McGuire, Seanan – Winterfluch (October Daye 1)

Vampire, Werwölfe, Dämonen – bislang sind die übersinnlichen Wesen, die die Urban Fantasy bevölkern, vor allem groß und gefährlich. Das ändert sich allmählich. Das kleine Volk drängt sich ins Bücherregal, zuletzt Seanan McGuires Reihe „October Daye“, in deren Mittelpunkt ein Wechselbalg steht.

October Daye, genannt Toby, hat einen Menschen als Vater und eine Elfe als Mutter. Sie ist ein Wechselbalg und ihr Stand in der Welt der Fae ist ungefähr so schmeichelhaft wie diese Bezeichnung. Wechselbälger gelten als niedere Kaste in San Francisco, da ihre magischen Kräfte beschränkt und sie nicht unsterblich sind. Nur einige der Fae lassen sich dazu herab, sie gut zu behandeln. Eine davon ist Evening Winterrose, eine strenge, aber gerechte Fürstin in der adligen Welt der Feen. Eines Tages wird sie kaltblütig ermordet, doch sie hat ihren Tod vorausgeahnt und eine Nachricht auf Tobys Anrufbeantworter hinterlassen. Und einen Fluch, der dafür sorgt, dass Toby sterben wird, sollte es ihr nicht gelingen, Evenings Mörder zu stellen.

Eigentlich hatte sich Toby seit einem Vorfall vor einigen Jahren sowohl von Menschen als auch Fae zurück gezogen. Nun muss sie unfreiwillig wieder unter Leute gehen. Gut ist, dass sie sich auf alte Freunde verlassen kann. Sylvester, ihr Lehnsherr und Herzog des Feenreichs Schattenhügel, bietet ihr sofort jede Hilfe bei der Suche nach Evenings Mörder an. Auch Devin, ebenfalls ein Wechselbalg, mit dem Toby eine unglückliche Beziehung hatte, steht ihr zur Seite. Doch nicht alle sind ihr gewogen. Ein Unbekannter hat es auf sie abgesehen, und er macht keine halben Sachen …

Nach den Erfolgen von Holly Black und Melissa Marr veröffentlicht die Amerikanerin Seanan McGuire ihr Debüt „Winterfluch“. Ähnlich wie Marr bezieht sie sich dabei sehr stark auf Sagen und Legenden über Feen. Die Verwundbarkeit durch Eisen, die Verwendung von Salbe unter den Augen, damit Sterbliche die Wesen sehen können, das Feudalwesen – dies alles ist bekannt. Leider schafft die Autorin es nicht, diesen Elemente ein neues Gesicht zu geben. Die Kulisse wirkt zwar gut recherchiert, doch es möchte kein rechter Zauber entstehen. Es gelingt McGuire nicht, das verzauberte San Francisco so dar zu stellen, dass der Leser darin versinkt wie in einer komplett neuen Welt. Auch die Verknüpfung mit dem Großstadtsetting hätte besser sein können. „Winterfluch“ erweckt den Eindruck, dass es auch in jeder anderen amerikanischen Großstadt hätte spielen können, da das entsprechende Lokalkolorit nicht richtig herauskommt.

Toby Daye hat eigentlich alles, was einen guten Charakter ausmacht: Eine düstere Vergangenheit, ein überhöhtes Misstrauen gegenüber Menschen und Feen und eine clevere, kämpferische Persönlichkeit. Wie viele Protagonisten im Genre ist sie eine Einzelgängerin. Obwohl die Autorin ihre Wesenszüge und Eigenschaften gut darstellt und sie durchaus von anderen Figuren abgrenzt, springt der Funke nicht über. Ähnlich wie bei der Kulisse hat man das Gefühl, dass Toby in gewisser Weise austauschbar ist. Das ist auch bei anderen Charakteren so. Die Personen sind nicht schlecht, aber einfach nicht originell genug, um die Geschichte lebendig werden zu lassen. Das hängt möglicherweise auch damit zusammen, dass McGuires Schreibstil nicht gerade besonders sprühend ist. Sie erzählt aus Tobys Perspektive, allerdings sehr ruhig und beherrscht mit gemäßigtem Humor. Dadurch hält sie den Leser auf Distanz, was nicht gerade geschickt ist.

Die Handlung hingegen kann punkten. Sie besitzt einen guten Spannungsaufbau, der zwar am Anfang etwas flach verläuft, gegen Ende aber ordentlich anzieht. McGuire macht nicht den Fehler, die Geschichte durch Nebenhandlungen ausfransen zu lassen. Sie konzentriert sich auf die Suche nach dem Mörder und deckt parallel dazu wichtige Details aus Tobys früherem Leben auf. Außerdem gestaltet sich das ganze wie ein Spaziergang durch San Franciscos übersinnliche Welt. Schrittweise führt sie neue Arten von Wesen oder Fae ein, dies jedoch so geordnet und ruhig, dass man als Leser nicht den Überblick verliert. Am Ende steht ein Finale, bei dem man das Buch nicht aus der Hand legen kann und das vor allem durch seine überraschenden Wendungen gefällt.

Eine gute Handlung auf der einen, schwache Charaktere und eine austauschbare Welt auf der anderen Seite – „Winterfluch“, der Auftakt der „October Daye“-Reihe, ist nicht unbedingt ein Pageturner. Gerade die Protagonistin, die in einer Serie sehr wichtig ist, schafft es nicht, den Leser an sich zu binden. Das Ende der Handlung besitzt zwar einige wirklich spannende Stellen, doch das entschädigt nicht dafür, dass die Geschichte auf weiten Strecken nicht überzeugen kann.

|Originaltitel: Rosemary and Rue – An October Daye Novel
Aus dem Englischen von Michael Krug
339 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3802582882|
http://www.egmont-lyx.de
[„Website der Autorin“]http://www.seananmcguire.com

Ollestad, Norman – Süchtig nach dem Sturm

Mit „Süchtig nach dem Sturm“ hat Norman Ollestad die Geschichte seiner Kindheit auf Papier gebannt. Da sich Normans Kindheit doch ziemlich eklatant von anderen Kindheitsgeschichten seiner Zeit unterscheiden dürfte, ist daraus ein Buch entstanden, das gleichermaßen spannend wie facettenreich daher kommt.

Norman Ollestad wurde 1967 geboren und wuchs in Topanga Beach, Malibu auf – damals eine schillernd bunte Welt voller Hippies, Musik und Surfer. Das Surfen spielt auch in Normans Kindheit eine groß Rolle, denn sein Vater „Big Norm“ ist ein begnadeter Surfer, immer auf der Jagd nach den größten Wellen und dem perfekten Tuberide. Seinen Sohn „Little Norm“ nimmt er schon von klein auf mit auf die Wellen – anfangs noch auf seinem Rücken, später solo mit dem eigenen Brett.

Während andere Kinder vor dem Fernseher sitzen oder im Hof mit dem Ball spielen, reitet Norman Wellen, die größer sind als er selbst, fährt mit Skiern waghalsige Abfahrtsrennen oder verschneite Tiefschneehänge hinunter und tingelt von Eishockeyspiel zu Eishockeyspiel. Was immer er macht, stets ist sein Vater da, um ihn anzuspornen, seine Angst zu überwinden und alles zu geben und ihm zu helfen, wenn es brenzlig wird. Hat Norman die Angst einmal überwunden, ist das Erlebniss, das dahinter wartet, stets großartig und stets etwas Besonderes, aber dennoch wünscht Norman sich oft genug, sein Vater würde ihn mit seinen speziellen Vater-Sohn-Ausflügen einfach in Ruhe lassen.

Dreh- und Angelpunkt von „Süchtig nach dem Sturm“ ist ein Flugzeugabsturz, der sich im Terminstress zwischen Eishockeyspiel und Skirennen ereignet, als Normans Vater wegen der knappen Zeit eine Cessna gechartert hat. Die Maschine stürzt mitten in einem schwer zugänglichen Bergmassiv ab. Normans Vater und der Pilot sind sofort tot und Norman ist auf sich gestellt.

