Leseprobe zu »Die Bestie von Florenz«

… Spezis Überlegungen wurden von der Ankunft von Hauptkommissar Sandro Federico unterbrochen, der in Begleitung eines Staatsanwaltes namens Adolfo Izzo und den Leuten von der Spurensicherung erschien. Federico hatte die typisch römische, lockere Art und gab sich stets nonchalant und leicht amüsiert. Izzo hingegen war auf seinem ersten Posten und erschien gespannt wie eine Feder. Er sprang aus dem Streifenwagen und stürzte auf Spezi los. „Was haben Sie hier zu suchen?“, fragte er zornig.

„Ich arbeite.“

„Sie müssen den Tatort auf der Stelle verlassen. Sie können hier nicht herumstehen.“

„Schon gut, schon gut …“ Spezi hatte alles gesehen, was er sehen wollte. Er steckte Stift und Notizbuch ein, stieg in seinen Wagen und fuhr zurück zum Polizeipräsidium. Im Flur vor Cimminos Büro lief er einem Wachtmeister über den Weg, den er gut kannte; sie hatten sich hin und wieder einen Gefallen erwiesen. Der Polizist zog ein Foto aus der Tasche und hielt es ihm hin. „Wollen Sie es haben?“

Das Foto zeigte die beiden Opfer lebendig, Arm in Arm auf einer niedrigen Mauer sitzend.

Soezi nahm es. „Ich bringe es später am Nachmittag wieder zurück, wenn wir es kopiert haben.“

Cimmino nannte Spezi die Namen der beiden Opfer: Carmela De Nuccio, einundzwanzig Jahre alt, hatte für das Modehaus Gucci in Florenz gearbeitet. Der Mann hießt Giovanni Focci, war dreißig Jahre alt und Angestellter des örtlichen Stromversorgers. Die beiden waren verlobt. Ein Polizist, der an seinem freien Tag einen Sonntagsspaziergang in den Hügeln gemacht hatte, hatte die beiden um halb elf gefunden. Das Verbrechen war kurz vor Mitternacht geschehen, und es gab gewissermaßen einen Zeugen dafür: einen Bauern, der auf der anderen Straßenseite wohnte. Er hatte John Lennons „Imagine“ aus einem Auto gehört, das auf den Feldern geparkt war. Der Song war mittendrin plötzlich abgebrochen. Er hatte keine Schüsse gehört. Die Schüsse waren aus einer Pistole abgefeuert worden – die zurückgebliebenen Hülsen gehörten zu Geschossen der Winchester Serie H, Kaliber 22. Cimmino sagte, die beiden Opfer seien sauber und hätten keine Feinde, bis auf den Mann, den Carmela verlassen hatte, als sie Giovanni kennengelernt hatte.

„Es ist beängstigend“, sagte Spezi zu ihm. „Ich habe so etwas hier in der Gegend noch nie gesehen … Und wenn man erst daran denkt, was die Tiere mit ihr gemacht -“

„Welche Tiere?“, unterbrach ihn Cimmino.

„Die Tiere, die in der Nacht an der Leiche waren … die das Mädchen so verstümmelt haben … zwischen den Beinen.“

Cimmino starrte ihn an. „Tiere, von wegen! Der Mörder hat das getan.“

Spezi wurde eiskalt. „Der Mörder? Was hat er getan, auf sie eingestochen?“

Kommissar Cimmino antwortete ihm in besonders nüchternem Tonfall, vielleicht seine Art, das Grauen zurückzudrängen. „Nein, er hat nicht auf sie eingestochen. Er hat ihr die Vulva herausgeschnitten … und sie mitgenommen.“

Spezi verstand nicht sofort. „Er hat ihre Vulva mitgenommen? Wohin?“ Sobald er die Frage ausgesprochen hatte, wurde ihm klar, wie dumm sie sich anhörte.

„Sie ist einfach nicht mehr da. Er hat sie eben mitgenommen.“

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Richard Stark – Das große Gold [Parker 21]

Nach einem ‚Arbeitsunfall‘ fährt Berufsgangster Parker ins Gefängnis ein. Umgehend organisiert er einen Ausbruch, doch als er wieder draußen ist, läuft bei einem Juwelenraub schief, was nur schief gehen kann … – Noch tiefer in der Bredouille steckend als sonst, behält Parker seine moralfreie Nonchalance und geht eiskalt seinen Weg, während Hindernis um Hindernis sich vor ihm auftürmt: spannend, wortkarg, einfach gut. Richard Stark – Das große Gold [Parker 21] weiterlesen

Terry Pratchett – Heiße Hüpfer (inszenierte Lesung)

Seit dem ersten Roman von Terry Pratchetts „Scheibenwelt“ mit dem Titel „Die Farben der Magie“, sind etliche Jahre vergangen. Und noch immer arbeitet der Parodist an seiner skurrilen (ein Wort, das in diesem Text noch mehrfach fallen wird, da es den Charakter am ehesten trifft) Welt, die von vier Elefanten auf dem Rücken einer Schildkröte getragen wird und so ihren Weg durch das Universum nimmt.

Schon der erste Absatz, die Einführung in den vorliegenden Roman, verdeutlicht, dass es eine von Pratchetts Prämissen ist, absurde Streitfragen aufzugreifen und zu parodieren, denn auf seiner Welt ist wahrlich alles möglich. Konkret spricht er von einer das Universum erklärenden Legende, nach der ein alter Mann es in einem Lederbeutel am Gürtel trägt. Kritiker bemängeln dies, da der Beutel also auch den Mann und den Beutel enthalten müsse, da er das Universum enthalte und somit auch den Mann und den Beutel, der ja bereits den Mann und den Beutel enthalte. Als Antwort verkündet Pratchetts Erzählstimme: „Na und?“

Auf diese Weise sammeln sich in seinen Romanen wissenschaftliche Themen wie die Evolution, das Universum, Lichtgeschwindigkeiten und ihre jeweils eigene Masse, um auf unmöglichste Art keine Erklärung zu erfahren. Das macht eigentlich neben den genauso undenkbaren Geschöpfen und Handlungen einen großen Teil des charakteristischen Tonfalls aus, der Pratchetts Romane auszeichnet. Und mit Rufus Beck hat die Vorlesung eine Stimme gewonnen, die der Skurrilität des Romans in höchstem Maße gerecht wird.

In „Heiße Hüpfer“ findet man nicht einen einzigen als Person bezeichenbaren Charakter, der in irgend einer Weise normal wäre. Der schon im ersten Roman eingeführte „Zaubberer“ Rincewind mit seiner Truhe „Truhe“ oder auch „Truhi“, die auf unzähligen Füßen läuft, nimmt hier die eine Handlungsebene ein, während eine Gruppe richtiger Zauberer von der Unsichtbaren Universität auf der Suche nach Rincewind die andere Ebene beschlagnahmen. Sie wollen ihrem einem krankhaften Magiefeld ausgesetzten Bibliothekar helfen, können dies aber ohne Rincewinds Hilfe nicht tun. Da sie Rincewind allerdings an einen unbekannten Ort verbannt haben, können sie ihn auch nicht so ohne Weiteres finden. So erleben beide Seiten ihre Abenteuer und fügen dabei dem unerklärlichen Charakter der Scheibenwelt neue Facetten hinzu, bis sie sich schließlich treffen und in einem schöpferischen Akt alles zum Guten wenden.

Dabei ist die Hintergrundhandlung der Geschichte so verzwickt, dass es das Hörbuch schwer hat, die ganzen Zusammenhänge verständlich darzustellen. Hier hat der geschriebene Text den Vorteil, dass man bei Nichtverständnis die betreffende Stelle mehrmals lesen kann, bzw. auch zurückblättern kann. Im Hörbuch einen Knotenpunkt wieder ausfindig zu machen ist ungleich schwerer, auch kann man hier die Stelle nicht einfach kurz überfliegen. So bleiben beim ersten Hören einige Punkte ungeklärt. Sie schmälern den Hörgenuss aber wenig, denn sie dienen mehr als Mittel zum Zweck, das heißt, sie schaffen Voraussetzungen für die Handlung, auch das Überleben des nicht gerade fähigen Rincewinds, bis schließlich für die Möglichkeit des Zusammenführens beider Stränge.

Mehrmals kommen auch höhere Mächte ins Spiel, so stranden zum Beispiel die Zauberer auf einer Insel in jahrtausendealter Vergangenheit und stören einen zurückgezogenen Gott bei der Erfindung der Evolution, während Rincewind von einer unsichtbaren Macht überwacht und als Held der Geschichte gelenkt/beeinflusst wird.

Wenn sich Hörbücher dadurch auszeichnen, dass der Leser den betreffenden Text vorliest und dabei zur Untermalung von Stimmungen, verschiedenen Sprechern oder Spannungen nur die Modulationsfähigkeit seiner eigenen Stimme verwendet, trifft dies auch auf eine inszenierte Lesung zu, mit einem Unterschied: technische Klangeffekte erzeugen den passenden Hintergrund, zum Beispiel wird im vorliegenden Band Rincewind in einen Kampf verwickelt, bei dem man im Hintergrund Menschen schreien hört, Waffen klappern, Gaukler dudeln … Auch wird jede Handlungsebene mit einer passenden Erkennungsmelodie eingeführt, so dass die oft plötzlichen Sprünge auch beim Hören erkennbar bleiben. Für das Hörerleben sind diese zusätzlich eingefügten Klangspiele manchmal hilfreich, manchmal vertiefen sie die Bilder vor dem geistigen Auge, außerdem sind gerade auch die Melodien so gut erstellt, dass man sich an typische Heldenklänge aus dem Fernsehen erinnert fühlt. Das passt hervorragend zu Pratchetts parodistischem Stil, indem es die Schippe noch vergrößert.

Insgesamt scheint die auf drei CDs gekürzte Fassung etwas der erklärenden Zusammenhänge zu verlieren, doch für die Geschichte selbst reicht dieser Umfang und bietet ein interessantes Hörerlebnis bei ständiger undenkbarer, verrückter Ausuferung von parodierten gesellschaftlichen Themen, Tabuthemen, Theorien, … Pratchetts Genie findet kein Ende.

3 Audio CDs, 235 Minuten
Gelesen von Rufus Beck
Originaltitel: The Last Continent
ISBN-13: 978-3837100396

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 4,00 von 5)

Algernon Blackwood – Die gefiederte Seele. Gespenstergeschichten

Blackwood Seele Cover kleinInhalt:

Mit zehn Kurzgeschichten und einer Novelle zielt der Autor nicht auf den Bauch-Grusel, sondern dringt – manchmal allzu behutsam aber eindrucksvoll und unsentimental – in die Schattenbereiche der menschlichen Seele vor:

Das dreifache Band (The Threefold Cord, 1931), S. 7-20: Die schöne aber unheimliche Frau hat bereits den Großvater und den Vater in den Tod getrieben, und nun macht sie sich an den Sohn heran.

Das Land des grünen Ingwer (The Land of Green Ginger, 1930), S. 21-29: Ein ebenso faszinierendes wie verstörendes Erlebnis lässt den späteren Schriftsteller seinen Lebensweg finden. Algernon Blackwood – Die gefiederte Seele. Gespenstergeschichten weiterlesen

Karl Schroeder – Planet der Sonnen (Das Buch von Virga 1)

Es gibt verschiedene Arten der Science Fiction, doch oft bietet sie ein Spielbrett für die faszinierendsten Weltenschöpfungen als Weiterentwicklung aus unserer Welt, und dort, in oder auf den fremden Planeten, spielen sich dann die Geschichten ab, die den Schriftstellern am Herzen liegen. Virga, Karl Schroeders „Planet der Sonnen“, ist so eine Welt. Sie bietet durch ihre Einzigartigkeit einen nahezu unbegrenzten Spielraum für Geschichten, denn, was sie von anderen Planeten unterscheidet, sie ist eher eine Sauerstoffsphäre im äußeren Bereich eines fernen Sonnensystems, gigantisch und doch weitgehend leer, schwerelos und mit unzähligen Attributen beschreibbar. In ihrem Zentrum schwebt Candesce, die erste Sonne, ein künstliches Gebilde, um das sich Habitate, drehende Städte, Planetoiden oder Plattformen bewegen und den Menschen als Lebensraum dienen.

Je weiter diese einzelnen bewohnten Bezirke von der ersten Sonne entfernt sind, desto mehr Material befindet sich zwischen ihm und dem Licht, weshalb Licht und Wärme ein kostbarer politischer und wirtschaftlicher Faktor ist. Es gibt weitere, kleinere Sonnen innerhalb Virgas, die kleine Lebenssphären in der Kälte der weiten Sphäre bilden und ihre jeweiligen Nationen mit Licht und Wärme versorgen. Wer keine eigene Sonne hat, ist abhängig von größeren Nationen, die ihrerseits diese Abhängigkeit erhalten wollen und daher oft den Bau eigener Sonnen sabotieren, verbieten, verhindern.

