Daniel Abraham – Frühling der Vergeltung (Die magischen Städte 4)

Die magischen Städte:

Band 1: Das Drachenschwert“
Band 2: Winter des Verrats“
Band 3: Herbst der Kriege“
Band 4: „Frühling der Vergeltung“

Fünfzehn Jahre sind seit den Ereignissen in „Herbst der Kriege“ vergangen. Die Städte der Khai, die den Überfall der Galten überlebt haben, stehen vor dem Zusammenbruch, denn seit fünfzehn Jahren wurden im Reich nur eine Handvoll Kinder geboren, Kinder, deren Mütter aus anderen Ländern stammen. Otah, inzwischen Kaiser, sieht nur eine Möglichkeit, den Niedergang seines Volkes zu verhindern: Heiraten zwischen seinem Volk und den verfeindeten Galten, die auf Seiten der Männer dasselbe Problem haben. Der Plan stößt auf wenig Gegenliebe, und das nicht nur in Galtland.

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Brent Weeks – Am Rande der Schatten (Schatten-Trilogie 2)

Letztes Jahr erschien im Blanvalet-Verlag das Erstlingswerk von Brent Weeks – „Der Weg in die Schatten“ – und entführte den Leser in eine faszinierende neue Region der phantastischen Literatur. Der Auftaktband der Schatten-Trilogie war mehr als überzeugend, und mit dem Erscheinen des zweiten Teiles ist der Autor durch die Erwartungshaltung des Lesers gefordert, die ohnehin schon dichte Atmosphäre und den Spannungsbogen weiter auszubauen.

Inhalt

Kylar Stern – oder Azoth, wie er früher, in einem ganz anderen Leben hieß – sieht sich gezwungen, sein Leben und das seiner kleinen Familie zu überdenken. Nach der Invasion durch den brutalen und kalten Gottkaiser befindet sich Kylars frühere Heimat in den Händen der Invasoren, die mit Willkür und Opferungen, die eher sorgsam organisierten Hinrichtungen gleichen, das Volk einschüchtern. Kylar und seine alte Liebe, das ehemalige Puppenmädchen Elene und die Tochter seines ehemaligen Meisters, der auch für Kylar so etwas wie eine Vaterfigur gewesen ist, fliehen aus der Stadt. Elene, die um Kylars Vergangenheit und seine Tätigkeit als gedungener Mörder, als „Blutjunge“ weiß, möchte, dass ihr Liebster nicht mehr zu seinem Schwert „Vergeltung“ greift und dem Töten abschwört.

Angekommen in seiner neuen Umgebung, wird Kylar aber nicht glücklich. Auch wenn er mit Elene ein Herzensziel erreicht hat, überkommt ihn eine stetige innere Unruhe. Kylar wurde zum Töten ausgebildet, von einem Meister, dessen tödliches Talent einmalig war, und doch war Durzo Blint kein schlechter Mensch, und vieles, was seinen Meister innerlich bewegte, versteht Kylar erst jetzt. Doch Kylar musste seinen Meister in einem Zweikampf töten, und nun, auf sich allein gestellt, kann er sich nicht wirklich mit jemanden austauschen. Elene würde ihn ohnehin nicht verstehen, denn seinen Wunsch zu töten und seine erworbenen Fähigkeiten zu trainieren, kann er nicht ausleben, und so wird Kylar zunehmend gereizter.

Nach einer Zwiesprache mit sich selbst öffnet er dann doch seine Kiste, in der seine Blutjungenkleidung und seine Waffen schlummern, und geht nachts auf die Jagd. Verbrecher, Diebe und Räuber werden zu Zielen Kylars – auch wenn er sie anfangs nur erschreckt, ist es lediglich eine Frage der Zeit, bis sein Schwert „Vergeltung“ wieder Blut fließen lassen wird.

Inzwischen wird das Blutmädchen Vi vom Gottkaiser beauftragt, seinen alten Freund Jarl zu ermorden, der inzwischen das Oberhaupt der organisierten Kriminalität geworden ist. Gefangen zwischen den Optionen des Versagens, der Loyalität zu Jarl und dem Zorn des Gottkaisers, ist Vi der Verzweiflung nahe, doch wie unter einem Zwang weiß sie auch, was ihre nächsten Schritte sein werden.

Kylar, der ja vermutet, dass sein Freund und nun König Logan Gyre den Tod gefunden hat, täuscht sich indessen. Logan Gyre lebt, ist aber in dem dunkelsten Gefängnis der Stadt gelandet, das auch als „Das Arschloch der Hölle“ bekannt und berüchtigt ist. Hier haben nur jene Menschen eine Chance zu überleben, die skrupellos sind gegenüber ihrem eigenen Gewissen und jeder Ethik. Im Loch kann man nur überleben, wenn man bereit ist, seine Menschlichkeit abzulegen, wobei Mord hier noch eher eine Bagatelle darstellt.

Als Kylar von seinem alten Freund Jarl um Hilfe gebeten wird, den Gottkaiser umzubringen, um für die Rebellion gegen die Besatzer ein Zeichen zu setzen, muss er sich entscheiden, ob er seiner Familie und dem Versprechen, das er Elena gab, treu bleibt oder aber seine Bestimmung und sein Schicksal herausfordern soll.

Kritik

„Am Rande der Schatten“ von Brent Weeks wird den Leser erneut begeistern. Kylar ist erwachsen geworden; er ist ein Blutjunge, er ist der Nachtengel und damit eine Legende. Sein Talent ist tödlich, doch noch bewahrt er seine Menschlichkeit und sein Mitgefühl für andere. Zwischen Verantwortung und Bestimmung wird Kylar hin- und hergerissen. Fast zu spät entdeckt er, dass sein Schicksal nicht immer in seinen Händen liegt und dass Verantwortung ein sehr scharfes zweischneidiges Schwert sein kann.

Die Handlung baut sich auf, indem die Protagonisten immer wieder in persönliche Konflikte getrieben und so gelenkt werden, dass ihre Entscheidungen die der anderen bis aufs Äußerste beeinflussen. Hier geht es nicht um eindimensionale Beweggründe. Die Grenzen zwischen Freund und Feind, zwischen Verantwortung und Bestimmung sind fließend und oft genug müssen sich Kylar und auch Logan eingestehen, dass man gezwungen wird, sich nicht nur am Rande der Schatten zu bewegen, sondern auch tief in sie einzutauchen.

Dass Kylar wieder zum Schwert greift, ist natürlich schon der Tatsache geschuldet, dass es sich hier um eine Trilogie handelt, also absolut vorhersehbar, doch Kylars Dilemma mit seiner Familie und dem Drang, die Konfrontation mit dem Bösen zu suchen, zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Handlung. Spannend bleibt die ganze Thematik auf jeden Fall, und auch für Action wird gesorgt, wenn auch ein bisschen weniger als im ersten Teil. Deutlich zugenommen hat hier die Einbeziehung der magischen Elemente, und das finde ich diesmal, gemessen an den übrigen Szenarien, überproportioniert.

Kylar wirkt im zweiten Teil deutlich überfordert. Dadurch, dass er immer versucht, allem und jedem gerecht zu werden, vergisst er sich selbst und handelt fast zu spät für sich und andere. Der zweite Handlungsstrang beschäftigt sich primär mit Logan, der gezwungen ist, mit dem Bösen zu paktieren, denn im „Loch“ gibt es keine Zivilisation, hier herrscht Primitivität und keine Moral, und erst recht kennt man hier kein Gewissen. Um zu überleben, muss er sich mit Mördern und Vergewaltigern verbünden, die unverzeihliche Verbrechen verübt haben. Logan verändert ich zwangsläufig und wird niemals mehr die gleiche Person sein.

Das Blutmädchen Vi ist der verlorenste Charakter in diesem zweiten Band. Weder weiß sie, was sie möchte, noch kann sie einschätzen, welche Folgen ihre Handlungen haben werden. Zwischen Gefühl und Verstand verloren, fühlt sie sich isoliert und unverstanden. Noch schlimmer wird es für sie, als sie den Auftrag bekommt, Jarl zu töten, ihren alten Freund, und als sie später Kylar kennenlernt, ist sie fasziniert von seinen Fähigkeiten und seinem Charakter.

In ihrem Leben gab es nicht viel Licht. Sie selbst kannte nur die undurchdringliche Dunkelheit, lebte eher jenseits der Schatten und bewegt sich nun langsam an die verheißungsvolle lichte Oberfläche, die so vielversprechend ist, so menschlich sein kann, dabei aber auch so verletzend. Doch sie ist bereit, für ihre Menschlichkeit zu kämpfen und notfalls auch alles zu opfern. Hier kann der Leser wirklich gespannt sein, denn ähnlich wie bei Kylar trägt sie eine Unmenge an Potenzial in sich und im dritten Teil der Serie kann sie zur Schlüsselfigur werden.

„Am Rande der Schatten“ besteht aus drei Handlungssträngen, die an die drei Protagonisten gekoppelt sind. Zum letzten Drittel des Buches hin verfolgen diese drei ein gemeinsames Ziel, nur der Weg dahin ist ein jeweils eigenständiger.

Interessant zu betrachten ist die Wirkung der Invasoren auf die Bevölkerung. „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ trifft in diesem Falle zu, denn auch die Gilde der Kriminellen ist wenig angetan von der brutalen totalitären Herrschaft und rebelliert offen zusammen mit Bürgern und dem Adel, was in einer „Blutnacht“ eskaliert.

Fazit

„Am Rande der Schatten“ von Brent Weeks setzt die Schatten-Trilogie gelungen fort und überzeugt durch die facettenreichen und vielschichtigen Charaktere. Mit viel Spannung und Action bietet auch dieser Roman ein überaus hohes Lesevergnügen, das den Leser packen und nicht mehr loslassen wird.

Als Negativkritik gibt es nur wenig anzumerken: Die magischen Komponenten sind gerade in der Mitte der Geschichte meiner Meinung nach übermäßig präsent im Vergleich zu den menschlichen Wesenszügen der Charaktere.

Auf der Bühne präsentieren sich Dramatik und Tragik, Liebe und Tod, und selbst in kleineren Nebenschauplätzen zeigt sich das Talent des Autors und somit ein Roman, der mit seinen Figuren hundertfünfzigprozentig zu überzeugen weiß. Phantastisches Lesevergnügen ist hier garantiert, und Brent Weeks hat damit Zauberhaftes für die Leserschaft geleistet.

Der Autor

Brent Weeks wollte schon als Junge Schriftsteller werden und hat sich deshalb nach dem Collage nicht mit dem Erlernen eines anderen Berufes aufgehalten, sondern gleich mit dem Schreiben begonnen. Bis jemand bereit war, ihm etwas dafür zu bezahlen, hielt er sich als Barkeeper über Wasser. „Der Weg in die Schatten“ war seine erste Veröffentlichung und der Auftakt zur |Nachtengel|-Trilogie, gefolgt von „Am Rande der Schatten“. Band drei, „Jenseits der Schatten“, ist für den November 2010 angekündigt. Der Autor schreibt derweil an seiner nächsten Serie, deren erster Band unter dem Titel „The Black Prism“ im August dieses Jahres auf Englisch erschien.

Originaltitel: Night Angel 02. Shadow’s Edge
Übersetzung: Hans Link
704 Seiten, Klappenbroschur
ISBN-13: 978-3442266296

www.brentweeks.com
www.randomhouse.de/blanvalet

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (2 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)

Smith, Kathryn – Wächterin der Träume

_Dawn hat nun endlich_ akzeptiert, dass sie der Welt ihres Vaters Morpheus, des Königs der Träume, angehört, und trainiert fleißig ihre Fähigkeiten und die Gegebenheiten des Traumlandes.

Als sie eines Abends vom Training wiederkommt, ruft Noah sie an und bittet sie, ins Krankenhaus zu kommen, denn seine Ex-Frau Amanda wurde vergewaltigt und Noah hofft, dass Dawn ihr helfen kann. Dawn ist so schockiert, als sie die übel zugerichtete Amanda sieht, dass sie beschließt, Amanda in deren Träumen beiseite zu stehen.

Als Amanda von den Vorgängen träumt, gesellt Dawn sich dazu und hilft Amanda, dem Täter in die Augen zu sehen, um ihn so später identifizieren zu können. Auch Dawn kann den Mann sehen und nimmt Amanda einige der grausamen Gefühle.

Ein paar Tage später besucht Dawn mit Noah einen Kunsthandwerkermarkt, auf dem ihr einige Arbeiten eines Puppenmachers ins Auge fallen. Eine der Puppen zeigt extreme Ähnlichkeit mit Amanda. Sie kommt mit dem Mann ins Gespräch, und der Verdacht liegt nahe, dass diese Puppe eine seiner Trophäen ist. Auch hat er starke Ähnlichkeit mit dem Mann aus Amandas Träumen, was den Verdacht gegen ihn erhärtet.

Sie beschließt, den Puppenmacher in seinen Träumen aufzusuchen, damit er seine Taten gesteht. Dies muss allerdings heimlich geschehen, da Noah es nicht wissen soll, schließlich versteht er sich als Beschützer Dawns und kommt nur schwer damit klar, dass Dawn in der Lage ist, ihre Kämpfe selber durchzustehen.

Leider bekommt Dawn zudem noch Probleme im Traumland. Der Rat der Nachtmahre klagt sie des Verrates an. Da sie Noah mit ins Traumreich gebracht hat, als sie von dem Traumdämon Karatos bedroht wurden, meint der Rat, sie hätte die Traumwelt und ihre Geschöpfe in Gefahr gebracht und verraten, so dass sie im Grunde deren Welt zerstören könnte.

Nicht einmal ihr Vater, immerhin der König dieser Welt, kann ihr helfen. Die oberste Wächterin des Rates, Padera, macht Dawn das Leben schwer und schreckt auch nicht davor zurück, Noah noch in seinen Träumen zu belästigen. Als Padera dann auch noch die Träume des Vergewaltigers Amandas wieder so verändert, dass dieser sich nicht stellen wird, wird Dawn klar, dass die oberste Wächterin auch ein persönliches Problem mit ihr hat.

Padera droht Dawn damit, dem Rat mitzuteilen, dass sie sich in die Träume anderer einmischt. Aber es scheint auch im Rat Traumwesen zu geben, die Dawn nicht für gefährlich halten und sie unterstützen. Dies hat Dawn auch bitter nötig, da ihr die Auslöschung im Traumreich droht.

Dawn wird von Verek, einem der Wächter der Traumwelt, und der Priesterin Hadria trainiert und lernt die Gesetze der Traumwelt. Beide unterstützen sie vor dem Rat und besonders vor der hasserfüllten obersten Wächterin.

Wird Dawn es schaffen, je in der Traumwelt akzeptiert zu werden?

_Kritik_

Mit „Wächterin der Träume“ ist Kathryn Smith eine wirklich gelungene Fortsetzung ihrer Serie rund um Dawn und die Traumwelt gelungen. Schon nach wenigen Seiten ist man wieder voll im Geschehen, und der Autorin gelingt es fast spielend, den Leser zu fesseln. Kathryn Smith baut direkt am Anfang einen Spannungsbogen auf, der sich konstant durch den Roman zieht und durch geschickt eingearbeitete Wendungen nach oben arbeitet.

Die Autorin verwebt verschiedene Handlungsstränge: Da wären die Vergewaltigung Amandas, die familiären Probleme und auch die Schwierigkeiten in der Traumwelt, die so geschickt miteinander verflochten sind, dass ein wunderbares Gesamtbild entsteht. Der fließende und anschauliche Schreibstil der Autorin fesselt den Leser an das Geschehen und der Spannungsbogen wird auf den letzten Seiten noch einmal enorm in die Höhe getrieben. Auch wird der Plot zunehmend romantischer, und dezente Erotik vollendet den Genuss.