Als der elfjährige Norman sich schließlich auf den Weg macht, den völlig vereisten und eigentlich viel zu steilen Abstieg in Richtung Tal anzugehen, sind die endlosen Lehrstunden auf Surfbrett und Skiern endlich zu etwas gut. Norman weiß mit seiner Angst umzugehen und spornt sich selbst dazu an, nicht aufzugeben. Sein zäher Überlebenswille wird schließlich honoriert, als Norman nach schier endlosen, einsamen Stunden endlich in Sicherheit ist.

Norman Ollestad erzählt zwei Geschichten parallel. Er springt immer hin und her zwischen den Ereignissen des Flugzeugabsturzes und den Erinnerungen an seine Kindheit, größtenteils vor dem Absturz, aber auch an die Zeit danach. Durch die Sprünge zwischen den unterschiedlichen Handlungsebenen erzeugt Ollestad enorm viel Spannung und „Süchtig nach dem Sturm“ entwickelt schon annähernd Page-Turner-Qualitäten. Was er dazwischen skizziert, ist zum einen das Bild einer ungewöhnlichen und für sich schon spannenden Kindheit und zum anderen die Geschichte einer komplizierten, aber auch stets sehr intensiven und besonderen Vater-Sohn-Beziehung.

Norman empfindet viel Respekt für seinen Vater, bestaunt das Leuchten in dessen Augen beim Eintauchen in tiefen Pulverschnee oder beim Erzählen von großartigen Tuberides. Die Zeit, in der Big Norm seinem Sohn die Welt auf Skiern und Surfbrett zeigt, war noch eine ganz andere als die heutige. Man spürt den Pioniergeist, mit dem vor allem Normans Vater bei der Sache ist. Big Norm muss eine enorm charismatische Persönlichkeit gewesen sein, der Andere mit seiner charmanten Art, seinem Gitarrenspiel und seinen Surfskills um den kleinen Finger wickeln konnte. Für Norman ist all dies gleichzeitig faszinierend und beängstigend. Immer wieder muss er an seine Grenzen gehen – was ihn oft genug verzweifeln lässt, ihm aber ebenso immer wieder großartige Erlebnisse beschert.

Die ganze verzwickte Komplexität dieser Vater-Sohn-Beziehung verdeutlicht Ollestad vor allem anhand einer Reise der Beiden durch Mexiko – eigentlich angetreten, um Normans in Mexiko lebenden Großeltern eine neue Waschmaschine zu bringen. Aber Big Norm wäre nicht Big Norm, wenn das Ganze nicht zu einer ereignisreichen Surfreise entlang der mexikanischen Küste verlaufen würde.

Ollestad erzählt von all diesen Erlebnissen so farbenfroh und facettenreich, dass das Buch sicherlich auch ohne die Dramatik des Flugzeugabsturzes höchst angenehme Lektüre wäre. Das Studium des Creative Writing an der University of California hat da sicherlich sein Übriges getan.

„Süchtig nach dem Sturm“ nimmt den Leser gefangen, lässt ihn mitfiebern und mitträumen von mexikanischen Stränden und feinstem Pulverschnee. Alles in allem hat Norman Ollestad ein höchst lesenswertes Buch abgeliefert, das gleichzeitig Chronik einer ungewöhnlichen Kindheit und die Skizzierung eines ebenso komplizierten wie intensiven Vater-Sohn-Verhältnisses ist. Ein Buch, das nicht nur denen, die sich Surfbrett und Skiern verbunden fühlen, nahe gehen dürfte, sondern eigentlich niemand kalt lassen kann und daher uneingeschränkt empfehlenswert ist.

|Gebundene Ausgabe: 349 Seiten
ISBN-13: 978-3100552150
Originaltitel: Crazy for the Storm
Übersetzt von Brigitte Heinrich|

Richardson, Kat – Underground

_Harper Blaine:_
Band 1:[„Greywalker“ 5500
Band 2: [„Poltergeist“ 5763

Kat Richardson ist mit der Romanreihe um Harper Blaine ein Schuss ins Schwarze gelungen. Schon die beiden Vorgängerbände überzeugten mit dreidimensionalen Charakteren, spannenden Kriminalfällen und einem originellen übernatürlichen Setting. In dem dritten Roman der Serie, „Underground“, behält Richardson diese Eigenschaften bei und entwickelt ihr Universum konsequent weiter – sehr zur Freude des Lesers.

Erst einmal jedoch läuft es in „Underground“ für die Protagonistin Harper Blaine in Liebesdingen nicht wirklich gut. Schon im letzten Band kriselte es zwischen ihr und Will und das hat sich auch jetzt nicht geändert. Harper hasst es, einen wichtigen Teil ihrer Persönlichkeit – nämlich ihre Fähigkeit, im Grau zu wandeln – vor Will geheimhalten zu müssen. Diese Geheimniskrämerei tut ihrer Beziehung gar nicht gut. Doch als den beiden dann zufällig ein Zombie über den Weg läuft und Harper ihn kurzerhand kalt stellt, hilft das auch nicht weiter. Ganz im Gegenteil: Nun weiß Will zwar Bescheid, doch kann er mit diesem Einbruch des Übernatürlichen in sein geordnetes Leben nicht umgehen. Harper und Will trennen sich. Und auch wenn Harper nicht völlig am Boden zerstört ist, so ist sie doch alles andere als guter Laune.

Doch da betraut ihr Kumpel Quinton sie mit einem delikaten Kriminalfall. In einem U-Bahn Schacht hat er die Leiche eines Obdachlosen gefunden – angeknabbert und in Stücke gerrissen. Da Quinton nichts mit der Polizei zu tun haben will und außerdem davon ausgeht, dass diese sich nicht wirklich bemühen wird, den Mord an einem Obdachlosen aufzuklären, bittet er Harper um Hilfe. Zusammen machen sie sich also auf die Suche im Untergrund von Seattle und sprechen mit Obdachlosen, um die Spur des Mörders aufzunehmen, wobei bald klar wird, dass es sich keineswegs um einen Menschen handeln kann. Was nur gut ist, schließlich ist das Übernatürliche Harpers Spezialität!

Kat Richardson lässt sich für ihre Romane immer wieder neue spannende Themenfelder einfallen. So beackerte sie im vorangegangenen Band „Poltergeist“ das Feld von Parapsychologie und Spiritismus in wirklich umfassender – und natürlich unterhaltsamer – Form. In „Underground“ nun erfährt der Leser sehr viel über die Mythen und Legenden der indianischen Volksstämme aus der Gegend um Seattle sowie viel Interessantes zu Seattles illustrer Stadtgeschichte. Wieder ist offensichtlich, dass dem Schreiben des Romans eine umfassende Recherchearbeit vorangegangen ist. Und so ist der Roman vollgepackt mit Fakten, Hinweisen und Beschreibungen, ohne jedoch darüber die fesselnde Handlung aus den Augen zu verlieren. Auf sehr elegante Art gelingt es der Autorin, tausenderlei Fakten in ihren Roman zu schmuggeln, ohne dass sich der Leser belehrt vorkommt. Nie entsteht das Gefühl, Richardson würde Informationen referieren. Stattdessen sind Hintergrundinformationen immer dicht mit der Handlung verwoben und wirken dadurch als integraler Teil des Romans und nicht als pures Füllsel.

Richardsons Handlungsort ist diesmal der Untergrund Seattles – auf der einen Seite das tatsächliche Wegenetz der U-Bahn und auf der anderen Seite die teilweise noch zugänglichen alten Bebauungsschichten der Stadt, die nun hauptsächlich von Obdachlosen genutzt werden, um den Elementen zu entfliehen. Natürlich ist einem solchen Setting eine ganz besondere Faszination zu eigen, schließlich handelt es sich um eine Art Stadt unter der Stadt, die man normalerweise nicht zu Gesicht bekommt. Wie auch in Paris oder Berlin gibt es in Seattle jedoch Touristentouren, bei denen man diese alten, heutzutage unterirdischen, Teile der Stadt besichtigen kann. Richardson versteht es außerordentlich gut, das Surreale und gleichzeitig Faszinierende dieses Untergrunds in ihre Erzählung einfließen zu lassen. Ihre Beschreibungen sind ungemein plastisch und sie schafft es, die verschiedenen Zeitebenen (das heutige oberirdische Seattle sowie alte verschüttete Straßenzeilen) miteinander zu verknüpfen und für den Leser vorstellbar zu machen, selbst wenn er noch nie in Seattle war. Natürlich empfiehlt sich der Roman dadurch auch für jeden interessierten Touristen, der sich nicht nur mit dem Baedeker auf den geplanten Seattle-Urlaub vorbereiten will.