Hayden Griffin ist ein junger Bewohner der Nation Aerie, die von einer eigenen Sonne träumt und keine Mühen und Gefahren scheut, dieses Ziel zu erreichen. Aerie ist von der Nation Slipstream abhängig, doch da sich Slipstream auf einem frei fallenden Planetoiden durch die Sphäre Virgas bewegt, wird sie und ihre Sonne den Bereich von Aeries Habitaten in absehbarer Zeit verlassen und der Dunkelheit und Kälte überantworten. Trotzdem will Slipstream sich die Vorherrschaft erhalten und zerstört auf brutale und blutige Weise die neue Sonne und Teile Aeries. Griffin überlebt das Massaker und schwört dem befehlshabenden Admiral Rache.

Jahre später wird Slipstream selbst von mehreren Seiten bedroht. Besagter Admiral Fanning zieht mit einer kleinen Flotte von Schiffen aus, heimlich eine ultimative Waffe zu schaffen. Der Schlüssel dazu ist erstens die erste Sonne Candesce, zweitens eine Außenweltlerin, die überlegene Technik repräsentiert und die es aus unbekannten Gründen nach Virga verschlagen hat.

Hayden Griffin, auf der Suche nach der richtigen Chance, seine Rache zu vollenden, wird als persönlicher Pilot von Venera Fanning, des Admirals Frau, angeheuert und begleitet die abenteuerliche Expedition. Doch lange wartet er vergeblich auf eine Gelegenheit zum Mord, erfährt durch seine Nähe zu Fannings Frau ganz neue Informationen über den Ablauf des damaligen Massakers, erfährt die Gefahren und die Geheimnisse Virgas, verliebt sich in die Außenweltlerin und erhält auch noch die einmalige Chance, Aerie zu einer neuen Sonne zu verhelfen … Ihn quälen viele Fragen: Ist Fanning schuldig? Kann die Schuld überhaupt zugeordnet werden? Was verbirgt Virga noch für Geheimnisse? Was hält die NI, die Natürliche Intelligenz, die außerhalb Virgas alles beherrscht, vom Eindringen in die Sphäre ab, und was verbirgt die Außenweltlerin Aubri Mahallan für ein dunkles Geheimnis?

Fragen über Fragen, auf deren viele der Roman eine Antwort liefert. Geheimnisvoll und faszinierend bleibt sowohl Virga als auch der Rest des von Menschen und der NI besetzten Universums, hier kratzt Karl Schroeder nur an der Oberfläche, wirft ein paar heftige Brocken hin und entwirft mit diesem Roman gleich zwei so gegensätzliche Zukunftsvisionen, dass man unbedingt nach neuen Romanen aus diesem Material verlangt, um mehr darüber zu erfahren.

Viele Charaktere erhalten ihre Chance in diesem Roman, doch nur wenige wichtige erhalten mehr als ein paar porträtierende Striche. Hayden Griffin, die Fannings, ein grau gekleideter Agent, der so hintergründig ist, dass ich ihn mit „Herr Schmidt“ anreden würde, da ich seinen Namen immer vergesse, die Außenweltlerin Aubri Mahallan … Das sind Protagonisten mit Ecken und Kanten, wohl keiner von ihnen hat eine weiße Weste, manchen drückt ein Gewissen, andere scheinen auf zwei unterschiedlichen Seiten zu stehen. Schroeder macht zwar Griffin zu seiner Hauptfigur und zum Sympathieträger, aber gerade auch die merkwürdige Vielschichtigkeit von Venera Fanning macht sie zu einem interessanten Charakter. Da sie das Ende des Buches auch erlebt, kann man sicherlich damit rechnen, nochmal von ihr zu lesen.

Das Geheimnis Aubri Mahallans ist so komplex und gefährlich für die Sphäre, dass Schroeder sich bei seiner Offenbarung auf Eckpunkte beschränken musste. Trotzdem eröffnet er damit einen verstörenden Eindruck der Welt und des Lebens außerhalb Virgas, so dass man froh sein kann, ein Bewohner dieser Welt zu sein und von der anderen Seite weitgehend in Ruhe gelassen zu werden – so schwer das Leben auch sein kann.

Virga ist eine Welt, die von skurrilen Gegensätzen nur so strotzt. Schroeder streut schrittweise Informationen ein und entwirft so ein detailiertes Bild dieser Sphäre, in der die Schwerkraft nur durch Fliehkraft simuliert wird, Sturm ein Ausdruck der Eigengeschwindigkeit ist, Kugeln, die ihr Ziel verfehlen, jahrelang im freien Fall durch die Welt sausen und irgendwo eine verheerende Wirkung erzielen können … Es ist eine Welt voller Rätsel, und es verspricht eine spannende Reise zu werden, auf die uns der Autor hoffentlich in künftigen Romanen mitnimmt.

Taschenbuch: 448 Seiten
Originaltitel:
Book One of Virga: Sun of Suns
Aus dem Englischen von Irene Holicki
ISBN-13: 978-3453526266

Der Autor vergibt: (5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)

Willibald Spatz – Alpendöner (Birne-Krimi 1)

Kempten zwischen Jugendrabatz und Liebesfrust

Birne, Anfang 30, hat in Kempten gerade seinen neuen Job als Redakteur bei einem Verlag für Wanderführer angetreten, als seine Nachbarin, die alte Frau Zulauf, blutüberströmt aufgefunden wird. Mord inmitten beschaulicher Alpenidylle – so hatte Birne sich seinen Neuanfang im Allgäu nun wirklich nicht vorgestellt!

Ein türkischer Imbissbudenbesitzer, ein Motiv, ein Kebabmesser – die Polizei hat den mutmaßlichen Mörder der Frau schnell dingfest gemacht. Doch dann stolpert Birne in die Ermittlungen …

Der Autor
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Victor Gunn – Das Wirtshaus von Dartmoor

Gunn Wirtshaus Cover 1988 kleinDer Mord an einem alten Einsiedler und die Suche nach seinem verschwundenen Vermögen führt zwei Polizeibeamte in ein Wirtshaus mitten im Moor, das zwar einsam gelegen aber von Verdächtigen dicht bevölkert ist … – Auch der 25. Fall des Duos Cromwell & Lister ist englisches Krimi-Handwerk der wenig originellen aber soliden Art und garantiert ein angenehm altmodisches Lese-Vergnügen.
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Barcley, James – letzte Schlacht, Die (Die Kinder von Estorea 4)

_Reihentitel:_

Die Kinder von Estoria 1: [Das verlorene Reich 5328
Die Kinder von Estoria 2: [Der magische Bann 5706
Die Kinder von Estoria 3: [Die dunkle Armee 5849
Die Kinder von Estoria 4: Die letzte Schlacht

_Story:_

Die Konkordanz steht vor dem Ende ihrer Existenz: Gorian Westfallen, der abtrünnige Aufgestiegene, hat nicht nur die Tsardonier unterjocht und zu seinen Heeressklaven gemacht, sondern auch die Toten zu seinen Gefangenen, und marschiert nun mit großen Schritten ins Herz der Advokatur. Dort herrscht immer noch ein erbitterter Machtkampf zwischen Kanzlerin Felice Koroyan und Advokatin Herine del Aglios, welche immer noch den Aufstieg verteidigt, obschon das gesamte Volk Estoreas inzwischen ebenfalls die Meinung vertritt, dass den vermeintlichen jugendlichen Magiern die Todesstrafe drohen sollte.

Entsprechend naiv nimmt die einfache Bevölkerung daher auch an, dass die Gerüchte von einer Armee der Toten lediglich abschreckende Maßnahmen sind, um den Aufstieg zu verteidigen und die Protagonisten zu schützen. Felice nutzt die aktuelle Stimmung und richtet ein Blutbad in ihren eigenen Gemächern an – welches ihr schließlich selber zum Verhängnis wird. Noch während das Gerangel im Palast tobt, entbricht auf den Feldern Estoreas ein furchtbarer Krieg gegen Gorians vereinte Armeen, der für die Konkordanz zum Scheitern verurteilt zu sein scheint. Selbst Mirron, Arducius und Ossacer finden keinen Weg, ihren bösartigen Bruder anzugreifen und ihm die Kraft zu rauben, die er unter anderem auch von seinem entführten Sohn Kessian empfängt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Westfallen endlich die Advokatur stürmen und das restliche Volk versklaven kann – und nicht einmal tapfere Kriegesherren wie Roberto del Aglios und Paul Jhered können mit ihren begrenzten menschlichen Fähigkeiten noch irgendetwas ausrichten, das Gorrian stoppen könnte. Erst recht nicht, nachdem ihnen bewusst wird, dass ein ganzes Volk gegen sie steht!

_Persönlicher Eindruck:_

Es ist das letzte Kapitel in einer ziemlich düsteren, letzten Endes aber auch ziemlich vorhersehbaren Fantasy-Story und ambivalenterweise genau das, was man erwarten durfte, und was man nicht erwarten wollte. Mit dem letzten Band seiner zweiten großen Serie „Die Kinder von Estorea“ zieht James Barclay einen (inhaltlich) relativ abrupten Schlussstrich unter seine neue Saga, glänzt dabei mit gewohnten und mehrfach bewährten Qualitäten, nimmt sich aber leider auch nicht mehr die Zeit, gerade dieses intensivste Kapitel in der gesamten Serie noch genauer auszuschmücken und das Potenzial einer epischen Erzählung auch nur annähernd auszuschöpfen. Der britische Bestseller-Autor hat im Vergleich zu den beiden „Raben“-Serien nicht mehr die Geduld aufgebracht, das Ende hinauszuzögern und die Handlung mit weiteren geschickten Wendungen auf einem kontinuierlichen Spannungshoch zu bewahren. Stattdessen wirkt heuer alles gedrungener, mitunter auch hektischer, schließlich aber auch – und das ist wirklich bedauerlich – vergleichsweise spannungsarm, weil sich der Autor einfach viel zu früh in die Karten schauen lässt. Grundsätzlich ist nämlich klar, was aus dem Aufstieg wird, was mit Gorian geschieht, dass einige wichtige Schachfiguren im anhaltenden politischen Ränkespiel geopfert werden müssen und dass die Schlachten, analog zum Titel, noch brutaler werden. Wo sind also die Überraschungsmomente, mit denen Barclay sein Publikum bis dato ganz locker bei der Stange halten konnte?

Nun, leider Gottes sind die Prioritäten in „Die letzte Schlacht“ etwas unvorteilhaft verteilt. Die Chancen zum Beispiel, den Komplex um den Aufstieg noch einmal intensiver in Augenschein zu nehmen und noch etwas mehr herauszuschlagen, als eine relativ simple und actionlastige Fantasy-Story, nimmt sich der Autor bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Im Gegensatz dazu verschwendet er ausladend viel Zeit damit, die taktischen Formationen im Kampf zu erläutern und das politische System der Konkordanz (einmal mehr) in den Vordergrund zu stellen, vergisst dabei aber so manches Mal, dass das Finale einer der interessantesten Zyklen bevorsteht und damit auch noch einige Erwartungen verknüpft sind, die über die schlichte Berichterstattung mit einigen kleinen Spannungsbögen hinausgeht. Ganz grob betrachtet, leistet der Brite hier aber nicht mehr als das Nötigste und enttäuscht zumindest diejenigen unter seinen Lesern, die ihn für seinen Tiefgang und einer damit verbundenen, kontrastreichen Heroik schätzen und ihm mit diesen Attributen auch durch Estorea gefolgt sind.

Natürlich, und das sollte auch sofort klar sein, wäre es vermessen, Barclay zum Schluss seines jüngsten Vierteilers noch Versagen zu bescheinigen, geschweige denn generell enttäuscht zu haben. Aber betrachtet man die Hingabe, mit welcher er den „Raben“ bearbeitet hat, und die ihn dazu geführt hat, eine schier limitierte Story noch auf so viele Ebenen zu führen, muss man bei „Die Kinder von Estorea“ und eben speziell in diesem letzten Kapitel Einbußen hinnehmen, die im Hinblick auf das gehörige Potenzial der Geschichte absolut nicht notwendig gewesen sind. Warum wurde diese fast schon fanatische Liebe zum Detail schlussendlich dem kompakten Abwasch untergeordnet? Warum bleiben die schleppend aufgebauten, mühsam zu Sympathieträgern avancierten Charaktere plötzlich so farblos? Warum führt Barclay nicht mehr auf falsche Fährten, wo der Plot gerade in der zweiten Hälfte nach einigen Radikalschnitten verlangt? Fragen bleiben viele, Antworten wiederum kann das Buch nur bedingt geben. Sicher, es ist ein sehr düsterer, mitunter auch grausamer Abschluss, bei dem Barclay hin und wieder schon noch volles Risiko geht. Aber zwischen dem was ist und sein könnte, besteht eine derart große Diskrepanz in diesem letzten Band, dass man voller Unverständnis konstatieren muss, „Die Kinder von Estorea“ wären besser bedient gewesen, hätte man das Ganze auf einen oder gar zwei zusätzliche Romane ausgedehnt. Dann wäre wenigstens der riesige Komplex nicht so rapide aufgelöst worden, und dann hätten die vielen Feinheiten ihren erforderten Raum bekommen, die hier nur noch ziemlich oberflächlich behandelt werden.

