Interview mit Christoph Marzi (11/2010)

_Buchwurm.info:_
Hallo, Herr Marzi, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, uns ein paar Fragen zu beantworten. Würden Sie sich unseren Lesern kurz vorstellen? Wie ist der Mensch Christoph Marzi?

_Christoph Marzi:_
Ich bin 40 Jahre alt, 1,94 m groß – ach ja, und denke mir Geschichten aus, von denen manche zu Romanen werden und andere zu Kurzgeschichten. Die Beurteilung meiner Person überlasse ich aber lieber anderen Menschen.

_Buchwurm.info:_
Welchen Interessen und Hobbys widmen Sie sich in Ihrer Freizeit?

_Christoph Marzi:_
Ich schreibe Geschichten. Ich lese viel. Ich liebe Filme. Ansonsten führe ich ein ganz normales reales Leben fernab des Internets. Ach ja, seit einem halben Jahr habe ich Yoga für mich entdeckt. Allerdings würde ich das nicht als Hobby bezeichnen.

_Buchwurm.info:_
Wie kamen sie zum Schreiben, gab es da einen bestimmten Auslöser?

_Christoph Marzi:_
Einen direkten Auslöser gab es keinen. Ich habe irgendwann – genau genommen: im Alter von ca. 15 Jahren – einfach damit begonnen, die Geschichten aufzuschreiben, die ich mir bis zu diesem Zeitpunkt nur ausgedacht hatte. Ich weiß, dass das alles ein wenig unspektakulär klingt, aber am Ende ist es genau so passiert.

_Buchwurm.info:_
Wie teilen Sie sich Ihre Zeit zum Schreiben ein, und haben Sie dabei bestimmte Vorlieben?

_Christoph Marzi:_
Ich schreibe, wann immer ich die Zeit dazu finde. Wichtig ist mir, beim Schreiben Musik zu hören. Ich schreibe niemals, ohne das passende Musikstück als Begleitung zu haben. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz.

_Buchwurm.info:_
„Grimm“ ist ja wie „Heaven“ ein Jugendroman. Ist das Schreiben eines Jugendromans leichter oder schwerer als für die Zielgruppe der Erwachsenen–Fantasy? Was reizt Sie an der Fantasy insgesamt?

_Christoph Marzi:_
Wenn ich mich einer Geschichte widme, dann denke ich nicht unbedingt an diese Art der Einteilung. Ich mag dieses Schubladendenken nicht wirklich. Ich glaube vielmehr, dass die Grenzen diesbezüglich fließend sind – und sieht man von Romanen wie „Lyra“ oder „Fabula“ ab, die eindeutig für eine erwachsene Leserschaft gedacht waren, können die Geschichten in jedem Alter gelesen werden. Die Geschichte bestimmt immer der Tonfall, in dem sie erzählt wird. Für mich gibt es keinen Unterschied, erst recht keinen, der sich als „schwieriger“ oder „einfacher“ umschreiben ließe. Dass die Geschichten meist einen phantastischen Hintergrund haben, ergibt sich einfach. Es sind nun einmal diese Geschichten, die ich gerne schreibe, das ist alles. Insofern kehre ich intuitiv in diese Gefilde zurück. Warum? Fragen Sie nicht …

_Buchwurm.info:_
Wie lange haben Sie zum Schreiben für den aktuellen Roman „Grimm“ gebraucht?

_Christoph Marzi:_
Die reine Arbeit am Text hat ca. acht Wochen in Anspruch genommen. Dazu kommt aber natürlich die gesamte „Vorarbeit“, das „Herantasten“ an die Geschichte, die Recherche, all die Dinge, die eine Geschichte greifbar werden lassen. Man muss mit den Charakteren vertraut werden, muss sie kennenlernen. Und dann gibt es natürlich noch die Bearbeitung der ersten Manuskriptfassung. Die Bearbeitung dieser Überarbeitung. Plus das Lektorat. Und einige Pausen, in denen andere Dinge entstanden sind. Sie sehen also, man kann das zeitlich nicht so genau festlegen.

_Buchwurm.info:_
Was hat Sie zu „Grimm“ inspiriert?

_Christoph Marzi:_
Die alte Frage: „Was wäre, wenn …“ – Was wäre, wenn die Geschichten von einst gar keine Geschichten gewesen wären, sondern Wirklichkeit? Was wäre, wenn die Brüder Grimm einige seltsame Dinge getan hätten? Was wäre, wenn nichts mehr so sein würde, wie wir es kennen?

_Buchwurm.info:_
Würden Sie uns etwas über den Roman „Grimm“ erzählen?

_Christoph Marzi:_
Um möglichst geheimnisvoll zu klingen: Es geht darum, dass die Märchen, die wir als Kinder gehört haben, erneut zum Leben erwachen. Alle Kinder fallen in einen tiefen Schlaf. Wölfe und andere Gestalten tauchen auf. Und die siebzehnjährige Vesper Gold befindet sich plötzlich in einer Geschichte, die wie ein böser Traum anmutet. Neugierig geworden? Ich hoffe doch …

_Buchwurm.info:_
Wie zufrieden sind sie bisher mit dem Erfolg Ihrer Romane? Gab es Leserstimmen, die Sie besonders gefreut haben?

_Christoph Marzi:_
Ich schätze mich wirklich sehr glücklich, in den vergangenen Jahren eine treue Leserschaft gefunden zu haben. Was kann man sich Schöneres wünschen?! Und es ist jedes Mal ein aufregendes Gefühl herauszufinden, wie ein Roman oder eine Kurzgeschichte aufgenommen wird.

_Buchwurm.info:_
Was haben die Leser zukünftig zu erwarten, wird es eventuell Fortsetzungen zur uralten Metropole, „Heaven“ oder „Grimm“ geben? Oder schwebt Ihnen etwas Neues vor?

_Christoph Marzi:_
Derzeit arbeite ich an einem Roman, der in einem London spielt, das der Stadt, die einst einen Teil ihres Himmels verloren hatte, sehr ähnlich sieht. Danach werde ich mich einem völlig neuen Roman widmen. Eine Rückkehr in die uralte Metropole ist erst einmal nicht geplant. Aber man sollte ja niemals nie sagen …

_Buchwurm.info:_
Vielen Dank das Sie sich die Zeit genommen haben!

_Christoph Marzi:_
Vielen Dank für Ihr Interesse.

_Christoph Marzi auf |Buchwurm.info|:_

Interview: [»Man sollte Geheimnisse nur in Gedanken flüstern«]http://buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=90
[„Lycidas“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1081
[„Lilith“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2070
[„Lumen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3036
[„Malfuria“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3398
[„Malfuria – Die Hüterin der Nebelsteine“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4167
[„Fabula“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4503
[„Somnia“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5446
[„Grimm“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6748

_Nadine Warnke_ für |Buchwurm.info|

Brett, Peter V. – Flüstern der Nacht, Das

Letztes Jahr erschien im |Heyne|-Verlag der Debütroman von Peter V. Brett – [„Das Lied der Dunkelheit“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5791 – und der Autor feierte damit weltweit einen fulminanten Erfolg. Im Genre Fantasy angesiedelt, überzeugte „Das Lied der Dunkelheit“ durch eine spannende Geschichte voller Dramatik und tiefgreifender Charaktere, die sich im Laufe der Handlung weiterentwickelten. So weit, so gut – die Serie ist laut Autor auf fünf Bände ausgelegt.

Wie in vielen Fantasy-Romanen tauchen hier fantastische Wesen auf, die die menschliche Welt bedrohen, doch Peter V. Brett geht neue Wege. Das „Böse“ sind hier die Dämonen der Nacht. Wesen, die das Tageslicht scheuen wie der Teufel das Weihwasser und nach Sonnenuntergang an die Oberfläche gelangen, um mit todbringender Gewalt die Menschen zu terrorisieren, die im Laufe der Jahrhunderte vergessen haben, wie man diese Dämonen bekämpft. Vielleicht wurden ihnen auch diese Mittel genommen. Alles, was ihnen noch nutzen kann, sind magische Verteidigungssiegel, deren Grenzen die Dämonen nicht überschreiten können. Die Dämonen sind vielfältig und den Elementen gleichgesetzt. Es gibt Wind-, Feuer, Stein- und Baumdämonen, und auch die Größe und Bösartigkeit variiert unter ihnen.

Arlen Strohballen, der Held dieser Reihe, verliert in einer schicksalhaften Nacht seine Mutter. Sein Vater, gelähmt vor Angst, findet keine Möglichkeit, seine Frau zu retten. Schwer verletzt gelingt es Arlen, sie hinter den Schutz der Siegel zu retten, doch die Verletzungen sind zu schwer, und so stirbt sie. Arlen, beschämt und wütend über die Feigheit seines Vaters, bricht auf, um einen Weg zu finden, die Dämonen auf immer zu vernichten.

Nach einigen Jahren und unterschiedlichen beruflichen Stationen findet der junge Mann in den Ruinen vergangener Zeiten einen Speer, der mit Kampfsiegeln versehen ist. Im Laufe der Zeit findet er in Ruinen und Bibliotheken wahre Schätze. Aber nicht nach Reichtum strebend, ist er weiterhin getrieben von Rachegedanken und besessen von weiteren Möglichkeiten, die Dämonen zu bekämpfen.

Nach einiger Zeit gibt es Gerüchte in den kleinen Herzogtümern und Regionen darüber, dass der „Erlöser“ wiedergekommen wäre, und er würde mit bloßen Händen die Geschöpfe der Nacht bekämpfen. Gehüllt in einen dunklen Umhang und am ganzen Körper mit Kampfsiegeln tätowiert, ist Arlen, den man nun den „tätowierten Mann“ nennt, eine große Hoffnung auf ein ungestörtes Leben …

„Das Flüstern der Nacht“ ist der zweite Teil aus der Serie und ebenfalls erschienen im |Heyne|-Verlag. Die Handlung konzentriert sich nun auf eine innere Bedrohung, die nicht von den Dämonen ausgeht.

_Inhalt_

In Krasia, weit entfernt von den anderen Herzogtümern, haben die dortigen Menschen gelernt, die Dämonen zu bekämpfen. Doch ist es die vielen Opfer wert? Die Krasianer sind hauptsächlich Krieger, und in strengen sozialen Kasten leben sie inmitten der Wüste. Im Kampf gegen die Dämonen zu sterben, ist für die Krieger absolut akzeptabel, und wirkliche Angst vor dem Tod kennen sie nicht – höchstens vor der Schande, versagt zu haben. Doch die Dämonen sind nicht die einzigen Feinde, denn selbst in den Mauern der Stadt beherrschen gefährliche Intrigen um den Thron und die Macht innerhalb des kleinen Wüstenstaates.

Auch Jardir kämpft des Nachts gegen die Dämonen. Schon von Kindheit an war seine Kampfausbildung von Folter und Qual geprägt. Und nun steigt er in der Hierarchie zum Krieger auf. Seine Laufbahn ist mitunter eine Berg- und Talfahrt, doch protegiert durch eine geheimnisvolle Frau und unterstützt selbst von seinen erbitterten Feinden, raunen bereits viele, er sei der langersehnte Erlöser. Nach und nach wird er zum religiösen Führer der Krasianer und seine Pläne gehen über die Staatsgrenzen weit hinaus. Um den Kreuzzug gegen die Horclinge (Dämonen) um jeden Preis weiter zu intensivieren – auch der Verlust von Kriegern ist für den geistigen Anführer nur Mittel zum Zweck – erwägt er, die kleineren Herzogtümer zu erobern. Mit viel Widerstand rechnet er nicht.

Als er den Krieg beginnt und die ersten Herzogtümer fallen, stößt er allerdings doch auf Widerstand, und noch überraschter ist Jardir, als er gesagt bekommt, dass es einen tätowierten Mann gibt, der auch als „Erlöser“ gilt. Jardir wird später klar, dass es nur Arlen sein kann, sein Freund, sein „Bruder im Geiste“, den er vor Jahren hilflos in der Wüste ausgesetzt hat, um an den Speer zu kommen …

Es wird die Zeit kommen, in der sich die Wege der beiden wieder kreuzen, und nur einer wird überleben …

_Kritik_

Peter V. Brett übernimmt in seinem zweiten Roman um Arlen die politischen Machtkämpfe innerhalb und außerhalb eines Staates in seine Handlung. Und das macht er außerordentlich gekonnt, als hätte er nie etwas anderes geschrieben. Analysiert man zudem die Handlung, so stellt sich dem Leser eine sozialkritische Gesellschaftsstudie dar, und auch die religiösen Machtspielchen sind fester Bestandteil der Erzählung. Bei so vielen unterschiedlichen Komponenten verliert der Leser allerdings niemals den Bezug zur Handlung.

Die Figurenzeichnung ist mustergültig. Vielfältig und auch abwechslungsreich geht es zu in „Das Flüstern der Nacht“. Auch wenn es sich im Roman meistens um Jardir dreht, wird auch Arlen ausreichend zur Wort kommen. Beide sind charakterlich stark und dennoch verloren und manchmal Spielbälle von Intrigen und Interessen, die schwerer zu bekämpfen sind als die Dämonen der Dunkelheit. Jardir beispielsweise kämpft immer an verschiedenen Fronten, und auch die Frauen in seiner Umgebung kämpfen nicht nur mit den Waffen einer Frau um ihn, sondern auch mit allen Mitteln und Waffen, die sie gerade zur Hand haben.

Doch die Ränke sind nicht alles im Roman. Wie schon in „Das Lied der Dunkelheit“, geht es auch hier actionreich zu, mit wilden Kämpfen, denen sich jeder Protagonist stellen muss. Das Niveau der Geschichte hat ebenso wie der Spannungsaufbau positiv entwickelt. Damit ist der vorliegende zweite Teil noch besser und vor allem intensiver geworden. Nicht zuletzt, weil man nun weiß, dass es zwei Protagonisten gibt, die sich gegenseitig vernichten können, aber ihre verfeindete Freundschaft wird sicherlich im dritten Teil näher betrachtet werden.

Wer glaubte, dass die Dämonen intelligenzlose Geschöpfe sind, wird hier eines Besseren belehrt. Es gibt Dämonen, die als „Prinzen“ betitelt werden, welche die Menschen beobachten und auch ihrerseits Angst vor den beiden Erlösergestalten haben. Man darf also gespannt darauf sein, mit welchen hintertriebenen Waffen die Dämonen noch auf die Menschen abzielen werden.

Auch in diesem Roman kommen natürlich die Nebencharaktere wie Leesha und Rojer vor, und auch sie werden Jardir kennenlernen und damit eine völlige andere Mentalität vorfinden, die, untermauert durch Religion und soziale Andersartigkeit, schnell zu komplexen Problemen führt. Völkerverständigung ist halt auch hier ein ernsthaftes Problem.

Es gibt nur wenige Schwächen im Roman anzumerken. Wenn man die Erwartungshaltung hat, dass Arlen die zentrale Rolle alleine ausfüllt, könnte man enttäuscht sein. In „Das Flüstern der Nacht“ geht es eigens um Jardir und seine Biographie. Das ist nur fair, wenn man bedenkt, dass Arlen nun mal im ersten Teil die absolute Hauptrolle innehatte. Es gibt auch kaum langatmige Kapitel, denn es stecken so viele kleine und interessante Details im Geschehen, dass man die eine oder andere Ausführlichkeit gerne in Kauf nimmt, denn die Handlung wird dennoch zunehmend rasant.

_Fazit_

„Das Flüstern der Nacht“ ist der zweite und der bessere Teil der Saga um Arlen. Diese ist auf fünf Teile ausgelegt, und wir dürfen noch gespannt darauf sein, was noch alles passieren wird. Bei so viel neuen Konflikten und aufkommenden Kriegen, verschmähter Liebe und politischen Intrigen wird der nächste Teil hoffentlich vieles auflösen können. Aber wie schon gesagt, die Dämonen sind nicht gewillt, sich von den Menschen abschlachten zu lassen.

Auch wenn „Das Flüstern der Nacht“ ein eigenständiger Roman ist, sollte man den ersten nicht verpasst haben. Das Lesevergnügen könnte sonst erheblichen Schaden nehmen. Wie auch der erste Teil, ist die Fortsetzung mehr als zu empfehlen. Es wird zur Pflicht, „Das Flüstern der Nacht“ zu lesen. Das Buch ist keineswegs ein stilles Flüstern, es ist ein Aufschrei nach Rache, Vergeltung, Liebe und nicht zuletzt nach Erlösung.

|Taschenbuch: 1007 Seiten
Originaltitel: The Desert Spear
ISBN 978-3-453-52611-2|
[www.heyne.de]http://www.heyne.de

_Peter V. Brett bei |Buchwurm.info|:_
[„Das Lied der Dunkelheit“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5791

Silvana de Mari – Der letzte Elf

Die Reihe um Yorsch:

Band 1: „Der letzte Elf“
Band 2: „Der letzte Ork“
Band 3: „Der letzte Zauberer“
Band 4: „Die letzte Königin“
Band 5: „Die Rückkehr der Elfen“

Seit Jahren verwandelt ein ständiger Regen die Welt in einen großen Schlammsee. Die Menschen geben den Elfen und anderen magischen Wesen die Schuld, schließen diese in Reservate ein und vernichten sie auf teilweise grauenvolle Art.

Nicht verwunderlich ist es daher, dass der Unlängstgeborene, der Elf Yorschkrunsquarkljolnerstrink, künftig genannt Yorsch, nur Schlechtes von den Menschen gehört hat. Besonders warnte seine Großmutter Yorsch vor dem Appetit der Menschen auf Elf mit Rosmarin.

Nach einem schlimmen Schicksalsschlag zieht Yorsch alleine durch den Regen, der alles um ihn zu Schlamm verwandelt, als sein persönlicher Albtraum Wirklichkeit wird. Er begegnet seinem ersten Menschen. Sarja und ihr Hund sind ebenfalls in dem nicht aufhören wollenden Regen unterwegs und so treffen die beiden aufeinander. Yorsch schlottert nun nicht mehr nur vor Kälte, sondern auch vor Angst, Sarja könnte Rosmarin finden und ihn fressen.

Aus Einsamkeit und Verzweiflung schließen sich Yorsch und Sarja zusammen, um einen Teil des Weges gemeinsam zu bestreiten. Yorsch lernt dabei eine ihm unbekannte Art des Menschen langsam kennen, nicht alle scheinen ihn als Snack zu betrachteten. Die Angst bleibt allerdings.

Später treffen Yorsch, Sarja und der Hund ohne Namen auf den Jäger Monser, der Yorsch in die nächste Verzweiflung schickt, tötet dieser doch Tiere und damit kann Yorsch gar nicht leben. Die beiden Menschen passen sich dem Unlängstgeborenen aber an, schon allein um seine Tränenflut zu stoppen, die Sarja und Monser regelmäßig zur Verzweiflung treibt.

Zusammen sorgen Sarja und Monser für den kleinen Yorsch, wohl wissend, dass sie sich damit in große Gefahr begeben.

Nicht lange und das Schlimmste passiert, Yorsch, Sarja, Monser und der Hund ohne Namen werden gefangen genommen und in die Verliese der Stadt Daligar gesperrt. Dank Yorschs Fähigkeiten gelingt ihnen aber doch die Flucht und eingemeißelt in einer Mauer findet Yorsch eine Prophezeiung die lautet:

„Erst wenn der letzte Elf
und der letzte Drach sich finden
und sich Vergangenheit und Zukunft verbinden,
werden die Menschen ihr Schicksal überwinden.“

Yorsch wird damit klar, dass er der Letzte überlebende Elf ist und zusammen mit seinen menschlichen Freunden macht er sich auf, seine Bestimmung zu erfüllen.

Kritik

Mit Der letze Elf hat Silvana De Mari den ersten Teil Ihrer Reihe um den Elfen Yorschkrunsquarkljolnerstrink geschrieben, der die Leser zu verzaubern weiß.

