig zumute. Nicht auszudenken, wenn die Feinde von Erskine ebenfalls einen Dirac-Kommunikator erfunden hätten! Aber Dana beruhigt ihn: Sie kennt das Dirac-Geheimnis – und will Weinbaum heiraten …

|Mein Eindruck|

James Blish war einer der kenntnisreichsten und stilsichersten Autoren der SF, hatte außerdem einen großartigen Sinn für Humor (z. B. in „The Devil’s Day“). Diese Eigenheiten zeigen sich auch an dieser amüsanten Story. Es geht um die Vorhersage künftiger Ereignisse durch ein neuartiges Kommunikationsmittel, den Dirac-Kommunikator. Das Gerät beruht natürlich auf relativistischen Effekten, denn es fischt in der „Dirac-See“ subatomarer Teilchen.

Mal von der komplizierten – und nicht immer plausibel erscheinenden – Technik abgesehen, so ergeben sich aus dem Umstand, dass alle Nachrichten ohne Zeitverzögerung empfangen werden können, weitreichende Folgen. Wenn vier Lichtjahre entfernt bei Alpha Centauri etwas passiert, dann erfahren die Erdlinge normalerweise erst vier Jahre später davon (per „Ultrawelle“ frühestens 100 Tage später), jetzt aber sofort. Folglich könnte ein so kommunizierendes Sternenreich viel besser gesteuert werden. Einer Diktatur wäre damit Tür und Tor geöffnet. Ganz besonders dann, wenn man auch noch die nahe Zukunft kennt.

Genau dies jedoch will Dana Lje verhindern, indem sie ihren Dienst als Privileg meistbietend unterbringt: bei US-Geheimdienst von Robin Weinbaum. Sie diktiert die Bedingungen, unter der die Fusion erfolgen soll. Dass es ihr auch um eine ganz private „Fusion“ geht, verleiht der ganzen Transaktion die romantische Würze. Ich betrachte die Romanze aber als Zugeständnis des Autors an sein junges Publikum.

_5) Mack Reynolds: „Verkauft“ („Down the River“, 1950)_

Das riesige Raumschiff der Aliens landet in Connecticut. Dessen Gouverneur begrüßt den grünhäutigen Abgesandten, der erstaunlich gut englisch spricht und eine Proklamation ankündigt: Die Menschen sollten sich bereithalten, in einem Erdenmonat eine Ansprache vom Graff dieses Raumsektors zu erhalten. Sprach’s und ging.

Einen Monat lang herrscht Tohuwabohu in den Medien. Was ist von den Aliens zu erwarten, Gutes oder Schlechtes? Wie auch immer: Der Madison Square Garden ist bis auf den letzten Platz gefüllt, als der grünhäutige Graff seine Ansprache hält. Schon bei der ersten Andeutung, dass Terra zum Sternenreich Carthis gehöre, zucken manche der Anwesenden zusammen. Der Gabon von Carthis habe den Graff auf dem Mars residieren lassen, bis Terra wenigstens Stufe 4 der Entwicklungsskala erreicht habe.

Nun sei es allerdings notwendig geworden, wenigstens einen Höflichkeitsbesuch zu machen. Denn das Reich von Carthis habe im Austausch für Schürfrechte im Aldebaran-Sektor das Sonnensystem an das Reich Wharis veräußert. In wenigen Wochen schon dürfte der entsprechende Graff eintreffen, um den primitiven Erdlingen seine Bedingungen zu stellen, die v.a. in der Förderung von Bodenschätzen bestünden.

Die Ankündigung ruft heftigen Protest hervor: Die Erde wurde verschachert! Der Graff jedoch gibt sich verwundert. Hätten nicht die USA selbst bereits im Jahr 1803 Millionen von Quadraktmeilen einem gewissen Napoleon abgekauft, ohne die Bewohner dieses Landes zu fragen; ebenso die Briten und Franzosen?

|Mein Eindruck|

In der Tat: Die Zivilisation kann auch ihre Schattenseiten haben, ganz besonders dann, wenn man auf der Verliererseite steht. Die von dem Graff zitierten Fälle sind alle historisch belegt. Die bittere Ironie besteht darin, dass das Prinzip nun auf die Erde als Ganzes angewendet wird.

Der Autor hätte noch den infamen Friedensvertrag von 1848 erwähnen können, in dem der Verlierer Mexiko dem Gewinner USA ebenfalls Millionen Quadratmeilen abtrat – was ungefähr eine Zunahme um 66% für die damals bestehenden USA bedeutete. Niemand fragte die Indianerstämme, ob sie damit einverstanden waren. Sie wurden fast komplett ausgerottet.

_6) Avram Davidson: „Der Prämienjäger“ (1958)_

Ratsherr Garth und sein Sohn Olen besuchen den alten Fallensteller in der Wildnis. Olen soll nämlich eine Semesterarbeit über die Prämienjäger und ihr Leben schreiben. Der Alte ist freundlich, aber alles ist so unordentlich bei ihm, so roh, gar nicht wie in der Stadt. Dort habe er auch mal gelebt, erzählt er am Kaminfeuer, weil seine Frau von dort kam, aber sobald sie gestorben war, zog es ihn zurück in die Wildnis dieses Planeten.

Der Alte geht hinaus, weil er eine wilde Bestie gehört hat. Währenddessen erklärt Garth seinem Sohn, dass sich keiner die Mühe mache, das Wild dieses eroberten Planeten auszurotten und lieber die kargen Prämienzahlungen in kauf nehme. Der Alte kehrt mit Beute zurück, einem langgliedrigen Geschöpf, das sich stark von ihnen unterscheidet: Seine Ohren liegen außen an und an jeder Hand weist es fünf Finger auf …

|Mein Eindruck|

Da bleibt dem Leser das Lachen im Halse stecken. Das Wild, das der alte Fallensteller, erbeutet hat, ist nämlich ein Mensch – oder was einmal als menschliche Rasse bekannt war, bevor die Aliens die Welt eroberten. Die Story besticht durch ihre Detailtreue und den knapp angedeuteten kulturellen Hintergrund. Die bittere Ironie ist die gleiche wie bei „Verkauft“: Der Spieß wird umgedreht, und was die Menschen anderen Kreaturen angetan haben, widerfährt nun ihnen.

_7) Fredric Brown: „Aufgeschoben“ („Not Yet the End“, 1941)_

Zwei intergalaktische Sklavenjäger landen auf dem dritten Planeten dieser gelben Sonne. Sie machen ihr Schiff unsichtbar und schnappen sich die erstbesten Exemplare von höheren Lebewesen, die sie erwischen können. Die Untersuchung ergibt: lebendgebärend, aber leider nicht sehr intelligent. Unbrauchbar für Sklavenarbeiten in Bergwerken. Die Jäger düsen wieder ab, wollen aber in einer Million Jahren noch mal vorbeischauen.

Der Redakteur eine Zeitung in Milwaikee beschließt die unbedeutende Meldung zu ignorieren, wonach der Zoodirektor meint, zwei Affen seien ihm gestohlen worden …

|Mein Eindruck|

Shit happens. Und wir haben noch mal Glück gehabt. – Fredric Browns Spezialität sind superkurze Storys von wenigen Seiten, die mit einer rabenschwarzen Pointe enden. Dass er auch länger schreiben kann, bewies er mit dem lustigen Roman „Martians Go Home!“

_Die Übersetzung_

Diese Übersetzung durch Heinz Nagel ist eine wahre Wohltat im Heyne-Programm: Ich konnte keinen einzigen Fehler finden. Und die sprachliche Kompetenz Nagels erwies sich auch bei so komplizierten Sachverhalten wie dem Dirac-Kommunikator James Blishs.

_Unterm Strich_

In der ersten Hälfte dieses dritten Bandes über Galaktische Imperien geht es Herausgeber Aldiss um „Gewalt und Zivilisation“ und er behauptet: „Man kann niemanden mit Gewalt zivilisieren“. Eine Novelle von John D. McDonald (der auch viele Krimis schrieb) und zwei Storys von van Vogt und Budrys sollen dies belegen. Meiner Ansicht nach ist dies nicht immer schlüssig belegt, aber wenigstens die Kontrollinstanz in „Flucht ins Chaos“ wird ganz hübsch ausgetrickst, ebenso die großspurige und listenreiche Großkapitänin Cecily Laurr durch den Roboter. Budrys‘ Geschichte fand ich relativ pointenlos.

Die zweite Hälfte des Bandes zeigt „Die Kehrseite der Medaille“ eines Imperiums. Die Menschen sind entweder nahezu ausgerottet (in „Die Prämienjäger“) oder werden verschachert (in „Verkauft“). Andererseits können sie manchmal auch durch die Blödheit der Sklavenjäger davonkommen (in „Aufgeschoben“). Dusel muss man haben. Jedenfalls bis zum nächsten Ver- und Besuch …

Obwohl die genannten Storys doch recht gut dem Argument des Herausgebers folgen und auch fast durchweg sehr ironisch sind, so ragt doch James Blishs Novelle „Pieps“ heraus. Hier wird die diktatorische Variante eines möglichen Imperiums durch eine clevere Frau verhindert. Sie ist es auch, die den Geheimdienst trickreich dazu zwingt, die Sicherung des Verlaufs der Zukunft nur zum Wohle der Menschheit einzusetzen, nicht um diese zu unterdrücken.

Allein schon wegen dieser Story lohnt es sich für einen SF-Sammler, diesen Band zu suchen und gebraucht zu kaufen. Booklooker und viele andere Antiquariate haben dazu zahlreiche annehmbare Angebote. Für Nichtsammler sind alle TITAN-Bände nicht so interessant, fürchte ich.

|Taschenbuch: 191 Seiten
Originaltitel: Galactic Empires 2/1, 1976; Heyne, 1983, München, Nr. 06/3991
Aus dem US-Englischen von Heinz Nagel|
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_Die |Titan|-Reihe bei Buchwurm.info:_
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Jeschke, Wolfgang; Aldiss, Brian W. (Hrsg.) – Titan-18

_Der Aufstieg junger Sternenreiche, vielfältig beleuchtet_

In der vorliegenden Ausgabe des Auswahlbandes Nr. 18 von „Titan“ sind nicht Beiträge zur „Science Fiction Hall of Fame“ gesammelt, sondern klassische SF-Erzählungen der 1950er Jahre – Thema sind „Galaktische Imperien“. Dies ist der erste von 4 TITAN-Bänden zu diesem Thema.

Die Kriterien der deutschen Bände waren nicht Novität um jeden Preis, sondern vielmehr Qualität und bibliophile Rarität, denn TITAN sollte in der Heyne-Reihe „Science Fiction Classics“ erscheinen. Folglich konnten Erzählungen enthalten sein, die schon einmal in Deutschland woanders erschienen waren, aber zumeist nicht mehr greifbar waren. TITAN sollte nach dem Willen des deutschen Herausgebers Wolfgang Jeschke ausschließlich Erzählungen in ungekürzter Fassung und sorgfältiger Neuübersetzung enthalten. Mithin war TITAN von vornherein etwas für Sammler und Kenner, aber auch für alle, die Spaß an einer gut erzählten phantastischen Geschichte haben.

_Die Herausgeber _

1) Wolfgang Jeschke, geboren 1936 in Tetschen, Tschechei, wuchs in Asperg bei Ludwigsburg auf und studierte Anglistik, Germanistik sowie Philosophie in München. Nach Verlagsredaktionsjobs wurde er 1969-1971 Herausgeber der Reihe „Science Fiction für Kenner“ im Lichtenberg Verlag, ab 1973 Mitherausgeber und ab 1977 alleiniger Herausgeber der bis 2001 einflussreichsten deutschen Sciencefiction-Reihe Deutschlands beim Heyne Verlag, München. Von 1977 bis 2001/02 gab er regelmäßig Anthologien – insgesamt über 400 – heraus, darunter die Einzigen mit gesamteuropäischen Autoren.

Seit 1955 veröffentlicht er eigene Arbeiten, die in ganz Europa übersetzt und z.T. für den Rundfunk bearbeitet wurden. Er schrieb mehrere Hörspiele, darunter „Sibyllen im Herkules oder Instant Biester“ (1986). Seine erster Roman ist „Der letzte Tag der Schöpfung“ (1981) befasst sich wie viele seiner Erzählungen mit Zeitreise und der Möglichkeit eines alternativen Geschichtsverlaufs. Sehr empfehlenswert ist auch die Novelle „Osiris Land“ (1982 und 1986). Eine seiner Storysammlungen trägt den Titel „Schlechte Nachrichten aus dem Vatikan“.

2) Brian W. Aldiss (*1925) ist nach James Graham Ballard und vor Michael Moorcock der wichtigste und experimentierfreudigste britische SF-Schriftsteller. Während Ballard nicht so thematisch und stilistisch vielseitig ist, hat er auch nicht Aldiss‘ ironischen Humor.

Aldiss wurde bei uns am bekanntesten mit seiner Helliconia-Trilogie, die einen Standard in Sachen Weltenbau in der modernen SF setzte. Das elegische Standardthema von Aldiss ist die Fruchtbarkeit des Lebens und die Sterilität des Todes. Für „Hothouse“ bekam Aldiss den HUGO Award. Er hat auch Theaterstücke, Erotik, Lyrik und vieles mehr geschrieben.

_Die Erzählungen_

_1) R. A. Lafferty: „Eine Sekunde der Ewigkeit“_

Sobald die Schöpfung aus der Spaltung einer Schote entstanden ist, begeben sich Erzengel Michael und seine Kollegen auf die eine Seite und Belel, sein Widersacher, mit seinen Heerscharen auf die andere Seite. Doch Boshel kann sich nicht entscheiden und verharrt mittendrin. Er wartet. Lange Zeit. Bis er Michaels Kollegen auffällt, der seinem Chef Bescheid sagt. Michael erkennt Boshels Problem und geht zu seinem eigenen Chef, bekommt aber Bescheid, Boshel müsse für sein Nichtbekenntnis zur richtigen Seite der ganzen Angelegenheit bestraft werden.

Eine angemessene Strafe für das Zögern und Warten Boshels zu erfinden, erweist sich nicht ganz einfach angesichts der Ewigkeit der Schöpfung. Da entdeckt an einem Kiosk in Los Angeles in einem Comic die genial einfache Lösung: Man setze sechs Schimpansen vor sechs Schreibmaschinen und lasse sie blindlings so lange tippen, bis Shakespeares gesammelte Werke hervorgebracht haben. Das sei dann Ewigkeit, geholfen vom Zufall. Perfekt für Boshel!

Aber was sind Schimpansen, was Schreibmaschinen, wer Shakespeare? Wie sich bald zeigt, liegt in der Feinheit der Definition die Größe der Hoffnung begründet, die Boshel hegen darf …

|Mein Eindruck|

Die amüsante und höchst ironische Story soll mehrere Dinge anschaulich zeigen. Erstens natürlich, wie lang eine Ewigkeit ist, wenn ein Vogel alle tausend Jahre kommt, um an einem Felswürfel von mehr als einem Lichtjahr Kantenlänge seinen Schnabel zu wetzen. Verdammt lange jedenfalls. Inzwischen gehen mehrere Milliarden Imperien, so viel ist klar.

Aber es gibt Hoffnung für Boshels Erlösung von der Strafe: Er darf seine Schimpansen intelligent machen und ausbilden, sodass sie tatsächlich in der Lage sind, alle 39 Bände von Shakespeares Gesammelten Werken fehlerfrei zu produzieren. Fehlerfrei? Boshels hätte mit Mikes Kollegen und ihrer akribischen Durchsicht des Mammutwerkes rechnen sollen. Und mit der Ungeduld seines intelligentesten Schimpansen. Zu diesem Zeitpunkt hat der Vogel erst die Hälfte des Felswürfels durchgewetzt. Es ist also noch ein wenig Zeit …

_2) Arthur C. Clarke: „Die Besessenen“_

Der Schwarm kommt von einem fernen Stern, vor dessen katastrophalem Ende er fliehen musste, und nun sucht er eine neue Heimat. Auf dem dritten Planeten einer unbedeutenden Sonne am äußeren Spiralarm einer Galaxis findet sich diese Heimat. Der Schwarm teilt sich in Elter und Kind, als wären es Zwillinge. Das Elter zieht weiter, mit dem Versprechen, nach dem Finden einer besseren Heimat zurückzukehren und das Kind nachzuholen.