Selbstverständlich konzentriert sich Richardson nicht nur auf ihr Setting. Mindestens ebenso wichtig sind die Charaktere, allen voran Harper und Quinton. Letzterer war ja bisher ein Enigma. Der Leser hat nicht wirklich viel über ihn erfahren – wo kommt er her, arbeitet er, und wenn ja als was? Auf diese Fragen gibt Richardson in „Underground“ erstmals Antworten, wenn auch die Neugierde mancher Leser damit sicher noch nicht befriedigt sein wird. Wie Harper nämlich frühzeitig feststellt, wohnt Quinton – freiwillig – im Untergrund. Er hat sich sozusagen aus der Gesellschaft ausgeklinkt: keine Arbeit, keine Sozialversicherungsnummer, nirgends registriert. Dafür hat er seine Gründe, doch wird ihn seine Vergangenheit bald einholen.Und dann braucht es plötzlich viel Glück, Verstand und einige Zufälle, um die Vergangenheit wieder loszuwerden.

„Underground“ bietet wieder gute und spannende Unterhaltung aus der Feder von Kat Richardson. Was ihre Romane aus der Masse der Urban Fantasy heraushebt, ist einerseits ihre umfassende Recherche und andererseits ihre Fähigkeit, sympathische Charaktere zu schreiben. So kommt auch bei stolzen 500 Seiten niemals Langeweile auf. Als Leser folgt man Harper Blaine mit Vergnügen auf ihrer Wanderung durch den Untergrund von Seattle. Es wird zwar dunkel, kalt und feucht, aber dafür ist die Geschichte spannend – ein echter Pageturner eben.

|Taschenbuch: 480 Seiten
ISBN-13: 978-3453533158
Originaltitel: Underground
Übersetzt von Franziska Heel|

Saintcrow, Lilith – Feuertaufe (Dante Valentine – Dämonenjägerin 3)

Wenn man zu den gefürchtetsten Kopfgeldjägerinnen der Welt gehört, hat man sich eine Pause verdient: Dante Valentine, die Heldin der gleichnamigen Dark-Fantasy-Reihe von Lilith Saintcrow, hat im vorherigen Band ihren Geliebten, den Dämon Tierce Japhrimel, wiedergefunden. In „Feuertaufe“ genießen die beiden deshalb ihren Urlaub in Toscano – jedenfalls bis sich der Teufel erneut in ihr Leben einmischt.

Das tut er nicht zum ersten Mal. Luzifer ist ein Dauergast in Dantes Leben. Dieses Mal verlangt er, dass sie sich für sieben Jahre als seine rechte Hand verpflichtet, nachdem sie ihm seinen ehemaligen Helfer Japhrimel abgejagt hat. Keine leichte Entscheidung, aber mit Japhrimels Verhandlungsgeschick schlagen die beiden einen guten Deal heraus. Das glauben sie jedenfalls. Dantes erster teuflischer Auftrag besteht darin, vier Dämonen, die aus der Hölle geflüchtet sind, zu stellen.

Doch das ist leichter gesagt als getan, denn gleichzeitig scheint jemand hinter der tapferen Nekromantin her zu sein. Immer wieder wird sie von merkwürdigen Wesen verfolgt und überlebt nur knapp einen Anschlag, der eigentlich Japhrimel gegolten hat. Gemeinsam mit Freunden von Japh versuchen sie die Verfolger zu stellen, doch dann ereignet sich etwas, womit selbst Dante nicht gerechnet hat. Ihre Vergangenheit rächt sich in überraschender Weise …

„Dante Valentine – Dämonenjägerin“ mausert sich immer mehr zur Vorzeigeserie. Sie dabei in eine Reihe mit aktuellen Vampirromanen zu stellen ist beinahe schon Blasphemie. Lilith Saintcrow hat für ihre faszinierende Hauptfigur eine ebenso faszinierende wie einzigartige Welt geschaffen. Nichts ähnelt darin unserer Welt. Die Reihe ist in einem düsteren Science-Fiction-Setting angesiedelt. Die Weltordnung ist eine andere, die Städte tragen andere Namen, sind von anderen Wesen bevölkert. Die Autorin schafft eine schöne Balance zwischen Urban Fantasy und Science Fiction. Auf der einen Seite gibt es neue Fortbewegungsmittel wie SlicBoards und Glider, dann aber auch jede Menge paranormale Wesen, die man in ähnlicher Form aus Fantasyliteratur kennt.

Die Geschichte ist, wie die vorhergehenden auch, unglaublich düster. Das liegt nicht nur an der Kulisse. In Dantes Welt sind Mord und Totschlag, Kriminalität, Prostitution, Gewalt und Drogenmissbrauch an der Tagesordnung und die Autorin macht keinen Hehl daraus. Nicht unbedingt etwas für schwache Nerven also. Allerdings ist es nicht so, dass die Seiten blutverklebt sind. Im Gegenteil passt die Menge an Kampfszenen perfekt zu Geschichte und Protagonistin. Die wiederum ist einer der Gründe, wieso die Geschichte so düster ist, denn Dante, die Ich-Erzählerin, ist stets von inneren Zweifeln zerrissen. Nicht nur ihre bewegte Vergangenheit holt sie immer wieder ein, nein, auch ihre Gegenwart. Ihre Beziehung zu Japhrimel ist eine Verbindung zwischen zwei kaputten Charakteren, denen es schwer fällt zu vertrauen und zu lieben. Jede Szene, die von der Ferne romantisch anmutet, enthält auch immer eine Nuance Selbstdestruktion, Misstrauen, Verzweiflung. Die Intensität, mit der die Autorin den Leser mit Dantes pessimistischen, manchmal selbstverletztenden Gedanken torpediert, ist beinahe schon grausam und gleichzeitig ein Markenzeichen der Geschichte. Saintcrow weiß genau, was sie tun muss, um den Leser zu fesseln. Tatsächlich fällt es schwer, dieses Buch aus der Hand zu legen. Zu sehr steckt man in der Geschichte fest, möchte wissen, wie sie ausgeht.

Die Handlung ist dabei nicht mal das überzeugendste Element im Buch. Sie ist solide, manchmal sogar spannend, insgesamt aber nur eine Aneinanderreihung verschiedener Ereignisse. Allerdings ist sie wesentlich strukturierter und leichter zu verstehen als in den Vorgängerbänden. Es sind allerdings die zwischenmenschlichen Beziehungen und Geheimnisse, die den Roman wirklich ausmachen. Dantes Probleme mit Japhrimel, die Zusammenarbeit mit dem zwielichtigen Lucas und Japhrimels Gefährten, die Ränke, die gegen Dante geschmiedet werden – Saintcrow baut gerade bei letzterem erfolgreich auf Wissen aus den Vorgängerbänden auf, weshalb es zu empfehlen ist, diese zuerst zu lesen. Ohne zu viel verraten zu wollen, aber Saintcrow schafft es auch im dritten Band noch, den Leser zu überraschen, indem sie Geheimnisse ihrer undurchsichtigen Hauptperson enthüllt.

Ein großer Pluspunkt der Reihe – und der Autorin – ist der Schreibstil. Sie erzählt aus der Ich-Perspektive, wobei die Gedanken von Dante häufig in Kursivschrift stehen, was ihnen ein gewisses Gewicht verleiht. Ansonsten hält sich die Autorin knapp und wortkarg, verrät aber alles, was man wissen muss. Freude kommt dabei keine auf. Eine gewisse Melancholie durchzieht die Geschichte. Der Humor ist trocken bis sarkastisch und wird eher sparsam eingesetzt. Düstere Metaphern prägen das Bild, gehobene Begriffe und kurze Sätze unterstreichen die Stimmung der Geschichte. Wenn man eine völlig neue Welt erschafft, gehört es dazu, auch neue Begriffe einzuführen. Saintcrow stellt ans Ende ihrer Bücher nicht umsonst ein Glossar, auch wenn dieses zumeist weniger umfassend als nötig ist. Einige Begriffe, wie Datband oder Gleiter, erklären sich von selbst. Andere wiederum muss man als Leser herleiten, was nicht immer problemlos funktioniert.