Die Zielgruppe junger Leser wird die Autorin mit ihrem leicht zu lesenden Schreibstil erreichen können. Sie verzichtet auf Kompliziertes und so können auch junge Leser dem Geschehen spielend folgen. Die warmherzige, mitfühlende und dabei auch ionisch witzige Sprache zieht den Leser schnell in seinen Bann und der kleine Elf Yorsch gewinnt die Herzen der Leser sehr schnell. Der Stil ist auf jeden Fall ergreifend und Silvana De Mari schafft es, die Geschichte lebendig zu halten.

Die Orte der Handlung werden nicht zu detailliert beschrieben, der Leser kann sich aber trotzdem ein Bild der Umgebung machen und sich die Welt, in der sich die Charaktere bewegen, gut vorstellen. Zwar wird kaum auf die Welt um das Geschehen herum eingegangen, dies ist aber auch nicht zwingend nötig für die Handlung dieses Romans. Wichtiges erfährt der Leser auf jeden Fall.

Aufgeteilt ist die Geschichte in zwei Stränge: Einmal geht es um die Reise und die Erfüllung des unlängstgeborenen Elfen und darauf folgt die Zeit, in der Yorsch auf dem Weg zum Erwachsenwerden ist. Wo im ersten Teil die Spannung sehr gut erzeugt wird, kommt es im zweiten doch zu kleineren Längen, durch die der Leser auf die nächste Handlung fast warten muss. Dieses tut dem Lesevergnügen aber keinen Abbruch, will der Leser doch auf jeden Fall wissen, wie der zweite Teil der Prophezeiung lautet. Diesen konnte Yorsch in der Eile der Flucht aus Daligar leider nicht mehr entziffern und weiß daher selber nicht, was ihn noch erwartet.

Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht eines Beobachters, der die Geschichte des Yorsch erzählt und daher ausschließlich das berichtet, was der junge Elf wahrnimmt.

Die Protagonisten sind sehr sympathisch, dabei aber leider nicht sehr facettenreich beschrieben. Eine Vorstellung wie die einzelnen Charaktere aussehen könnten gelingt kaum, hier macht mehr das Wesen die Protagonisten aus. Yorsch ist nicht das, was der Leser vielleicht von einem Elf erwartet, ein noch sehr kleines Kind, das sich sehr von den Menschen unterscheidet. Aus der Sicht eines Menschen, macht er viele Sachen sehr kompliziert wenn nicht sogar falsch. Denkt der Leser aber etwas nach, kann er doch schnell zu einem anderen Urteil kommen. So kommt es dazu, dass der Leser mit diesem kleinen Kerl schnell weint, über seine Art lacht und seine Gefühle teilt. Dieses geht auch Yorschs menschlichen Freunden so, mit ihnen kann man sich sehr gut identifizieren. Yorschs Zauber erliegt daher jeder.

Das Cover ist wirklich sehr schön gestaltet, in Grüntönen gehalten ist eine fantastische Landschaft zu sehen, im Vordergund ein Elf und ein Drache. Der Titel ist in silberner Farbe geschrieben und mit Spotlack hervorgehoben.

Fazit

Silvana De Mari hat mit Der letzte Elf ein zauberhaftes Buch, über Freundschaft, Glück aber auch Verlust geschrieben. Die Geschichte ist einfach als zauberhaft und wundervoll zu bezeichnen. Auch die übermittelten Werte können hier punkten.

Der letzte Elf ist ein Buch, das seine junge Zielgruppe genauso zu verzaubern vermag wie auch den erwachsenen Leser des Genres Fantasy. Von mir gibt es daher eine klare Leseempfehlung.

Autor

Silvana De Mari lebt mit ihrer Familie und einem riesigen Hund nahe Turin. Sie arbeitete als Ärztin in Italien und Afrika, bevor sie sich zur Psychotherapeutin ausbilden ließ. Nachdem sie schon kürzere Texte in Zeitschriften publiziert hatte, landete sie mit ihrem ersten Kinderbuch „Der letzte Elf“ einen sensationellen weltweiten Erfolg.

Taschenbuch: 367 Seiten
Originaltitel: L’ultimo Elfo
Übersetzer: Barbara Kleiner
Vom Verlag empfohlenes Alter: 11 – 12 Jahre
ISBN-13: 978-3570134788
www.randomhouse.de/cbjugendbuch

Autorin der Rezension: Nadine Warnke

Ed McBain – Kings Lösegeld

_Das geschieht:_

Schon in jungen Jahren schuftete Douglas King, Kind armer Eltern und geboren in einem verrufenen Viertel der Großstadt Isola, in der Schuhfabrik Granger. Mit eiserner Disziplin und rücksichtslos hat er sich seinen Weg nach ganz oben gebahnt. Nun steht er vor der Erfüllung seines Herzenswunsches: King kann und wird die Aktenmehrheit und damit die Fabrik übernehmen. Freilich musste er nicht nur sein gesamtes Geldvermögen einsetzen, sondern auch seinen beträchtlichen Besitz verpfänden, um die erforderliche Summe aufzubringen. Platzt das Geschäft, ist Kings Ruf als erfolgreicher Manager dahin und er selbst finanziell ruiniert.

Genau jetzt schlagen die Kleinkriminellen Sy Barnard, Eddie Folsom und seine Ehefrau Kathy zu. Barnard will groß absahnen und plant die Entführung von Bobby, Kings achtjährigem Sohn. Er überredet Eddie mitzumachen, wozu dieser ohne Kathys Wissen bereit ist, denn 500.000 Dollar Lösegeld locken. Doch die unerfahrenen Kidnapper begehen einen kapitalen Fehler: Sie schnappen sich nicht Bobby, sondern Jeff, den Sohn von Kings Chauffeur Charles Reynolds.

Als sich der Schrecken legt, sieht Barnard keinen Grund, die Entführung abzubrechen. King soll für Jeff zahlen. Die Gangster sehen ihn in der Verpflichtung. Genauso geht es Kings Gattin Diane und den Polizisten vom 87. Revier, die mit dem Fall betraut wurden. Deshalb fallen die Beteiligten aus allen Wolken, als King sich weigert: Er kann und will seinen Traum vom Besitz der Schuhfabrik nicht aufgeben. Zwingen kann man ihn nicht, und dem moralischen Druck hält er Stand. Für Steve Carella und seine Kollegen herrscht Alarmstufe Rot. Die Kidnapper dürfen nicht erfahren, dass sie kein Geld bekommen werden. Ohnehin kommt es innerhalb der Bande zum Streit, denn Kathy ahnt, dass Barnard nicht vorhat, Jeff lebendig freizulassen …

_Ein Autor verschafft sich Freiraum_

Ed McBains Kriminalromane um das 87. Polizeirevier enthalten immer ein moralisches Element. In den frühen Werken war es – aus heutiger Sicht – noch recht deutlich und ein wenig aufdringlich. Später verpackte McBain seine Anliegen eleganter und wurde wohl auch ein wenig zynischer; gänzlich mochte er aber nicht auf die Moral von der Geschicht‘ verzichten. „Kings Lösegeld“ ist der 10. Roman um das genannte Revier – 54 wurden es insgesamt – und entstand 1959. Moral stand damals hoch im Kurs, wobei sich ein Gutteil Bigotterie in die Rechtschaffenheit mischte, mit der die braven Bürger auf jene hinabblickten, die ins Straucheln gerieten.

McBain machte da nicht mit. Allerdings war er kein ‚großer‘ Autor, sondern schrieb Unterhaltungsromane. Davon lebte er und musste sich deshalb mit seiner Kritik zurückhalten. Dass er seine Kriminalgeschichten nicht in einer realen Großstadt, sondern in einer fiktiven Metropole spielen ließ, war dabei hilfreich. Isola wurde zwar ein Spiegelbild von New York, doch hier war McBain Herr über seine eigene Welt. Was hier schief lief, musste der empfindliche Leser nicht auf die Realität ’seiner‘ USA beziehen.

|Der reiche Mann liebt sein Geld|

Denn McBain bot mit „Kings Lösegeld“ in mehrfacher Hinsicht durchaus harten Tobak. Da war vor allem die Kardinalfrage nach dem Wert eines Menschenlebens. McBain scheute nicht davor zurück, ein Kind in Lebensgefahr zu bringen. Unabhängig von der Zahlung des Lösegelds wird Jeff die Entführung nicht überleben. Daran lässt der Verfasser keinen Zweifel. Auf diese Weise schürt er die Spannung – wie kann Jeff gerettet werden? – und verschärft gleichzeitig die Gewissensqualen, in denen sich Douglas King windet.

McBain kennt kein Erbarmen. King muss Farbe bekennen. Ausflüchte werden ihm nicht gestattet. Wie würdest du dich entscheiden? Diese Frage stellt McBain auch seinen Lesern, was er geschickt mit der Handlung verknüpft. Als King seine Entscheidung fällt, unterwirft er sich nicht der gängigen Moral, sondern folgt seinem Egoismus. Dafür zahlt er einen hohen Preis: Seine Frau, sein Sohn und die Polizei verachten ihn. Reynolds, Jeffs Vater, demütigt sich in einer schwer erträglichen Szene und fleht seinen Chef an, das Geld zu zahlen. Er bleibt dabei der klägliche Wurm, als den ihn McBain charakterisierte, und King verliert noch den Rest seiner Integrität.

McBain schafft es, seine Leser verstehen zu lassen, wieso King ist, wie er ist bzw. wie er geschaffen wurde. King ist selbst ein Opfer. Seine Menschlichkeit hat er dem finanziellen und gesellschaftlichen Aufstieg geopfert. Angesicht der dabei erfahrenen Erniedrigungen ist es ihm unmöglich, das Erreichte aufs Spiel zu setzen.

|Die Kehrseite der Medaille|

Kidnapper rangieren in der Verbrecherwelt tief unten. Gewalt gegen Kinder sorgt sogar unter Kriminellen für Abscheu. Politisch korrekt hätte McBain Jeffs Entführer als Tiere in Menschengestalt schildern müssen. Solche plumpen Vereinfachungen erspart der Verfasser sich und seinem Publikum. Höchstens der brutale und zum Kindsmord bereite Sy Barnard scheint in diese Kategorie zu fallen, aber auch er überrascht im Finale mit unerwarteter und echter Emotionalität.

Im Zentrum stehen Eddie und Kathy Folsom. Eddie ist Douglas Kings dunkles Spiegelbild – ein Mann, der nach oben will, weil er es ganz unten nicht mehr aushält. Dabei treibt Folsom nicht reiner Eigennutz. Er will seiner Kathy ein Leben bieten, das sie ‚verdient‘. Sie war bisher problemlos einverstanden damit, dass er dies als Räuber und Dieb versuchte. Doch nun hat Eddie eine Grenze überschritten. Kathy muss ihren moralischen Status neu definieren. Sie wird aktiv, will Jeff, sich und Eddie retten. Dafür begibt sie sich notfalls selbst in Lebensgefahr.

„Kings Lösegeld“ endet versöhnlich aber nicht ‚happy‘. Das Schlimmste kann verhindert werden. Nicht alle Entführer enden im Gefängnis. Douglas King muss weder seinen finanziellen noch moralischen Bankrott erklären. Diane kann zu ihm und in ihr luxuriöses Heim zurückkehren – eine ironische Note, mit der McBain das Finale seiner Sentimentalität entkleidet. „King’s Ransom“ lautet der Originaltitel, den er seinem Roman gab. Dies bedeutet nicht nur „Kings Lösegeld“, sondern auch „Kings Erlösung“. Sie wird ihm zuteil, aber McBain lässt offen, ob er sie wirklich verdient hat. Zumindest die Polizisten des 87. Reviers sind da skeptisch.

|Männer des Gesetzes|

Sie sind zwar alle wieder dabei, spielen aber dennoch Nebenrollen und beschränken sich vor allem auf ihre Arbeit, die McBain, der Meister des „police procedural“, gewohnt penibel und trotzdem spannend beschreibt. Aus heutiger Sicht wirken die Methoden veraltet, aber im zeitgenössischen Rahmen funktionieren sie gut genug, um den Kidnappern auf die Spur zu kommen. Einmal mehr macht McBain deutlich, dass Polizisten keine maschinenhaften Vertreter von Law & Order, sondern Menschen sind. Steve Carella ist es dieses Mal, der keinen Hehl aus seiner Verachtung gegenüber King macht, bis er von einem Vorgesetzten zur Ordnung gerufen wird.

Was den Leser heute erstaunt, ist die Tatsache, dass offenbar niemand die geforderten 500.000 Dollar aufzubringen gedenkt, die Douglas King ausgeben soll. Lässt das Gesetz unvermögende Entführungsopfer völlig im Stich? Schießt keine Behörde dieses Geld vor? Leider geht McBain auf diesen Aspekt nicht ein. An der beachtlichen Leistung des Verfassers, der auf weniger als 180 Seiten schnörkelfrei und ohne Längen eine Vielzahl menschlicher Dramen durchspielt, ändert dies freilich nichts.

|Eine ungewöhnliche Verfilmung|

Vier Jahre nach der Veröffentlichung wurde „Kings Lösegeld“ verfilmt – allerdings nicht in den USA, sondern in Japan. Meisterregisseur Akira Kurosawa (1910-1998) faszinierte die Frage, ob der ‚Wert‘ eines Kindes am Vermögen des Vaters zu messen ist. Als |Tengoku to jigoku| (dt. |Zwischen Himmel und Hölle|) inszenierte er mit seinem Schauspieler-Favoriten Toshirō Mifune (1920-1997) eine 143 Minuten lange Mischung aus Krimi und Drama, die nicht zu Kurosawas Glanzleistungen gezählt wird, aber durch die für diesen Regisseur typischen urjapanischen und ‚westlichen‘ Film-Elemente das Beste beider Kino-Welten unterhaltsam vereint.

_Autor_

Ed McBain wurde als Salvatore Albert Lombino am 15. Oktober 1926 geboren. Dies war in den USA in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg kein Name, der einem ehrgeizigen Nachwuchsschriftsteller hilfreich gewesen wäre. Also ‚amerikanisierte‘ sich Lombino 1952 zu Evan Hunter und schrieb ‚richtige‘ Bücher, d. h. Literatur mit Botschaft und Anspruch, darüber hinaus Kinderbücher und Drehbücher.

Da sich der Erfolg in Grenzen hielt, wählte Vollprofi Hunter ein neues Pseudonym und verfasste als „Ed McBain“ den ersten der von Anfang an als Serie konzipierten Kriminalromane um das 87. Polizeirevier. Schnelles Geld sollten sie vor allem bringen und ohne großen Aufwand zu recherchieren sein. Deshalb ist Isola mehr oder weniger das Spiegelbild von New York, wo Lombino im italienischen Getto East Harlems groß wurde. Aber Hunter bzw. McBain kochte nicht einfach alte Erfolgsrezepte auf. Er schuf ein neues Konzept, ließ realistisch gezeichnete Polizisten im Team auf ‚richtigen‘ Straßen ihren Job erledigen. Das Subgenre „police procedural“ hat er nicht erfunden aber entscheidend geprägt.

1956 erschien „Cop Hater“ (dt. „Polizisten leben gefährlich“). Schnell kam der Erfolg und es folgten bis 2005 54 weitere Folgen dieser Serie, der McBain niemals überdrüssig wurde, obwohl er ’nebenher‘ weiter als Evan Hunter publizierte und als McBain die 13-teilige Serie um den Anwalt Matthew Hope verfasste. Mehr als 100 Romane umfasste das Gesamtwerk schließlich – solides Handwerk, oft genug Überdurchschnittliches, geradlinig und gern fast dokumentarisch in Szene gesetzt, immer lesenswert -, als der Verfasser am 6. Juli 2005 einem Krebsleiden erlag.

Taschenbuch: 173 Seiten
Originaltitel: King’s Ransom (New York : Simon & Schuster 1959)
Übersetzung: Gitta Bauer
Deutsche Erstausgabe: 1961 (Ullstein Verlag/Ullstein Kriminalroman 817)
[keine ISBN]
Bisher letzte Ausgabe: August 1994 (Ullstein Verlag/Ullstein Kriminalroman 10657)
ISBN-13: 978-3-548-10657-1
www.ullsteinverlage.de
www.edmcbain.com

Marzi, Christoph – Grimm

_Was wäre wenn … _die alten Mythen und Märchen Wirklichkeit wären?

„Es war einmal …“, so begannen die Märchen stets, die Vesper Gold und ihre Schwester immer von ihrem Vater erzählt bekamen. Zum Abschluss immer die Worte „Mädchen, weicht vom Wege nicht!“. Mittlerweile ist die große Schwester tot und nach der Scheidung der Eltern ist die 17-jährige Vesper mit ihrer Mutter von Berlin nach Hamburg gezogen.

An einem düsteren Herbsttag erfährt Vesper in den Nachrichten von dem Tod ihres Vaters, einem berühmten Regisseur. Wäre das nicht genug, steht Vesper am nächsten Tag als Vollwaise da, auch ihre Mutter kommt auf rätselhafte Weise plötzlich ums Leben.

Es geschehen merkwürdige Dinge in Hamburg und ganz Europa. Alle Kinder fallen zeitgleich in einen fünfminütigen, tiefen Schlaf, die Ärzte sind ratlos. In der folgenden Nacht haben alle Eltern dann einen gemeinsamen, schrecklichen Albtraum.

An diesem grauen Herbsttag melden sich die Vesper bekannten Märchen mit ganzer Kraft zurück. Wölfe und andere märchenhafte Wesen tauchen auf und verfolgen sie. Für Vesper die einen geheimen Schlüssel von ihrem Vater bekam beginnt ein düsteres und geheimnisvolles Abenteuer. Ihr zur Seite stehen der geheimnisvolle Jonathan Andersen und der junge Leander Nachtsheim.

_Kritik_

Mit |Grimm| erzählt Christoph Marzi Märchen einmal anders. Nicht romantisch verklärt, sondern eher düster und unheimlich, werden die einzelnen Figuren der Märchen und Mythen hier beschrieben.

Dem facettenreichen Schreibstil des Autors kann der Leser gut folgen. Christoph Marzi beschreibt die Orte der Handlung sehr genau und ausführlich. Einerseits fällt dem Leser die bildliche Vorstellung dadurch sehr leicht, allerdings kommt es dadurch teilweise zu Längen und die Handlung lässt auf sich warten. Dies stoppt den Lesefluss aber kaum. Der Spannungsbogen ist sehr intelligent und präzise eingebaut und aufgrund dessen bleibt der Leser bei der Stange.

Eine wichtige Rolle in |Grimm| spielen die Märchen der Gebrüder Grimm und eine interessante Idee, wie es zu diesen Geschichten gekommen sein könnte. Die liebenswürdigen Figuren der Märchen stellen sich hier dann mal ganz anders dar, und wie es dazu gekommen ist, diese zu „erfinden“ und aufzuschreiben, ist ein interessanter Gedanke. Auch kombiniert der Autor wieder einmal geschickt Fakten mit Fiktion. Dem Leser, der auch mal hinter die Kulissen schaut, wird so manche Überraschungen geboten.

Einmal spielt der Roman im bekannten Hamburg, die Protagonisten kommen rätselhaften Todesfällen auf die Spur und in ganz Europa kommt es zu merkwürdigen Vorfällen. Mit Fortschreiten der Geschichte wird erst einmal alles noch viel undurchsichtiger und mysteriöser. Erst in der Welt der Märchen und der Schneekönigin schlüsselt sich dann alles auf.

Befremdlich mag dabei wirken, dass die Bevölkerung trotz der seltsamen Vorgänge, gerade bei den schlafenden Kindern, so ruhig bleibt. Etwas mehr Aufregung, Verzweiflung oder gar Panik seitens der Bevölkerung wäre realistischer gewesen.

|Grimm| wird aus der Perspektive eines Beobachters erzählt, der sich vor allem auf Vesper Gold konzentriert. Allerdings lässt er andere wichtige Figuren wie Jonathan Andersen und Leander Nachtsheim durchaus zu Wort kommen, sodass man diese auch kennen lernt, selbst wenn Jonathan Andersen sehr rätselhaft bleibt.