Dieser Fall wird nie eintreten. Dennoch vererbt sich das Wissen um dieses Versprechen durch Zillionen von Wirtskörpern, die das Rassegedächtnis im Lauf der Evolution weitertragen, von den Echsen über die Wirbeltiere. Immer wieder sammeln sich die Abkömmlinge des Schwarms in einem Tal, das leider im Laufe der Jahrmillionen unter Wasser gesetzt worden ist …

Als Nils und Christine auf ihrem Dampfer in den norwegischen Fjord einfahren, bemerken sie zu ihrem Erstaunen, wie sich Millionen von kleinen Tieren über die Hänge ergießen und herab zum Wasser ziehen, als würde sie dort etwas magnetisch anziehen …

|Mein Eindruck|

Nun, so kann man die Wanderung der Lemminge natürlich auch erklären. Indem er den Impuls zu geheimnisvollen Wanderung der Nager auf einen kosmischen Ursprung der irdischen Evolution zurückführt, bewirkt der Autor von „2001 – Odyssee im Weltraum“ zwei Dinge. Erstens knüpft er bereits 1953 ein Band zwischen dem Kosmos und dem irdischen Leben bzw. dem Menschen, der wieder zu seinen Ursprüngen zurückkehren wird. Nur dass im Film bzw. Roman dieses Band eine sehr konkrete Gestalt annimmt: die eines schwarzen Monolithen, der innen unendlich ist.

Zweitens setzt Clarke die Theorie der Panspermie literarisch um, welche, grob vereinfacht, besagt, dass es durchaus fremdem Leben von fernen Gestirnen gelungen sein könne, die Urform der Erde vor Milliarden Jahren zu erreichen und zu „befruchten“, ähnlich wie Spermien eine Eizelle. Das Vehikel für den Transfer dieses Lebens könnten Kometen aus dem Kuiper-Gürtel sein, der tatsächlich unser Sonnensystem wie eine Wolke umgibt, aber natürlich auch Himmelskörper, die von anderen Sonnen stammen. Als diese Sterne explodierten, schleuderten sie Materie, also Bausteine des Lebens, in die kosmische Umgebung und schickten sie auf eine äonenlange Reise.

_3) H.B. Fyfe: „Tierschutz“ („Protected Species“)_

Jerry Otis kommt als Inspektor der Obersten Kolonialbehörde nach Torang, wo von Finchley, seinem Mann vor Ort, eine neue Kolonie aufgebaut werden soll. Allerdings entdeckt Otis zu seiner Beunruhigung, dass es hier große Lebewesen gibt, die als „Affen“ bezeichnet und zum Vergnügen der Bauarbeiter am Staudamm gejagt werden. Das will er sich mal aus der Nähe ansehen.

Finchley und ein Pilot bringen ihn zu einem Ruinengelände, wo diese „Torang“-Affen besonders häufig auftreten. Man hat einige sogar eingefangen und einen ausgestopft. Während seiner Erkundung der Ruinen stößt Otis unerwartet direkt auf einen der Torang. Das Wesen geht aufrecht auf zwei Beinen, hat zwei Augen und so weiter, sagt aber nichts. Im Gegenteil: Es wirft einen Stein in Richtung auf Otis, der sich nur durch einen Sprung durch eine Türöffnung in Sicherheit bringen kann.

Dieser Wurf war ein Akt der Intelligenz, entscheidet er und lässt sich von seiner Behörde per Funk die Genehmigung schicken, die Torang unter besonderen Schutz zu stellen. Als er sich erneut dem Ruinengelände nähert, um einen der Torang zu sehen, trifft er wieder einen – es ist sogar der gleiche – und er spricht terranisch! Nicht nur diese Tatsache versetzt Otis in erhebliches Erstaunen, sondern auch das, was ihm das Wesen, das keineswegs auf Torang heimisch ist, über die Erbauer der Ruinen zu enthüllen weiß …

|Mein Eindruck|

Bei der Inbesitznahme einer Welt kann es mitunter zu fatalen und tragischen Irrtümern kommen, vor allem dann, wenn man einfach drauflos baut, ohne zu fragen, was hier los ist. Das muss auch der Kolonisator Otis zu seinem Leidwesen erfahren. Hätte er eben mal vorher recherchieren lassen!

_4) Michael Shaara: „Da Capo“_

Cohn und Jansen sind als Erkunder seit 300 Erdenjahren unterwegs, um neue bewohnbare Planeten zu suchen. Der Kälteschlaf hilft ihnen, die subjektiv erlebte Zeit zu verkürzen, sodass sie bereits mehrere Dutzend Sternsysteme haben abklappern können, ohne ihre eigene Lebenszeit zu überschreiten. Doch das Ergebnis ist niederschmetternd: Es gibt keine bewohnbaren Welten im Umkreis von etlichen Lichtjahren. Es ist, als läge die Erde in einer kosmischen Wüste.

Deshalb fallen ihnen vor Entzücken fast die Augen aus dem Kopf, als sie eine Welt mit einer erdähnlichen Atmosphäre, einem Ozean und grüner Vegetation entdecken. Nach einer ersten Erkundung wollen sie landen und die völlig unbewohnte Welt für die Erde beanspruchen. Ein wenig beunruhigt haben sie allerdings die zahlreichen Kraterseen, die sie ein wenig an Bombenkrater erinnern …

Cohn bereitet gerade den ersten Bericht an die Erde vor, als Jansen dringend nach ihm ruft. Sein Kamerad richtet seinen Hitzestrahler aufgeregt auf zwei Gestalten, die auf dem nächsten Hügel erschienen sind. Aber was könnte ein alter Mann an einem Stock schon gegen ihre Strahler ausrichten, fragt sich Cohn gerade, als in seinem Kopf eine Stimme ertönt: „Bitte nicht schießen. Danke!“ Erstaunt lässt er die Waffe sinken, denn ein beruhigendes Gefühl erfasst zudem seinen Geist.

Sobald sich die beiden Humanoiden gesetzt haben, um ihm zuzuhören, beginnt Roymer, der Alte, zu erzählen, während sein Kollege Trian die telepathische Botschaft überträgt. „Es gab einmal vor 30.000 Jahren einen Krieg der Galaktischen Föderation gegen eine kriegerischen Rasse, die sich als Antha bezeichnete und eine Föderationswelt nach der anderen eroberte und zerstörte. Wie sollte man diese aggressive Rasse davon abhalten, auch den Rest der Föderation der Welten zu unterjochen? Das Urteil lautete einstimmig auf Tod, und als die ultimative Waffe entwickelt worden war, wurden die Sterne der Antha einen nach der anderen zum Explodieren gebracht. Jedenfalls alle, die man finden konnte …“

Cohn ist von einem Detail besonders fasziniert und erinnert sich daran, wie Julius Caesar einst mit seinen gallischen Gegnern verfahren war: Er ließ ihnen die rechte Hand abschlagen. Diese Antha klingen auf fatale Weise genau wie Julius Caesar. Aber das würde bedeuten, dass … Wenige Augenblicke später sind die beiden Antha-Späher tot. Aber plötzlich macht sich Roymer große Sorgen: Was, wenn diese Gefriertechnik der Antha verschleiert hat, dass die Invasion bereits längst begonnen hat?

|Mein Eindruck|

Was für eine schaurige Geschichte! Sie erklärt auf schlagende Weise, die dem Leser kalte Schauder über den Rücken jagt, warum die Galaktiker in keinster Weise darauf erpicht sind, mit den Menschen Kontakt aufzunehmen, selbst wenn die Kommunikationsmöglichkeiten dies bestens erlauben würden. Der Grund ist der, dass die Menschen alias Antha nach 30 Jahrtausenden den Krieg vergessen haben, der ihre kosmische Umgebung in eine Wüste verwandelt hat.

Geschrieben sechs Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, warnt die Erzählung des amerikanischen Pulitzer-Preisträgers Shaara eindringlich vor einer Wiederholung der Aggressionen und vor allem des erneuten atomaren Infernos, das Hiroshima und Nagasaki verschlungen hat.

_5) Poul Anderson: „Der Sternenplünderer“_

Das demokratische Sternenreich der Menschen ist dem Ansturm der barbarischen Eroberer von Baldic nicht gewachsen und stürzt in rauchenden Trümmern zusammen. Marineleutnant John Henry Reeves, ein Nuklearingenieur, und seine Verlobte, die Technikerin Kathryn O’Donnell, werden gefangengenommen und an Bord eines Gorzuni-Schiffs mit anderen menschlichen Sklaven zusammengepfercht. John befürchtet, dass sie alle in den Minen von Gorzun, eines der Hauptplaneten der Baldic-Allianz, schuften sollen, bis sie tot umfallen.

Als er einen menschlichen Weißen unter den Sklavenhaltern erblickt, verflucht er ihn „dreckigen Bastard“, doch dieser Bastard stellt sich wenig später als seine und Kathryns Rettung heraus. Denn der Ingenieur Manuel Argos schuftet nur zum Schein unter den Gorzuni, um bei bester Gelegenheit eine Revolte anzuführen und das Schiff in seine Gewalt zu bringen. John und seine Verlobte sind widerwillig dabei, denn so bekommen sie wenigstens eine Faden Kleidung auf den nackten Leib, besseres Essen und eine Aufgabe, die sie durchs ganze Schiff führt.

Argos erweist sich als kalt wie eine Hundeschnauze, während er ihren Aufstand vorbereitet. Doch als es endlich soweit ist, hat er jeden Handgriff geplant. Die ersten der Unterdrücker gehen tot zu Boden und liefern so die ersten Waffen. Die Schwerkraft fällt ebenso aus wie die Beleuchtung, was gewisse Vorteile verschafft. Nach harten Kämpfen sind noch 300 Überlebende übrig, um das Schiff zu steuern – nein, nicht zurück zur Erde, sondern zum nichtsahnenden Planeten Gorzun.

Doch Argos hält nicht nur für den Feind eine böse Überraschung bereit, sondern auch für John Henry Reeves …

|Mein Eindruck|

Drei Staatssysteme treffen hier aufeinander, sodass sich eine Betrachtung innerhalb der Theorie der Staatssysteme lohnen würde. Das Sternenreich der Menschen ist eine republikanische Demokratie, die aber laut Manuel Argos (= Andersons advocatus diaboli) unter einer „verknöcherten Bürokratie“ erstarrt ist. Sie bricht wie das überalterte West-Rom unter dem Ansturm von Barbaren zusammen, die als Könige feudalistisch und absolut regieren, sich aber durch eine Allianz genügend Schlagkraft erworben haben, um das Blatt zu wenden.

Nach Zerstörung der Hauptwelten des Feindes ist auch dieses Modell Geschichte und die Frage stellt sich, was danach kommt – erneut eine Republik? Doch nein, winkt Manuel Argos ab, dieses Versagermodell hatten wir ja schon, nicht wahr? Nein, es wird ein neues, starkes Imperium der Menschen geben, ein Kaiserreich von Argos‘ Gnaden, das von seiner Dynastie geführt werden wird. Ob es mit der Republik noch mal klappt, werde man dann sehen. Und dreimal darf man raten, von welcher Frau Argos seine künftigen Söhne erwartet …

Für einen Verlag mit dem sprechenden Namen „Love Romances Publishing“ 1951 geschrieben, bietet die rasante Story Action, Abenteuer, Leidenschaft und schließlich auch Liebesleid. Die blumige Sprache wird nur noch von den dramatischen Anspielungen auf die Bibel übertroffen, wobei Engel, Teufel und Götter eine Rolle spielen. Dadurch kann man die Geschichte nur noch als „putzig“ bezeichnen, aber als Kommentar auf die Idee des Sternenimperiums ist sie definitiv einer Erwähnung wert.

_6) Isaac Asimov: „Die Stiftung“ („Foundation“, 1951)_

20 Jahre lang hat der Mathematiker Hari Seldon die besten Köpfe des Galaktischen Imperiums zusammenkommen darüber beraten lassen, wie sich die Zukunft des Reiches nach dessen nahendem Zusammenbruch gestalten ließe, damit die kulturellen Errungenschaften und das Wissen nicht im Danach verlorengingen. Nun endlich ist es soweit: Der Tausend-Jahre-Plan ist fertig und liegt zur Ausführung bereit.

50 Jahre später kommt es an einer der beiden Gründungen der Stiftung der Psychokistoriker, auf Terminus, allmählich zu einer Krise. Die Sternensysteme der Peripherie haben die Atomkraft verloren und fallen auf eine niedrigere Kulturstufe zurück. Der imperiale Lord bezeichnet sie als „Barbaren“. Doch für den Bürgermeister von Terminus, Salvor Hardin, sind die Begehrlichkeiten der Nachbarwelt, des Königreichs Anacreons, alles andere als lustig: Anacreon will Terminus besetzen, um seine Bodenschätze auszubeuten, wie etwa Gold usw.

Und hier gibt es einen Haken: Terminus ist ein Planet ohne jedes nennenswerte Metallvorkommen. Dies spielte sicherlich eien Rolle in Hari Seldons Plan, denkt sich Hardin, und beim Besuch von Anacreins Sondergesandtem zeigt sich auch, welche: Als diese tatsache bekannt wird, verliert er sofort sämtliches Interesse an Terminus. Und als Hardin auch noch die Atomkraft erwähnt, wird der Gesandte recht zurückhaltend. Er hat Angst vor möglichen Atomwaffen. Der Bluff funktioniert. Diesmal.

Doch was hat es zu bedeuten, dass es auf ganz Terminus kein einziger Psychologe existiert? Auch diese auffällige Tatsache mus eine Rolle spielen. Und in der Tat: Als sich genau 50 Jahre nach Terminus‘ Gründung und einen Tag vor der dennoch erfolgenden Besetzung durch Anacreon eine Zeitkapsel in der Stiftung öffnet, spricht das Hologramm Hari Seldons den Grund dafür aus: Damit kein Psychologe den vorbestimmten Kurs der folgenden Ereignisse mehr beeinflussen kann.

Und so sind die autoritätshörigen Naturwissenschaftler der Galaktischen Enzyklopädie Stiftung gezwungen, ihr Schicksal in die Hände des einzigen fähigen Politikers auf ganz Terminus zu legen …

|Mein Eindruck|

Es war unvermeidlich, dass die populärste Geschichte in der gesamten Sciencefiction, die es über Sternenreiche gibt, auch in dieser Auswahl auftauchen würde. Asimovs „Foundation“ (zu Deutsch „Stiftung“) ist der Grundstein für etwa ein Dutzend Romane über das Galaktische Imperium, die Alte Erde und die Roboter – integriert zu einem Future-History-Zyklus, der es locker mit dem von Robert A. Heinlein skizzierten Zukunftsbild aufnehmen kann. Was nicht heißen soll, dass die literarische Qualität durchweg stimmt. Die drei ursprünglichen „Foundation“-Romane sind immer noch die besten: dicht erzählt, ideenreich und voller Wendungen, die man nicht schon meilenweit vorausahnen könnte.

In der vorliegenden Ur-Story, der Keimzelle dieses Universums, äußert Asimov, selbst ein versierter und graduierter Doktor der Naturwissenschaft, nicht gerade schmeichelhafte Aussagen über seines Standesgenossen – zumindest jene, die von jeder Forschung abgeschnitten sind und sich wie Skarabäen mit dem Wälzen des Misthaufens an angesammeltem Wissen begnügen.

Genau diese Rückwärtsgewandtheit wirft ihnen der Tatmensch Salvor Hardin vor. Als Politiker muss er sich um Gegenwart und vor allem die nahe Zukunft sorgen, nicht um die tote Vergangenheit. Er fordert Forschung und neues Denken, womit er bei den Enzyklopädisten auf blankes Unverständnis stößt. Erst als Hari Seldon die Enzyklopädie selbst, also ihre Daseinsberechtigung, als Betrug entlarvt, lassen sie mit sich reden. Womit klar sein dürfte, dass auch die Reiche des Wissens den Erfordernissen der Realität unterworfen sind. Aber das wusste Hari Seldon schon von Anfang an.

