Budinger, Linda – Unter dem Vollmond (Ars Litterae 5)

_|Ars Litterae|:_

Band 1: Barbara Büchner – „Der schwarze See“
Band 2: Marc-Alastor E.-E. – „Geisterdrache – Die Chroniken – Widerparte und Gefolge I – 1984 bis 1996“
Band 3: Marc-Alastor E.-E. – „Geisterdrache – Die Chroniken – Widerparte und Gefolge II – 1997 bis 2009“
Band 4: Alisha Bionda (Hrsg.) – „Sad Roses“
Band 5: _Linda Budinger – „Unter dem Vollmond“_
Band 6: Alisha Bionda (Hrsg.) – „Die Begegnung – und andere düstere Winterlegenden“ (Oktober 2010)
Band 7: Laura Flöter – „Der Engelseher“ (Arbeitstitel) (Oktober 2011)

_Inhalt:_

Verena ist eine fleißige Medizinstudentin, die sich als Krankenschwester in der Nachtschicht ihr Studium finanziert. Seit einem tragischen Unfall in ihrer Kindheit, als sie beide Elternteile und ihre kleine Schwester verlor, hat sie die Gabe, den Gesundheitszustand ihrer Mitmenschen in deren Aura zu sehen. Eine Fähigkeit, die ihr in ihrem Job enorme Vorteile verschafft.

Eines Nachts findet Verena im Park eine schrecklich zugerichtete Leiche. Ein weiteres Opfer des berüchtigten Serienmörders, der von den Medien den Namen „Lumpensammler“ erhalten hat? Zu allem Überfluss verliert die junge Studentin ihren Job, als sich der zuständige Oberarzt von ihrem Urteil bevormundet fühlt. Da kommt das Angebot eines gewissen Wolf von Hagendorf gerade recht, der dringend eine Pflegerin für seine kranke Mutter sucht.

Begeistert nimmt tritt Verena die Stelle auf dem verwunschen wirkenden Herrensitz an. In ihrer Freizeit hofft sie zudem, ausreichend für ihr Studium lernen zu können. Doch irgendetwas stimmt nicht im Haus der Hagendorfs. Welches Geheimnis hütet Sidonie von Hagendorf und woran arbeitet ihr Sohn Wolf in dem verborgenen Labor? Verena kommt einem schrecklichen Familiengeheimnis auf die Spur, das seine Wurzeln in der Vergangenheit hat …

_Meinung:_

Linda Budinger ist als deutsche Fantasy-Autorin kein unbeschriebenes Blatt, und die Herausgeberin der Reihe ARS LITTERAE, Alisha Bionda, hat bereits mehrere Kurzgeschichten der Schriftstellerin in diversen Anthologien veröffentlicht. Mit dem vorliegenden Buch hält der Leser ein komplexeres Werk der Autorin in seinen Händen, das jedoch nicht minder fesselnd und flott geschrieben ist als ihre Kurzgeschichten. Budinger unterhält den Leser durch einen humorvollen und atmosphärischen Schreibstil. Die Charakterisierung der Protagonistin ist ihr zudem hervorragend gelungen und weckt sogleich Sympathien für die junge Medizinstudentin, die in bester Romantic-Thriller-Tradition in einem düsteren Herrenhaus dem tödlichen Familienspuk auf die Schliche kommt.

Doch so klischeebeladen und schlicht, wie es jetzt klingen mag, ist die Geschichte nicht! Die Autorin versteht es geschickt, der Handlung überraschende Wendungen zu verleihen und sie mit selbstironischen Bemerkungen zu würzen. Der Plot ist originell und wurde erstklassig recherchiert, das Finale selbst packt den Leser durch eine temporeiche und dramatische Schilderung der Ereignisse.

Leider bleibt das Ende recht offen und die obligatorische Liebesbeziehung wirkt (zumindest auf den männlichen Leser) reichlich gezwungen und kitschig. Zumal sich der Held wirklich selten dämlich und tollpatschig anstellt. Letztendlich kann man diesen Aspekt aber in Anbetracht des guten Gesamteindrucks verschmerzen. Ein kleines Glossar am Ende des Bandes und ein ausführliches Autorenportrait runden diesen Mystery-Thriller perfekt ab.

Papierqualität und Satzspiegel sind äußerst leserfreundlich, ebenso wie das Paperbackformat, das einerseits nicht zu klobig ist, andererseits aber die Innenillustrationen perfekt zur Geltung bringt. Die Motive der Cover- und Innengrafiken sind kunstvoll und verträumt, wenn auch leider nicht sonderlich aussagekräftig. Das Serienlayout hingegen wirkt sehr edel.

_Fazit:_

„Unter dem Vollmond“ ist ein flott erzählter Mystery-Thriller mit einem originellen und überraschenden Plot. Die ideale Urlaubslektüre: kurzweilig und leicht verdaulich.

|Taschenbuch: 200 Seiten
Titelgestaltung von Agentur Bonzai
Innenillustrationen von Andrä Martyna
ISBN-13: 9783940235916|
[www.sieben-verlag.de]http://www.sieben-verlag.de

_Florian Hilleberg_

Kate, Lauren – Engelsnacht

Genug der Vampire, jetzt gehen die Engel an den Start! Die junge Autorin Lauren Kate beginnt mit „Engelsnacht“ eine Fantasyreihe, die vor allem Fans der „Bis(s)“-Reihe ansprechen wird.

_Die siebzehnjährige Luce_ muss nach einem merkwürdigen Vorfall, bei dem ihr Freund Trevor ums Leben gekommen ist, auf das Internat Sword & Cross, das sich als Besserungsanstalt für psychisch Kranke und Vorbestrafte entpuppt. Die meisten ihrer Mitschüler sind ziemlich schräg, aber Luce ist auch nicht gerade ohne. Seit ihrer Kindheit sieht sie ständig Schatten um sich herum, die andere nicht wahrnehmen.

Sie lebt sich recht schnell ein und findet in der verrückten Arriane und der strebsamen Penn gute Freundinnen, in dem Punkmädchen Molly aber auch eine Feindin. Außerdem sind da noch zwei Jungen, Cam und Daniel. Beide sind attraktiv und machen Eindruck auf Luce, doch während Cam sich ihr gerade aufdrängt, weicht Daniel ihr aus und weist sie ab. Er ist unglaublich unfreundlich zu ihr, was ihn in ihren Augen aber noch attraktiver macht. Sie beginnt damit, über ihn zu recherchieren, weil sie mehr über ihn herausfinden möchte, doch keine der Informationen bringt sie wirklich weiter. Gleichzeitig wird Cam immer aufdringlicher. Fast schon zu aufdringlich, doch Daniel rettet sie aus einigen brenzligen Situationen – und offenbart dabei, dass sie mehr verbindet als Luce jemals gedacht hat …

_Der Schwerpunkt in_ Kates Roman liegt eindeutig auf der Romantik. Es gibt zwar einige Spannungselemente – das Geheimnis um Daniel und Cam, ein actionreiches Finale -, doch diese sind nur schwach ausgeprägt und werden auch nicht richtig ausgebaut. Ansonsten dreht sich das Buch, das aus Luces Perspektive erzählt wird, aber hauptsächlich um ihre Gefühle und Gedanken. Von diesen gibt es viele. Luce muss den Unfall mit ihrem Freund verarbeiten, sich an die neue Schule gewöhnen, neue Freunde finden und das erste Zusammentreffen mit Daniel stürzt sie in ein schreckliches Gefühlschaos. Ausgewalzt auf über 400 Seiten kann es da schon zu der einen oder anderen Länge kommen. Insgesamt fehlt es dem Aufbau noch etwas an klarer Linie und vielleicht auch etwas mehr Ausgewogenheit zwischen Romantik und Spannung.

Kate greift in ihrem Roman ein hinreichend bekanntes Thema auf: gefallene Engel. Dabei verzichtet sie weitgehend auf religiösen Ballast. Das bedeutet auf der einen Seite ein paar Längen weniger, auf der anderen wirkt das Buch an einigen Stellen allerdings etwas oberflächlich. Hinsichtlich des jungen Publikums ist dieses Vorgehen allerdings sicherlich das bessere.

Luce ist eine Figur, die, ähnlich wie Bella aus der „Bis(s)“-Reihe, viele junge Mädchen ansprechen wird. Sie ist auf der Suche nach sich selbst, muss Ereignisse aus ihrer Vergangenheit verarbeiten und muss sich mit der Liebe auseinandersetzen. Die inneren Konflikte, die dabei entstehen, beschreibt die Autorin sehr anschaulich in einer mitreißenden, leicht verständlichen Sprache. Bereits nach den ersten Kapiteln hat man sich ein gutes Bild von der Protagonistin gemacht, das auch bis zum Ende konsistent bleibt. Sie ist damit sicherlich nicht der originellste Charakter, aber sie ist interessant und lebendig und besitzt Potenzial.

_Ob sich dieses_ Potenzial auch in der von Lauren Kate geplanten Reihe fortsetzen wird, wird sich zeigen. „Engelsnacht“ hat hinsichtlich der Protagonistin und des verständlichen Schreibstils jedenfalls die richtigen Tendenzen. Die Handlung überzeugt allerdings noch nicht ganz. Etwas mehr Spannung und weniger Längen wären wünschenswert.

|Gebunden: 448 Seiten
Originaltitel: Fallen
Deutsch von Doreen Bär
ISBN-13: 978-3570160633|
http://www.cbt-jugendbuch.de

Andreas Eschbach – Black*Out (Lesung)

Nun ist es endlich soweit. Nach dem „Marsprojekt“ gewährt Andreas Eschbach seinem Geist und seiner Schöpfungskraft einen neuen Ausflug in die Sciencefiction, ein Bereich, den er weitgehend seinen Jugendromanen überlässt. So kündigt sich auch „Black*Out“ als Erster mehrerer Teile an, deren vordergründige Zielgruppe Jugendliche sind. Doch wissen wir nicht alle, dass Eschbachs erwachsene Leser vor seinen vermeintlichen Jugendromanen keinen Halt machen?

Chris, Serenity und ihr Bruder sind in der Wüste Nevadas auf der Flucht. Vor wem, ist den beiden Geschwistern noch nicht richtig klar, doch spätestens, als sie von Militärhubschraubern verfolgt und beschossen werden, nehmen sie Chris‘ Paranoia ernst. Serenitys Vater, der Aussteiger Jeremiah Jones, wird neuerdings ebenfalls von der Regierung verfolgt und für Attentate und Terroranschläge verantwortlich gemacht. Chris behauptet, ihm helfen zu können und bittet die Geschwister deshalb, mit ihm die vagabundierende Gruppe um Jones zu finden. Denn bei Jones, das ist Chris‘ persönlicher Anreiz, befindet sich ein alter Bekannter seiner Familie:

Als Neurologe und Neurochirurg besitzt er die Fähigkeiten, die Christopher braucht, um ein unheimliches Geheimnis und gefährliche Bürde loszuwerden. Ihm wurde ein Chip implantiert, mit dessen Hilfe ihm eine direkte Verbindung ins Internet möglich ist. Der Haken: Alle Träger dieser Chips bilden einen geistigen Verbund, in Folge dessen sie ihre Individualität verlieren und absolut gleichgeschaltet werden – ihre Gedanken sind kohärent wie das Licht eines Lasers, ihr gemeinsames Ziel ist – alles. Und nur Christopher ist durch einen Defekt in der Lage, seinen Chip zu deaktivieren. Er kennt die Kohärenz, wie sich die gleichgeschalteten Menschen nennen. Er ist eine Gefahr für ihr Ziel. Er ist der Sohn eines ihrer Entwickler. Und er soll zurückgeholt werden …

Das Hörbuch ist natürlich eine gekürzte „autorisierte Lesefassung“. Das Manko bei diesen Produkten ist natürlich, dass tiefer gehende Erklärungen und Zusammenhänge oft dem Rotstift zum Opfer fallen und so in manchen Details nach dem Hören weiterer Erklärungsbedarf besteht. Das führte bereits zu Fehlinterpretationen oder auch schlechteren Beurteilungen, als einem Roman angemessen und würdig wäre. Im vorliegenden Fall ist dieser Mangel zu vernachlässigen, denn es wurde eine gute Balance geschaffen zwischen erzählerischem Tempo und nötigen Erklärungen, so dass die Spannung und der innovative Wert der Geschichte erhalten bleiben.

Die letzten Jahre kristallisieren sich immer stärker zu Jahren der medienbezogenen utopischen Literatur, und die Steigerung ist noch nicht abgeschlossen. Denken wir an Autoren wie Cory Doctorow oder Charles Stross, treffen wir auf abgefahrene Abhandlungen – nein, Erzählungen – über Weiterentwicklungen der Medientechnik, des Internets und der Breitbandverbindungen. Gefahren werden aufgezeigt, Möglichkeiten beschworen und dem Trend gefolgt, denn die Apps und Blogs und Plattformen für Handy und Co. bleiben kaum hinter den Utopien zurück.

Griff Eschbach letztens das Thema der computerbasierten Manipulation sehr ernsthaft auf, beschäftigt er sich im vorliegenden Roman zwar noch beängstigender, dennoch aber sehr utopisch, mit den Gefahren, die aus überbordender Vernetzung erwachsen könnten. Direkte Vernetzung von Gehirnen mit dem Internet über implantierte Chips sind doch trotz aller beschworener Schrecken echte Sciencefiction und rufen deshalb neben dem wohligen Schauer das beruhigende Gefühl hervor, davon noch weit entfernt zu sein. Gleichwohl spielt Eschbach auf diese Art kritisch mit dem Problem der Beeinflussung und Gleichschaltung von Gesellschaften. Noch leistet bei uns die Werbeindustrie die Arbeit, die bei Eschbach unumgänglich durch Kohärenz erledigt wird.