Auch die Protagonisten sind sehr facettenreich und detailliert dargestellt, manche bleiben trotzdem zwar erst einmal sehr rätselhaft, dieses tut dem Spannungsbogen allerding sehr gut, möchte der Leser doch wissen, wie diese Protagonisten zu all dem stehen. Vesper Gold ist klar gezeichnet und wirkt sehr sympathisch, sie hat eine Menge Eigenschaften, die sehr positiv sind. Sie kümmert sich um andere, ist mutig und gibt nicht so leicht auf. Diese Eigenschaften teilt auch Leander Nachtsheim, der auf seine Art punkten kann. Geheimnisvoll kommt Jonathan Andersen daher, gehört dieser Charakter zu den wirklich Guten oder führt er etwas im Schilde? Dies bleibt lange schleierhaft und somit ist er ein sehr interessant konzipierter Charakter. Die weiteren Figuren sind sehr blass dargestellt, erst zum Ende hin erfährt der Leser, was diese wirklich wollen und warum einige Ereignisse passiert sind.

Die Covergestaltung von |Grimm| kann man nur als gelungen bezeichnet. In goldenen Käfigen sind die Märchen gefangen. Vor blauem Hintergrund sind Titel und der Autor genannt, der Titel ist dabei mit Spotlack hervorgehoben. Der Buchrücken ist in Rot gehalten und passend zum Cover sind auch hier Autor und Titel genannt. Mit 560 Seiten ist das Buch recht dick und zusammen mit der Ausstattung seinen Preis wert.

_Fazit_

Mit |Grimm| hat der Autor Christoph Marzi mal wieder einen wunderbaren Fantasyroman geschrieben, der durch interessante Ideen und liebenswürdige Charaktere sowie einer einzigartigen Atmosphäre überzeugt.

Das Buch liest sich sehr flüssig und kann mit einer Menge Spannung aufwarten. Lediglich das Ende ist etwas kurz gehalten.

|Grimm| von Christoph Marzi bekommt von mir trotz winziger Schwächen eine klare Leseempfehlung für alle, die durch Märchen, Mythen und Fantasy zu begeistern sind.

_Autor_

Christoph Marzi, Jahrgang 1970, wuchs in Obermending nahe der Eifel auf, studierte in Mainz und lebt heute mit seiner Familie im Saarland. Mit dem sensationellen Erfolg seiner Trilogie um die |Uralte Metropole| („Lycidas“, „Lilith“ und „Lumen“) hat er sich einen festen Platz als deutscher Fantasy-Autor erobert.

|Gebundene Ausgabe: 560 Seiten
ISBN-13: 978-3453266612|
[www.heyne.de]http://www.heyne.de

_Nadine Warnke_

_Christoph Marzi bei |Buchwurm.info|:_
[„Lycidas“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1081
[„Lilith“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2070
[„Lumen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3036
[„Malfuria“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3398
[„Malfuria – Die Hüterin der Nebelsteine“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4167
[„Fabula“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4503
[„Somnia“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5446

Boothby, Guy Newell – Expedition des Doctor Nikola, Die

_Die |Doctor Nikola|-Reihe:_

Band 1: [„Die Rache des Doctor Nikola“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6319
Band 2: _“Die Expedition des Doctor Nikola“_
Band 3: „The Lust of Hate“ (1898, noch ohne dt. Titel)
Band 4: „Dr Nikola’s Experiment“ (1899, noch ohne dt. Titel)
Band 5: „Farewell, Nikola“ (1901, noch ohne dt. Titel)

_Das geschieht:_

Nach zahlreichen Entführungen, Intrigen u. a. Bosheiten ist es Dr. Nikola endlich gelungen, das ersehnte chinesische Zauberstäbchen an sich zu bringen. Mit ihm kann er sich als hochrangiges Mitglied einer Geheimgesellschaft tarnen und als solches den Zugang zum tief im gebirgigen Zentrum Tibets gelegenen Tempel einer Sekte erschwindeln, die sich dort seit dem dritten vorchristlichen Jahrhundert verborgen hält. Im Laufe dieser langen Zeit haben die Mönche unglaubliche Mysterien aufgedeckt.

Nikola ist besonders am Geheimnis des ewigen Lebens interessiert. Die lange und gefährliche Expedition will er nicht ohne einen mutigen und starken Gefährten an seiner Seite unternehmen. Nikolas Wahl fällt auf den jungen Abenteurer Wilfried Bruce. Dieser ist bekannt für seine Fähigkeit, sich so überzeugend als Chinese zu maskieren, dass er Orte bereisen konnte, an die zuvor nie Europäer gelangt sind.

Derzeit hat Bruce nach Schanghai verschlagen, wo er nach einer Möglichkeit sucht, seine leere Geldbörse zu füllen. Die 10.000 Pfund, die Nikola ihm bietet, sind ihm daher sehr willkommen. Getarnt macht man sich auf den langen und gefährlichen Weg nach Tibet. Unterwegs rettet Bruce die Missionarstochter Gladys Mary Medwin vor fremdenfeindlichen Chinesen.

Auch sonst verläuft die ohnehin riskante Expedition nicht ohne gefährliche Zwischenfälle. Mehrfach kommt man den beiden Schwindlern auf die Schliche. Nur Nikolas unglaublichem Einfallsreichtum und Bruces Wagemut ist das Entkommen zu verdanken. Die Glückssträhne der Reisenden wird freilich über ihre Zerreißgrenze hinaus gespannt, als sie ihr Ziel erreichen. Tief im Himalaya und fern aller Hilfe müssen sie extrem misstrauischen Mönchen ihre Geheimnisse entreißen …

_Der Weg ist das Ziel: Reisen als Abenteuer_

1895 hatte Guy Newell Boothby mit „Die Rache des Doctor Nikola“ das Interesse einer Leserschar erregt, deren Zahl groß genug war, dass der Autor – ein Unterhaltungs-Routinier, der jedes Genre bediente – das Eisen schmiedete, solange es heiß blieb, und umgehend eine Fortsetzung folgen ließ. „Die Expedition des Doctor Nikola“ fand auf einem anderen Kontinent und mit anderen Figuren statt; nur Nikola blieb. Die Verbindung zum ersten Teil stellte Boothby her, indem er seinen neuen Helden Wilfried Bruce in Schanghai auf einen Landsmann treffen lässt, zu dessen Freunden ‚zufällig‘ jemand zählt, der Nikolas Treiben in Australien ertragen musste: Boothby nahm sich nie die Zeit für raffinierte Handlungselemente, sondern spann ein einfaches Garn. Dies bedingte einerseits einen offensichtlichen Schematismus, sorgte aber andererseits für eine Schlichtheit, die seine Geschichten altern (i. S. von reifen) aber nicht veralten ließ.

Die Reise ist ein ideales Medium für eine stringente Abenteuergeschichte. Es gilt, von Punkt A nach Punkt Z zu gelangen. Die Buchstaben dazwischen markieren Zwischen- und Überfälle, Naturkatastrophen und Irrwege, aber auch wundersame Orte, die durch ausführliche Beschreibungen gewürdigt werden. Der Weg ist mindestens ebenso wichtig wie das Ziel, das nichtsdestotrotz den Höhepunkt markiert. Boothby folgt dem Vorgabemuster perfekt. In Schanghai beginnt die Expedition, und die stattliche Entfernung zum tibetischen Zielkloster lässt Raum für die genannten und andere Verwicklungen, mit denen die Handlung verlängert wird, ohne dass dies auf Kosten der Spannung geht.

|Männer der Tat, Frauen fürs Herz|

Zwei Identifikationsfiguren stellt Boothby in den Mittelpunkt der Geschichte. Da ist natürlich Nikola, den er bereits im ersten Teil sehr geheimnisvoll eingeführt hatte. Seine Mysterien musste Nikola sich bewahren, weshalb Boothby wiederholte, abwandelte und vertiefte, was er in „Die Rache des Doctor Nikola“ bereits erwähnt hatte. Also glänzt Nikola abermals durch erstaunliche Hypnosen, ergeht sich in Andeutungen früherer (Un-) Taten und ist generell ein solcher Übermensch, dass sich der Leser durchaus wundert, wieso er eigentlich Hilfe benötigt.

Doch genau dies ist der Punkt: Nikola ist als Handlungsfigur nur bedingt tauglich. Er kann nicht kämpfen, leiden und Gefühle zeigen, ohne dadurch seinen Status zu gefährden. Nikola muss geheimnisvoll bleiben. Deshalb stellt ihm Boothby Wilfried Bruce an die Seite, der vor positiven Eigenschaften und edlen Gefühlen schier platzt. Bruce ist dem Mann, um den und mit dem wir bangen. Ihn mögen wir, ihm trauen wir. Er ist tüchtig, aber nicht so talentiert, dass wir uns ihm gegenüber klein fühlen. Ein Mann wie Bruce kann glaubhaft in Gefahr geraten, aus denen er sich mit Muskelkraft und Köpfchen und nicht mit Magie, Hinterlist und Geheimwaffen à la Nikola befreien wird. Er ist so anständig und worttreu, dass nicht einmal Nikola umhin kommt, ihn mehrfach zu retten, obwohl er ihn schurkisch hätte zurücklassen können.

Außerdem ist Bruce der Idealpartner für die weibliche Figur. Dass Nikola eine Missionarstochter oder überhaupt eine Frau an seiner Seite auch nur duldet, mutet unwahrscheinlich an. Zu Gladys Mary Medwin gehört ein Bruce. Er wird sie retten, beschützen und sich schließlich in sie verlieben. Boothby folgt den viktorianischen Vorgaben, die der Frau – zumal im Trivialroman – eine passive Rolle zuwiesen. Gladys mag es irgendwie nach China geschafft haben, doch sobald sie in Nikolas und Bruces Gesellschaft gerät, kann sie gerade noch auf eigenen Beinen stehen. Ansonsten übernehmen die Männer das Denken und Handeln.

Erfreulicherweise beeinträchtigt dieses Klischee nicht die Handlung. Was in „Die Rache des Doctor Nikola“ noch für endlose Kitsch-Tiraden gesorgt hatte, entfällt dieses Mal: Gladys bleibt eine absolute Randfigur. Hin und wieder denkt Bruce sehnsuchtsvoll an sie, aber ansonsten konzentriert er sich auf das Abenteuer. Hier einfallsreich in eine aktionsreiche Handlung zu investieren, erweist sich als die beste Idee des Verfassers.

|Exotik und die Patina der Reife|

Realität ist dabei Boothbys Stärke nicht. Dem eifrigen Leser trivialer Romane ist so etwas seit jeher bewusst; es stört nicht, sondern fördert sogar das Lektürevergnügen: Die gern (auch vom jeweiligen Verfasser) vorgebrachte Behauptung präziser Faktenrecherche ist Unfug – glücklicherweise, denn die Unterhaltung existiert zwar auch auf dem Boden der Realität, so richtig blüht sie aber erst im milden Klima der Fiktion.

Guy Newell Boothby ist niemals in China gewesen. Die Schilderung von Land und Leuten entsprechen höchstens zufällig der Wirklichkeit. Seine wahren Inspirationsquellen bildeten jene zeitgenössischen Halbwahrheiten, Übertreibungen und Klischees, die in den Kreisen seines angelsächsischen Publikums kursierten. Sie klangen immerhin wahr und waren auf jeden Fall interessanter als die schnöde Realität, die auch die tatsächlich existierenden Himalaja-Klöster Tibets nicht verschont und ihnen bei genauer Betrachtung den Ruf des Mysteriösen raubt.

Boothbys China und Tibet sind bunte Kulissen für die Abenteuer eines Reiseromans. Die zentralen Protagonisten sind Ausländer, weder Dr. Nikola noch Wilfried Bruce wurden in Asien geboren. Dennoch gebärden sie sich – wenn nicht verkleidet – ganz selbstverständlich als Herren des Landes. Zumindest in diesem Punkt entspricht Boothby einer historischen Realität, die den Fernen Osten ins Interesse europäischer Kolonialmächte rückte. China war keine offizielle Kolonie, doch Ende des 19. Jahrhunderts nach verlorenen Kriegen gegen England und Japan sowie innenpolitisch geschwächt den ausländischen ‚Handelspartnern‘ ausgeliefert.

|Zeitloses Abenteuer nach Genre-Regeln|

Diese unschönen Wahrheiten werden selbstverständlich wortlos übergangen. Immerhin hält sich Boothby mit diskriminierenden Äußerungen zurück. (Wobei offenbleiben muss, was in der Übersetzung bzw. Bearbeitung eventuell getilgt wurde.) Er setzt auf die Exotik der Schauplätze. ‚Seine‘ Chinesen und Tibeter sind fremd und unheimlich aber Träger einer eigenständigen, uralten und – Boothby macht daraus keinen Hehl – durchaus hochstehenden Zivilisation. Er bedient sich hier eines weiteren bewährten Motivs des klassischen Abenteuerromans. Tief in grauer Vorzeit verwurzelte, von der Gegenwart isolierte Gemeinschaften, die im Besitz lange vergessenen Geheimwissens sind, waren in der zeitgenössischen Unterhaltungsliteratur ungemein beliebt. Autoren wie Henry Rider Haggard (1856-1925) oder Edgar Rice Burroughs (1875-1950) stützten sich immer wieder auf archaische Ur-Völker. In der Schilderung seltsamer und unterhaltsam ‚barbarischer‘ Regeln und Sitten mussten die Autoren ihrer Fantasie keine Zügel anlegen.

In diesen Kapiteln kann Boothby glänzen. Das Finale endet – auch dies genretypisch – in einer wilden Flucht vor erbosten Verfolgern. Dieses Mal ließ der Verfasser seiner Geschichte mit Bedacht einige lose Enden: Sie ließ sich bei Bedarf fortsetzen, was 1899 mit „Das Experiment des Doctor Nikola“ geschah.

In Deutschland erschien „Die Expedition des Doctor Nikola“ erstmals 1912. Selbst vom antiquarischen Buchmarkt ist dieses Werk längst verschwunden. Die aktuelle Ausgabe, Teil einer vierbändigen, neu oder erstmals aufgelegten sowie neu übersetzten Doctor-Nikola-Ausgabe, liest sich angemessen ‚retro-steif‘ aber stets flüssig und ist wieder schön als Paperback mit Klappenbroschur aufgemacht. Auf den dritten Teil kann man sich unter diesen Bedingungen erst recht freuen!

_Autor_

Am 13. Oktober 1867 wurde Guy Newell Boothby im australischen Glen Osmond, einer Vorstadt von Adelaide, geboren. Die Boothbys gehörten zur Oberschicht, Guys Vater saß im Parlament von Südaustralien. Der Sohn besuchte von 1874 bis 1883 die Schule im englischen Salisbury, dem Geburtsort seiner Mutter.

Nach Australien zurückgekehrt, versuchte sich Boothby als Theaterautor. Sein Geld verdiente er allerdings als Sekretär des Bürgermeisters von Adelaide. Beide Tätigkeiten wurden nicht von Erfolg gekrönt. Boothbys Lehr- und Wanderjahre führten ihn 1891/92 kreuz und quer durch Australien sowie den südasiatischen Inselraum. Sein 1894 veröffentlichter Reisebericht wurde zum Start einer außergewöhnlichen Schriftstellerkarriere.

1895 siedelte Boothby nach England um, heiratete und gründete eine Familie. Er schrieb nun Romane, wobei er sämtliche Genres der Unterhaltungsliteratur bediente und lieferte, was ein möglichst breites Publikum wünschte. Boothby war ein findiger und fleißiger Autor, der überaus ökonomisch arbeitete, indem er seine Worte nicht niederschrieb, sondern in einen Phonographen diktierte und die so besprochenen Wachswalzen von einer Sekretärin in Reinschrift bringen ließ. Jährlich konnten auf diese Weise durchschnittlich fünf Titel erscheinen. Boothbys Einkünfte ermöglichten ihm den Kauf eines Herrenhauses an der Südküste Englands, in dem er mit seiner Familie lebte, bis er am 26. Februar 1905 im Alter von nur 37 Jahren an einer Lungenentzündung starb.

|Paperback: 213 Seiten
Originaltitel: Dr. Nikola (London : Ward, Lock & Co. 1896)
Übersetzung: Michael Böhnhardt
Cover: Ernst Wurdack
ISBN-13: 978-3-938065-63-1|
[doctornikola.blogspot.com]http://doctornikola.blogspot.com
[www.wurdackverlag.de]http://www.wurdackverlag.de

_Guy Newell Boothby bei |Buchwurm.info|:_
[„Pharos der Ägypter“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=297

Läckberg, Camilla – Engel aus Eis

_Erica Falck und Patrik Hedström:_

Band 1: [„Die Eisprinzessin schläft“ 3209
Band 2: [„Der Prediger von Fjällbacka“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2539
Band 3: „Die Töchter der Kälte“
Band 4: [„Die Totgesagten“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5860
Band 5: „Snöstorm och mandeldoft“ (noch ohne dt. Titel)
Band 6: _“Engel aus Eis“_
Band 7: „Sjöjungfrun“ (noch ohne dt. Titel)
Band 8: „Fyrvaktaren“ (noch ohne dt. Titel)

Mit „Engel aus Eis“ liefert die Schwedin Camilla Läckberg nunmehr ihren fünften Krimi rund um die sympathischen Protagonisten Erica Falck und Patrik Hedström in Deutschland ab. Die Vorgängerromane waren fast durch die Bank weg sehr gelungen, lediglich mit ihrem letzten Werk „Die Totgesagten“ konnte sie das hohe Niveau nicht mehr so ganz halten. Ein Ausrutscher? Oder setzt sich diese Entwicklung mit „Engel aus Eis“ weiter fort?

_Der Handlungsabriss im Klappentext_ klingt vielversprechend. Der pensionierte Geschichtslehrer Erik Frankel wird ermordet in seinem Haus aufgefunden. Frankel war in Neonazikreisen äußerst unbeliebt – vor allem auch, weil sein Bruder Axel sein Leben dem Aufspüren alter Nazischergen gewidmet hat. So vermutet die Polizei den Täter im Umfeld der Neonazis.

Erica ist geschockt, als sie von der Ermordung Frankels erfährt, hatte sie ihn doch noch vor wenigen Wochen um Hilfe gebeten, weil unter den wenigen Habseligkeiten, die sie von ihrer Mutter Elsy in einer Kiste auf dem Dachboden gefunden hat, auch ein mysteriöser Naziorden war. Ericas Interesse ist geweckt, und obwohl sie sich eigentlich voll und ganz in ihre Arbeit stürzen wollte, solange die Elternzeit von Ehemann Patrick dauert, beginnt sie mit Nachforschungen.

Erica und ihrer Schwester Anna war ihre Mutter immer ein Rätsel. Elsy war immer distanziert, kühl und wirkte abwesend. Erica hat sich deswegen oft gefragt, ob sie ihre Mutter überhaupt richtig gekannt hat. Als Erica nun herausfindet, dass Elsy und Erik in ihrer Jugend befreundet waren, beschließt sie tiefer zu graben und fragt sich schon bald, ob das Motiv für den Mord nicht vielleicht eher in der Vergangenheit, als in der Gegenwart zu finden ist. Unterstützt wird sie in ihren Nachforschungen von Patrik, der mit seiner Elternzeit und seiner damit verbundenen Auszeit aus dem Polizeidienst sichtliche Schwierigkeiten hat …

_Wie bei jedem Läckbergschen Roman_ fällt auch bei „Engel aus Eis“ der Einstieg sehr leicht. Schnell taucht man in die Geschichte ein und hat die Figuren lebhaft vor Augen. Erika ist mit ihrer Familie ein liebgewonnenes Herzstück der Reihe geworden und man freut sich als Leser regelrecht über jedes Wiedersehen. Diesmal ist Patrick dran, mit der Elternzeit, aber da nun mal wieder in einem Mord zu ermitteln ist, ist er hin- und hergerissen. Einerseits möchte schauen, dass bei den Ermittlungen der Kollegen alles gut läuft, andererseits will er gerne seine Zeit mit seiner Tochter Maja verbringen. Das sorgt immer wieder für Spannungen zwischen Erica und Patrik.