_7) Mark Clifton & Alex Apostolides: „Wir sind zivilisiert!“_

Im Juni 2018 überfliegt das Raumschiff der Westlichen Allianz, um den Mars für sich in Besitz zu nehmen. Captain Griswold ist sich der historischen Bedeutung des Moments vollständig bewusst und entschlossen, nichts falsch zu machen. Deshalb fragt er den Experten für Ethnologie, was diese vielen Kanäle überall zu bedeuten hätten. Intelligente Lebensformen, antwortet der Fachmann. Aber nirgends eine Spur von diesen Wesen, keine Fabriken, keine Straßen, nichts. Also befiehlt er die Landung, genau auf der Hauptkreuzung der Kanäle.

Kaum hat sich die Hitze der Düsen ein wenig abgeschwächt, kommen die Marsianer aus ihren Erdhöhlen. Sie wollen den angerichteten Schaden, der ihr Wasser nutzlos im Sand versickern lässt, schnellstmöglich reparieren. Als Captain Griswold sie nach der Proklamation der Inbesitznahme erblickt, lässt er angeekelt und ein klein wenig verängstigt das Feuer auf sie eröffnen.

Einige Zeit später findet die Ehrung der Eroberer des Mars in einem Stadion in den USA statt. Der Präsident will gerade Admiral Griswold eine Medaille an die Uniformbrust heften, als ein riesiger Schatten das Spielfeld verdunkelt: ein herabschwebendes Raumschiff. Eine Proklamation der Inbesitznahme wird verlesen …

|Mein Eindruck|

Der Mensch muss sich offenbar immer etwas nehmen, um es besitzen zu können – und dabei werden unweigerlich etwas zerstört. Dumm gelaufen, wenn es andere Spezies mit der Erde dann genauso machen. Da hilft dann auch kein Protestgeschrei des Ethnologen mehr: „Wir sind doch zivilisiert!“ Die Tatsachen sprechen gegen die Menschheit.

Die Story erhielt vor dem Hintergrund der nach dem 2. Weltkrieg weltweit beginnenden Expansionen des amerikanischen und des kommunistischen (Sowjetunion, China, Nordkorea) Imperiums einen beklemmenden Warncharakter.

_Die Übersetzung _

Die Übersetzung von Heinz Nagel lässt sich zu 98% durchaus akzeptieren. Doch er spricht hier noch von „Negern“, einem politisch längst inkorrekten Begriff. Und wenn auf Seite 19 vom „Bürgerkrieg“ die Rede, unterstellt er, dass jeder weiß, dass der amerikanische gemeint sei. Ansonsten treten die allfälligen Druckefehlerchen auf. Wenn auf Seite 120 vom „neuen Adquädukt“ die Rede ist, so ist nur einer der deutlichsten Fehler.

_Unterm Strich_

Als Brite muss es der englische Herausgeber der Anthologie „Galactic Empires“, von der dieser Band nur das erste Viertel darstellt, ja wissen: Die Bewohner der kleinen Insel Albion beanspruchten zu einer Zeit mindestens ein Drittel der Erdbevölkerung als Kolonien. Einige ihrer wichtigsten Historiker zerbrachen sich deshalb nicht ohne Grund den Kopf über die Entstehung, den Aufstieg und den offenbar unvermeidlichen Nieder- und Untergang von Imperien. Edward Gibbon schrieb mit „Aufstieg und Fall des Römischen Reiches“ die Vorlage für Asimovs „Foundation“-Zyklus. Und dem gleichen Muster spürt nun diese Anthologie in ihren Beiträgen nach.

Erstaunlicherweise kommt die Diskussion über das Ende des Amerikanischen Imperiums (und das lateinische Wort „Imperium“ bedeutet auch „Befehl“) in letzter Zeit immer wieder auf, sobald die Rede von Herausforderern wie Al-Kaida oder China ist. Auch die Zeit nach 1989-91, als Deutschland vereinigt wurde und die alte Sowjetunion zerfiel, war eine Zeit für diese Diskussion.

Deshalb erscheinen diese Erzählungen als keineswegs reiner Selbstzweck oder pure Unterhaltung. Vielmehr machen ihre Autoren, allen voran der „gute Doktor“ Asimov Aussagen über das Phänomen des Herrschaftsbereichs und vor allem über das Auftreten der Herrscher. Ob diese Aussagen in den 1950er Jahren, als die USA ihr neues Imperium auf Terra schufen, ebenso gültig waren, wie sie es vielleicht noch heute sind, bedarf einer Untersuchung.

Aber zum Nachdenken regen die Prinzipien und Merkmale, die Imperien aufweisen, immer noch an. Denn die politischen Reiche sind ja längst von wirtschaftlichen Herrschaftsbereichen abgelöst worden: Wer würde es beispielsweise heute noch wagen, Coca-Cola herauszufordern ohne die Gewissheit, in allernächster Zeit aufgekauft zu werden?

|Taschenbuch: 174 Seiten
Originaltitel: Galactic Empires 1/1, 1976
Aus dem US-Englischen von Heinz Nagel|
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_Die |Titan|-Reihe bei Buchwurm.info:_
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Wolfgang Jeschke, Robert Silverberg (Hrsg.) – Titan-15

_Gebt dem Poeten eine Marsprinzessin!_

In der vorliegenden ersten Ausgabe des Auswahlbandes Nr. 15 von „Titan“, der deutschen Ausgabe von „Science Fiction Hall of Fame“, sind viele amerikanische Kurzgeschichten gesammelt, von bekannten und weniger bekannten Autoren.

Die Kriterien der deutschen Bände waren nicht Novität um jeden Preis, sondern vielmehr Qualität und bibliophile Rarität, denn TITAN sollte in der Heyne-Reihe „Science Fiction Classics“ erscheinen. Folglich konnten Erzählungen enthalten sein, die schon einmal in Deutschland woanders erschienen waren, aber zumeist nicht mehr greifbar waren. TITAN sollte nach dem Willen des deutschen Herausgebers Wolfgang Jeschke ausschließlich Erzählungen in ungekürzter Fassung und sorgfältiger Neuübersetzung enthalten. Mithin war TITAN von vornherein etwas für Sammler und Kenner, aber auch für alle, die Spaß an einer gut erzählten phantastischen Geschichte haben.

_Die Herausgeber _

1) Wolfgang Jeschke, geboren 1936 in Tetschen, Tschechei, wuchs in Asperg bei Ludwigsburg auf und studierte Anglistik, Germanistik sowie Philosophie in München. Nach Verlagsredaktionsjobs wurde er 1969-1971 Herausgeber der Reihe „Science Fiction für Kenner“ im Lichtenberg Verlag, ab 1973 Mitherausgeber und ab 1977 alleiniger Herausgeber der bis 2001 einflussreichsten deutschen Sciencefiction-Reihe Deutschlands beim Heyne Verlag, München. Von 1977 bis 2001/02 gab er regelmäßig Anthologien – insgesamt über 400 – heraus, darunter die Einzigen mit gesamteuropäischen Autoren.

Seit 1955 veröffentlicht er eigene Arbeiten, die in ganz Europa übersetzt und z.T. für den Rundfunk bearbeitet wurden. Er schrieb mehrere Hörspiele, darunter „Sibyllen im Herkules oder Instant Biester“ (1986). Seine erster Roman ist „Der letzte Tag der Schöpfung“ (1981) befasst sich wie viele seiner Erzählungen mit Zeitreise und der Möglichkeit eines alternativen Geschichtsverlaufs. Sehr empfehlenswert ist auch die Novelle „Osiris Land“ (1982 und 1986). Eine seiner Storysammlungen trägt den Titel „Schlechte Nachrichten aus dem Vatikan“.

2) Robert Silverberg

Robert Silverberg, geboren 1936 in New York City, ist einer der Großmeister unter den SF-Autoren, eine lebende Legende. Er ist seit 50 Jahren als Schriftsteller und Antholgist tätig. Seine erste Erfolgsphase hatte er in den 1950er Jahren, als er 1956 und 1957 nicht weniger als 78 Magazinveröffentlichungen verbuchen konnte. Bis 1988 brachte er es auf mindestens 200 Kurzgeschichten und Novellen, die auch unter den Pseudonymen Calvin M. Knox und Ivar Jorgenson erschienen.

An Romanen konnte er zunächst nur anspruchslose Themen verkaufen, und Silverberg zog sich Anfang der 60er Jahre von der SF zurück, um populärwissenschaftliche Sachbücher zu schreiben: über 63 Titel. Wie ein Blick auf seine „Quasi-offizielle Webseite“ www.majipoor.com enthüllt, schrieb Silverberg in dieser Zeit jede Menge erotische Schundromane.

1967 kehrte er mit eigenen Ideen zur SF zurück. „Thorns“, „Hawksbill Station“, „The Masks of Time“ und „The Man in the Maze“ sowie „Tower of Glass“ zeichnen sich durch psychologisch glaubwürdige Figuren und einen aktuellen Plot aus, der oftmals Symbolcharakter hat. „Zeit der Wandlungen“ (1971) und „Es stirbt in mir“ (1972) sind sehr ambitionierte Romane, die engagierte Kritik üben.

1980 wandte sich Silverberg in seiner dritten Schaffensphase dem planetaren Abenteuer zu: „Lord Valentine’s Castle“ (Krieg der Träume) war der Auftakt zu einer weitgespannten Saga, in der der Autor noch Anfang des 21. Jahrhunderts Romane schrieb, z. B. „Lord Prestimion“.

Am liebsten sind mir jedoch seine epischen Romane, die er über Gilgamesch (Gilgamesh the King & Gilgamesh in the Outback) und die Zigeuner („Star of Gypsies“) schrieb, auch „Tom O’Bedlam“ war witzig. „Über den Wassern“ war nicht ganz der Hit. „Die Jahre der Aliens“ wird von Silverbergs Kollegen als einer seiner besten SF-Romane angesehen. Manche seiner Romane wie etwa „Kingdoms of the Wall“ sind noch gar nicht auf Deutsch erschienen.

Als Anthologist hat sich Silverberg mit „Legends“ (1998) und „Legends 2“ einen Namen gemacht, der in der Fantasy einen guten Klang hat. Hochkarätige Fantasyautoren und -autorinnen schrieben exklusiv für ihn eine Story oder Novelle, und das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen. Der deutsche Titel von „Legends“ lautet „Der 7. Schrein“.

_Die Erzählungen_

_1) Judith Merril: „Nur eine Mutter“ („That Only a Mother“, 1948)_

Das Jahr 1953 ist ein Kriegsjahr, und Maggies Mann Hank tut als Soldat in irgendeinem Bunker Dienst. Daher bringt sie ihr Baby ohne ihn zur Welt. Kurz nur hat sie sich Sorgen wegen der Radioaktivität der Gegend gemacht, die sie und Hank vor ein paar Monaten durchfuhren, aber es wird schon schiefgehen. Und Henrietta, ihre Tochter, ist wirklich perfekt.

Dass Henrietta mit zehn Monaten schon vollständige Sätze wie eine Vierjährige bilden kann, findet Maggie entzückend, denn so ist sie nicht mehr so allein. Und die Kleine singt wie ein Engel. Endlich, nach 18 Monaten Abwesenheit, kommt auch Hank nach Hause, fast schon ein Fremder. Die sprechende Tochter versetzt auch ihn in gute Laune, doch schaut er sich ihren Körper etwas genauer an …

|Mein Eindruck|

Die kurze Erzählung lässt den Leser geschockt zurück. Nicht nur, weil das Baby weder Arme noch Beine hat, sondern auch weil seine Mutter dies für völlig normal hält – oder in einer Art wahnsinniger Verdrängung ausgeblendet hat. Sowohl die Mutation als auch der Wahnsinn sind eine Folge des Atomkriegs – und diese Story ist eine der eindringlichsten und meistabgedruckten zu diesem Thema, insbesondere deshalb, weil sie als eine wenigen die weibliche Perspektive berücksichtigt.

_2) Cordwainer Smith: „Checker sind passé“ („Scanners Live in Vain“, 1948)_

In ferner Zukunft beherrschen die Lords der sogenannten „Instrumentalität“ die Erde. Die Menschen leben zumeist in geschützten Städten, mit Ausnahme der „Heillosen“, die in der Wildnis den Bestien ausgesetzt sind. Die hochentwickelte Technologie der Lords hat Raumschiffe erschaffen, die die verschiedenen Erden miteinander verbinden. Doch um die Raumschiffe gefahrlos betreiben zu können, mussten zwei neue Gattungen der Spezies Mensch geschaffen werden: die nichtintelligenten Habermänner und die intelligenten Checker.

Ein Phänomen, das „Die große Pein des Weltraums“ genannt wird, lässt Normalsterbliche während des Raumflugs sterben: Ihr Körper verkraftet die Pein nicht, die entweder radioaktive Strahlung oder Kälte oder beides sein könnte. Mit Hilfe des Habermann-Apparats werden Menschen, die sich dazu bereiterklärt haben, ihrer Organe und Haut entkleidet und diese durch künstliche Apparate und Stoffe ersetzt. Das Ergebnis dieser Umwandlung sind zunächst die Habermänner; sie steuern die Schiffe durch die große Pein, denn ihre Nerven sind tot: Sie hören, sehen, tasten usw. nur durch Apparate.

Die Checker (oder, laut der Suhrkamp-Übersetzung, Seher) sind eine Weiterentwicklung der Habermänner, denn sie verfügen erstens über die Fähigkeit, einander und Menschen von den Lippen ablesen zu können und sich in ihrer geheimen Bruderschaft mit Zeichen zu verständigen. Es gibt nicht mehr als sechs Dutzend von ihren. Außerdem steht ihnen die Methode des Cranchierens zur Verfügung, um ihre Beschränkungen zu überwinden und menschliche Gefühle zu empfinden: Sie können selbst sprechen. Leider hält dieser Sonderzustand nie länger als ein paar Stunden oder Tage an.

Martel ist Sehr Nr. 34 und als einziger der Checker verheiratet; es ist ihm gelungen, Luci in einem gecranchten Zustand der andauernden Überlastung zu freien und zur Frau zu gewinnen. Luci liebt ihn wirklich, obwohl sie oftmals monatelang auf seine Rückkehr von einem Raumflug ins Auf-und-Hinaus warten muss. Seine engsten Freunde sind Taschang und Parizianski.

Martel hat gerade gecrancht, als ihn ein Notruf der höchsten Dringlichkeit vom Obersten Seher Vomact erreicht: Er soll in gecranchtem Zustand an einem Geheimtreffen der Checker teilnehmen. Rund 40 erstaunte Checker erfahren von Vomact, dass es einem gewissen Adam Stone, einem Menschen, gelungen sei, die „Große Pein“ auf einem Raumflug zu überwinden. Das bedeute, dass fortan Habermänner und Checker passé seien. Sofort wird der Tod dieses Mannes gefordert. Vomact lässt darüber abstimmen.

Martel ist darüber nicht nur empört, sondern auch besorgt. Was die Checker vorhaben, sei Mord, ruft er – doch keiner hört ihn. Doch was noch schlimmer sei: Die Eigenmächtigkeit der Checker greift in das rechtliche Territorium der Lords der Instrumentalität ein, und das werden diese nicht hinnehmen. Die Folge des Mordes könnte die Auflösung des Ordens der Checker sein – und sogar ihre komplette Eliminierung, als wären sie nichts weiter als dumme Habermänner!