Genug der Interpretationen, widmen wir uns lieber den greifbaren Aspekten der Erzählung. Die Charakterentwicklung ist typischerweise bei Eschbach gut nachvollziehbar. So bleibt auch nicht verwunderlich, dass ein junger Mann, der stets allein und mit seinem Genie einsam vor seinen Problemen stand, seinen Plan zwar mit Hilfe von Anderen ausführen will, die wahren Details aber für sich behält. Dass er dabei für seine Helfer eine andere glaubhafte Geschichte inszeniert und sie damit ebenso verkackeiert wie seine Gegner, zeigt nur deutlich, dass er sich weiterhin als Einzelgänger betrachtet.

Die Gefahrenentwicklung für die anderen Beteiligten erleichtert Chris natürlich die Überzeugungsarbeit, um sie für sich zu gewinnen. So bedingen alle Geschehnisse einander und führen zu logischen Konflikten, denen sich die Protagonisten dynamisch nähern und – angewiesen aufeinander – gemeinsam zu Lösen versuchen. Es rennt also nicht ein Teenager durch Amerika und überzeugt ein paar Erwachsene von seinen Ideen, sondern die Ereignisse reißen alle mit in ihren Strudel und sorgen für gegenseitige Abhängigkeit, was die gesamte Geschichte glaubwürdig macht.

Da es sich offenbar um den Start eines Mehrteilers handelt, verbleiben ein paar lose Fäden und offene Fragen in der Geschichte. So das Rätsel um die von der Kohärenz unbemerkt vorgenommene Manipulation an Christophers Chip: Ist er also doch kein Einzelfall? Gibt es noch andere Möglichkeiten, sich von der Masse der Gehirne abzukapseln? Die Gefahr ist alles andere als gebannt, der Überraschungseffekt ist dahin und die Kohärenz wird mit jedem Tag stärker – eine gute Ausgangsbasis für weitere spannende Geschichten.

Ein Wort zum Sprecher: Stefan Kaminski, der seine Fähigkeiten selbst als „Stimmen-Morphing“ bezeichnet, trifft bei jedem Auftritt einer Figur deren Stimme in gleicher Weise, wie er sie einführte. Er liefert eine ausgezeichnete Leistung und ein Hörbuch, bei dem es Spaß macht, zuzuhören.

Ein neuer jugendlicher Eschbach, der weit näher vorstellbar ist als die Vorgänger zum Marsprojekt und neben gefährlichen Visionen auch die Hoffnung für die Zukunft nicht aus den Augen verliert. Und das Wichtigste: Spannende Unterhaltung für Jedermann!

6 Audio-CDs mit ca. 406 Minuten Laufzeit
Gelesen von Stefan Kaminski
ISBN 13 978-3-401-26062-4

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Jackie Kessler – Ein Sukkubus in Nöten (Hell on Earth 1)

Die „Hell on Earth“-Serie:

Band 1: _“Ein Sukkubus in Nöten“_
Band 2: „One Way Ticket in die Hölle“ (Dezember 2010)
Band 3: „Hotter Than Hell“ (noch nicht auf Deutsch angekündigt)
Band 4: „A Hell of a Time“ (noch nicht auf Deutsch angekündigt)
Band 5: „Hell Is Where The Heart Is“ (noch nicht auf Deutsch angekündigt)

_Die verführerische Jezebel_ ist ein Sukkubus, der aus der Hölle fliehen musste. Auf ihren Kopf wurde ein Preisgeld ausgesetzt, das nicht nur Dämonen schwach werden lassen würde. Um ihren Häschern zu entgehen, sucht Jezebel Hilfe bei der Hexe Caitlin. Caitlin braut Jezebel, die sich fortan Jesse nennt, einen Trank, der sie in einen Menschen verwandelt. Um sicherzugehen, bekommt Jesse auch einen Schutzstein, der sie vor anderen Dämonen warnt.

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Victor Gunn – Der vertauschte Koffer

Gunn Koffer Cover 1988 kleinAls er zufällig über einen Koffer voller Raubgeld stolpert, gerät ein junger Mann zwischen die wütenden Räuber, seinen exzentrischen Onkel und zwei misstrauische Kriminalbeamte … – Der 21. Band der William-Cromwell-Serie zeigt den Verfasser in ausgelassener Erzähllaune, der sich um die Logik seiner Geschichte wenig kümmert, sondern in kriminalkomödiantischen Szenen schwelgt, in denen karikaturenhaft überzeichneten Figuren seltsames Benehmen an den Tag legen: amüsant!
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Petermann, Axel – Auf der Spur des Bösen. Ein Profiler berichtet

Schon von Kindesbeinen an werden uns die verschiedenen Facetten und Gesichter des Bösen anschaulich präsentiert: Märchen, Fabeln, Legenden, ja selbst der Priester in der Kirche sprechen davon, dem Bösen zu widerstehen und für das Gute einzutreten. Erst im Laufe unserer geistigen Entwicklungen wird uns klar, dass das „Böse“ ein Meister der Tarnung sein kann und die Grenzen zwischen Gut und Böse durchaus fließend sind.

Wo fängt Schuld an und wo endet Sühne? Für die Beamten der Mordkommissionen stellt sich die Frage wahrscheinlich häufiger. Das Grauen, das sie in ihrem Beruf erleben, lässt sich manchmal in dunklen Nächten nicht verdrängen, so dass Bilder vom Tatort, Gedanken über Opfer und Täter, Leichengeruch und ganz sicher auch die Verzweiflung der Angehörigen die Ermittler auf lange Sicht begleiten.

_Inhalt_

Axel Petermann, der Autor des vorliegenden Buches, ist Kriminalbeamter mit langjähriger Erfahrung und einer der ersten und besten Profiler Deutschlands. Sein Interesse daran, das Verhalten des Täters zu analysieren, es zu dokumentieren und sich mit den kleinsten Details des Tatortes zu beschäftigen, legte den Grundstein zu seiner jetzigen Position. Der Bremer Polizist beschäftigt sich permanent mit den Tatorten und den Leichen, sucht aber auch die Täter im Gefängnis auf und spricht über ihre Beweggründe, ihre Motivation. Gerade dieses auch sehr menschliche Verstehenwollen ist hilfreich, um den Täter als Menschen zu sehen – ob nun böse oder nicht, sei erst mal dahingestellt. Wichtig ist es für Axel Petermann, einen Blick hinter die geistigen Kulissen des Mörders zu werfen, um aus dessen Verhalten lernen zu können. Die Beweggründe der Tat sind vielfältig: psychische Krankheiten, moralische oder ethische Gründe, aber natürlich wird auch Morde aus Gier, Rache, Neid usw. – die sieben Todsünden tauchen immer wieder auf.

„Ich weiß nicht, was das Böse ist“, sagt Axel Petermann, und auf den ersten Blick wirkt dieser knappe, persönliche Feststellung für den Leser verwirrend, doch nach und nach offenbart sich der Sinn und der Kern dieser Aussage. Der Profiler sucht nach der Spur des Bösen und analysiert mit wissenschaftlichen Methoden den Tatort, sucht nach Indizien und nach Kleinigkeiten, die ausschlaggebend sein können. Der Profiler weiß, dass das Sichten des Tatortes, der zeitliche Ablauf der Tat usw. primär wichtig sind und eine einmalige Möglichkeit darstellen, um einen ersten Ansatz zu finden. Vergisst oder übersieht der Beamte etwas, so ist es auf immer verloren.

Der Autor Axel Petermann, auch für die Fernsehserie „Tatort“ als Berater tätig, erklärt seine tägliche Arbeit anhand von sieben gelösten Mordfällen. Dabei schildert er diese Fälle recht schonungslos, er beschönigt nichts und gibt auch persönliche Fehler zu, aus denen er gelernt hat. Es sind sehr unterschiedliche Mordfälle, deren Täter ganz ungleiche Motivationen antrieben. Dass ca. neunzig Prozent aller Morde aufgeklärt werden, klingt erst mal recht zuversichtlich und positiv, andererseits vermutet allerdings Axel Petermann, dass die Dunkelziffer nicht erkannter Morde um ein Vielfaches höher liege. Die Aussage „Wenn auf deutschen Friedhöfen bei jedem Verstorbenen, der dort liegt und nicht eines natürlichen Todes gestorben ist, eine Kerze brennen würde, dann wäre der Friedhof in einer dunklen Nacht ein ziemlich erleuchteter Ort“ stimmt sehr nachdenklich. Es scheint, dass viel vertuscht wird, und dass natürlich aus Kosten- und Zeitgründen weniger Leichen auf den Tischen der Pathologie landen, als es der Fall sein müsste.

Absolut positiv ist, dass der Autor die Täter nicht als „Bestien“ oder als das personifizierte Böse identifiziert, sondern den Menschen als komplexen und fühlenden Wesen erkennt. Alles andere wäre auch zu einfach, und, sagen wir es ruhig, unzivilisiert.

Seinen persönlichen Umgang und dern seiner Kollegen mit dem Verbrechen glorifiziert er in keinem Kapitel. Kriminalbeamte sind Menschen, sie machen Fehler, sie verzweifeln, haben Ängste und erleben in ihrem Beruf immer wieder Situationen, die sie psychisch an ihre Grenzen bringen. Ihre Eindrücke können sie nur bedingt professionell verarbeiten. Hier entwickelt sich schnell Ironie und Zynismus, die helfen, solche Erlebnisse abzuschwächen – ein einfacher und effizienter Schutzmechanismus.

All diese kleinen Szenen bilden in der Gesamtheit ein sehr gutes Buch und geben eine gute und umfassende Momentaufnahme ab. Es räumt auf mit Vorurteilen, die sich immer wieder in Film und Fernsehen, aber auch in der Krimi- und Thriller-Literatur finden.

_Fazit_

„Auf der Spur des Bösen“ von Axel Petermann arbeitet mit dem Ansatz, dass man das „Böse“ nicht einfach finden kann, indem man Spuren verfolgt. Vielmehr stellt sich doch die Frage: Was ist der Auslöser? Wie wird Kriminalität erzeugt und ist nicht auch die Summe unserer Zivilisation bzw. die ansteigende Armut und die Unzufriedenheit, der tägliche Druck, den die Bürger empfinden, der Grund für Verzweiflung? Gewalt ist immer ein Ventil für Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, keinen Ausweg aus ihrer persönlichen Sackgasse finden, doch an solchen Tragödien ist nichts Sensationelles, wie es uns die Medien immer wieder unterhaltsam präsentieren wollen – es ist das Leben, so krank es psychisch und physisch auch sein mag.

„Auf der Spur des Bösen“ ist ein authentisches Buch ohne Sensationsgier, von einem Autor, der nüchtern und vor allem sachlich beschreibt, wozu Menschen fähig sind. Hier stehen das Opfer wie auch der Mensch an sich im Fokus, mit all seinen komplexen Fehlern, und das Buch zeigt sehr deutlich, dass es fühlende Menschen sind bzw. waren, die zu extremen Taten fähig sind.

Das „Böse“ ist und bleibt individuell, es versteckt sich, tarnt sich und offenbart sich manchmal – und es ist komplizierter, als es uns wirklich lieb ist. „Auf der Spur des Bösen“ ist ein großartiges Buch.

|304 Seiten, broschiert
ISBN-13: 978-3548373256|
http://www.ullsteinbuchverlage.de

Monchinski, Tony – Eden

_Das geschieht:_

Eines unschönen Tages hielt es die Toten weltweit nicht mehr in ihren Gräbern. Als hungrige Zombies kehrten sie zurück und fielen über die entsetzten Hinterbliebenen her. Die menschliche Zivilisation brach binnen weniger Tage zusammen. Während die Zahl der Zombies stetig wuchs, weil nicht allzu heftig angefressene Opfer zu ihnen stießen, wurden die Lebenden zur bedrohten Art. Wer den Untoten entkam, schloss sich schwer bewaffnet zusammen und zog in festungsartig gesicherte Refugien.

„Eden“ nennen die Bewohner ironisch den von einer hohen Mauer geschützten Komplex, den sie sich im New Yorker Stadtteil Queens buchstäblich erkämpft haben. Hier fristen sie inmitten notdürftig angelegter Gärten und Felder ein mühseliges Dasein. So selten wie möglich wagen sie Ausbrüche ins zombieverseuchte Stadtgebiet, um Medikamente und andere Güter zu bergen, die sie nicht selbst herstellen können.

Die Präsenz der unmenschlich geduldig lauernden Untoten und private Tragödien haben die Überlebenden gezeichnet. Alkohol- und Drogensucht sind verbreitete Übel, aber auch Endzeit-Despoten wittern Morgenluft. Ex-Lehrer Harris fällt einem perfiden Mordanschlag zum Opfer: Wohl weil ihn seine schöne Gefährtin Julie nicht verlassen will, lässt ein Nebenbuhler nachts Zombies in sein Haus eindringen. Zwar können die Untoten gestoppt werden, aber Harris wurde gebissen. Binnen 24 Stunden wird er sich verwandeln. Harris schweigt, denn die ihm verbleibenden Stunden will er zur Rache nutzen, seinen Mörder entlarven und ihn strafen.

Die Zeit drängt, denn erste Zeichen der Infektion werden bald sichtbar. Aber Harris nimmt sich die Zeit, Abschied zu nehmen, an die Zeit vor und nach der Epidemie zurückzudenken und eine Todesfalle auszutüfteln, die mindestens so grausam ausfallen soll wie das Schicksal, das ihn erwartet …

_Once bitten, twice shy_

Erstens: Der zwar variierte aber grundsätzlich identische Plot ist vielen Lesern quasi heilig: Sie hassen Überraschungen und das damit verbundene Risiko der Irritation, sondern wünschen in ihrer knappen Freizeit bewährte Zerstreuung. Von dieser Haltung – die der Kritiker gern „Denkträgheit“ nennt – profitieren zahlreiche Autoren, die genau dieses Gewünschte und nicht mehr zu liefern in der Lage sind.