Sehr schön ist auch, dass Camilla Läckberg mit „Engel aus Eis“ an einer Stelle ansetzt, die in früheren Romanen immer ein Mysterium war. Das sehr unterkühlte Verhältnis zwischen Elsy und ihren beiden Töchtern Erica und Anna ist immer wieder angedeutet, aber nie näher ausgeleuchtet worden. Läckberg geht damit einer Frage nach, die so manchen angestammten Leser schon beschäftigt haben dürfte. Da die persönliche Entwicklung der Figuren im Umfeld von Erica kontinuierlich weiter verläuft, sei jedem Neueinsteiger zur chronologischen Lektüre der Läckberg-Romane geraten.

Spannung baut die Schwedin kontinuierlich auf. Sie nimmt sich zwar immer wieder Zeit für Betrachtungen ihrer Haupt- und Nebenfiguren, dreht aber ganz nebenbei auch ständig an der Spannungsschraube. Der Plot ist in viele einzelne Erzählstränge aufgesplittet, zwischen denen Läckberg hin- und herspringt, was sich sehr positiv auf den Spannungsbogen auswirkt. Zusätzlich wirft sie immer wieder einen Blick zurück in die Zeit zwischen 1943 und 1945, um zu erzählen, wie es Ericas Mutter und ihrer Clique in jungen Jahren ergangen ist.

Was Läckbergs Romane neben dem spannenden Verlauf dank der beständigen Perspektivenwechsel ausmacht, ist die menschliche Seite. Läckbergs Figuren wirken sehr authentisch und zu keinen Zeitpunkt überzeichnet. Unterhaltsame Schilderungen des Alltags der Protagonisten sind nicht bloß Füllmaterial, sondern ein markantes Merkmal ihrer Romane. Immer wieder schafft sie Platz für intime Augenblicke, die Einblick in das Seelenleben ihrer Figuren ermöglichen und würzt das Ganze mit ihrer augenzwinkernden Sichtweise. Besonders an Patriks Vorgesetztem Bertil Mellberg hat Läckberg stets ihre humoristische Seite ausgelebt. Das ist auch diesmal wieder der Fall, allerdings zeigt sie dem Leser Mellberg diesmal auch von einer ganz anderen Seite, was eine schöne Bereicherung ist.

Positiv fällt auch Paula auf, die ihren Dienst in Fjällbäcka neu angetreten hat und eine echte Bereicherung für die dortige Polizei darstellt. Mit Paula hat Läckberg wieder einmal eine Figur geschaffen, die man schnell ins Herz schließt und die man für die Zukunft nicht mehr missen möchte. Auch der Fall an sich ist sehr überzeugend konstruiert. Die Geschichte bleibt bis zum Finale spannend und die Auflösung besticht durch ihre Plausibilität.

_Bleibt unterm Strich_ also nur jede Menge Lob. Nachdem Läckberg mit „Die Totgesagten“ ein wenig geschwächelt hat, läuft sie nun mit „Engel aus Eis“ wieder zu alter Form auf und legt einen rundum gelungenen Krimi vor, der zu den besten gehört, die sie belang geschrieben hat. Erica und Patrik bleiben uns hoffentlich noch lange erhalten, und wenn Camilla Läckberg auf dem jetzigen Niveau weiterschreibt, darf man sich schon auf viele weitere schöne Schmökerstunden freuen, in denen man auf Reise ins schwedische Fjällbäcka gehen darf.

|Hardcover: 503 Seiten
Originaltitel: Tyskungen
Aus dem Schwedischen von Karin Frey
ISBN-13: 978-3-471-35015-7|
[www.ullsteinbuchverlage.de/listhc]http://www.ullsteinbuchverlage.de/listhc

Lueg, Lars Peter – Jack Slaughter 12: Der dämonische Hellseher (Hörspiel)

_|Jack Slaughter|:_
Folge 1: [„Tochter des Lichts“ 5532
Folge 2: [„Tochter des Lichts 2: Professor Dooms Erwachen“ 5552
Folge 3: „Das Tor zur Hölle“
Folge 4: [„Virus in Jacksonville“ 6065
Folge 5: [„Am Ende der Welt“ 6079
Folge 6: [„Im Land der Vampire“ 6082
Folge 7: „Dr. Jekyll und Mrs. Hyde“
Folge 8: „Das Herr der Finsternis“
Folge 9: „Die Wurzel des Bösen“
Folge 10: [„Werwolf im Schafspelz“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6386
Folge 11: [„Im Haus des Todes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6508
Folge 12: _“Der dämonische Hellseher“_

_Story_

Ausnahmezustand in Jacksonville: Professor Doom und sein langjähriger Kupferstecher Basil Creeper geraten in einen Clinch ob Dooms zeitweiliger Pause im Kampf gegen Jack Slaughter und Co. Der müde Professor entlässt seinen Schützling und seinen Delfin Flopper und widmet sich einer Selbsthilfegruppe, in der er den betriebsamen John Turner kennenlernt. Ebenfalls mit den Mächten des Bösen im Bündnis kooperiert er in der Folge mit Doom und schürt durch einen Wust an Briefnachrichten den Hass der Bürger, die sich mit einem Mal gegenseitig zerfleischen. Doch Jack ist gewarnt, zunächst durch Grandma Abigail, schließlich aber auch von seinem alten Kumpan Zoran Lovari, der ihm erst vergegenwärtigt, wer und was sich tatsächlich hinter Turner verbirgt. Als Slaughter allerdings die schreckliche Wahrheit realisiert, laufen die Menschen in Jacksonville bereits mordend durch die Straßen …

_Sprecher:_

Erzähler – Till Hagen
Jack Slaughter – Simon Jäger
Dr. Kim Novak – Arianne Borbach
Tony Bishop – David Nathan
Mr. Ming – Fang Yu
Professor Doom – K. Dieter Klebsch
Basil Creeper – Rainer Fritzsche
Flopper – Delphin Mitzi
Frank Stoner – Jan Spitzer
John Turner – Lutz Riedel
Sitzungsleiter – Oliver Siebeck
Grandma Abigail – Gisela Fritsch
Rick Silver – Dennis Schmidt-Foss
Sunset River – Schaukje Könning
Chuck Novak – Tobias Klucker
Bob – Andy Matern
White Silk – Ulrike Stürzbecher
Zoran Lovari – Tilo Schmitz

Idee, Konzeption & Story: Lars Peter Lueg
Dialogbücher: Devon Richter & Nikola Frey
Musik, Arrangements & Instrumente: Andy Matern
Weitere Gitarren:Stefan Ellerhorst
Regie, Produktion & Dramaturgie: Lars Peter Lueg
Aufnahmeleitung: Anno Storbeck
Artwork, Illustration, Grafik: Alexander Lux, torius
Product Management: dp

_Persönlicher Eindruck:_

Das Dutzend ist voll, und eigentlich wäre es mal an der Zeit, ein Resümee zu erarbeiten, einen Rückblick zu entwerfen oder einfach nur mal einen Punkt unter das zu setzen, was Lars Peter Lueg und sein Team in den vergangenen beiden Jahren mit der Tochter des Lichts erreicht haben. Allerdings lässt die aktuellste Produktion aus dem wilden, völlig durchgeknallten Kosmos von „Jack Slaughter“ seinen Fans und Kritikern hierzu überhaupt keine Gelegenheit. Denn statt sich einfach nur mit einer neuen Story zu beschäftigen und die Basics modifiziert auszuspielen, greifen Drehbuch und Regie zu den Mitteln des Supergaus – und schaffen damit die größte Überraschung in der bisherigen Geschichte des Hörspiel-Helden aus dem Folgenreich-Verlag.

Die größte Palastrevolution im eigenen Haus steht schon im dritten Kapitel der neuen Episode „Der dämonische Hellseher“ an: Basil Creeper und Professor Doom werden getrennt, nachdem Creeper sich erstmals gegen sein bisheroiges Idol aufgelehnt und dessen Methodik angezweifelt hat. Creeper fordert mehr Bösartigkeit und weniger Unterwürfigkeit und brüllt gegen das lapidare Getue seines Meisters. Die Folge: Ein handfester Streit, aus dem ausgerechnet der kriechende Taugenichts als Sieger hervorgeht. Wer hätte gedacht, dass die Serie es irgendwann einmal so weit bringen würde.

Aber auch im Rahmen der teuflischen Handlung entstehen weitere ungeahnte Konflikte zwischen Persönlichkeiten, die sich ansonsten unheimlich nahestehen. Ausgelöst vom neuen Schmutzfinken John Turner erhalten alle Bürger von Jacksonville einen Brief, in dem eine gefälschte Aussage einer weiteren Person als Beleidigung aufgeführt wird. Kim Novak soll in den Augen ihres Bruders zu fett sein, der wiederum eilt erbost zu seiner Model-Schwester, weil die seine Kampfkunst als brutales Ballett abgestempelt hat. Und so geht es munter weiter, bis sich selbst die entspanntesten Menschen Jacksonvilles an die Wäsche wollen. Selbst Doom, hier ein zerbrechlicher Spiegel seiner selbst, muss sich seiner eigenen Genialität im Zuge einer anhaltenden Depression beugen, geht plötzlich den Leidensweg und schmeißt sogar seinen Lieblingsdelfin Flopper raus, weil er dessen Anschuldigungen nicht mehr ertragen kann.

Die inhaltlichen Entwicklungen haben schließlich auch eine klare Auswirkung auf den Sprachgebrauch, der weitaus offensiver ist als in den bisherigen Hörspielen. So manches Kraftwort kommt dem einen oder anderen Darsteller über die Lippen, allerdings scheint dies bei der deutlich erhitzten, manchmal fast schon aggressiven Stimmung, die zwischen den Handelnden herrscht, auch durchaus angebracht. Oder anders gesagt: Während die meisten klassischen Jugendhörspiele derzeit versuchen, durch eine sprachliche Neuorientierung ihr Publikum zu wahren (und es dabei eigentlich verprellen), ist die Sache bei „Jack Slaughter“ absolut authentisch und auch passend gewählt.

Zuletzt sei noch erwähnt, dass der Humor in keiner Folge so pechschwarz und derbe war, dementsprechend aber auch noch nie so stark. Geradeso, als würde man sie herausfordern, poltern die Herrschaften hier munter drauf los, übersteigen Grenzen, vor denen man sich bis dato gescheut hatte. Das macht Lust auf mehr, erscheint wie eine Revolution in dem nicht immer stabilen Setting dieser Produktion und ringt dem Rezensenten schließlich auch eine ganz klare, unumstößliche Meinung ab: „Der dämonische Hellseher“ ist, wenigstens was den Entertainment-Faktor betrifft, die mit Abstand stärkste Folge in der nunmehr zwölfteiligen Serie!

|Audio-CD: ca. 65 Minuten Spielzeit
ISBN-13: 978-3-8291-2358-7|
[www.jack-slaughter.de]http://www.jack-slaughter.de
[www.lpl.de]http://www.lpl.de
[Myspace-Website]http://www.myspace.com/jackslaughtertochterdeslichts
[www.folgenreich.de]http://www.folgenreich.de
[www.universal-music.de]http://www.universal-music.de

Göllner, Marco – Mädchen in der Pestgrube, Das (Dorian Hunter 12) (Hörspiel)

_Story:_

Auf Geheiß der ‚Schwestern der Gnade‘ reist Dorian Hunter nach Wien, um dort endgültig Details über eine mögliche Vernichtung Asmodis aufzuspüren. Direkt unter dem Stephansdom sollen sich der Legende nach einige geheime Katakomben befinden, in denen Asmodi seinerzeit ein bestialisches Pfand hinterlegt hat, und das schließlich der Schlüssel zum Erfolg sein soll. Doch das Opfer, welches sich in den Händen der Reichnitz-Schwestern Elisabeth und Marie befinden soll, scheint nicht das zu sein, was Hunter sich erhofft hat. Der Dämonen-Killer wird unfreiwillig Zeuge eines teuflischen Rituals, welches das Vermächtnis Asmodis einerseits in Frage stellt, andererseits aber auch klarstellt, dass Hunter offenbar wieder zu spät gekommen ist. Ein gewisser Michael Zamis hat längst einen Weg gefunden, Asmodi zu überlisten und sich seine Mächte anzueignen. Doch was heißt dies für die Schwarze Familie und Dorian selbst?

_Sprecher:_

Dorian Hunter – Thomas Schmuckert
Norbert Helnwein – Haso Zorn
Michael Zamis – Douglas Welbat
Asmodi – K. Dieter Klebsch
Schwester Hercy – Luise Lunow
Schwester Mercy – Jessy Rameik
Ferdinand Dunkel – Markus Pfeiffer
Ferdinands Vater – Bernd Rumpf
Creeper – Thomas Nicolai
Steffi – Steffi Kirchberger
Mr. Davenport – Oliver Kalkofe
Regina Vlcek

Aufnahen: Alexander Rieß, Gary Stack
Produktion: Dennnis Ehrhardt, Zaubermond Verlag
Skript: Marco Göllner, Dennis Ehrhardt
Regie und Tonproduktion: Marco Göllner
Musik: MoorlandMusic
Titelmusik: Joachim Witt
Illustrationen: Mark Freier
Layout: Sebastian Hopf
Product Management: dp

_Persönlicher Eindruck:_

Mit der insgesamt bereits zwölften Hörspiel-Episode um den berüchtigten und beliebten Dämonen-Killer Dorian Hunter holen die Macher der Serie zum großen Schlag aus. Zwar gibt die Romanvorlage grob die Richtung vor, doch für Marco Göllner und sein Team schien die Herausforderung außerordentlich groß, die drei Zeitebenen der Handlung gleichmäßig aufzuteilen, die Spannung derweil aufrechtzuerhalten, aber auch die Komplexität auf inhaltlicher Ebene nicht zu überreizen. Herausgekommen ist schließlich – und das definitiv gegen alle Erwartungen – ein relativ entspanntes Kapitel mit vielen kleinen Teilepisoden und einem Sprecherteam, welches besser kaum aufeinander hätte abgestimmt sein können. Unterdessen setzt die Handlung genau dort die Akzente, wo sie am nötigsten gebraucht werden, nämlich in der Strukturierung der einzelnen Erzählstränge, und mausert sich peu a peu zum bis dato größten Ereignis im Rahmen dieser Serie. Sehr gut!

„Das Mädchen in der Pestgrube“ beginnt zunächst derart gelassen, dass man nicht glauben mag, welche rasanten Entwicklungen die Geschichte im späteren Verlauf noch nehmen soll. Helnwein und Hunter philosophieren relativ locker über die Geschehnisse der Vergangenheit und Dorians spezielle Fähigkeiten, lassen sich aber auch im Hinblick auf die drängenden Szenenwechsel nicht aus der Ruhe bringen und halten unbeeindruckt an ihrem sinnbildlichen Plausch fest. Doch dann geht es Schlag auf Schlag: Die Zusammenhänge lichten sich, Asmodis Geschichte wird ebenso erzählt wie das tragische Drama um das junge Hausmädchen Steffi und ihren Geliebten Ferdinand Dunkel, und ehe man sichs versieht, gewinnt die Story mal wieder komplett frische Handlungsebenen, justiert die inhaltliche Ausrichtung mal wieder gänzlich neu, bringt an den entsprechenden Stellen aber dennoch die Querverweise zu all dem, was hinter „Dorian Hunter“ steckt.

Allerdings könnte „Das Mädchen in der Pestgrube“ auch für sich alleine existieren, denn trotz der bestehenden Verlinkungen zu älteren Hörspielen ist der Plot eigenständig, erarbeitet sich eine vorzeigbare Spannungskurve und bietet so viele unterschiedliche Stränge, dass selbst „Dorian Hunter“-Profis gelegentlich damit ringen müssen, die Fassung zu bewahren. Dies gelingt vorwiegend deshalb, weil der gesamte Vortrag sehr harmonisch gestaltet wird und die Sprecher ihre Passagen sehr emotional, aber schließlich dennoch mit der nötigen Ruhe darbieten. Der Plot offeriert genügend Gelegenheiten, in Hektik zu verfallen, doch schon der Ansatz einer solchen Entwicklung wird mit viel Geschick und klugen Breaks im Keim erstickt.

Doch noch einmal zum Inhalt: Wahrlich spektakulär, was aufgefahren wird, und wie es von der „Dorian Hunter“-Mannschaft im Hörspiel interpretiert wird. Die Ereignisse überschlagen sich, aber die Ruhe innerhalb der Erzählung wird stets aufrechterhalten, was stellenweise sogar fast schon gespenstisch souverän wirkt. Lediglich in den Schlussmomenten folgt dann doch noch der Showdown, den man lange Zeit vorausgeschoben und fast schon perfide und fokussiert vorbereitet hat. Und der standesgemäße Cliffhanger kann auch als endgültiger Neuanfang für einen neuen übergeordneten Strang betrachtet werden. Denn alles in allem steuert „Das Mädchen in der Pestgrube“ fast ausschließlich darauf zu, den schon länger angedeuteten Übergang zu meistern und ihn vollständig zu vollziehen. Insofern: Neue Ebenen wurden aufgerissen, alte Elemente beibehalten, zukunftsträchtige Inhalte spannend gemacht: „Dorian Hunter“ nimmt in der aktuellen Episode wieder so richtig Fahrt auf und vermittelt den Eindruck, als wolle man erst jetzt so richtig durchstarten. Weiter so, liebes Team!

|Audio-CD mit ca. 75 Minuten Spieldauer
ISBN-13: 978-3-8291-2380-8|
[www.folgenreich.de]http://www.folgenreich.de
[www.marcogoellner.de]http://www.marcogoellner.de
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_“Dorian Hunter“ bei |Buchwurm.info|:_
[„Im Zeichen des Bösen“ 5432 (Folge 1)
[„Das Henkersschwert“ 5477 (Folge 2)
[„Der Puppenmacher“ 5585 (Folge 3)
[„Der Folterknecht – Die Nacht von Nancy“ 6382 (Folge 10, Teil 1 von 2)
[„Der Folterknecht – Hexenhammer“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6384 (Folge 10, Teil 2 von 2)
[„Schwestern der Gnade“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6507 (Folge 11)

Hill, Joe – Teufelszeug

_Das geschieht:_

Vor einem Jahr ist das Leben von Ignatius Martin Perrish endgültig aus den Fugen geraten. Ohnehin das schwarze Schaf seiner Familie und im Gegensatz zum erfolgreichen Vater und berühmten Bruder beruflich erfolglos, wurde damals Merrin Williams, die Liebe seines Lebens, brutal ermordet aufgefunden. Weil sie sich an jenem Abend im Streit von Ig getrennt hatte, was viele Zeugen bestätigten, nahm die Polizei Ig als Täter fest. Die Beweiskette hielt jedoch nicht stand, und er kam auf freien Fuß. In seiner kleinen Heimatstadt im US-Staat Maine gilt Ig als nichtsdestotrotz als Mörder, der durch die Maschen des Gesetzes schlüpfen konnte. Die Polizei schurigelt, die Bürger meiden und verachten ihn. Sogar Lee Tourneau, Igs bester Freund seit Kindertagen, hat sich abgewendet; er wurde vom Alkohol ersetzt, dem Ig schon lange zu heftig zuspricht.

An die aktuelle Saufnacht kann sich Ig überhaupt nicht erinnern. Sie muss aber spektakulär gewesen sein, denn am Morgen sind ihm zwei Teufelshörner aus der Stirn gewachsen. Erschrocken bittet er seine Familie um Hilfe – und muss hören, dass ihn die Eltern ebenfalls für einen Mörder halten und sich seiner schämen: Wer sich dem gehörnten Ig nähert, unterliegt dem Zwang, ihn rückhaltlos in jedes intime Geheimnis einzuweihen. Bruder Terry gesteht ihm, in den Mord an Merrin verwickelt zu sein. Lee Tourneau hatte sie ermordet und die Indizien so manipuliert, dass Terry als Mittäter dagestanden hätte. In seiner Not hatte dieser Lee dabei geholfen, stattdessen Ig ans Messer zu liefern.