Nur Tschang stimmt nicht für den Tod, während Martel durch Vomact für disqualifiziert erklärt wird – er sei ja gecrancht und somit unzurechnungsfähig und dienstunfähig. Parizianski wird zum Henker bestimmt und losgeschickt. Sobald man Martel wieder losgelassen hat und er mit Tschang hat sprechen können (der jede Hilfe verweigert), eilt Martel in die befestigte Stadt, um Adam Stones Leben zu retten. Wird er noch rechtzeitig am zentralen Raumhafen eintreffen, um das Verbrechen zu verhindern, das über das Schicksal von Welten entscheidet?

|Mein Eindruck|

Das Universum der Instrumentalität, das Cordwainer Smith erschuf, hat nicht Seinesgleichen, und deshalb erfordert es erst einmal ein wenig Mühe, sich hineinzufinden. Wir sind heute allerdings daran gewöhnt, in Begriffen wie Robotern, Androiden oder Replikanten zu denken, weil Philip K. Dick und Isaac Asimov diese Bereiche erschlossen haben. Deshalb ist eine Umstellung nötig, um uns „Habermänner“ als Roboter und „Checker“ als Androiden vorzustellen. Selbst wenn dies sehr ungenaue Übereinstimmungen sind, können sie doch als Einstieg in die Vorstellungswelt dienen.

Eine ganze Weile war mir allerdings der Unterschied zwischen Habermännern und Checkern nicht klar, bis nach etlichen Seiten eben diese Unterschiede aufgelistet wurde – natürlich nicht fein säuberlich als Checkliste, sondern mitten im Erzähltext. Und ich hoffe, ich habe alles richtig verstanden. Auch der Begriff der „Großen Pein“ ist schwammig und nur durch Vermutung zu erschließen. Merkwürdig, dass eine so fortschrittliche Technik wie die des überlichtschnellen Raumflugs (sonst würden die Flüge Jahrzehnte oder Jahrhunderte dauern!) nicht in der Lage ist, solchen Phänomenen auf den Grund zu gehen.

Mitten in der Versammlung der Checker hatte ich den Eindruck, dass es eigentlich keine Handlung im üblichen Sinne gibt. Doch das stellte sich zum Glück als Irrtum heraus, denn der unabdingbare Konflikt, der eine Handlung antreibt, entsteht im Verlauf dieser Versammlung, bis sich am Schluss Martel zum Verrat entschließt. Das Finale ist geprägt von Erkenntnis und Konfrontation, wie es sich gehört. Dadurch gerät die ungewöhnliche SF-Story – der Autor bot sie den führenden Magazinen seiner Zeit vergeblich an – doch noch in ein zufriedenstellendes Fahrwasser.

Hinweis: „Checker sind passé“ ist Teil 2 des Story-Zyklus „Sternenträumer“, der bei Suhrkamp als Taschenbuch komplett vorliegt. Bei Suhrkamp heißt die Geschichte „Seher leben vergeblich“ und ist sehr stilvoll und fehlerfrei übersetzt. Davon kann in der Heyne-Fassung keine Rede sein. Deshalb empfehle ich dringend die Suhrkamp-Version.

_3) Fritz Leiber: „Maskenball“ („Coming Attraction“, 1950)_

Ein Engländer ist auf Mission in einem postnuklearen New York, das seit der Atombombenexplosion nur noch „Inferno“ genannt wird. Trotzdem leben noch Menschen dort. (Damals hielt man Radioaktivität für nicht so zerstörerisch.) Unser Mann hat die Geistesgegenwart, eine junge Frau vor den Autorowdys der Stadt retten zu können. Sie bittet ihn zu einem Stelldichein. Dort stellt sich heraus, dass sie einen Pass will, um das Land zu verlassen. Ihr Freund jedoch, ein Ringer, weiß dies zu vereiteln. Enttäuscht verlässt der Brite die Stätte dieser Offenbarung und denkt an die Rückkehr in die Heimat. Obwohl es dort auch nicht viel besser zugeht.

|Mein Eindruck|

In einer kurzen Erzählung gelingt es dem Autor, eine ganze Welt erstehen zu lassen. Das nukleare Wettrüsten hat nicht nur zu Raketenbasen der Amis und Sowjets auf dem Mond geführt, sondern auch zu vereinzelten Atomexplosionen auf der Erde, so etwa in New York. Banden treiben ihr Unwesen, und junge Frauen ringen zum Vergnügen der Zuschauer mit schwachen Männern. Amerikanische Frauen (nicht britische) tragen neuerdings Masken, nicht etwa wie im Islam, sondern um sich vor männlicher Zudringlichkeit zu schützen. Was sie aber nicht daran hindert, ihre anderen Reize zur Schau zu stellen. Rowdys machen sich einen Sport daran, mit Angelhaken bewehrte Autos s dicht an Frauen heranzusteuern, bis die Haken den Rock des Opfers herabreißen – eine seltsame Trophäenjagd.

Literarisch nimmt die Story die Stadt-Abenteuer von Harlan Ellison, Jack Womack und des Cyberpunk vorweg. Was noch zu diesem Low-life fehlt, ist die High-Tech.

_4) Tom Godwin: „Die unerbittlichen Gesetze“ („The cold Equations“, 1954)_

Dies ist eine der bekanntesten und umstrittensten Storys in der klassischen SF überhaupt. Eine blinde Passagierin muss über Bord gestoßen werden, weil das winzige Raumschiff, dessen Frachtgewicht und Brennstoffvorrat exakt bemessen sind, sonst nicht an seinem Ziel ankommen würde. Durch ihr Zusatzgewicht würde das Schiff mehr Treibstoff als bemessen verbrauchen. Nicht nur würde dadurch das Schiff mangels Bremskraft auf den Planeten stürzen, sondern auch die Forschungsgruppe, die auf die Fracht angewiesen ist, wäre zum Untergang verdammt: Das rettende Serum würde sie nicht erreichen.

Der Pilot hat die Entscheidung zu fällen, wenn er opfert: Das Schiff, das Serum und die Forscher – oder Marilyn Lee Cross. Ist es das Leben des Mädchens wert, dass so viele Menschen sterben müssen? Die Antwort der phsysikalischen Gesetze lautet nein. Aber er kann etwas für sie und den Bruder, den sie auf dem Planeten besuchen wollte, tun: Sie können per Funk voneinander Abschied nehmen. Es ist ein sehr bewegender Funkkontakt. Danach ist sie gefasst, sieht ihrem Schicksal ins Auge und geht freiwillig in die Luftschleuse …

|Mein Eindruck|

Weil dieser Ausgang der Story viele Leser und Autoren auf die Palme brachte, schrieb ein Autor – mir ist sein Name entfallen – eine alternative Story, in der die Sache gut ausgeht. Warum zum Beispiel hat das NES-Rettungsboot nicht genug Treibstoff an Bord, um zu seinem Kreuzer, dass es ausgesetzt hat, zurückkehren zu können? Warum kann das NES-Boot nicht die Atmosphäre des Planeten nutzen, um abzubremsen? Oder warum macht der Pilot nicht wenigstens ein Foto von Marilyn Lee Cross und entnimmt ihr Erbgut, damit man sie wieder klonen kann? Daran dachte wohl im Jahr 1954 noch niemand.

_5) Roger Zelazny: „Dem Prediger die Rose“ („A Rose for Ecclesiastes“, 1963)_

Eine Expedition ist auf dem Mars gelandet, auf dem eine uralte menschliche Zivilisation entdeckt worden ist. Sie verfügt über eigene Sprache und eigene Dichtung. Das ist der Grund, warum der bekannte Dichter und Semantiker Gallinger, der Ich-Erzähler, hierher gekommen ist. Er will die Hochsprache erlernen und die heilige Dichtung dieses Volkes studieren, in der Hoffnung, ihr Geheimnis zu lüften: Warum gibt es nur noch so wenige Marsianer?

In der alten Festung Tirellian steht ein uralter Tempel, doch bislang durften Menschen nur dessen Vorhalle betreten. Die älteste Mutter der Marsianer gewährt ihm Zutritt zur nächsten Halle, und ihm gehen die Augen über: Kunstschätze, Mosaiken, Schriften! In seinem Eifer erlernt er die Hochsprache binnen drei Wochen und beginnt, die heiligen Schriften zu lesen. So erfährt er von den Göttern der Marsianer, von Malann, Tamur und von Locar. Vor allem von Locar, dem der Tanz so heilig ist, dass es 2224 Variationen davon gibt.

Die Älteste lässt Gallinger bei einer Vorführung zusehen. Eine junge Frau, wie ihm scheint, Braxa, setzt mit ihrem Körper die Bewegungen des Marswindes um, doch sie ist kein Derwisch, erinnert ihn höchstens an indische Tempeltänzerinnen. Aber ihr Tanz ist kein Ritual, sondern purer Ausdruck. Gallinger ist verzaubert. Und hat sich in Braxa unversehens verliebt, sodass er ein Gedicht über sie schreibt.

Eines Nachts kommt sie zu ihm, damit er ihr sein Gedicht vorliest. Daraus wird mehr, denn er zitiert das Lied Salomos, und die beiden schlafen miteinander. Viele Nächte lang – bis Braxa plötzlich nicht mehr zurückkehrt. Gallinger macht sich auf die Suche nach der Verschwundenen, denn er ist besorgt. Braxa hat ihm offenbart, woran die Marsianer leiden: Die Männer sind durch „eine Pest, die nicht tötet“, und die der Regen (!) Locars brachte, unfruchtbar geworden. Doch wie steht es mit den Frauen? Ist Braxa von ihm schwanger, dann muss er sein Kind am Leben erhalten.

Seine Suche passt in das Muster einer uralten Prophezeiung der Marsianer, doch um sie zu erfüllen, darf er sie nicht kennen. Als er Braxa endlich gefunden hat, beschließt er, das Schicksal der Marsianer zu ändern, denn sonst ist sein Kind verloren – und seine Liebe …

|Mein Eindruck|

Der frühe Zelazny aus der Mitte der sechziger Jahre beeindruckt immer wieder durch assoziativen Stil mit zahlreichen Anspielungen. Aber das ist nicht bloßes Bildungsgeprotze und Wortgeklingel, sondern eine zweite Bedeutungsebene unter der vordergründigen Handlungsebene. Warum sonst sollte Gallinger, immerhin ein belesener Dichter, sich als Hamlet fühlen und den Expeditionsleiter Emory als „Claudius“, also als verbrecherischen Stiefvater titulieren?

Auch Anspielungen auf Darstellungen von Hölle und Paradies bei Dante, Vergil und Milton tauchen nicht von ungefähr auf, sondern weil es um die Interpretation der marsianischen Situation geht: Ist der Mars eine Hölle, und wenn ja, wodurch? Und welche Rolle können die Erdlinge dabei spielen? Sind sie Retter oder das Verhängnis für den Roten Planeten?

Aber die Geschichte ist auch eine tragische Lovestory, die süß beginnt und bitter zu werden droht. Damit es nicht zum Äußersten kommt und Gallinger nicht seine Marsprinzessin verliert, muss er etwas ganz Außerordentliches leisten: Er muss die Marsgötter verhöhnen und dem Wüstenplaneten etwas Unerhörtes schenken: eine rote Rose – denn auf dem Mars hat es nie Blumen gegeben.

Ein Faktor fehlt noch: der Prediger. Gallinger war in jungen Jahren auf dem Priesterseminar, denn er sollte die Fußstapfen seines priesterlichen Vaters treten. Stattdessen wurde er zwar Poet, doch er kennt die Bibel immer noch in- und auswendig, so auch das Buch des Predigers Salomo („Ecclesiastes“ in Englisch). Der erklärte alles Sein und Tun des Menschen für eitel Blendwerk und völlig vergebens. Gallinger nun predigt dem Marsvolk das Gegenteil, denn wie sonst kämen die Erdlinge zum Mars und könnten ihm Blumen schenken, Symbole von Leben und Schönheit? Braxa darf nicht sterben – und die Marsianer auch nicht! Wie wird die Entscheidung der ältesten Mütter ausfallen?

|Schwächen|

Natürlich ist dieser Rote Planet nicht der Mars, den wir durchs Fernrohr sehen können. Sonst könnten die Menschen hier gar nicht atmen, es wäre viel zu kalt und die Weltraumstrahlung würde sie krankmachen. Es ist vielmehr der Mars, den wir aus der Literatur kennen, aus den Marsabenteuern von TARZAN-Erfinder Edgar Rice Burroughs und den Storys von Stanley G. Weinbaum oder Robert A. Heinlein. Sogar die obligatorische Marsprinzessin ist vorhanden: Braxa, die Tänzerin des Locar. Seltsam ist allerdings ist, dass der Autor überhaupt nicht auf die große Mars-Schlucht Valles Marineris eingeht und den Riesenvulkan Mons Olympus nicht erwähnt, sondern nur einen kleinen Vetter des 25-Kilometer-Berges.

Das alles tut der Aussage der Geschichte aber offenbar keinen Abbruch, sondern hätten die SF-Freunde sie nicht zur sechstbesten SF-Story aller Jahre vor 1965 gewählt. Und das will angesichts der Klassiker von Asimov, Heinlein, Sturgeon und van Vogt was heißen. Denn ganz nebenbei liefert die Story eine Erklärung für die entvölkerte und wüstenartige Oberfläche des Mars: eine kosmische Katastrophe, die „Pest, die nicht tötet“ …

_Die Übersetzung_

Es ist ja bekannt, dass Taschenbuchübersetzungen auch schon im Jahr 1980 schlecht bezahlt worden sein müssen, aber deswegen kann der Käufer dennoch eine einwandfreie Übersetzung erwarten. Auf Seite 121 wurde aus „Menschen“ die Kurzform „Menchen“, und eine Seite weiter erwartet uns das Wörtchen „Hamben“. Da es nicht erklärt wird und es kein deutschen Wort „Hambe“ gibt, liegt der Verdacht nahe, dass es sich um eine Fehlschreibung handelt. Ersetzt man das H durch ein J, ergibt sich der literarische Fachbegriff „Jamben“, die Merhzahl von „Jambus“, einem Versmaß. Dies passt viel besser zu einem Dichter wie Gallinger.

Bei einem Vergleich der Heyne-Übersetzung von „Checker sind passé“ mit der Suhrkamp-Übersetzung „Seher leben vergeblich“ ergibt sich, dass Suhrkamps Rudolf Hermstein sowohl stilistisch als auch im Wortlaut das Original „Scanners live in vain“ sehr viel genauer und kunstvoller übertragen hat. Hier wird auch das Pathos des Geheimordens der Seher deutlich, dem die Individualerfahrung Martel gegenübergestellt wird. Der Konflikt wird deshalb auch sprachlich sinnfällig gemacht und leuchtet dem Leser ein.

Ich habe zudem festgestellt, dass das Lesen der winzig gedruckten Heyne-Sätze dazu verleitet, über die Sätze zu huschen. Das ist dem Verstehen des Textes sehr abträglich, denn hier zählt wirklich jedes Wort. Dem Freund der SF-Literatur sei also die Suhrkamp-Fassung wärmstens empfohlen, die sich in dem Erzählband „Sternenträumer“ findet.

_Unterm Strich_

Wieder bietet der Band eine Auswahl von Top-Stories. Judith Merrils Story von 1948 ist eine Reaktion auf die Atombombe von Hiroshima, „Checker sind passé“ ausd dem gleichen Jahr ist eine Vision der Ablösung des Menschen durch Roboter und Androiden. Fritz Leiber stellt sich ein radikal verändertes New York City vor, während Tom Godwin wie Cordwainer Smith an der Menschlichkeit der Raumfahrt-Utopien zweifelt.

Diesem Skeptizismus stellt Roger Zelazny ganz klar eine poetisch-hoffnungsvolle Vision in „Dem Prediger die Rose“ entgegen, die für raumfahrende Menschen erstens eine Marsprinzessin bereithält und zweitens das Heil für eine fremde Welt entgegen. Ersetzt man „Mars“ durch „Ausland“, so ergibt sich ein Bild von der Utopie des amerikanischen Friedenskorps, das allen Ländern der Dritten Welt im Auftrag JFKs die helfende, heilende Hand reichen wollte. Der Vietnamkrieg, der just im Jahr 1965 mit den ersten US-Gefechten begann (siehe „Wir waren Helden“ mit Mel Gibson), machte dieser Utopie den Garaus.