„Feuertaufe“ ist das bislang beste Buch der Reihe um Dante Valentine. Das liegt zum einen daran, dass die Haupthandlung dieses Mal nicht so komplex ist und die Nebenhandlungen, die durchaus von Bedeutung sind, geordnet nebenher laufen. Spannung kommt vor allem dadurch auf, dass weitere Geheimnisse aus Dantes Vergangenheit enthüllt werden und ihre Beziehung mit Japhrimel immer mehr von romantisch zu selbstzerstörerisch driftet. Gemeinsam mit der düsteren Grundstimmung und der unglaublich gut ausgearbeiteten Hauptfigur ist Saintcrow definitiv eine der besten Adressen für Urban-Fantasy-Geschichten.

|Originaltitel: The Devil’s Right Hand
Aus dem Englischen von Katrin Mrugalla und Richard Betzenbichler
400 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3802581960|
http://www.egmont-lyx.de
[„Website der Autorin“]http://www.lilithsaintcrow.com

_Lilith Saintcrow bei |buchwurm.info|:_
[„Teufelsbraut (Dante Valentine – Dämonenjägerin 1)“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5288
[„Höllenritt (Dante Valentine – Dämonenjägerin 2)“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5957

Schuhmacher, Nicole – Sturmträume

Rika kommt von der Schule nach Hause und findet an Stelle ihres Zuhauses nur rauchende Trümmer vor. Jixur haben die Pferdefarm überfallen, ihren Vater und seine Knechte getötet und sämtliche Pferde weg getrieben. Verzweifelt reitet das junge Mädchen in den nächstgelegenen Ort, um den Bürgermeister aufzusuchen, von dem sie erfährt, dass der Überfall auf den Hof ihres Vaters nicht der erste dieser Art war. Und prompt findet sich das überraschte Mädchen am nächsten Tag auf dem Weg in die Provinzhauptstadt wieder, wo sie um Verstärkung bitten soll. Der Beginn einer Odyssee …

Rika ist ein recht burschikoses junges Mädchen, das eine Menge seiner Zeit damit verbringt, sich aufregende Abenteuer auszudenken, in denen sie die Hauptrolle spielt. Die Realität ernüchtert sie schnell und ihre Abenteuerlust wird von Rachedurst verdrängt. Doch Rika hat auch immer wieder Alpträume, und das nicht nur Nachts, und diese Alpträume entwickeln mit der Zeit recht bedrohliche Nebenwirkungen. Irgendetwas scheint mit dem Mädchen nicht so ganz zu stimmen.

Micael, der junge Bursche, der es sich in den Kopf gesetzt hat, Rika zu begleiten in der glühenden Hoffnung, vom Herzog in die Armee aufgenommen zu werden, hat eine ziemlich große Klappe und glaubt, alles zu wissen. Ein Großteil davon sind allerdings Vorurteile, und davon, dass ein Soldat den Befehlen eines Vorgesetzten zu gehorchen hat, scheint er auch noch nie gehört zu haben. Zwar ist er mutig und nicht ungeschickt, doch es fehlt ihm an Selbstkontrolle. In seiner Naivität scheint er das Soldatenleben als eine ununterbrochene Abfolge erfolgreich bestandener Abenteuer zu betrachten, und als die Realität ihn einholt, kommt er kaum klar damit.

Shoran dagegen ist ein ausgebildeter Kämpfer und hat eine Kindheit hinter sich, die ihm einiges mehr an Lebenserfahrung beschert hat als dem behütet aufgewachsenen Micael. So kommt es, dass Shoran ständig mit dem unreifen Jungen und seinen beleidigenden Vorurteilen in Klintsch liegt. Aber auch Rika scheint der Krieger gerne zu necken, er ist eigentlich fast niemals wirklich ernst, es sei denn, es droht Gefahr. Und er hütet ein Geheimnis …

Der Anführer der Jixur, Sarrias, wiederum fühlt sich gar nicht wohl in seiner Haut. Die „Halbe“, wie die Jixur die Menschen nennen, hat er zwar selber aufgezogen, doch dass sie ständig mit dem Oberhaupt seiner Herde Pläne ausheckt, ohne ihn einzubeziehen, und dass sie ihm teilweise in seine Befehlsgewalt über die Krieger drein redet, stört ihn gewaltig, und das nicht nur, weil es seine Autorität untergräbt, sondern auch, weil es allen althergebrachten Verhaltensweisen seiner Art widerspricht. Sein Instinkt sagt ihm, dass mehr dahinter steckt, als die Halbe offenbart …

Die Charakterzeichnung hat mich nicht überzeugt. Am gelungensten fand ich eigentlich den greisen König von Craiglin mit seinem an Verfolgungswahn grenzenden Misstrauen gegen das Nachbarland der Thäler, seiner mürrischen Laune und seinem Altersstarrsinn. Dabei ist dieser Mann kaum eine eigene Persönlichkeit, sondern eher ein für den Plot unentbehrliches Objekt. Die Hauptperson Rika dagegen empfand ich als ausgesprochen blutleer. Zwar wird kurz erwähnt, dass sie als einzige den weicheren Kern ihres mürrischen, verbitterten Vaters kennt, bei dem es kein Knecht lange aushält, eine wirklich enge Verbindung zwischen den beiden, die Rikas Rachsucht erklären würde, zeigt sich jedoch nirgends. Andererseits kommt Rikas Rachsucht ebenso fad daher wie der Rest des Mädchens, allein Micaels Schicksal scheint sie zumindest kurzzeitig zu kümmern. Gleiches gilt für die „Halbe“ namens Millayn, deren Motive ich zwar mit dem Kopf nachvollziehen, aber nicht nachfühlen konnte.

Ähnliches gilt für den Hintergrund.

Die Autorin liefert zu Beginn des Buches einen kurzen Schöpfungsmythos. Doch der beschreibt nicht wirklich die Eigenschaften der verschiedenen Götter und erklärt auch nicht, warum Elane, die Königin der Thäler, alle Kulte außer dem der Erd- und Fruchtbarkeitsgöttin Cyn verboten hat. Gut, die vom Gott der Stürme Gesegneten haben offenbar mit ihren magischen Kräften ziemlich üble Kriegsmaschinen gegen sie ins Feld geschickt, aber was haben die anderen angestellt?

Verwirrend fand ich auch die Darstellung der Jixur. Sie haben ein Fell, Krallen, Gesichter wie Katzen und Schwänze wie Löwen. Aber einer von ihnen mit geflecktem Fell wird als Schecke bezeichnet, und ihre Jungen nennen sie Fohlen. Ich wusste nie so richtig, wie ich mir diese Geschöpfe vorstellen sollte, zumal sie nicht nur vier Beine, sondern auch noch vier Arme haben. Letztlich kam ich zu dem Schluss, dass sie wohl so eine Art Katzencentauren sein müssen. Dazu kommt noch, dass die Jixur nicht die einzigen mit mehreren Gliedmaßen sind. Die Hiranyer haben ebenfalls vier Arme, allerdings nur zwei Beine. Und die Verjig – wo wir schon mal dabei sind – haben ebenfalls vier Arme und zwei Beine, sie sind aber offenbar größer und dunkelhäutiger als die Hiranyer. Man könnte sich fast fragen, ob diese massive Häufung von Gliedmaßen vielleicht aus einer lang zurückliegenden Mischung der Rassen resultiert, aber darüber erfährt der Leser nichts.

Auch mit Informationen über die Historie ihrer Welt war die Autorin ausgesprochen sparsam. Ein Sturmwerkerkrieg wird erwähnt, in dem das Reich der Thäler gegen Gavenne gekämpft und gesiegt hat, trotz derer magischer Kriegsmaschinen. Über die Völker selber, ihre Kultur und Religion erfährt der Leser jedoch so gut wie nichts, nicht einmal über die für die Geschichte ziemlich wichtigen Jixur. Hiranya ist nicht einmal auf der Karte verzeichnet.

Bleibt die Handlung.