Zweitens: In der (ungerecht wertend) als „trivial“ bezeichneten, primär der Unterhaltung dienenden Literatur gibt es (Sub-) Genres, die durch eng gezogene Grenzen definiert sind. Zu ihnen gehört der Zombie-Horror, der nicht nur im Buch, sondern auch im Film grundsätzlich derselben Storyline folgt: Die Toten kehren als hirnlose Kannibalen zurück und lassen durch ihre schiere Überzahl die Zivilisation enden. Statt sich möglichst wirkungsvoll zu organisieren, arbeiten sich die Überlebenden an den mannigfachen Möglichkeiten der zwischenmenschlichen Zwietracht ab und zerstören sich selbst; den Rest übernehmen die Zombies.

„Eden“ entspricht diesem Schema exakt. In einer merkwürdigen Mischung aus Fiktion und Vorwort – angeblich wurde dieser Roman von einem unkonventionellen Weltenbummler namens Tommy Arlin verfasst, und Tony Monchinski ist nur sein literarisches Sprachrohr – macht der Verfasser bereits einleitend deutlich, dass er Neues gar nicht anstrebt. Die „Eden“-Zombies sind ausdrücklich als ‚Klassiker‘ und hässliche Zerrbilder des Menschen gestaltet. Sie reden nicht, sie jagen und fressen nur. An eine Verständigung mit ihnen ist nicht zu denken.

|Der Zombie hält den Spiegel|

Nur in Details mochte Monchinski auf Neuerungen nicht verzichten. Im apokalyptisch verheerten New York treiben nicht nur die üblichen Torkel-Zombies à la Romero ihr Unwesen. Die Überlebenden klassifizieren vier Arten: „Schlurfer“, „Hetzer“, „Heuler“ und „Hirne“. Monchinski erkannte, dass langsame, dumme Untote selbst in der Überzahl keine Spannung garantieren. Also erweitert er ihren Handlungsspielraum, indem er die Reihen der trägen Stolper-Leichen durch spurtstarke Läufer und tückisch schlaue Hinterhalt-Jäger ergänzt.

Diese Konstellation sorgt für die übliche Splatter-Action, wenn Mensch und Zombie in dunklen Kellergängen, nur scheinbar verlassenen Lagerhallen oder an ähnlich unübersichtlichen Orten unvermutet aufeinandertreffen. Dazu kommen die beliebten Massenaufmärsche unterschiedlich verwester Untoter, die detailfreudig beschrieben für angenehme Schauer sorgen.

Doch der Zombie fungiert nicht nur als direkte Schreckensgestalt. Er dient in der Masse als gesichtslose Gefahr, der sich die lebendig und damit Individuum gebliebene Rest-Menschheit stellen muss. In dieser Funktion ist die Anwesenheit der Zombies sogar überflüssig. Viele Seiten füllt Monchinski deshalb mit Schilderungen, die sich auf die lebenden Bewohner von Eden konzentrieren. Sie stehen mit dem Rücken so glatt an der Wand, dass die üblichen Beschwichtigungs- und Vertuschungsmechanismen nicht mehr greifen. Die Menschen müssen zueinander finden oder untergehen: An diesem Punkt wird es für den Schriftsteller interessant, denn hier wird er zum Schöpfer eigener Gesellschaftsentwürfe.

|Viele fühlen sich berufen, nur wenige sind auserwählt …|

99 von 100 Apokalyptikern sind Kulturpessimisten. Monchinski gesellt sich zu ihnen, indem er die von außen belagerte Gruppe inneren Zerreißproben aussetzt. In der Not fällt die Maske, der Mensch kehrt in die Regelwelt der Steinzeit zurück, die angeblich durch das Primat des Stärksten und Rücksichtslosesten (aber nicht unbedingt des Klügsten) gekennzeichnet war. Monchinski arbeitet mit bekannten Klischees, lässt Cäsarenwahn, religiöser Fanatismus und feigen Opportunismus wüten, die er durch ostentative Tapferkeit, Pioniertugenden oder einfach Resignation konterkariert.

Die daraus resultierenden Konflikte versucht er kurzweilig abzuwandeln, setzt dabei jedoch erneut auf Klischees: Hauptfigur Harris ist „DOA“, „dead on arrival“; nicht mehr Mensch, aber noch nicht Zombie und ein Opfer, das in den ihm verbleibenden Stunden den eigenen Mörder jagt. Dies ist kein innovatives Konzept, zumal Monchinski sich nicht auf Harris konzentriert, sondern ständig abschweift.

„Eden“ ist kein Roman mit straff gespanntem Handlungsfaden, sondern ein Mosaik kapitelkurzer Schlaglichter auf das Ende der Welt. Wie sein (im Vorwort gelobtes) Vorbild Quentin Tarantino in „Pulp Fiction“ bricht Monchinski mit der Chronologie der Ereignisse, verlässt die Gegenwart, springt in die Zeit vor und zurück, sucht dabei Orte außerhalb der Eden-Festung auf, führt Figuren ein, die sang- und klanglos wieder verschwinden. Die dennoch simple Story vermag der Leser mühelos in die korrekte Reihenfolge zu bringen – und dabei als vordergründig entlarven.

In seinem Debüt-Roman will Monchinski dem ‚dreckigen‘ Horror der 1970er und 80er Jahre spannend seine Reverenz erweisen. Was ihm immerhin gelingt, ist ein unterhaltendes Zombie-Garn der schnell konsumierten und vergessenen Art. (Die zahlreichen Druckfehler der deutschen Übersetzung bleiben dagegen ebenso lange im Gedächtnis haften wie die – rhetorische – Frage, ob es nötig war, ein im Original gerade 268 Seiten zählendes Buch zum 480 Seiten starken und entsprechend teuren Paperback aufzublasen.)

P. S.: Selbstverständlich geht die Schlacht weiter; „Eden: Crusade“ erschien 2010.

_Autor_

Nach Lehr- und Wanderjahren im Dienst des US Peace Corps, die er u. a. in der Karibik und nach Südkorea verbrachte, arbeitet Tony Monchinski, Jahrgang 1973, heute als Lehrer für Politikwissenschaften an der Fox Lane High School in Bedford, US-Staat New York. In seiner Freizeit schreibt und fotografiert er für das Bodybuilder-Magazin „MuscleMag International“. 2008 veröffentlichte Monchinski – zunächst im Selbstverlag – den Horror-Roman „Eden“, den er inzwischen fortsetzte.

|Taschenbuch: 475 Seiten
Originalausgabe: Eden – A Zombie Novel (Mena/Arkansas: Permuted Press 2008)
Übersetzung: Reinhold H. Mai
ISBN-13: 978-3-453-52665-5|
[www.randomhouse.de/heyne]http://www.randomhouse.de/heyne

Weiler, Jan – Mein Leben als Mensch

_|Stern|-Abonnenten sollten wissen_, worauf sie sich bei einem gefragten Kolumnisten wie Jan Weiler einlassen. Seit geraumer Zeit versorgt der inzwischen auch als Buchautor gefragte Schreiberling ein wachsendes Publikum mit den Geschichten um den pikanten Schwiegervater Antonio, um Sara, die etwas zerstreute Ehegattin, und die beiden Nachzügler Carla und Nick, die erst jüngst hinzugestoßen sind und Weiler allerhand Futter für neue kuriose Geschichten zum ‚ganz normalen‘ Alltag liefern.

61 seiner berüchtigten Kurzabhandlungen hat er nun unter dem Titel „Mein Leben als Mensch“ zusammengefasst und auch über seine populären Kolumnen hinaus für die Nachwelt festgehalten. Und vergleichbar seinem inzwischen bereits verfilmten Klassiker „Maria, ihm schmeckt’s nicht“ hat Weiler hierbei kein Fettnäpfchen ausgelassen, um seine sarkastisch angehauchte Selbstironie sowie die allzu üblichen Fehltritte des Alltags auf die Schippe zu nehmen bzw. sich am Ende des Tages in erster Linie über sich selbst und seine Sippe zu amüsieren.

Insofern ist „Mein Leben als Mensch“ natürlich vorrangig eine Zusammenfassung der brisantesten Alltags-Storys aus dem Leben einer italienischen Gastarbeiterfamilie, in die der Protagonist vor einiger Zeit eingeheiratet hat. Es geht um Kuriositäten wie die Geschichte mit den ‚Laufenten‘, die Weiler vergeblich einzufangen versuchte, um die Fußball-Weltmeisterschaft, für die Senór Antonio natürlich noch die richtige Flimmerkiste beschaffen musste (mit Flakebild versteht sich), um die Diskrepanzen, die ein Festnetz-Anschluss mit sich bringt, und natürlich um das Au-Pair-Mädchen Natalya, das immer wieder frischen Wind und Denkanstöße in die engmaschige Welt der italienisch-deutschen Verbindung hineinbringt, ohne dabei jedoch den Moralapostel heraushängen zu lassen.

_Aber was genau_ zeichnet Weiler und seine Hommage an den Alltag nun wirklich aus? Nun, es ist der Alltag selber. Es sind außergewöhnliche Storys, die nur das Leben schreibt, die so gewöhnlich und typisch sind, als Anekdoten aus einer völlig normalen Welt, dann aber doch wieder ein wenig absurd erscheinen, fast schon als Persiflage auf das, was Weiler im Titel beschreibt – auf das Leben als Mensch. Die Spanne reicht dabei von kleinen Krisen über einen Hauch von zynischer Situationskomik bis hin zu schwärzlich-humoristischer Satire. Kaum eine Gelegenheit wird dabei ausgelassen, die Klischees der italienischen Hitzköpfigkeit zu betonen, und wenn Weiler seinen Lieblingszögling Antonio mal wieder in den Mittelpunkt rückt, sind die Lacher stets auf seiner Seite.

Dennoch werden sich Liebhaber der vorherigen beiden Bücher zunächst einmal an „Mein leben als Mensch“ gewöhnen müssen, da die jeweiligen Kapitel in sich abgeschlossen und vor allem reichlich kurz sind. Doch inhaltlich entschädigen sie einfach für alles, was sich anfangs gegen die Erwartungshaltung sträubt. Antonios ständige Dispute mit der Technik, Sohnemanns unerschöpfliche Suche nach neuen Wortkreationen, Saras stete Hilflosigkeit und Claras Besonnenheit – hier wird jeder Charakter zu einem Lachmuskelerquicker der besonderen Art. Und zu einem Kurzweil-Garanten für die begrenzte Dauer von immerhin 224 Seiten. Aber die Quantität muss nicht die Sorge des Publikums sein. „Mein Leben als Mensch“ wird zweifelsohne noch einige Brüder zur Seite gestellt bekommen. Denn wenn eines schier unerschöpflich ist, dann Weilers Sinn für liebreizende und vor allem unterhaltsame Geschichten aus dem Alltag einer nicht ganz alltäglichen Familie …

|Hardcover: 224 Seiten
Mit Illustrationen von Larissa Bertonasco
ISBN-13: 978-3463405711|
[www.rowohlt.de/verlag/kindler]http://www.rowohlt.de/verlag/kindler

Sala Rose, Rosa – Lili Marleen. Die Geschichte eines Liedes von Liebe und Tod

_Muss man in einen Song_ überhaupt so viel hineininterpretieren, dass er geradezu in jeder Silbe zerpflückt wird und die wahre Schönheit des Liedes im analytischen Kontext seines Genusses verlorengeht? Man kann sicher darüber streiten, zumal die heutige Popkultur mit ihren größtenteils oberflächlichen Inhalten kaum mehr Anlass gibt, den lyrischen Output einer Komposition näher zu diskutieren. Dass dies mal anders war, steht außer Frage, man denke nur auf die intelligenten Geschichten des [Krautrocks,]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1492 die Symbiose aus Wort und Text in den frühen Momenten der progressiven Musik oder schließlich an die Anfänge der Hippie-Singer/Songwriter-Kultur mit Protagonisten wie Bob Dylan und Joan Baez. Doch auch Jahrzehnte vorher entstanden Lieder bzw. in erster Linie Texte, deren Deutung ein Millionenpublikum beschäftigte und deren wortgewandte Wirkung die Gesellschaft in der ganzen Welt in Aufruhr brachte.

Eines der passendsten Beispiele ist sicherlich „Lili Marleen“, jenes Lied, welches womöglich sogar den globalen Soundtrack des Zweiten Weltkrieges abzugeben gezwungen war, da es nicht nur von der Wehrmacht motivierend gesungen wurde, sondern auch im Bereich der Alliierten Anklang und Bewunderung fand. Als Hans Leips Verse, vertont von der legendären Lale Anderson, zu Beginn des „Dritten Reichs“ erstmals beim Militärsender Belgrad gespielt wurde, hatte noch niemand eine Vorstellung davon, welche Wellen das Ganze schlagen sollte. Doch kurzerhand wurde das sehnsüchtige Flehen der Lili Marleen zum Sensationserfolg, zur bittersüßen Kriegssymphonie melancholischer Soldaten, zur Erkennungsmelodie für die verlorenen Hoffnungen von ganzen Armeen, schließlich aber auch zum Schauplatz der bitteren Tragödien, die in diesem Hoffnungsschimmer begraben sind. Letzten Endes avancierten die Rechte und der Ursprung von „Lili Marleen“ zur dramatischen Schlammschlacht.