Insgesamt sind diese Erzählungen also Texte, die jeder Freund der SF-Literatur als den klassischen Kanon kennen sollte. Speziell die Novelle „Dem Prediger die Rose“ habe ich in keiner anderen Anthologie wiedergefunden – sie liegt nur hier auf Deutsch vor.

Fazit: vier von fünf Sternen wg. Punktabzug für die Übersetzung.

Taschenbuch: 159 Seiten
Originaltitel: Science Fiction Hall of Fame, Bd. 1, 1970; Heyne, 1980, München, Nr. 06/3787
Aus dem US-Englischen von Heinz Nagel|
www.heyne.de

Jeschke, Wolfgang; Bova, Ben (Hrsg.) – Titan-13

_Tödliche Labyrinthe und fliegende Städte_

Die Großen der Sciencefiction wird mit ihren Meisterwerken bereits in der sogenannten „Science Fiction Hall of Fame“ verewigt, welche natürlich in Buchform veröffentlicht wurde (statt sie in Granit zu meißeln). Daher können Freunde dieses Genres noch heute die ersten und wichtigsten Errungenschaften in der Entwicklung eines Genres nachlesen und begutachten, das inzwischen die ganze Welt erobert und zahlreiche Medien durchdrungen hat.

In der vorliegenden Ausgabe des Auswahlbandes Nr. 13 von „Titan“, der deutschen Ausgabe der „SF Hall of Fame“, sind Novellen von James Blish und Algis Budrys gesammelt.

_Die Herausgeber _

1) Wolfgang Jeschke, geboren 1936 in Tetschen, Tschechei, wuchs in Asperg bei Ludwigsburg auf und studierte Anglistik, Germanistik sowie Philosophie in München. Nach Verlagsredaktionsjobs wurde er 1969-1971 Herausgeber der Reihe „Science Fiction für Kenner“ im Kichtenberg Verlag, ab 1973 Mitherausgeber und ab 1977 alleiniger Herausgeber der bis 2001 einflussreichsten deutschen Sciencefiction-Reihe Deutschlands beim Heyne Verlag, München. Von 1977 bis 2001/02 gab er regelmäßig Anthologien – insgesamt über 400 – heraus, darunter die einzigen mit gesamteuropäischen Autoren.

Seit 1955 veröffentlicht er eigene Arbeiten, die in ganz Europa übersetzt und z.T. für den Rundfunk bearbeitet wurden. Er schrieb mehrere Hörspiele, darunter „Sibyllen im Herkules oder Instant Biester“ (1986). Seine erster Roman ist „Der letzte Tag der Schöpfung“ (1981) befasst sich wie viele seiner Erzählungen mit Zeitreise und der Möglichkeit eines alternativen Geschichtsverlaufs. Sehr empfehlenswert ist auch die Novelle „Osiris Land“ (1982 und 1986). Eine seiner Storysammlungen trägt den Titel „Schlechte Nachrichten aus dem Vatikan“.

2) Ben Bova, Jahrgang 1932, ist schon über 70 und ein verdammt erfahrener Bursche. 1956 bis 1971 arbeitete er als technischer Redakteur für die NASA und ein Forschungslabor, bevor er die Nachfolge des bekanntesten Science Fiction-herausgebers aller Zeiten antreten durfte, die von John W. Campbell. Campbell war die Grundlage für das „Goldene Zeitalter der Science Fiction“, indem er mit seinem Magazin „Analog Science Fiction“ jungen Autoren wie Asimov, Heinlein, van Vogt und anderen ein Forum gab. Hier entstand der „Foundation“-Zyklus und andere Future History-Zyklen.

Für seine Herausgeberschaft von Analog wurde Bova sechsmal (von 1973-79) mit einem der beiden wichtigsten Preise der Sciencefiction ausgezeichnet, dem Hugo Gernsback Award. Von 1978-82 gab er das Technik & Fiction-Magazin „Omni“ heraus. 1990-92 sprach er für alle Science Fiction-Autoren Amerikas in seiner Eigenschaft als Präsident des Berufsvereinigung. Seit 1959 hat er eigene Bücher veröffentlicht, die sich oftmals an ein jugendliches Publikum richten, darunter die Kinsman- und Exiles-Zyklen.

Ebenso wie Robert Heinlein und Larry Niven ist Bova ein Verfechter der Idee, dass die Menschheit den Raum erobern muss, um überleben zu können. Und dies wird nur dann geschehen, wenn sich die Regierung zurückzieht und die Wirtschaft den Job übernimmt. Der Brite Stephen Baxter hat in seiner Multiversum-Trilogie diese Idee aufgegriffen und weiterentwickelt.

1992 begann Bova mit der Veröffentlichung seines bislang ehrgeizigsten Projekts: die Eroberung des Sonnensystems in möglichst detaillierter und doch abenteuerlicher Erzählform.

_Die Erzählungen_

_1) James Blish: „Überall ist die Erde“ („Earthman, Come Home“, 1953)_

|Vorgeschichte|

Diese Erzählung fand später Eingang in den gleichnamigen dritten Roman des vierbändigen Zyklus „Cities in Flight” (Kapitel 8 und 9) des 1975 verstorbenen Autors. Die vier Romane von „Cities in Flight“ stellen eine Zukunftsgeschichte der Menschheit im All dar, eine imposante Space Opera. Der Autor entwirft Aufstieg und Niedergang des irdischen Sternenreiches, wobei sein Schwerpunkt auf der Geschichte der Nomadenstädte der Okies liegt. Diese fliegenden Okie-Städte durchstreifen auf der Suche nach Handelspartnern oder kolonisierbaren Planeten das Weltall.

Die Erfindung des Spindizzy-Antriebs hat die Überwindung der Schwerkraft und den überlichtschnellen Raumflug mit sich gebracht. Da Masse und Form für den raumflug bedeutungslos geworden sind, brechen ganze Städte samt Granitsockel und umgebendem Spindizzy-Kraftfeld, das vor Strahlung schützt und die Atmosphäre hält, in den Weltraum auf.

Die Tetralogie beginnt im Jahr 2018 mit dem Bau einer Brücke auf dem Jupiter. Das Geheimnis der Schwerkraft soll enträtselt werden. Dabei wird der Weg zum späteren Spindizzy-Antrieb geebnet (They Shall Have Stars, 1956). In „A Life for the Stars“ (1962) werden die Erlebnisse des Jugendlichen Crispin de Ford geschildert, der mit der amerikanischen Stadt Scranton ins All fliegt und später auf New York City umsteigt.

Die Okie-Stadt New York City ist Schauplatz des dritten Teils und Kernstücks der Tetralogie, „Earthman, Come Home“ (1955). Die Stadt und ihr junger Bürgermeister John Amalfi müssen sich mit anderen Nomadenstädten herumschlagen und schließlich den Zusammenbruch der Okie-Kultur und Erdzivilisation miterleben. New York City verlässt die Galaxis, um in der Großen Magellanschen Wolke die Neue Erde zu gründen. Dies ist Gegenstand der vorliegenden Erzählung.

In „The Triumph of Time“ (1958) droht das Ende des Universums. New York City fliegt zum Mittelpunkt des Universums, und Amalfi macht aus dem Weltende einen neuen Anfang, indem er sich selbst explodieren lässt und die Schöpfung erneut auslöst. Ende und Anfang und wieder Ende – dies entspricht Oswald Spenglers zyklischer Geschichtsauffassung.

|Die Erzählung|

New York City landet auf einer Welt, die von der Handelsorganisation der Interstellar Master Traders in Besitz genommen wurde. Die fliegende Stadt der IMT hat aus der ursprünglichen oder mitgebrachten menschlichen Bevölkerung eine Million Sklaven gemacht. Als Bürgermeister John Amalfi einen dieser Sklaven, Karst befreit, merkt, dass in dem jungen Mann ein intelligenter und unternehmungslustiger Bursche steckt. Er lässt ihn durch Hypnopädie (Unterricht im Schlafzustand) unterrichten, sodass er ihm bei der unausweichlichen Konfrontation mit den bisherigen Besitzern dieser Welt helfen kann.

Der Abgesandte der IMT nennt sich Büttel Heldon. Augenscheinlich will Heldon eine Revolution abwehren, die New York City anzetteln würde. Doch Amalfi vermutet, dass Heldon einen Trick vorhat, und nimmt Karst mit, als ihm Heldon die alten, angeblich reparaturbedürftigen Spindizzy-Generatoren der IMT-Stadt zeigt. Doch statt ihn die Generatoren reparieren zu lassen, nimmt Heldon Amalfi gefangen, weil die Aufenthaltsgenehmigung abgelaufen sei. Das lässt Amalfi völlig kalt: Er hat für diese Eventualität vorgesorgt und zieht ein schwarzes Ei voller mutierter Pockenviren aus seiner Werkzeugtasche. Prompt weicht Heldon bestürzt zurück: Feudalisten mögen keine Seuchen.

Amalfi und Karst trennen sich. Während Karst einen der Generatoren sabotiert, eilt Amalfi ins unbewachte Kommandozentrum der alten IMT-Stadt und sabotiert die Steuerung. Bis Heldon auftaucht, ist es bereits zu spät: Die Stadt beginnt zu schwanken und zu beben. Amalfi macht, dass er schnellstens zurück nach New York kommt …

|Mein Eindruck|

Die erste Hälfte dieser Erzählung habe ich fast nicht verstanden, weil die Vorgeschichte als bekannt vorausgesetzt wird. Außerdem musste ich ständig zwischen IMT-Stadt und New York City unterscheiden, und erst ziemlich spät wird in einer Fußnote erklärt, wofür IMT überhaupt steht. Das wurde in der Übersetzung wenig hilfreich umgesetzt. Rückblenden sollen die Vorgeschichte dem Leser nahebringen. Das unterbricht den Erzählfluss, und ich fragte, wo denn Karst abgeblieben sein könnte.

Dafür ist die zweite und wichtigere Hälfte dieser Story umso leichter verständlich: keine Rückblenden, keine Abschweifungen, einfach zielgerichtet, pfiffig und spannend, wie sich das für eine Abenteuergeschichte gehört. Das hat dann wieder Spaß gemacht.

Mehrmals nimmt Amalfi Bezug auf Laputa, jene fliegende Stadt, die Jonathan Swift in seinem Roman „Gullivers Reisen“ erfand. Die fliegende Insel ist eine zwiespältige Sache: Hier haben wir ein (im eigentlichen Sinne) aufgeklärtes Staatswesen, das sich den mathematischen und astronomischen Wissenschaften verschrieben hat. Sie machen sich Gedanken über Schicksal und Ende von Sonne und Erde. Wie niederschmetternd ist es für uns zu erfahren, dass der König von Laputa nichts Besseres zu tun hat, als anderen Inseln mit seiner eigenen das Sonnenlicht wegzunehmen, um sie zu Abgaben zu zwingen. Die Technik ist eben stets ein zweischneidiges Schwert, und so etwas wie „freie Wissenschaft“ existiert nicht.

Der Vergleich mit Laputa ist, wie man sieht, ein sehr passender: Die Welt der IMT hat sich wie eine Riesenfaust auf dieser Welt niedergelassen, ähnlich wie die berüchtigte Welt Thor V. Und von Freiheit kann auch keine Rede sein, soviel ist mal klar. Da kommen die freiheitsliebenden Amerikaner aus New York City ja wie gerufen, um die armen Sklaven in die Freiheit zu führen! Das klingt jetzt ein wenig chauvinistisch, aber ich bin sicher, der Autor dachte sich damals, als die Amis die Welt vor dem Kommunismus bewahren wollten, nichts dabei.

_2) Algis Budrys: „Die Bewährung“ („Rogue Moon“, 1960)_

Edward Hawks ist der Projektleiter bei Continental Electronics und traurig betrachtet das menschliche Wrack vor sich, das von der letzten Mission zurückgekehrt ist. Rogan ist ein sabbernder Idiot geworden. Rogan ist beileibe nicht das erste Opfer, aber wenigstens ist er noch am Leben.

Auf der erdabgewandten Seite des Mondes haben die Amerikaner eine seltsame Formation vorgefunden, die den bekannten Naturgesetzen widerspricht: ein tödliches Labyrinth, das offenbar ein Artefakt außerirdischer Intelligenzen ist. Marine und Luftaffe tarnen das Ding, um es vor den Russen zu verstecken, die den Erdtrabanten ebenfalls erkunden. Es ist nur hundert Meter lang und zwanzig breit, doch jeder, der hineingeht, wird getötet. Warum und mit welchen Mitteln, ist bislang unklar. Doch es hilft keineswegs, Paare oder Quartette hineinzuschicken, um es zu erkunden – sie kommen alle darin um. Alle Leichen haben Ausdruck des Entsetzens auf dem Gesicht.

Das bringt Hawks auf einen Gedanken: Er braucht jemanden, der keine Angst vor dem Tod hat. Quasi einen Selbstmörder, der sich jederzeit ins eigene Messer stürzen würde. Gibt es so jemanden, fragt er den Chef der Personalabteilung. Connington ist ein durchtriebener Halunke, und tatsächlich hat er diese Anfrage kommen sehen. Ja, er hätte den richtigen Mann, und zwar gar nicht weit von hier: Alvin Barker, seines Zeichens ein Mimbreno-Apache, der aber die Harvard University besucht und als Sodat gedient habe.

Das Treffen von Hawks, Connington, Barker und dessen Freundin Claire ist ein bemerkenswertes Aufeinandertreffen willensstarker Menschen, die alle Macher sind. Connington, der sich besäuft, gibt offen zu, dass Hawks und Barker ein explosives Gemisch abgeben werden. Claire schaut zu Barker auf und nennt sich eine Kriegerfrau, die dem letzten echten Mann gehöre. Wie atavistisch, denkt Hawks, sagt aber nichts. Als Barker ihm mit gewagten Fahrkunststücken imponieren will, geht er lieber zu Fuß zur nächsten Tankstelle. Dort lernt er eine nette Mode-Designerin kennen. Die ist mehr seine Kragenweite. Hawks mag ja ein Mörder sein, wenn er Männer in den Tod schicken, aber ist kein Psychopath. Bei Barker sind wir uns aber dessen nicht sicher.

Im Institut weist er Barker ein. Kein Mann werde mehr physisch in die Todesfalle geschickt. Nein, das funktioniert jetzt anders. So wie ein Funkgerät Schallsignale überträgt und eine Fernsehanlage Licht- und Tonsignale, so wird durch einen Scanner und Sender ein ganzer Mensch auf den Mond übertragen, als aufgezeichnete Folge von Signalen. Das Original wird dabei zerstört, aber die zwei Kopien können ihre Aufgabe erfüllen. Kommt eine Kopie in der Formation um, wird die zweite Kopie kopiert und davon wieder eine Kopie losgeschickt. Und so weiter ad infinitum.

Ein interessanter Effekt dabei ist die Tatsache, dass die zweite Kopie, die sich auf der Erde befindet, die Gedanken der Ersten, die in die Formation geht, empfangen kann. Diese unerklärliche Telepathie ermöglicht es den Projektmitarbeitern, das Erleben der irdischen Kopie aufzuzeichnen und auszuwerten. Sollte dieser Empfänger wegen des Todes seiner Mondkopie wahnsinnig werden, müsste man eben auf weitere Kopie zurückgreifen. Hauptsache, das Projekt kann fortgeführt werden. Allerdings kann es beim Kopieren zu Fehlern kommen, aber das muss Hawks Barker ja nicht auf die Nase binden.

Obwohl Barker all dies verstanden hat, macht er trotzdem mit. Er trägt eine Beinprothese, denn er hat sein Bein bei einem Unfall in einem gewagten Sport verloren. Nun bekommt er eine verbesserte Version, wird gescannt und durch den Transmitter gejagt. Seine letzten Vorgänger haben nicht einmal vier Minuten in der Formation überleben können, doch Barker will diesen Rekord überbieten.