Der will Vergeltung. Aber die Macht der Hörner versagt bei Lee, der ihm stattdessen seinen Bodyguard Eric auf den Hals hetzt. Ig muss sich einen Plan ausdenken. Als Rächer ist er freilich denkbar untauglich. Er lotet seine neuen Fähigkeiten aus und entdeckt dabei interessante Möglichkeiten. Allerdings bleibt Lee, der sich als lupenreiner Soziopath entpuppt, inzwischen nicht untätig …

_Weiter nach unten geht immer!_

Die Geburt eines Höllenfürsten stellt man sich anders vor. Dass sich ausgerechnet der Nobody Ig Perrish in einen Teufel verwandelt, der darüber hinaus genauso aussieht, wie er in Kinderbibeln oder Comics abgebildet ist – rothäutig, gehörnt und mit Spitzbart -, stellt die satanische Mutation bereits in Frage. In der Tat ist und bleibt Ig auch in seiner neuen Inkarnation, was er als Mensch gewesen ist: ein armer Teufel.

Dies muss und sollte der Leser berücksichtigen, da sonst eine böse Überraschung droht: „Teufelszeug“ ist kein klassischer Horror-Roman und Ig alles andere als eine übermenschliche Gestalt, die entsprechende (Un-) Taten begeht. Ig ist ein Opfer, das meist reagiert. Versucht er zu agieren, geht dies in der Regel schief. Ig will auch kein Dämon sein, und als er versucht, seine neu gewonnenen Fähigkeiten trotzdem so einzusetzen, wie er es seinem teuflischen Äußeren schuldig zu sein glaubt, scheitert er kläglich: Ig ist auf den eigenen Mythos hereingefallen.

Die Verwandlung ist nur Station auf Igs Höllenfahrt durch das Finale des eigenen Lebens. Für ihn gibt es weder Rettung noch Wiederkehr. Dazu gibt es eine dreiteilige Vorgeschichte, der Autor Joe Hill viele Seiten widmet. „Teufelszeug“ erzählt von einer Freundschaft, die sich als schrecklicher Irrtum herausstellt, von einer Beziehung, deren wahre Tragik nicht in ihrem durch Mord begründeten Ende liegt, und von zwei Brüdern, die auf ungewöhnliche Weise wieder zueinanderfinden.

|Was möchte uns der Verfasser sagen?|

Der Literaturkritiker liest solche Worte mit Wohlgefallen. Ihm ist blanker Horror zu trivial, zu unterhaltsam; es fehlt ihm die Raffinesse, die den wahren Schrecken zumindest in seiner gedruckten Form auszeichnen sollte. Der weniger elitär eingestellte Leser denkt da oft anders, und ihm bleibt dabei ein Pfund, mit dem er argumentativ wuchern kann: Der literarische Schrecken ist oft denkbar langweilig.

Joe Hill ist kein Literat. Er versucht einfach, die tief ausgefahrenen Geleise des Horror-Genres zu vermeiden. In gewisser Weise gelingt ihm das. „Teufelszeug“ ist eben nicht die viel zu bekannte Story vom übernatürlich aufgepeppten Rachefeldzug eines Underdogs, dem das Schicksal die Kraft gegeben hat, es seinen Peinigern endlich zu zeigen.

In diesem Zusammenhang muss der Leser auf eine detailreiche Erklärung der Ereignisse verzichten. Hill begnügt sich mit Andeutungen, die der Leser selbst entschlüsseln kann (aber nicht muss). So gibt sich ein „L. Morgenstern“ als Erbauer des „magischen Baumhauses“ zu erkennen, das sich als Schnittpunkt zwischen den Zeiten herausstellt. In der Bibel wird der Morgenstern (= der Planet Venus) mehrfach „Luzifer“ (= „Lichtbringer“) genannt. Offenbar hat sich Satan nach seinem Himmelssturz einen gewissen Humor erhalten, denn es ist doch wohl er, der hinter Igs Metamorphose steckt. Wieso es dazu kam, bleibt indes offen.

|Das Rückgrat des Dackels|

Der Auftakt dieser Geschichte ist gut, und sie mündet in ein spektakuläres Finale, das auch den Horror-Puristen zufriedenstellen dürfte. Dazwischen gibt es leider viel Leerlauf. Wie Sheriff Kane in „12 Uhr mittags“ läuft Ig durch seine Heimatstadt und bittet um Hilfe. Stattdessen stößt er auf Ablehnung und offenen Hass, während Lee Tourneau, sein Todfeind, unerbittlich näher rückt. Ig muss sich ihm schließlich allein stellen, aber hier bleibt Hill dem Vorbild treu und bringt eine versöhnliche Note ein.

Bis es soweit ist, wiederholen sich die Ereignisse. Igs Versuche, die neue Persönlichkeit zu ergründen, treten auf der Stelle. Zahlreiche Rückblenden in die Vergangenheiten der Figuren tragen ebenfalls nichts zur Dynamik bei. Was Hill dort dramatisch aufblättert, hat er zuvor so gut skizziert, dass eine ausführliche Nacherzählung bloß überflüssige Wiederholungen bietet. Im Mittelteil hängt die Story dadurch spürbar durch. Als Novelle wäre „Teufelszeug“ vielleicht besser geraten.

|Pechvogel, Psychopath, Idealgefährtin & Bruderfreund|

Eine gewisse Ratlosigkeit hinterlässt Hills Figurenwahl und -zeichnung. Ig ist der reine Tor, dessen Sturz in den Abgrund auch zum Prozess einer Läuterung wird. Wirklich warm wird der Leser mit ihm jedoch nicht. Möglicherweise ist Hill zu erfolgreich in der Erschaffung einer Person gewesen, in deren Hirnschädel es nicht sonderlich hell leuchtet. Ig hatte seine Merrin, die ihn wohl so gut erdete, wie dies überhaupt möglich war. Besonders helle war sie allerdings ebenfalls nicht. Wie sonst hätte ihr entgehen können, dass ein Muster-Psychopath in ihrer direkten Nachbarschaft aufwuchs?

Wie ein dämonischer Bruder von Hannibal Lecter wirkt dieser Lee Tourneau übrigens nicht. Tatsächlich verdankt er sein erfolgreiches Wirken vor allem der kollektiven Hohlköpfigkeit seiner Mitbürger, denen der Riss in Lees Hirnwaffel unbemerkt bleibt. Ig, Merrin und Terry sind in dieses harsche Urteil ausdrücklich eingeschlossen: Nie haben sie nach Hill bemerkt, dass Lee der schönen Merrin ungesund und überhaupt hinterher gierte. Die überzeichnet Hill ohnehin kontraproduktiv als einen eher langweiligen Engel auf Erden, dem der Leser keine besonders freundlichen Gefühle entgegenbringt.

In einem Punkt kann Hill überzeugen: Zur Dummheit gesellt sich gern die Ignoranz. Niemand außer Lee und Terry hält Ig für unschuldig. Nicht einmal oder gerade die Polizei lässt sich durch die Beweislage eines Besseren belehren. Ig ist der ideale Sündenbock. Freudig nutzt man die Gelegenheiten, die sich aus dem sozialen Mobbing ergeben können: Das eigene kümmerliche Leben lässt sich aufwerten, indem man die noch Schwächeren mit Füßen tritt.

|Absturz mit Netz und doppeltem Boden|

Trotz der phantastischen Elemente bleibt „Teufelszeug“ ein konventioneller Unterhaltungsroman US-amerikanischer Prägung. So hart die Nackenschläge die Hauptfigur auch treffen, wirklich zu Boden geht sie nicht, und in totaler Niederlage mag Hill seinen Roman erst recht nicht enden lassen. Ig wird zusammengeschlagen und niedergeschossen, aber als ihm seine Widersacher den Gnadenstoß geben wollen, springt plötzlich Bruder Terry aus dem Gebüsch, lenkt die Strolche ab und gibt Ig die notwendigen Sekunden, in denen er sich verpusten, die Reste seiner Zurückhaltung abstreifen und endlich mit Gewalt zurückschlagen kann.

Terry war bisher nur Randfigur, und seine plötzlich hell auflodernde Bruderliebe nimmt man ihm nicht ab. Hill benötigt ihn, weil er Ig ohne eindeutige Erläuterungen aus der Handlung nimmt. Doch was wird aus dem nun endgültig geschlüpften Jung-Teufel? Die Frage ist berechtigt. Sie stellte Hill vor eine Herausforderung, der er sich nicht stellen mochte. Stattdessen begnügt er sich mit Andeutungen und lässt seine Geschichte mit einer langen, versöhnlichen, sehr banalen Coda ausklingen. Was immer uns Joe Hill mit „Teufelszeug“ sagen wollte, hat er handwerklich gut, aber nicht besonders stringent oder konsequent umgesetzt.

_Autor_

Joe Hill (eigentlich: Joseph Hillstrom King) wurde 1972 als zweiter Sohn der Schriftsteller Stephen und Tabitha King in Bangor (US-Staat Maine) geboren. Ende der 1990 Jahre begann er selbst zu schreiben. Sein Pseudonym wurde spätestens dann publicitywirksam enthüllt, als er 2007 mit „Heart-Shaped Box“ (dt. „Blind“) seinen ersten Roman, veröffentlichte, der solche flankierende Werbung durchaus gebrauchen konnte.

Dass Hill über eine eigene Stimme verfügen und ideenreich plotten kann, wenn er möchte, belegte er schon zwei Jahre früher mit der Storysammlung „20th Century Ghosts“ (dt. „Black Box“), für die er diverse Preise gewann (die allerdings im Literaturbetrieb recht inflationär ins Leben gerufen werden).

Über sein Werk berichtet Joe Hill, der mit seiner Familie in New Hamphire lebt, auf seiner Website. Dort findet man u. a. ein neckisches Online-Game namens „The Museum of Silence“, das auf der „Black-Box“-Story „Ein letzter Atemzug“ basiert und zur Zuordnung terminaler Schnaufer prominenter Persönlichkeiten auffordert.

|Gebunden: 544 Seiten
Originaltitel: Horns (New York : William Morrow, an imprint of HarperCollins Publishers 2010)
Übersetzung: Hannes Riffel
ISBN-13: 978-3-453-26561-5|
[www.randomhouse.de/heyne]http://www.randomhouse.de/heyne
[joehillfiction.com]http://joehillfiction.com

_Joe Hill bei |Buchwurm.info|:_
[„Blind“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3842
[„Black Box“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4539

Koser, Michael – Professor van Dusen 3: Mord bei Gaslicht (Hörspiel)

_Professor Dr. Dr. Dr. Augustus van Dusen:_

Folge 1: [„Eine Unze Radium“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6717
Folge 2: [„Das sicherste Gefängnis der Welt“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6672
Folge 3: [„Mord bei Gaslicht“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6718
Folge 4: [„Der Mann, der seinen Kopf verlor“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6685

_Story:_

Weldon Henley hat allen Anlass, um sein Leben zu fürchten. Bereits drei Attentate hat der Playboy überlebt, aber dennoch fühlt er sich in seiner Haut nicht sicher. Als die Gasleitungen in seinem Appartment offenkundig manipuliert werden, wendet er sich an Hutchinson Hatch und hofft, dass dieser seinen Freund und Kollegen Augustus van Dusen einschalten würde, um sein Zukunft zu sichern. Die ‚Denkmaschine‘ überlegt nicht lange und untersucht die Gegebenheiten, kann sich zunächst aber auch keinen Reim darauf machen, inwiefern der Täter des Nachts in die Wohnung Henleys gelangen sollte. Dann jedoch ergibt sich eine tragische Spur: Die Nachbarin des vermeintlichen Opfers, eine Zofe, stirbt an einer Gasvergiftung, wohingegen Henley kurz darauf angeschossen wird. Während alle Beteiligten noch stutzen und nach einem Reim für die Ereignisse suchen, hat der Professor und dreifache Doktor bereits die Puzzleteile zusammengefügt …

_Sprecher:_

Professor Dr. Dr. Dr. Augustus van Dusen – Friedrich W. Bauschulte
Hutchinson Hatch – Klaus Herm
Detective-Sergeant Caruso – Reinhard Kolldehoff
Weldon Henley – Wolfgang Condrus
Peter Crippen – Jürgen Thormann
Reginald Cable – Hans-Peter Hallwachs
Percival – Heinz Spitzner
Liftboy / Verkäufer / Telefonist – Heinz Welzel

_Persönlicher Eindruck:_

Die dritte Episode der vier erstmals in CD-Form veröffentlichten Hörspiele um den geschäftigen Professor van Dusen ist sicherlich diejenige mit der komplexesten Falldarstellung. Dabei beginnt die Story eigentlich nicht wirklich anders als die übrigen Titel der just via Folgenreich publizierten Silberlinge, soll heißen der Fall wird von außen an den Professor herangetragen, und dessen Job besteht lediglich darin, aus Erzählungen und Berichten Fakten zu sammeln, die er später für die Aufklärung der Geschichte. Allerdings nimmt das Ganze in den ersten Kapiteln bereits einen alternativen Verlauf und hangelt sich über mehrere Umwege bis zum Professor durch – und hier startet schließlich ein etwas komplexerer Komplex!

Es ist nämlich Hutchinson Hatch, van Dusens bis hierhin noch arg vernachlässigter Kumpan, dem in dieser Episode eine größere Bedeutung zukommt, und der schließlich auch die Verbindung zwischen Henley und dem Hobby-Kriminologen herstellt. Doch die Handlung konstituiert sich nicht immer nach logischen Gesichtspunkten, weil van Dusens Ermittlungsmethoden heuer ein wenig unkonventioneller sind und er sein Publikum nahezu überhaupt nicht an seinen Gedanken teilhaben lässt. Während sich im Vordergrund die Ereignisse überschlagen und in teils hektischen Dialogen aufgearbeitet werden, arbeitet der Protagonist still und heimlich an seiner Kombinationsgabe und spart sich sein Fazit diesmal erstaunlich lange auf, selbst wenn man den üblichen Schlussmonolog erfahrungsgemäß erwarten durfte.

Was bei „Mord bei Gaslicht“ schließlich ein bisschen störend wirkt, ist die Tatsache, dass man zwar mitfiebern, aber eben nicht nachvollziehen kann, wie sich die Ereignisse zutragen und zugetragen haben. Van Dusens Schlussplädoyer deckt zwar die wichtigsten Eckpunkte auf, de facto wäre der Spannungsaufbau aber noch konsequenter ausgearbeitet gewesen, hätte man die Details innerhalb der Story reifen und wachsen lassen. In diesem Punkt mag die Serie noch nicht so recht auf dem Stand der sicherlich vergleichbaren Maritim-Titel um den Helden aus der Baker Street stehen, hat aber zweifelsohne das Potenzial, irgendwann dorthin zu gelangen. „Der Mann, der seinen Kopf verlor“ hat dies eindrucksvoll belegen können.

Am Ende bleibt daher zu hoffen, dass „Van Dusen“ weitergeführt wird und die Macher des Hörspiels bzw. dieser Neuauflage sich dazu hinreißen können, weitere Episoden aus dem reichhaltigen Fundus der einstigen RIAS-Produktion auszugraben. Nicht nur der Unterhaltungswert, auch das kulturelle Erbe wäre verschenkt, würde man es bei diesem kurzen Aufbegehren belassen!

|Audio-CD
Spieldauer: 60 Minuten
ISBN-13: 978-3-8291-2400-3|
[www.universal-music.de]http://www.universal-music.de
[www.folgenreich.de]http://www.folgenreich.de

Koser, Michael – Professor van Dusen 1: Eine Unze Radium (Hörspiel)

_Professor Dr. Dr. Dr. Augustus van Dusen:_

Folge 1: [„Eine Unze Radium“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6717
Folge 2: [„Das sicherste Gefängnis der Welt“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6672
Folge 3: [„Mord bei Gaslicht“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6718
Folge 4: [„Der Mann, der seinen Kopf verlor“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6685

_Story:_

Gerade erst ein Jahr ist vergangenen, seit die Bedeutung des radioaktiven Elements Radium für die Forschung wieder ein enormes Interesse hervorgerufen hat. Dies ist auch dem renommierten Professot Dexter nicht entgangen, der den Stoff in seinem Laboratorium intensiv untersucht und eine ganze Unze zu wissenschaftlichen Zwecken dort beherbergt. Deswegen staunt er auch nicht schlecht, als eine rätselhafte Französin seine Räumlichkeiten betritt und ihm eine weitere Unze anbietet. Madame du Chateau-Neuf verlangt satte drei Millionen Dollar für ihren Stoff. Doch kaum hat sie das Büro des Professors verlassen, ist dessen eigenes Radium verschwunden. Außer sich vor Verwirrung und einer fehlenden Erklärung wendet er sich an seinen Kollegen und Hobbykriminologen van Dusen, der die Sache Stück für Stück aufarbeitet und auch die undenkbaren Fakten ans Licht bringt – und damit auch weitere Überraschungen …

_Sprecher:_

Professor Dr. Dr. Dr. Augustus van Dusen – Friedrich W. Bauschulte
Hutchinson hatch – Klaus Herm
Professor Dexter – Otto Sander
Madame du Chateau-Neuf – Lieselotte Rau
Monsieur Bertrand – Klaus Miedel
Detektiv Caruso – Rolf Marnitz
Labordiener – Franz Georg Stegers
Hotelportier – Kurt Pratsch-Kaufmann
Pensionswirt – Herbert Weißbach

_Persönlicher Eindruck:_

Es ergibt eigentlich nicht wirklich Sinn, die neu aufgelegten „Van Dusen“-Hörspiele bereits zu Beginn in falscher Chronologie zu veröffentlichen. Zum einen gibt es schlichtweg zu viele Querverweise auf bereits getätigte Fälle bzw. Produktionen, zum anderen entwickelt sich der Charme des eigenwilligen Wissenschaftlers und Hobbydetektivs erst peu à peu und ist vor allem zu Debützeiten noch nicht ganz so fein ausgeprägt wie in den Geschichten, die kurz darauf folgen sollten.

„Eine Unze Radium“, der ersten Episode der geschichtsträchtigen Kriminalreihe, merkt man jedenfalls an, dass es sich um einen Erstling handelt, selbst wenn die Story und die Akteure wirklich keine elementaren Schwächen offenbaren. Allerdings wirkt das Team um Bauschulte und Herm noch nicht ganz so trefflich aufeinander eingespielt und überlässt ganz offenkundig anderen Darstellern das Feld. So zum Beispiel Klaus Miedel, selber Hörspiel-Veteran, der seinen Part als Monsieur Bertrand wahrlich herausragend interpretiert und vor allem den Akzent prima herüberbringt. Seinem Redefluss zu folgen ist ein zusätzliches Vergnügen, welches der Story eine ungewollt humoristische Note verpasst, sie aber dadurch auch definitiv bereichert. Allerdings sind die Sprecher allgemein sehr gut aufgelegt, wirken halt nur im Zusammenspiel noch nicht so souverän, wie man es später in „Das sicherste Gefängnis der Welt“ bereits erfährt.

Die Story wiederum ist noch relativ stark auf den wissenschaftlichen Background des Professors zugeschnitten und offenbart noch keinen ganz so starken Spannungsaufbau. Leider verrät man bereits in den ersten Minuten zwischen den Zeilen zu viel über die noch folgenden Wendungen im Plot, so dass man elementare Entwicklungen der Erzählung bereits frühzeitig erahnen und voraussagen kann. Manches wirkt durchschaubar, anderes wiederum nicht, doch unterm Strich fehlt in den entsprechenden Passagen noch die Cleverness, etwas mehr Spannung und Prickeln zu kreieren, damit das kriminalistische Feeling nicht zu stark untergraben wird. Ein bisschen mehr von den zugehörigen Aufbauzutaten hätte es also schon sein können!