Erzählt wird die Geschichte weiterhin aus der Perspektive von Dawn, so als ob sie beim Leser säße und aus ihrem Leben erzählte. Die Protagonisten, teilweise schon aus dem ersten Teil bekannt, entwickeln sich im Verlauf der Handlung glaubhaft weiter.

Dawn und Noah, die seit den gemeinsamen Erlebnissen im ersten Teil ein Paar sind, geben sich gegenseitig eine Menge. Dawn beginnt ihren Körper immer mehr zu lieben, und kleine Komplexe, die sie noch anfangs hatte, verfliegen. Und Noah lernt, offener zu werden und auf Dawns Fähigkeiten zu vertrauen. Sicher möchte er noch immer ihr Beschützer sein, lernt aber durch verschiedene Auseinandersetzungen darauf zu vertrauen, dass sie sich auch selber schützen kann. Beide wirken sehr sympathisch und real.

Den Nebencharakteren wird wieder recht wenig Raum zugestanden, aber auch diese sind überzeugend ausgearbeitet. Etwas mehr Handlung im Traumland würde das Ganze dennoch vervollständigen, um auch diese Welt besser erforschen zu können.

Dieses Buch ist, anders als der erste Band, nicht abgeschlossen, denn ein Cliffhanger am Ende lässt ebenso wie Kathryn Smith‘ angenehmer Erzählstil darauf hoffen, dass es schnell einen dritten Teil geben wird.

_Fazit_

„Wächterin der Träume“ von Kathryn Smith ist eine wirklich gelungene Fortsetzung von „Tochter der Träume“, die durch Organilität besticht. Ausgerichtet auf die weibliche Leserschaft, verspricht der Roman schöne Lesestunden. Ich hoffe sehr, dass Kathryn Smith ihre „Nightmare Chronicles“ bald fortsetzt und man auch die Traumwelt noch besser verstehen kann.

_Die Autorin_

Kathryn Smith studierte Literaturwissenschaft und begann nach einer kurzen Tätigkeit als Journalistin mit dem Schreiben von Liebesromanen. Mittlerweile hat sie zahlreiche Bestseller in Amerika veröffentlicht, die in viele andere Sprachen übersetzt wurden. Kathryn Smith lebt mit ihrem Ehemann in Connecticut. (Verlagsinfo)

|Taschenbuch: 362 Seiten
Originaltitel: The Dark Side of Dawn
Aus dem Amerikanischen von Carola Kaperek
ISBN-13: 978-3-426-28322-6|
[www.pan-verlag.de]http://www.pan-verlag.de
[www.kathryn-smith.com]http://www.kathryn-smith.com

_Nadine Warnke_

_Kathryn Smith bei |Buchwurm.info|:_
[„Tochter der Träume“ 6021
[„Wächterin der Träume“ 6480

Smith, Kathryn – Tochter der Träume

_Die 28-jährige Dawn Riley_ ist Psychologin und Traumforscherin am MacCullum Schlaf- und Traumforschungsinstitut in New York City. Was niemand weiß: Sie ist nur halb menschlich. Als Tochter einer sterblichen Mutter und des Königs der Träume, Morpheus, gehört sie nicht nur der unseren Welt an, sondern auch der magischen Welt ihres Vaters. Sie ist ein Traumwesen und einzigartig, da es bisher nicht vorgekommen ist, dass Halbwesen geboren wurden.

Aufgewachsen in beiden Welten, hat Dawn sich vor Jahren allerdings von der Welt der Träume abgewandt, als sie feststellen musste, zu welchen Taten sie als Traumwesen fähig ist. Auch die Beziehung ihrer Mutter zu Morpheus – sie verließ ihre Familie für ihn – belastet Dawn, da sie diesen Verrat nicht nachvollziehen kann. Die Trauer ihres weltlichen Vaters und ihrer Geschwister setzen ihr stark zu; keiner würde ihr glauben, dass die Mutter keinesfalls im Koma liegt, sondern sich in die Welt der Träume zurückgezogen hat, und es an ihr selbst liegt zurückzukommen.

In New York sterben plötzlich immer mehr Menschen im Schlaf, ohne erkrankt zu sein. Diese werden mitten aus dem Leben gerissen und hinterlassen ratlose Angehörige. Noah Clarke, ein Patient von Dawn und luzider Träumer, bittet Dawn um Hilfe, da er seine Träume nicht mehr steuern kann und angegriffen wird.

Dawn und Noah kommen sich näher und Dawn stellt fest, dass ein Traumdämon für Noahs Problem verantwortlich ist. Der Traumdämon Karatos will ihr und ihrem Vater schaden und benutzt Noah und enge Freunde von Dawn.

Dawn wird klar, dass sie sich der Welt, von der sie sich abgewandt hat, wieder stellen muss, um herauszufinden, was wirklich vorgeht.

_Kritik_

Mit „Tochter der Träume“ hat Kathryn Smith den reizvollen und spannenden Auftakt einer neuen Serie rund um Dawn und die Welt der Träume geschrieben. Die Autorin baut ab der ersten Seite einen konstanten Spannungsbogen auf, der sich wie ein roter Faden durch das Geschehen zieht. Obwohl von der ersten Seite an bekannt ist, dass Dawn kein rein menschliches Wesen ist, erklärt Kathryn Smith dies nicht überhastet, sondern streut die Informationen geschickt immer wieder ein.

Der Stil der Autorin ist leicht lesbar, und sie versteht es, immer wieder überraschende Wendungen einfließen zu lassen, so dass der Spannungsbogen nie absinkt. Im letzten Drittel wird es dann so spannend, dass man das Buch kaum mehr aus der Hand legen mag. Der Roman wird aus der Perspektive Dawns erzählt, so dass Dawn den Leser teilweise auch direkt anspricht. Dies bringt dem Leser das Verhalten und die Gefühle lebensnah rüber.

Die Protagonisten sind lebendig, sympathisch und realistisch konzipiert. Dawn ist mit ihren Stärken, Schwächen und Problemen sehr lebensecht entworfen. Anders als die übliche Heldin bringt sie ein paar Pfunde zu viel mit und wird nicht als die Überfrau schlechthin beschrieben, so dass man sich schnell mit ihr identifizieren kann und mit ihr fühlt. Auch der Konflikt zwischen Dawn und ihren leiblichen Eltern ist gut ausgearbeitet und nachvollziehbar beschrieben.

Der ihr an die Seite gestellte Noah ist ebenso glaubwürdig aufgebaut. Auch er bringt familiäre Probleme mit, die ihn zu dem gemacht haben, was er ist. Sein Beschützerinstinkt wird klar hervorgehoben, auch wenn erst noch unklar bleibt, warum dies so ist. Die weiteren Nebenfiguren bleiben meist etwas im Schatten, was aber aufgrund der Erzählperspektive nicht verwunderlich ist. Mehr Raum hätte den Traumwesen gegeben werden sollen. Da dies der Auftakt einer Serie ist, bleibt aber noch Zeit, diese dem Leser näherzubringen.

Die Autorin versteht es, Umgebung, Charaktere und Geschehen lebendig, detailreich und greifbar zu beschreiben. Ebenfalls positiv fällt auf, dass zwar Liebe und Erotik in diesem Roman ein Thema sind, aber sehr angenehm beschrieben und dezent eingesetzt. Das verleiht genau die richtige Würzmischung.

_Fazit_

„Tochter der Träume“ von Katryn Smith ist ein gelungener Roman, der den weiblichen Lesern der Fantasy, aber auch Lesern von Liebesromanen gefallen dürfte. Es ist alles vertreten, was das Herz begehrt. Ein wirklich überzeugender Auftakt dieser neuen Serie von Kathryn Smith.

_Die Autorin_

Kathryn Smith entdeckte ihre Leidenschaft für Bücher im Alter von zehn Jahren, als sie die Romane von Kathleen E. Woodiwiss las, der Pionierin im Bereich historischer Liebesromane. Sie studierte Literaturwissenschaft und begann nach einer kurzen Tätigkeit als Journalistin mit dem Schreiben von Liebesromanen. Mittlerweile hat sie zahlreiche Bestseller in Amerika veröffentlicht, die in viele andere Sprachen übersetzt wurden. Kathryn Smith lebt mit ihrem Ehemann in Connecticut. (Verlagsinfo)

|Taschenbuch: 464 Seiten
Originaltitel: Before I Wake
Aus dem Amerikanischen von Regina Schneider
ISBN-13: 978-3426283059|
[www.pan-verlag.de]http://www.pan-verlag.de
[www.kathryn-smith.com]http://www.kathryn-smith.com

_Nadine Warnke_

_Kathryn Smith bei |Buchwurm.info|:_
[„Tochter der Träume“ 6021
[„Wächterin der Träume“ 6480

Achim Achilles – Der Vollzeitmann – Endlich das eigene Leben zurückerobern

Mann sein, bedeutet heutzutage definitiv nicht mehr, den Macho heraushängen zu lassen, im Stehen zu pinkeln oder nach einem 9-to-5-Job ganz locker die Füße hochzulegen. Das Gesellschaftsbild hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten derart rapide verändert, die Emanzipation der Frau ist derweil so stark fortgeschritten, dass man sich anno 2010 mit voller Berechtigung fragen muss: Wann ist der Mann ein Mann?

Der Mann darf alles, zumindest auf dem Papier; vor allem aber darf er parieren und einem Idealbild gerecht werden, welches voller weiblicher Attribute steckt und bei weitem nicht mehr der Fassung entspricht, die unsere Väter und Großväter in ihrer Position genießen, ja, wirklich genießen durften. Der Mann steckt in der Krise, das hat auch Achim Achilles alias Hajo Schumacher erkannt, der sich dieses pikanten Gesellschaftswandels in seinem neuen Werk „Der Vollzeitmann“ angenommen hat.

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Schanz, Peter – Mitten durchs Land: Eine deutsche Pilgerreise

_Das Ziel seiner Wanderung_ war klar, der Weg auch, doch irgendwie wusste Peter Schanz am Ende doch nicht so recht, worauf er sich bei seiner Pilgerreise „Mitten durchs Land“ einlassen würde. Ging es in erster Linie darum, Geschichte aufzuarbeiten und den Wandel hautnah zu spüren? Sollte der Mauerfall kurz vor dem zwanzigsten Jubiläum noch einmal ins Gedächtnis gerufen werden, mit all seinen Hoffnungen und Ängsten? Oder wollte Schanz bei seinem Marsch über den K-Weg letzten Endes doch nur zu sich selbst finden und wie bei vielen seiner vorherigen ländlichen Expeditionen die Idylle der natürlichen Umgebung aufsaugen?

Als der geschätzte Schreiber zu seiner knapp drei Monate währenden Reise aufbrach, schlummerten sicherlich die unterschiedlichsten Gedanken in seinem Unterbewusstsein, von denen sich viele bestätigen sollten, viele aber auch auf eine andere, kaum fassbare Art und Weise an ihn herantreten. Schanz erwartete sicherlich alles, vom Kulturschock bis hin zum gemütlichen Treffen mit einigen Ewiggestrigen. Doch die Vielfalt, die ihm während dieses Pilgermarsches durch ein gewaltiges Stück deutsch-deutscher Geschichte begegnete, sollte selbst einen Menschen wie Peter Schanz völlig verblüfft haben.

Und diesen Umstand lässt er seine Leser spüren, unter anderem im feinen Humor, mit dem er die Kontakte und vor allem die außergewöhnlichen Begebenheiten beschreibt. Es sind einfache Wirtsleute, die er antrifft und die den gesellschaftlichen Wandel in den letzten anderthalb Dekaden hautnah erlebt haben. Vom Profit zur Pleite, von der Hoffnungslosigkeit in die Euphorie und zurück, von Vorurteilen zu Intoleranz und Verbohrtheit, von Offenheit und Freude über die Wiedervereinigung – sie haben so vieles zu erzählen, und dennoch hat wirklich jeder Bürger, dem Schanz über den Weg läuft, eine komplett andere Einstellung zu den Entwicklungen während und nach der deutschen Einheit.

Nun beschäftigt sich „Mitten durchs Land“ im Kern sicherlich nicht bloß mit dem Thema Ost versus West beziehungsweise den Folgen der erneuerten Zusammengehörigkeit, sondern viel eher mit dem Gesellschaftsbild in den völlig unterschiedlichen Regionen entlang des alten Mauerstrichs. Und das färbt nicht nur auf die Meinungen und Urteile derjenigen ab, die sich von Schanz ins Gespräch bringen lassen, sondern auch auf das Landschaftsbild, welches stellenweise deutlich aufgewertet, dann aber wieder verkommen, verwahrlost, ja manchmal fast schon nicht mehr beachtet erscheint. Gleich mehrfach kommt der Autor vom Weg ab und dringt kurzzeitig tiefer ins Land ein, trifft dort wieder neue Menschen, schlemmt unerwartete lokale Spezialitäten, betreibt selber eine umfassende Meinungskunde und lässt sich zuletzt immer wieder überraschen und verblüffen von all dem, was seinen Weg kreuzt und ihn in seiner eigenen Einstellung formt.

_Schanz schafft es_ bei all diesen kontrastreichen Einflüssen aber stets, die eigene Note schön in die Geschichte einzubringen und unterschwellig auch seine Eindrücke subjektiv zu verwerten; wenn er beispielsweise die heruntergekommene Landschaft jenseits des K-Wegs mit spitzfindigen Bemerkungen kommentiert oder etwa den Ost-West-Konflikt zwischendurch mit trockenem, nüchternem Humor abstraft, so wird man immer wieder zum Schmunzeln verleitet. Ebenso fein arbeitet der Autor auch gern irgendwelche Anglizismen und modern-deutsche Floskeln ein, die sich prima mit den Gesprächsfetzen, die er zwischen den Zeilen aufarbeitet, vermischen und eine ganz eigene Form des philosophischen Wortwitzes kreieren – und ganz egal, wie er es auch anstellt: Schanz redet um den heißen Brei herum, indem er auf den Punkt kommt und hat die Lacher stets auf seiner Seite.

Als er schließlich nach mehr als 80 Tagen und 1500 Kilometern seine Reise beendet und die norddeutsche Küste erreicht, wissen er und seine Leser zumindest eines: Dieser Marsch war lohnenswert und aufschlussreich – und lädt ein, bei entsprechender Fitness ebenfalls bestritten zu werden. Mehr Inspiration – und das trotz der hiermit überhaupt nicht in Verbindung stehenden Grundaussage des Buches – hätte man kaum geben können! Und mehr schlicht behaftete Leidenschaft für ein solches Projekt kann man sich kaum erhoffen – ebenso wie einen größeren Unterhaltungswert für ein Buch, das eigentlich lediglich die Verschriftlichung einer Pilgerreise durch unseren eigenen, vertrauten Staat darstellt.

|Gebunden: 253 Seiten mit 64 Farbfotos
ISBN-13: 978-3-351-02705-6|
[www.aufbau-verlag.de]http://www.aufbau-verlag.de
[www.peterschanz.de]http://www.peterschanz.de

Gier, Kerstin – Rubinrot – Liebe geht durch alle Zeiten 1

_Die „Liebe geht durch alle Zeiten“-Reihe:_
Band 1: [„Rubinrot“ 5664
Band 2: [„Saphirblau“ 6266
Band 3: „Smaragdgrün“ (erscheint im September 2010)

_Die 16-jährige Gwendolyn_ hat wider Erwarten das Zeitreise-Gen der Familie Montrose geerbt. Die Familie ist allerdings fest davon ausgegangen, dass ihre Cousine Charlotte dieses Gen trägt, und somit wurde Charlotte darin unterrichtet, sich in der Vergangenheit zurechtfinden. Als sich bei Charlotte die ersten Anzeichen der Zeitreisefähigkeit zeigen, wird sie sofort von ihrer Großmutter Lady Arista ins Hauptquartier der „Wächter“ in Temple gebracht.