Es gelingt Barker und seinen Kopien tatsächlich, über neun Minuten im Todeslabyrinth voranzukommen. Als Barker sagt, der Durchbruch sei zum Greifen nahe, will Hawks ihn begleiten. Auch dies klappt, doch erlebt Barkers Kopie eine böse Überraschung: Es darf keine zwei Barkers im Universum geben …

|Mein Eindruck|

Mich hat nicht der technische Vorgang beeindruckt, sondern die ihn umgebende Psychologie. Diese berührt ganz fundamentale Bereiche der menschlichen Existenz. Die vielen Toten im Labyrinth der Aliens stehen natürlich für den Tod selbst, dem wir uns alle gegenübersehen und für den sich jeder seine eigene Antwort zurechtlegt. Für den Indianer Barker ist das Labyrinth quasi ein Initiationsritus, bei dem ein Junge zum Mann werden muss – oder beim Versuch zugrundegehen. Aber Barker muss erst begreifen, dass er sich bei seiner Mannbarwerdung auch in einen anderen Menschen verwandeln muss.

Um Barker und Hawks verstehen zu können, ist die scheinbar unwichtige Handlung in ihrer nächsten Umgebung von Bedeutung. Claire, Barkers Freundin, will beispielsweise auch Hawks verführen und in ihre Liste von flachgelegten Männern eintragen. Hawks durchschaut sie auf unvergleichliche Weise und macht ihr deutlich, was ihr eigentliches Problem ist: Sie hat im Grunde Angst vor Männern. Um die Angst zu kaschieren, muss sie sie stets im Bett besiegen. Dieses Problem hat auch Barker: Er muss sich stets als Sieger fühlen, ebenso wie Connington. Deshalb ist es für Barker so furchtbar, dass ihn das Labyrinth als ein Nichts behandelt, das es gar nicht wahrnimmt, sondern lediglich eliminiert. Das Labyrinth zu passieren, mag zwar befriedigend sein, aber es ist damit kein Triumph verbunden. Und das passt Barker überhaupt nicht, weil er sich dann nichtswürdig vorkommt.

Die Passage durch Labyrinth symbolisiert auch das Streben nach Erkenntnis. Wie ihre Berichte ergeben, erleben Barker und Hawks nicht das Gleiche – für jeden ist das Erlebnis etwas anderes. Folglich sind auch Wissen und Erkenntnis etwas anderes, als sie überleben.

Die letzte große Frage betrifft, wie angedeutet, die Identität der Überlebenden. Beim letzten, erfolgreichen Durchgang erleben „Original“ und Kopie die Passage zwar unbeschadet, doch nicht unverändert. Die Pointe des Romans liegt darin, dass sich das Hawks-„Original“ nicht mehr an die Mode-Designerin erinnert, der er seine Liebe erklärt hat, die sie erwiderte. Und dass die Barker-Kopie auf dem Mond zwar eine wichtige Erkenntnis gewonnen hat, sie aber nicht mehr dem „Original“ auf der Erde wird mitteilen können. „Original“ und Kopie dürfen nicht im gleichen Universum existieren, ganz abgesehen davon, dass es auch technisch (noch) nicht machbar ist, die Mond-Kopien zurückzuschicken.

Das ist zweimal eine bittere Ironie, die man nur bei den besten Erzählungen findet. Hier gibt es keine Klischees und kein erzwungenes Happy-End. Deshalb hat es auch nie eine Verfilmung des Romans gegeben, anders etwa beim „Der Mann aus Metall“ (Who?, 1958). Aber „Rogue Moon“ verfehlte den Hugo Gernsback Award denkbar knapp, und das ist ein unwiderlegbares Zeichen für seine Qualität.

_Die Übersetzung_

Die Übersetzung ist schon reichlich angestaubt, obwohl als deren Copyright 1980 angegeben wird. Aber das kann zumindest bei Budrys nicht hinhauen, denn der Roman wurde ja schon 1965 ins Deutsche übersetzt und zwar von Wulf H. Bergner.

Neben diversen Flüchtigkeitsfehlern fielen mir drei Stellen auf. Auf Seite 50 heißt es einmal „Suchen“ statt „Seuchen“. Auf Seite 64 steht das offenbar österreichische Wort „Nachtarock“, das ich mir als „nacharbeiten“ erklären würde (von „Tarockieren“: Tarock spielen). Auf Seite 104 wird ein Funkgerät beschrieben, aber als „Radio“ bezeichnet. Dieser Fehler findet sich häufig in Eins-zu-eins-Übersetzungen aus dem Amerikanischen. Und ganz allgemein kann man unter „Drogen“ genauso gut Medikamente verstehen.

_Unterm Strich_

Von den beiden Erzählungen hat mich der Kurzroman „Die Bewährung“ weitaus mehr überzeugt. Der Autor behandelt fundamentale Themen der menschlichen Existenz: unser Verhältnis zum Tod, Liebe und Erotik, Streben nach Wissen und Erkenntnis sowie Identität. Die etwas technisch gehaltenen Szenen werden von realistischen Szenen zwischen den fünf zentralen Figuren im Gleichgewicht gehalten und kommentiert.

Es ist eine psychologische Entwicklung erkenn- und ablesbar, wie sie für eine SF-Story nicht gerade selbstverständlich ist. Mehrmals habe ich zudem ganz genau hinsehen müssen, um einen scheinbar einfachen Satz mehrmals auf jedes Wort hin abzuklopfen: Hier zählt, was gesagt wird – und das, was zwischen den Zeilen steht, ebenfalls. Dieser Stil würde ebenso gut für einen Mainstream-Roman genügen, für „Die Reifeprüfung“ beispielsweise (ein Film, der ja auch eine „Bewährung“ schildert).

Die Erzählung von James Blish ist zunächst reichlich verworren, weil die Vorgeschichte mitgeliefert werden muss, was in entsprechenden Rückblenden erfolgt. Erst in der zweiten Hälfte gelangt die Story in ihr eigentliches Fahrwasser und wird richtig spannend, pfiffig und actionreich.

|Taschenbuch: 189 Seiten
Originaltitel: Science Fiction Hall of Fame Band 2B, 1973
Aus dem US-Englischen von Heinz Nagel|
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_Die |Titan|-Reihe bei Buchwurm.info:_
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Jeschke, Wolfgang; Bova, Ben (Hrsg.) – Titan-16

_Zeitsonden, Mutanten und Meuchelmörder: klassische SF-Erzählungen_

Die Großen der Sciencefiction wird mit ihren Meisterwerken bereits in der sogenannten „Science Fiction Hall of Fame“ verewigt, welche natürlich in Buchform veröffentlicht wurde (statt sie in Granit zu meißeln). Daher können Freunde dieses Genres noch heute die ersten und wichtigsten Errungenschaften in der Entwicklung eines Genres nachlesen und begutachten, das inzwischen die ganze Welt erobert und zahlreiche Medien durchdrungen hat.

In der vorliegenden Ausgabe des Auswahlbandes Nr. 16 von „Titan“, der deutschen Ausgabe der „SF Hall of Fame“, sind Novellen von Jack Vance, Wilmar H. Shiras und T.L. Sherred gesammelt.

Die Kriterien der deutschen Bände waren nicht Novität um jeden Preis, sondern vielmehr Qualität und bibliophile Rarität, denn TITAN sollte in der Heyne-Reihe „Science Fiction Classics“ erscheinen. Folglich konnten Erzählungen enthalten sein, die schon einmal in Deutschland woanders erschienen waren, aber zumeist nicht mehr greifbar waren. TITAN sollte nach dem Willen des deutschen Herausgebers Wolfgang Jeschke ausschließlich Erzählungen in ungekürzter Fassung und sorgfältiger Neuübersetzung enthalten. Mithin war TITAN von vornherein etwas für Sammler und Kenner, aber auch für alle, die Spaß an einer gut erzählten phantastischen Geschichte haben.

_Die Herausgeber _

1) Wolfgang Jeschke, geboren 1936 in Tetschen, Tschechei, wuchs in Asperg bei Ludwigsburg auf und studierte Anglistik, Germanistik sowie Philosophie in München. Nach Verlagsredaktionsjobs wurde er 1969-1971 Herausgeber der Reihe „Science Fiction für kenner“ im Kichtenberg Verlag, ab 1973 Mitherausgeber und ab 1977 alleiniger Herausgeber der bis 2001 einflussreichsten deutschen Sciencefiction-Reihe Deutschlands beim Heyne Verlag, München. Von 1977 bis 2001/02 gab er regelmäßig Anthologien – insgesamt über 400 – heraus, darunter die Einzigen mit gesamteuropäischen Autoren.

Seit 1955 veröffentlicht er eigene Arbeiten, die in ganz Europa übersetzt und z.T. für den Rundfunk bearbeitet wurden. Er schrieb mehrere Hörspiele, darunter „Sibyllen im Herkules oder Instant Biester“ (1986). Seine erster Roman ist „Der letzte Tag der Schöpfung“ (1981) befasst sich wie viele seiner Erzählungen mit Zeitreise und der Möglichkeit eines alternativen Geschichtsverlaufs. Sehr empfehlenswert ist auch die Novelle „Osiris Land“ (1982 und 1986). Eine seiner Storysammlungen trägt den Titel „Schlechte Nachrichten aus dem Vatikan“.

2) Brian W. Aldiss (* 1925) ist nach James Graham Ballard und vor Michael Moorcock der wichtigste und experimentierfreudigste britische SF-Schriftsteller. Während Ballard nicht so thematisch und stilistisch vielseitig ist, hat er auch nicht Aldiss’ ironischen Humor.

Aldiss wurde bei uns am bekanntesten mit seiner Helliconia-Trilogie, die einen Standard in Sachen Weltenbau in der modernen SF setzte. Das elegische Standardthema von Aldiss ist die Fruchtbarkeit des Lebens und die Sterilität des Todes. Für „Hothouse“ bekam Aldiss den HUGO Award. Er hat auch Theaterstücke, Erotik, Lyrik und vieles mehr geschrieben.

_Die Erzählungen_

_1) T. L. Sherred: „Das Zeitkino“ („E for Effort“, 1947)_

Ed Lefko hat am Busbahnhof eine Stunde totzuschlagen und geht in ein kleines Kino, wo der Eintritt nur 10 Cent kostet. Der von einem Mexikaner gezeigte Streifen zeigt die Eroberung von Mexico City im Jahr 1521: Es ist eine turbulente Schlacht, die in nur einem Schwenk gezeigt wird. Merkwürdig: Es gibt keine Hauptdarsteller, kaum Schnitte, keine Nahaufnahmen, enorm viele Komparsen und verteufelt echt aussehende Stunts. Wie wurde all dies finanziert?

Nach dem Ende der Vorstellung fragt Lefko den Vorführer aus, der zugleich der Besitzer dieses Etablissements ist: Als Miguel José Zapata Laviada stellt er sich vor und bietet Lefko ein Bier an. Es ist noch Zeit, also setzen sich die beiden zusammen. Unvermittelt öffnet Mike, wie Lefko ihn nennt, eine Art Musiktruhe und zeigt erneut einen Film – nur dass der Betrachter mittendrin sitzt! Zu sehen ist Lefko, wie er am Abend zuvor die Motor Bar aufmischt. Ed ist völlig geschockt, doch nach einer Weile kann ihn Mike beruhigen und alles erklären.

Mike war bei der Army Radartechniker und versteht etwas von Elektronik. So machte er sich einen Nebeneffekt des Radars zunutze und baute diese „Musiktruhe“, die seltsam viele Skalen aufweist. Damit kann er in Zeit und Raum weit und tief sehen – und Aufnahmen machen. Leider habe er keine Geld, um die nötige Ausrüstung zu kaufen, um bessere Qualität zu produzieren, die mehr Geld einbrächte. Da hat Ed eine Idee, wie sie sich zusammentun könnten.

Nachdem sie sich durch Erpressung ein wenig Grundkapital beschafft haben, erstellen sie den ersten Film: „Alexander“. Vertonung, Publicity, Verleih – das alles regeln sie mit dem Prodzenten Johnson und seinen Leuten. Johnson weiß: Das wird ein Hammer! Und so kommt es auch – überall positive Kritiken. Nach ein, zwei Fotobüchern ist der zweite Film dran: „Rom“, der den Untergang und Fall des Römischen Reiches zeigt. Mit vielen Fehlern, wie die Experten meinen.

Film Nr. 3 eckt da schon mehr an: „Flammen über Frankreich“ schildert die Französische Revolution auf nicht gerade schmeichelhafte Weise. Das ist aber noch gar nicht gegen die Reaktion auf die Verfilmung des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges und des Bürgerkrieges. Nun brennen Bücher, Kinos, Unruhen entstehen, und der Ku-Klux-Klan schlägt zu. Die Filmkopien verschwinden schleunigst aus vielen Kinos, konfisziert, geraubt, verbrannt – der reinste Sprengstoff.

Es kommt zu einer Krise mit dem Studio, und deshalb müssen Mike und Ed, wollen sie weitermachen, die Karten auf den Tisch legen und das Geheimnis ihrer Wundermaschine offenbaren. Johnson und Co. sind völlig geplättet und kurz vorm Ausrasten. Für die Wahrheit über die nächsten Kriege der USA ist die Welt noch nicht bereit, protestiert Johnson, doch Mike ist eisern entschlossen, alles zu tun, um den dritten Weltkrieg zu verhindern, denn dieser wird ein Atomkrieg sein. Nur die Wahrheit könne ihn verhindern.

Mit einem genialen Kniff gelingt es den beiden kühnen Filmemachern, die längst manipulierte und korrigierte Vergangenheit wiederauferstehen zu lassen – und dennoch vor Gericht bestehen zu können. Dennoch wissen sie, dass ihr Leben nach dem Aufführen dieses Films keinen Pfifferling mehr wert sein wird …

|Mein Eindruck|

Als diese Erzählung 1947 in „Astounding“ erschien, brach die Resonanz alle Rekorde, denn es war bekanntlich die Zeit des McCarthy-Ausschusses gegen unamerikanische Umtriebe, der halb Hollywood auf die schwarze Liste gebracht hatte. Und in dieser Story decken zwei Underdogs aus sozialen Randgruppen – ein Jude und ein Mexikaner – auf, wie sich in den USA sogenannte Patrioten unehrenhaft an den beiden Weltkriegen bereicherten!

Die Leser mussten im Jahr 1947 den Eindruck erhalten, es beim Autor mit einem defätistischen Vaterlandsverräter oder mit einem selbstmordgefährdeten Wahrheitssucher zu tun zu haben. Allerdings haben darf man die Erzähler der Story nicht mit dem Autor verwechseln. Doch beide betätigen sich, in unterschiedlichem Grad, aber Kritiker nationaler Mythen und Illusionen über die Selbstlosigkeit von Waffenproduzenten und dergleichen. Unterm Strich verdienten am Krieg alle prächtig. Und erst am Wiederaufbau der dabei zerstörten Feindeslande!

Interessant ist die Methode, mit der die zwei Hauptfiguren diese Bilderstürmerei bewerkstelligen. Sie nutzen das Medium Film, um eine bereits seit einem halben Jahrhundert aufgebaute Infrastruktur zu nutzen, die inzwischen – vor den Fünfzigern – mehr Menschen erreicht, als Zeitungen und Radionachrichten. Erst das Fernsehen wurde danach zum richtigen Massenmedium.

Das Verfahren der Zeitsonde wird nicht näher erklärt, was in der amerikanischen SF nicht weiter verwundert, wo die wenigsten technischen Verfahren genau beschrieben werden. Aber die Zeitsonde ist, wie so oft in der SF, eine Metapher für die detailgetreue Wiedergabe der Vergangenheit – im Gegensatz zu den Verzerrungen, Fehlern und Irrtümern, die nachfolgende Chronisten begingen.

Selbst unser heutiges Geschichtsbild ist demzufolge eine Fiktion, die sich jederzeit ändern kann – und muss. So gesehen ist das Erzählen dieser Geschichte selbst ein Kommentar über das Erzählen von Geschichten. Doch diesmal geht die Story schlecht aus – auch wenn ihre Vorhersagen eintreffen, erleben die beiden Hauptfiguren dies nicht mehr.

Sherred gelang kein weiterer derartiger Erfolg, auch nicht mit seinem 1970 veröffentlichten Roman „Alien Island“ (1984 bei UllsteinSF).