Nach den üblichen Einführungen von Personen, Situationen und dem Aspekt des Magischen lässt sich der Plot zunächst recht vielversprechend an. Leider wusste ich schon nach der Ankunft der Jixur bei ihrer Herde, dass Millayn im Auftrag von Jemandem handelte, und spätestens nach dem Gespräch zwischen dem Herzog von Hochthal und der Königin der Thäler wusste ich auch, für wen sie arbeitet. Das nahm der Geschichte zwar einiges von ihrer Spannung, aber das war es nicht allein.
Als extrem störend weil unwahrscheinlich empfand ich das Verhalten der Erwachsenen Rika gegenüber. Ein Kommandant, dessen Stadt belagert wird, wird sich von einer sechzehnjährigen Zivilistin vielleicht Bericht erstatten lassen, aber er wird sie sicherlich nicht zu Beratungen seines Stabes hinzu ziehen oder gar auf sie hören. Und kein Soldat wird dulden, dass ein Rangniedrigerer seinen Befehlen widerspricht. Die sanfte Ermahnung des Soldaten Killarne im Hinblick auf militärische Disziplin fand ich total unpassend. Und dass ein Offizier, der einem politischen Komplott auf die Spur kommt, ohne Rücksprache mit seinem Herrscher einfach in einen Krieg zieht, ist vollkommen abwegig, selbst wenn er eine Generalvollmacht besitzt.

Die größte Enttäuschung jedoch war letztlich der Drahtzieher des Komplotts. Seine Motive und Ziele waren dermaßen kindisch und einfach nur unmöglich, dass ich nur den Kopf schütteln konnte und mich fragte, wie eine solche politische Niete jemals so hoch aufsteigen konnte! Und seine Aufforderung an Rika, ihn einfach entkommen zu lassen, war so ausgesprochen lächerlich, dass ich am Ende nicht mehr in der Lage war, die Autorin noch ernst zu nehmen.

Um das Maß voll zu machen, stolperte ich so manches Mal über Formulierungen wie „zum Vorschein treten“ oder „das Pony durchritt die Kurve“. Ich dachte eigentlich immer, Pferde werden geritten, und in diesem Fall handelt es sich nicht um eine Übersetzung aus dem Englischen, das heißt, hier hat nicht der Übersetzer gepfuscht und auch nicht allein das Lektorat.

Bleibt zu sagen, dass von meiner Freude darüber, endlich mal wieder auf ein Fantasybuch ohne Orks, Elfen, Drachen oder Vampire gestoßen zu sein, nicht mehr allzu viel übrig geblieben ist. Die meisten Ideen der Autorin, die eigentlich durchaus neu und vielversprechend klangen, sind fast völlig auf der Strecke geblieben, weil ihre Ausarbeitung zu schwach war, um wirklich Farbe in die Geschichte zu bringen. Das gilt auch für den Plot, der durch die Erklärung am Ende des Buches dermaßen ins Lächerliche abglitt, dass nicht mal mehr sein ordentlicher Aufbau den Schaden ausgleichen konnte. Und obwohl die Gruppe um Rika dankenswerterweise nicht aus einem Zauberer, einer Heilerin, einem Elfen und einem Krieger bestand, wirkten die Charaktere aufgrund ihrer fehlenden Tiefe dennoch wie eine Gruppe von Rollenspielfiguren, die auf Abenteuer ausgezogen sind. Sogar die Szenen im Palast von Glaesmon erinnerten mich an |Dungeons and Dragons|. Nur die Ungeheuer fehlten. Vielleicht treten die ja im nächsten Band auf. Ich glaube allerdings nicht, dass ich den wirklich lesen will.

Nicole Schuhmacher ist von Beruf Diplomsoziologin und hatte schon als Kind eine Vorliebe für Märchen und Fantastisches. Zum Schreiben kam sie durch ihre Bekanntschaft mit Markus Heitz. „Sturmträume“ ist ihr erster Roman. Der zweite Band erscheint voraussichtlich im Juli diesen Jahres unter dem Titel „Sturmpfade“.

|Taschenbuch: 496 Seiten
ISBN-13: 978-3453525726|

Chance, Karen – Für immer untot

_Cassie Palmer bei |buchwurm.info|:_
[„Untot mit Biss“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5419
[„Hinreißend untot“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5741

Pythia wider Willen – die chaotische Cassie Palmer ist eher unfreiwillig zur größten Hellseherin der Welt geworden. Normalerweise erhält man für diese Position jahrelanges Training. Cassie hatte dies nicht. Sie kann dem entsprechend weder vernünftig mit den großen Kräften umgehen, die von der verstorbenen Pythia auf sie übergegangen sind, noch hat sie eine Ahnung, wie sie mit den Intrigen von Vampiren, Magiern und anderen Wesen verfahren soll. Von diesen erhebt nämlich so ziemlich jeder Anspruch auf sie, so dass sie sich in einem undurchsichtigen politischen Gewirr wiederfindet. Zu allem Überfluss ist da noch das Problem mit dem Geis, einem Zauberbann, den der Vampir Mirceas ihr auferlegt hat. Dieser Geis verhindert, dass sich ein anderer Mann ihr nähern kann und verstärkt die unfreiwillige Bindung zwischen Cassie und Mirceas. „Für immer untot“ ist bereits der dritte Band in Karen Chances Reihe, und Cassies Probleme sind bislang nicht weniger geworden.

Um den Geis ein für alle Mal zu beenden und damit sowohl Cassies aus auch Mirceas Leben wieder erträglich zu machen, verbündet sich die Seherin mit Pritkin, einem Magier, dem gegenüber sie nicht unbedingt Sympathien verspürt. Doch was tut man nicht alles, um einen alten Meistervampir vor dem Wahnsinn und sich selbst vor den Verführungskünsten eben jenes Blutsaugers zu retten?

Die Eliminierung des Geis hat jedoch einen Haken: Der Gegenzauber befindet sich in einem alten Zauberbuch, dem Codex Merlin. Doch um dieses zu finden, müssen Pritkin und Cassie in die Vergangenheit reisen. Für Cassie kein Problem, denn Zeitreisen stellen ihre Spezialität dar. Allerdings müssen sie fest stellen, dass man ihnen in der Vergangenheit nicht unbedingt wohlgesonnen ist – und dass der Codex sich entgegen der Legenden ganz woanders befindet. Doch auch in der Gegenwart hat Cassie genug zu tun. Der Vater von Pritkin, ein Dämon, hat es auf sie abgesehen, der intrigante Senat will sie für seine Zwecke einspannen und dann tauchen plötzlich auch noch Straßenkinder auf, die etwas mit Cassies Vergangenheit zu tun haben …

Die Geschichte ist mit über 460 Seiten nicht gerade kurz. Dafür packt die Autorin aber auch genug Ereignisse in die Handlung. Um ehrlich zu sein, sogar zu viele. Die zahlreichen Nebenhandlungen, die entweder in Vorgängerbänden oder in diesem Buch beginnen, überdecken stellenweise die eigentliche Geschichte. Die verschiedenen Feindschaften und Koalitionen zwischen den einzelnen Wesen sind schwer zu durchblicken, selbst wenn man die vorherigen Bände gelesen hat. Hinzu kommt Chances hektischer Erzählstil, der zwar dem chaotischen Wesen der Ich-Erzählerin entspricht, den Leser aber etwas überfordert. Spannung kommt eigentlich erst dann richtig auf, wenn die Nebenhandlungen mal ruhen. Das ist an einer Stelle im Buch, nämlich bei einer längeren Vergangenheitsreise von Cassie, der Fall. Ansonsten sind die Seiten rappelvoll, denn neben den eigentlichen Ereignissen finden darauf auch noch Cassies zahlreiche humorvolle Gedanken und die schlagfertigen Dialoge Platz.

Cassie Palmer war in den vorherigen Bänden immer eine tolle Hauptperson. In „Für immer untot“ schwächelt sie allerdings. Ihr Humor wirkt schlaff, manchmal sogar fehl am Platze, ihre Handlungen sind nicht immer schlüssig. Das, was sie vorher von anderen Figuren abgehoben hat, fehlt. Sie wirkt wie die x-beliebige Protagonistin eines schmalzigen Vampirromans und kommt bei der Unmenge von Handlungssträngen überhaupt nicht mehr richtig zum Tragen. Sie hetzt durch das Buch und gibt dem Leser nur selten die Möglichkeit, sich in Ruhe mit ihr auseinander zu setzen.