Gwendolyn ist gerade auf dem Weg, um etwas für ihre Tante Maddy zu besorgen, als ihr plötzlich schwindelig wird und die Welt sich vor ihren Augen aufzulösen scheint. Unerwartet findet sie sich in London um die vorletzte Jahrhundertwende wieder. Sie gerät leicht in Panik, da sie nicht weiß, was sie nun tun soll. Ein paar Minuten später ist dieser erste „Spuk“ auch schon vorbei und sie findet sich in der Gegenwart wieder. Als sie ihrer Mutter später davon erzählt, reagiert diese völlig aufgelöst und bringt nun auch Gwendolyn nach Temple. Dort ist keiner sichtlich erfreut, dass sich das Gen bei Gwendolyn gezeigt hat.

Ihr wird nun ihr Mit-Zeitreisender Gideon Villiers vorgestellt. Er reagiert sehr unfreundlich darauf, nun statt Charlotte Gwendolyn als Partnerin bekommen zu haben. Beide treten kurz darauf die erste gemeinsame Zeitreise an und erleben ein Abenteuer der besonderen Art …

_Kritik_

Mit „Rubinrot – Liebe geht durch alle Zeiten“ hat Kerstin Gier einen fantasievollen Jugendroman geschaffen, von dem auch Erwachsene begeistert sein dürften.

Erzählt wird die Geschichte aus Gwendolyns Sicht, was dem Leser naturgemäß ihre Perspektive sehr nahe bringt. Der Hauptpart spielt in der Gegenwart und kleinere Nebenplots im London der Vergangenheit. Die Personen rund um Gwendolyn und Gideon sind glaubhaft konzipiert und gegenseitige Beziehungen einleuchtend erklärt.

Die Geschichte ist unterhaltsam, fesselnd und humorvoll erzählt, man wartet nach dem Beenden der letzten Seite sofort auf den zweiten Teil. Zielgruppe des Romans „Rubinrot – Liebe geht durch alle Zeiten“ sind jugendliche Mädchen, aber auch jung gebliebenen Erwachsenen wird dieser Roman Spaß machen.

_Fazit_

Mit dem Jugendbuch „Rubinrot – Liebe geht durch alle Zeiten“ hat Kerstin Gier einen packenden Fantasy-Roman geschrieben. Er ist leicht zu lesen und bereitet Lesespaß. Man merkt ihm an, dass er der Auftakt einer Reihe ist, denn es viel wird noch erklärt und das Ende bleibt offen. Ich freue mich schon jetzt auf den nächsten Teil [„Saphirblau“. 6266

_Autorin_

Kerstin Gier, Jahrgang 1966, hat als mehr oder weniger arbeitslose Diplompädagogin 1995 mit dem Schreiben begonnen. Die DeLIA-Preisträgerin lebt mit Mann, Sohn und Katze in einem Dorf in der Nähe von Bergisch Gladbach.

|Gebunden: 345 Seiten
ISBN-13: 978-3401063348|
[www.arena-verlag.de]http://www.arena-verlag.de

_Nadine Warnke_

_Kerstin Gier bei |Buchwurm.info|:_
[„Die Mütter-Mafia“ 4328
[„Die Patin“ 4344
[„Für jede Lösung ein Problem“ 4374

Fortier, Anne – Julia

_Die Eltern von_ Julia Jacobs sind bereits früh durch ungeklärte Unfälle verstorben, und so wachsen Julia und ihre Schwester Janice bei ihrer Tante Rose Jacobs auf. Als Tante Rose plötzlich verstirbt, erwartet Julia eine unangenehme Überraschung: Nachdem es die ganzen Jahre so ausgesehen hat, als hätte Tante Rose sie ihrer Schwester Janice vorgezogen, erbt nun Janice das ganze Vermögen, doch sie bekommt vom Butler Umbero nur einen Brief und einen Schlüssel für ein Bankschließfach in Siena ausgehändigt.

In dem Brief ihrer Tante Rose liest sie, dass ihre Mutter kurz vor ihrem ungeklärten Tod fast ein altes Familienrätsel gelöst hat und einem großen Schatz auf der Spur war. Ebenfalls erfährt sie, dass ihr wahrer Name Giulietta Tolomei und die Geschichte ihrer Ahnen eng mit der von Shakespeares Romeo und Julia verbunden ist.

Um in die Fußstapfen ihrer Mutter zu treten und auch die letzten Geheimnisse und den sagenumwobenen Schatz zu finden, macht Julia sich auf den Weg nach Siena, um die Forschungen ihrer Mutter wieder aufzunehmen.

In dem Bankschießfach findet Julia bzw. Gulietta eine Schatulle, die mit diversen Schriften und einigen Zeichnungen von Giuliettas Mutter gefüllt ist. In ihrem Zimmer schaut sie sich alles genau an und stellt fest, dass die Urgeschichte um Julia und Romeo in Siena stattgefunden hat. Sie lässt bei ihren Nachforschungen nicht locker und gerät in einen Strudel aus Geheimnissen, Verrat, Liebe und Abenteuer.

_Kritik_

Mir ihrem Debütroman „Julia“ hat Anne Fortier gekonnt verschiedene Genres bedient. Zunächst einmal ist er natürlich ein Familienroman, aber auch das historische Genre, eine wunderschöne Liebesgeschichte, Drama und Krimi sind hier vereint.

Der Sprachstil passt sich der Vergangenheit und der Gegenwart an. Spielt die Geschichte in der Vergangenheit, ist er poetisch blumig, spielt sie in der Gegenwart, wirkt er zeitgemäß. Die Erlebnisse von Julia bzw. Giulietta werden aus ihrer Perspektive erzählt, die der Giulietta aus dem 14. Jahrhundert hingegen aus der Perspektive eines Beobachters, was durch diese unterschiedliche Art der Herangehensweise recht ausgereift wirkt.

Mir ihrem Erzählstil schafft es die Autorin, dass der Leser glaubt, sich direkt in Siena zu befinden. Anne Fortier beschreibt die Umgebung so detailreich, dass man sich die Orte und Gebäude bildlich vorstellen kann und Lust darauf bekommt, diese auch tatsächlich zu besuchen.

Gerade in der Geschichte, die in der heutigen Zeit spielt, baut die Autorin einen gelungenen Spannungsbogen auf, der sich beständig steigert. Bis zum Schluss ist man sich nie zu hundert Prozent sicher, wer auf wessen Seite steht. Man kann das Buch aufgrund des Verwirrspiels und des fließenden Schreibstils der Autorin nur schwer aus der Hand legen.

Auch wenn der Part der Giulietta aus dem 14. Jahrhundert dem Leser vermutlich vertraut ist, wird dieser interessant genug aufgebaut, und Lesern, die Shakespeares „Romeo und Julia“ nicht kennen sollten, wird diese romantische Geschichte nähergebracht.

Die Protagonisten aus Gegenwart und Vergangenheit sind ausnahmslos greifbar, lebendig und detailreich konzipiert. Keinesfalls eindimensional, bietet jeder Darsteller eine Fülle von Stärken und Schwächen, die so lebensnah ausgearbeitet sind, dass man sich mit den Personen durchaus identifizieren kann. Auch die Beziehung zwischen Julia bzw. Giulietta und Alessandro (Romeo oder Paris?) ist hervorragend ausgearbeitet und hält den Leser bis zum Schluss in Atem.

In ihrem Nachwort geht die Autorin noch auf die Ursprünge von Romeo und Julia ein – diese Geschichte hat ihre Anfänge wohl tatsächlich in Siena.

_Die Autorin_

Anne Fortier wuchs in Dänemark auf, wo sie im Fach Ideengeschichte promovierte. Mit ihrem Mann, den sie in Oxford kennenlernte, ging sie nach Amerika. Sie war Co-Produzentin von Dokumentarfilmen und lehrte Philosophie und Europäische Geschichte an verschiedenen Universitäten. Sie fühlt sich auf beiden Seiten des Atlantiks zu Hause. Seit der Kindheit von Shakespeares Heldin fasziniert, forschte sie für ihren Roman in Sienas Archiven und Museen. (Verlagsinfo)

_Fazit_

Anne Fortiers Debütroman „Julia“ ist auf jeden Fall zu empfehlen. Leser der verschiedenen Genres kommen voll auf ihre Kosten, und auch die Männerwelt wird diesen Roman durchaus gerne lesen. Mit ihrem Stil hat die Autorin mich voll überzeugt und ich hoffe darauf, noch viel aus ihrer Feder lesen zu können.

|Gebunden: 637 Seiten
Originaltitel: Juliet
Aus dem Amerikanischen von Birgit Moosmüller
ISBN-13: 978-3810506788|
[www.fischerverlage.de/page/krueger]http://www.fischerverlage.de/page/krueger

_Nadine Warnke_

Gray, Claudia – Evernight 2 – Tochter der Dämmerung

_Die „Evernight“-Reihe:_

Band 1: „Evernight“
Band 2: _“Evernight – Tochter der Dämmerung“_
Band 3: „Hourglass“
Band 4: „Afterlife“ (April 2011)

_Bianca Olivers zweites Schuljahr_ in der Evernight-Akademie hat begonnen, leider ohne ihren Freund den Vampirjäger Lucas Ross. Als vor sechs Monaten herauskam, dass er dem Schwarzen Kreuz, einer Vereinigung gut trainierter Vampirjäger, angehörte, haben die beiden sich nicht mehr gesehen und eine gemeinsame Zukunft ist mehr als fraglich.

Als Lucas‘ Freund Vic ihr dann einen Brief von Lucas übergibt, ist Bianca sehr überrascht, dass dieser durch die „Kontrolle“ der Schulleitung Mrs. Bethany geschmuggelt werden konnte. Lucas schreibt Bianca, dass seine Gefühle für sie unverändert wären und er sich gerne mit ihr in dem nahen Ort Amherst treffen möchte.

Bianca schafft es unter einem Vorwand, am genannten Termin das Schulgelände zu verlassen, und macht sich auf den Weg zu Lucas. Als sie zu dem vereinbarten Treffpunkt geht, schließt sich ihr das verängstigte Mädchen Charity an, das Bianca vor einem Verfolger warnt, durch den sie sich bedroht fühlt. Es stellt sich heraus, dass dieses Mädchen ein Vampir ist und Bianca als Wesen gleicher Art erkannt hat. Als sie dann auf Lucas treffen, flieht Charity, da Lucas und das Schwarze Kreuz sie verfolgen und auslöschen wollen.

Zurück in Evernight, kommt der 300 Jahre alte Vampir Balthasar Mores, der ihr im letzten Jahr schon den Hof gemacht hat, Bianca auf die Schliche. In dem folgenden Gespräch stellt sich heraus, dass Charity die jüngere Schwester Balthasars ist, die er schon seit Jahren sucht. Um Charity zu finden und Bianca dabei zu helfen, sich weiter mit Lucas treffen zu können, schließt er einen Pakt mit ihr: Sie werden zukünftig in der Schule so tun, als wären sie ein Paar, um das Gelände verlassen zu können. Mrs. Bethany vertraut Balthasar, daher steht den Nachforschungen und Treffen nicht viel im Wege.

Bei einem weiteren Treffen eröffnet Lucas Bianca, dass er sich niemals für sie zum Vampir wandeln lassen wird, was für Bianca ein Schock ist. Wie soll ihre Beziehung so weitergehen, wo doch ihre Natur – sie selber ist ja eine geborene aber noch nicht voll gewandelte Vampirin – immer mehr nach ihrem Recht verlangt? Die Beziehung der beiden wird so auf eine große Bewährungsprobe gestellt.

Nicht nur in Biancas Gefühlswelt herrscht allerdings Unruhe, auch in der Akademie gehen seltsame Dinge vor sich. Bianca wird von Geistern heimgesucht, die ihr eine Heidenangst machen. Als dies auf dem alljährlichen Schulball geschieht, ruft Mrs. Bethany Bianca und ihre Eltern zu sich und teilt Biancas Eltern mit, dass es langsam zu gefährlich wird, Bianca weiterhin an der Schule zu behalten. Was Bianca in diesem Gespräch erfährt, ist für sie ein großer Vertrauensbruch und ein Schlag ins Gesicht.

_Kritik_

Mit „Tochter der Dämmerung“ hat Claudia Grey den zweiten Roman ihrer „Evernight“-Serie vorgelegt. Der Plot knüpft direkt an die Ereignisse des ersten Bandes an. Claudia Grey erschafft in ihrem Buch eine passende düstere Stimmung, die zum Geschehen passt. Auch die Beschreibung der Evernight-Akademie und deren Umgebung ist als gelungen zu bezeichnen.

Die Geschichte wird aus der Perspektive von Bianca erzählt, was dem Leser diese Figur sehr nahe bringt, die anderen Protagonisten geraten dabei allerdings etwas in den Hintergrund. Die Autorin hat einen Spannungsbogen in diese Geschichte eingebracht, der zunächst nur leicht steigt, aber in einem hitzigen Showdown endet. Hauptsächlich scheint es erst einmal um die Zerrissenheit in Biancas Leben zu gehen. Da scheint ihre große Liebe den Bach runterzugehen, die Beziehung zu Balthasar ist nicht immer eindeutig einzuordnen. Dazu dann noch die familiären Probleme. Da Bianca ihren Eltern immer weniger traut, haben sie doch sehr große Geheimnisse vor ihr und weichen in den Gesprächen aus, auch beantworten sie Biancas Fragen nie vollends. Das Auftauchen der Geister gibt weitere Rätsel auf und sorgt ebenso wie die Aktivitäten des „Schwarzen Kreuzes“ für die nötige Spannung.

Die Protagonisten haben sich in diesem zweiten Teil weiterentwickelt und sind in ihrem Auftreten realistisch konzipiert. Jede der Figuren bringt eigene Stärken und Schwächen mit, die ihre Persönlichkeit greifbar machen. Bianca, völlig zerrissen zwischen der Liebe zu Lucas, der Freundschaft zu Balthasar und dem Gefühl, dass ihre Eltern ihr etwas Wesentliches verheimlichen, hat es in diesem Roman nicht wirklich leicht. Trotzdem hat es die Autorin fertiggebracht, das Verhalten ihrer Hauptprotagonistin glaubhaft und nachvollziehbar zu beschreiben, ohne in die Unlogik abzudriften. Auch Lucas und Balthasar sind in ihrem Wesen detailreich ausgearbeitet und sorgen für Spannung in ihrem Verhalten. Undurchsichtig bleibt erst mal Charity, die Schwester Balthasars. Was sie wirklich plant, bleibt bis zum Schuss ein Rätsel. Die Nebenfiguren erhalten ebenfalls genug Raum, um sich zu entfalten.

Spannend bleibt diese Serie auf jeden Fall, und es müssen noch einige Rätsel gelöst werden, so dass man sich auf den nächsten Band freuen kann, der im Englischen unter dem Titel „Hourglass“ am 9. März 2010 erschien und hoffentlich auch bald auf Deutsch erscheinen wird.

_Autorin_

Bevor Claudia Grey sich ganz dem Schreiben widmete, arbeitete sie als Anwältin, Journalistin und DJ. Seid ihrer Kindheit interessiert sie sich für Filmklassiker, die Stile vergangener Epochen und Architektur. Ihr so erworbenes Wissen ließ sie in „Evernight“ einfließen und erschuf so eine unverwechselbare Atmosphäre. (Verlagsinfo)

|Gebunden mit Schutzumschlag: 400 Seiten
Originaltitel: Stargazer
Originalverlag: HarperTeen, New York 2009
Aus dem Englischen von Marianne Schmidt
ISBN-13: 978-3764530525|
[www.randomhouse.de/penhaligon]http://www.randomhouse.de/penhaligon
[www.claudiagray.com]http://www.claudiagray.com

_Nadine Warnke_

Gier, Kerstin – Saphirblau – Liebe geht durch alle Zeiten 2

_Die „Liebe geht durch alle Zeiten“-Reihe:_
Band 1: [„Rubinrot“ 5664
Band 2: [„Saphirblau“ 6266
Band 3: „Smaragdgrün“ (erscheint im September 2010)

_Gerade von einer Zeitreise_ zurückgekehrt, küsst Gideon Gwendolyn in einer Kirche, und das ausgerechnet in einem Beichtstuhl. Gwen, die die Neuigkeit, eine Zeitreisende zu sein, immer noch nicht ganz verdaut hat, ist sehr überrascht, meinte sie doch, Gideon wäre in ihre Cousine verliebt. Dann meldet sich auch noch ein Wasserspeier-Dämon zu Wort, den nur Gwen hören kann. Dieser stellt sich als Xemerius vor, und da Gwen die Erste seit Langem ist, die ihn wahrnimmt, hängt Xemerius sich direkt an ihre Fersen.