_2) Wilmar H. Shiras: „Verborgen“ („In Hiding“, 1948)_

Der Schulpsychologe Peter Weller bekommt von einer Lehrerin den 13-jährigen Jungen Timothy Paul geschickt. Er sei im Unterricht so häufig geistesabwesend. Dass Tim etwas vor ihm verbirgt und Angst hat, wird Weller schon nach wenigen Fragen klar. Und schon die Andeutung einer Injektion jagt Tim eine Heidenangst ein. Wie kann Weller sein Vertrauen gewinnen?

Ein Besuch bei Tims Zuhause kann bestimmt nicht schaden. Doch Tim ist Vollwaise und wächst bei seinen Großeltern Davis auf. Die Oma kümmert sich vor allem um ihn. Oma Davis ist keineswegs die leutselige Omi, die als erstes Tee serviert, sondern vielmehr eine strenge Regentin, die Timmy zu einem „gesunden normalen Jungen“ erzogen zu haben meint. Und als er behauptete, mit drei Jahren bereits lesen zu können, habe sie ihn wegen Lügens bestraft.

Dass Tim seine Oma getäuscht, seine Mitschüler und seine Lehrer hinters Licht geführt hat, wird Weller erst ganz allmählich klar. Denn nur sehr zögerlich fasst Tim Vertrauen zu ihm, vor allem, nachdem ihm Weller geschworen hat, das Arztgeheimnis zu beachten und niemandem etwas zu verraten.

Tim führt ein genetisches Experiment an gekreuzten Siam- und Perserkatzen durch. Nur die Reinrassigen verkauft er und will eine reinrassige weiße Angorakatze züchten. Die ist für Oma. Außerdem führt er eine weitreichende Korrespondenz mit Schachpartnern, Universitätsfernkursen und sogar Zeitschriften und Magazinen: Er ist ein Schriftsteller mit eigenem Bankkonto. Wenn irgendjemand dieser Leute erführe, dass er nur 13 ist, würden sie ihn alle beschimpfen und die Freundschaft kündigen, ahnt er.

Doch was steckt hinter Tims Frühreife? Als der erstaunte Weller wieder Oma Davis fragt, erzählt diese ihm vom Unfall in einem Atomlabor, dessen schleichenden Folgen Tims Eltern zum Opfer fielen. Davon darf er nie erfahren. Weller kommt eine Idee: Wenn es noch weitere solche Opfer – Mutanten – gäbe, dann müsste Tim sich nicht mehr verstecken …

|Mein Eindruck|

Eine Geschichte braucht gar keine Aliens, wie man sieht, wenn doch schon die Mutanten so vorsichtig sind, dass sie sich bestens verstecken können. Die Erzählung der 1908 in Boston geborenen Autorin Wilmar Shiras wurde über Nacht mit dieser Mutantenstory über Nacht bekannt. Sie integrierte die Story in ihren Roman „Children of the Atom“ (Kinder des Atoms), der 1983 erstmals auf Deutsch bei Ullstein veröffentlicht wurde.

Alle ihre Texte zeichnen sich durch fachkundiges psychologisches Wissen und intuitive Feinfühligkeit aus, so auch in diesem. Dies und die einfache Sprache sowie die konsequent durchgehaltenen Offenbarungen macht die Story nicht nur spannend, sondern auch anrührend und lehrreich.

_3) Jack Vance: 2Die Mondmotte“ („The Moon Moth“, 1961)_

Auf dem Planeten Sirene dient Musik als zweite Form der Kommunikation. Die Etikette verlangt, dass jedermann die korrekte Maske trägt – die des irdischen Agenten Edwer Thissell ist die der einheimischen Mondmotte. Er hat von der Interweltbehörde den Auftrag, den Meuchelmörder Haxo Angmark zu schnappen und notfalls zu töten.

Er müht sich ab, die Bräuche und Sitten dieser Welt zu erlernen, doch am Tag, als Angmark landet, muss er feststellen, dass seine Anpassung höchst unzureichend ist. Nun taucht der Mörder in der Maske eines der drei anderen Außenweltler unter, aber in wessen? Unter den einheimischen Individualisten schert sich niemand um Thissells Anliegen. Seine Suche erregt unter den Einheimischen vielmehr größten Anstoß, und er kann von Glück sagen, dass er mit dem Leben davonkommt.

Da verfällt er auf den Plan, die Sklaven der anderen Außenweltler Rolver, Wesibul und Kershaul zu verhören, welche Masken ihre Herren zu tragen pflegen. Auf diese Weise wird ihm klar, dass nur einer in Frage kommt, dessen Identität Angmark angenommen hat. Doch das weiß auch Angmark und stellt Thissell eine Falle. Doch dann begeht er einen verhängnisvollen Fehler …

|Mein Eindruck|

„Die Mondmotte“ (1961), eine der ausgefeiltesten Kurzgeschichten Vances, ist eine spannende Detektivgeschichte mit überraschendem Ausgang. Sie wurde häufig in Anthologien aufgenommen, auch in der SF. Bei Heyne findet man sie in der Anthologie „Grüne Magie“ sowie in „Titan-16“.

Das Grundproblem ist einfach: Die Identität wird durch die Maske verschleiert. Die Lösung des Problems besteht darin, die Maske zu ignorieren und sich auf die übrige Persönlichkeit zu konzentrieren. Das zweite Thema ist der Individualismus. Er verhindert, dass irgendjemand der Einheimischen dem Ermittler hilft. Das dritte Thema ist der Begriff des Prestige, welcher die einzige Währung auf Sirene darstellt, und diese Währung kann stark schwanken. Doch die ist die Einzige, die jemandem erlaubt, anderen Masken zu tragen.

Viertens bestimmen die zahlreichen winzigen Musikinstrumente, die jeder Sireneser mit sich herumschleppt, um damit Akkorde und Kadenzen hervorzubringen, die eine emotional-soziale Haltung ausdrücken, so etwa gelinde Herablassung oder intensive Beschwichtigung und dergleichen. Für jedes der Instrumente hat sich der Autor einen Namen, eine Konstruktion und einen Ausdruck einfallen lassen, die er alle häufig in Fußnoten beschreibt.

Mit diesen vier Grundthemen wird die Novelle zu einer bereichernden Leseerfahrung, egal ob man nun SF mag oder nicht.

_Die Übersetzung_

Ich konnte keine Druckfehler fehlen. Das belegt den hohen Qualitätsanspruch, den der Herausgeber Wolfgang Jeschke mit dieser Reihe einzulösen versuchte.

_Unterm Strich_

Von diesen drei klassischen Novellen kannte ich bislang „Die Mondmotte“ von Jack Vance. Es ist eine klassische Agentenstory vor einem unglaublich detailliert ausgedachten Kulturhintergrund, wie er für Vances Planetenabenteuer typisch ist (auch für seine von mir komplett rezensierte Dämonenprinz-Serie).

In meinen Augen ist „Die Mondmotte“ nicht nur der spannende, sondern auch humorvoll-ironische Höhepunkt dieses Bandes. Denn „unser Mann auf Sirene“ ist alles andere als ein Held, sondern vielmehr ein Überlebenskünstler. Der Handelsfahrer Vance kannte sich mit fremden Häfen und ihren fremdartigen Sitten bestens aus. Und seine Schiffe wurden im Verlauf des Zweiten Weltkrieg zweimal versenkt.

„Verborgen“ ist im Gegensatz dazu eine psychologische Entdeckungsreise. In einer Vorwegnahme des „Inner space“ der New-Wave-Science-Fiction der sechziger Jahre führt uns die Autorin Shiras in Denken und Fühlen eines jungen Mutanten ein. Mutantengeschichten waren nach dem Fall der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki groß in Mode, und Shiras machte keine Ausnahme. Aber der Darwin’sche Mechanismus der Mutation kann sowohl Fluch als auch Segen sein – es kommt drauf, was man draus macht, und Timothy Paul hat Erfolg. Aber nur im Verborgenen, was einiges über die ihn umgebende Gesellschaft aussagt.

Auch „Das Zeitkino“ über Gesellschaftskritik, allerdings in einem globalen und historischen Maßstab. Kein Wunder, dass der Autor einer ganzen Menge Leute auf die Zehen trat, als er in Frage zu stellen wagte, ob der angeblich gönnerhafte Patriotismus der Waffenproduzenten wirklich so altruistisch so war, wie es die Propaganda erzählte – und das gleiche galt für die Helden von Krieg und Revolution, nicht nur in den US, sondern auch in Frankreich.

Selbst für Kenner der Sciencefiction bietet dieser Band noch Gelegenheit zu Entdeckungen wichtiger Erzählungen, die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden und das Genre beeinflussten. „Die Mondmotte“ ist im Gegensatz dazu ein Evergreen, die in keiner Auswahl klassischer SF der Jahre von 1958 bis 1962 fehlen darf.

|Taschenbuch: 160 Seiten
Originaltitel: Science Fiction Hall of Fame Band 2B, 1973
Aus dem US-Englischen von Heinz Nagel|
[www.heyne.de]http://www.heyne.de

_Die |Titan|-Reihe bei Buchwurm.info:_
[„Titan-1“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4724
[„Titan-2“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7346
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[„Titan-13“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4538
[„Titan-14“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7348
[„Titan-15“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4538
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[„Titan-18“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4538
[„Titan-19“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4538
[„Titan-20“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4538

Jeschke, Wolfgang; Bova, Ben (Hrsg.) – Titan-14

_Classic SF: Das Ende des Konsumterrors und andere heitere Anlässe_

Die Großen der Sciencefiction wird mit ihren Meisterwerken bereits in der sogenannten „Sciencefiction Hall of Fame“ verewigt, welche natürlich in Buchform veröffentlicht wurde (statt sie in Granit zu meißeln). Daher können Freunde dieses Genres noch heute die ersten und wichtigsten Errungenschaften in der Entwicklung eines Genres nachlesen und begutachten, das inzwischen die ganze Welt erobert und zahlreiche Medien durchdrungen hat.

In der vorliegenden Ausgabe des Auswahlbandes Nr. 14 von „Titan“, der deutschen Ausgabe der „SF Hall of Fame“, sind Novellen von Frederik Pohl, James H. Schmitz und Theodore Cogswell gesammelt.

Die Kriterien der deutschen Bände waren nicht Novität um jeden Preis, sondern vielmehr Qualität und bibliophile Rarität, denn TITAN sollte in der Heyne-Reihe „Science Fiction Classics“ erscheinen. Folglich konnten Erzählungen enthalten sein, die schon einmal in Deutschland woanders erschienen waren, aber zumeist nicht mehr greifbar waren. TITAN sollte nach dem Willen des deutschen Herausgebers Wolfgang Jeschke ausschließlich Erzählungen in ungekürzter Fassung und sorgfältiger Neuübersetzung enthalten. Mithin war TITAN von vornherein etwas für Sammler und Kenner, aber auch für alle, die Spaß an einer gut erzählten phantastischen Geschichte haben.

_Die Herausgeber _

1) Wolfgang Jeschke, geboren 1936 in Tetschen, Tschechei, wuchs in Asperg bei Ludwigsburg auf und studierte Anglistik, Germanistik sowie Philosophie in München. Nach Verlagsredaktionsjobs wurde er 1969-1971 Herausgeber der Reihe „Sciencefiction für Kenner“ im Kichtenberg Verlag, ab 1973 Mitherausgeber und ab 1977 alleiniger Herausgeber der bis 2001 einflussreichsten deutschen Sciencefiction-Reihe Deutschlands beim Heyne Verlag, München. Von 1977 bis 2001/02 gab er regelmäßig Anthologien – insgesamt über 400 – heraus, darunter die Einzigen mit gesamteuropäischen Autoren.

Seit 1955 veröffentlicht er eigene Arbeiten, die in ganz Europa übersetzt und z.T. für den Rundfunk bearbeitet wurden. Er schrieb mehrere Hörspiele, darunter „Sibyllen im Herkules oder Instant Biester“ (1986). Seine erster Roman ist „Der letzte Tag der Schöpfung“ (1981) befasst sich wie viele seiner Erzählungen mit Zeitreise und der Möglichkeit eines alternativen Geschichtsverlaufs. Sehr empfehlenswert ist auch die Novelle „Osiris Land“ (1982 und 1986). Eine seiner Storysammlungen trägt den Titel „Schlechte Nachrichten aus dem Vatikan“.

2) Ben Bova, Jahrgang 1932, ist schon über 70 und ein verdammt erfahrener Bursche. 1956 bis 1971 arbeitete er als technischer Redakteur für die NASA und ein Forschungslabor, bevor er die Nachfolge des bekanntesten Sciencefiction-Herausgebers aller Zeiten antreten durfte, die von John W. Campbell. Campbell war die Grundlage für das „Goldene Zeitalter der Scienc Ffiction“, indem er mit seinem Magazin „Analog Science Fiction“ jungen Autoren wie Asimov, Heinlein, van Vogt und anderen ein Forum gab. Hier entstand der „Foundation“-Zyklus und andere Future History-Zyklen.

Für seine Herausgeberschaft von Analog wurde Bova sechsmal (von 1973-79) mit einem der beiden wichtigsten Preise der Sciencefiction ausgezeichnet, dem Hugo Gernsback Award. Von 1978-82 gab er das Technik & Fiction-Magazin „Omni“ heraus. 1990-92 sprach er für alle Sciencefiction-Autoren Amerikas in seiner Eigenschaft als Präsident des Berufsvereinigung. Seit 1959 hat er eigene Bücher veröffentlicht, die sich oftmals an ein jugendliches Publikum richten, darunter die Kinsman- und Exiles-Zyklen.

Ebenso wie Robert Heinlein und Larry Niven ist Bova ein Verfechter der Idee, dass die Menschheit den Raum erobern muss, um überleben zu können. Und dies wird nur dann geschehen, wenn sich die Regierung zurückzieht und die Wirtschaft den Job übernimmt. Der Brite Stephen Baxter hat in seiner Multiversum-Trilogie diese Idee aufgegriffen und weiterentwickelt.

1992 begann Bova mit der Veröffentlichung seines bislang ehrgeizigsten Projekts: die Eroberung des Sonnensystems in möglichst detaillierter und doch abenteuerlicher Erzählform.

_Die Erzählungen_

_1) James H. Schmitz: „Die Hexen von Karres“ („The Witches of Karres“, 1949)_

Der Handelskapitän Pausert kommt von dem etwa provinziellen und sittenstrengen Planeten Nikkeldepain, aber wenn er mit seiner Handelsladung auf der imperialen Welt Porlumma Erfolg hat, darf er sich Hoffnungen machen, die Hand seiner Verlobten Illyla, der Tochter seines Geldgebers Rat Onswud, zu bekommen. Er sei denn, Rat Rapport, sein Rivale, käme ihm zuvor.

Da die Geschäfte auf Porlumma bestens gelaufen sind, begibt sich Pausert gutgelaunt vom Kneipenviertel zum Raumhaufen. Leider gerät er dabei in einige dunklen Seitengassen, wo sich sein Schicksal wandelt. Er gerät in den Streit zwischen Bäcker Bruth und seiner Sklavin Maleen. Weil sie wesentlich kleiner und schwächer aussieht, ergreift Pausert sofort für sie Partei und rettet sie vor dem Unhold. Das Gericht sieht die Sache jedoch etwas anders und will ihn zu Knast verdonnern. Es sei denn, er kaufe Maleen frei. Auch wenn ihn das einiges von seinem Gewinn kostet, lässt sich pausert das nicht zweimal sagen.

Maleen dankt ihm und besteht darauf, ihre beiden Schicksalsgenossinnen Goth und die Leewit freizukaufen. Erstaunlicherweise sind deren Besitzer froh, sie loszuwerden – gegen einen kleinen Obolus, versteht sich. Bevor Pausert nach Hause fliegen kann, will er die drei kinderartigen Mädchen zu ihrer Heimatwelt Karres zurückbringen. Denn Sklaven zu kaufen, ist auf Nikkeldepain streng verboten.