Noch mal: Fans werden mit dem Verlauf der Story zufrieden sein – nicht aber mit der vernichtend strikten Vorgehensweise, mit welcher der Autor seinen Plot zu Grabe trägt. Die Gänsehaut des „Raben“-Finals bleibt daher leider erspart!

|Taschenbuch: 463 Seiten
Originaltitel: A Shout for the Dead 2
ISBN-13: 978-3-453-52538-2|
[www.heyne.de]http://www.randomhouse.de/heyne/

_James Barclay bei |Buchwurm.info|:_

[Zauberbann (Die Chroniken des Raben 1) 892
[Drachenschwur (Die Chroniken des Raben 2) 909
[Schattenpfad (Die Chroniken des Raben 3) 1386
[Himmelsriss (Die Chroniken des Raben 4) 1815
[Nachtkind (Die Chroniken des Raben 5) 1982
[Elfenmagier (Die Chroniken des Raben 6) 2262
[Schicksalswege (Die Legenden des Raben 1) 2598
[Elfenjagd (Die Legenden des Raben 2) 3233
[Schattenherz (Die Legenden des Raben 3) 3520
[Zauberkrieg (Die Legenden des Raben 4) 3952
[Drachenlord (Die Legenden des Raben 5) 3953
[Heldensturz (Die Legenden des Raben 6) 4916

Nimmo, Jenny – Charlie Bone und der scharlachrote Ritter (Die Kinder des roten Königs 8)

Band 1: [Charlie Bone und das Geheimnis der sprechenden Bilder]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1992
Band 2: [Charlie Bone und die magische Zeitkugel]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2448
Band 3: [Charlie Bone und das Geheimnis der blauen Schlange]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3308
Band 4: [Charlie Bone und das Schloß der tausend Spiegel]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3308
Band 5: [Charlie Bone und der rote König]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3468
Band 6: [Charlie Bone und das magische Schwert]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4685
Band 7: [Charlie Bone und der Schattenlord]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5670

Diesmal stecken Charlie und seine Freunde wirklich in ernsten Schwierigkeiten! Schlimm genug, dass der Stadtrat, nachdem er im letzten Band bereits die Schließung des Cafés |Zum glücklichen Haustier| verfügt hat, jetzt das Ehepaar Onimous komplett auf die Straße setzt und dass Tancred, der eigentlich nach seinem Duell mit Dagbert von den Bloors für tot gehalten wird, beinahe auffliegt, als er allein auf der Straße unterwegs ist. Aber dabei bleibt es nicht. Das Gelichter in der Piminy Street scheint sich plötzlich sprunghaft zu vermehren, im Bloor taucht nicht nur ein Magier mit einem verzauberten Schwert auf, sondern auch Dagberts Vater, und dann gerät auch noch Olivia ins Visier der Bloors und Darkwoods! Charlies Eltern sind immer noch auf See, in höchster Gefahr ertränkt zu werden, und Billy Raven befindet sich noch immer in dem Gemälde von Schloss Badlock!

Diesmal sieht es so aus, als wären es der Rettungsaktionen ein paar zu viele!

_Neuzugänge in der_ Charakterzeichnung sind diesmal nicht zu verzeichnen. Zumindest lässt sich Ashkelan Kapaldi kaum als vollwertiger Charakter bezeichnen, zu knapp ist er skizziert und zu kurz ist sein Gastspiel.

Auch was die Charakterentwicklung angeht, tut sich nicht mehr viel, allein Dagbert scheint im Zusammenhang mit der Konfrontation zwischen ihm und seinem Vater, die ihm durch den Familienfluch auferlegt wurde, noch eine gewisse Wandlung durchzumachen.

Dafür hat Jenny Nimmo diesmal auch auf Charaktere zurück gegriffen, die die Handlung längst verlassen hatten oder nur noch ganz am Rande vor kamen, darunter Alice Angel, die Schmiedin Mrs. Kettle und Tante Venetias Stiefsohn Eric.
Mit anderen Worten: sie hat fast das gesamte Arsenal aufgeboten.

Auch die Handlung bringt noch einmal eine geballte Masse an Möglichkeiten auf den Tisch, die die Autorin bisher nicht ausgeschöpft hat, sodass sich diesmal kaum sagen lässt, welches eigentlich der Hauptstrang ist. Tatsächlich ist die Gewichtung der einzelnen Aspekte ziemlich ausgeglichen. Für die Schwierigkeiten, in die Olivia gerät, hat die Autorin auf ein bereits bekanntes Detail zurück gegriffen, was aber nichts schadet, da es angesichts von Olivias Charakter einfach passend gewählt und damit schlüssig ist. Neu dagegen ist der Wasserglobus, eine interessante Idee, die mir besonders gut gefallen hat. Fast fand ich es schade, dass er nur so relativ kurz eine Rolle spielt, wenn auch eine recht spektakuläre.

Aber so ging es nicht nur diesem Punkt. Durch die große Menge an Einzelheiten ist einfach kein Platz für eine genauere Ausarbeitung. Am deutlichsten wird das spürbar in der Figur des Ashkelan Kapaldi, der so gut wie kein eigenes Profil aufweist, da er nicht auf eine Vorgeschichte aus anderen Bänden zurückgreifen kann und als erstes wieder verschwindet.

Dennoch empfand ich diese unvermeidliche Folge nicht als Manko. Denn durch die schiere Menge an Schwierigkeiten und Ärger, den die Bloors mit ihren neuesten Plänen auslösen, ist einfach immer irgendetwas los. Und obwohl Jenny Nimmo – um es grob auszudrücken – die einzelnen Bauklötze Stein für Stein erst auf- und dann wieder abbaut, lassen sich die einzelnen Bestandteile doch nicht so einfach voneinander trennen, wie es in diesem Vergleich womöglich klingt. Der Wasserglobus spielt nicht nur im Zusammenhang mit Charlies Eltern eine Rolle, sondern auch in der Auseinandersetzung zwischen Dagbert und seinem Vater und Olivias Schwierigkeiten mit den Darkwoods haben ihre Ursache in einer Aktion, deren Auslöser eigentlich das Testament war, hinter dem alle her sind.

Entscheidend ist die Wirkung, die der Bausteinvergleich beschreibt: Der Leser hat das Gefühl, dass sich Klotz für Klotz eine Schwierigkeit nach der anderen vor Charlie und seinen Freunden auftürmt, bis die Mauer fast unüberwindbar erscheint, was gehörig die Spannung hochtreibt. Auch sorgt die bröckchenweise Bewältigung für Übersichtlichkeit – immerhin ist die Zielgruppe noch immer unter den jüngsten Lesern zu suchen – und verhindert gleichzeitig, dass die Spannung zu schnell wieder abflaut. Tatsächlich kann die Autorin den Bogen bis zum endgültigen Showdown gestrafft halten, bei dem es dann nochmal so richtig wild wird und der mit einer kurzen Überraschung am Ende aufwartet. Ich weiß nicht mehr, ab wann ich das Ende ahnte, aber es war ziemlich spät!

Um es kurz zu machen: Jenny Nimmo ist zum Abschluss ihres Zyklus‘ noch einmal richtig zur Hochform aufgelaufen. Denn trotz der vielen Einzelteile, aus denen die Handlung dieses letzten Bandes zusammengesetzt ist, kommt das Buch wie aus einem Guss daher, keine Geholper, kein Stocken. Auch hat die Autorin sich nicht damit begnügt, nur auf alte Bekannte und bereits bewährte Ideen zurück zu greifen, was durchaus kein Fehler war, sondern sie hat sich auch diesmal die Mühe gemacht, sich wieder etwas Neues und Interessantes auszudenken, haben doch gerade diese Ideen – wie der Wasserglobus, die Zeitkugel oder Amorets Spiegel – einen Großteil des Zaubers ihrer Bücher ausgemacht. Beides zusammen zeigt noch einmal die Vielfalt des Zyklus‘ in Ideen und Figuren. Die Frage, warum Dagberts Launen nach der Auseinandersetzung mit seinem Vater auf einmal nicht mehr dem Mondzyklus unterworfen sein sollten, ist da ebenso rasch vergessen wie die Tatsache, dass nirgendwo so recht klar wird, wozu genau eigentlich Ashkelan Kapaldi aus seinem Gemälde geholt wurde.

_Insgesamt fand ich_ |Die Kinder des roten Königs| bunt, ideenreich, turbulent und lesenswert. Ein Beweis dafür, dass Geschichten weder Mord und Totschlag noch eklige Monster benötigen, um spannend und unterhaltsam zu sein.

_Jenny Nimmo_ arbeitete unter anderem als Schauspielerin, Lehrerin und im Kinderprogramm der |BBC|. Geschichten erzählte sie schon als Kind, Bücher schreibt sie seit Mitte der Siebziger. Unter anderem stammt der Zyklus |Snow Spider| aus ihrer Feder, sowie „Im Garten der Gespenster“, „Der Ring der Rinaldi“ und „Das Gewächshaus des Schreckens“. Der Zyklus |Die Kinder des roten Königs| hat sie auch in Deutschland bekannt gemacht.

|Gebundene Ausgabe: 352 Seiten
ISBN-13: 978-3473347841
Vom Hersteller empfohlenes Alter: ab 10 Jahre
Originaltitel: |Charlie Bone and the Red Knight|
Deutsch von Christa Broermann|
http://www.jennynimmo.me.uk
http://www.ravensburger.de

(H. P. Lovecraft)/August Derleth – Die dunkle Brüderschaft. Unheimliche Geschichten

In 10 neoklassischen Kurzgeschichten beschwört der Verfasser wortreich und stimmungsvoll ein Grauen herauf, das in einer verdrängten und unbekannten Weltgeschichte wurzelt. Die Storys ähneln sich inhaltlich und neigen dort zur Detailfreude, wo Andeutungen effektvoller wären, sind aber in ihrer altmodischen Ernsthaftigkeit trotzdem unterhaltsam.

Inhalt:

Der Nachkomme (The Survivor, 1954), S. 7-30: Nicht nur mit der Geduld des Krokodils ausgestattet, trotzt Dr. Charrieres seit Jahrhunderten dem Tod.

Das Erbe der Peabodys (The Peabody Heritage, 1957), S. 31-55: Als Mr. Peabody pietätvoll das Gerippe seines Urgroßvaters im Sarg umdreht, wird uralter Hexenzauber neu belebt.

Das Giebelfenster (The Gable Window, 1957), S. 56-74: Der Blick in fremde Welten fasziniert, bis deren unfreundliche Bewohner auf den heimlichen Beobachter aufmerksam werden.

Der Vorfahr (The Ancestor, 1957), S. 75-90: Der Geist triumphiert über die Materie, aber reizt man diese dabei zu stark, schlägt sie irgendwann grausam zurück.

Der Schatten aus dem All (The Shadow Out of Space, 1957), S. 91-112: Durch Raum und Zeit reist der entsetzte Erdenmann, als er sich unfreiwillig für einen uralten kosmischen Krieg rekrutiert sieht.

Das vernagelte Zimmer (The Shuttered Room, 1959), S. 113-150: Was der Großvater gefangen hielt aber nicht vernichten konnte, wird vom ahnungslosen Enkel freigesetzt.

Die Lampe des Alhazred (The Lamp of Alhazred, 1957), S. 151-161: Ihr Licht enthüllt Wunder und Schrecken, und einem Träumer weist sie den Weg in eine bessere Welt.

Der Schatten in der Dachkammer (The Shadow in the Attic, 1964), S. 162-183: Was der böse Onkel dem Neffen als Erbe hinterließ, besucht ihn des Nachts in seinem Schlafzimmer.

Die dunkle Brüderschaft (The Dark Brotherhood, 1966), S. 184-211: Sie sehen aus wie Edgar Allan Poe – und sie planen eine Invasion der besonders umständlichen Art.

Das Grauen vom mittleren Brückenbogen (The Horror from the Middle Span, 1967), S. 212-233: Eine Flutwelle setzt frei, was bisher sorgfältig in seinem Mausoleum gefangen lag.

– Originaltitel & Copyright-Vermerke: S. 234

Unterhaltsam auf den Spuren des Meisters

Der deutsche Phantastik-Fan kennt August Derleth – falls ihm der Name überhaupt etwas sagt – höchstens als literarischen Nachlassverwalter des Grusel-Großmeisters H. P. Lovecraft (1890-1937). Derleth ist es zu verdanken, dass dieser schon lange jenen verdienten Ruhm erntet, der ihm zeitlebens verwehrt blieb. Doch Derleth war selbst ein fleißiger Autor. Seine Horrorgeschichten bilden einen vergleichsweise geringen Anteil an einem eindrucksvollen Gesamtwerk.

Weil Derleth sich hier jedoch stark an Lovecraft anlehnte und dessen Cthulhu-Zyklus durch eigene Beiträge vermehrte, wurde er primär durch seine Pastichés bekannt. Falsch aber folgerichtig erscheint die hier vorgestellte Sammlung unheimlicher Geschichten unter Erstnennung von Lovecrafts Namen. Sie entstammen jedoch allein der Feder Derleths, dessen Namen allerdings die Kundschaft längst nicht so lockt wie das Zauberwort „Lovecraft“.