Gwen und Gideon fahren anschließend mit einem Taxi zum Hauptquartier des Ordens der Wächter. Dicht auf Gwens Fersen: Xemerius, der dann auch gleich mit reinkommt. Während Gwen Hausaufgaben macht, spioniert der für andere unsichtbare Wasserspeier-Dämon und belauscht die Wächter bei einer ihrer Sitzungen.

Während Gwen lernen muss, das Menuett zu tanzen, und das Benehmen und die Sitten vergangener Zeiten beigebracht bekommt, recherchiert ihre beste Freundin Leslie im Internet alles, was es über Zeitreisen zu finden gibt, und informiert Gwen über ihre Ergebnisse.

Der Graf von St. Germain beginnt sich sehr für Gwen zu interessieren und lädt sie und Gideon ein, um den Rubin Gwen näher kennenzulernen. Nach ihrem letzten Erlebnis mit dem Grafen, der den Orden der Zeitreisenden gründete, ist Gwen nur wenig begeistert von diesem Treffen und hat auch ein wenig Angst und Respekt vor dem Grafen. Auch das Verhalten von Gideon wird für Gwen immer rätselhafter. Mal gibt er sich ihr sehr zugetan, dann wieder behandelt er Gwen wie Luft oder ein lästiges Insekt.

_Kritik_

„Saphirblau – Liebe geht durch alle Zeiten“ von Kerstin Gier setzt genau dort an, wo „Rubinrot“ aufgehört hat – bei dem Kuss von Gwen und Gideon. Die Beziehung der beiden jungen Zeitreisenden, mit allen Irrungen und Wirrungen, nimmt viel Platz in der Geschichte ein. Trotzdem erfährt der Leser auch reichlich über die Zeitreisen an sich, die Ziele und Werte des Ordens der Wächter, und auch der geheimnisvolle und furchterregende Graf von St. Germain bekommt mehr Raum in dieser Geschichte.

Dem flüssigen Schreibstil von Kerstin Gier kann man sehr gut folgen; die Seiten und die Geschichte fliegen nur so dahin. Der Wiedereinstieg in die Trilogie fällt aufgrund der ausführlich beschriebenen Ausführungen vom ersten Band recht leicht und man befindet sich schnell wieder mitten im Geschehen.

Die einzelnen Charaktere entwickeln sich weiter und sind realistisch, liebevoll, urkomisch und auch manchmal geheimnisvoll beschrieben. Bei Gwen spürt man schon fast die Schmetterlinge im Bauch und die Verwirrung hinsichtlich Gideons Verhalten. Über einige ihrer „Fehltritte“ möchte man sich vor Lachen fast ausschütten und leidet dann wieder mit ihr mit, wenn ihre Cousine mal wieder rumzickt. Ihr neuer ständiger Begleiter, der Wasserspeier-Dämon „Xemerius“, ist ebenfalls sehr liebevoll und humoristisch dargestellt. Diesen lustigen Gesellen muss man mit seiner vorlauten Art einfach lieben. Auch die weiteren Protagonisten lernt man immer besser kennen und auch verstehen. Ein Personenregister hilft dabei auch sehr, da es doch immer mehr Personen gibt, die Anteil an der Geschichte haben.

Etwas überstürzt ist dann das Ende, denn eigentlich hört der Roman mitten im Geschehen auf und hinterlässt doch reichlich offene Fragen, die dem Leser dann hoffentlich im dritten Teil noch erklärt werden.

_Autorin_

Die Autorin Kerstin Gier wurde 1966 geboren. Da sie schon als Kind Schriftstellerin werden wolle, studierte sie nach dem Abitur Germanistik, Anglistik, aber auch Musikwissenschaften. Ihr Diplom machte sie dann aber in Kommunikationspsychologie.

Erst 1995 begann sie dann mit dem Schreiben. Sie verfasste vornehmlich Frauenromane und arbeitet heute als freie Autorin. Ihr 1996 erschienener Debütroman „Männer und andere Katastrophen“ wurde mit Heike Makatsch in der Hauptrolle verfilmt. Kerstin Gier veröffentlicht auch unter den Pseudonymen Sophie Bérard und Jule Brand.

Mit ihrem Roman „Das unmoralische Sonderangebot“ gewann sie 2005 die „DeLiA“ für den besten deutschsprachigen Liebesroman. Seit 2007 ist sie zudem Jurymitglied bei „DeLiA“, der Vereinigung deutschsprachiger Liebesroman-Autoren und -Autorinnen.

Kerstin Gier lebt mit ihrer Familie in einem Dorf in der Nähe von Bergisch Gladbach.

_Fazit_

Kerstin Giers „Sapirblau – Liebe geht durch alle Zeiten“ ist wieder ein zauberhafter und amüsanter Jugendroman geworden, der Jung und Alt ein paar unterhaltsame Stunden bringt. Wie auch im ersten Teil, ist die Mischung aus Herzklopfen, Fantasy und Krimi außerordentlich gut gelungen.

Ich fiebere schon dem Herbst entgegen, dann endlich erscheint der nächste und abschließende Teil „Smaragdgrün“ und ich bin sehr gespannt darauf, wie es weitergeht.

|Gebunden: 400 Seiten
ISBN-13: 978-3401063478|
[www.arena-verlag.de]http://www.arena-verlag.de
[www.kerstingier.de]http://www.kerstingier.de
[DeLiA-online.de]http://www.delia-online.de/html/mitglieder__gier__kerstin.html

_Nadine Warnke_

_Kerstin Gier bei |Buchwurm.info|:_
[„Die Mütter-Mafia“ 4328
[„Die Patin“ 4344
[„Für jede Lösung ein Problem“ 4374

Fiore, Christian / Happel, Knut – Langfinger (Brettspiel)

Einbrüche gehören in der Spielwelt zu den beliebtesten Themen – womöglich weil der Reiz des Illegalen hier ein wenig humorvoll behandelt und auch in gewisser Weise legalisiert wird. Bei „Langfinger“, dem Neuling aus dem Hause Pegasus, ist hier keine Ausnahme geboten. Christian Fiore und Knut Happel haben in Personalunion ein Spiel geschaffen, welches viele bekannte Mechanismen verbindet, dabei keinen zu hohen Anspruch stellt, dabei aber dennoch enorm viel Kurzweil bietet – ein Spiel für zwischendurch also? Nun, schon ein bisschen mehr! Aber das Fazit kommt ja erst später …

_Spielidee:_

Die Nacht bricht herein, die Zeit für Gauner und Halunken und vor allem für große Beutezüge. Sowohl in der Villa, als auch im Museum sind verschiedene Kunstschätze und Antiquitäten versteckt, die sich geradezu bestens eignen, im Rahmen eines fetten Coups zu stehlen. Doch all dies ist nur möglich, wenn das entsprechende Werkzeug zur Hand ist. Also beschafft man sich in der City die entsprechenden Kleinteile, tauscht sie gegebenenfalls in den Ruinen, knackt hiermit später die Safes und verramscht die Ware später beim Hehler, der hierfür ein paar hübsche Summen anbietet.

So weit die Theorie. In der Praxis ist neben dem Geschick aber auch noch Schnelligkeit gefragt, denn die Werkzeuge sind ebenso schnell vergriffen wie die Schätze – und außerdem haben die Hehler auch nur begrenzt Zeit und Geld, um ihre Boten zu entlohnen. Gewinnen kann man schließlich nur, wenn man eine Geldsumme im Wert von 20 Einheiten oder mehr heranschafft. Und wer zu lange wartet und ausschließlich die dicksten Fische an Land ziehen möchte, hat am Ende das Nachsehen.

_Ziel des Spiels:_

20 Geldeinheiten – egal wie, egal wo, aber nicht egal wann. Diesen Betrag muss man einheimsen, wenn man „Langfinger“ siegreich bestreiten möchte. Das Ziel des Spiels ist also klar definiert, der Weg hierhin vielseitig. Wichtig ist, dass man seine drei Gaunersteine Zug für Zug geschickt verteilt und in den einzelnen Stationen des Spielfelds schließlich fokussiert arbeitet, um ja keine Aktion zu verschenken. Denn sonst sind die 20 Einheiten bereits auf anderen Konten verbucht, bevor man überhaupt nur die Chance bekommt, dieses Ziel zu erreichen!

_Spielmaterial:_

1 Spielplan
5 Gaunerfiguren in 5 Farben
15 Gaunersteine in 5 Farben
30 Beutekarten
14 Hehlerkarten
1 Startspielerkarte
60 Werkzeugkarten

Das Spielmaterial ist relativ simpel illustriert und beschränkt sich auf das Wesentliche, nämlich die Information, die die jeweiligen Karten hergeben sollen. Etwas mehr Mühe hat man sich indes beim bunten, wenn auch kleinen Spielplan gegeben, bei dem aber dennoch eine sehr gute Übersichtlichkeit gewährleistet bleibt. Klarer ausgedrückt: Kein Tamtam, keine Schnörkel, sondern schlicht und einfach eine schlichte und einfache Optik – über die man aber lediglich auf den ersten Blick stolpern wird. Insgesamt kann man nämlich auf jeglichen Pomp verzichten, weil die Mechanismen (hierzu später mehr) voll und ganz überzeugen können!

_Spielvorbereitung:_

Vor jedem Spiel werden die einzelnen Spielmaterialien farblich passend aufgeteilt. Jeder Spieler erhält eine Gaunerkarte und die dazu passenden Steine. Beute-, Werkzeug- und Hehlerkarten werden separat gemischt und jeweils zu einem verdeckten Ablagestapel bereitgelegt. Abhängig von der Spielerzahl werden nun an der Villa und im Museum einzelne Beutekarten (ebenfalls verdeckt) angelegt. Diese Karten zeigen an, welche Werkzeuge nötig sind, um die Beute abzugreifen. Werkzeuge wiederum legt man, ebenfalls abhängig von der Zahl der Mitspielenden, an die City. Im Hafen treiben sich schließlich die Hehler herum, jeweils einer pro Spieler, und das offen. Liegen alle Karten aus, darf der Spieler mit den längsten Fingern den ersten Spielzug machen.

_Spielablauf:_

Bevor man an den einzelnen Orten zur Aktion schreitet, werden zunächst die Gaunersteine an die drei Orte verteilt. Beginnend mit dem Startspieler darf jeder Beteiligte im Uhrzeigersinn einen seiner Steine an einen beliebigen Ort anlegen. Die Orte sind nicht nur an sich nummeriert, sondern bieten jeweils noch einmal eine Leiste mit der Reihenfolge, nach der hier später gespielt werden darf. Wer also seinen Stein in dieser Leiste an die erste Position bringt, darf später auch hier als erster agieren. Anschließend wird der zweite und der dritte Gaunerstein ebenfalls platziert. Damit ist die erste Phase beendet.

Als Nächstes spielt man nun die einzelnen Steine an den Orten aus. In der City wählt man zwei der ausliegenden Werkzeuge, in der Villa versucht man bereits, diese auch anzuwenden, im Hafen tauscht man Werkzeuge zu wechselnden Kursen, im Museum geht man ein zweites Mal auf Beutezug, und wer tatsächlich etwas einheimsen konnte, schaut als Letztes, ob der Hehler hierfür gerade Verwendung hat. Pikant natürlich: Man darf nur drei Aktionen spielen und kann nicht an jedem Ort in jeder Runde gleichzeitig aktiv sein. Hier greift also die eigentliche Strategie: Vor jedem Zug der ersten Phase verschafft man sich einen genauen Überblick über die eigene Auslage und die seiner Mitspieler und setzt Prioritäten. Und dennoch wird man manchmal überrascht, weil man seine Steine natürlich nicht immer wunschgemäß anbringen kann und öfter auch mal leer ausgeht.

Sind die drei Orte entsprechend abgehandelt worden, wird als Letztes der Spielplan neu präpariert. Werkzeuge werden nachgelegt, die Beute aufgefrischt und gegebenenfalls werden auch neue Hehler ins Spiel gebracht. Und schon geht die Startspielerkarte im Uhrzeigersinn weiter, und man beginnt die nächste Runde.

Wer schließlich seine Beute in Geld umsetzen konnte, bewegt seine Figur auf dem Spielplan um den entsprechenden Wert vorwärts. Mit ein bisschen Glück bekommt man bei seinen Streifzügen auch direkt Geld zugesteckt und muss nicht mehr extra beim Hehler vorstellig werden. Hat ein Spieler das Feld mit der 20 überschritten, wird die Runde noch zu Ende gespielt. Wer nun die Nase vorne hat, gewinnt das Spiel und ist der cleverste Langfinger!

_Persönlicher Eindruck:_

Es ist immer wieder erstaunlich, wie Spiele mit durchaus bekannten Techniken und nicht sonderlich innovativen Inhalten es schaffen, eine gewisse Frische in die bekannten Abläufe zu bringen und einfach nur Kurzweil und Spaß bereiten. „Langfinger“ ist für diese Theorie ein blendendes Beispiel: Leichte Regeln, schlüssige Mechanismen, ein ordentlicher taktischer Anspruch, ein Spiel mit etwas Risiko und am Ende auch ein reizvoller Titel mit erhöhtem Wiederverwertungswert – davon ist man bereits nach der ersten Runde überzeugt.

Störend ist einzig und alleine, dass durch die größtenteils verdeckte Auslage der Karten auf einen höheren prozentualen Glücksanteil nicht verzichtet wurde, so dass man in manchen Situationen gar keine andere Wahl hat, als die Mitspieler gewähren zu lassen, da man im Uhrzeigersinn an einem der hinteren Plätze eingruppiert ist. Besonders im Spiel zu viert oder zu fünft – übrigens ist gerade die größere Mitspieleranzahl erst so richtig reizvoll – kommt man hier schon mal an seine Grenzen, da die besten Karten im Prinzip schon verloren sind und man womöglich nicht mal an gutes neues Werkzeug herankommt. Dies wird zwar durch die Tauschfunktion relativ gut ausgehebelt, ist aber manchmal doch ein Ärgernis.

Immerhin, die Strategie kommt dennoch nicht zu kurz, da der Nachteil des späteren Platzierens der Gaunersteine nicht ganz so verheerende Auswirkungen hat. Aber er spielt sicher eine Rolle! Nimmt man diesen Umstand mal aus der Gesamtbetrachtung heraus, ist „Langfinger“ ein geradezu perfektes Familienspiel, welches aufgrund seiner geringen Spieldauer immer mal wieder als Anheizer ausgepackt werden dürfte, aber auch zu einer Serie von mehreren Runden einlädt, schlichtweg weil das ziemlich hohe Spieltempo überzeugt und man in jeder Partie ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen erleben wird. Langeweile ist hier von vornherein vorgebeugt worden.