Auf dem Flug bemerkt er, dass sie über bemerkenswerte Fähigkeiten verfügen. Maleen hat die Gabe der Vorahnung und sieht (wieder mal Ärger) für Pausert voraus. Die Leewit kann durch Pfeifen jede Art von Kristall oder Getöpfertem zerspringen lassen. Goth schließlich teleportiert alles, was sie haben will. Zum Beispiel die Juwelen ihres Vorbesitzers ….

Zusammen bewerkstelligen die drei magiebegabten Mädchen, die von manchen als „Hexen“ bezeichnet werden, eine neue Art von Raumantrieb. Sie nennen das aus Draht und Magie gebaute Ding „Sheewash“. Es versetzt Pauserts alten Piratenjäger „Venture 7333“ auf einen Schlag um Lichtjahre weiter, verlangt der Hexe aber auch alle Körperenergie ab. Folglich futtern die drei Girls nach solch einem Stunt immer wie die Scheunendrescher.

Karres, von die Girls entführt wurden, ist eine grüne Welt voller Wälder und erstaunlich weniger Leute, findet Pausert. Aber Maleens Mutter empfängt ihn sehr freundlich und verköstigt ihn drei Wochen lang, die wie im Flug vergehen. Erst dann fällt ihm wieder ein, dass ja zu Hause eine Verlobte auf ihn wartet. Zum Abschied bekommt er jede Menge Kostbarkeiten geschenkt. Leider sind sie auf Nikkeldepain alle unverkäuflich, wie Pausert weiß.

Nikkeldepain ist so streng wie eh und je und schickt statt des Zollboots gleich die Cops. Mit an Bord des Polizeikreuzers sind aber auch Illyla, ihr Vater und der Rivale Rapport. Sechs Anklagen wegen diverser hat Pausert zu gewärtigen, doch das ist nicht das Schlimmste: Illyla hat gleich nach seiner Abreise den Rivalen geheiratet! Pausert zückt seine Pistole und jagt alle von Bord. Soll sie der Teufel holen!

Um den anderen Polizeikreuzern zu entgehen, ist allerdings der Sheewash-Antrieb nötig. Gut also, dass sich die kleine Hexe Goth an Bord teleportiert hat. Und sie hat eine große Bitte: Ihre Welt Karres ist verschwunden und muss dringend wiedergefunden werden. Außerdem werde sie in nur vier Jahren erwachsen und suche noch einen Mann …

|Mein Eindruck|

Der einzige Grund, warum Ben Bova diese Erzählung in die Ruhmeshalle der (amerikanischen) Sciencefiction aufgenommen haben kann, ist die Verbindung aus dem SF-Hintergrund der bemannten Raumfahrt und dem Fantasy-Hintergrund von magiebegabten Frauen, sogenannten Hexen. Die magischen Girls sind auch wirklich nett, neigen allerdings zu allerlei Schabernack. Und sobald sich der etwas provinzielle und verknöcherte Kapitän Pausert seiner Vorurteile gegenüber fremden Rassen entledigt hat, kommen die Mädels auch als Heiratskandidatinnen in Frage.

Alles andere jedoch ist völlig abgedroschen. Die Planetenabenteuer von Handelskapitänen sind ebenso Legion wie ihre Begegnungen mit exotischen Frauen, von denen die meisten die jeweils aktuellen Klischees erfüllen. Auch von Spannung lässt sich wenig finden, jedenfalls nicht im heutigen Sinne. Die exotischen Abenteuer der Pulp Fiction verlangen nach Raumgefechten, diversen Diebstählen und einem Entkommen in letzter Sekunde.

Für die fremde Welt Karres, wo sich der Erdling wie selbstverständlich besten Klimas erfreut (als müssten alle Welten erdähnlich sein), hat sich kein spannender Plot finden lassen, etwa eine Jagd auf Großraubtiere, bei der sich der Held hätte bewähren können. Stattdessen trinkt er Tee, raucht Pfeife und liest ein Buch über die „alte Jerde“. Gerade so, als mache er Urlaub in der Südsee, sodass nur noch die Hula-Mädchen fehlen.

In der Tat: Das einzige Element, das der Story Würze verleiht, sind die Gegensätze zwischen der puritanischen Provinz Nikkeldepain, die für die Nachkriegs-USA steht, und die Exotik, für die Karres und seine magiebegabten Bewohnerinnen stehen. Nachträglich liefert der Autor noch einen Grund, warum sich der Held, ein wahrer Jedermann, für Karres entscheidet: Sein Großonkel Threbus ist der Vater von Goth. Folglich sind er und das Mädel seines Herzens sogar verwandt!

Die Romanfassung von „Die Hexen von Karres“ erschien 1966 und ist wie die Story eine Space Opera. Zum Glück hat Schmitz mehrfach Psi- und magiebegabte Frauen als Protagonistinnen verwendet und so die SF der sechziger Jahre wirklich weitergebracht.

_2) Frederik Pohl: „Die Midas-Seuche“ („The Midas Plague“, 1954)_

Morey Fry heiratet Cherry, die Tochter von Richter Elon, der vier Klassen über ihm steht, und ist verständlicherweise selig. Zumindest bis zu dem Tag, an dem sie sich tränenreich beschwert, dass ihr all der Konsum zuviel ist. „Können wir nicht einfach zu Hause einen schönen Abend verbringen, statt in die Oper zu gehen, Liebling?“ Morey wird angst und bange, denn mit dieser Einstellung kämen sie in Teufels Küche – und in eine noch tiefere Klasse! Wie sollen sie denn ihre Konsumrationierungsmarken aufbrauchen, wenn nicht durch fleißiges Konsumieren? All die guten Dinge, die die Roboter herstellen, müssen doch auch verbraucht werden, oder? Und dann ist da noch der Konsumrationierungsausschuss (KRA), der darüber wacht, dass auch jeder genügend – seiner Klasse entsprechend – konsumiert.

Doch das noch fleißigere Essen hilft nichts – er bekommt einen Anpfiff von seinem Chef, dem der KRA seine Bemängelung von Moreys Konsumverhalten schon mitgeteilt hat. Morey muss sich etwas einfallen lassen. Aber er will auch nicht auf die schiefe Bahn geraten und irgendwelche gefälschten Rationierungsmarken kaufen oder so. Gute Güte! Als Cherry dies aus Barmherzigkeit tut, wird er richtig wütend.

Zum Glück gerät er – eher unfreiwillig – in die Bar, wo die Bigelows ihn darüber aufklären, dass die Roboter nichts Gutes seien, sondern den Menschen die Arbeit wegnähmen. Morey findet das Ehepaar Bigelow etwas exzentrisch, aber mit jedem Drink, den er auf Kosten ihres Rationsmarkenhefts trinkt, sympathischer. Schließlich ist er derartig abgefüllt, dass er nicht mehr weiß, wie er nach Hause gekommen ist und was er dort gemacht hat.

Wenige Tage später bekommt er ein Lob von seinem Chef: Morey wird in die Top-Klasse befördert und kann sich nun endlich ein kleineres Haus leisten. Cherry ist außer sich vor Freude und Stolz auf ihn, aber er weiß nicht so recht, womit er das verdient hat. Erst als ihm sein Leibdiener Henry berichtet, dass der Schnaps ausgegangen sei, schwant ihm, dass in seinem eigenen Haus etwas nicht ganz in Ordnung ist …

|Mein Eindruck|

Der frühere Kommunist Pohl schildert in seiner humorvollen Satire eine Konsumgesellschaft, in der das Vorrecht auf Konsum und Luxus, wie es in den 1950er Jahren in den USA entstand, in sein Gegenteil verkehrt worden ist: in Konsumzwang und -terror. Die Menschen haben das Recht zu arbeiten erst zu erwerben, denn alle Arbeit wird schließlich von Robotern erledigt, ebenso jede Art von Produktion. Die Ressourcen der Erde werden dafür restlos ausgebeutet.

Damit die Produktion überhaupt sinnvoll erscheint, muss am anderen Ende der Versorgungslinie entsprechend viel konsumiert werden. So lautet zumindest die verquere Logik der herrschenden Klasse – die durchaus einiges für sich hat, wenn man sich den Sinn und Zweck von Werbung und Vermarktung näher anschaut.

Moreys im Suff begangene „revolutionäre Heldentat“ besteht nun darin, die Roboter in seinem Heim auch gleich zu den Konsumenten gemacht zu haben. So ist der Kreislauf geschlossen: Roboter produzieren und konsumieren, während sich die Menschen zufrieden zurücklehnen können: Wenn sie etwas brauchen sollten, dann leisten sie sich nur, was sie benötigen. Cherry ist wieder happy und Morey ist der Held des neuen Zeitalters. „Ach wie gut, dass niemand weiß“, dass ihm die Idee dazu im Suff gekommen ist.

_3) Theodore Cogswell: „Der Generalinspekteur kommt“ („The Spectre General“, 1952)_

Das alte kaiserliche Sternenreich ist inzwischen vom Galaktischen Protektorat abgelöst worden, aber dieser Wandel hat sich noch nicht bis zum 427. Instandhaltungsbataillon herumgesprochen. Hier sind 5000 ausgebildete Techniker, die keinerlei Maschinen haben und den Pflug selbst ziehen müssen. Ausgestattet mit Kopfschmuck, Kriegsbemalung und Tomahawk geben sie dennoch ein schmuckes Bild ab.

Kurt Dixon wurde soeben von Oberst Harris zum Leutnant ernannt, als er sich auch schon vor Oberst Blick, der Oberst Harris kurzerhand absetzt, verstecken muss. In der alten Waffenkammer findet er das optimale Versteck: einen gepanzerten Raumanzug. Allerdings kriegt er ihn nicht mehr auf und drückt die falschen Knöpfe – ab geht die Post!

Ein Aufklärer des Protektorats fischt ihn 600.000 km über der Planetenoberfläche auf. Der Aufklärer sucht eigentlich einen abtrünnigen Kommandanten, doch seine Maschinen versagen der Reihe nach, weil niemand auf seinem Stützpunkt noch die nötigen technischen Kenntnisse besitzt. Als nun der Techniker Kurt Dixon an Bord kommt, gibt es für ihn jede Menge an Bord zu tun. Der Pilot beschließt, dass er sich diesen Wunderknaben nicht so schnell wieder abluchsen lässt, und bringt ihn zum Flottenkommandanten Krogson.

Wie der kleine Aufklärer hat auch die Flotte ihre besten Tage längst hinter sich. Die Dechiffriermaschine pfeift auf dem letzten Loch, und die Feuerleitzentrale gehorcht nicht mehr. Auch hier sieht Dixon, dass es für ihn eine Menge zu tun gibt. Als ihm Krogson erlaubt, die Feuerleitzentrale zu reparieren, tut er dies so, dass ein Tastendruck genügt, damit die Flotte sich selbst in die Luft sprengt. Kein Schlachtschiff soll sein Bataillon vernichten!

Er verlangt Oberst Harris zu sprechen, und nach einer Weile kann dieser mit Dixon und Krogson sprechen. Da Angriff keine Option mehr für die Flotte ist, könnten die Mannschaften doch landen, oder? Leider nein, meint Harrris, denn er könnte 50.000 Mann weder verköstigen noch ihnen trauen. Da kommt die Nachricht von einem Putsch auf der Zentralwelt des Protektorats: Krogson werde jetzt per Haftbefehl gesucht. Es gibt also kein Zurück.

Aber es gibt wieder eine Zukunft für die Flotte – wenn sie sich dem Kaiserreich anschließt. Und so kommt es, dass Krogson als Generalinspekteur der Kaiserlichen Raumflotte auf dem Stützpunkt des 427. Bataillons landet. Und wer weiß, wohin ihn sein Weg noch führen könnte?

|Mein Eindruck|

Diese Novelle war Cogwells erste Veröffentlichung im SF-Genre und gleich ein Erfolg. Da er im Spanischen Bürgerkrieg sowie im 2. Weltkrieg beim Militär war, kannte er sich bestens mit den Narrheiten in den Rängen des Barras aus. Die Offiziere sehen auf die Soldaten herab und sägen einander am jeweiligen Stuhl. Dabei haben sie keinen blassen Schimmer von Technik, sondern sind auf die entsprechenden Soldaten angewiesen.

Andererseits zeigt die humorvolle Erzählung, dass sich die Geschichte gewissermaßen in Zyklen bewegt. Das Kaiserreich ist tot, aber nicht ganz. Doch das Protektorat liegt bereits in den letzten Zügen, weil sich die Kommandanten untereinander bekämpfen. lang lebe also das Kaiserreich – zumindest bis zum nächsten Zyklus.

Ein paar nette Details unterfüttern die Parodie. Da sind die indianische Aufmachung der imperialen Techniker, komplett Tomahawks für die Duelle. Man kann sie keineswegs ernstnehmen. Aber auch die Leute vom Protektorat sind Pappkameraden. Diese Sowjetmenschen mögen über die großen Kanonen verfügen, doch ihre eigene bürokratische Befehlsstruktur wird ihnen zum Verhängnis. Erst wenn sich die Kaiserlichen mit den verbannten Protektoratsleuten zusammentun, wird eine dritte Macht geschaffen, der die Zukunft gehört.

_Die Übersetzung _

Ich konnte keine Druckfehler finden. Das belegt den hohen Qualitätsanspruch, den der Herausgeber Wolfgang Jeschke mit dieser Reihe einzulösen versuchte. Aber wie so häufig bei diesen frühen Übersetzungen wird der Begriff „Radio“ einfach mit „Funk“ und „Funkgerät“ gleichgesetzt. Es handelt sich also nicht um einen Funkempfänger, sondern stets auch um einen Sender – oder gleich um die ganze Funktechnik.

_Unterm Strich_

In erstaunlicher Einhelligkeit ziehen die drei Novellen auf humorvolle Weise diverse Phänomene durch den Kakao. Man ist versucht, von einem Fun & Play-Auswahlband zu sprechen – ein würdiger Abschluss des zweiten Hall-of-Fame-Bandes.

Da wären zunächst die drei jungen, unartigen Hexen, die den braven Handelskapitän zu einem recht unbürgerlichen Sinnes- und Lebenswandel verhelfen. Während er sein puritanisch-engstirniges Zuhause (und die einstige Verlobte) zurücklässt, lässt er sich auf dem idyllisch-magischen Planeten der Magie nieder. Wer da nicht gleich an „Avatar“ erinnert wird, der kennt die amerikanische Seele nicht. Die Sehnsucht nach Magie, Wildnis und Entdeckung ist so stark wie eh und je. Bemerkenswert ist die dominante Rolle der Frauen in diesem Szenario.

In Fred Pohls Satire auf die Konsumgesellschaft wird der Konsumterror, der in den 1950er Jahren entstand und durch das Fernsehen geschürt wurde, auf die Schippe genommen. Gleichzeitig bietet der kommunistische Autor eine satirische Lösung des Problems an: Die Werktätigen dürfen bzw. müssen die Früchte ihrer Produktivkraft selbst genießen. Frei nach Marx.

Die dritte Novelle nimmt die närrischen Gepflogenheiten des Militärs auf die Schippe, zeigt aber auch auf, wie zyklisch und selbstzerstörerisch die vom Militär bestimmte Geschichtsepoche ist. Klarer Fall: Wer nichts produziert, sondern nur verbraucht, wird irgendwann selbst sein eigenes Opfer – die Maschinen fallen auseinander. Dabei sind die technisch fortschrittlichen Kaiserlichen alles andere als ein Vorbild: Mangels Maschinen müssen die Hochgebildeten selbst den Pflug ziehen.

Dass diese Parodien und Satiren heute nur noch ein müdes Lächeln hervorrufen dürften, liegt auf der Hand. Deshalb bieten sie vor allem dem Kenner des Genres, seinen Traditionen und Klischees ein besonderes Vergnügen. Hier wurden seinerzeit Klischees und Tabus gebrochen. Doch wenn die „Ruhmeshalle der SF“ nur aus solchen Storys bestünde, wäre es schlecht um sie bestellt.

|Taschenbuch: 173 Seiten
Originaltitel: Science Fiction Hall of Fame Band 2B, 1973
Aus dem US-Englischen von Heinz Nagel|
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