Doch die in „Die dunkle Brüderschaft“ gesammelten Storys stellen mustergültig heraus, was die Phantastik Lovecraft verdankt, weil Derleth es zwar sehr gut kopieren aber nur ausnahmsweise nachschöpfen konnte. Vor allem Leser, die Lovecrafts Werk nicht kennen, sondern einfach für handfesten Grusel schwärmen, werden diese Einschränkung getrost ignorieren und ignorieren dürfen, denn eines sind Derleths Geschichten (bis auf eine Ausnahme: s. u.) garantiert: unterhaltsam!

Neugier bringt nicht nur die Katze um

Man sollte sie nach und nach lesen, denn auf diese Weise wird weniger offenbar, dass diese Storys recht einfallsarm einem bestimmten Muster folgen: Ein durchschnittlicher Zeitgenosse gerät durch Erbschaft, beruflich oder Zufall ahnungslos dorthin, wo düstere Mächte – oft in Gestalt zauberisch aktiver Vorfahren – kraftvoll ihr Unwesen trieben. Er (nie sie!) findet Spuren, die sein Interesse wecken und entsprechende Nachforschungen in Gang setzen. Das Resultat ist stets fatal: Längst vergangene Schrecken erweisen sich als höchst lebendig. Der unglückliche Forscher gerät in ihren Bann. Hat er Glück, kostet ihn die Erkenntnis, dass diese Welt keineswegs so funktioniert, wie es die ‚offizielle‘ Wissenschaft behauptet. ‚nur‘ seine geistige Gesundheit. Meist kommt es übler, wobei der Tod nicht einmal das schlimmste Schicksal darstellt.

Lovecraft postulierte eine von Derleth übernommene und ausgebaute (Universal-) Geschichte, die von der Existenz intelligenten Lebens weit vor der Entstehung des Menschen ausging. Kosmische Entitäten treiben ein Spiel, das der beschränkte menschliche Geist nur in Ansätzen begreifen kann: „Der Mensch ist schließlich nur eine kurzlebige Erscheinung auf dem Antlitz eines einzigen Planeten in einer der ungeheuren Welten, die das ganze All ausfüllen“ (aus: „Die dunkle Brüderschaft“, S. 108). Dieses rudimentäre Wissen wird immer wieder zur Quelle eines Entsetzens, das nicht nur auf offensive Attacken aus dem Jenseits, sondern auch auf ein Zuviel an Wissen zurückgeht, das der einzelne Mensch, der sich plötzlich buchstäblich mit einem ganzen Universum fremder und feindseliger Kreaturen konfrontiert sieht, nicht meistern kann.

Mit Jenseits ist hier übrigens nicht die Heimat der Toten gemeint. Derleth übernimmt Lovecrafts Prämisse eines Kosmos‘, dessen Raum und Zeit nicht stabil gefügt, sondern im Fluss sind. Die dem Menschen vertraute Realität bildet nur eine von unzähligen möglichen Welten, die zu allem Überfluss durch Dimensionsportale miteinander verbunden sein können. Obwohl diese Geschichten von Angst und Entsetzen erzählen, gründen sie nicht nur im Horror, sondern auch oder vor allem in der Science Fiction. Der Schrecken entsteht durch die absolute Fremdheit der kosmischen Wesen, deren Handeln womöglich nicht einmal böse im menschlichen Sinne, sondern primär unverständlich ist.

Schrecken aus zweiter Hand?

„Die dunkle Brüderschaft“ sammelt Geschichten, in denen August Derleth den Cthulhu-Mythos kommentierte und ergänzte. Er beschwört den Geist des Vorbilds und lässt ihn sogar mehrfach selbst auftreten (so als „Ward Phillips“ in „Die Lampe des Alhazred“ und als „Arthur Phillips“ in „Die dunkle Brüderschaft“). Derleth geht dabei Lovecrafts Imaginationskraft meist ab; er kopiert seinen Meister, den er freilich gut kennt. Der erfahrene Leser kann die Schnittstellen, d. h. die imitierten Vorlagen, leicht namhaft machen. „Der Schatten aus dem All“ ist beispielsweise eine Variation des Lovecraft-Kurzromans „Berge des Wahnsinns“.

Die älteren Geschichten lesen sich notabene besser als die Storys des ‚späten‘, schon nicht mehr gesunden und ausgelaugten Derleth. So ist die Titelstory „Die dunkle Brüderschaft“ ein missglücktes Werk, das zunächst stimmungsvoll an Lovecrafts Liebe zu den historischen Stätten Neuenglands erinnert, un plötzlich in eine Überfall-aus-dem-All-Plotte abzurutschen; Derleth kreiert dabei Invasoren, die es an Planungsdämlichkeit problemlos mit dem Bug-Eyed-Monster-Pärchen Kang & Kodos aus der TV-Serie „Die Simpsons“ aufnehmen. Auch was der finstere Onkel Uriah in „Der Schatten in der Dachkammer“ eigentlich plante, bleibt unklar; das abrupte Ende der Story legt nahe, dass der Verfasser es selbst nicht wusste.

Wagt es Derleth, sich wenigstens teilweise vom übermächtigen Lovecraft zu emanzipieren, gelingt ihm eigenständig Spannendes und Unheimliches. Mit „Das vernagelte Zimmer“ stellt er eine richtig gute Gruselgeschichte vor – ideenreich, effektvoll, sorgfältig getimt. Diesen August Derleth liest man gern; er weckt die Neugier auf Storys, die nicht dem Cthulhu-Mythos angehören. Diese fanden ihren Weg leider nur ausnahmsweise nach Deutschland, wo sie zudem über unzählige, längst vergessene Sammelbände verstreut und in der Regel nicht annähernd so nah am Original und so lesenswert übersetzt wurden wie die die Geschichten in „Die dunkle Brüderschaft“.

Autor

August William Derleth wurde am 24. Februar 1909 in Sauk City (US-Staat Wisconsin) geboren. Schon als Schüler begann er Genre-Geschichten zu verfassen; ein erster Verkauf gelang bereits 1925. Die zeitgenössischen „Pulp“-Magazine zahlten zwar schlecht, aber sie waren regelmäßige Abnehmer. 1926 nahm Derleth ein Studium der Englischen Literatur an der „University of Wisconsin“ auf. Nach dem Abschluss (1930) arbeitete in den nächsten Jahren u. a. im Schuldienst und als Lektor. 1941 wurde er Herausgeber einer Zeitung in Madison, Wisconsin. Diese Stelle hatte Derleth 19 Jahre inne, bevor er 1960 als Herausgeber ein poetisch ausgerichtetes (und wenig einträgliches) Journal übernahm.

Obwohl August Derleth ein ungemein fleißiger Autor war, basiert sein eigentlicher Nachruhm auf der Gründung von „Arkham House“ (1939), des ersten US-Verlags, der speziell phantastische Literatur in Buchform veröffentlichte. Der junge Derleth war in den 1930er Jahren ein enger Freund des Schriftstellers H. P. Lovecraft (1890-1937). Dass dieser heute als Großmeister des Genres gilt, verdankt er auch bzw. vor allem Derleth, der (zusammen mit Donald Wandrei, 1908-1987) das Werk des zu seinen Lebzeiten fast unbekannten Lovecraft sammelte und druckte.

Lovecraft hinterließ eine Reihe unvollständiger Manuskripte und Fragmente. Derleth nahm sich ihrer an, komplettierte sie in „postumer Zusammenarbeit“ und baute den „Cthulhu“-Kosmos der „alten Götter“ eigenständig aus. Die Literaturkritik steht diesem Kollaborationen heute skeptisch gegenüber. Als Autor konnte Derleth seinem Vorbild Lovecraft ohnehin nie das Wasser reichen. Er schrieb für Geld und erlegte sich ein gewaltiges Arbeitspensum auf, unter dem die Qualität zwangsläufig litt.

Solo war Derleth mit einer langen Serie mehr oder weniger geistvoller Kriminalgeschichten um den Privatdetektiv Solar Pons erfolgreich, der deutlich als Sherlock-Holmes-Parodie angelegt war. Insgesamt veröffentlichte Derleth etwa 100 Romane und Sachbücher sowie unzählige Kurzgeschichten, Essays, Kolumnen u. a. Texte; hinzu kommen über 3000 Gedichte.

Nach längerer Krankheit erlag August Derleth am 4. Juli 1971 im Alter von 62 Jahren einem Herzanfall. Zum zweiten Mal verheiratet, lebte er inzwischen wieder in Sauk City, wo er auf dem St. Aloysius-Friedhof bestattet wurde.

Taschenbuch: 234 Seiten
Originaltitel: The Watchers Out of Time (Sauk City : Arkham House 1974)
Übersetzung: Franz Rottensteiner
http://www.suhrkamp.de

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Briggs, Patricia – Zeit der Jäger (Mercy Thompson 04)

_Mercy-Thompson-Serie:_

Band 1: [Ruf des Mondes]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4490
Band 2: [Bann des Blutes]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5091
Band 3: Spur der Nacht
Band 4: _Zeit der Jäger_

Patricia Briggs‘ Urban-Fantasy-Reihe um die junge Automechanikerin Mercedes Thompson – die trotz ihres Namens am liebsten VWs repariert – ist mittlerweile so erfolgreich, dass es sie auch als Comicadaption gibt. Wer Mercy trotzdem lieber in Romanform genießen möchte, sollte zum vierten Band der Erfolgsserie, „Zeit der Jäger“, greifen.

_Nachdem Mercy im_ Vorgängerband den Vampir Andre getötet hat, ist sie in großer Gefahr. Marsilia, die Herrin der Vampire in der Stadt, hat es auf sie abgesehen. Marsilia möchte die Walkerin, die sich in einen Koyoten verwandeln kann, lieber tot als lebendig sehen. Das führt wiederum dazu, dass das Werwolfrudel in Mercys Nachbarschaft – und vor allem dessen gutaussehender Alphawerwolf Adam – sich dazu berufen fühlt, sie zu beschützen. Als ihre alte Collegefreundin Amber aus dem benachbarten Spokane sie bittet, sie zu besuchen, weil sie glaubt, einen Geist in ihrem Haus zu haben, nimmt Mercy dankbar an.

Sie hofft, dass sich die Situation in den Tri-Cities beruhigt, wenn sie sich aus der Schusslinie begibt. Sie hat allerdings nicht damit gerechnet, dass ihr Aufenthalt in Spokane neuen Ärger bedeutet. Sie schafft es nämlich, die Aufmerksamkeit des einzigen Vampirs in der Gegend auf sich zu ziehen und dieser hat auch noch einen besonders brutalen Ruf …

_Den vierten Band_ der Mercy-Thompson-Reihe sollte man nach Möglichkeit nicht vor dem Einschlafen lesen. Erneut erzeugt die Autorin Spannung durch geschicktes Ränkeschmieden, ständige Gefahren und eine Storyline mit einem actionreichen Finale. Manchmal sind es zwar der Intrigen ein paar zu viele, die Geschichte wird undurchsichtig, doch am Ende entwirrt Briggs die einzelnen Fäden einigermaßen. Schade ist dabei jedoch der starke Fokus auf Vampire. Das Werwolfrudel, bei dem Mercy Anschluss gefunden hat, rutscht von Buch zu Buch immer mehr in den Hintergrund. Dabei hat sich die Reihe anfangs vor allem dadurch von Büchern desselben Genres abgesetzt.

Natürlich ist Mercy alleine dadurch, dass sie eine Walkerin und eine ziemlich toughe Frau ist, die sich nicht so einfach von attraktiven Untoten oder Werwesen um den Finger wickeln lässt, etwas Einzigartiges. Im vierten Band der Reihe ist sie mittlerweile so etabliert, dass sie über einzelne Makel in der Handlung hinweg helfen kann. Überhaupt bezieht das Buch viel Spannung durch das gut eingespielte Personenensemble. Die Vampire, Werwölfe und Feenwesen sind gut ausgearbeitet und meistens eine gute Mischung zwischen dem, was aus der Literatur bekannt ist und dem, was sich Briggs selbst ausgedacht hat. Charakteristisch ist, dass alle Figuren etwas verschlagen und intrigant sind. Es gibt kaum eine Person beziehungsweise ein Wesen in dem Buch, zu dem Mercy eine einfache Beziehung hat. Häufig gibt es Machtkämpfe oder stille Feindschaften. Das ist eine der Gründe, wieso es schwer fällt, „Zeit der Jäger“ ohne die vorherigen Romane zu lesen. Die Personenkonstellation entwickelt sich kontinuierlich weiter und das erschwert es, ohne Vorwissen in die Geschichte einzusteigen.

Der Schreibstil ist wie auch in den anderen Büchern ansprechend und leicht lesbar. Briggs bleibt recht nüchtern. Humor, der ein Markenzeichen vieler Urban-Fantasy-Bücher ist, wird hier nur dezent eingesetzt. Dafür legt die Autorin umso mehr Wert darauf, ihre Geschichte mit knappen Worten und ohne ausufernde Schilderungen spannend zu gestalten. Gelegentliche Einschübe, die Ereignisse aus den Vorgängerbänden nacherzählen, helfen dem Fan der Reihe, sich zu erinnern. Das sind aber auch die einzigen Plänkeleien, mit denen Briggs sich aufhält. Ansonsten geht sie schnell und präzise vor und fördert so die Spannung in der Geschichte noch zusätzlich.