_Fazit:_

Fiore und Happel haben sich mit der Verwertung bekannter Spielelemente in „Langfinger“ clever und raffiniert durchgeboxt. Man ist sofort im Spiel, durchschaut die möglichen Taktiken und wird doch in jeder Partie aufs Neue gefordert – so muss ein kurzes, aber dennoch reizvolles Spiel ausschauen. Die Verkettung von Karten- und Brettspiel ist überdies sehr gut gelungen und der zweite wichtige Grund für die klare Kaufempfehlung, die hier ausgesprochen wird!

|Brettspiel für 2-5 Spieler ab 8 Jahren
Spieldauer: 20-30 Minuten
ASIN: B002I61P9O|
[www.pegasus.de]http://www.pegasus.de

Fitzgerald, Mike – Mystery Rummy – Fall 2: Edgar Allan Poe / Doppelmord in der Rue Morgue (Kartenspiel)

Während Kollege Jack The Ripper zu den wohl häufigsten Inspiratoren für die Themenauswahl auf dem Brett- und Kartenspielmarkt gehört, ist der „Doppelmord in der Rue Morgue“, einer der wohl besten und wichtigsten Fälle aus der Feder von Edgar Allen Poe in dieser Sektion eher stiefmütterlich behandelt worden. In diesem Sinne scheint es also fast symbolisch, dass auch in der neuen „Mystery Rummy“-Reihe aus dem Pegasus Verlag zunächst der Ripper den Vorzug erhalten hat und die Serie eröffnen durfte. Poes Nachzügler beendet aber nun eine größere Durststrecke und verneigt sich thematisch zumindest genauso ehrfürchtig vor dem großen britischen Dichter und Schreiberling wie im Vorgänger.

_Spielidee:_

Im Vergleich zum ersten Teil der Serie ist zumindest der thematische Ansatz im zweiten Fall ein wenig anders. Der Mörder, hier der Orang-Utan, ist bereits bekannt und es geht lediglich darum, mittels weiterer Hinweise die Bestätigung für diese Annahme einzuholen. Sieht man von dieser dezenten Abweichung ab, ist die Spielmechanik nahezu identisch und ist – Nomen est Omen – ganz klar an das klassische Rommé angelehnt. Dies heißt: Man sammelt Dreierpärchen, legt diese aus, legt eigene Karten an die Pärchen der Mitspieler an und versucht dabei, die eigenen Karten möglichst flott loszuwerden und zugleich auch noch einen ordentlichen Punkte-Grundstock aufzubauen. Der Unterschied zur traditionellen Variante ist indes einerseits der atmosphärische Background, allerdings auch einige Zusatzregeln, die hiermit verknüpft sind. Und genau diese Bonus-Elemente halten den Spieler nicht nur bei Laune, sondern machen das Ganze auch zu einer phasenweise noch strategischeren Angelegenheit!

_Ziel des Spiels:_

„Mystery Rummy – Fall 2: Edgar Allen Poe“ wird in mehrere Durchgängen gespielt, deren genaue Anzahl noch nicht weiter festgelegt ist. Ziel des Spiels ist hierbei, 100 Punkte anzusammeln, welche man einzig und allein durch das Auslegen eigener Hinweis- und Ereigniskarten bekommen kann. Durchschnittlich ergattert man pro Runde zwischen 15 und 30 Punkten, so dass sich die Spieldauer auf ca. 20-30 Minuten, je nach Spieleranzahl, beläuft.

_Spielmaterial:_

49 Hinweiskarten
12 Ereigniskarten
5 sonstige Karten
1 Spielregel

Das Kartenmaterial dieser zweiten Episode ist ein echter Hingucker. Die Szenen aus der lyrischen Vorlage sind sehr stimmig illustriert worden, ohne dabei jedoch die einzelnen Kartenfunktionen in den Hintergrund zu drängen. Generell sind durch die unterschiedlichen Symbole und die Farbgebung recht viele Informationen auf den Karten enthalten, dies aber auch sehr übersichtlich und nie verwirrend. Letzteres kann man hingegen für die Spielregenl nicht gerade behaupten. Hier wird relativ langatmig um den Kern herum geschrieben und schließlich eine Komplexität suggeriert, die sich im relativ simplen Spielaufbau absolut nicht bestätigt. Wichtig ist jedoch in erster Linie, dass man auf Anhieb Spaß findet, mit dem Material umzugehen – begründet durch die Optik und die schöne Übersichtlichkeit!

_Spielaufbau:_

Die Vorbereitungen eines Durchgangs sind relativ simpel. Hinweis- und Ereigniskarten werden gut durchgemischt und abhängig von der Anzahl der Spieler verteilt. Bei 2 Spielern erhält jeder Spieler 10 Karten, bei steigender Anzahl jeweils eine Karte weniger. Die übrigen Karten bilden einen Nachziehstapel, dessen oberste Karte offen neben diesen Stapel ausgelegt wird. Weiterhin wird die Karte mit dem Orang-Utan offen ausgelegt. Jeder Spieler wählt nun eine seiner Handkarten und legt diese verdeckt unter den Affen. Ist dies geschehen, beginnt das Spiel mit dem Spieler, der links vom Kartengeber sitzt.

_Spielübersicht:_

Ähnlich dem klassischen Rommé besteht ein Spielzug auch in „Mystery Rummy“ aus den drei Schritten ‚Ziehen‘, ‚Ausspielen‘ und ‚Ablegen‘, wobei die erste und die letzte Aktion verpflichtend bleiben. Wer also kurz vor Schluss lediglich ein Dreierpärchen auf der Hand hat und dieses ausspielen möchte (hier nennt man dies ‚Meldung machen‘), dem sind die Hände gebunden, weil er dann ja keine Karte mehr zum Ablegen hat. Das Nachziehen einer Karte ist unterdessen auch ein wenig freizügiger gestaltet. Man kann entweder vom Nachziehstapel (Fallakte) blind eine neue Karte nehmen, oder man nimmt die oberste Karte vom Abwurfhaufen (Rue Morgue) offen auf, wenn diese gerade sehr gut in die eigene Kartenhand passt.

Beim Auslegen hingegen ist man schon an bestimmte Regeln gebunden, vor allem was die Ereigniskarten betrifft. Bestimmte Ereignisse können im Laufe der Ermittlungen logischerweise erst dann eintreten, wenn einzelne Hinweise hierzu gesammelt wurden. Eine besondere Karte ist in diesem Sinne das Ereignis ‚Brillante Folgerung‘, welches erst dann ausgelegt werden darf, wenn zwei bestimmte Kartensätze aus den Hinweiskarten bereits im Spiel sind. Das bringt dementsprechend auch eine hohe Punktzahl in der Abschlusswertung, birgt aber auch die Gefahr, dass man die Punkte später abgezogen bekommt, wenn man die Karte zum Spielende noch auf der Hand trägt. Davon abgesehen darf man pro Runde auch nur eine Ereigniskarte spielen. Wer also gerade ein wenig hilflos ist und neue Karten benötigt und derweil mehrfach ‚Dupins Hilfe‘ in Anspruch nehmen möchte, steht auf dem Schlauch.

Wichtig ist aber zunächst, dass man entsprechende Hinweise als Trio auslegt und sich ein wenig von seinen ersten Karten befreit. Gerade im Spiel zu dritt kann es dann ganz schnell gehen, da man sich hier rasch ergänzt und das Risiko noch größer ist, bestimmte Karten auf der Hand zu lassen und sie noch nicht abzuwerfen. Die Frage, ob man überhaupt noch einmal am Zug sein wird, kann hier nämlich nicht immer klar beantwortet werden. So ist es ebenso ein Risiko bestimmte Hinweissätze zu sammeln, die in ihrer Kombination später Bonuspunkte einbringen können. Sammelt man beispielsweise ‚Zeitungshinweise‘ und ‚Der Seemann‘, gibt es hierfür lukrative 10 Bonuspunkte. Allerdings ist hier natürlich auch ein wenig Glück beim Nachziehen gefragt.

Damit schließlich bestimmte Karten nicht so einfach aus dem Spiel verschwinden (wenn man sie etwa unter den Orang-Utan legt, gibt es einige Möglichkeiten, sowohl die Rue Morgue als Abwurfstapel als auch den Affen zu durchsuchen. Legt man nämlich ein Dreierpärchen neu aus, muss man eine Karte aus der Rue Morgue bzw. aus der Fallakte unter dem Orang-Utan verschwinden lassen. Lediglich Dupin kann hier nachher eingreifen und verlorene Karten wieder zurück ins Spiel holen.

So spielt man schließlich im Uhrzeigersinn, bis ein Spieler keine Karten mehr auf der Hand trägt. Die Regel sieht vor, dass hierzu zwei Fallakten bemüht werden dürfen, der Nachziehstapel also maximal zweimal durchgespielt werden darf, bis alle Meldungen platziert sind und ein Spieler seine Karten komplett ausgespielt hat. Gelingt dies dennoch nicht – wobei das fast schon völlig unrealistisch scheint – wird das Spiel nicht gewertet. In den Regeln für Fortgeschrittene wird das Ganze sogar noch verschärft, so dass man nur einmal die Fallakte durchspielen darf.

Die Punktewertung erfolgt schließlich am Ende eines solchen Durchgangs und wird auf einem Blatt für alle Spieler notiert, da das Spiel erst ab einem erreichten Wert von 100 Punkten beendet wird. Bevor man wertet, dürfen alle Spieler noch diejenigen Hinweise abwerfen, zu denen bereits Meldung gemacht wurde. Auch das Ereignis ‚Brillante Folgerung‘ darf noch abgelegt werden, sollte wenigstens einer der hierfür erforderlichen Hinweise ausliegen. Alle anderen Handkarten werden vom Ergebnis der Punktesumme, die sich aus der eigenen Auslage ermittelt, in ihrem jeweiligen Wert subtrahiert. Nach erfolgter Wertung beginnt schließlich die nächste Runde, bis später ein Gesamtsieger ermittelt wurde.

_Spielspaß:_

Man darf sicherlich nicht den Fehler machen und dem thematischen Background in „Mystery Rummy“ zu viel Bedeutung zukommen zu lassen. Das Thema dient lediglich der Auffrischung der Spielatmosphäre und wird hier vor allem auch grafisch gut bedient, hat aber letzten Endes keinen Einfluss auf den grundsätzlichen Mechanismus. Dieser besteht nämlich im Großen und Ganzen aus den etwas steifen Rommé-Regeln, die hier jedoch Gott sei Dank durch einige neue Elemente brauchbar aufgelockert werden. Wirklich abwechslungsreich wird das Spiel dadurch zwar nicht, aber da bei der Endabrechnung einige zusätzliche Faktoren in die Überlegungen während des Spiels mit einzubeziehen sind, ist diese Variante eine deutlich strategischere und bringt im direkten Vergleich auch definitiv mehr Spaß. Zwar sind einigen Mechanismen nicht so deutlich ausgeprägt, dass sie den ersuchten Einfluss nehmen könnten (beispielsweise die Option, Karten unter den Orang-Utan zu legen), doch in der Summe kommt einfach mehr Schwung und Fluss ins Spiel als beim herkömmlichen Rommé, so dass der Pegasus-Ableger am Ende nicht nur eine nette Alternative, sondern wirklich ein echter Gewinn ist – zumindest wenn man das Rommé-Spiel mag.

Neueinsteiger hingegen dürfen sich auf ein nettes, kurzweiliges, aber eben auch nicht wirklich anspruchsvolles Spiel freuen, welches man zwischendurch immer mal gerne auspacken wird, weil es nicht wirklich fordernd ist. Aber das ist in diesem Fall auch nicht so tragisch!

_Fazit:_

Kartenspieler im Allgemeinen und Rommé-Liebhaber im Besonderen sollten sich daher also nicht vom mystischen Titel abschrecken lassen und „Mystery Rummy“ bei nächster Gelegenheit mal anspielen. Enttäuscht sein wird man keinesfalls!

|Kartenspiel ab einem Spielalter von 8 Jahren
2 – 4 Spieler
Spielzeit: 20 – 40 Minuten
ASIN: B001Q9ER4O|
[www.pegasus.de]http://www.pegasus.de

Queen, Ellery – Spiel mit dem Feuer

_Das geschieht:_

Shinn Corners ist eine Siedlung in einem abgelegenen Tal irgendwo in den Bergen Neuenglands. Nur noch 36 Einwohner fristen hier ein eher ärmliches als bescheidenes Dasein. Auf Einladung seines Vetters, des Richters Lewis Shinn, besucht Johnny Shinn das Dörflein, aus dem seine Vorfahren stammen. Nach Gefangenschaft und Folter im Koreakrieg ist der ehemalige Major psychisch angeschlagen. Der Richter hofft ihn aus seiner zynischen Gleichgültigkeit zu holen, doch kaum ist Johnny im friedlichen Shinn Corners eingetroffen, ereignet sich dort ein brutaler Mord.

Fanny Adams, eine 91-jährige Malerin, deren Bilder die Bewunderung amerikanischer Kunstkenner erregen, wurde in ihrem Atelier mit einem Schürhaken erschlagen. Kurz vor dem Verbrechen klopfte der Wanderarbeiter Josef Kowalczyk an ihre Tür und bat um eine Mahlzeit. Ihn halten die entsetzten und wütenden Bürger für den Täter. Nach einer wilden Hetzjagd kann Kowalczyk gefasst werden. Man sperrt ihn im Keller der Kirche ein und will ihm den Prozess machen.

Dass Kowalczyk dem Sheriff oder der Staatspolizei ausgeliefert werden müsste, wird von den Bürgern ignoriert. Sie trauen der fernen Obrigkeit nicht. Um der drohenden Lynchjustiz Einhalt zu gebieten, inszeniert Richter Shinn ein Schein-Gerichtsverfahren. Es hat vor dem Gesetz keine Gültigkeit, beruhigt aber die Gemüter der Einwohner von Shinn Corners.

Lewis und Johnny Shinn glauben an die Unschuld Kowalczyks, der diese auch vehement beteuert. Sie ermitteln deshalb heimlich in der Frage, ob alle Bürger für den Zeitpunkt des Mordes ein Alibi vorweisen können. Der wahre Täter darf ihnen keinesfalls auf die Schliche kommen, da er – oder sie – sonst den Lynchmob entfesseln würde, denn die braven Menschen aus Shinn Corner wollen Blut sehen …

_Wer anders ist, muss schuldig sein!_

Die 1950er Jahre waren in den USA eine Zeit fast ungebremsten Wirtschaftswachstums. Politisch sah die Situation allerdings weniger rosig aus. Der Zweite Weltkrieg hatte das Ende der nazideutschen Bedrohung in Europa und die Waffenbrüderschaft mit der Sowjetunion gebracht. Doch dann hatten USA und UdSSR miteinander gebrochen. Das Wettrüsten der Supermächte hatte eingesetzt, ein neuer Weltkrieg kündigte sich an, und dieses Mal würde man ihn mit Atom- und Wasserstoffbomben führen!

Der Feind schien allgegenwärtig. Er hatte womöglich längst die USA unterwandert und fünfte Kolonnen in Politik, Wirtschaft und Kultur eingeschleust. Seit 1950 führte Senator Joseph McCarthy einen hysterischen Kreuzzug gegen kommunistische Agitatoren, die er überall am Werk sah. Wer in das Mahlwerk seines „Komitees für unamerikanische Aktivitäten“ („House on Un-American Activities Committee“) geriet und sich dessen inquisitorischer Befragung unter Berufung auf verbriefte Staatsbürgerrechte nicht unterwarf, wurde als „Roter“ gebrandmarkt und landete auf der schwarzen Liste, was das sichere Ende der beruflichen Karriere und den Absturz ins soziale Abseits bedeutete.

McCarthys Terror endete im Dezember 1954. Die Folgen der Hexenjagd überdauerten ihn viele Jahre. Auch in den Jahren seiner uneingeschränkten Herrschaft war McCarthy nicht ohne Opposition geblieben. Viele Amerikaner traten dem Senator entweder direkt gegenüber oder kommentierten seine Umtriebe zumindest aus der Ferne.