Ihr Humor schimmert an der einen oder anderen Stelle zwar noch durch, erscheint aber häufig bemüht. Karen Chance hat ansonsten immer ganz annehmbar geschrieben, doch in diesem Band scheint auch ihr Schreibstil mit der Wucht an Ereignissen nicht zurecht zu kommen. Dass die Autorin zu einer gewissen Geschwätzigkeit neigt und Cassies Gedanken gerne sehr ausführlich darstellt, ist nicht gerade hilfreich. Dadurch wird die Geschichte nur noch unübersichtlicher.

„Für immer untot“ schwächelt. Die Geschichte ist sehr lang und sehr vollgestopft, weshalb sowohl die Hauptfigur als auch Chances Schreibstil nicht mehr wirklich überzeugen können. Es bleibt zu hoffen, dass die Autorin es in den nächsten Bänden vielleicht etwas ruhiger angehen lässt und sich stärker auf die Haupthandlung konzentriert.

|Originaltitel: Embrace the Night
Aus dem Englischen von Andreas Brandhorst
463 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3492291866|
http://www.piper-fantasy.de
[„Website der Autorin“]http://www.karenchance.com

Dean Koontz – Meer der Finsternis

Der Odd-Zyklus bislang:

1) Odd Thomas (2004, deutsch 2006 als „Die Anbetung“)
2) Forever Odd (2005, deutsch 2007 als „Seelenlos“)
3) Brother Odd (2006, deutsch 2008 als „Schattennacht“)
4) Odd Hours (2008, deutsch 2009 als „Meer der Finsternis“)
5) In Odd We Trust (Graphic Novel, Juli 2008)

Der Meister des mystischen Thrillers hat sich in den letzten Jahren noch einmal von seiner fleißigsten Seite gezeigt: Dean Koontz legt im aktuellen Jahrzehnt noch einmal ein enormes Pensum vor, hat sich unterdessen aber nicht mehr so häufig von der Unberechenbarkeit seiner Ideen treiben lassen. Mit Odd Thomas hat Koontz letztlich einen Charakter geformt, der immer mehr zu seinem persönlichen Helden geworden ist und inzwischen die wohl wichtigste Figur seiner Romane darstellt.

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Téhy / Vax / Vee / Guenet / Renéaume – Yiu – Die Apokalypse: Buch 1 – In der Hölle

Band 1: [„Die Armee des Neo-Mülls“ 4289
Band 2: [„Die Auferstehung des Unreinen“ 4290
Band 3: [„Die Kaiserin der Tränen“ 4920
Band 4: [„Der Schwur der Söhne“ 5114
Band 5: [„Operation Geisha“ 5485
Band 6: [„Der Inquisitor und seine Beute“ 5968

Das brachiale Science-Fiction-Konstrukt, das der französische Autor Téhy vor einiger Zeit unter dem Namen „Yiu“ publizierte und welches hierzulande vom |Splitter|-Verlag vertrieben wird, gehörte von Beginn an zu den diskussionswürdigsten Vertretern seiner Zunft.

Die Action war (und ist) übermäßig brutal, die Storys waren dagegen gerade in den ersten beiden Bänden relativ plump und größtenteils auf die Darstellung der Gewalt ausgelegt, und auch die wortkarge Titelheldin konnte ihren Part nur mäßig befriedigend erfüllen. Erst mit wachsender Episodenzahl bekam „Yiu“ dann ein Format, das eine Entwicklung von erträglich über ansprechend bis hin zu begeisternd durchmachte – und heute schon gar nicht mehr aus der Dark-Fiction-Welt wegzudenken ist. Genau diesen Zeitpunkt haben Autor und Verlag nun abgewartet, um das Prequel zur Serie herauszugeben. Parallel zu den üblichen Releases der Reihe werden nun die sieben Bücher von „Die Apokalypse“ veröffentlicht, in denen geschildert wird, wie Yiu zu dem wurde, was sie in der späteren Story als Profikillerin darstellt.

_Story:_

2166: Eine immense Krise hat den Globus radikal umstrukturiert und das Leben in den Erdenregionen zur Katastrophe für die normalsterblichen Bürger gemacht. Biowaffen gehörten in der Vergangenheit zum Standard, grausame Vernichtungen haben die bedeutenden Metropolen dahingerafft, und die einzige Instanz, die sich in der Zeit der seelischen Dürre und der brachialen Machtkämpfe weiter hat etablieren können, ist der Klerus.

Am 31. Mai kommt es dann zu einem folgenschweren Attentat: Der Bruder des buddhistischen Führers wird von einer nackten Schönheit, die er für seine alltägliche Hure hält, mit mehreren Kopfschüssen getötet. Der Mann, dessen Glauben die Reduktion auf das Wesentliche propagiert, wird noch vor der nächsten religiösen Verfehlung ermordet und hat keine Gelegenheit mehr, zu erleben, was seine Ermordung initiiert: die Apokalypse …

_Persönlicher Eindruck:_

Unter Berücksichtigung vieler Aspekte ist der Auftakt von „Yiu – Die Apokalypse“ sicherlich ein richtig guter Comic. Da wäre zum einen definitiv die Tatsache, dass es sich hier um die Einleitung eines Prequels handelt, dessen seitenlang aufgebaute Dramaturgie durch die geschichtliche Rückblende auf jeden Fall Wirkung erzielt. Die übergroßen Panels, in denen der schrittweise Untergang noch einmal nachhaltig erläutert wird, bieten inhaltlich und zeichnerisch Klasse und den Verstand, den man von Téhy (ausgehend von den Episoden 4-6 aus der regulären Serie) gewohnt ist.

Dann muss natürlich auch berücksichtigt werden, dass es sich bei „In der Hölle“ ausschließlich um einen Rückblick handelt, der in der Form eines bloßen Tatsachenberichts eine erklärende Wirkung haben soll, quasi das Setting etablieren muss, gleichzeitig aber auch schon einmal die Voraussetzungen für das schaffen sollte, was in den folgenden Kapiteln in ausladender Form geschehen wird. Und natürlich ist ein gewisses Verständnis vorausgesetzt, nämlich dafür, dass in „Yiu“ die wiederum nicht ganz gewaltfreie Bildsprache die Akzente setzt – und darauf kann man sich hier auch voll und ganz verlassen.

Warum also diese Rechtfertigungen? Nun, der Plot ist enttäuschend und inhaltlich sehr begrenzt. Nach der bildgewaltigen Vergangenheitsbewältigung der Weltgeschichte folgt eigentlich nur der perfide inszenierte Mord an der Nummer zwo der buddhistischen Führung mit der explosiven Flucht der Attentäterin. Wer genau dahinter steckt, muss nicht näher erläutert werden, so dass die Verbindung zur eigentlichen Serie natürlich direkt hergestellt ist.

Nichtsdestotrotz wäre ein klein wenig mehr Tiefgang wünschenswert gewesen, da Story und Zeichnungen hier einen so großen qualitativen Kontrast entwerfen, dass die nicht zu Unrecht aufgeworfene Kritik, Téhy würde sich hinter der Gewalt der illustrierten Entwürfe verstecken, mal wieder in den Fokus rückt. Und man erinnere sich nur an den Auftakt von „Yiu“ vor ungefähr zwei Jahren: Da lautete das Urteil ähnlich.

Nun denn, die Hoffnung auf die Zukunft bleibt, ebenso die bleibenden Eindrücke der gewohnt starken, düsteren Zeichnungen. Doch langfristige Begeisterung erfordert mehr, weshalb man sich nun besser auf die Erfahrungen stützt und sich darauf verlässt, dass bereits die zweite Episode das Gleichgewicht wieder ins Lot bringen möge. Eine weitere derart langsam vorangeschobene Entwicklung wie beim letzten Mal wäre jedenfalls fatal!

|Originaltitel: Yiu – Aux enfers
69 Farbseiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-940864-99-4|
http://www.splitter-verlag.de

Richard Stark – Das Geld war schmutzig [Parker 24]

Geraubtes Geld soll aus seinem Versteck geholt werden, doch nicht nur die Polizei, sondern auch gierige Trittbrettfahrer, neugierige Journalisten, nervöse Kumpane und vor allem der einfallsreich tückische Zufall lassen auch den besten Plan im Chaos versinken … – Der 24. und leider letzte Roman um den amoralischen Berufsverbrecher Parker wartet noch einmal mit allen Vorzügen dieser mit Recht gerühmten Reihe auf; wir werden Starks nur scheinbar simpel gestrickte Gangster-Krimis vermissen. Richard Stark – Das Geld war schmutzig [Parker 24] weiterlesen

Andrews, Ilona – dunkle Flut, Die (Stadt der Finsternis 02)

_Stadt der Finsternis_
Band 1: [Die Nacht der Magie]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5963

Kate Daniels ist die Neue in den Reihen der jungen, toughen Dark-Fantasy-Heldinnen. In „Die dunkle Flut“ hat sie nun ihre Bewährungsprobe. Der erste Band war richtig gut, aber kann das Autorenduo dieses Niveau halten?