_Unter dem Strich_ steht „Zeit der Jäger“ den Vorgängerbänden in punkto Spannung in nichts nach. Die Intrigen werden immer zahlreicher, Mercys Feinde ebenfalls – man darf auf die Folgebände gespannt sein.

|Taschenbuch: 398 Seiten
Originaltitel: Bone Crossed
Deutsch von Vanessa Lamatsch
ISBN-13: 978-3453525801|
http://www.heyne.de
http://www.patriciabriggs.com

_Patricia Briggs bei |buchwurm.info|:_
[Drachenzauber]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3933
[Rabenzauber]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4943
[Schatten des Wolfes (Alpha & Omega 1)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5926

Kinsella, Sophie – Charleston Girl

Seit ihren Romanen rund um die Schnäppchenjägerin Rebecca Bloomwood hat sich Sophie Kinsella in die Herzen der Frauenroman-Fans geschrieben – so auch in meines. Entsprechend gespannt war ich auf ihr neuestes Werk, denn jede Figur, die Kinsella ins Leben ruft, misst man doch unweigerlich an der sympathischen und völlig chaotischen Becky Bloomwood.

In „Charleston Girl“ steht Lara Lington im Mittelpunkt des Geschehens. Sie ist Anfang 30 und stolpert gerade von einem Unglück ins nächste. Erst hat ihr Freund Josh aus unerfindlichen Gründen mit ihr Schluss gemacht und reagiert nun nicht einmal auf ihre immer verzweifelter werdenden SMS und dann ist auch noch ihre Freundin Natalie nach Goa entschwunden, mit der sie kürzlich eine Headhunting-Agentur aufgemacht hat. Nur leider ist Natalie die Expertin auf diesem Gebiet, nicht aber Lara. So klingeln immer mehr erboste Kunden an, die Lara kaum noch besänftigen kann. Schließlich muss Lara zum Begräbnis ihrer Großtante Sadie, die im gesegneten Alter von 105 gestorben ist. Die Beerdigung wird zum Wendepunkt in Laras Leben, erscheint ihr dort doch plötzlich der Geist ihrer verstorbenen Großtante – und zwar nicht im Greisenalter, sondern als putzmuntere und sehr aufsässige 23-Jährige, die Hände ringend eine Perlenkette mit einem Libellenanhänger sucht, die ihr vor Jahrzehnten abhanden gekommen ist.

Zunächst zweifelt Lara an ihrem Verstand – handelt es sich bei Sadies Geist um eine Halluzination? Doch dafür ist die Erscheinung zu lebendig und allzu präsent, denn lautstark fordert Sadie ihr Recht ein und kommandiert Lara fortan herum. Ohne diese spezielle Kette kann Sadie keine Ruhe finden, und so macht sich Lara auf die Suche nach der verschollenen Kette und verhindert dafür zunächst einmal unter einem sehr abstrusen Vorwand Sadies Einäscherung. Und wo Sadie schon einmal in Laras Leben getreten ist, verändert sie dieses gehörig: Sie sagt Lara ihre ehrliche Meinung über Josh und sorgt dafür, dass Lara einen wildfremden Mann – Ed – um ein Date bittet – nur damit Sadie mit ihm zum Tanzen gehen kann. Und da es ja Sadies Verabredung ist, stylt sie Lara ganz nach ihren Wünschen – mit wasserfestem 20er-Jahre Make-up, Brennscheren-gewellten Haaren und einem Flapper-Kleid. Auch die Kommunikation bei dem Date mit dem spießigen Typen mit der dicken Sorgenfalte auf der Stirn übernimmt Sadie und bringt Lara damit manchmal ziemlich in Verlegenheit. Als Sadie dafür sorgt, dass Ed Lara zu einer zweiten Verabredung einlädt, ahnt sie nicht, wie sie damit Laras Leben auf den Kopf stellt …

_Dein ständiger Begleiter_

Zunächst war ich völlig irritiert von Sophie Kinsellas Idee, ihrer Hauptfigur Lara einen Geist an die Seite zu stellen, der permanent dabei ist und sich in jede Unterhaltung lautstark einmischt. Manchmal ging mir Sadie im wahrsten Sinne des Wortes auf den Geist mit ihrer Penetranz, ihrem mangelnden Einfühlungsvermögen und ihren ständigen Einmischungen. Und auch Lara hat sie mit diesem Verhalten häufig auf die Palme gebracht. Irgendwann aber gewinnt man Sadie lieb, wenn sie beginnt, auch an andere zu denken, sich um Lara zu kümmern und ihr Leben in die richtige Bahn zu lenken. Doch die Gratwanderung, die Sophie Kinsella hier unternimmt, ist aus meiner Sicht nicht immer gelungen. Bis man an den Punkt kommt, an dem man Sadie ins Herz schließt, hat man vor Ärger bereits einige graue Haare bekommen.

Lara Lington trägt die gleichen Züge wie die meisten Heldinnen in Frauenromanen: Sie ist Anfang 30, unglücklich verliebt, unzufrieden mit ihrem Job und ziemlich naiv, wenn es darum geht zu akzeptieren, dass der Ex einen vielleicht doch nicht zurück haben möchte und es auch nichts bringt, ihm nach der Trennung alle fünf Minuten eine verzweifelte SMS zu schicken, bis der Ex gezwungen ist, sich eine neue Handynummer zu besorgen. Diese Phase macht auch Lara durch, glücklicherweise aber übertreibt es Kinsella nicht. Diese nervigen und naiven Charakterzüge, die einer über 30-jährigen Frau im übrigen nicht sonderlich gut anstehen, treten relativ selten in den Vordergrund. Daher dauert es nicht lange, bis Lara beim Leser (bzw. bei der Leserin) Sympathiepunkte sammelt, denn sie muss dank Sadie zunächst einiges ertragen und auch im Job läuft es alles andere als rund, da ihre Partnerin Natalie sie unverhofft im Stich gelassen hat und Lara keine geeigneten Marketing-Direktoren auftreiben kann.

Im Laufe des Buches emanzipiert Lara sich sichtbar: Sie schickt Josh endgültig in die Wüste, kümmert sich herzensgut um Sadie und hängt ihren Job an den Nagel, obwohl sie all ihre Ersparnisse in die Firma gesteckt hat. Diese Wendung kommt zwar nicht völlig überraschend, passt aber wunderbar zu der Geschichte, die Sophie Kinsella erzählt.

_Erfrischend anders_

Auch wenn Lara Lington sich kaum von anderen Figuren in der Frauenliteratur unterscheidet, so schafft es doch die Geschichte, sich vom Durchschnitt deutlich abzuheben. Natürlich geht es auch hier um Männer, Liebe und Karriere, aber gewürzt hat Sophie Kinsella diese alltägliche Geschichte mit dem Geist Sadie, der für allerlei Trubel in Laras Leben sorgt und auch die ganze Handlung belebt. So befremdlich ich es zunächst fand, hier einen Geist präsentiert zu bekommen, so erfrischend anders fand ich diese Wendung im Laufe der Zeit. Zudem sorgt Sadie für allerlei komische, merkwürdige und abstruse Situationen, die mir immer wieder ein breites Grinsen ins Gesicht gezaubert haben. Allein die Vorstellung, dass Lara zu ihrem Date in voller 20er-Jahre-Montur erscheint und sich dafür in Grund und Boden schämen muss, war schon ziemlich komisch. Aber auch die vermeintlichen Selbstgespräche, die Lara mit Sadie führt, machen die Geschichte lebendig, da natürlich in Laras Umfeld niemand ahnen kann, dass sie mit einem Geist kommuniziert.

_Unter dem Strich_ gefiel mir „Charleston Girl“ mit kleinen Abstrichen sehr gut. Als ich mich an Sadie und ihre Eigenarten gewöhnt hatte und Sadie vor allem nicht mehr ganz so egoistisch in alle Gespräche und Verabredungen hinein geplatzt ist, wurde das Buch zu einer echten Wohlfühllektüre, die mich wunderbar unterhalten und mir immer wieder ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hat. Es bleibt dabei: Sophie Kinsella ist in ihrem Genre eine sichere Bank!

|Gebundene Ausgabe: 496 Seiten
ISBN-13: 978-3442546473
Originaltitel: |Twenties Girl|
Deutsch von Jörn Ingwersen|

Rickman, Phil – fünfte Kirche, Die

_Inhalt:_

Merrily Watkins ist einigermaßen beruhigt, als nach den schockierenden Ereignissen um den letzten Bischof nun ein neuer ernannt worden ist: Bernie Dunmore ist über sechzig und ziemlich phlegmatisch. Er ist auch nicht sehr für Veränderungen, und so behält Merrily ihren Posten als Beraterin für Spirituelle Grenzfragen bei. Kurz gesagt, als Exorzistin.

Die Wogen waren schon hochgegangen, als eine Frau diesen Posten erhielt – und dann noch eine, die verhältnismäßig jung und hübsch ist. Langsam aber kristallisieren sich deutlich abgegrenzte Meinungen dazu heraus. Die des Wicca-Glaubens, also der Hexen, lautet dahingehend, dass Merrily anachronistischer Soldat eines Irrglaubens ist. Die Gegenseite aber, der charismatische Glauben, sieht sie als verweichlicht, übertolerant und vom Wege abgewichen. Diese Personen sind es, mit denen Merrily zu ihrem Entsetzen in einer Fernsehshow auftreten muss. Und während sie sich noch nach beiden Seiten hin verteidigt, wirft ihr jemand im Zorn einen Informationsbrocken vor die Füße, mit dem sie nicht gerechnet hatte. Es geht um ein altes Kirchengebäude, das längst aufgegeben worden ist und sich in Privatbesitz befindet.

Und nun muss Merrily sich mit einem wachsenden Hexenzirkel mit undurchsichtigem Oberhaupt auseinandersetzen und mit einem flammenden Prediger, der die Wicca-Anhänger vertreiben möchte. Das Ganze findet statt in einem gruseligen kleinen Dorf im Grenzgebiet zwischen England und Wales, in dem die Menschen offenbar immer nach eigenen Regeln gelebt haben. Zu dieser explosiven Mischung kommt dann auch noch ein Umstand, der sie in ihrer Eigenschaft als Exorzistin auf den Plan ruft – und dann verschwindet plötzlich eine Frau.

In all diesem gefährlichen Hin und Her verliert Merrily immer mal wieder Jane aus den Augen, ihre sechzehnjährige Tochter, die gerade die erste Liebe erlebt – was sie aber keineswegs davon abhält, quecksilbrig zu entkommen, wenn sie gerade stillhalten soll, um überall dort aufzutauchen, wo sie nicht sein sollte.

_Kritik:_

Es sind unter anderem die Gegensätze, die die Merrily-Watkins-Bücher so reizvoll machen. Merrily selbst als moderne Pfarrerin, die irgendwie in ein uraltes Amt hineingerutscht ist, ist schon an sich voller Kontraste. Ihre Tochter Jane bildet einen weiteren Gegenpunkt, da sie die Kirche für veraltet hält und ihre eigene Spiritualität eher in Naturglauben auszuleben versucht, während sie gleichzeitig ihrer Mutter aufrichtig zugetan ist.

Der fanatische Prediger und der aalglatte Hexer ergeben eine Art Zwei-Komponenten-Sprengstoff, und dass das Böse mal auf dieser, mal auf der anderen Seite des rational Erklärbaren zu suchen ist, hat auch seinen ganz eigenen Reiz. Obwohl das Thema etwas abgehoben ist, wirkt die Umsetzung nicht unglaubwürdig. Rickman schafft es immer wieder, Jenseitiges mit so viel Banalität und Norm zu verquicken, dass es sich nahtlos einfügt und als Teil des Ganzen geschluckt wird. Mit Merrily und Jane Watkins hat er zwei interessante, sympathische und vielschichtige Charaktere erschaffen, die dem Leser schnell am Herzen liegen. Und wenn es auch immer wieder ein paar Seiten dauert, bis man sich in den kleinen Ort an der walisischen Grenze eingefunden hat, so zappelt man danach doch ebenso schnell wieder im rickmanschen Spannungsgewebe.

_Fazit:_

„Die fünfte Kirche“ ist Teil drei der Merrily-Watkins-Reihe, und wer die ersten beiden schon gelesen hat, wird sich über ein Wiedersehen mit den beiden Protagonistinnen freuen. Vor allem ist es schön zu sehen, wie Jane sich entwickelt, der naseweise Spatz.