Die Vettern Frederic Dannay und Manfred Bennington Lee gerieten nie ins Visier der HUAC. Unter dem Pseudonym „Ellery Queen“ schrieben sie komplexe und realitätsferne Kriminalromane, was sie als potenzielle Sowjetspione vermutlich disqualifizierte. Doch Dannay und Lee waren McCarthy-Gegner. Ihre Eltern, russische Juden, hatten das zaristische Heimatland, in dem sie drangsaliert und verfolgt wurden, verlassen und waren in die hoffentlich gelobten Vereinigten Staaten eingewandert, wo angeblich alle Menschen ungeachtet ihrer Nationalität, ihrer Religion oder ihrer politischen Überzeugung vor dem Gesetz gleich waren. Nun verfolgten Dannay und Lee besorgt, wie diese Freiheit, die auch sie, US-Amerikaner der ersten Generation, genießen durften, ins Wanken geriet. Sie nahmen nicht an politischen Protestaktionen teil, sondern bedienten sich ihres ureigenen Instruments: Sie schrieben einen Kriminalroman.

|Die große Welt im kleinen Tal|

„The Glass Village“ entstand in der Hochzeit der McCarthy-Ära. Ausdrücklich verzichteten Dannay und Lee auf ihr Alter Ego, den Privatdetektiv und Kriminalschriftsteller Ellery Queen. Als künstliche und primär für das intellektuelle Spiel mit dem Verbrechen geeignete Figur war er dieses Mal fehl am Platz. Johnny Shinn verankerten Dannay und Lee fest im Hier und Jetzt. Grausame Erfahrungen in zwei Kriegen haben seinen Patriotismus beschädigt und ihn Kritik gelehrt. Shinn blickt hinter die großen und hehren Worte, an die er nicht mehr glaubt. Er repräsentiert außerdem den Leser, der fremd in Shinn Corner, aber immerhin Amerikaner ist. Welchen Unterschied das macht, weiß er spätestens, als er erlebt, wie es Josef Kowalczyk ergeht, dem Fremden, dem man genau dies abspricht und der ohne diesen kollektiven Schirm auskommen muss.

Thornton Wilder hatte 1938 in seinem Aufsehen erregenden Theaterstück „Unsere kleine Stadt“ („Our Town“) das alltägliche Leben in der ‚Musterstadt‘ Grover’s Corners als Spiegelbild der US-amerikanischen Realität gestaltet. Diesem Vorbild folgend, wird Shinn Corner zum Mikrokosmos und zum Spiegelbild einer ‚ursprünglichen‘ und ‚gesunden‘ US-Gesellschaft, die sich auf die Wahrung traditioneller Werte beruft. Die Bürger werden zur „gläsernen Gemeinde“ des Originaltitels. Dannay und Lee stellen sie uns in einer ungewöhnlich ausführlichen Einführung sorgfältig vor.

In kleinen und ländlichen Orten hatten sie schon oft ihre Kriminalromane spielen lassen. Gern bedienten sie sich einschlägiger Klischees und ließen exzentrische und dummdreiste Hinterwäldler Revue passieren. Shinn Corner und seine Bewohner werden dagegen ohne nostalgisches Lokalkolorit dargestellt. Der Ort steht vor dem Exitus. Die meisten Bürger sind arm, leiden unter Existenz- und Zukunftsängsten, fühlen sich als Stiefkinder des amerikanischen Traums. Untereinander sind sie uneins, unterdrückte Konflikte schwelen. Die Familie bietet keineswegs Zuflucht vor den Fährnissen der Welt, sondern wird zur privaten Hölle. Jeder steht unter ständiger Beobachtung seiner Nachbarn. Abweichungen von der Norm erregen umgehend Misstrauen, schon eine unbedachte Äußerung kann dir schaden: |“‚Sie haben Kirchen in Rußland‘ [, sagte Drakely Scott.] ‚Was ist los mit dir, Drake‘, sagte Tommy Hemus. ‚Bist du kommunistenfreundlich?'“| (S. 53) Gerade diese ‚Anschuldigung‘ beendet jede Diskussion und (nicht nur in Shinn Corner) die Zeit der Meinungsfreiheit.

In diese Schlangengrube stürzt ahnungslos Josef Kowalczyk. Dannay und Lee verstärken die Schrecken seines Schicksals, indem sie ihn als Überlebenden des Nazi-Terrors schildern, der zwar das Konzentrationslager überlebte aber seine gesamte Familie verlor. In den USA suchte er den Neuanfang, doch er scheiterte. Nun wird das Opfer abermals zum Spielball eines Sturms, den er nicht begreifen kann und dem er hilflos ausgesetzt ist: Denn Josef Kowalczyk kommt den guten Menschen von Shinn Corner gerade recht. Er ist der ohnehin verdächtige Fremde, den sie ohne Gewissensbisse zum Sündenbock machen können. Ausgerechnet in der Jagd auf den angeblichen Mörder findet die Gemeinde zu neuer Eintracht: als Lynchmob – oder Hexenjäger.

|Bittere Medizin wird auf einem Zuckerstück verabreicht|

Allegorische Gesellschaftskritik dürfte kaum etwas gewesen sein, das die Leser eines Ellery-Queen-Romans erwarteten. Dannay und Lee trieben es vorsichtshalber nicht zu weit mit den entsprechenden Ambitionen. Sagen sie anfangs noch sehr deutlich, was sie stört im aktuellen Amerika, integrieren sie ihre Kritik später mehr und mehr in eine scheinbar konventionelle Krimihandlung. „The Glass Village“ wird zum klassischen „Whodunit“ und gleichzeitig zum dramatischen |court drama|: Der Mörder von Fanny Adams wird klassisch durch das Suchen, Finden und Auswerten von Indizien ermittelt; die Suche nach der Wahrheit findet parallel dazu im Rahmen einer laufenden Gerichtsverhandlung statt.

Diese Verhandlung ist eigentlich keine: Vor dem Gesetz wird ein in Shinn Corner gefälltes Urteil keinerlei Gewicht haben, weil das Gericht fixierte Regeln ignoriert. Mit diesem Kunstgriff schüren die Autoren einerseits die Spannung, weil die Suche nach dem Täter zum Wettlauf mit der Zeit wird. Andererseits erinnert die Verhandlung an die zeitgenössischen Befragungen durch das „Komitee für unamerikanische Aktivitäten“, deren Vertreter ebenfalls das Recht mit Füßen traten bzw. treten konnten, solange sie die politische und gesellschaftliche Mehrheit hinter sich wussten. Das Gericht von Shinn Corner ist eine Farce. Dannay und Lee ersparten es sich, die Parallelen zu den HUAC-Sitzungen direkt in Worte zu fassen.

„The Glass Village“ bietet einen Krimi-Plot, der im Vergleich zum typischen Ellery-Queen-Rätsel recht simpel wirkt. Die Auflösung ist logisch, und sie verzichtet nicht auf den Faktor Verblüffung, doch sie wirkt dennoch wie die Erfüllung einer Verpflichtung, auf die der Leser beharrt, der geduldig den didaktischen Lektionen des Autorenduos gefolgt ist und dafür belohnt bzw. entschädigt werden möchte. Wichtiger als der Kriminalfall ist Dannay und Lee allerdings der konsequente Abschluss ihres Lehrstücks: Die Bürger von Shinn Corner sind zur Besinnung gekommen und werden ihren Fehler nicht wiederholen. Johnny Shinn ist durch den Sieg der Gerechtigkeit geläutert und gibt seine passive Beobachterrolle auf; er wird zukünftig wieder seinen Teil dazu beitragen, den Feinden von Recht und Ordnung außerhalb von Shinn Corner Paroli zu bieten. Der Leser ist aufgefordert, seine eigenen Schlüsse zu ziehen.

|Deutsches Leser, dummes Leser?|

Knapp 190 eng bedruckte Seiten zählt die erste deutsche Übersetzung von „The Glass Village“, die 1958 unter dem Titel „Spiel mit dem Feuer“ erschien. Sie wirkt heute ein wenig steif und enthält diverse Fehlinterpretationen – |“Judy las ihm vor, aus einer westlichen Zeitschrift, er liebte Cowboygeschichten“| (S. 146) ist ein besonders kurioser Klopfer -, aber sie ist vollständig und enthält nicht nur Dannays und Lees Anklagen gegen autoritäres Unrecht, sondern auch ihre Ausführungen über das Wesen des neuenglischen Puritanismus‘, der für das Geschehen von großer Bedeutung ist.

Anderthalb Jahrzehnte später erschienen dem Ullstein-Verlag die politischen Untertöne entweder zu kritisch oder nicht verkaufsförderlich. „The Glass Village“ bekam 1973 nicht nur einen neuen Titel („Das rächende Dorf“), sondern wurde auf 126 Seiten zusammengestrichen. Aus einem Lehrstück im Krimi-Gewand wurde ein simpler Krimi, wie ihn der geistig einfach gestrickte Leser solcher Romane sicherlich lieber goutieren würde … Dieser traurige Romantorso wurde mehrfach aufgelegt. Man sollte ihn tunlichst meiden und sich auf die (allerdings nicht einfache) Suche nach der Ausgabe von 1958 begeben.

_Autoren_

Mehr als vier Jahrzehnte umspannt die Karriere der Vettern Frederic Dannay (alias Daniel Nathan, 1905-1982) und Manfred Bennington Lee (alias Manford Lepofsky, 1905-1971), die 1928 im Rahmen eines Wettbewerbs mit „The Roman Hat Mystery“ als Kriminalroman-Autoren debütierten. Dieses war auch das erste Abenteuer des Gentleman-Ermittlers Ellery Queen, dem noch 25 weitere folgen sollten.

Dabei half die Fähigkeit, die Leserschaft mit den damals beliebten, möglichst vertrackten Kriminalplots angenehm zu verwirren. Ein Schlüssel zum Erfolg war aber auch das Pseudonym. Ursprünglich hatten es Dannay und Lee erfunden, weil dies eine Bedingung des besagten Wettbewerbs war. Ohne Absicht hatten sie damit den Stein der Weisen gefunden: Das Publikum verinnerlichte sogleich die scheinbare Identität des ‚realen‘ Schriftstellers Ellery Queen mit dem Amateur-Detektiv Ellery Queen, der sich wiederum seinen Lebensunterhalt als Autor von Kriminalromanen verdient!

In den späteren Jahren verbarg das Markenzeichen Queen zudem, dass hinter den Kulissen zunehmend andere Verfasser tätig wurden. Lee wurde Anfang der 1960er Jahre schwer krank und litt an einer Schreibblockade, Dannay gingen allmählich die Ideen aus, während die Leser nach neuen Abenteuern verlangten. Daher wurden viele der neuen Romane unter der mehr oder weniger straffen Aufsicht der Cousins von Ghostwritern geschrieben.

Wer sich über Ellery Queen – den (fiktiven) Detektiv wie das (reale) Autoren-Duo – informieren möchte, stößt im Internet auf eine wahre Flut einschlägiger Websites, die ihrerseits eindrucksvoll vom Status dieses Krimihelden künden. Vielleicht die schönste findet sich [hier]http://neptune.spaceports.com/~queen: eine Fundgrube für alle möglichen und unmöglichen Queenarien.

|Originaltitel: The Glass Village (Boston : Little, Brown, and Company 1954/London : Victor Gollancz 1954)
Deutsche Erstausgabe (unter dem Titel „Spiel mit dem Feuer“): 1958 (Humanitas Verlag/Blau-Gelb Kriminalroman Nr. 22)
189 Seiten, Übersetzung: Ilse Veltmann
ASIN: B0000BMK2T

Bisher letzte Ausgabe (unter dem Titel „Das rächende Dorf“): 1973 (Ullstein Verlag/Ullstein-Krimi Nr. 1903)
126 Seiten, Übersetzung: Ernst Heyda
ISBN-13: 978-3-548-01903-1|
[www.ullsteinverlag.de]http://www.ullsteinverlag.de

Stalner, Eric – Legende von Malemort, Die – Band 3: Das Blutopfer

_“Die Legende von Malemort“:_

1 [„Unter dem Mondlicht“ 5823
2 [„Das Tor des Vergessens“ 5824
3 _“Das Blutopfer“_
4 „Sobald die Nacht anbricht“
5 „Die Ankunft des Teufels“
6 „In alle Ewigkeit“

_Story:_

Mit letzter Kraft ist es der stolzen Anthea, dem alternden Ritter Arnulf und ihrem jungen Gefährten Arvid gelungen, dem Verlies von Aymon de Montgarac zu entfliehen und dessen rechter Hand, dem grausamen Galart, den Rücken zu kehren. Alsbald begeben sich die Gefährten, weiterhin gejagt von Montgaracs Häschern, auf die Suche nach dem entschwundenen Colbus, den Anthea bereits in den Ruinen von Malemort wittert. Doch die Reiese verläuft alles andere als friedlich: Galarts Männer lauern allerorts, und das Trio ist gezwungen, sich fortan zu trennen. Erst in der akuten Not gelingt es Anthea, ihren heimlichen Geliebten aufzuspüren und somit auch Arvids Leben zu retten. Doch wiederum zieht es Colbus zu Montgarac, dessen Neffe seinen Freunden kurz zuvor nach dem Leben trachtete – und wieder kommt es zum Duell der einstigen verbündeten, in dem sich Colbus und Galart einen blutigen Showdown liefern.

_Persönlicher Eindruck:_

Was Tempo, Struktur und inhaltliche Arrangements betrifft, hat „Die Legende von Malemort“ spätestens mit dem hier vorliegenden dritten Band ein absolut gesundes Maß gefunden. Die Story lebt weiterhin von ihrer Action und der drückenden Geschwindigkeit, ist ähnlich fokussiert wie der direkte Vorgänger „Das Tor des Vergessens“, kann hingegen auf atmosphärischer Ebene noch einmal zulegen. Gerade die Schlusssequenzen, die das erneute Aufeinandertreffen der beiden Widersacher Colbus und Montgarac beschreiben, zehren von einer grandiosen Inszenierung, die allen Pathos und Heldenmut, den eine derartige Story ebenso braucht wie einen galanten Spannungsaufbau, mit Hingabe auskostet, dass man als Leser schnell geneigt ist, einmal spontan zu applaudieren.

Derweil sind die Entwicklungen innerhalb der Handlung ebenfalls rasant: Während der Flucht aus Montgaracs Verlies, erfährt man interessante Hintergründe aus der erzählerischen Vergangenheit, begreift die Fehde zwischen den beiden Protagonisten schlagartig besser und kann auch den Handlungskomplex, der nun nicht allzu kompliziert ausgeweitet wird, auf Anhieb besser fassen und einordnen. Die Rollen der Figuren waren bereits im letzten Band näher erläutert worden, doch auch hier legt Autor Eric Stalner noch einmal nach und konzentriert sich vor allem auf die hübsche Anthea und ihre leidenschaftliche Aufopferungsgabe. Ferner wird ihr Verhältnis zu Colbus in dieser Ausgabe plöttzlich von einigen bedeutsamen Ereignissen verschärft – wobei es fatal wäre, diese Andeutungen noch näher auszuführen. Fest steht: Auch der zweite elementare Handlungsstrang, der sich nun einmal mit der ungleichen Liebe zwischen dem Nachtwandler und der Menschenfrau beschäftigt, kommt mit der dritten Episode endlich in Schwung und verändert die Ausgangsposition für die drei noch folgenden Bände noch einmal erheblich, selbst wenn dies zu erwarten war.