_Die Geschichte spielt_ in Atlanta. Allerdings sieht die Stadt etwas mitgenommen aus, da immer wieder Wellen von Magie über sie branden, die Elektronik außer Gefecht setzen und seltsame Wesen zurück lassen. Kate Daniels‘ Aufgabe ist es, diese ungebetenen Gäste, die häufig keine guten Absichten haben, zu eliminieren. Im Moment ist das allerdings ziemlich anstrengend, denn ein Flair, eine besonders starke Flut von Magie, kündigt sich an und alle sind durcheinander, sowohl die Menschen als auch die Gestaltwandler, die Untoten und die Hexen.

Kate hat alle Hände voll zu tun, als die Gestaltwandler an sie heran treten, weil man ihnen Landkarten gestohlen hat. Schnell findet sie heraus, dass dahinter ein komischer Mann steht, der sich quasi in Luft auflösen kann und deshalb schwer zu fassen ist. Als ob dies noch nicht genug wäre, trifft sie auch noch auf das Straßenmädchen Julie, dessen Mutter, eine Hexe, verschwunden ist. Die Hexe gehörte zu einem illegalen Hexenzirkel und als Kate weiter forscht, findet sie heraus, dass dieser Zirkel nichts Gutes im Sinn hatte. Im Gegenteil. Es scheint, als ob die Hexen durch ihr Treiben schlafende Gottheiten geweckt hätten, die den Magieüberschuss des Flairs nutzen, um sich Atlantas zu bemächtigen …

_Kate Daniels ist keine_ einfach zu verführende Blondine und Vampire sind keine erotischen Tausendsassa, sondern willenlose Kreaturen, die wie mumifizierte Leichen aussehen und auf vier Beinen laufen – die Autoren machen in ihrer Geschichte einiges anders. Während das Setting eher an einschlägige Vampirliteratur erinnert, spielt die Hauptrolle die Magie. Atlanta wird als düstere Großstadt beschrieben, die Dank der Magie voller Ruinen und merkwürdiger Gestalten ist und sich ständig ändert. Kein besonders schöner und sicherer Ort also, aber einer, der der Geschichte eine ganz eigene Note gibt.

Die Handlung beschäftigt sich vor Allem mit den unterschiedlichen Gruppen in der Stadt. Der Orden, der ehrenamtlich die Entsorgung magischer Lebewesen übernimmt, aber dabei nicht ganz uneigennützig handelt; die Söldner, zu denen Kate gehört und die sich diese Dienstleistung gut bezahlen lassen; die Untoten, die sich gerne in die Belange Atlantas einmischen; und schließlich die Gestaltwandler, mit deren Anführer Curran Kate immer wieder aneinander gerät. Sie alle haben etwas gegeneinander, müssen aber häufig zusammenarbeiten, was für Spannung und Machtspielchen sorgt. Jede dieser Gruppe hat ihre ganz eigenen Interessen, doch leider wird es im zweiten Band der Reihe etwas unübersichtlich, als auch noch die Gottheiten auf den Plan treten. Das Buch beginnt gradlinig, aber vor Allem zum Ende hin wird die Geschichte ziemlich konfus. Es ist unklar, wer jetzt genau was will, wer wen hasst und worum eigentlich gekämpft wird. Es ist ein bisschen zu viel von Allem. Der starke Anfang verliert sich in den zahlreichen Nebenhandlungen, die Geschichte flacht stark ab. Hinzu kommt, dass das Ende sehr dem aus dem ersten Band ähnelt.

Die Handlung macht es schwierig, „Die dunkle Flut“ so ins Herz zu schließen wie den Vorgängerband. Sicher, die Hauptperson ist die gleiche und sie ist immer noch gut, aber sie schafft es nicht, das Gewirr aus Ereignissen zu überstrahlen. Dabei hätte Kate durchaus etwas Besseres verdient, denn sie ist ohne Frage eine der interessanteren Charaktere des Genres. Sie besitzt immer noch Geheimnisse, die sie zwar erwähnt, aber nicht erläutert, und ihre kratzbürstige Art ist wesentlich authentischer als bei ähnlichen Romanfiguren. Ihre freche Schnauze und ihr Talent, mit Anlauf in Fettnäpfchen zu springen, reizen zum Lachen. Die sarkastischen Bemerkungen, die die Autoren immer wieder in ihren ansonsten sehr lebendigen und abwechslungsreichen Schreibstil einfügen, tun das Ihrige. Gleichzeitig hat die Protagonistin aber auch eine sehr düstere Seite, so dass die Reihe trotz des Humors nicht zu den komödiantischen Vampirgeschichten gehört. Außerdem ist es sehr erholsam, dass Kate nicht von einem Bett ins andere fällt, weil sie den Reizen irgendwelcher Untoter nicht widerstehen kann.

_Es ist schade_, dass „Die dunkle Flut“ trotzdem nicht richtig zündet. Schreibstil und Protagonistin sind nach wie vor auf hohem Niveau und dass der Fokus weniger auf Vampiren als vielmehr auf Magie liegt, hebt das Buch zusätzlich hervor. Die Handlung allerdings kann in diesem Fall nicht überzeugen. Etwas mehr Struktur und etwas weniger Verwicklungen hätten gut getan.

|Originaltitel: |Magic Burns|
Aus dem Englischen von Jochen Schwarzer
303 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3802582134|
http://www.egmont-lyx.de
[„Website der Autoren“]http://www.ilonaland.com

Sigurdardóttir, Yrsa – Eisblaue Spur, Die

In bislang drei Romanen ([„Das letzte Ritual“ 5891 , „Das gefrorene Licht“ und „Das glühende Grab“) konnte man der Reykjaviker Anwältin Dóra Gudmundsdóttir bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen. Nun legt Yrsa Sigurdardóttir den vierten Roman ihrer Island-Krimireihe vor. Es waren in der Vergangenheit stets recht ungewöhnliche Fälle, die Dóra immer wieder aus dem beschaulichen Büroalltag herausgerissen haben. Dem steht auch ihr neuester Fall in Nichts nach.

Diesmal verschlägt es Dóra sogar nach Grönland. Diesen Ausflug hat sie ihrem Lebensgefährten Matthias zu verdanken, der als Sicherheitschef bei einer isländischen Bank arbeitet, die nun um ihre Finanzierung eines Forschungscamps in Grönland fürchtet. Dort ist eine Bergbaufirma mit Probebohrungen betraut, da aber zwei isländische Arbeiter spurlos aus dem Camp verschwinden und der Rest der Truppe sich weigert, ins Camp zurück zu kehren, gerät der Zeitrahmen und damit das ganze Projekt in Gefahr.

Dóra und Matthias sollen nun herausfinden, was vor Ort vorgefallen ist. Zusammen mit einem sachkundigen Team machen sie sich auf den Weg und stoßen schon bald auf viele Ungereimtheiten: Da wäre ein verschwommenes Video, aufgenommen mit einer Webcam, das möglicherweise einen Mord zeigt. Dann wären da noch die so feindlichen Einheimischen, die keinerlei Hilfestellung bei der Aufklärung der Vorkommnisse bieten. Von wem stammen die menschlichen Knochen, die das Team in den Schreibtischschubladen der Mitarbeiter der Bergbaufirma findet und wohin sind die beiden verschollenen Mitarbeiter verschwunden? Schon bald sind Dóra und ihr Team wegen eines heraufziehenden Schneesturms von der Außenwelt abgeschnitten und ganz auf sich allein gestellt …

Yrsa Sigurdardóttir scheint sich diesmal wieder recht viel versprechender Krimizutaten zu bedienen. Mit Grönland greift sie auf einen recht unverbrauchten Handlungsort zurück und ein von der Außenwelt abgeschnittener Ort sorgt eigentlich so gut wie immer für einen kräftigen Ruck an der Spannungsschraube.