Ansonsten ist „Eine Unze Radium“ sicher ein guter Einstieg ins Hörspiel-Segment, gelegentlich vielleicht ausbaufähig, was die Intensität bei der Strukturierung des Story-Arrangements betrifft, aber letzten Endes dennoch hörenswert genug, um den Interessenten weiter bei der Stange zu halten – was sich im Übrigen als äußerst lukrative Option herausstellt, denn die Entwicklung selbst innerhalb der ersten vier Hörspiele dieser Serie ist wirklich absolut bemerkenswert! Und gerade deshalb sollte man nicht quereinsteigen, sondern sich langsam an die Welt des außergewöhnlichen Hauptdarstellers herantasten, dessen Regisseur im Übrigen in den anschließend eingespielten Randbemerkungen im Bonus-Abteil der CD anmerkt, dass es an der neuen Hörspiel-Generation liegt, ob die Serie weiter fortgesetzt wird. Hoffen wir, dass es eine rhetorische Frage bleibt!

|Audio-CD
Spieldauer: 50 Minuten
ISBN-13: 978-3-8291-2398-3|
[www.universal-music.de]http://www.universal-music.de
[www.folgenreich.de]http://www.folgenreich.de

Wulf Dorn – Kalte Stille (Lesung)

Für Wulf Dorn, den man nach verschiedenen kurzgeschichtlichen Veröffentlichungen erst 2009 mit „Trigger“ im Romansektor entdeckte, scheint die Schriftstellerei bergauf zu gehen. Schon der Romanerstling erschien bei dem großen Publikumsverlag Heyne und wurde zeitgleich als Hörbuch unter das Volk gebracht. In gleicher Weise ging man auch dieses Jahr mit dem zweiten Thriller aus seiner Tastatur um und präsentiert ihn so an vorderster Front – zu Recht, wie die Lektüre zeigt.

Der Psychiater Bernhardt Forstner erlitt einen Autounfall auf einer verschneiten Straße im Wald. Seine Gedanken kreisten um seinen Sohn Sven, doch seine letzten Worte waren abgrundtiefer Hass auf den Mann, der ihn kurz vor seinem Tod fand und verenden ließ.

Jahre später kehrt sein Sohn Jan Forstner in seinen Heimatort zurück. Er ist ebenfalls Psychiater und ein herausragender Arzt, doch ein Zwischenfall, bei dem er einen Patienten verprügelte, ließ seine Reputation ins Bodenlose fallen. Der Klinikleiter in seinem Heimatort, ehemals guter Freund seines Vaters, bietet ihm einen Posten an – unter der Auflage, dass er sich von einem Kollegen therapieren lässt. Denn Jan Forstner hat ein schweres Trauma aus der Kindheit: Sein Bruder Sven verschwand in eiskalter Winternacht spurlos, und Jans laufendes Diktiergerät enthält nichts – nur kalte Stille …

Der Titel scheint sich an typischen Vorgaben zu orientieren und mehr auf rhetorischer Ebene eine Wirkung anzustreben, zumindest, solange man noch keinen Einblick in die Geschichte erhalten hat: Dort hat er nämlich eine handfeste Bedeutung, in erster Linie für den Protagonisten Jan Forstner, der seit jener Nacht seiner Kindheit das Tonbandgerät stets bei sich trägt und in der Aufzeichnung der eisigen Winternacht nach Spuren sucht, die ihm Anhaltspunkte über den Verbleib seines jüngeren Bruders geben könnten.

Wulf Dorn hat sich wirklich einen traumatisierenden Aufhänger gesucht. Das Verschwinden des kleinen Sven hat nichts mit konstruierten Fällen zu tun, die einem so häufig in anderen Romanen begegnen und deren einziger Zweck es ist, die Situation notdürftig zu erklären. Bei Dorn hat das Ganze Hand und Fuß und wirkt darum umso schrecklicher. Man stelle sich vor: Ein Kind lässt seinen Bruder nachts für wenige Momente allein auf einer Parkbank, um ungestört zu pinkeln – und als er zurückkehrt, ist der Bruder spurlos verschwunden! Der Schrecken und die Panik müssen für die Familie unerträglich sein, und so ist es auch nicht Jan allein, der traumatisiert aus dem Geschehnis heraus kommt.

Der Verdacht liegt vom ersten Moment an bei einem Arbeitskollegen von Jans Vater. Um wen es sich handelt, wird natürlich nicht verraten, doch Dorn versteht es geschickt, den Hörer in die Irre zu führen. Man meint recht schnell – zu schnell – , des Rätsels Lösung gefunden zu haben, was zum einen ein enttäuschendes Gefühl ist, zum anderen aber auch misstrauisch macht, da es einfach zu leicht anmutet. Doch sprechen lange alle Indizien für den Verdacht, die Enttäuschung nimmt zu und mündet schließlich in einer umso größeren Überraschung – hoffentlich nicht zu spät, denn es ist zwar ein durchweg spannendes und gut erzähltes Hörbuch, doch bleibt hier jeder Leser am Ball, wenn er mit jedem Indiz seinen Verdacht bestätigt sieht und sein Unmut über diese Einfachheit wächst? Die Qualität der Irreführung ist hier vielleicht zu hoch, der Hörer zu einseitig auf ein Ziel fokussiert.

Die für einen Psychothriller typischen Verdächtigungen, Erinnerungen, die Steuerung zur Katastrophe und die damit verbundene Anhäufung von Indizien, die dem Hörer Ahnungen bescheren und bei vorangeschrittener Geschichte die Erwartung auf den finalen Schlag und Beinahe-Sieg des Gegners mit der Adrenalinpeitsche hoch jagt, all das sind handwerkliche Eigenschaften, die Wulf Dorn in hoher Meisterschaft beherrscht und zu einem runden Ganzen formt, in das sich der Hörer schon nach wenigen Sätzen hineinversetzt fühlt. Die Auflösung aller Rätsel geschieht dann schwupp-diwupp in einem kaum unterbrochenen Monolog des Bösewichts, auf den ein typischer rasanter Showdown folgt, bei dem sich der Protagonist zwischen Rache und Menschlichkeit entscheiden muss.

Nach dem Höhepunkt scheint es so, als wolle Dorn die Geschichte noch entspannt ausklingen lassen, doch hat er auch für das Ende noch einen Gänsehautfaktor parat, der mit der kalten Stille auf dem Tonbandgerät und einer übernatürlichen Lektüre des kindlichen Jan Forstner erzeugt wird.

David Nathan, bekannt zum Beispiel als Synchronsprecher Johnny Depps, macht einen hervorragenden Job als Leser. Die Schnitzer, die Wulf Dorn selbst bei seiner Autorenlesung seines Romanerstlings „Trigger“ unterliefen, braucht man bei Nathan nicht zu suchen. Allerdings hat es auch einen ganz eigenen Charakter, wenn ein Autor seine Geschichte selbst erzählt und die Stimmung genau so transportiert, wie er es sich beim Schreiben vielleicht vorstellte.

„Kalte Stille“ ist ein insgesamt sehr überzeugender Psychothriller, dessen hohe irreführende Qualität anfangs für Unruhe beim Hörer sorgt, dessen Unterhaltungswert aber jeder Empfehlung gerecht wird. Der Roman bietet Gänsehaut, betroffenes Mitgefühl, Adrenalinschauer, eine wirklich durchdachte Story und nochmals Gänsehaut, womit er das Prädikat „Besonders Unterhaltsam“ auf jeden Fall verdient.

6 Audio-CDs mit 431 Minuten Spieldauer
Gelesen von David Nathan
ISBN-13: 978-3785744390

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Charles Stross – du bist tot

Es ist fast wie ein Krimi: Während Sue, ihres Zeichens Seargeant bei der schottischen Polizei, in einem Einbruch ermitteln soll, wird die Versicherungsangestellte Elaine zum gleichen Fall hinzugezogen, um eventuelle Haftungsausschlüsse zu eruieren. Die betroffene Firma ihrerseits engagiert einen Spiele- und Softwareentwickler, der durch sein Verständnis der Spielewelten Zugang zu den Schemata und Vorgehensweisen der Täter finden und so den Ermittlern die Möglichkeit geben soll, den Fall zu klären.

Verwirrung stiftet vor allem die Tatsache, dass das Verbrechen in einer Online-Spielewelt verübt wurde. Die betroffene Firma Hayek stellt ihrerseits nämlich die Versicherung einer spielübergreifenden Bank dar, in der die Spieler ihre Beute einlagern und bei Bedarf abholen können. Und in dieser Bank wurden eben jene Artefakte „gestohlen“, was einen Schaden in unvorstellbaren Höhen darstellt.

Die verschiedenen Parteien geraten bei ihren Ermittlungen in einen Strudel geheimdiensttechnischer Absurditäten und undurchschaubarer Zusammenhänge zwischen Onlinespielen, Staatenverwaltung und Mastercodes, sodass als Essenz die Erkenntnis Gestalt annimmt, vor einer allübergreifenden Infiltration und Übernahme des schottischen Verwaltungsapparates zu stehen. Die Verwicklungen reichen bis in die höchsten Machtebenen, bestimmen die Geheimdienste Chinas, Schottlands und der EU und sind nur ein Spielball einer unbekannten Gruppe von Onlinespielern, die sich „Das rote Team“ nennt und mit den Systemen der Staaten eine Art „Capture the flag“ spielen.

Die Handlungsebenen sind vielschichtig und zu Anfang schwer zu durchschauen, da der Blickwinkel von Kapitel zu Kapitel wechselt, wobei der Stil der Erzählung es nicht sofort offenbart, wer sich als Protagonist oder Betrachter oder Angesprochener präsentiert. Nur eine ungünstig platzierte Überschrift in der falznahen oberen Ecke jedes Kapitelbeginns nennt den Namen desjenigen, durch dessen Augen wir die Szenerie betrachten. Stross bedient sich einer ungewöhnlichen Erzählstimme, er schreibt in der Du-Form und spricht damit immer den jeweiligen Protagonisten an, wodurch eine öftere Nennung des Namens entfällt, wie sie beim unpersönlichen Erzähler in der dritten Person sonst gegeben wäre. Damit erreicht er natürlich eine ungeheure Nähe zum Leser, der sich stets vom „Du“ angesprochen fühlt, auch wenn es beispielsweise um Sätze geht, wie „Du setzt deine Datenbrille auf und loggst dich in den Copspace ein“.

Apropos Copspace: Wir befinden uns in einer recht nahen Zukunft, in der sich Schottland Souveränität erworben hat, die EU aber weiterhin existiert und auch sonst noch typische Strukturen vorherrschen. Das Internet ist allgegenwärtig, man ist über die Datenbrillen ständig damit gekoppelt, verfügt somit über direkte Navigation im Straßenverkehr, über immer abrufbare Informationen über seine Umgebung (zum Beispiel das nächste Hotel, Kritiken von Restaurants, Suchergebnisse über unbekannte Personen etc.) und ist immer erreichbar. Ohne Brille fühlt man sich nackt, die Brille bietet eine erweiterte Sicht auf das Umfeld, indem auch Markierungen und Informationen direkt beim Auftauchen von Objekten im Sichtfeld eingeblendet werden. Erweitert wird das Ganze im Copspace, einer den Polizisten vorbehaltenen Ebene, die auch Wohnungen und Personen polizeirelevant charakterisiert.

So viel zum Umfeld. Die Geschichte selbst entwickelt sich anfangs etwas verworren durch oben genannte Charakterzüge und den Umstand, dass die oberflächlichen Probleme recht unbedeutend erscheinen – wie als Mittel zum Zweck, als sei die Zukunftsdarstellung das Motiv der Geschichte. Doch die Täuschung löst sich bald auf, wenn die Zusammenhänge immer undurchsichtiger werden und sich nur langsam ein Bild von den Geschehnissen ergibt, die ein extrapoliertes Gefahrenpotential auch heute schon vorhandener Mängel im digitalen Datenverkehr aufzeigen und thematisieren. Im Gegensatz zu anderen ähnlichen Ansätzen des Genres zu diesem Thema im Jahr 2010 (wie Doctorows „Little Brother“ oder Suarez‘ „Daemon“) umspinnt Stross dieses Zentrum mit einer verwickelten Agenten- und Ermittlungsgeschichte, aus der sich erst spät die Betroffenheit beim Leser herausschält, mit der man als uneingeweihter Bürger, als reiner Nutzer der Datensphäre und machtloses Opfer zahlreicher diesbezüglicher Fehlentscheidungen und -einschätzungen durch Regierungen reagiert, wenn der Daumen so brutal auf die wunden Stellen des ach so hilfreichen, sicheren und allmächtigen Systems der elektronischen Datenverarbeitung und Kommunikation gelegt wird.

Faszinierend für die einen, erschlagend für die anderen und vielleicht oberflächlich für die wenigen ist das Vokabular der Geschichte, wohl je nach Einweihungsgrad des Lesers. Man spricht über Onlinespiele, über Datenerfassung, Vernetzung, entsprechende Gesetze, Gesetzeslücken, Systeme und Protokolle. Dabei dürfte dem interessierten Leser sicherlich der umfangreiche Anhang helfen, auch wenn der Lesefluss es uns eigentlich verbietet, zwischendurch nach hinten zu blättern, um die Erklärung eines Fachausdrucks vielleicht zu finden. Doch muss man hier die Mühe anerkennen, die sich Stross mit seinen nichteingeweihten Lesern gemacht hat, um allen Zugang zu seinem sonst in üblicher Weise hoch unterhaltsamen und spannenden Roman zu ermöglichen.

Bei Stross erkennt man einen Trend in der modernen Sciencefiction. Wie sich schon die herausragenden Autoren früherer Jahre mit den Entwicklungen der Gesellschaft auseinandersetzten und zu extrapolieren versuchten, beschäftigt sich die moderne Genreliteratur mit den bedenklichen oder zu überdenkenden Entwicklungen, die sich aus unserer Gegenwart ergeben – und wo anders, als in Bezug auf das Internet und die Vernetzung der Kommunikation allgemein, erkennt man schon heute lebende Sciencefiction? Unbestreitbar lauern hier noch unbedachte Gefahren, die gerade durch die rasante Entwicklung vielleicht schneller zu globalen Problemen führen können, als man sich auszudenken vermag. Es gibt viele Baustellen für einen kritischen Schriftsteller, aber die Beschleunigung in der Kommunikation lässt sowohl visionäre als auch besorgniserregende Blicke in die Zukunft zu.

Mit „du bist tot“ eröffnet Stross einen unerwartet betroffenen Blick auf einen gefährdeten Nerv unserer Zivilisation – und das macht er blendend unterhaltsam! Ein Höhepunkt des Jahres!

Taschenbuch: 544 Seiten
Originaltitel: Halting State
Deutsch von Usch Kiausch
ISBN-13: 978-3453526877

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Sophie Kinsella – Mini Shopaholic

Becky ist zurück, und das schon zum sechsten Mal! Viele turbulente Abenteuer haben wir mit ihr bereits durchgestanden, doch in diesem Buch trifft es sie besonders hart: Da die Wirtschaft in einer dicken Krise steckt und Banken pleite machen, ist Sparen angesagt. Beckys Mutter bekommt Einkaufsverbot von ihrem Mann auferlegt und auch Becky gibt ihrem Mann Luke in einer schwachen Minute das Versprechen, jedes Teil aus ihrem Kleiderschrank dreimal anzuziehen, bevor sie sich etwas Neues gönnt. Doch hätte sie natürlich nie damit gerechnet, dass sie somit ein Dreivierteljahr lang Shoppingpause einhalten muss. Da hilft nur eins: Mehr für ihre zweijährige Tochter Minnie einkaufen, gerne auch auf Vorrat, beispielsweise ein schickes Abendkleid, das Minnie zu ihrem 21. Geburtstag anziehen und bis dahin ihrer Mutter leihen könnte.

Becky Brandon, ehemals Bloomwood, ist also trotz Finanzkrise ganz die Alte geblieben. Shopping geht ihr über alles und das zeigt sich auch an Minnie, die leicht verwöhnt scheint, da ihr jeder Wunsch von den Augen abgelesen wird. Es ist nicht alles rosig in diesem Shopaholic-Roman, denn der Hauskauf zieht sich immer länger hin, sodass Becky, Luke und Minnie immer länger bei Beckys Eltern wohnen müssen. Denen geht es allerdings langsam auf den Keks, dass überall Zeugs herumsteht und Becky sogar die Garage mit ihrem Kram voll gestellt hat.

Im Job dagegen läuft es für Becky bestens, da sie die Wirtschaftskrise voll für sich nutzen kann: Viele ihrer Kundinnen haben von ihren reichen Ehemännern ein Einkaufsverbot erteilt bekommen, doch Becky hat die rettende Idee: Die neu geshoppten Klamotten werden unauffällig in einem Karton mit dem Aufdruck „Druckerzubehör“ geliefert oder in einem Altkleidersack von einer spendablen „Nachbarin“ gebracht, die in diesem Fall natürlich Beckys Kollegin Jasmine ist. So geht der Umsatz in Beckys Abteilung rapide bergauf, bis ihr Chef zu fragen beginnt, was ihr Erfolgsgeheimnis ist und Becky aufzufliegen droht …

Langeweile kommt auch in diesem Buch nicht auf, denn Becky hat sich vorgenommen, Luke zu seinem Geburtstag mit einer großen Party zu überraschen, da er seinen Geburtstag sonst nie feiert. Großspurig hat Becky erklärt, dass sie dafür keinerlei Hilfe benötigen würde. Doch schnell muss sie erkennen, dass es tausend Dinge gibt, an die sie denken muss und dass man nichtmal eben schnell ein großes Festzelt gegen zwei Handtaschen tauschen kann. Probleme sind also wieder einmal vorprogrammiert, damit aber auch Beckys oft unkonventionelle und umso witzigere Lösungswege!

_Einkaufssüchtig_

Auch in diesen Buch treffen wir auf Becky Brandon, wie wir sie kennen und lieben. All ihre Gedanken kreisen nur ums Shoppen. Und auch als sie eigentlich Shoppingverbot hat, erfindet sie Ausreden, wie sie schließlich doch etwas kaufen kann. Beispielsweise indem Tochter Minnie als Ausrede herhalten muss für ein feines Abendkleid, das dieser noch etwa 19 Jahre lang nicht passen dürfte. Als auch Beckys Mutter immer schlechtere Laune in Anbetracht des Einkaufsverbots bekommt, überfallen die beiden gemeinsam mit Nachbarin Janice und Beckys Schwester Jess einen Pound-Shop, wo alles – wie der Name schon sagt – nur ein Pfund kostet. Doch ein halbes Dutzend vollgepackte Einkaufstüten voller Artikel gelten natürlich eigentlich auch als Einkauf …

Und so kommt es wie es kommen muss: Eine Nanny, die eigentlich herausfinden soll, wie man Minnies Aufmüpfigkeit kurieren kann, stellt fest, dass Becky nicht nur gerne einkauft, sondern süchtig ist nach Shoppen und daher in Therapie gehört. Das gefällt dieser selbstverständlich überhaupt nicht, doch Luke ist beunruhigt, da die Nanny befürchtet, dass Beckys Verhalten ohne Therapie auf die kleine Minnie abfärben könnte.

Dieses sechste Buch der Shopaholic-Reihe ist dennoch ein ziemlich Ungewöhnliches, da Becky tatsächlich größtenteils shoppingabstinent lebt und schweren Herzens nichts für sich zum Anziehen kauft. In dieser Konsequenz erlebe ich das zum ersten Mal. Als Becky in die konkreten Planungen für Lukes Überraschungsparty einsteigt und merkt, dass ihr diese finanziell komplett über den Kopf hinaus wächst, gibt Schwester Jess ihr den Tipp, gewisse Dienstleistungen und Dinge für die Party einzutauschen. Und so versucht Becky, Handtaschen, Sandalen und Mäntel gegen ein Festzelt, einen Feuerschlucker, einen Jongleur und einen Catering-Service zu tauschen. Aber natürlich geht auch dieses wie gewöhnlich bei Becky nicht ohne Katastrophen ab und sorgt dadurch für jede Menge Unterhaltung.