Von daher ist „Das Blutopfer“ der nächste Schritt in die richtige Richtung und in der Entwicklung der anfangs noch schwerfälligen Serie gerade wegen des rasch wachsenden Tempos ein Äquivalent zur zweiten Ausgabe von „Die Legende von Malemort“. Sieht man mal davon ab, dass sich der Autor weitestgehend konventioneller Muster bei der Themenwahl seines Fantasy-Plots bedient, ist sein Sechsteiler zur Halbzeit bereits eine echte Pflichtlektüre!

|Graphic Novel: 48 Seiten
Originaltitel: Le Roman de Malemort – Le don du sang
ISBN-13: 978-3-86869-023-1|
[www.splitter-verlag.eu]http://www.splitter-verlag.eu

Stalner, Eric – Legende von Malemort, Die – Band 4: Sobald die Nacht anbricht

_“Die Legende von Malemort“:_

1 [„Unter dem Mondlicht“ 5823
2 [„Das Tor des Vergessens“ 5824
3 „Das Blutopfer“
4 _“Sobald die Nacht anbricht“_
5 „Die Ankunft des Teufels“
6 „In alle Ewigkeit“

_Story:_

Der Kampf gegen die Inquisition ist vorerst beendet, und nach dem Tod von Galart und Montgarac fehlen der Bewegung auch jegliche Mittel, um Colbus, dem Grafen von Malemort, nachzustellen. Dieser wiederum verbündet sich nach einer heftigen Auseinandersetzung mit Anthea erneut mit der Dame, die kürzlich ihr Blut für ihn hingegeben hat und begibt sich auf die Suche nach Joachim de Peyrac, der womöglich einen Weg kennt, Colbus endlich auch wieder das Tageslicht zu zeigen.

Unterdessen reisen die Gefährten zunächst alleine durch die Wälder und treffen dort mehrfach auf unliebsame Kumpanen, die nach ihrem Besitz und ihrem Leben trachten. Doch der Fährmann ist noch nicht bereit, den Kopf der beiden Ritter und ihrer schönen Begleiterin zu holen, bringt sie aber gleich wieder in neue Gefahren. Und während Colbus dessen Spur verfolgt und schließlich an Payracs Anwesen strandet, wartet bereits die nächste Intrige auf den gebeutelten Grafen …

_Persönlicher Eindruck:_

Es ist schon ziemlich eigenartig, dass Eric Stalner im vierten Band seiner sechsteiligen Fantasy-Reihe „Die Legende von Malemort“ plötzlich wieder ganz neue Wege einschlägt und das bestehende Konstrukt völlig aus den Fugen hebt. Dass nach den Ereignissen auf dem Hochsitz von Montgarac eine erhebliche Wendung durch den Plot schleichen würde, konnte man erwarten. Dass dabei aber direkt ein komplett neues Fass aufgemacht wird und Elemente in die Story einziehen, von denen bis dato nicht einmal der Ansatz einer Spur vorhanden war, bringt einige unverhoffte Zweifel an der Entwicklung der kompletten Serie zutage.

Der Autor wagt jedenfalls eine ganze Menge, schafft es in diesem Zusammenhang aber auch nicht ganz so elegant, den Cliffhanger des vorherigen Bandes aufzufangen und konsequent zu verwerten. Lediglich in den ersten Skizzen erfährt man noch ein bisschen über die Verbindung von Anthea und Colbus, doch welche Bedeutung der ‚blutige‘ Übergriff nach der Folterung durch Galart für die weitere Handlung hat, wird ausschließlich in der dritten Person des Erzählers angedeutet, aber eben nicht weiter verfolgt – noch nicht, soviel steht schließlich auch fest.

Nichtsdestotrotz scheint die Ausflucht in jenes seltsame Dorf, die Anthea und ihre beiden älteren Gefährten wagen, nicht ganz auf den Fokus der Story zugeschnitten, sondern eher schmückendes Beiwerk, um die Figuren bei Laune zu halten. Die Action rückt hierbei stellenweise zu stark in den Vordergrund und untergräbt zum Teil die eigentliche Story. Figuren wie den Fährmann einzufügen, sind in diesen Phasen aber gekonnte Schachzüge, die das Mysterium, ddss diese Serie umgibt, weiter zu füttern und die dichte Atmosphäre auch außerhalb der Tätigkeiten des Grafen von Malemort zu wahren. Dies ist letztendlich auch eine von Stalners großen Stärken: Er gestaltet jeden Charakter mit Hingabe und weckt daraufhin eine anhaltende Faszination, die auch die größtenteils konventionellen Gedankenzüge der vielen Figuren nicht mehr abschütteln können.

Somit gelingt es auch, die eigentlich nicht ganz so relevanten Parts zu umschiffen und im Finale von Episode 4 wieder jenen Spannungsbogen aufzugreifen, der in den letzten beiden Ausgaben eine immer steilere Kurve nehmen konnte. „Sobald die Nacht anbricht“ ist insofern sicherlich ein ungewöhnlicher Einschnitt in das Gesamtkonstrukt, aber definitiv eine gelungene Fortsetzung einer peu à peu stärker werdenden Comic-Reihe!

|Graphic Novel: 48 Seiten
Originaltitel: Le Roman de Malemort – Lorsque vient la nuit
ISBN-13: 978-3-86869-024-8|
[www.splitter-verlag.eu]http://www.splitter-verlag.eu

Stalner, Eric – Legende von Malemort, Die – Band 5: Die Ankunft des Teufels

_“Die Legende von Malemort“:_

1 [„Unter dem Mondlicht“ 5823
2 [„Das Tor des Vergessens“ 5824
3 „Das Blutopfer“
4 „Sobald die Nacht anbricht“
5 _“Die Ankunft des Teufels“_
6 „In alle Ewigkeit“

_Story:_

Colbus von Malemort scheint endlich am Ziel seiner Reise angekommen: Joachim de Peyrac empfängt ihn mit offenen Armen und stellt ihm auch Anthea zur Seite, die ihm nun endgültig verfallen zu sein scheint. Doch kurze Zeit später taucht eine weitere junge Frau auf, die ebenfalls behauptet, Anthea zu sein – und erst jetzt begreift der Graf, dass er das Opfer eines weiteren intriganten Spiels geworden ist. Die falsche und die echte Anthea kämpfen um ihr Recht und zahlen dabei einen hohen Preis: Das Ende ihres menschlichen Daseins.

Unterdessen haben Malpethuis und Arnulf alle Hände voll zu tun, die Fährmänner in Schach zu halten und ihre fehlenden Emotionen für ihre Zwecke zu nutzen. Dennoch scheinen die grobschlächtigen Riesen überlegen. Bis es zu einer überraschenden Wende kommt …

_Persönlicher Eindruck:_

Mit „Die Ankunft des Teufels“ könnte sich der Kreis innerhalb der „Legende von Malemort“ grundsätzlich schließen. Die Geschichte steuert nach dem etwas verhaltenen Intermezzo, welches im letzten Band geboten war, schnurstracks auf die Ziellinie zu, bindet die zuletzt noch vermissten Querverweise auf die Beziehung zwischen Colbus und Anthea wieder ein und reißt auf den letzten Seiten ein Fass auf, welches als Open End ein kleiner Geniestreich für Herrn Stalner hätte werden können. Doch die Gewissheit, dass es noch ein sechstes Kapitel geben wird, nimmt ihm diesen stillen Triumph.

„Die Ankunft des Teufels“ ist indes der überzeugende Konter, der nach dem kleinen Einbruch in der vorherigen Ausgabe dringend nötig war, um „Die Legende von Malemort“ ein zweites Mal zu rehabilitieren. Die Spannungskurve nimmt mit einem Mal wieder einen steileren Verlauf an, obschon die Geschichte in ihrer Inszenierung immer schlichtere Züge annimmt und in ihrer Entwicklung immer besser durchschaubar wird. Dass der Graf von Malemort einem Ränkespiel zum Opfer fällt, ist die wohl offensichtlichste Methode, die Spannung anzukurbeln und die Dramaturgie, von der die Beziehung zu Anthea gezeichnet ist, noch ein wenig zu vertiefen. Und auch die kleinen Opfer, die die Handlung bringt, konnte man vorhersehen, da diverse Persönlichkeitsentwicklungen gar nichts anderes zuließen als das, was nun in der Nr. 5 geschieht.

Insofern ist die Berechenbarkeit des Inhalts nicht die Geheimwaffe, mit der der Autor hier zum Erfolg kommt. Stattdessen kann er auf seine Kompromisslosigkeit, die er während der einzelnen Tempoverschärfungen an den Tag legt, zählen und diese auch effizient einsetzen. Die Story wird immer strikter und straighter, die Nebenspielwiesen werden einem sehr fokussierten Strang geopfert, und da der Komplex nun auch im Hinblick auf die seinerzeit noch ungeklärten Hintergründe vollends nachvollziehbar ist, kann Stalner sich in seiner letzten, noch kommenden Geschichte jetzt voll und ganz darauf konzentrieren, dass hier wieder angeschnittene Verhältnis zwischen dem Blutsauger Colbus und der womöglich ebenfalls zum Vampir mutierenden Athena in einem würdigen Schlussakkord auszukosten.

Trotzdem hat man auf den letzten Seiten irgendwie das Gefühl, dass die Story eigentlich schon am Ende ist, weil sowohl Peyrac geschlagen scheint, als auch die unvermeidliche Transformation von Anthea ihren Vollzug erlebt. Es kann daher auch fast gar nicht anders weitergeführt werden, ohne noch einmal einen weiteren Strang einzuführen und das Ganze kurz vor Schluss noch einmal auf den Kopf zu stellen. Aber dieser Umstand beschreibt insgeheim das Potenzial dieses vorletzten Bandes. Die Spekulationen werden angeheizt, die Spannung wächst und damit auch die wiederhergestellte Begeisterung für eine sehr stimmungsvolle, nach wie vor atmosphärisch dichte, abwechslungsreiche Fantasy-Reihe. Wir freuen uns daher auch riesig auf das Finale!

|Graphic Novel: 48 Seiten
ISBN-13: 978-3-86869-025-5|
[www.splitter-verlag.eu]http://www.splitter-verlag.eu

Hallgrimúr Helgason – Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Toxic ist kroatischer Profikiller, dessen letzter Auftrag leider das falsche Opfer zum Ziel hatte: Als er den Bundesangestellten auf einer Mülldeponie entsorgen will, kommt ihm das Gesetz ziemlich nahe und sein Auftraggeber stattet ihn mit falscher Identität aus, zur Flucht nach Kroatien. Doch am Flughafen wird er fast vom FBI erwischt und muss sich neu orientieren: Die Flughafentoilette liefert ihm spontan ein neues Opfer, in dessen Rolle er schlüpft. Er ist jetzt Fernsehprediger, sein Ziel ist Island.

Toxic wird in eine isländische Predigerfamilie eingeführt, die seine Tarnidentität als Idol verehren und zu einem Gastspiel nach Island geladen haben, doch selbst hier in diesem kalten Land der schönsten Frauen kommt ihm die Polizei fast hinterher. Er flüchtet erneut, versteckt sich in der Wohnung der heißesten Frau Islands, die zufällig die Tochter seiner Gastgeber ist und die nun, als seine Tarnung aufgedeckt ist, scharf auf ihn und den Hauch von Gefahr wird, der ihn umgibt.

Ihre Beziehung wird von wildesten Sextreffen immer ernster, bis sie sich verlieben. Toxic will seinen Beruf an den Nagel hängen, ein weiterer Prediger soll ihm bei der Läuterung helfen, und irgendwann soll die Heirat mit seiner Liebe anstehen. Bis das Auftauchen seiner alten Auftraggeber alles zunichte zu machen droht …

Deutlichster Kaufanreiz ist der Titel, der humoristisch klingt und im Zusammenhang mit dem Verlagstext auf einen besonderen Roman hindeutet. Die ersten Kapitel sorgen dann erstmal für herbe Enttäuschung. Der Held hat zwar ein paar lockere Sprüche auf Lager, wirkt aber vorerst flach, ungehobelt und sexistisch. Sein Kriterium, Frauen zu beschreiben, formuliert er in den Worten „Wenn wir in einer einsamen Gegend wären und sie die einzige Frau der Einheit, würde ich an Tag X anfangen, von ihr zu träumen“. Er klassifiziert die Frauen häufig danach in „Tag 3-Frau“ oder „Tag 365-Frau“. Im weiteren Verlauf der Geschichte entwickelt sich zwar ein dichteres Bild von ihm, diese Kriterien kommen aber bei jeder Frau wieder, wodurch die Gewichtung seines Lebensschwerpunktes mehr als deutlich wird.

Anfangs wirken Toxics Rückblicke in die persönliche und seelische Vergangenheit wie aufgesetzte, künstliche Versuche des Autors, die Person zu charakterisieren und glaubhaft sein Wesen darzustellen. Aber im Verlauf der Geschichte führt dieser Weg erstaunlicher Weise wirklich zu einem Charakter, dem man seine Handlungen und Motivationen glaubt. Wobei auch klar ist, dass nicht der Charakter und die Persönlichkeit, sondern das Geschehen selbst und die Merkwürdigkeiten der Geschichte es sind, die den Roman unterhaltsam machen.

Die anderen Personen bleiben recht blass, sie sind wie Schlaglichter verschiedener menschlicher Typen und nötig für die Geschichte. So ist Gunhildur die eiskalte, heiße Sexgöttin mit dem menschlichen Kern, Pater Todhúr (Tortur) der fanatische, rotäugige Inquisitor und Katechist des gefallenen Sohnes (Toxic); es gibt den verräterischen Auftraggeber, die brutal kopflose Freundin, den Vatermord, große Autos, dicke Wummen und kaltschnäuzige Killer.

Um auf den Titel zurück zu kommen: „Zehn Tipps“ sind nicht erkennbar. Der Ausdruck „… um das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen“ bezieht sich klar auf Toxic und seine Vergangenheit, von der er sich reinwaschen soll. Sind die „Zehn Tipps“ auf Torturs Therapie zu beziehen, die zwar in mehreren Schritten abläuft, aber nie explizit auf die Zahl bezogen wird? Ich halte diesen Ausdruck einfach für ein strategisches Mittel, das den Titel interessant gestalten soll, um den Roman aus dem Brei der Profikillerliteratur herauszuheben, indem er doch durch die Story ziemlich versinkt. Das Bestreben durch schwarzen Humor, Komik und Sexismus mehr Interesse zu erzeugen, gelingt nur bedingt, nämlich ab dem Zeitpunkt, an dem die Geschichte selbst schon für Unterhaltung sorgt.

Insgesamt zwar flüssig lesbar und unterhaltend, aber ohne viel Neues. Ein Roman für zwischendurch ohne hohes Erinnerungspotenzial.

Gebundene Ausgabe: 270 Seiten
Originaltitel:
Io rad til ad haetta ad drepa
Aus dem Isländischen von Kristof Magnusson
ISBN-13: 978-3608501087

Der Autor vergibt: (3/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Rankin, Ian – Ein reines Gewissen

_Das geschieht:_

Malcolm Fox: geschieden, trockener Alkoholiker und Mitarbeiter der Dienstaufsichtsbehörde der Lothian and Borders Police im schottischen Edinburgh. Weil er den Kollegen auf die Finger schaut, ist er höchst unbeliebt. Gerade hat er den zwar korrupten aber ungemein beliebten Glen Heaton vom Revier Torphichen Place zu Fall gebracht und sich dadurch verhasster denn je gemacht.

Dies nutzt Detective Chief Inspector William „Bad Billy“ Giles, Heatons bester Freund, rachsüchtig aus, als Vince Faulkner, der Lebensgefährte von Foxes Schwester Judith, erschlagen aufgefunden wird. Giles nimmt Judith in die Mangel, aber noch stärker würde es ihn freuen, könnte er dem Bruder eine Beteiligung an dem Verbrechen nachweisen: Faulkner hat Judith schwer geschlagen, und der wütende Fox wusste davon.

Zu allem Überfluss überträgt Giles den Mordfall seinem Detective Sergeant Jamie Breck. Genau diesen sollte Fox just für DS Anthea „Annie“ Inglis von der Kinderschutz-Abteilung der Polizei überwachen, denn Breck steht im Verdacht, pädophil zu sein und verbotene Sex-Fotos in einschlägigen Internet-Kreisen zu tauschen. Noch fehlen eindeutige Beweise, und diese zu beschaffen, fällt Fox immer schwerer, denn Breck scheint ein ehrlicher Polizist zu sein, den er zunehmend sympathischer findet.