_Wer sollte sie gewesen sein_, die Lili, die in diesem Song besungen wurde? Welche Zusammenhänge ergeben sich hierdurch für den Textautor Leip und dessen undurchdringliches Liebesleben? Warum ist die Familie des sozioanalytischen Meisters Sigmund Freud ein Teil des Ganzen? Und welche Rolle spielt Marlene Dietrich, die berühmte Diva, die den Welthit auch für den amerikanischen Markt salonfähig machte? Dass ein Lied so viele Fragen aufwirft, scheint übertrieben, vor dem Hintergrund des schlichten Textes sogar regelrecht paradox. Doch gerade vor dem Hintergrund der immensen Nachwirkungen, die das Ganze hinterließ, scheint es sinnvoll, noch einmal näher in das Treiben einzutauchen und den offenen Komplex in einer umfassenden Diskussion zu beleuchten.

Die Frau, die sich dieser Aufgabe angenommen hat, stammt aus Spanien, heißt Rosa Sala Rose und ist dem Song ähnlich verfallen wie die Heerscharen, die vor gut und gerne 70 Jahren gegeneinander in den Krieg zogen. Die Autorin beschreibt vor allem dem Mythos und die Wirkung der Worte, ergründet hierbei Schritt für Schritt die Ursprünge und die hierin verstrickten, tragenden Figuren. Und es sind zumeist hässliche Erlebnisse, Streitereien, Familienzwiste, Fehden um Wahrheit und Betrug und schließlich themenübergreifende, theatralisch inszenierte Dramen, die jedoch den Mythos nur weiter nährten und eine Faszination auslösten, wie sie wohl kein Song zuvor in dieser Vehemenz für sich beanspruchen konnte. Doch das Buch „Lili Marleen“ ist mehr als eine Situationsanalyse respektive eine biografische Aufarbeitung eines Liedes im Zeitraffer eines halben Jahrhunderts. Es ist vielmehr eine Ergründung von bisher noch nicht bestätigten Tatsachen, eine gezielte Auseinandersetzung mit Herkunft, Motiv und Nachwirkung, vielleicht auch die Suche nach noch viel mehr von dem, was zwischen den Zeilen steht, schließlich aber ein Essay der ganz besonderen Art, da es zeigt, was sich aus einem Stück weltlichen Kulturguts alles herausholen lässt, wenn man einmal die nötige Distanz aufgebaut hat, um sich ihm wieder peu à peu anzunähern.

_Zuletzt hat Rosa Sala Rose_ es geschafft, das Interesse zu wecken und etwas Emotionales sachlich und doch fokussiert aufzugreifen, ohne dabei genau jenes Emotionale in seiner Wirkung zu zerstören. Gerade das schmucke Extra, eine CD-Beilage mit elf Fassungen und Abhandlungen des Liedes, beschreibt dabei die Sorgfalt der Autorin, die nichts unversucht gelassen hat, um den Mythos greifbar zu machen, ihn aber auch auf alle erdenklichen Ebenen auszuweiten. Aus diesem Grund muss man weder mit der Komposition selber noch mit dem vertraut sein, was „Lili Marleen“ umgibt. Die spanische Germanistin mit deutschem Ursprung weiß nämlich auch bei fehlendem Background mit einer Hingabe zu fesseln, in die man sich langfristig zu verlieben weiß – ähnlich wie so mancher Soldat in einer der schwierigsten Zeiten seines ganzen Lebens …

|Kartoniert: 239 Seiten mit 21 Abbildungen und Audio-CD
Originaltitel: Lili Marleen – Canción de amor y muerte
Übersetzer: Andreas Löhrer
ISBN-13: 978-3-423-24801-3|
[www.dtv.de]http://www.dtv.de

Perry Rhodan – Konzil der Sieben (Silber Edition 74, Teil 1)

_Die Handlung:_

Es beginnt Anfang des Jahres 3459. Perry Rhodans Gehirn ist in seinen Körper zurückgekehrt, und die Galaxis wartet voller Spannung auf die Konsequenzen, die sich aus dem „Kosmischen Schachspiel“ ergeben könnten. Als dann aber die Sterne erlöschen, kommt alles anders als erhofft. Eine fremde Macht, die Laren, landet im Auftrag des „Konzils der Sieben“ auf der Erde und stellt unmissverständliche Forderungen. Hotrenor-Taak, ihr Sprecher und Anführer, bestimmt Perry Rhodan kurzerhand zum „Ersten Hetran der Milchstraße“. Der Terraner soll im Auftrag des Konzils diktatorisch über die Völker der Galaxis herrschen. Perry Rhodan bleibt nichts anderes übrig, als zum Schein auf die Forderung der Fremden einzugehen und im Untergrund gegen das Konzil der Sieben zu kämpfen. Dabei darf er nicht einmal davor zurückschrecken, zum Schein seinen Freund Atlan zum Tode zu verurteilen – ein Spiel, aus dem tödlicher Ernst wird … (Verlagsinfo für den kompletten Silberband)

_Mein Hör-Eindruck:_

Da ist sie nun, die erste |Silber Edition|, die nicht von Josef Tratnik gelesen wird. Nach 25 erfolgreichen Hörbüchern startet der Verlag, sicher auch auf Drängen der Fans hin, eine Parallelveröffentlichung von weiteren Silberbänden, die im Wechsel von Tom Jacobs und Andreas Laurenz Maier gelesen werden. Und damit man sich selbst nicht in die Quere kommt, beginnen die Lesungen mit Silberband 74, den Tom Jacobs vorliest. Die Silber Edition 75 vertont dann Andreas Laurenz Maier. In der „regulären“ Reihe hatte Josef Tratnik gerade Silberband 25 präsentiert.

Die |Silber Edition| 74 „Konzil der Sieben“ startet den „Konzil“-Zyklus, der sieben Silberbände umfasst. Band 74 selber beinhaltet die Handlung der Heftromane mit den Nummern 650-655. Das sind sechs Hefte, deren Gesamthandlung in vier Teilen vorgetragen werden. Da fragt sich der geneigte Fan mit Vorwissen, wo denn da unterbrochen wird, und der unvorbelastete Hörer freut sich auf weitere Abenteuer mit Perry Rhodan und seinen Freunden.

Es ist schon ein wenig seltsam, nach der altbekannten Titelmusik nicht die Stimme von Josef Tratnik zu hören, besonders für die, die Tom Jacobs nicht von den wöchentlichen Heftlesungen her kennen. Was allerdings ein wenig das Hörvergnügen gleich zu Anfang schmälert, ist die Zeitleiste, die Jacobs vorträgt. Das hatte Tratnik auch schon 25-mal gemacht, natürlich, sie steht ja auch am Anfang jedes Silberbandes, nur erfährt der Hörer der vorherigen |Silber Editionen| jetzt schon Dinge, die er eventuell gar nicht wissen möchte. Denn hier wird die Lücke zwischen Band 25 und 74 im Schnelldurchlauf geschlossen und die Handlung sämtlicher kommender Tratnik-Lesungen schon vorweggenommen. Wer hier also nicht schnell genug auf den „Nächster Track“-Knopf drückt, der bekommt eine Hypnoschulung der unfreiwilligen Art.

|Der erste neue Sprecher|

Tom Jacobs liest gefühlt schneller als Josef Tratnik, dieser Eindruck stellte sich sofort ein. Teilweise klingt er ein wenig unruhig und gehetzt und überträgt eine Art Nervosität. Aber er kann auch langsamer lesen und sich passend mit den bekannten Charakteren auseinandersetzen, so dass es nicht lange seltsam anmutet, dass hier Jacobs liest und nicht Tratnik. Er hat seine eigene Note, kopiert Tratnik nicht und hat es auch nicht nötig.

Einen leichten Einstand hat Jacobs allerdings nicht, so muss er doch gleich zu Anfang einen Xisrapen lesen. Diese amöbenartige Rasse kann die Lautverbindungen „an“ und „in“ mit ihrer Sprechblase nicht erzeugen, und entsprechend schwer hat es der Sprecher, wenn solche Passagen vorzulesen sind. Jacobs spricht den Außerirdischen gequält, gedrungen, bedrückt, fast asthmatisch und irgendwie leidend. Es hat den Anschein, dass hier auch das Leid des Sprechers mit eingeflossen ist. Allerdings hat der Erfinder dieser Rasse 1974 sicher noch nicht daran gedacht, dass in 36 Jahren einmal jemand diese Sprache laut vorlesen würde.

Davon abgesehen macht Jacobs seinen Job wirklich gut und transportiert die Stimmung und die Handlung überzeugend. Insgesamt wirkt sein Vortrag ein wenig lebendiger als der von Tratnik, an dem er sich natürlich messen lassen muss. Tratnik ist eher der ruhigere und gemächlichere Vorleser, wohingegen Jacobs mehr Schauspiel vor dem Mikro und somit ein wenig mehr Action in die Ohren bringt.

Im Speziellen spricht er Gucky nicht wie „Kermit der Frosch“. Zwar auch ein wenig gedrungen, aber nicht so nervend, wie Tratnik diesen Charakter vertont. Und Icho Tolot spricht er nicht wie einen ruhigen Riesen mit tiefer Stimme, wie sein Kollege es tut, sondern kräftig laut und mit Abstand vom Mikrofon.

|Keine neuen Effekte|

In Sachen „Hintergrund“ bleibt der Verlag bei Altbewährtem. So werden die bereits aus den Tratnik-Lesungen bekannten Effekte und Ambientesounds an den Anfang einiger Tracks gestellt. Dies könnte gern öfter und vielfältiger getan werden. Auch die Titelmusik ist gleich geblieben. Lediglich das Ende unterscheidet sich von den Vorgängern durch ein „Ende Teil 1“ des Sprechers statt der bekannten Abspannmusik. Diese wird wahrscheinlich am Ende des letzten Teils wieder zu hören sein und auf der im November erscheinenden Komplett-Ausgabe der |Silber Edition|.

|Die MP3s|

Beim Taggen der 45 Dateien, die in der Qualität 128kbps, 41,1kHz und in Joint Stereo vorliegen, ist ein wenig geschlampt worden. Die ersten 16 Tracks tragen eine andere ID als die folgenden 29. Bei der One-Track-Version gibt es dieses „Problem“ natürlich nicht.

_Mein Fazit:_

Das Experiment, eine neue Parallelreihe mit |Silber Editionen| zu starten, ist geglückt. Es ist keine Blasphemie, wenn Jacobs statt Tratnik zu hören ist, denn auch er versteht es, durch seine Vortragsart den Hörer zu fesseln, und schafft durch unterschiedliche Betonungen und Stimmmodulationen einen Wiedererkennungswert bei den Charakteren.

Eine etwa 7,5 Minuten lange Hörprobe bietet der Verlag [hier]http://www.einsamedien.de/MP3/hoerprobe__se74.mp3 an.

|MP3-Download mit ca. 215 MB Größe
Spieldauer der Lesung: 3:52 h
Sprecher: Tom Jacobs|
[perry-rhodan-shop.de]https://perry-rhodan-shop.de
[perry-rhodan.net]http://www.perry-rhodan.net

Hinweis: Die MP3-Fassung erscheint im November auch auf 2 CDs im Handel.

Pirinçci, Akif – Felipolis – Ein Felidae-Roman

_|Felidae|:_

Band 1: „Felidae“
Band 2: „Francis“
Band 3: „Cave Canem“
Band 4: „Das Duell“
Band 5: „Salve Roma!“
Band 6: „Schandtat“
Band 7: _“Felipolis“_

_Inhalt_

Kater Francis hat eigentlich mit persönlichen Problemen zu kämpfen, als sein alter Freund Blaubart ihn auf eine Artgenossin aufmerksam macht, die in einer prekären Situation steckt: Die reiche und offenbar etwas schrullige alte Besitzerin eines Weltkonzerns hat ihre Katze Domino als Alleinerbin eingesetzt und ist dann gestorben. Das ganze riesige Anwesen wimmelt nun von wütenden Familienmitgliedern und wichtig wirkenden Anwälten, und Francis macht sich ein wenig Sorgen um die Erbin: Wie leicht ist so ein kleiner Katzenhals doch umgedreht, wenn das Tier das einzige Hindernis auf dem Weg zu Milliarden ist?

Er ist allerdings nicht die einzige Samtpfote, die sich auf den Weg zu der über Nacht reich gewordenen Katze macht: Zahlreiche Artgenossen tummeln sich bereits vor der großen Villa – aus deren drittem Stock plötzlich ein Zweibeiner stürzt und sehr tot auf einer Luxuslimousine liegen bleibt. Nun gibt es für Francis kein Halten mehr: Die Erbin muss beschützt werden! Doch er scheint der Einzige zu sein, der sich tatsächlich Sorgen macht: Der Großteil der anderen Katzen weiß offensichtlich sehr genau, wofür das Geld verwendet werden sollte. Und wo so große Summen im Spiel sind, lassen natürlich auch die Dosenöffner (= Menschen) nicht lange auf sich warten. Es entbrennt ein Streit unter militanten Tierrechtlern und Anwälten der Gegenseite, und darüber hinaus sieht Francis sich plötzlich von allen Seiten angegriffen. Was soll das, warum möchte man ihn so dringend tot sehen? Und was zur Hölle ist dieses „Felipolis“, von dem man miauend munkeln hört?