Wieder einmal ist Becky Brandon herrlich chaotisch, manchmal aber auch eigensinnig, dafür aber auch kreativ und liebenswürdig. Trotz der Finanzkrise schafft sie es, mit einer ungewöhnlichen Idee die Gewinne ihrer Abteilung noch zu steigern. Nur bei den Partyvorbereitungen macht sie sich nicht immer Freunde. Denn als ihre beste Freundin Suze ihre Hilfe anbietet, weist Becky sie brüsk zurück und muss dies hinterher bitter bereuen. Dabei tut sie dies alles nur, um ihren geliebten Ehemann zu überraschen, der sonst nie seinen Geburtstag feiert. Auf dem Weg zu dieser Party geschieht noch das eine und andere Missgeschick, doch Becky findet für alles eine Lösung.

Die ganze Buchreihe wäre natürlich nichts ohne Becky und all ihre Macken. Meist ist sie sehr liebenswürdig dabei und auch sympathisch, doch zugegebenermaßen geht sie einem manchmal auch etwas auf den Keks. Manche Situationen sind einfach zu sehr überzogen, sodass man sich fragen muss, ob Becky wirklich schon erwachsen ist. Denn sie manövriert sich immer wieder in unmögliche Situationen, tritt in das eine oder andere Fettnäpfchen und kann ihren Kopf oft genug bloß im letzten Moment aus der Schlinge retten. Glücklicherweise kriegt Sophie Kinsella in diesem Buch immer schnell die Kurve, sodass Beckys Marotten nie so sehr stören, dass man das Buch entnervt zur Seite legt. Zugegebenermaßen ist es aber auch eine Gratwanderung für Kinsella, ihre herrlich chaotische Figur nicht zu sehr über die Stränge schlagen zu lassen. Denn manchmal sind es auch genau diese Eigenarten, die mich über eine Szene haben lachen lassen, z. B. als Becky sich auf der Kunstausstellung an der Schule ihres Patenkindes Ernie als Kunstprofessorin vom Guggenheim Museum ausgibt und der Rektorin versichert, dass Ernie über ein ganz besonderes künstlerisches Talent verfügt.

_Überraschung gelungen_

Auch wenn das sechste Buch rund um Becky Brandon den Titel „Mini Shopaholic“ trägt, so tritt Minnie Brandon doch eher in den Hintergrund. Im Mittelpunkt des Buches stehen vielmehr der turbulente Weg zu Lukes Überraschungsparty, Beckys Planungen und all die Katastrophen, die auf dem Weg zur perfekten Party geschehen. Ehrlich gesagt ist die Story an sich dadurch recht dünn. Zwar geschehen nebenbei immer irgendwelche Dinge, sodass beim Lesen nie Langeweile aufkommt, aber im Nachhinein fand ich die Geschichte an sich recht mager.

Nichtsdestotrotz fügt sich dieses Buch – trotz Finanzkrise und damit einhergehender Shoppingabstinenz – wunderbar in die ganze Shopaholic-Reihe ein, die mich schon seit geraumer Zeit hervorragend unterhält. Sophie Kinsella schafft es einfach ein ums andere Mal, ihre Leserinnen mit viel Wortwitz, abstrusen Szenen und einer sympathischen und etwas chaotischen Figur zu unterhalten. Und da in diesem Buch noch einige Fragen offen geblieben sind, fiebere ich schon jetzt dem nächsten Abenteuer von Becky Brandon entgegen.

|Broschiert: 464 Seiten
ISBN-13: 978-3442546466
Originaltitel: |Mini Shopaholic|
Deutsch von Jörn Ingwersen|

_Sophie Kinsella beim Buchwurm:_
[Charleston Girl]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6241

Perry Rhodan – Konzil der Sieben (Silber Edition 74)

_Die Handlung:_

Es beginnt Anfang des Jahres 3459. Perry Rhodans Gehirn ist in seinen Körper zurückgekehrt, und die Galaxis wartet voller Spannung auf die Konsequenzen, die sich aus dem „Kosmischen Schachspiel“ ergeben könnten. Als dann aber die Sterne erlöschen, kommt alles anders als erhofft. Eine fremde Macht, die Laren, landet im Auftrag des „Konzils der Sieben“ auf der Erde und stellt unmissverständliche Forderungen. Hotrenor-Taak, ihr Sprecher und Anführer, bestimmt Perry Rhodan kurzerhand zum „Ersten Hetran der Milchstraße“. Der Terraner soll im Auftrag des Konzils diktatorisch über die Völker der Galaxis herrschen. Perry Rhodan bleibt nichts anderes übrig, als zum Schein auf die Forderung der Fremden einzugehen und im Untergrund gegen das Konzil der Sieben zu kämpfen. Dabei darf er nicht einmal davor zurückschrecken, zum Schein seinen Freund Atlan zum Tode zu verurteilen – ein Spiel, aus dem tödlicher Ernst wird … (Verlagsinfo)

_Mein Eindruck:_

Da ist sie nun, die erste |Silber Edition|, die nicht von Josef Tratnik gelesen wird. Nach 25 erfolgreichen Hörbüchern startete der Verlag, sicher auch auf Drängen der Fans hin, eine Parallelveröffentlichung von weiteren Silberbänden, die im Wechsel von Tom Jacobs und Andreas Laurenz Maier gelesen werden. Und damit man sich selbst nicht irgendwann in die Quere kommt, beginnen die neuen Lesungen mit |Silber Edition 74|, die Tom Jacobs vorliest. Die |Silber Edition 75| vertont dann Andreas Laurenz Maier. In der „regulären“ Reihe hat Josef Tratnik gerade Silberband 26 präsentiert.

Die |Silber Edition| 74 „Konzil der Sieben“ startet den „Konzil“-Zyklus, der sieben Silberbände umfasst. Band 74 selbst beinhaltet die Handlung der Heftromane mit den Nummern 650-655.

|Das Hör-Erlebnis|

Es ist schon ein wenig seltsam, nach der altbekannten Titelmusik nicht die Stimme von Josef Tratnik zu hören, besonders für die, die Tom Jacobs nicht von den wöchentlichen Heftlesungen her kennen. Was allerdings ein wenig das Hörvergnügen gleich zu Anfang schmälert, ist die Zeitleiste, die Jacobs vorträgt. Das hat Tratnik auch schon 26-mal gemacht, natürlich, sie steht ja auch am Anfang jedes Silberbandes, nur erfährt der Hörer der vorherigen |Silber Editionen| jetzt schon Dinge, die er eventuell gar nicht wissen möchte. Denn hier wird die Lücke zwischen Band 26 und 74 im Schnelldurchlauf geschlossen und die Handlung sämtlicher kommender Tratnik-Lesungen schon vorweg genommen. Wer hier also nicht schnell genug auf den „Nächster Track“-Knopf drückt, der bekommt eine Hypnoschulung der unfreiwilligen Art.

|Der erste „neue“ Sprecher|

Tom Jacobs liest gefühlt schneller als Josef Tratnik, dieser Eindruck stellte sich sofort ein. Teilweise klingt er ein wenig unruhig und gehetzt und überträgt eine Art Nervosität. Aber er kann auch langsamer lesen und sich passend mit den bekannten Charakteren auseinandersetzen, sodass es nicht lange seltsam anmutet, dass hier Jacobs liest und nicht Tratnik. Er hat seine eigene Note, kopiert Tratnik nicht und hat es auch nicht nötig.

Einen leichten Einstand hat Jacobs allerdings nicht, so muss er doch gleich zu Anfang einen Xisrapen lesen. Diese amöbenartige Rasse kann die Lautverbindungen „an“ und „in“ mit ihrer Sprechblase nicht erzeugen, und entsprechend schwer hat es der Sprecher, wenn solche Passagen vorzulesen sind. Jacobs spricht den Außerirdischen gequält, gedrungen, bedrückt, fast asthmatisch und irgendwie leidend. Es hat den Anschein, dass hier auch das Leid des Sprechers mit eingeflossen ist. Allerdings hat der Erfinder dieser Rasse 1974 sicher noch nicht daran gedacht, dass in 36 Jahren einmal jemand diese Sprache laut vorlesen würde.

Davon abgesehen macht Jacobs seinen Job wirklich gut und transportiert die Stimmung und die Handlung überzeugend. Insgesamt wirkt sein Vortrag ein wenig lebendiger als der von Tratnik, an dem er sich natürlich messen lassen muss. Tratnik ist eher der ruhigere und gemächlichere Vorleser, wohingegen Jacobs mehr Schauspiel vor dem Mikro und somit ein wenig mehr Action in die Ohren bringt.

Im Speziellen spricht er Gucky nicht wie „Kermit der Frosch“. Zwar auch ein wenig gedrungen, aber nicht so nervend, wie Tratnik diesen Charakter vertont. Und Icho Tolot spricht er nicht wie einen ruhigen Riesen mit tiefer Stimme, wie sein Kollege es tut, sondern kräftig laut und mit Abstand vom Mikrofon.

Allerdings fällt störend auf, dass er Galbraith Deighton, der den Angriff der Solaren Abwehr und des Mutantenkorps gegen die Hetos-Inspekteure leitet, mit einem störenden amerikanischen Nuschelakzent liest. Sämtliche anderen Amerikaner liest er allerdings ohne Akzent. Und auch Perry Rhodan ist Amerikaner.

Auch der Mutant Merkosh klingt ein wenig seltsam. Seine Stimme erinnerte mich spontan an alte Schwarz-Weiß-Filme, in denen als Frauen auftretende Männer versuchen, eine „Frauenstimme“ zu imitieren. Und wo ich grad bei „Frauen“ bin: Der Egosektor der Schiffspositronik der VISION, „Angel“, soll erotisch klingen. Entweder ist Tom Jacobs bei dieser Aufgabe unwohl oder ihm liegen strenge und autoritäre Charaktere einfach besser.

|Die Effekte – Der Hintergrund|

In Sachen „Hintergrund“ bleibt der Verlag bei Altbewährtem. So werden die bereits aus den Tratnik-Lesungen bekannten Effekte und Ambientsounds an den Anfang einiger Tracks gestellt. Dies könnte gern öfter und vielfältiger getan werden. Auch die Titelmusik ist die Gleiche.

|Die MP3s – Das Booklet|

Die MP3s liegen in der Qualität 192kbps, 41,1kHz und in Joint Stereo vor. Die ID3-Tags sind sauber gesetzt. Leider fehlt im Vergleich zur Downloadversion in den Dateien das Cover der |Silber Edition|, was sich bei MP3-Playern der iPod-Touch-Fraktion immer nett im Display macht oder in diesem Fall gemacht hätte. Genau wie in der Downloadversion gibt es ein knackendes Kompressionsartefakt an der jeweils identischen Stelle in Kapitel 24 in der sonst fehlerfreien Aufnahme zu hören. Das zeigt, dass hier für beide Qualitätsversionen (die Downloadvariante wurde in 128kbps angeboten) nur einmal nach MP3 gewandelt wurde.

Auf beiden MP3-CDs ist zusätzlich das Cover der |Silber Edition 74| im Format 1648 x 1475 als JPG-Datei zu finden und auf der zweiten CD auch noch die Titelseite des Perry-Rhodan-Heftes Nr. 650 „Der Bund der Sieben“ in der Auflösung 2513 x 3716.

Wie auch bei den weiterhin parallel erscheinenden Josef-Tratnik-Silber-Editionen liegt dem Digipack ein Booklet bei. Hier gibt es ein Tracklisting, ein Vorwort von Horst Hoffmann, die Risszeichnung eines Laren-Raumers, eine Zeitleiste und die Cover der in dieser |Silber Edition| enthaltenen Heftromane Nr. 650-655 zu sehen. Auf der Hülle des Digipacks zeigt der Verlag ein Bild des Sprechers und gibt weitere Informationen zu ihm.

_Mein Fazit:_

Tom Jacobs hat die Vergleiche mit Josef Tratnik absolut nicht zu fürchten. Jeder der beiden liefert seine eigene Interpretation der Handlungen und Charaktere ab. Tom Jacobs bietet aber mehr Action und Lebendigkeit vor dem Mikro und reißt den Hörer noch ein wenig mehr mit, als Tratnik das tut.

Perry-Fans, die warten können, freuen sich jetzt zweimal auf neue |Silber Editionen|, die ungeduldigeren greifen vorab zu den vier Downloadhäppchen, die zwischen den CD-Versionen alle drei Wochen erscheinen.

Eine etwa 7,5 Minuten lange Hörprobe bietet der Verlag [hier]http://www.einsamedien.de/MP3/hoerprobe__se74.mp3 an.

|2 MP3-CDs mit 16 h Gesamtspieldauer
Aufgeteilt auf 188 Tracks
Sprecher: Tom Jacobs
ISBN-13: 978-3939648819|
[perry-rhodan-shop.de]https://perry-rhodan-shop.de
[perry-rhodan.net]http://www.perry-rhodan.net

Iain McDowall – Reich und tot

Für den Briefträger begann der Tag ganz friedlich. Doch ein Einschreiben ändert dies. Denn als er bei den Mortimers ein solches abgeben will, findet er die Leiche der schwer misshandelten Jenny Mortimer. Die Autopsie fördert Spuren eines Elektroschockers zutage, doch solche Waffen sind in Großbritannien verboten. Wie also ist der Mörder an einen solchen gelangt? Jennys Ehemann Gus Mortimer ist sofort der Tatverdächtige Nummer eins, da er noch am Abend zuvor seine Ehefrau an den Haaren von einer Party weggeschleift hat, weil sie ihm dort eine Affäre mit dem Gärtner gestanden hat. Dieser trauert nun um seine Geliebte und macht sich Vorwürfe, weil er nicht vor Ort war, als Jenny ihrem Mann gestanden hat, dass sie ihn verlassen will.

Chief Inspector Jacobson und Detective Sergeant Kerr plagt nicht nur dieser eine Fall, denn ein gewalttätiger Sexualstraftäter ist entlassen worden und auf Wunsch nach Crowby gezogen, wo ehemalige Opfer von ihm wohnen. Als die Einwohner der Stadt dies herauskriegen, muss die Polizei einen wilden Mob bändigen, doch der Straftäter zieht es vor, seinen Bewachern zu entkommen und sein Glück auf eigene Faust zu probieren.

Da sind Probleme vorprogrammiert, die auch nicht lange auf sich warten lassen. Als dann auch noch die zweite Leiche aufgefunden wird, ermitteln Jacobson und Kerr auf Hochtouren …

_Tödlicher Ehestreit?_

Bevor uns Iain McDowall mit den Mortimers bekannt macht und den ersten Mordfall geschehen lässt, präsentiert er uns zunächst Jacobson und seine Kollegen, die sich um den entlassenen Sexualstraftäter Robert Johnson sorgen müssen, der auf eigenen Wunsch nach Crowby – sozusagen seine alte Wirkungsstätte – zurück kehrt. 12 Stunden am Tag soll er auf Schritt und Tritt bewacht werden, damit er nicht rückfällig wird, doch kann die Polizei in Crowby dies überhaupt leisten? Schon bald lernen wir auch Jenny Mortimer kennen, die ihrem Ehemann endlich reinen Wein einschenken und ihm von ihrer Affäre berichten will. Dazu hat sie die Party bei Bekannten ausersehen, weil sie hofft, dass ihr Mann dort die Fassung bewahrt und sie in Ruhe lässt. Doch weit gefehlt – er zerrt sie an den Haaren von der Party, und am nächsten Morgen fährt Gus Mortimer zur Arbeit, während seine Frau tot in der Einfahrt liegt. Was ist geschehen?

Das scheint auf den ersten Blick klar: Gus Mortimer, der ohnehin zu Gewaltausbrüchen neigt, hat seine Frau erst sexuell misshandelt und dann ermordet. Davon ist die Polizei überzeugt und versucht daher mit gesammelten Kräften, Mortimer den Mord nachzuweisen. Auch alle Indizien sprechen gegen den gehörnten Ehemann. Als der zweite Mord geschieht, liegt die Sache ebenso klar. Genauso schnell wie beim ersten Mord ist ein Tatverdächtiger gefunden. Geht das nicht alles viel zu einfach? Das mag der Leser zwar denken, doch der Polizei fällt das nicht ein. Und leider fällt auch dem Autor Iain McDowall das nicht ein, denn obwohl sich die Ermittlungen ständig im Kreise drehen und er sie in aller Ausführlichkeit schildert, kommen kaum neue Erkenntnisse hinzu, die dem Fall neue Würze geben oder dem Buch eine gewisse Spannung verleihen.

Spannung scheint hier ohnehin ein Fremdwort. Denn Iain McDowall macht einen zweiten Schauplatz auf, indem er Robert Johnson ins Feld führt. Auch die Geschichte um den entlassenen Straftäter beschreibt McDowall in nervenzehrender Ausführlichkeit, die dem Leser alle Geduld abverlangt, die dieser bereit ist aufzubringen. Der Leser erfährt, was Johnson plant und wie er seine Tage verbringt, wie die Beschattung vonstatten geht und wie die Einwohner der Kleinstadt herausfinden, wer neuerdings in ihrem Kreise haust. Wir lernen eine unsympathische Journalistin kennen, die auf Teufel komm raus herausfinden will, wo sich Johnson genau versteckt. Und dann kommt es natürlich schlussendlich zum Eklat, als einige Männer Selbstjustiz verüben wollen. Doch was hat das mit dem eigentlichen Mordfall zu tun? Gute Frage. Leider lautet die Antwort: „Rein gar nichts!“ Und das ist neben der fehlenden Spannung das zweite Manko des Buches. In epischer Breite führt Iain McDowall diese Geschichte aus, die vom eigentlichen Thema nur ablenkt und am Ende rein gar nichts mit den Mordfällen zu tun hat. Da wundert es nicht weiter, dass Spannung in diesem Buch Fehlanzeige ist.

Das nächste Manko sind die beiden Hauptfiguren des Buches, nämlich die Ermittler Kerr und Jacobson. Mag sein, dass McDowall diese im ersten Roman aus dieser Ermittlerreihe vorgestellt hat. In diesem Buch jedoch erfahren wir gerade einmal, dass Kerr eine außereheliche Beziehung pflegt und dass Jacobson in jeder nur erdenklichen Situation eine Schachtel B+H öffnet, um mal wieder eine Zigarette zu rauchen. Als er zur gefühlt 27. Zigarette eines Kapitels greift, hat auch der desinteressierteste Leser verstanden, dass Jacobson starker Raucher ist und will es eigentlich nicht genauer wissen.

Der Mordfall an sich birgt leider rein gar keine Faszination oder Spannung. McDowall stellt uns sofort einen Tatverdächtigen vor, und was soll ich sagen? Wir lernen nie einen anderen kennen, und am Ende gibt es auch keinen anderen. Ja wie langweilig ist das denn, wenn völlig geradlinig das gesamte Buch darauf hinausläuft, dass der erste Tatverdächtige am Ende der Schuldige ist? Nichtmal ansatzweise versucht Iain McDowall, seine Leser oder auch seine Ermittler auf eine falsche Spur zu bringen. Ganz im Gegenteil, ab und an gibt es neue Hinweise, die wieder nur auf den einen Tatverdächtigen führen, aber leider bringt all dies die Geschichte kein bisschen voran. So ziehen sich die 350 Seiten zäh wie Kaugummi dahin und man wünscht sich als Leser nichts anderes, als möglichst bald von dieser Qual erlöst zu werden.