Die Schlinge um den Hals des Beamten zieht sich zu, bis Fox zum Gegenangriff übergeht. Er zieht eine kleine Gruppe von Kollegen und Freunden auf seine Seite und erkennt, dass er als Bauernopfer in einer Intrige dienen soll, in die nicht nur hochrangige Polizisten, sondern auch Stadtpolitiker, Geschäftsleute und Gangster verwickelt sind, die in der aktuellen Wirtschaftskrise gefährdete Investitionen sichern wollen und dabei vor keiner Gewalttat zurückschrecken …

_Behutsame Übergabe des Staffelholzes_

Eine etablierte, gut laufende und bei den Lesern beliebte Serie abzuschließen, birgt für einen Schriftsteller gleichermaßen Möglichkeiten und Risiken. Nach 17 Romanen um John Rebus war Ian Rankin in eine schöpferische Sackgasse geraten. Aus der Figur hatte er herausgeholt, was sie ihm zu bieten schien. Sich ihrer zu entledigen, gestattete einen Neubeginn ohne eine Rebus-Chronologie, die einen beachtlichen Umfang angenommen hatte und deren Beachtung der kritische Leser forderte.

Aber würden besagte Leser eine gänzliche neue Figur akzeptieren? Die Frage bleibt offen, denn mit „Ein reines Gewissen“ hat sie Rankin keineswegs beantwortet: Dieser erste Krimi um Malcolm Fox liest sich wie der 18. „Rebus“-Roman, denn höchstens der Name und einige wenige Charakterzüge unterscheiden den alten vom neuen ‚Helden‘.

Nicht einmal den Ort des Geschehens hat Rankin gewechselt. Wieder spielt sich die Geschichte im schottischen Edinburgh ab. Wir lesen vertraute Namen und finden uns in bekannten Polizeirevieren wieder, in denen nur das Personal gewechselt zu haben scheint. Oder werden wir in den nächsten Fox-Folgen auf bekannte Figuren stoßen? Generell herrscht jedenfalls die Rebus-typische Routine, es werden vertraute Polizei-Witze gerissen und Intrigen gesponnen.

|Die alten = die neuen Schurken|

Auch außerhalb des polizeilichen Umfelds finden wir eine bekannte Welt wieder, in der Politik, Wirtschaft, Gesetz und Verbrechen dicht miteinander verwoben sind. Rankin hat stets tagesaktuelle Ereignisse aufgegriffen und in seine Romane einfließen lassen. Dort dienen sie entweder dem Plot, oder sie stellen Kommentare dar, in denen der Verfasser seine Kritik an bestimmten Missständen mit den Lesern teilen möchte.

Diese Kritik geht meist in dieselbe Richtung: Die Großen bereichern sich, die Kleinen zahlen die Zeche. Durch die Weltwirtschaftskrise des Jahres 2008 hat sich diese Ungerechtigkeit verstärkt. Rankin schildert Spekulanten, die nach dem Zerplatzen der künstlich aufgeblähten Finanzblase panisch versuchen, ihre auf Pump zusammengerafften Vermögen in Sicherheit zu bringen. Dabei lassen sie letzte Reste von Rechtmäßigkeit, Rücksicht und Moral fahren. Der Mord an Vince Faulkner wird zur bitteren Fußnote eines Krisengeschehens, das sich erdrutschartig von ‚oben‘ nach ‚unten‘ fortsetzt: Der ahnungslose, dumme Normalbürger taugt immer noch als Kanonenfutter, das der in Geldnot geratene Spekulant den Wölfen vorwerfen kann, während er schwer mit Schätzen beladen die Flucht in die aktuelle Steueroase fortsetzt.

Auf die Solidarität ebenfalls angeschmierter Leidensgenossen sollte der gewöhnliche Steuerzahler dabei nicht rechnen. Malcolm Fox wird Opfer einer Intrige, aber vielleicht sollte man lieber von einem ganzen Bündel intriganter Vorgänge sprechen, die Rankin im Finale (ein wenig locker aber logisch) zu einem Gesamtkomplott bündelt. Dabei enthüllt er besonders infame Mechanismen des Machterhalts, die u. a. Mobbing und die gegenwärtige Angst des Arbeitnehmers vor dem Jobverlust einschließen: Fox gerät auch deshalb in die Bredouille, weil korrupte Vorgesetzte ehrgeizigen Untergebenen ein paar Brocken hinwerfen: Als Gegenleistung für die Versetzung eines ungeliebten Kollegen wird deshalb ein schuldfreier Polizist angeschwärzt.

|Einzelgänger mit großer Freundesschar|

In diesem Haifischbecken tummelte sich Malcolm Fox bisher regelkonform. Dass er sich plötzlich vom kleinen Fisch in einen bissigen Flossenbeißer verwandelt und dennoch glaubwürdig bleibt, verdankt Rankin dem Trick, Fox in eine Abteilung zu versetzen, in der Tricks und doppelte Böden zum Arbeitsalltag gehören. Als Mitglied der Dienstaufsicht kennt er die Kniffe verdächtiger Kollegen. Dieses Wissen kann er nutzen, als ihm übel mitgespielt wird.

Die Genese vom Querkopf zum Quertreiber, der sich nicht verheizen lassen will, gelingt auch deshalb so bruchlos, weil Fox als Figur sehr vertraute Züge aufweist. Die Ähnlichkeit zwischen Fox und Rebus wurde schon angesprochen. Womöglich wäre „Deckungsgleiche“ der treffendere Ausdruck. Die Parallelen gehen bis in die Details; sie schließen die Wohnkultur, das komplizierte Verhältnis zu Frauen, das Schimpfen über die ewig verstopften Straßen von Edinburgh oder das Wetter ein.

Wie der bärbeißige Rebus kann auch Malcolm Fox auf ein erstaunliches Netzwerk ihm gewogener Kollegen und Freunde zurückgreifen. Eigentlich steht er nie allein gegen alle. Gerät Fox einmal in eine Sackgasse, erreicht ihn garantiert ein Handy-Anruf, der ihn erneut auf eine alternative Spur bringt. Das Tempo ist gewiss nicht das Problem dieses Romans. Schwieriger fällt es, die Details der monströsen Verschwörung im Hinterkopf zu behalten, während die Handlung zügig weiter voranschreitet.

In die Erleichterung darüber, dass Fox den Einstieg in die neue Rankin-Serie so erleichtert, mischt sich dennoch Ärger: Wieso hat der Autor Rebus abgesägt, um ihn quasi umgehend wiederauferstehen zu lassen? Wie wäre es mit einem |echten| Neustart? Oder sollte man lieber froh sein, dass Rankin nicht auf Biegen und Brechen versucht, das Rad neu zu erfinden? „Ein reines Gewissen“ bietet inhaltlich (oder formal) keine Originalität. Was Rankin beherrscht – es ist bekanntlich eine ganze Menge -, variiert er jedoch so gut, dass einmal mehr ein überdurchschnittliches Lektürevergnügen daraus entspringt.

_Autor_

Ian Rankin wurde 1960 in Cardenden, einer Arbeitersiedlung im Kohlerevier der schottischen Lowlands, geboren. In Edinburgh studierte er ab 1983 Englisch. Schon früh begann er zu schreiben. Nach zahlreichen Kurzgeschichten versuchte er sich an einem Roman, fand aber keinen Verleger. Erst der Bildungsroman „The Flood“ erschien 1986 in einem studentischen Kleinverlag.

Noch im selben Jahr ging Rankin nach London, wo er u. a. als Redakteur für ein Musik-Magazin arbeitete. Nebenher veröffentlicht er den Kolportage-Thriller „Westwind“ (1988) sowie den Spionage-Roman „Watchman“ (1990, dt. „Der diskrete Mr. Flint“). Unter dem Pseudonym „Jack Harvey“ verfasste Rankin in rascher Folge drei Action-Thriller. 1991 griff er eine Figur auf, die er vier Jahre zuvor im Thriller „Knots & Crosses“ (1987; dt. „Verborgene Muster“) zum ersten Mal hatte auftreten lassen: Detective Sergeant (später Inspector) John Rebus. Mit diesem gelang Rankin eine Figur, die im Gedächtnis seiner Leser haftete. Die „Rebus“-Romane ab „Hide & Seek“ (1991; dt. „Das zweite Zeichen“) spiegeln das moderne Leben (in) der schottischen Hauptstadt Edinburgh wider. Rankin spürt den dunklen Seiten nach, die den Steuerzahlern von der traulich versippten Führungsspitze aus Politik, Wirtschaft und Medien gern vorenthalten werden. Daneben lotet Rankin die Abgründe der menschlichen Psyche aus. Nachdem er Rebus 2007 (vorläufig?) in den Ruhestand geschickt hatte, begann Rankin 2009 eine neue Serie um den Polizisten Malcolm Fox.

Ian Rankins Rebus-Romane kamen ab 1990 in Großbritannien, aber auch in den USA stets auf die Bestsellerlisten. Die renommierte „Crime Writers‘ Association of Great Britain“ zeichnete ihn zweimal mit dem „Short Story Dagger“ (1994 und 1996) sowie 1997 mit dem „Macallan Gold Dagger Award“ aus. 2004 wurde Rankin für „Resurrection Man“ (dt. „Die Tore der Finsternis“) mit einem „Edgar Award“, 2007 „The Naming of the Dead“ (dt. „Im Namen der Toten“) als „BCA Crime Thriller of the Year“ ausgezeichnet. Rankin gewann weiter an Popularität, als die britische BBC 2000 mit der Verfilmung der Rebus-Romane begann.

[Ian Rankins Website]http://www.ianrankin.net ist höchst empfehlenswert; über die bloße Auflistung seiner Werke verwöhnt sie u. a. mit einem virtuellen Gang durch das Edinburgh des John Rebus.

|Gebunden: 512 Seiten
Originaltitel: The Complaints (London : Orion 2009)
Übersetzung: Juliane Gräbener-Müller
ISBN-13: 978-3-442-54650-3|
[www.randomhouse.de/manhattan]http://www.randomhouse.de/manhattan

|Als eBook: März 2010 (Goldmann Verlag)
ISBN-13: 978-3-641-03854-0|
[www.randomhouse.de/goldmann]http://www.randomhouse.de/goldmann

|Als Hörbuch: März 2010 (Random House Audio)
6 CDs mit ca. 420 Minuten Spieldauer
Gelesen von Heikko Deutschmann
ISBN-13: 978-3-8371-0292-5|
[www.randomhouse.de/randomhouseaudio]http://www.randomhouse.de/randomhouseaudio

_Ian Rankin bei |Buchwurm.info|:_
[„Verborgene Muster“ (John Rebus 1) 956
[„Das zweite Zeichen“ (John Rebus 2) 1442
[„Wolfsmale“ (John Rebus 3) 1943
[„Ehrensache“ (John Rebus 4) 1894
[„Ein eisiger Tod“ (John Rebus 7) 575
[„Das Souvenir des Mörders“ (John Rebus 8) 1526
[„Die Sünden der Väter“ (John Rebus 9) 2234
[„Puppenspiel“ (John Rebus 12) 2153
[„Die Tore der Finsternis“ (John Rebus 13) 1450
[„Die Kinder des Todes“ (John Rebus 14) 5559
[„So soll er sterben“ (John Rebus 15) 1919
[„Im Namen der Toten“ (John Rebus 16) 4583
[„Ein Rest von Schuld“ (John Rebus 17) 5454
[„Eindeutig Mord. Zwölf Fälle für John Rebus“ 5063
[„So soll er sterben (Hörbuch)“ 2489
[„Der diskrete Mr. Flint“ 3315

Carol O’Connell – Ein Ort zum Sterben [Mallory 1]

Der Mord an ihrem Stiefvater führt eine junge, schwer verhaltensgestörte aber ungemein fähige Polizistin auf einen unerbittlichen Rachefeldzug, der sie außerdem auf die Spur eines uralten Komplotts bringt … – Der erste Band der Mallory-Serie beeindruckt nicht nur durch seinen raffinierten Plot, sondern auch durch die Wucht einer außergewöhnlichen Hauptfigur, die fern bekannter Klischees agiert: ein bemerkenswerter Roman!
Carol O’Connell – Ein Ort zum Sterben [Mallory 1] weiterlesen

Thorn, Ines – Mädchen mit den Teufelsaugen, Das

_Inhalt_

Frankfurt, 1530: Es ist eine kalte, nasse Nacht, in der die kleine Rosamund zur Welt kommt und von Anfang an ein Problem hat. Das kleine Mädchen hat ein braunes und ein blaues Auge, was von vielen ihrer Zeitgenossen als Teufelszeichen verstanden wird. Selbst die Mutter hat ihre Probleme damit, das Mädchen anständig zu behandeln, einzig ihre Amme, eine Zigeunerin, kümmert sich liebevoll um sie und lehrt sie die Kunst des Handlesens.

Rosamund lernt zu spät, dass sie immer und überall aufpassen muss, und durch ihre Unbedachtsamkeit passiert eine Katastrophe. Nachdem sie danach halb versteckt in des Vaters Malerwerkstatt herangewachsen ist, sieht sie in jemandes Handfläche, dass ein Unglück herannaht. Man dankt ihr allerdings nicht ihre Warnung, sondern verdächtigt sie nach Eintritt des angekündigten Ereignisses der Hexerei. Ihr gütiger, aber schwacher Vater sieht in diesem Moment keinen anderen Ausweg, als sie ins Kloster zu geben.

Auch hier ist ihres Bleibens nicht lange; Rosamund kehrt schließlich in die Stadt zurück und kämpft verbissen um ihr Anrecht auf ein normales, glückliches Leben. Es sieht so aus, als könne der junge Matteo Catalani, der über die Alpen aus dem fernen Italien gekommen ist, ihr dabei helfen – doch düstere Schatten bedrohen ihr junges Glück …

_Kritik_

Die Beschreibungen des Malerhandwerks sind recht ausführlich und scheinen gut gelungen, soweit der Laienblick das Ganze beurteilen kann: Es wird erklärt, welche Ingredienzien für welchen Farben benötigt werden und wie man sie herstellt. Bedauerlicherweise endet hier schon alles Positive, was mir an diesem Roman aufgefallen ist.

Rosamund hat sich ohne jede äußere Einwirkung zu einem kritisch denkenden Wesen entwickelt, was eine Spur unglaubwürdig ist, und die Kombination aus böser Mutter und eitler böser Schwester war schon in Aschenputtel schöner dargestellt. Es gibt die übliche Klischeereiterei, was die Kirche anbelangt: Den bösen Abt etwa, der aus reiner Hartherzigkeit handelt, und den sadistischen geilen Priester, der total auf Exorzismus abfährt. Dazu dann noch Aberglaube, Aberglaube, Aberglaube.

Ein kurzer Ausflug Rosamunds in die düsteren Viertel der Stadt ist offenbar nur dazu angetan, dem Leser noch einmal zu verdeutlichen, wie progressiv die junge Frau doch ist, da sie hier die Weiber mit den gelben Hurenzeichen trifft und feststellt, dass die ja doch ganz normale Menschen sind und so. Für spätere Gegebenheiten hat dieser Ausflug keinen Sinn.

Man menge dieser unappetitlichen Kombination noch ein wenig Geheimbündelei bei, und schon hat man alles, was einen unterdurchschnittlichen historischen Roman ausmacht.

_Fazit_

„Das Mädchen mit den Teufelsaugen“ ist leider kein großer Wurf. Die Charaktere sind überzeichnet und unglaubwürdig, der Plot eher platt. Wer etwas anfangen kann mit Sätzen wie „Und sie wusste auch, dass die Handleserehre es verbot zu lügen“, der möge sich guten Gewissens mit diesem Roman beschäftigen, allen anderen kann ich nur anraten, vielleicht doch eher vorbeizugehen und nach dem nächsten Buch zu greifen. Man erspart sich so eine Menge Ärger.

|Gebundene Ausgabe: 384 Seiten
ISBN-13: 978-3805208888|
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