Dieser Fall für Francis hat es tatsächlich in sich; diesmal geht es um Weltpolitik und eiskalte Killer, die auf dem Weg zu ihrem Traumziel auf gar nichts mehr Rücksicht nehmen. Wenn das dem alternden Katerdetektiv mal nicht über den plüschigen Kopf wächst …

_Kritik_

Wer sich damals in „Felidae“ verliebt hat und seitdem die Abenteuer des naseweisen Kater (von Freunden wie Feinden treffend „Klugscheißer“ genannt) mit Spannung verfolgt hat, wird sich freuen, dass es endlich weitergeht. Wie gehabt sind Akif Pirinçcis Katzen sehr anthropomorphe Wesen, aber das tut dem Vergnügen keinen Abbruch. Der leicht angeberische, clevere Held wächst dem Leser mit seinen Schwächen und seinen Stärken schnell ans Herz, und dass ihn nun langsam einige Alterserscheinungen beuteln, macht ihn umso sympathischer. Der fluchende, kaputte Blaubart mit dem Herz aus Gold ist ein weiteres Highlight dieser Reihe.

Der Fall ist diesmal extrem verwickelt und reicht über Staatsgrenzen hinaus, bis in wissenschaftliche Grenzgebiete hinein und spielt mit archaischen Wünschen, die zwar insgesamt eher in der Welt der Homo sapiens sapiens auftreten dürften, aber nahtlos in die der Felidae übertragen werden können. Es ist ein schon fast weimarerisch anmutendes Politkuddelmuddel, das Pirinçci hier heraufbeschwört – aber was davon nun Schein und was Sein ist, wird erst nach und nach geklärt. Zwar gibt es schon früh deutliche Hinweise darauf, wie das eine oder andere Verbrechen zu erklären ist, aber die letztendlichen Zusammenhänge begreift man dann doch erst, wenn sie restlos aufgeklärt werden.

Der Stil ist natürlich der flapsigen Sprache Francis‘ angepasst und somit eine unterhaltsame Mischung aus Bildung und Gossensprache. Im Großen und Ganzen haben wir hier einen ausgefallenen, spannenden Krimi voller Schnurrhaare, Krallen und extraordinären Einfällen, bei dem sich der Leser schmunzelnd fragt, wie um alles in der Welt man bloß auf so etwas kommt.

_Fazit_

Wie schon mehrfach zuvor liefert Pirinçci wunderbare Unterhaltung: abwegig, manchmal düster, immer spannend und sehr, sehr interessant. Natürlich ist es hilfreich, wenn man den kleinen Samtpfoten auch im wirklichen Leben verfallen ist, Notwendigkeit dafür besteht aber nicht, da die vierbeinigen Protagonisten allesamt eine sehr menschliche Denkweise an den Tag legen.

„Felipolis“ ist wie seine Vorgänger sehr empfehlenswert, eine vergnügliche Lektüre wie ein beunruhigendes Zukunftsbild gleichermaßen. Gönnt euch den Spaß und lest es!

|Gebundene Ausgabe: 352 Seiten
ISBN-13: 978-3453290976|
[www.randomhouse.de/diana]http://www.randomhouse.de/diana
[de.wikipedia.org/wiki/Akif_Pirinçci]http://de.wikipedia.org/wiki/Akif_Pirin%C3%A7ci

_Von Akif Pirinçci auf |Buchwurm.info|:_
[„Yin“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1112

Hujer, Marc – Arnold Schwarzenegger – Die Biographie

_Was ist bloß_ in Marc Hujer gefahren? Der Autor der aktuellen autorisierten Schwarzenegger-Biographie begeht bereits auf den ersten Seiten seines kürzlich veröffentlichen Werkes künstlerischen Selbstmord, indem er das Objekt seines Interesses im Vorwort als Karikatur darstellt. Hujer beschreibt hier das schwarzeneggersche Treiben in seiner Motorrad-Gang, das Macho-Gehabe, welches selbst von der hohen politischen Verantwortung des derzeitigen Gouverneurs von Kalifornien nicht ad acta gelegt wurde, kommentiert den Aufstieg in die obersten Regionen des größten Staates der USA mit einigen abschätzigen Worten und betrachtet den sogenannten amerikanischen Traum mit dem entsprechenden Zynismus.

Schreibt hier etwa jemand, der mit Staat, Politik und Persönlichkeit in einer Tour abrechnen möchte? Mitnichten! Stattdessen versucht der Autor lediglich all das greifbar zu machen, wofür die lebendige Laufbahn des einstigen Muskelprotzes steht. Er analysiert Systeme und eigenwillige Strukturen, die Macht von Worten und außergewöhnlich gewöhnlichem Gebaren. Dabei produziert er das womöglich abstoßendste Bild eines weitestgehend komischen Helden, ist aber leidenschaftlich darum bemüht, Arnold Schwarzenegger ein Forum zu schaffen, in welchem die Fehlleistungen und Plattitüden eine Möglichkeit bekommen, von der Menschlichkeit und Besonnenheit einer Persönlichkeit kompensiert zu werden, die letzten Endes nicht ohne Grund dort rangiert, wo sie am heutigen Tage positioniert ist.

Und gerade dieser wirklich aufopferungsvoll recherchierte Kampf – und das ist diese Ausgabe in der Tat – für Schwarzeneggers Recht, einfach nur Schwarzenegger zu sein und sich eben nicht immer anpassen zu müssen bzw. unangepasst an die Macht zu kommen, ist in „Arnold Schwarzenegger – Die Biographie“ schlicht und einfach genial herausgearbeitet. Das macht diesen Titel selbst für diejenigen interessant, für die der vermeintliche Titelheld nichts weiter ist als das aufgeblasene Beispiel einer, grob betrachtet, kitschigen Seifenblase im noch kitschigeren Hollywood-Format. Schließlich ist Marc Hujer mit ähnlichen Gedanken an die Sache herangegangen, als er anno 2003 beschloss, dem Phänomen Schwarzenegger etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken …

_Hujer stützt sein Wissen_ hierbei auf zahlreiche literarische Quellen und Zeitzeugen aus dem Umfeld des exilierten Österreichers und baut vor allem die Geschichten über die Bodybuilder-Karriere und den rasanten Aufstieg in den weltweiten Muckibuden auf den Erfahrungen Dritter auf. Dennoch setzt er gerade in diesem Bereich Prioritäten und analysiert, wie der spätere Terminator nicht mit Hirn, aber mit eisernem Willen seine Ziele verfolgt und auch tatsächlich erreicht. Schwarzenegger ist stets dem Spott derjenigen ausgesetzt, die in ihm genau das sehen, was er unterm Strich für eine lange Zeit auch sein wird: Ein eindimensional denkender, plumper Dörfler, der seinen Verstand vorrangig hinter einem mächtigen Oberarmumfang versteckt hat und, das konnten eigentlich die wenigsten verstehen, trotzdem zu einem der extremsten Emporkömmlinge in der gesamten Medienlandschaft avancierte.

Es sind daher auch vor allem die Zeiten, in denen sich Schwarzenegger von Titel zu Titel hangelte, dabei seine voyeuristische Art in allen Zügen auslebte und den eigenartigsten Szene-Publikationen Interviews und Auskunft gab, die in dieser Biographie einen großen Stellenwert bekommen und damit vor allem die Hollywood-Episode quantitativ um ein Vielfaches übertrumpfen. Es ist gerade diese Zeit, die aus heutiger Sicht völlig absurd scheint und in den modernen Beschreibungen des westamerikanischen Gouverneurs zumeist ausgeblendet wird, da die Distanz zwischen dem, was war und ist, kaum mehr fassbar scheint.

Und es sind die harten Trainings, der steinharte Weg, die knallharte Disziplin, die Konzentration auf nichts anderes als das Wesentliche und der brutale Wille, nach oben zu kommen, die aus einer an für sich klassischen Erfolgsbiographie herausragen und wahrscheinlich selten so knallhart ausgeprägt sind wie bei jener Figur des Jahrgangs ’47. All das zu lesen, fordert wider Erwarten jedoch nicht den Proleten im Manne, der hier nach Selbstbestätigung sucht, denn hierzu geht Hujer viel zu kritisch mit seiner literarischen Figur um. Es ist vielmehr ein brillantes Portrait eines sehr eigenwilligen, von seiner nicht immer leichten Jugend geprägten Menschen, der nie den Anspruch erhebt, Vorbild zu sein, sondern stattdessen immerzu kompromisslos seinen Weg geht, nur um sich und seiner selbst willen. Und, das weiß man vom heutigen Standpunkt her: Das hat Arnie definitiv geschafft!

_Das zweite große Kapitel_ dieser chronologisch angeordneten Biographie beschäftigt sich schließlich mit dem Politiker und Republikaner Schwarzenegger, jedoch auch hier nicht ohne auf die Fehltritte und naiven Leichtsinnsaktionen des Steirers einzugehen. Schwarzeneggers Niederlagen im Wahlkampf kommen ebenso ins Gespräch wie der leichtsinnige Feldzug gegen überzeugte Polit-Veteranen, die er seinen Filmrollen gleich aus dem Weg zu räumen versucht, dabei aber die Grundfeste der völkischen Politik Kaliforniens launisch und ohne den entsprechenden Background missachtet. Und auch hier wird Schwarzenegger in Hujers Text nicht bloß an seinen durchaus spürbaren Erfolgen gemessen, sondern in erster Linie an den radikalen Umbrüchen und seiner Überzeugung, überall noch größer und besser sein zu können – und das eben auch mit manch unangenehmem Hintertürchen!

_Zum Ende hin_ spannt der Autor schließlich den Bogen zu seinem gewagten Vorwort und bringt den Personenkult, der nach wie vor um Schwarzenegger betrieben wird, noch einmal auf den Punkt, allerdings mit einem völlig gewandelten Verständnis für das, was Schwarzenegger ist. Hujer hat begriffen, warum die Geschichte um den heutigen Gouverneur von Kalifornien mehr ist als bloß ein mediales Phänomen. Er hat sie haargenau gespürt und gelebt, die Atmosphäre um den einstigen Körpergiganten, seine Lebenseinstellung und seine immer noch konsequente und manchmal auch größenwahnsinnige Art. Und genau diese Erfahrung hat er dem Leser auch geschenkt und mit auf den Weg gegeben, dies eindrucksvoll erzählt und fantastisch aufgearbeitet.

Skepsis soll dennoch erlaubt sein, schließlich ist und bleibt diese Figur eine, die die Gemüter auseinandertreibt und in vielen Belangen polarisiert. Aber was eigentlich viel wichtiger ist: Es lohnt, über sie nachzudenken und sich ihre Biographie anzusehen. So gewöhnlich sie eigentlich ist, so außergewöhnlich wirkt sie in der Inszenierung von Marc Hujer. Insofern ist die Empfehlung ein verdientes Lob für sechs Jahre harte Arbeit und aufopferungsvolle Recherche. Vielleicht auch, weil Biographien über Personen, deren zwiespältiger Charakter nicht zwingend ansprechend ist, oftmals die besten sind …

|Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
ISBN-13: 978-3421044051|
[www.randomhouse.de/dva]http://www.randomhouse.de/dva

Frank, Jacquelyn – Jacob (Schattenwandler 1) (Lesung)

_Die |Schattenwandler|-Serie:_

Band 1: _“Jacob“_
Band 2: „Gideon“
Band 3: „Elijah“
Band 4: „Damien“ (erscheint im November 2010)
Band 5: „Noah“ (noch nicht auf Deutsch angekündigt)

_Die Schattenwandler sind_ ein uraltes Dämonenvolk, dem die Liebe zu den Menschen verboten ist, da diese für die Menschen tödlich enden würde. Der Schattenwandler Jacob hat die Fähigkeit, jeden verirrten Dämon aufzuspüren, der versucht, einen Menschen zu verführen, und bringt diese Dämonen wieder auf den rechten Weg. Er selber trotzt der Versuchung schon seit Jahrhunderten. Zudem sucht er auch Dämonen, die von Nekromanten (Magiern) abberufen wurden, um diese, falls eine Rettung unmöglich ist, zu vernichten.

Jacob ist gerade auf der Suche nach einen abberufenen Dämon, als er auf Isabella trifft. Die schöne junge Frau betrachtet gerade den Nachthimmel, als Jacob sie anspricht. Übermütig lehnt Isabella sich zu weit aus dem Fenster und fällt Jacob in die Arme.

Als Isabella Rauch aus einer nahen Lagerhalle riecht, laufen beide dort hin. In der Lagerhalle wütet der transformierte Dämon, den Jacob sucht. Es kommt zu einem Kampf, und als es für Jacob immer schlechter aussieht, tötet Isabella den Dämon überraschend. Jacob ist fassungslos, denn seit er denken kann, ist so etwas noch keinem Menschen gelungen.

Er beschließt, Isabella mit in seine Heimat zu nehmen, um sie dem Dämonenkönig Noah vorzustellen und ihr Geheimnis zu lüften. Was er sich nicht eingestehen will: Er begehrt Isabella und ist nahe dran, das Gesetz der Dämonen selber zu brechen.

_Kritik_

Mit „Jacob“ hat Jacquelyn Frank den vielversprechenden Auftakt zur |Schattenwandler|- Serie geschrieben. Verfasst aus der Perspektive eines Beobachters, findet sich der Hörer schnell in die Geschichte rund um die Schattenwandler ein. Das Hörbuch ist spannend und mitreißend erzählt, die Geschichte der Schattenwandler macht neugierig und sticht aus der breite Masse der momentan gebotenen romantischen Fantasy aus. Die sympathischen und gar nicht bösen Dämonen kann der Hörer direkt ins Herz schließen, und auch Isabella kann punkten.