Rickman schreibt stilistisch sicher und atmosphärisch dicht; er hat eine ganz besondere Gabe, Stimmungen zu beschwören, Bilder vor dem Leserauge entstehen zu lassen, die eindringlich sind und zusammen mit der Handlung des Romans tief wirken. Wer sich bisher das Vergnügen einer Bekanntschaft mit den Watkins-Frauen hat entgehen lassen, dem kann ich nur ans Herz legen, das nachzuholen. Hier hat man Krimi, Mystery-Thriller und Psychogramm direkt neben dem detailreich und liebevoll gezeichneten Bild einer hochmodernen Kleinfamilie: Spannend, gruselig, witzig, traurig und schön. Top!

|Taschenbuch: 560 Seiten
Originaltitel: A Crown of Lights
Aus dem Englischen von Nicole Seifert
ISBN-13: 9783499249075|
[www.rowohlt.de]http://www.rowohlt.de
[www.philrickman.co.uk]http://www.philrickman.co.uk

_Phil Rickman bei |Buchwurm.info|:_
[„Mittwinternacht“ (Merrily Watkins 2) 6067

Frank Cho, Doug Murray – Jungle Girl

Neulich im Umkleideraum eines Fitnessstudios. Ein Fremder steckt mir eine Pressemitteilung zu, die offensichtlich nie ans Licht der Öffentlichkeit gelangen sollte. Bevor ich mir ein Handtuch umschwingen und „Hast du kein Zuhause?“ rufen konnte, war der Fremde auch schon wieder verschwunden. Wer war das? Ein Saboteur? Ein Comic-Leser? Der Hausmeister meiner Mucki-Bude? Fragen über Fragen. Während ich verwirrt mein Handtuch festhalte, beginne ich zu lesen:

|“Betrifft: Frank Chos »Jungle Girl«.

Für Interessierte, zur Kenntnisnahme.

Leidenschaft, Erfolg und Spaß bestimmen die Arbeit von Frank Cho, Doug Murray und Adriano Batista. Nach dieser Philosophie unterstützen sie ihre Leser bei dem Wunsch, besser auszusehen und ein positives Selbstbild zu entwickeln. Das Erfolgsteam ist begeistert von Comics, und das sollen die Leser spüren.

Attraktivität ist das Kernstück ihrer Arbeit. Ihr Motto »Einfach geile Comics lesen.« bringt das kurz und präzise auf den Punkt. Ihre Leser möchten straffe Körper, Explosionen und Dinosaurier sehen. Wie bereits bei »Shanna – The She Devil« steht auch ihr neuester Comic »Jungle Girl« für einen ehrlichen und humorvollen Umgang mit diesen speziellen Wünschen der männlichen Leserschaft.

Frank Cho und sein Team sind erfolgreich, weil ihnen ihre Arbeit Spaß macht. Dieses Gefühl möchten sie an ihre Leser weitergeben. Die Verleger von »Jungle Girl« unterstützen sie dabei. Dynamite Entertainment bietet seinen Fans eine einzigartige Erlebnis- und Lifestyle-Welt. Regelmäßig veranstaltet die Redaktion aus New Jersey spezielle Aktionen, zum Beispiel Variant-Cover, Gewinnspiele oder Wet-T-Shirt-Contests. Und die Leser können immer hautnah dabei sein. Wie bei Jana, der Hauptfigur von »Jungle Girl«, kommt jedes gezeichnete Good-Girl frisch aus dem Design- und Layout-Studio von Dynamite Entertainment. Leseproben gibt es natürlich auch. Außerdem sind alle Cover lackiert und abwaschbar. Kurz: Die Macher von »Jungle Girl« tun alles, damit ihre Fans Freude am Lesen haben.

Frank Cho und sein Team sind Profis in Sachen Comics. Warum? Weil sie sich auf das konzentrieren, was sie am besten können: Geschichten ohne Tiefgang, mit Popos, prallen Brüsten und Dinosauriern. Gemeinsam mit Erotik-Experten, Schönheitschirurgen und Steinzeit-Machos haben sie ein weltweit einzigartiges Lese- und Betreuungskonzept entwickelt. Für ihre Fans heißt das: jederzeit maximale Unterstützung, die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der halbnackten Tatsachen und individuell zugeschnittene Titten-Storys.

»Jungle Girl« ist ein hochwertiges, individuelles Comicprodukt zu einem unschlagbaren Preis. Diese hohe Qualität in den Bereichen Lese- und Masturbationstraining können die Macher den Lesern bieten, weil sie bewusst auf teure Zusatzangebote wie Inhalt, Charaktertiefe und Hintergrund verzichten. »Jungle Girl« zu lesen bedeutet, die Nummer eins des Dschungels zu lesen, gemeinsam mit Hunderttausenden Gleichgesinnter.“|

Verlag: Panini
Autor: Adriano Batista, Doug Murray, Frank Cho
Format: Hardcover
Kategorie: Comics
Marke: Jungle Girl
Seitenzahl: 132
Storys: Jungle Girl 0-5

Frank Herbert – Der Herr des Wüstenplaneten (Hörbuch)

Eine der großartigsten literarischen Schöpfungen unserer Zeit ist Frank Herbert mit seinem Epos um den Planeten Arrakis gelungen, zu dem er selbst nur sechs Romane beisteuerte. Das Konzept, von Herbert als Hintergrund und Basis seiner Geschichte entwickelt, diente in den letzten Jahren einem Autorengespann aus seinem Sohn Brian Herbert und dem „Star Wars“-Schreiber Kevin J. Anderson als Aufhänger für eine beinahe ausufernde Ausschlachtung des Mythos‘ um Dune, wobei sie erst zuletzt die eigentliche unvollendete Saga des Schöpfers zu einem Ende führten.

Lübbe Audio produziert inzwischen die Hörbücher um den ursprünglichen „Dune“-Zyklus, und zwar in einer monumentalen Anstrengung. Allein der erste Roman musste in zwei Teile gehackt werden und umfasst insgesamt ca. 1603 Minuten Spieldauer.

In diesem eigentlich zweiten Teil der Saga ist Paul Muad’dib Imperator und religiöser wie weltlicher Herrscher in einer Person. Seine Schwester Alia führt die Kirche persönlich in allen Belangen ihrer Entwicklung und Verschmelzung mit dem Staatswesen, und es wird deutlich, dass Paul teils nicht richtig über ihre Machenschaften informiert ist, beziehungsweise sich kein echtes Bild von den Folgen ihrer Vergöttlichung gemacht hat. Paul kümmert sich mehr um die weltlichen Belange des Imperiums, sein Regierungsinstrument sind aber fanatische religiöse Fremen.

Noch immer tobt der Djihad der Fremen durch die Galaxis, obwohl Paul weder seine Entstehung noch sein weiteres Fortdauern gutheißt. Er ist durch seine Visionen gequält und folgt einem visionären Weg, der der Menschheit das Überleben sichern soll.

Inzwischen formiert sich ein Widerstand unter geistigem Schutz eines Navigators der Gilde, der durch seine eigenen seherischen Fähigkeiten einen schützenden Bereich um die ihn betreffenden Gedanken und Personen legt, so dass Pauls Visionen darauf keinen Zugriff haben. Beteiligt sind Gruppierungen der Bene Gesserit, die ihr Genprojekt wieder unter Gewalt bekommen wollen, die Gilde, der Pauls Gewürzmonopol gegen den Strich geht sowie die Wesen von Tleilax, deren Interessen verborgen bleiben.

Plan ist, ein Kind Pauls und Irulans auf den Thron zu bringen, sowie Paul und seine Schwester zu töten. Doch gegen die Intrigen Irulans und ihrer Hinterleute wird Pauls Frau Chani endlich schwanger und gebärt die neuen Thronfolger, während Paul selbst mit einem ernst zu nehmenden Hinterhalt konfrontiert wird …

Die Geschichte des Wüstenplaneten, ihre Idee und der Inhalt schon sind faszinierende Details, doch was sie einzigartig macht, ist das Genie, mit dem Frank Herbert seine Sage erzählt. Mit Blick auf heutige Romane würde man Herberts Bücher fast als langatmig und ruhig dahin plätschernd bezeichnen, doch nur, weil heutige Romane meist von Action, coolen Agenten, Explosionen und schönen Frauen dominiert werden. Herbert belebt seine Figuren und seine Geschichte auf andere Art: Er lässt sie reden und tiefgründige Gedanken wälzen. Die Diskussionen seiner Protagonisten sind niemals trivial oder dienen allein der Unterhaltung, sie zielen immer auf Erkenntnisse und haben einen heute schwer anzutreffenden Tiefgang. Die wenigen Kämpfe, die Herbert in diesem Roman ausfechten lässt, handeln nicht von langen Schlagabtauschen mit verrückten Finten oder großkalibrigen Waffen, sondern sie finden vor allem im Geist der Betroffenen statt. Die ausgeführten Bewegungen erscheinen dagegen wirklich einfach, doch kommt auch hier kein unbefriedigender Eindruck zustande, denn diese Bewegungen sind erst das Ergebnis des geistigen Schlagabtauschs und Ausdruck des Überlegenen. Auch wenn Herbert nicht immer den geistig Überlegenen auch körperlich überleben lässt …

In diesem kürzesten Roman der Reihe wird man erschlagen von den Intrigen, die um die Thronfolge, die wirtschaftliche und religiöse Macht, das Leben und Sterben der Atreides gesponnen werden. Das macht zwar die Spannung und den Charakter des Romans aus, gestaltet ihn aber auch recht zähflüssig, bis die Steine endlich ins Rollen kommen und Pauls Visionen so stark werden, dass er ihnen nicht mehr entkommen kann. Er sieht sein Schicksal voraus, erkennt aber auch, was Änderungen daran mit der menschlichen Zukunft anrichten würden und richtet seine Handlungen bewusst direkt und wortgetreu nach den Visionen, um sie zu manifestieren. Sein eigenes Schicksal erscheint ihm dabei zweitrangig, ja, eigentlich kann man in ihm eine Todessehnsucht feststellen, die allerdings wieder hinter die größeren Nöte und Zusammenhänge gestellt wird.

Eine der faszinierendsten Szenen ist der Moment, in dem Pauls Sohn die Augen aufschlägt und eine einmalige Verbindung seinen blinden Vater durch die neugeborenen Augen seines Sohnes sehen lässt. Herbert produziert hier ein eindringliches Ereignis von solcher Bildhaftigkeit und Ausdrucksstärke, dass einem sprachlos die Kinnlade herabfällt und man nur noch genießen kann.

Die Umsetzung als Hörbuch zeugt von großer Professionalität und ist angenehm und eindringlich zu hören. Simon Jäger als Leser des eigentlichen Romans verfügt über eine enorme Modulationsfähigkeit der Stimme, so dass er der Stimmung und der Unterschiedlichkeit seiner Protagonisten mehr als gerecht wird. Mit ihm als Leser gewinnen die aufwühlenden Gedanken Herberts große Klarheit und es ist ein wohliges Gefühl von Großartigkeit, ihm zuzuhören.

Etwas anders Marianne Rosenberg. Sie trägt die einleitenden Auszüge vor, die Herbert seinen Kapiteln als Auszüge aus Artikeln, Chroniken oder Tagebüchern oder Briefen voranstellt. Im gedruckten Roman heben sich diese Auszüge durch Schrägstellung der Schrift ab, so dass die Wahl eines separaten Lesers hierfür durchaus gerechtfertigt ist. Rosenberg trägt die Artikel jedoch in unglücklicher Betonung vor, so dass man recht angestrengt zuhören muss, um die oft komplexen Sätze richtig zu verstehen.

Insgesamt ist auch dieser zweite Teil ein Hörgenuss, und wenn man erst die schwergängigen Phasen der Intrigenbildung überwunden hat, erlebt man die Geschichte hautnah und eindringlich, was noch verstärkt wird durch die Darstellung Pauls als blinden Seher, durch den der ebenfalls blinde Leser/Zuhörer in gleicher Weise in der Geschichte lebt.

573 Minuten auf 8 CDs
ISBN-13: 978-3-7857-3724-8

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Indriðason (Indridason), Arnaldur – Frevelopfer

_Handlung:_

Als der unscheinbare Telefontechniker Runolfur tot in seiner Wohnung gefunden wird, ist sein gesamtes Umfeld fassungslos. Der Mittdreißiger, der einst aus der Provinz nach Reykjavik übergesiedelt war, genoss einen tadellosen Ruf und wurde von Kunden und Kollegen als freundlich und zuvorkommend beschrieben. Wer hatte also eine Berechtigung, dem Mann in seinem eigenen Haus die Kehle durchzusäbeln?

Kommissarin Elinborg, die in Erlendurs Abwesenheit die Regentschaft über das Morddezernat übernommen hat, greift den Fall auf und ermittelt zunächst in der direkten Umgebung, dann aber auch rasch in Runolfurs Vergangenheit. Was hatte der Mann zu verbergen? Warum war er bis zum Anschlag mit der Modedroge Rohypnol vollgepumpt, der man nachsagt, sie würde bei Vergewaltigungen eingesetzt? Und in welchem Zusammenhang stehen seine Person und die jüngsten Vergewaltigungsfälle in der Innenstadt. Elinborg tappt im Dunkeln und erfährt auch in der verschlossenen Provinz, der Runolfur entstammt, kaum Brauchbares. Doch es sind ausgerechnet die absurdesten Hinweise, die den Fall voranbringen und eine Spur zum Mörder eröffnen. Doch während Elinborg sich vor ihrer Familie vor dem gesteigerten Arbeitseinsatz rechtfertigen muss und die vermeintlich falschen Täter ins Kreuzfeuer geraten, nehmen die Ermittlungen Züge an, die selbst für die härter gesottene Kommissarin schwer zu begreifen sind …

_Persönlicher Eindruck:_

Ein Erlendur-Krimi ohne den eigentlichen Hauptdarsteller? Nahezu undenkbar! Aber auf jeden Fall einen Versuch wert, hat sich Arnaldur Indridason gedacht, und den störrischen Hauptermittler in seinem neuen Island-Krimi abgesehen von ein paar Erinnerungsrufen völlig außen vor gelassen. Und noch mehr: Erlendur ist irgendwo an der Ostküste und ohne jegliches Lebenszeichen verschollen und erweckt selbst in seiner Abwesenheit Mysterien, wie man sie in dieser packenden Form wohl nur vom beliebten Bestseller-Schreiber kennt.