Um es kurz zu machen: „Reich und tot“ gehört zu den langweiligsten Krimis, die ich je gelesen habe. Weder schafft Iain McDowall es, auch nur ein Fünkchen Spannung zu erzeugen, noch stellt er uns sympathische Charaktere vor. Dieses Buch birgt keine Überraschungen, sodass man am Ende nur völlig emotionslos registriert, dass der gehörnte Ehemann nun tatsächlich der Täter war. Dass der zweite Tatverdächtige schlussendlich unschuldig ist und jemand anderes für den zweiten Mord verantwortlich war, nimmt man zwar noch wahr, aber interessieren tut es einen eigentlich nicht mehr. Mit diesem Buch macht McDowall leider gar keine Werbung für seine Bücher …

|Taschenbuch: 352 Seiten
ISBN-13: 978-3423212267
Originaltitel: |Making a Killing|
Deutsch von Werner Löcher-Lawrence|

_McDowall beim Buchwurm:_
[Der perfekte Tod]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5292 (Hörbuch)

Perry Rhodan – Die Zeitstadt (Andromeda 6)

Perry Rhodan: Andromeda

Band 1: „Die brennenden Schiffe“
Band 2: „Die Methanatmer“
Band 3: „Der schwerelose Zug“
Band 4: „Die Sternenhorcher“
Band 5: „Der Schattenspiegel“
Band 6: „Die Zeitstadt“

Die Handlung:

Noch immer sind Perry Rhodan und seine Mannschaft an Bord der Journee in der Andromeda-Galaxis gefangen, eine temporale Barriere macht jede Flucht unmöglich.
Doch nichts hat der Resident der Liga Freier Terraner weniger im Sinn, als die dort lebenden Tefroder und Maahks ihrem Schicksal zu überlassen.

Perry Rhodan – Die Zeitstadt (Andromeda 6) weiterlesen

Smith, Lisa J. – Im Zwielicht (Vampire Diaries 1, Hörbuch)

Die „Vampire Diaries“ laufen seit einiger Zeit erfolgreich auch im deutschen Fernsehen. Die Serie basiert auf der Jugendbuchreihe gleichen Namens der amerikanischen Autorin Lisa J. Smith. Fürs Fernsehen entdeckt wurde der Stoff sicherlich im Kometenschweif der momentanen Twilight-Euphorie und tatsächlich werden Fans vor Freude jubilieren, bietet „Vampire Diaries“ doch einen praktisch baugleichen Plot, und das, obwohl Smith den ersten Teil der Reihe bereits 1991 veröffentlichte.

_Elena ist die_ Königin ihrer Highschool: Bildhübsch und beliebt, hält sie sich einen Hof Freundinnen, die sie umschwirren wie die Motten das Licht. Alle Jungs liegen ihr zu Füßen und sie hat die freie Auswahl, wem sie ihre Gunst gewähren will. Bisher war der nette Matt Mann der Stunde gewesen, doch während der Sommerferien ist Elena aufgegangen, dass sie eigentlich nur mit Matt befreundet sein will. Also macht sie mit ihm Schluss, mal ganz nebenbei auf dem Schulweg. (Ein Tipp an die jugendlichen Leser: Es handelt sich hier um Fiktion, dass das Ende einer Beziehung jemals so harmonisch und geradezu kuschelig über die Bühne geht, ist relativ unwahrscheinlich – nur so als Rat für den weiteren Lebensweg.)

Somit ist Elena frei für neue Abenteuer. Wie gut, dass es da prompt einen Neuzugang in ihrem Jahrgang gibt – den feschen (Italiener!) Stefano Salvatore, der stilsicher im Porsche vorfährt und die getönte Sonnenbrille auch im Unterricht nicht abnimmt. Hach, wie romantisch! Elena ist sofort Feuer und Flamme und macht es sich zur Aufgabe, Stefanos Herz zu erobern. Dabei geht sie vor, als handele es sich um einen Geschäftsplan und nicht um Herzensangelegenheiten. Sich Stefano zu angeln wird zum Selbstzweck. Dass sie ihre Freundinnen auf einem Friedhof mit Blut schwören lässt, ihr bei der Um-den-Finger-wickel-Aktion immer beizustehen, ist da nur die Krönung der pubertären Hysterie.

Kurzum, Stefano erweist sich als harter Brocken. Er scheint völlig immun gegen Elenas sprühenden Charme und ihre überdurchschnittliche Schönheit zu sein. Doch halt! Natürlich ist das nur ein literarischer Kniff, um das Unausweichliche etwas hinauszuzögern und die reichlich konfliktarme und geradlinige Handlung auf Romanlänge zu strecken. Denn selbstverständlich ist Stefano verknallt in Elena, nur trägt er – natürlich! – ein dunkles und gefährliches Geheimnis mit sich herum und will deshalb jeden von sich fernhalten. Schließlich ist Stefano ein Vampir aus dem Florenz des 15. Jahrunderts und Elena sieht haargenau aus wie seine damals verflossene Catarina, die ihn und seinen Bruder Damon zum Vampir machte, nur um sich dann (gekränkte Eitelkeit) durchs Sonnenlicht zu einem Häufchen Asche verbrennen zu lassen.

Aber „Im Zwielicht“ wäre kein ordentliches Jugendbuch, wenn nicht alles doch noch in die richtigen Bahnen gelenkt würde: Stefano und Elena finden schließlich zueinander und Elena ergeht sich in schwülstigen und endlosen Tagebucheinträgen über die Schicksalhaftigkeit ihrer Liebe. Nebenbei taucht auch noch Damon auf, der ein paar Leute umbringt, um Stefanos Aufmerksamkeit zu erregen (Stefano erweist sich allerdings als ziemlich träge in dieser Hinsicht) und die Geschichte generell etwas aufzumischen. Bevor das alles jedoch zu einem Höhepunkt führen kann, beendet Lisa J. Smith ihr Buch einfach, genau da, wo andere Autoren ihren Showdown einbauen würden. Die Erzählung endet damit so unvorhergesehen und abrupt, dass man zunächst annimmt, einfach vergessen zu haben, eine weitere CD einzulegen. Doch dem ist nicht so, Lisa J. Smith beendet den ersten Teil ihrer Reihe tatsächlich mitten in der Szene, gerade als ob ihr die Puste ausgegangen wäre. Sehr schade.

_Smiths „Vampire Diaries“_ können wirklich nur jugendlichen Leserinnen uneingeschränkt empfohlen werden. Für diese hat sie einen Roman voller romantischer Klischees verfasst, die man so hochdosiert nur in jungen Jahren gut finden kann. Dass sie dabei ihre Protagonistin Elena praktisch als die Oberzicke der Schule charakterisiert, ist noch ihr größter Fehler. Elenas Oberflächlichkeit äußert sich vor allem in ihrer Fokussierng auf das Äußerliche: Darauf, wie sie erscheint, welches Bild sie bei anderen erweckt. Dass Stefano dabei nur das letzte Accessoire in ihrer Beliebtheitskollektion ist (oder zumindest so erscheint), stößt beim Leser sauer auf und macht die beiden nicht gerade zu Vorbildern in Sachen schicksalhafter Liebe. Zwar meint Elena, unsterblich in Stefano verliebt zu sein, doch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie sich eigentlich nur in ihrer Eitelkeit gekränkt fühlt, weil er ihr so lange widersteht. Denn das facht ihr Interesse erst recht an – dieses ewige gefühlsmäßige hin und her, das zu keinem wirklichen Ergebnis führt, mag für das anvisierte Publikum (Mädchen zwischen 13 und 17) wirklich spannend sein. Alle mit etwas mehr Jahren auf dem Buckel werden sich von der generellen emotionalen Unreife der Charaktere wohl eher genervt fühlen und froh sein, dass sie die Pubertät bereits hinter sich gelassen haben.

CBJ Audio hat „Im Zwielicht“ als gekürzte Lesung auf vier CDs veröffentlicht, wobei es ausnahmsweise wirklich keine Rolle spielt, dass der Roman für die Hörbuchfassung etwas zusammengeschrumpft wurde. Da die Handlung und die Charaktere relativ eindimensional daherkommen, hat man beim Hörbuch nie den Eindruck, wichtige Entwicklungen zu verpassen. Sprecher Adam Nümm schafft das Kunststück, den Text absolut ironiefrei zu lesen (großes Lob!), ihm also immer mit dem nötigen Ernst zu begegnen, den Fans der Reihe erwarten werden. Von Zeit zu Zeit sind Tagebucheinträge Elenas eingesträut (gelesen von Jennie Appel), die man wohl getrost hätte kürzen können, da sie die Handlung nicht vorantreiben. Allerdings wurden sie vermutlich zumindest in Teilen erhalten, um dem Originalsound des Buches nahezukommen. Mehrwert bieten sie jedenfalls nicht.

_Abschließend kann man_ sagen: Ein empfehlenswertes Hörbuch für alle, die lieber hören als sich das Buch vorzunehmen. Allerdings sollten sich Erwachsene möglichst fernhalten, außer sie stehen noch in gutem Kontakt zu ihrem inneren Teenie.

|4 Audio CDs
gelesen von Adam Nümm
ISBN-13: 978-3837104295
|
_Lisa J. Smith beim Buchwurm:_
[Engel der Verdammnis (Night World 1)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6012
[Prinz des Schattenreichs (Night World 2)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6013
[Jägerin der Dunkelheit (Night World 3)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6014

von Michalewsky, Nikolai (als Mark Brandis) – Mark Brandis: Salomon 76 (Weltraumpartisanen – Band 9)

_Mark Brandis:_

Band 1: [Bordbuch Delta VII]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6535
Band 2: [Verrat auf der Venus]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6539
Band 3: [Unternehmen Delphin]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6536
Band 4: [Aufstand der Roboter]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6618
Band 5: [Vorstoß zum Uranus]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6630
Band 6: [Die Vollstrecker]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6636
Band 7: [Testakte Kolibri]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6723
Band 8: [Raumsonde Epsilon]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6781

_Band 9: Salomon 76_

Es war eine der erfolgreichsten deutschen SciFi-Serien der Siebziger- und Achtzigerjahre. Nikolai von Michalewsky (1931 – 2000) alias „Mark Brandis“ schuf mit dem gleichnamigen Titelhelden, welcher quasi seine Memoiren in der Ich-Form präsentiert, einen wahren Klassiker. Zwischen 1970 und 1987 brachte er es immerhin auf 31 Bände, wobei die originalen Hardcover des |Herder|-Verlages nur noch antiquarisch und – zumindest die Erstauflage – zu teils horrenden Preisen zu bekommen waren bzw. sind. |Bertelsmann| scheiterte beim Versuch, sie als doppelbändige Taschenbuchausgaben über den hauseigenen Buchclub wieder zu etablieren. Bis zum Jahr 2000 senkte sich allmählich immer mehr Vergessenheit über die „Weltraumpartisanen“.

Ausgerechnet in seinem Todesjahr startete NvM den letzten Versuch der Wiederbelebung und Neuausrichtung seiner Figur, kam aber über einen einzigen – wenig beachteten und noch weniger geliebten – Band („Ambivalente Zone“) nicht mehr hinaus. Erst weitere acht Jahre später nahm sich der |Wurdack|-Verlag der Originalserie noch einmal mit der ihr gebührenden Ernsthaftigkeit an und legte sie komplett neu auf: Jedes Quartal erscheinen seither zwei Bände als broschierte Sammlerausgaben für je 12 Euro. Dabei wurde der Inhalt (sogar die alte Rechtschreibung) unangetastet gelassen, das äußere Erscheinungsbild jedoch deutlich modernisiert und gelegentlich einige Randbeiträge eingebaut.

_Vorgeschichte_

Der Weltraum unseres Sol-Systems wird bereist und die nächsten Himmelskörper sind auch bereits kolonisiert. Die Zeiten einzelner Nationalstaaten sind lange vorbei. Nur zwei große Machtblöcke belauern sich auf dem Mutterplaneten Erde noch: Die Union Europas, Afrikas und Amerikas (EAAU) und die Vereinigten Orientalischen Republiken (VOR). Usurpator Smith, der sich im Jahr 2069 an die Macht putschte (vgl. Band 1 bis 4), ist Geschichte. Nicht zuletzt auch durch den tüchtigen Einsatz von Commander Mark Brandis und des Widerstandes. Die Venus-Erde Gesellschaft für Astronautik (VEGA), für die Brandis & Co. ihre Testflüge brandneuer Raumschiff-Prototypen durchführen, ist längst wieder eine zivile Institution, worauf man stolz ist.

_Zur Story_

Man schreibt das Jahr 2076. Normalität ist nach dem Bürgerkrieg endlich wieder eingekehrt. Auch beim Testalltag. Derzeit hat Brandis das Kommando über den schweren Kreuzer „Ares I“, den die VEGA-Crew auf Herz und Nieren prüfen sowie die Kinderkrankheiten austreiben soll. Obwohl der Vogel sich gelegentlich ziemlich bockig zeigt, bittet man Brandis, damit einen Spezialauftrag zu übernehmen. Er möge mit der |Ares I| die Aktivierung von SALOMON 76 schützen, des größten je gebauten Superrechners, welcher die Rechtsprechung revolutionieren soll. Der komplette Polizei- und Justizapparat dient fürderhin nur noch als williger Handlanger für die automatisierte Gerechtigkeitsmaschinerie. Das Denken übernimmt ab jetzt der fast allmächtige Orbital-Computer.

Nie mehr menschliche Fehlentscheidungen, Justizirrtümer ausgeschlossen: SALOMON 76 und sein Netzwerk aus planetaren Tochtercomputern auf der Erde und den Kolonien recherchiert akribisch, unbestechlich, effektiv und (ver-)urteilt emotionslos. Sogar Verbrechen präventiv zu verhindern, steht in den Programmroutinen. Er sei „gerechter als Gott“, behauptet sein Erbauer Professor Kalaschnikow stolz. Als sich die ersten Anzeichen von überzogenen Strafen für Lappalien und vollkommen absurde Anklagen mehren, will es kaum jemand wahr haben, dass der derart in den Himmel gelobte Technogötze nicht mehr alle Elektronen beisammen hat. Auch Brandis nicht – bis seine Frau verhaftet wird und er – samt Crew – sich sogar mit der von SALOMON jüngst wieder eingeführten Todesstrafe konfrontiert sehen.

_Eindrücke_

Wie immer im Brandis-Universum steht der Mensch und nicht die Technik im Vordergrund. Meist ordnet sich der technologische Faktor unter und dient eher zweckmäßig als Kulisse. Diesmal ist er mehr als sonst Hauptthema – und ein heikles noch dazu. Sind Computer die besseren Menschen? Oder anders gefragt: Können sie uns besser verwalten und beurteilen, als wir uns selbst? Die Antwort darauf ist ein klares Nein. Nie darf kalte Logik die menschliche Emotion wegwischen und den Menschen selbst nur auf das rein Stoffliche reduzieren. Als Schutzfunktion finden in der Literatur daher auch immer wieder die Asimov’schen „Robotergesetze“ Anwendung.

SALOMON ist der Gegenentwurf zu Isaac Asimovs Ideen, wie Computer sich zu verhalten haben, bestätigt die Richtigkeit seiner Gesetze aber eben dadurch zu hundert Prozent. Damit ist der Roman quasi eine Blaupause für spätere Science Fiction Stories, welche sich mit einer ähnlichen Ausgangsbasis bedienen, aber dann in teilweise noch fatalere bzw. düsterere Zukunftsvisionen verspinnen. Man denke hier besonders an die „Terminator“-Reihe, wo der globale SkyNet-Rechner ebenfalls alles Menschliche als fehlerbehaftet ansieht und die Ausrottung der Menschheit systematisch beginnt. Auch bei der „Matrix“-Trilogie nimmt das Verhängnis so seinen Anfang. Bei Mark Brandis ist das alles zwar eine ganze Nummer kleiner, ja naiver. Allerdings durchaus schon schlimm genug.

Sicher spielt auch das Entstehungsjahr eine wichtige Rolle. 1974 war noch nicht die Welle des heute bei Stories zu findenden Ultrarealismus angebrochen. Die Erwartungshaltung des Publikums hat sich drastisch gewandelt. Hinzu kommt, dass Computer unserer Tage anders funktionieren, als man sich das damals wirklich vorzustellen vermochte. Das zeigt sich besonders deutlich, als es SALOMON an den Kragen geht. Über einen solch vergleichsweise billigen Trick, wie er hier angewendet wird, würde jeder halbwegs moderne Heim-PC sich vermutlich den USB-Port ablachen, wenn er denn könnte. Dies ist aber eins der ersten Male in der Literatur, dass im Grunde etwas angewendet wird, was heute in der Computerwelt allgemein als „Backdoor“ bekannt ist. Mehr sei an dieser Stelle aber nicht verraten.

Es überrascht den Leser nicht, dass Brandis – natürlich – heil aus der Sache herauskommt. Es sind schließlich seine Memoiren. Wie üblich sorgt die Ich-Form für rasche Identifizierung mit der sympathischen Hauptfigur. Sympathisch allein deswegen, weil Brandis ein ganz normaler Mensch ist, der seine Macken, Schwächen und Vorurteile nicht unter der Decke hält. Dieser geschickte Kniff des Autors überhöht die Figur – sein Alter-Ego – auf eher subtile Art, anstatt ihn platt als den Ich-hab-(immer)-den-vollen-Durchblick-Strahlemann darzustellen. Sein eigentliches Heldentum rührt eher daher, dass er trotzdem das „Richtige“ tut, obwohl er oft von seinen Zweifeln geplagt wird. Das geht leider nicht immer ohne einen untergründig moralisch mahnend erhobenen Finger vonstatten.

Wie in eigentlich allen Bänden frönt NvM durch einschlägige Formulierungen wie: „Es sollte sich später herausstellen, dass…“ o.ä. wieder (zu) häufig der munteren Vorwegnahme und Andeutung kommender Ereignisse. Das ist der Spannung bisweilen verständlicherweise abträglich, aber halt sein Stil. Auch der tiefe und wiederholte Griff in die Kiste seiner offensichtlichen Lieblingsmetaphern gehört zu einem Brandis-Roman wie Krautsalat auf den Döner. Etwa die „Buldogge (meist eine, die sich Terriern stellt)“, oder auch die alte Weisheit, dass „viele Jäger des Hasen Tod sind“. Andererseits unterstützt die bildhafte Ausdrucksweise das Kopfkino selbstverständlich nach Kräften. Jüngere Leser sollten sich zudem mit der alten Rechtschreibung anfreunden – der Text wurde im Original belassen.

Die Neuauflage dieses Bandes enthält übrigens wieder einmal ein kleines Extra-Bonbon: Am Ende findet sich eine übersichtliche (Kurz-)Bio- und Bibliographie des lange Zeit aus dem Verborgenen heraus schreibenden Autors, in welcher sämtliche je von ihm verfassten Titel (nicht nur die MB-Romane) hübsch chronologisch aufgeführt sind. Derlei kennt man inzwischen bereits von den Bänden 6 (Essay von Alexander Seibold über NvM), 7 (Illustration bzw. technische Übersicht des „Kolibri“) und 8 (Interview mit NvM bezüglich MB und seiner Fortsetzung). Solche netten Goodies der Sammleredition sind – zumindest dem Fan – stets willkommene Zusatzinfos.

_Fazit_

Die Frage, wie viel Kontrolle wir elektronischen Helfern überlassen und gestatten können/sollen/dürfen, war nie aktueller. Die Gesellschaftskritik in „Salomon 76“ können wir heute erst richtig ermessen, damals war das Thema Computer noch sehr abstrakt. Mag der Showdown im Roman – mit dem Wissen unserer Zeit – auch etwas zu simpel erscheinen, die Kernaussage ist wahr und manches bereits beängstigend real. Das alles ist eingebettet in eine sehr menschliche Science-Fiction-Story, bei der die Technologie ansonsten wieder einmal die zweite Geige spielt. Das Buch ist übrigens auch für Quereinsteiger geeignet, da es kaum zwingendes Vorwissen der vorangegangenen Bände erfordert – mehr Spaß macht es natürlich, wenn man sie kennt.

|ISBN-13: 978-3-938065-46-4
190 Seiten, Broschur|

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