Die Spannung kommt nicht zu kurz, ein konstanter Spannungsbogen, der im Hörbuch sehr gut umgesetzt wurde, fesselt an das Geschehen und der Hörer wird förmlich in die Geschichte hineingezogen. Den vollen Umfang der Handlung bekommt man in dieser stark gekürzten Lesung leider nicht geboten. Die Geschichte um die Schattenwandler und Isabella entwickelt sich rasch, doch leider kommen dabei in diesem Hörbuch die Protagonisten und die Orte der Handlung etwas zu kurz. Detaillierte Beschreibungen fallen weg und auch die Protagonisten wirken teilweise eindimensional. Zudem hat der Hörer ab und an das Gefühl, irgendetwas verpasst zu haben

_Fazit_

Das Hörbuch „Jacob“ hat mich auf jeden Fall neugierig auf die |Schattenwandler|-Serie von Jacquelyn Frank gemacht. Leider ist dieses Hörbuch viel zu kurz und daher wenig detailgetreu. Ich werde die |Schattenwandler|-Serie auf jeden Fall weiter verfolgen, dabei aber auf eine exklusive und ungekürzte Version, die es ebenfalls gibt, zurückgreifen.

Die Sprecherin Tanja Geke hat mich völlig überzeugt, ihr Timbre und die Betonungen passen wunderbar zu der Geschichte. Mit ihrer ausdrucksstarken Stimme versteht es die Sprecherin, die Geschichte gekonnt in Szene zu setzen. Auch die einzelnen Charaktere bekommen eine eigene Ausdrucksform, so dass man sie schnell unterscheiden kann.

_Autorin_

Jacquelyn Frank wurde in New York geboren und lebt heute mit ihren Katzen in einem großen Haus in North Carolina. Zu ihren Lieblingsautorinnen gehören Christine Feehan, J. R. Ward, Kresley Cole und Sherrilyn Kenyon. (Verlagsinfo)

_Sprecherin_

Die Schauspielerin Tanja Geke, geboren 1971 in Berlin, ist bekannt aus der TV-Serie „Dr. Sommerfeld – Neues vom Bülowbogen“. Ihre warme, ausdrucksvolle Stimme leiht sie u. a. Kate Hudson und Scarlett Johansson. Zudem arbeitet sie als Sängerin. (Verlagsinfo)

|4 Audio-CDs mit 315 Minuten Spieldauer
Originaltitel: Jacob (2006)
ISBN 9783839810460|
[www.argon-verlag.de]http://www.argon-verlag.de
[www.egmont-lyx.de]http://www.egmont-lyx.de

_Nadine Warnke_

Nalini Singh – Engelszorn (Gilde der Jäger 2)

Gilde der Jäger:

Band 1: „Angels‘ Pawn“
Band 2: „Engelskuss“ („Angels‘ Blood“)
Band 3: „Angels‘ Judgment“ in „Must Love Hell Hounds“-Anthologie
Band 4: „Engelszorn“ („Archangel’s Kiss“)
Band 5: „Archangel’s Consort“ (2011)

Die Vampirjägerin Elena Deveraux wurde im ersten Teil von dem Erzengel Uram im Kampf getötet. Raphael, der Erzengel New Yorks, hat sie aus Liebe gerettet, indem er ihr Ambrosia gab und sie dadurch zu einem Engel wurde. Ein Jahr später erwacht Elena aus dem Koma und muss sich nun mit ihrem neuen Dasein sowie den körperlichen Veränderungen arrangieren. Sie befindet sich in der geheimen Zufluchtsstätte der Engel, wo sie sich erholen soll, die Geschichte der Engel lernen und ihre neuen Fähigkeiten trainieren muss.

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Strasser, Patrick – Hier ist Hoeneß!

_Es ist eigentlich paradox._ Jahrelang gehörte Uli Hoeneß zu den schillernden Gestalten der deutschen Fußballwelt, polarisierte ständig mit Statements und Äußerungen über die Stellung ‘seines‘ FC Bayern, galt als Haarspalter der deutschen Ballsportnation, wurde für seine legendären Wutreden und seinen permanenten Hitzkopf auch wieder als Kultobjekt gefeiert. Nun, was ist jetzt paradox? Definitiv die Tatsache, dass der Mann, der sich mit seinem Übergang in das Präsidentschaftsamt des größten deutschen Interessenvereins im Prinzip in den Vorruhestand begeben hat, plötzlich in der hiesigen Literatur so umfassend gewürdigt wird. Christoph Bausenwein hat unlängst mit der sehr ausführlichen Biografie „Das Prinzip Uli Hoeneß“ erfolgreich vorgelegt und ein klares Zeichen in Sachen Persönlichkeitsbeschreibung für den deutschsprachigen Markt gesetzt. Mit anderen Worten: Viel besser, detaillierter und wortgewandter kann man eine objektive Geschichte über einen solch komplex gestrickten Menschen kaum zusammentragen.

Patrick Strasser hat es daher ungleich schwerer, mit seinem Werk „Hier ist Hoeneß!“ Fuß zu fassen und den vielleicht nicht beabsichtigten, aber unvermeidlichen Konkurrenzkampf ohne Blessuren zu überstehen. Alleine schon die reduzierte Quantität macht ihm einen klaren Strich durch die Rechnung, da er auf den gut 300 Seiten nicht alle pikanten Themenbereiche anreißen kann, die im Zusammenhang mit dem einstigen Bayern-Manager wirklich belangvoll sind. Außerdem konzentriert sich Strasser nicht auf die gesamte Historie, sondern folgt in seiner Abhandlung nahezu ausschließlich brisanten Inhalten und den insgesamt wohl bekannteren Ausschnitten aus der persönlichen Biografie – knackig und bündig, fokussiert mag man auch sagen. Aber ist das dann auch noch der wahre Hoeneß, der sich hier zu Wort meldet?

Nun, die Antwort muss im Nachhinein ebenfalls ganz klar Ja lauten. Strassers Arbeit ist definitiv oberflächlicher, man mag auch sagen sensationslüsterner, deswegen aber kaum weniger lesenswert, zumindest als unabhängiges Werk. Die gesamte Aufteilung bringt einen komplett anderen Blick auf die Dinge, da nicht im klassischen Zeitraffer berichtet wird, sondern mit dem jeweiligen Schwerpunkt auf bestimmte Verhaltensweise und Konfliktpunkte. So stellt Strasser im Laufe seiner Schilderung im Kapitel „11 Feinde müsst ihr sein“ ein komplettes Fußballteam mit Persönlichkeiten auf, die Hoeneß in seiner Laufbahn zu hassen gelernt hat. Dies zunächst als Beispiel. Doch auch sonst handelt der Autor vollkommen themenbezogen und beschreibt einerseits die gute Seele des stets hochroten Enthusiasten, andererseits aber auch seine Einstellungen zu klassischen Management-Themen oder eben auch die wohlbekannte Hitzköpfigkeit, die ihm schon die verschiedensten Titel in mehr als 30 Jahren beim FC Bayern eingebracht hat.

Nur, und da würde man dem Werk seines Kollegen Bausewein jederzeit den Vorzug geben: Den Anspruch, das Leben dieses Menschen komplett erfasst zu haben, seinen Lebensweg im Anschluss verstehen zu können und vor allem den Charakter mit all seinen Facetten in den Blickpunkt gerückt zu haben, sollte Strasser an sein Buch nicht haben. Es geht eher darum, das mediale Interesse an Hoeneß zu beurkunden, herauszustellen, warum dieser Mann selbst in Zeiten jenseits von Gut und Böse eine der gefragtesten Persönlichkeiten in der TV- und Boulevardlandschaft geblieben ist, letzten Endes aber auch sein verwöhntes Erfolgsstreben an festen Eckpunkten zu dokumentieren und den postwendenden Erfolg in seiner allgemeinen Kontrastwirkung zu analysieren.

_Wo Bausewein vorrangig Infotainment_ auf höchstem Niveau bietet, geht es bei Strasser um die pure Unterhaltung, oftmals angeheizt durch einen gewissen Zynismus, zugleich aber auch von humorigen Passagen und eleganten Wortspielereien untermalt. Außerdem spürt man, dass der Autor eine bestimmte Distanz zu der beschriebenen Person hat und sich ihr zwar verbunden fühlt, aber dennoch auch ein kritisches Augenmerk auf gewisse Situationen und Lebensabschnitte von Herrn Hoeneß legt. Die Daum-Affäre beispielweise wird kurz hervorgehoben, dann natürlich das kritische Verhältnis zu Intimfeind Willi Lemke, schließlich aber auch die Verdienste für den Verein, die persönliche Nähe zu Fans und Spielern und als allerletztes auch die ununterbrochenen Auseinandersetzungen mit den Herrschaften Rummenigge und Beckenbauer, die vor allem die letzten Jahre am Kaiserhof geprägt haben. Erstaunlich hierbei ist im Übrigen, dass Karl-Heinz Rummenigge als einer der engsten Vertrauten und Freunde vorgestellt wird, wohingegen in Bauseweins Buch noch von einer kleinen Hassliebe die Rede ist, im Zuge derer sich Hoeneß vom Bayern-Vize in seiner Position stets gefährdet sieht – andere Blickwinkel, andere Meinungen.

Doch gerade Letzteres gibt am Ende doch den Ausschlag pro Strasser, selbst wenn man in „Das Prinzip Uli Hoeneß“ eigentlich schon alles Wissenswerte über den Menschen und die Karriere des vielleicht gewieftesten wie emotionalsten deutschen Geschäftsmannes erfahren hat. Hier und dort geht „Hier ist Hoeneß“ ein bisschen mehr in die Tiefe und liefert die nötigen Ergänzungen zu manchen kleinen Details. Aber auch das ist wichtig: Patrick Strasser schreibt letzten Endes eine Ergänzung, die als eigenständiges Werk sicher ganz gut funktioniert, für eine umfassende Biografie aber zu sehr an der Oberfläche bleibt, zumindest in vielen bedeutsamen Aspekten. Vergleichbar sind die beiden Hoeneß-Bücher daher nur in den vielen inhaltlichen Parallelen. Da man aber jeweils von einem völlig anderen Ansatz startet, sollte man schon beide gelesen haben, um das Phänomen Uli Hoeneß besser begreifen zu können. Muss man sich indes entscheiden, ist Bauseweins Arbeit aufgrund ihrer vermehrten Vielschichtigkeit sicher vorzuziehen!

|Gebundene Ausgabe: 304 Seiten
ISBN-13: 978-3868830484|
[www.rivaverlag.de]http://www.rivaverlag.de

Wellington, David – Welt der Untoten (Monster Island 3)

_Die „Monster Island“-Trilogie:_

Band 1: [„Stadt der Untoten“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4980
Band 2: „Nation der Untoten“
Band 3: _“Welt der Untoten“_

_Inhalt:_

Zwölf Jahre nach den grauenhaften Ereignissen auf Govenors Island, New York, bei denen der UN-Waffeninspektor Dekalb ums Leben kam, kämpfen die letzten Menschen immer noch gegen die Horden der Untoten. Die Zahl der Ghoule wächst beständig, in dem Maße, wie die Menschheit immer weniger wird. Die somalische Soldatin Ayaan hat Dekalb geschworen auf seine Tochter Acht zu geben und sie zu beschützen. Mittlerweile ist Sarah zwanzig Jahre alt und besitzt die Gabe, die tote Energie der Ghoule zu sehen. Als Soldatin hingegen sind ihre Fähigkeiten eher schwach ausgeprägt. Bei einem weiteren Einsatz in der Wüste wird die Einheit von Ayaan von einer Gruppe Untoter angegriffen, die völlig anders agieren als gewohnt. Die Ghoule taumeln nicht langsam und unkontrolliert auf ihre Gegner zu, sondern rennen mit beängstigender Geschwindigkeit präzise auf ihre Opfer zu. Es gibt herbe Verluste zu beklagen und schließlich fällt Ayaan dem Feind in die Hände. Sarah hat ihrer Freundin einst versprochen sie zu erlösen, sollte sie zu einem Ghoul mutieren. Ein Geist namens Jack, ein ehemaliger Freund ihres Vaters, hilft Sarah bei der Suche nach Ayaan. Gemeinsam mit dem Piloten Osman kapert Sarah einen Hubschrauber. Doch steht sie gegen die Übermacht der Untoten auf verlorenem Posten. So verhilft ihr Jack zu neuen Verbündeten – jahrtausendealte Mumien. Mit ihrer Hilfe hofft Sarah Ayaan aus den Fängen des Zarewitsch befreien zu können. Doch der russische Leichenherr im Körper eines verkrüppelten Jungen hat seine eigenen Pläne und will die versehrte Erde zu einer Welt der Untoten machen …

_Meinung:_

„Welt der Untoten“ ist der krönende Höhepunkt der Zombie-Trilogie aus der Feder von David Wellington, der sich bereits mit seinem Vampir-Dreiteiler (ebenfalls erschienen bei PIPER) einen Namen gemacht hat. Protagonistin ist dieses Mal, neben Ayaan, Sarah, die Tochter von Dekalb, der auf Govenors Island zurückblieb. Treffsicher gelingt Wellington die Charakterisierung der beiden jungen, unterschiedlichen Frauen. Die eine hart, unerbittlich und kriegerisch versucht die andere lediglich zu überleben, sich nützlich zu machen und angesichts des allumfassenden Grauens nicht den Verstand zu verlieren. Die magisch-fantastischen Komponenten, die in den ersten beiden Romanen nur am Rande eine Rolle spielten, treten im vorliegenden Buch in den zentralen Fokus. Der Leser wird mit allerlei Abarten und Mutationen der Untoten konfrontiert, die direkt den Alpträumen eines Clive Barker entsprungen zu sein scheinen. Mit den Zombieszenarien eines Goerge A. Romero hat David Wellingtons Roman indes nichts mehr gemein. Die literarisch-geistige Distanz wird auch im Ausdruck deutlich, denn der Autor vermeidet es auf den 400 Seiten konsequent den Begriff „Zombie“ zu verwenden. Die alternative Bezeichnung lautet Ghoul, der im Sinne eines menschenfleischfressenden Dämons benutzt wird, mit den arabischen Mythengestalten aber nichts zu tun hat. Die Szenerie der „Welt der Untoten“ ist sehr viel bizarrer, abgedrehter und unwirklicher als in den anderen Romanen, die noch einen unverkennbaren Realitätsbezug hatten. Die Geschichte spielt in einer postapokalyptischen Welt, in der die Menschheit eine verschwindend geringe Minderheit darstellt. Die Fülle an Figuren und Begriffen würde einen unbedarften Leser schnell überfordern, so dass es unabdingbar ist, die Bücher in chronologischer Reihenfolge zu lesen. Auf ein Glossar, wie im zweiten Band „Nation der Untoten“, muss verzichtet werden. Waffensysteme und militärische Abkürzungen werden im Kontext erklärt. Auch in diesem Buch outet sich Wellington als Waffennarr und Militär-Fan was auf die Dauer sehr ermüdend und überfrachtet wirkt. Hinzu kommt ein sehr actionlastiger und handlungsorientierter Schreibstil, der wenig Möglichkeit zur Reflektion bietet. Das führt dazu, dass der Leser zwischen all den Lebenden, Toten und Leichenherren den Überblick zu verlieren droht. Einzig die plakative Brutalität und der zynische, schwarze Humor wirken in der ansonsten staubtrockenen Zombie- … Verzeihung … Ghoul-Apokalypse reichlich erfrischend.