Doch welche Rolle kommt Elinborg nun zu, die bislang eher im Hintergrund agierte, und über die man immer nur in groben Zügen lesen durfte, in welchen Lebensumständen sie sich befindet? Nun, einerseits übernimmt sie selbstredend den Part der polizeilichen Ermittlerin, und das voller Cleverness und Intelligenz, aber auch gefühlvoller und menschlicher als ihr verreister Kollege. Während der offenkundige Misanthrop sich verstärkt isoliert und nichts an sich heranlässt, versucht Elinborg zunehmend, sich in die Motive der möglichen Tätet hineinzudenken, ihr Handeln auch auf der emotionalen Ebene zu begreifen und auch für die Teilgeständnisse der Beteiligten Verständnis aufzubringen. Und gerade das ist eine ganz neue Seite in den Indridason-Krimis, die in „Frevelopfer“ allerdings auch sehr befriedigend ausgeschmückt wird. Elinborg entpuppt sich nämlich als eine prima Hauptdarstellerin, als ein sehr nahbarer Mensch und zuletzt auch als ein sehr großes Fass neuer Ideen, die in diesem Fall auch in den privaten Bereich der Ermittlerin hineinreichen und somit auch neben dem eigentlichen Fall eine Menge Potenzial offenbaren.

Die Ermittlungsarbeiten selber sind mal wieder sehr lebendig geschrieben, wobei sich Indridason in erster Linie wieder auf die dominanten Dialoge verlässt. Der Autor nutzt seine Fähigkeit als Erzähler nur selten und lässt viel lieber seine Akteure sprechen. „Frevelopfer“ mag vielleicht sogar sein dialogreichstes Werk bis dato sein, was einerseits zwar auf Kosten der Action geht, andererseits aber auch insofern gut gelöst ist, dass die Vorstellungskraft ständig geweckt wird. Die grausamen Ereignisse in Runolfurs Wohnung machen hier den Anfang, die Geschichten über Vergewaltigungen und die Beschreibung der Tathergänge schließlich den Schlusspunkt – und immer wieder geht Indridason sehr stark in die Tiefe, ohne dabei den Kern der Handlung aus den Augen zu verlieren – ein perfektes Szenario für einen Kriminalroman, wie sich alsbald herausstellen soll.

An Spannung hapert es dementsprechend auch nicht, obschon der Autor hin und wieder sehr eigenwillige Wege wählt und seine Leserschaft bewusst und spürbar auf die falsche Fährte lockt. Der Fall scheint bereits mehrfach aufgeklärt, was angesichts der geringen Seitenzahl jedoch unrealistisch scheint, so dass gerade die überraschenden Wendungen in „Frevelopfer“ zu großen Teilen durchschaubar sind. Dies wirkt sich aber keinesfalls negativ aus, da man den Faden auch aus diesem Grund nicht verliert und der Zugang zur Story nie abhandenkommt. Ferner ist die Auflösung sehr emotional und rechtfertig jeden unsensiblen Sprung in der Handlung problemlos – und lässt den Leser konstatieren, dass der isländische Starschreiber mal wieder alles richtig gemacht hat: Die Wahl der Akteure, das Szenario, der enorm brisante Realitätsbezug und zuletzt die Geschichte selber. So wie in „Frevelopfer“ kann man sich Arnaldur Indridason nur wünschen!

|Gebundene Ausgabe: 380 Seiten
Originaltitel: Myrká
ISBN-13: 978-3-7857-2393-7|
[www.luebbe.de]http://www.luebbe.de

_Arnaldur Indridason bei |Buchwurm.info|:_
[„Nordermoor“ 402
[„Engelsstimme“ (Hörbuch) 721
[„Todeshauch“ 856
[„Menschensöhne“ (Hörbuch) 1217
[„Tödliche Intrige“ 1468
[„Kältezone“ (Hörbuch) 2258
[„Kältezone“ 2274
[„Todeshauch“ (Hörbuch) 2463
[„Engelsstimme“ 2505
[„Gletschergrab“ (Hörbuch) 3068
[„Frostnacht“ 3989
[„Kältezone“ (Hörspiel) 4128
[„Todesrosen“ 5046
[„Todesrosen“ (Hörbuch) 5107
[„Codex Regius“ 5554
[„Frevelopfer“ 6208

Jutta Langreuter – Käpt’n Sharky 4: Abenteuer in der Felsenhöhle

Reihentitel:

Käpt’n Sharky 1: und das Geheimnis der Schatzinsel
Käpt’n Sharky 2: und das Seeungeheuer
Käpt’n Sharky 3: Gefängnisinsel
Käpt’n Sharky 4: Abenteuer in der Felsenhöhle

Wir sind Piraten und fahren übers Meer
zwischen Nord- und Südpol kreuz und quer,
wir singen „Hoh-johee-johoo“,
denn Piraten singen nunmal so!

Jutta Langreuter – Käpt’n Sharky 4: Abenteuer in der Felsenhöhle weiterlesen

Birkegaard, Mikkel – Bibliothek der Schatten, Die

Bücher sind magisch. Einmal zur Hand genommen, können sie im Kopf des Lesers ganze Welten erstehen lassen. Sie können entführen, verzaubern und gefangen nehmen. Das Medium Buch verdient also selbst die literarische Betrachtung. Das dachte sich auch der dänische Autor Mikkel Birkegaard, der mit seinem Debutroman „Die Bibliothek der Schatten“ 2007 in seinem Heimatland einen Überraschungserfolg landete. Nun ist sein literarischer Thriller auch auf deutsch erschienen: ein Schmöker von 500 Seiten, der zum Eintauchen einlädt. Denn Birkegaards Grundidee ist zunächst durchaus interessant:

_In seinem Universum gibt_ es ganz besondere Menschen, die sogenannten Lettori, die die Fähigkeit haben, Leseerfahrungen zu beeinflussen. Manche dieser Lettori sind Sender – begabte Vorleser, die die Reaktion des Zuhörers auf den Text bewusst steuern können. Andere hingegen sind Empfänger – sie hören jeden gelesenen Text und können dadurch Einfluss auf den Leser nehmen.

Luca Campelli, seines Zeichens Antiquitätenhändler, ist ein solcher Lettore. Gleich zu Beginn des Romans ereilt ihn jedoch der Tod und so wird sein Sohn Jon, ein erfolgreicher Anwalt, in die Geschichte hinein gezogen. Er erfährt, dass sein Vater eine ganze Schar Lettori um sich gesammelt hatte und schließlich stellt sich heraus, dass Jon selbst der bisher fähigste Sender ist. Er kann nicht nur Emotionen im Zuhörer, sondern sogar physische Manifestationen hervor rufen.

Das ruft eine weitere, bisher im geheimen agierende Lettori-Organisation auf den Plan, die aus ihren Talenten praktischen Nutzen ziehen will. Mit den Mitgliedern an der richtigen Stelle (z. B. in der Nähe eines Politikers oder Wirtschaftsbosses) könnten sie das Weltgeschehen nach ihrem Gutdünken dirigieren. Und natürlich möchten sie Jon in die Finger bekommen, denn seine Fähigkeiten wären bei ihren Weltübernahmeplänen äußerst hilfreich!

_Das Positive zuerst_: Der Roman ist bei dem Verlag Page & Turner erschienen und der Name ist hier Programm. Tatsächlich liest sich „Die Bibliothek der Schatten“ durchaus flüssig und man hat selten Gelegenheit, sich zu langweilen. Birkegaard ist ein passabler Erzähler und fähig, den Leser bei der Stange zu halten. Sein erzählerisches Können rangiert allerdings im Mittelfeld, einen Sprühregen an originellen Einfällen darf man nicht erwarten.

Tatsächlich scheut sich Birkegaard nicht, eine ganze Reihe Klischees zu bedienen. Das beginnt mit einer reichlich uninspirierten Liebesgeschichte und endet mit der Tatsache, dass er als Gegenspieler für Jon eine uralte Geheimorganisation aus dem Hut zaubert, die die Weltherrschaft übernehmen will und sich bei ihren Zusammenkünften Umhänge mit Kapuze anzieht. Dass zwischen diesen Polen dann nicht mehr viel Originelles passiert, versteht sich von selbst. Auch nimmt er den logischen Aufbau seiner Thriller-Elemente etwas zu ernst. Er weiß um die wichtige Regel, dass Hilfsmittel, Erkenntnisse oder Figuren nicht einfach aus dem Nichts auftauchen dürfen. Sie müssen bereits an früherer Stelle eingeführt worden sein, damit sie später mit einem Knall wichtig werden dürfen. Birkegaard befolgt diese Regel mit geradezu penibler Akribie, was allerdings dazu führt, dass der Leser diesen Kniff bald durchschaut. Ab diesem Moment, der mit der Erkenntnis einher geht, dass der Roman keinen Überschuss enthält und stattdessen jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werden muss, fällt es leicht, Birkegaards nächste Schritte und die Wendungen der Geschichte vorauszusagen. Eine Tatsache, die naturgemäß das Tempo aus der Erzählung nimmt und Überraschungsmomente eliminiert.

Ein viel größeres Problem ist jedoch die Idee der Lettori selbst. So charmant und zauberhaft sie anfangs auch klingt, ist sie leider nicht tragfähig genug für einen Roman dieser Dimension. Birkegaard nimmt sich selbst den Wind aus den Segeln, indem er versucht, die Wirkkraft der Lettori psychologisch bzw. wissenschaftlich zu erklären. Das wirkt bemüht und keineswegs überzeugend, vor allem, da es einfacher gewesen wäre, die Lettori einfach als fantastisches Element zu akzeptieren und entsprechend auszugestalten. Auch ist Birkegaard leider nicht in der Lage, den Zauber des Lesens in Worte zu fassen bzw. das Eintauchen in einen Text literarisch überzeugend zu gestalten. Trotzdem widmet er sich diesem Element wiederholt und ausführlich, was beim Leser zu Ermüdungserscheinungen führt. Am deutlichsten wird dies während des Showdowns in der Bibliothek von Alexandria, in dem mehrere Lettori aus einem Buch lesen und im Kopf der jeweils anderen Empfindungen entstehen lassen. Das erscheint als Auflösung eines Verschwörungsthrillers unglaublich abstrakt und statisch. Diese Szene – durchaus lang und komplex – führt über weite Stellen nämlich nirgendwohin und Birkegaard verwirrt den Leser nur, indem er ständig zwischen der Realität (einige Männer stehen auf der Bühne und lesen) und der Lettore-Empfindung (Gewitterwolken, Sturm, Blitze – das ganze Repertoire) hin und her springt. Diese beiden Handlungsebenen gelingen Birkegaard kaum, eine Tatsache, die sich im gesamten Roman widerspiegelt. Mehrdeutigkeiten, Anspielungen, literarische Witze oder gar Intertextualität sind seine Sache nicht, jedoch sind dies alles Zutaten, die man in einem Buch über Bücher erwarten würde. Stattdessen ist bei Birkegaard alles wörtlich zu nehmen und wenn er auf andere Werke Bezug nimmt, dann passiert auch das nur deutlich und eindimensional ausgesprochen, nämlich zum Beispiel, wenn jemand die Titel in einem Bücherregal vorliest. So erklärt der Autor dem Leser vollkommen unverschlüsselt, in welcher Tradition er sein Buch gesehen haben will (Stichwort: „Der Club Dumas“ oder „Der Name der Rose“ – beide Titel werden namentlich erwähnt), anstatt dem Leser Hinweise zu bieten und ihm selbst die Deutung zu überlassen. Dergestalt enthält er dem Leser viel Genuss vor, denn er ist im Ganzen zu deutlich und spricht zu viel aus. Denn als Leser eines literarischen Rätsels wie „Die Bibliothek der Schatten“ eines sein will, möchte man gefordert werden und sein eigenes literarisches Wissen mit dem des Autors messen. Birkegaard jedoch ist übervorsichtig und erklärt lieber einen Großteil der Faszination seiner Geschichte weg.

_Und so ist_ „Die Bibliothek der Schatten“ zwar ein unterhaltsames und spannendes, aber eben auch ziemlich eindimensionales Werk geworden. Buchliebhaber sollten das bedenken, wenn sie sich auf die Lektüre einlassen. Wer sich einen angenehmen Abend mit Verschwörungstheorien und Geheimnissen machen will, den wird Birkegaards Erstling nicht enttäuschen. Wer darüber hinaus jedoch auch literarische Happen genießen möchte, dem wird wahrscheinlich beim Lesen der Magen knurren.

|Gebundene Ausgabe: 512 Seiten
ISBN-13: 978-3442203628
Originaltitel: |Libri di Luca|
Deutsch von Günther Frauenlob und Maike Dörries|

Mike Resnick – Wilson Cole 4: Die Rebellen

Die „Wilson Cole“-Romane bringen endlich, muss man sagen, Mike Resnicks Romane in den deutschen Sprachraum. Als einer der beliebtesten und erfolgreichsten amerikanischen Science-Fiction-Schriftsteller wurde er mit Auszeichnungen überhäuft, so dass es erstaunt, wie wenig davon über den großen Teich geschwappt ist. Allein seine Kurzgeschichten erhielten vor allen lebenden wie toten SF-Autoren die meisten Preise.