Das handliche und stabile Taschenbuch ziert ein kunstvolles Covermotiv des Künstlers Dan Dos Santos. Papier, Satz und Lektorat lassen keine Wünsche offen.

_Fazit:_

Im abschließenden Teil seiner Zombie-Trilogie verrennt sich der Autor in mystischen Magie-Duellen, militärischen Fachbegriffen und einem unwirklichen Apokalypse-Szenario. Eher etwas für Fantasy-Fans, die sich auch von brutalen Zombie-Massakern nicht abschrecken lassen.

|Taschenbuch: 398 Seiten
Originaltitel: Monster Planet (2007)
Aus dem Amerikanischen von Andreas Decker
Titelillustration/Titelgestaltung von Dan Dos Santos/Agentur Luserke
ISBN-13: 9783492266871|
[www.piper-verlag.de]http://www.piper-verlag.de
[www.brokentype.com/davidwellington]http://www.brokentype.com/davidwellington

_Florian Hilleberg_

_David Wellington bei |Buchwurm.info|:_
[„Der letzte Vampir“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4613
[„Krieg der Vampire“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5894
[„Vampirfeuer“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6230

Adler-Olsen, Jussi – Schändung

Einst abgestraft und in den Keller versetzt, ermittelt Vizekommissar Carl Mørck nun mit dem Sonderdezernat Q in seinem zweiten Fall. Diesen hat Mørck eher dem Zufall zu verdanken, denn eines Tages liegt die Akte eines vermeintlich gelösten Kriminalfalls auf seinem Schreibtisch, und niemand weiß, wie sie dorthin gekommen ist. Dennoch macht sich Mørck mit seinem Assistenten Assad sogleich an die Arbeit und vertieft sich in den Fall des ermordeten Geschwisterpaars aus Rørvig. 20 Jahre zuvor sind die beiden in einer kleinen Waldhütte brutal ermordet worden, in Verdacht stand damals eine Clique von Jugendlichen aus reichem Hause. Doch nachgewiesen werden konnte ihnen die Tat nicht – bis einer der sechs die Tat gesteht und seitdem im Gefängnis seine Strafe absitzt. Schon nach kurzer Recherche glaubt Mørck nicht an die Schuld des einen allein, immer mehr verdichten sich die Hinweise, dass auch die anderen fünf ihren Teil der Schuld tragen.

Dieser Mord bleibt nicht die einzige Tat, die mit großer Wahrscheinlichkeit auf das Konto der reichen Jugendlichen geht. Vielmehr scheinen diese Schuld an einer Reihe von Überfällen und Misshandlungen zu sein. Nur konnte ihnen keine der Taten angelastet werden. Während Kristian Wolf nicht mehr am Leben ist und Bjarne Thøgersen im Gefängnis sitzt, sind die verbleibenden drei Männer – Ulrik Dybbøl Jensen, Ditlev Pram und Torsten Florin – an die Spitze der Karriereleiter aufgestiegen. Daher erscheint es in der Gegenwart umso schwieriger, diese angesehenen Mitglieder der Gesellschaft mit den damaligen Taten in Verbindung zu bringen. Doch nun müssen sich die drei nicht nur vor dem Sonderdezernat Q in acht nehmen, sondern auch vor Kimmie Lassen, die als einzige Frau damals zu der gefährlichen Clique gezählt hat, die aber nach einem Schicksalsschlag auf der Straße lebt. Doch Kimmie hat nicht vergessen, was die Männer der einstigen Clique ihr angetan haben und so verfolgt sie die drei auf Schritt und Tritt, während sie sich gleichzeitig vor den Häschern ihrer früheren Freunde geschickt versteckt hält.

Carl Mørck ahnt noch nicht, was Jensen, Pram und Florin alles auf dem Kerbholz haben und dass Kimmie Lassen bereits Jagd auf die drei macht. Stattdessen schlägt sich Mørck mit seiner neuen Sekretärin Rose herum, die ihm anfangs gehörig auf die Nerven geht, die dann aber genau wie Assad ihren Teil dazu beiträgt, die Jugendclique von einst auffliegen zu lassen …

_Dänenpower_

Nach „Erbarmen“ handelt es sich bei dem vorliegenden Buch um den zweiten Fall des Sonderdezernats Q, an dessen Spitze Carl Mørck agiert. Und der steht als geschiedener Mann ganz in der Tradition anderer Kriminalkommissare. Zudem war er nach einem missglückten Polizeieinsatz, bei dem einer seiner Kollegen ums Leben gekommen und der zweite schwer verletzt worden ist, in psychologischer Behandlung. Allerdings ging Mørck nicht nur zu den Sitzungen, um sich seine Probleme von der Seele zu reden, sondern weil er der Psychologin zu gerne an die Wäsche gehen würde. Doch leider hat diese noch nicht angebissen, und seine eher unbeholfenen Annäherungsversuche, die er in „Schändung“ wagt, dienen auch nicht gerade dazu, dass Mørck endlich einmal wieder bei einer Frau zum Zuge kommt. Zwar scheint er nicht ganz so depressiv zu sein wie sein schwedischer Kollege Kurt Wallander, aber viel fehlt auch nicht daran, denn auch zu Hause ärgert er sich mit seinem Sohn und seinem merkwürdigen Untermieter herum, zudem überlegt er, seinen querschnittsgelähmten Kollegen zu Hause zu pflegen. Viele Probleme sind es also, mit denen Mørck zu kämpfen hat und die ihn von seinem Fall ablenken.

Zudem weht ihm beruflich ein kräftiger Wind entgegen: Sein Vorgesetzter wirft ihm immer mehr Stöcke zwischen die Beine, um die Ermittlungen zu behindern, bis Mørck gar suspendiert wird. Doch den Kopf steckt er deswegen nicht in den Sand, stattdessen legt er sogar noch eine Schippe drauf. Dies zeigt die starke Seite des Vizekommissars, die mir persönlich deutlich besser gefallen hat als die verzweifelte Seite Mørcks, bei der er im Selbstmitleid versinkt, weil er seit Urzeiten mit keiner Frau mehr im Bett gewesen ist.

Sehr gut gefallen haben mir Assad und Rose als fleißige, aber manchmal auch recht aufmüpfige und eigensinnige Assistenten im Sonderdezernat Q. So überrascht Assad bei so manch einer Vernehmung mit seinen teils eher unqualifizierten Bemerkungen und Fragen, die aber manchmal dann doch genau ins Schwarze treffen. Und auch Rose sorgt für einigen Wirbel, wenn sie neue Tische für die Kellerräume bestellt, damit sie auf ihnen ihre Akten sortieren kann. Doch die nur halb aufgebauten Tische machen das Chaos im Keller schließlich perfekt. Dennoch lässt sich Rose von nichts aus der Ruhe bringen und überhört so manche (nicht allzu freundlich gemeinte) Ermahnung ihres Chefs.

Neben Mørck ist Kimmie Lassen die zweite Hauptfigur des Kriminalromans. Sie lebt auf der Straße, obwohl sie aus reichem Hause stammt und ein großes Haus besitzt. Geldsorgen hat sie demnach nicht, doch muss sie sich vor ihren früheren Freunden versteckt halten. Doch was hat sie damals erleben müssen, das ihr Leben dermaßen auf den Kopf gestellt hat? Nur langsam nähern wir uns der Lösung dieses Rätsels. Kimmie Lassen ist in diesem Buch am schwierigsten zu durchschauen, da Jussi Adler-Olsen uns zunächst nur wenige Informationen über Kimmie und ihre Vergangenheit Preis gibt. Genau dies macht Kimmie umso interessanter, auch wenn anfangs noch gar nicht klar ist, dass sie eine dermaßen zentrale Rolle in diesem Roman spielt. Ihre ehemaligen Weggefährten dagegen blieben für meine Begriffe etwas zu blass. Jensen, Pram und Florin sind ziemlich stereotyp gezeichnet, sie sind die Jungs aus reichem Hause, die auf Kosten anderer ihre Gewaltfantasien ausleben und auch heutzutage ihre Macht immer wieder aufs Neue ausnutzen – sei es bei der Jagd auf Mensch und Tier oder gegenüber ihren Angestellten.

Insgesamt hat mich die Charakterzeichnung somit nicht vollkommen überzeugt. Hinzu kommt die Schwierigkeit, Mørck zu durchschauen, wenn man den ersten Teil „Erbarmen“ nicht gelesen hat. Seine privaten Probleme werden hier nur am Rande erwähnt, sodass man sich zusammen reimen muss, dass er geschieden ist und sein Sohn noch bei ihm im Hause wohnt. Welche Probleme es aber in der Ehe und mit seinem Kind gegeben hat bzw. noch gibt, konnte ich mir nicht erklären. Schade fand ich auch, dass nur angedeutet wurde, was bei dem Polizeieinsatz passiert ist, bei dem Mørcks einer Kollege gestorben und der andere schwer verletzt worden ist. Ganz aufgeklärt ist dies wohl noch nicht, eventuell gibt das Stoff für das nächste Buch, im vorliegenden bleibt diese Tat jedenfalls ziemlich in der Luft hängen.

_Jagd auf die Jäger_

Was dagegen nahezu perfekt gelungen ist, ist der Spannungsbogen. Zunächst sind Ulrik Dybbøl Jensen, Ditlev Pram und Torsten Florin diejenigen, die Jagd machen – auf wehrlose Tiere und auch auf Kimmie. Die aber dreht irgendwann den Spieß um, was der Handlung deutlich mehr Tempo verleiht. Zu Beginn ahnt man noch nicht, welche Rolle Kimmie im gesamten Gefüge spielt, doch je mehr Puzzleteile an den richtigen Platz rücken, umso mehr möchte man wissen, was sich hinter den verbleibenden Lücken verbirgt, was damals wirklich geschehen ist und wieso Kimmie auf der Straße gelandet ist. Was Jussi Adler-Olsen uns hier schließlich eröffnet, hat es in sich. Hier hat der Autor aus dem Vollen geschöpft, um seine Leser zu schockieren. Beim Finale übertreibt Adler-Olsen es zwar ein klein wenig, doch immerhin gerät die Auflösung wirklich schlüssig.

Carl Mørck mit seinen eigenwilligen Assistenten Assad und Rose hat im Krimigenre sicherlich eine blendende Zukunft vor sich, wenn Jussi Adler-Olsen es weiterhin so gut versteht, seine Leser so sehr zu packen und sie mit zu reißen. Allerdings würde ich mir für das nächste Buch wünschen, dass endlich aufgeklärt wird, was bei dem missglückten Polizeieinsatz damals schief gegangen ist, noch länger sollte Adler-Olsen seine Leser nicht mit Andeutungen hinhalten. Auch in puncto Nebencharaktere könnte er beim nächsten Mal ein klein wenig einfallsreicher sein, dann dürfte der dritte Fall des Sonderdezernats Q sicherlich zu einem äußerst lesenswerten Krimi werden!

|Taschenbuch: 460 Seiten
ISBN-13: 978-3423247870
Originaltitel: |Fasandræberne|
Deutsch von Hannes Thiess|
http://www.dtv.de/

Penalver, Mónica – Flamme und das Schwert, Die

_Inhalt_

Hispanien, frühes 8. Jahrhundert: Morvan de Bres, der für seine treuen Dienste unter Pelagius, dem Gründer des Königreichs Asturien, ein Lehen in den Bergen im Norden der iberischen Halbinsel zugesprochen bekommen hat, ist erst wenig begeistert: Der Großteil seines neuen Landes scheint vertikal, und die störrischen Bewohner stehlen ihm als erstes seine Pferde. Dem räuberischen Trupp gehört sogar eine junge Frau namens Lua an, der man den Mund mit Seife auswaschen sollte.

Morvan weiß leider nur zu gut, dass er sich mit den Bewohnern seines Landes arrangieren muss, um die Gegend vor den immer häufiger werdenden Angriffen der Araber zu schützen. Zähneknirschend willigt er also ein, eines der Mädchen des störrischen Clans zu ehelichen, um als einer der ihren akzeptiert zu werden. Aia, die ältere Schwester Luas, bringt dieses Opfer gern, verheißt es ihr doch sozialen Aufstieg. Und Morvan sieht ja auch sehr gut aus, da kommt es dem Mädchen nicht darauf an, dass er ein Westgote und damit streng genommen ein Feind ist.

Lua ist sehr wenig begeistert von der Aussicht auf diesen Schwager, und Morvan wiederum gerät wegen der kleinen Wildkatze von Brautschwester immer wieder in Wut. Und doch, irgendeine Macht, die sie beide nicht benennen können, zieht sie unwiderstehlich zueinander hin. Und als wären die dräuenden Angriffe durch die Mauren und ein verwirrendes Spiel der Gefühle nicht schon genug an Ärger, verfinstert zudem noch eine sehr persönliche Bedrohung den Horizont des neuen Lehnsherren: Eine Familienfehde überschattete bereits sein ganzes Leben, und nun hat der Feind ihn ausfindig gemacht …

_Kritik_

„Historischer Roman“, sagt der Einband. Das ist, um mit Günther Grass zu sprechen, ein weites Feld: Da gibt es die sehr sorgfältig recherchierten Romane, in denen ein großer Schriftsteller den Lücken zwischen den historischen Fakten mit Zauberhand Leben und Seele verleiht, da gibt es weiterhin die vielleicht ebenfalls sorgfältig recherchierten, in denen die Lücken mit Klamauk und Klischees gefüllt sind, und dann gibt es jene, die „historisch“ sind, weil sie irgendwann in der Vergangenheit spielen, die ein kurzes Gerüst skizzieren und dann stillvergnügt auf gänzlich eigenen Pfaden wandeln. Der vorliegende Roman gehört der letzten Gattung an: Im Vordergrund steht ganz klar die Romanze zwischen zwei nicht wirklich alltäglichen (um nicht zu sagen, leicht überzeichneten) Charakteren. Der Rest ist irgendwie Beiwerk, und sowohl im Hauptstrang der Geschichte wie in den Nebenarmen wird auf Altbekanntes zurückgegriffen: Der perfekte Krieger mit dem Herzen aus Stein. Das wilde Mädchen, schön und unbezähmbar. Wahnsinnig treue Freunde. Die weise alte Frau. Der Antagonist, der sein ganzes Leben der Zerstörung seines Feindes gewidmet hat.

Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen, aber es dürfte klar sein, worauf ich hinaus will. Und bis jetzt klingt alles sehr negativ – ist es aber nicht. Das altbewährte Rezept geht hervorragend auf, wenn man den Roman aus dem richtigen Blickwinkel betrachtet: Er hat keinen Lehrauftrag, er ist schlicht Unterhaltung. Kurzweil, seicht und angenehm, schrecklich romantisch und in so einfachem Stil, dass man binnen kürzester Zeit damit fertig ist. Und das ist, man kann es kaum deutlich genug sagen, auch mal wieder klasse. Man kann nicht andauernd große Literatur lesen, und für die Zwischenzeit ist dieses Buch quasi perfekt: Es hat mich gar nicht geärgert, niemand hat zum Beispiel aus Hörnern getrunken, trotz Frühmittelalters wird fast überhaupt nicht vergewaltigt, und niemand sagt andauernd schreckliche Dinge wie „holde Maid“ oder so. Dafür gibt es jede Menge Missverständnisse, Aussprachen, dunkle Gefühlswallungen und seufzende Küsse, und da verzeiht man auch schon mal so biologische Bedenklichkeiten wie die Person, die mit einem Schwert im Herzen noch all die Reden schwingen kann, die man noch schwingen muss, ehe man abtritt. „Die Flamme und das Schwert“ ist deshalb ein sympathisches Buch, weil es sich selbst nicht ernster zu nehmen scheint als es ist.

_Fazit_

Dieser Roman ist keine große Literatur. Wirklich nicht. Aber er ist ein herrlicher Schmöker, ein furchtbar romantisches Stück Unterhaltung, und wer einen geistig anstrengenden Tag hinter sich hat und bei an die Scheiben trommelndem Regen unter die Decken gekuschelt die Gedanken sachte abdriften lassen möchte, kann hier überhaupt nichts falsch machen.

|Taschenbuch: 352 Seiten
Originaltitel: La espada y la Ilama (2008)
Aus dem Spanischen von Daniela Pérez y Effinger
ISBN-13: 978-3499253850|
[www.rowohlt.de]http://www.rowohlt.de

Cossé, Laurence – Zauber der ersten Seite, Der

_Inhalt_

Es gibt Träume, die bestimmte Menschengruppen verbinden. Man muss nicht über sie reden, aber sie sind da. Und dann, eines Tages, wenn jemand sie erwähnt, strahlen die Gesichter der Ähnlichdenkenden auf, und die allgemeine Antwort ist: Das habe ich immer schon gewollt.

Ein solcher Traum vieler Bücherwürmer ist eine Buchhandlung, in der man nicht nach guten, anrührenden, lebensverändernden Büchern suchen muss, weil das ganze Sortiment nur solche Perlen umfasst. Ivan Georg, seines Zeichens idealistischer Buchhändler, und Francesca Aldo-Valbelli, betuchte Bibliophile, wagen es, diesen Traum in die Realität umzusetzen. Die Bücher werden von einem streng geheim gehaltenen Komitee ausgewählt, das sich aus großen Schriftstellern zusammensetzt.

Die Reaktionen auf das neue Geschäft „Der gute Roman“ in Paris sind zwiespältig: Die Freunde guter Bücher kommen gern, kaufen viel, verlieren sich lesend zwischen den Regalen und den Realitäten, bis man sie sanft in die Wirklichkeit zurückholt und auf den Ladenschluss hinweist. Aber wie üblich gibt es auch die Gegenstimmen: Wer sich denn erdreiste, gute Bücher von anderen zu unterscheiden? Warum sei dieses oder jenes Buch nicht im Bestand? Was seien das überhaupt für Menschen, die dieses elitär-faschistische Denken in die Buchwelt brächten?

Die Idealisten sehen sich plötzlich von einer Welle wilder Diffamierungen und persönlicher Anfeindungen überrollt, mit der sie nicht gerechnet hatten, und dann werden einzelne Komiteemitglieder physisch angegriffen. Wer hat ein Interesse daran, Buchliebhabern zu schaden? Der belesene und daher in diesem Fall sehr eifrige Kommissar Heffner taucht ein in eine Welt aus Worten, Schein und Sein …

_Kritik_

Kennt ihr diese Art Bücher, bei deren Lektüre ihr euch erst wieder in der Wirklichkeit zurechtfinden müsst, wenn ihr mitten im Lesen aufschaut, weil ihr ganz weit fort getragen wart? Das hier ist eines davon. Wer ein gutes Buch liebt und um seine Macht weiß, begrüßt den Einfall der spezialisierten Buchhandlung natürlich jubelnd, und der Kampf, der um sie tobt, geht entsprechend unter die Haut. Aber oh, das ist ja nur der Anfang! Die Charaktere sind aufs filigranste geschnitzt – man ist sofort befreundet mit dem für seine Ideale lebenden Ivan und mit der ätherisch-traurigen Francesca, die in behutsamer Weise und mit unglaublich schönen Bildern beschrieben werden. Wie die Lebensgeschichten sich auf den Punkt hinbewegen, an dem letztendlich die Anschläge geschehen und die Polizei eingeschaltet wird, ist trotz aller Stille und Unaufgeregtheit herzzerreißend spannend gemacht.

Die Büchervernarrtheit der Autorin spricht aus jeder Seite; man nimmt Anregungen über Anregungen mit, und wenn ein bestimmtes Buch mit den wärmsten Tönen bedacht wird, setzt man es sofort auf die geistige Liste. Das war in diesem Falle für mich besonders spannend, als es sich häufig um französische Bücher handelt, von denen ich nur wenige kenne. Die angesprochenen internationalen Klassiker allerdings lassen vermuten, dass es sich auch bei den erwähnten Franzosen um wirkliche Kleinode handelt.

Aber Geschichte, Charaktere, wundervoller Stil und Anregungen sind nur die Einzelteile dessen, was „Der Zauber der ersten Seite“ ausmacht: Es berührt Geist und Herz, erfüllt mit Energie, macht traurig und glücklich, kurz: Es schneidet in dein Leben ein. Es ist eines dieser Bücher, zu dem man greifen kann, wenn man sich ansonsten den Strick nähme, von seiner Wirkung – wenn auch nicht vom Inhalt her – ist es direkt neben Alice Walkers „Im Tempel meines Herzens“ anzusiedeln. Es ist ein |gutes| Buch: Das Gute ist darin, und Güte strömt heraus, und es hebt empor und dämpft und tröstet, alles auf einmal. Es umschmeichelt den gesamten Menschen. Es ist ein so liebevolles Stück Literatur, dass mir wirklich und tatsächlich die passenden Worte fehlen. Man kann ihm nicht gerecht werden, indem man es zu beschreiben versucht.

_Fazit_

„Der Zauber der ersten Seite“ schoss binnen kürzester Frist in meine Ewigen Favoriten. Ich werde es hundertmal verschenken, aber ich werde nie zulassen, dass ich kein Exemplar besitze. Es ist eines der wundervollsten Bücher, die ich in den letzten Jahren gelesen habe, und ich werde es wieder lesen, bis ich es auswendig kann. Als ich es zugeklappt habe, hatte ich das Gefühl, ein lieber Freund sei eben weggegangen. Laurence Cossé ist eine Magierin an der Feder, und sie muss einen beeindruckend schönen Geist haben. Lesen, Leute, lest es – vor der Lektüre dieses Buches ist euer Leben ärmer als danach!

|Gebundene Ausgabe: 464 Seiten
Originaltitel: Au bon roman (2009)
Aus dem Französischen von Doris Heinemann
ISBN-13: 978-3809025900|
[www.randomhouse.de/limes]http://www.randomhouse.de/limes

Meding, Kelly – In drei Tagen bist du wieder tot (Dreg City 1)

_Dreg City:_
Band 1: _In drei Tagen bist du wieder tot_

Als ob einmal sterben nicht genug wäre … Evangeline, die Heldin in „In drei Tagen bist du wieder tot“ von Kelly Meding, erwacht nach ihrem Tod in einem fremden Körper, nur weil ihr Arbeitgeber glaubt, dass sie wichtige Informationen mit ins Jenseits genommen hat.

_Evangeline Stone arbeitet_ als Dreg-Jägerin. Ihre Aufgabe ist die Verfolgung von übernatürlichen Wesen wie Gargoyles, Feen oder Vampiren, die aus der Reihe tanzen. Bei einer ihrer Missionen stirbt sie, doch ihr Vertrauter und Vorgesetzter Wyatt lässt sie mit Hilfe eines riskanten Zauberspruchs wieder zum Leben erwecken. Vor ihrem Ableben war sie einer Verschwörung auf die Spur gekommen, die eine Gefahr für die Menschheit darstellen könnte. Die Informationen, die sie hat, sind wichtig, doch das ist nicht Wyatts einziger Grund für dieses ungewöhnliche Vorgehen. Er ist in Evy verliebt, hat es ihr jedoch nie sagen können.

Dummer Weise geht bei der Wiedererweckung etwas schief. Evy leidet an Gedächtnisverlust. An die wichtigen Informationen muss sie sich erst erinnern. Sie hat jedoch nur 72 Stunden Zeit dafür und diese drei Tage machen ihr ihre Feinde nicht besonders leicht. Viel zu schnell wird bekannt, dass sie nun in einem anderen Körper steckt und ihre Widersacher setzen alles daran, um sie auszuschalten …

_“In drei Tagen_ bist du wieder tot“ reiht sich nahtlos in die Reihe der Urban-Fantasy-Bücher mit der toughen Heldin mit großem Mundwerk ein. Evy ist eine Kämpferin, die für Gefühle nicht besonders viel übrig hat. Vom harten Leben als Waisenkind geprägt stellt sie sich jeder Auseinandersetzung und zeigt keine Furcht vor Vampiren und Co. Evy wirkt authentisch, es macht Spaß ihr zu folgen, aber Meding misslingt es, ihre Serienheldin wirklich originell zu gestalten. Sie erinnert im Kern zu stark an andere weibliche Charaktere derartiger Bücher.

Die Handlung klingt auf den ersten Blick originell. Die Autorin versucht diesem ersten Eindruck mit einer flotten Erzählweise und viel Action gerecht zu werden. Es fehlt stellenweise aber etwas an Ordnung. Die Handlung wirkt verworren, echte Höhepunkte fehlen. Dadurch bleibt die Spannung auf der Strecke. Die Welt, in der die Geschichte spielt, ist ansprechend. Neben Vampiren und Feen beinhaltet sie auch eher ungewöhnliche Wesen wie Gargoyles, Kobolde oder Gremlins. Man merkt jedoch, dass es sich bei dem Buch um Medings Debüt handelt. Insgesamt wirkt die Kulisse noch nicht wirklich ausgereift. Hintergrundinformationen fehlen, auch das Düstere, das die Autorin hinein bringen möchte, wirkt noch nicht so dunkel wie es sollte.

Schreiben kann die Debütantin allerdings schon ganz ordentlich. Ihre Wortwahl ist passend, der Stil flüssig. Vereinzelte Sprachbilder und eine gute Portion Humor runden das Gesamtbild ab. Die Geschichte liest sich schnell und einfach und vermittelt einen guten Einblick in Evys Gefühlswelt.

_Kelly Medings erster_ Roman ist ein nettes Stück Urban Fantasy, dem es aber an den entscheidenden Stellen noch an Originalität und Reife fehlt.

|Broschiert: 475 Seiten
Originaltitel: |Three Days to Dead|
Deutsch von Simon Weinert
ISBN-13: 978-3426283134|
http://www.pan-verlag.de