„Wilson Cole“ ist eine fünfteilige Geschichte um ein Raumschiff, seine Besatzung und ihren Captain, ebenso wie es eine Geschichte ist um Missbrauch von Staatsgewalt, Ethik, blinden militärischen Gehorsam und bedingungslose Freundschaft. „Die Rebellen“ ist der Titel des vierten Teils, der sich nahtlos in die Geschichte fügt.

Was bisher geschah:

Der unbequem gewordene Held der Republik Wilson Cole kommt als zweiter Offizier an Bord der Theodore Roosevelt. Nachdem sein dortiger Captain die sinnlose Vernichtung eines ganzen bevölkerten Planeten befiehlt, übernimmt Cole das Kommando und setzt den Captain in Haft, bis ein offizielles Kriegsgericht sich dem fehlgeleiteten Druck der Öffentlichkeit beugt und Cole verurteilen will. Die Mannschaft der Teddy R befreit ihn und sie flüchten an die Innere Grenze, einen weitgehend gesetzlosen und unabhängigen Bereich der Galaxis.

Hier versuchen sie sich als Piraten, was sich nicht mit ihrer Moral vereinen lässt. Also wird die Teddy R ein Söldnerschiff und erfüllt militärische Aufträge, wobei Cole Wert auf Menschlichkeit legt und dadurch immer neue Schiffe in seine wachsende Flotte eingliedern kann. Das Hauptquartier wird die elf Kilometer große Station Singapur.

Der vierte Roman

Die desertierten Republikaner gewinnen Freunde und Verbündete in ihrem Exil, doch als Coles erster Offizier und bester Freund Four Eyes von einem Schiff der Raumflotte gefangen und von deren Captain zu Tode gefoltert wird, startet er einen Vernichtungsfeldzug gegen die Teile der Flotte, die immer wieder in die Innere Grenze eindringen und sich mit erschreckender Brutalität (wobei sie auch vor Völkermorden nicht zurückschrecken) Rohstoffe, Nahrung und Besatzungen beschaffen. Cole stellt der Republik das Ultimatum, die Innere Grenze als unabhängigen Raum zu achten und von weiteren Übergriffen abzusehen.

Selbst aus der Republik kommen jetzt Sympathisanten und schließen sich Coles Flotte an, denn überall gährt der Unmut über die Republik und ihre Willkür. Schließlich kann die Republik die ständigen Attacken auf ihre Flottenschiffe nicht mehr tolerieren und startet einen Feldzug gegen Station Singapur …

Die wichtigen Charaktere festigen sich immer mehr und erlangen ein Eigenleben, das sie und ihre Handlungen bestimmt. Es gibt auch einige Nebendarsteller und Ausführende von Coles Befehlen (der natürlich nicht alles selbst machen kann), so gibt es Computerspezialisten, Piloten oder Buchhalter. Was er aber wirklich nicht brauchte, waren zwei Seelenklempner. Seine Gefährtin Sharon Blacksmith, zugleich Chef der Bordsicherheit, übernimmt diese Aufgabe immer besser, so dass Four Eyes in dieser Richtung immer weniger zu tun hatte. Er war als Erster Offizier immer dann im Geschehen, wenn Cole schlief oder sich anderswo aufhielt, und so gab es für Resnick wenig Chancen, ihn weiter als Charakter aufzubauen und ihm Tiefe zu schenken. Doch als Opfer der Republik, schwer verstümmelt und gefoltert, gibt er post mortem einen wichtigen Wendepunkt für die Geschichte her, so dass die bisher schon angedeutete Richtung einen klaren Ausgangspunkt erhält. Detailliert und überzeugend schildert Resnick Coles Rachedurst und die daraus entstehende Feinderkenntnis.

Zwar dreht sich im zweiten Teil des Romans alles um die Abwehr der republikanischen Flotte, doch Resnick entwickelt in den Zwischengesprächen seiner Protagonisten eine Stimmung und die Grundlage der neuen Fixierung, die Cole uns am Ende des Romans offenbart.

Das Tempo bleibt weiter hoch, denn obwohl es militärische Science Fiction ist, fokussiert sich Resnick weniger auf die Kämpfe, sondern eher auf die Ideen, die Cole und seine Leute immer wieder zum Sieg führen. Dabei bleibt auch weiterhin Zeit für kleine humoristische Einlagen, die meist zu Lasten des feigen Außerirdischen „David Copperfield“ gehen. Die Geschichte hat keine Auflockerung nötig, sonst könnte man die schrägen Figuren als zwischenzeitliche Auflockerungshelfer bezeichnen, doch Resnick erzählt flüssig und in sympathischer Geradlinigkeit seine Geschichte, die von der ersten Seite des ersten Romans bis jetzt einen sehr hohen Unterhaltungs- und Spaßfaktor bietet, und man lehnt sich nicht sehr weit aus dem Fenster, wenn man für den letzten Roman „Flaggschiff“ ein furioses Finale erwartet.

Broschiert: 352 Seiten
ISBN-13: 978-3404233427
Originaltitel: 
Starship: Rebel

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Wilfling, Josef – Abgründe. Wenn aus Menschen Mörder werden

Josef Wilfling, Jahrgang 1947, ging 2009 nach 42 Jahren des aktiven Polizeidienstes in Pension. Die letzten 22 Jahre arbeitete er für die Münchener Mordkommission, davon die letzten sieben als deren Leiter, klärte die prominenten Mordfälle an Walter Sedlmayr und dem Modezar Moshammer auf und schnappte den Frauenmörder Horst David. Er gilt als erfahrener und sehr erfolgreicher Spezialist bei Vernehmungen von Opfern, Zeugen und Tätern.

Im |Heyne|-Verlag ist nun sein erstes Buch „Abgründe. Wenn Menschen zu Mördern werden“ erschienen.

_Inhalt_

Schon im Vorwort des Autors und ehemaligen Ermittlers wird dem Leser deutlich, wie sehr Josef Wilfling seinen Beruf geliebt hat, denn der bestand für ihn aus mehr als nur einer täglichen Arbeit – es war seine Bestimmung, Menschen zu überführen, die aus den ganz verschiedenen Gründen ihre Hemmungen fallen lassen, die Grenze der Menschlichkeit überspringen und zu berechnenden und/oder kaltblütigen Mördern werden können.

Angelehnt an den „7 Todsünden“ (Hochmut, Habgier, Neid, Zorn, Wollust, Völlerei, Trägheit), berichtet der Kommissar nicht nur über seine Erfolge bei den manchmal strapaziösen und zeitintensiven Ermittlungen, sondern auch über seine persönlichen Fehler und die Opfer. So spannend und manchmal auch abgründig grausam ein Krimi sein kann, so ist es doch das Leben, das immer wieder die spannendsten und naturgemäß leider auch realistischen Tragödien und Dramen wiedergibt.

So obskur und unbegreiflich manches wirken mag, schildert Wilfling ohne Scheu Tathergänge, die Motivation des Täters oder der Täter, die Feinheiten des Zuhörens bei Verhören, bei denen man sich jegliche Moral besser sparen sollte und sich gänzlich an den bestehen Fakten und Indizien orientiert. Der Autor Wilfling entnimmt aus dem Fundus seiner Erfahrungen die Fälle, die ihn mit am meisten geprägt haben und die sich überwiegend intensiv immer und immer wieder in seinem Kopf abspiel(t)en. Schnell entsteht der Eindruck, dass ein Mordermittler immer auch psychisch auf Höchste gefordert wird, dass die Leichen, die traumatisierten Angehörigen, die vielleicht ihr Kind zu betrauern haben, oder die Beweggründe von raffinierten Mördern immer tiefe seelische Spuren hinterlassen. Sich dagegen zu verschließen, funktioniert nicht. Gerade als Ermittler, so beschreibt der Autor es selbst, muss man mit dem „Mörder“ denken, wissen, was in diesem vorgeht, und wie ein Raubtier, das auf die Beute lauert, in Vernehmungen blitzschnell reagieren, wenn sich eine Chance auftut und der Kontrahent Signale sendet, um sich beichtend den Beamten zu offenbaren. Als Ermittler also ist man neben dem eigentlichen Beruf zugleich noch Psychologe, Psychotherapeut und Sozialarbeiter in einer Person.

Josef Wilfling erzählt zwar kühl und nüchtern, trotzdem werden die Leser über seine Erfahrungen und seine Fälle zweifelsohne nachdenken. In seiner Laufbahn hat Wilfling viel gesehen und menschliche Schicksale und Tragödien, aber auch Erfolg und Freude bei der Überführung eines Täters erlebt, und deswegen weiß er, wovon er schreibt.

Sein Stil ist prägnant, klar und deutlich, wenn auch stellenweise wiederholend; zugleich kritisiert er auf den ersten Seiten und im Laufe des Buches die deutsche Gesetzgebung und das Strafmaß. Hier spricht er sich ganz klar für eine Sicherheitsverwahrung aus und bezieht deutlich und überzeugt Stellung zu diesem brisanten Thema. Dass Mord als Gewalttat vom Gesetz bestraft werden muss, davon weicht er natürlich nicht ab, aber zugleich erklärt und hinterfragt er in den Berichten zu seinen Fällen, warum manche Menschen die letzte Barriere durchbrechen und zum Mörder werden. Ist ein Mord entschuldbar oder gar verständlich, wenn das Opfer ein Sadist war, der die Kinder und seine Frau gefoltert, erniedrigt und geschlagen hat? Hier kommt neben dem Verstand auch das Gefühl zum Ausdruck, dem sich auch ein Kriminalbeamter nicht verweigern kann, schließlich ist der Beamte auch ein emotionaler Mensch und nicht nur ein Werkzeug der Gesellschaft und des Staates. Dass sich in diesen Fällen auch der Leser persönlicher Gedanken nicht erwehren kann, ist sicherlich gewollt.

Josef Wilfling beschönigt oder überzeichnet die Grausamkeiten nicht, was ich im höchsten Maße lobenswert finde. Als Kritikpunkt habe ich nur empfunden, dass er nicht so sehr auf die Angehörigen und deren Situation eingegangen ist. Es ist ja zweifelsfrei so, dass bei enem Mord nicht nur ein Opfer auf der Strecke bleibt, sondern oftmals eine ganze Familie den Verlust zu spüren bekommt. Welche Grausamkeit und psychologischen Schäden solch ein brutaler Eingriff in das tägliche Leben mit sich bringt, bleibt leider etwas im Dunklen. Vielleicht ist es aber auch reiner Selbstschutz des Autors, denn die Geister die man dadurch wachruft, werden nicht wieder lebendig, sie quälen nur weiter. Trotzdem hätte ich gerne mehr darüber gelesen, was ein Ermittler fühlt und empfindet, woran er denkt, wie lange das nachwirkt, wie er mit solchen Gewalttaten in seinem persönlichen Umfeld umgeht und auch, welche immense Aufgabe auf den Beamten zukommt, wenn er den nächsten Angehörigen den gewaltsamen Tod eines geliebten Menschen möglichst schonend beibringen muss.

_Fazit_

Alles in allem ist Josef Wilflings Werk „Abgründe“ absolut empfehlenswert. Es hält sich an Fakten, driftet nicht ab in fantasievolle Erzählungen, zeichnet ein realistisches Alltagsbild der Ermittlungsarbeiten und macht sehr deutlich, wie Mörder denken bzw. was deren ausschlaggebendes Motiv sein kann.

Das Thema Mord ist ein komplexer Bereich mit vielen unterschiedlichen Ebenen und Perspektiven des Verstehens, die der ‚Normalbürger‘ in seinen Leben hoffentlich gar nicht erst kennenlernen wird. Wilfling präsentiert seine Erfahrungen aus der Perspektive des Ermittlers, oftmals auch des Täters, allerdings weniger aus Sicht der Angehörigen. So spektakulär ein guter und durchdachter Krimi auch sein kann – die Wahrheit zu analysieren und zu hinterfragen, ist spannender als jeder atemberaubende Thriller im Kino.

Ein Wermutstropfen bei der Lektüre ist das schwache Lektorat. Neben Formulierungsschwächen und Wiederholungen treten immer wieder Flüchtigkeitsfehler wie vertauschte Personennamen zutage. Nichtsdestotrotz ist „Abgründe. Wenn Menschen zu Mördern werden“ als eine Art von authentischem Thriller eine Klasse für sich. Eindrucksvoll spannend, kritisch und hinter die Kulissen blickend – ein fabelhaftes Buch, das auf eine „Mordserfahrung“ zurückgreifen kann.

|Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 320 Seiten
ISBN-13: 978-3-453-16753-7|
http://www.heyne.de