Mit Dóra hat Sigurdardóttir sich obendrein über drei Romane eine sympathische Figur aufgebaut, die der Leser an sich schon gleich im ersten Band ins Herz schließen muss. Dóra ist eine liebenswerte Chaotin, deren turbulentes Durcheinander zwischen Kanzlei und Familie auch immer wieder zum Schmunzeln anregt. Sie ist nicht nur alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, sondern hat obendrein auch noch einen mittlerweile 18-jährigen Sohn, der sie schon sehr früh zur Großmutter gemacht hat. Und da Dóra nebenbei auch noch die Kanzlei schaukeln muss, verläuft ihr Leben oft genug chaotisch.

Ein schöner Gegensatz ist da ihr deutscher Lebensgefährte Matthias, der inzwischen in Reykjavik wohnt. Stets akkurat und wohlorganisiert, stellt er ein schönes Kontrastprogramm zu der chaotischen Dóra dar, was immer wieder zu scherzhaften Kabbeleien zwischen den Beiden führt. Dieses Duo wird spätestens seit dem letzten Roman „Das glühende Grab“ ergänzt durch Bella, Dóras unfähige und sozial eher wenig kompetente Sekretärin. So hat man mit Blick auf die Protagonisten schon mal eine durchaus unterhaltsame Konstellation.

Der Einstieg in „Die Eisblaue Spur“ verspricht zunächst viel Spannung. Die ungewisse Situation im Forschungscamp nach der Ankunft von Dóras Team, die seltsame, zurückweisende Art der Einheimischen, die merkwürdigen Funde menschlicher Knochen und mysteriöser Artefakte – das alles trägt erheblich zur Spannung bei. Dóra und ihre Mitreisenden können sich kein klares Bild von der Situation machen, die dazu geführt haben könnte, dass zum einen Menschen verschwunden sind und sich zum anderen der Rest der Truppe der Rückkehr ins Camp widersetzt. Der Ort an dem das Camp liegt, scheint für die Einheimischen eine tiefere Bedeutung als ein Ort zu haben, den man auf keinen Fall betreten darf. Über das Warum schweigen sie sich aus und so hat Dóra auch hier keinen rechten Ansatzpunkt für Nachforschungen.

Erst als sie eine weitere grausige Entdeckung machen und sie die Polizei einschalten, kommt Bewegung in die Geschichte, aber dann sind Dóra und ihr Team auch ganz schnell aus den Ermittlungen raus, weil die Polizei sie kalt stellt. So stagniert ab diesem Moment auch die Spannung ein wenig. Was anfangs noch nach einem viel versprechenden Spannungsbogen aussieht, verliert im Laufe der Geschichte ein wenig an Intensität.

Auch die Auflösung kommt dann etwas plötzlich. Sigurdardóttir schmeißt unterwegs viele Andeutungen in den Raum, verwebt das Ganze mit der Inuit-Kultur und alten Mythen, berichtet vom Mobbing der Mitarbeiter der Bergbaufirma untereinander in der Abgeschiedenheit des Forschungscamps, das sie schön plastisch darzustellen vermag, und streut viele Hinweise aus. Dennoch strebt der Spannungsbogen nicht so stetig aufwärts, wie man es sich wünschen würde.

Die Ansätze sind wunderbar, auch die Komplexität des Falls hat so ihre Vorzüge, dennoch entwickelt sich die Geschichte in ihrem Verlauf eher zu einem mittelmäßigen Krimi. Durch die Abgeschiedenheit in der grönländischen Einöde kommt logischerweise auch Dóras mitunter so unterhaltsam chaotisches Familienleben viel zu kurz. Auch die Personenentwicklung, die Sigurdardóttir in den vorangegangenen Romane gerade auch mit Blick auf Dóra und Matthias stetig vorangetrieben hat bleibt ein wenig auf der Strecke.

Sprachlich weiß die Isländerin zwar immer noch insofern zu überzeugen, dass sich das Buch flott und locker runterlesen lässt, dennoch hat sie auch schon mal gezeigt, dass sie es eigentlich besser kann. Insbesondere ihre ersten beiden Krimis „Das letzte Ritual“ und [„Das gefrorene Licht“ 4547 gefielen mir insgesamt besser.

Unterm Strich hat „Die Eisblaue Spur“ sicherlich so einige Vorzüge, zu denen vor allem auch der grönländische Handlungsort mit der dazugehörigen Atmosphäre gehört, dennoch macht Sigurdardóttir es sich mit diesem Roman, wie auch schon mit dem Vorgänger „Das glühende Grab“ zunehmend im Mittelmaß gemütlich. Sie hat schon bewiesen, dass sie es besser kann. Bleibt also zu hoffen, dass sie sich mit dem nächsten Roman wieder auf alte Qualitäten besinnt, denn dann kann wieder ein erstklassiges Krimivergnügen daraus werden.

|Broschiert: 352 Seiten
ISBN-13: 978-3596183432
Originaltitel: |Auðnin (Veins of Ice)|
Übersetzt von Tina Flecken|

Bailey, Jack – Copkiller

_Das geschieht:_

Reed Tucker, Phineas „Finney“ Durant und Nick Laymon, drei Freunde, die in Ransom, einer Kleinstadt im US-Staat North Carolina, das College besuchen, gönnen sich einen feuchtfröhlichen Abend im Nachbarort. Angetrunken überfahren sie in der Nacht einen Mann und töten ihn. Um Strafe und Ärger zu vermeiden, kommt das Trio überein, den Unfall, der ohne Zeugen blieb, nicht zu melden. Stattdessen verstecken sie die Leiche im Wald, und Nick, der nicht wie Finney und Reed aus reichem Hause stammt, steckt zudem ein Geldbündel mit 10.000 Dollar ein, das der Fremde bei sich trug. Außerdem nimmt er einen Schlüssel an sich, der ein Schließfach im Busbahnhof der Stadt Knoxville im Nachbarstaat Tennessee öffnet.

Nick weiht seine Freundin Sue ein; sein Gewissen macht ihm zu schaffen. Doch der Pakt ist geschlossen, Nick kann nicht mehr zurück. Die Leiche im Wald wird schon am nächsten Tag gefunden. Ein zwielichtig wirkender Staatspolizist namens Evans stellt Fragen, deren Antworten er schon zu kennen scheint. In dem Schließfach finden die Freunde eine Videokassette, auf der eine junge Frau grausam zu Tode gefoltert wird. Sie erkennen in dem Opfer Casey Barrett, eine Kommilitonin, die vor einigen Monaten spurlos vom Campus verschwunden ist. In der Gewissheit, dass Reed und Finn ihn in der Krise umgehend ans Messer liefern werden, beginnt Nick ein gefährliches Spiel. Er beschließt, Caseys Vater über das Schicksal seiner Tochter zu informieren. Alfred Barrett, reich und mächtig, hat eine Belohnung von 100.000 Dollar ausgesetzt, die Nick locken.

Aber alle haben sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Die Hintermänner des unbekannten Toten wollen weder das Geld noch die Kassette abschreiben. Sie kennen keinerlei Skrupel und dulden keine Zeugen. Unermüdlich und unerbittlich fahnden sie nach den Dieben – und bald werden sie fündig …

_Die eine entscheidende Sekunde_

Ein einziges Mal triffst du die falsche Entscheidung, und dein Leben verwandelt sich in ein Inferno! Das mag abgedroschen klingen, aber dass mehr als ein Körnchen Wahrheit in dieser Aussage stecken kann, verdeutlicht uns Jack Bailey ebenso überzeugend wie brachial. Dazu passt ein Sprichwort: Kleine Ursache – große Wirkung. Das mag hier vermessen klingen, bildet doch ein tödlicher Unfall die kleine Ursache. Angesichts der Ereignisse, die diesem Unglück folgen, wirkt das Unglück aber rasch wie eine Bagatelle. Mit erschreckender (und damit unterhaltsamer) Meisterschaft entfesselt Bailey eine wahre Höllenfahrt. Mit dem Unfall und der sich anschließenden Fahrerflucht bringen vier junge Leute einen Dominostein aus dem Gleichgewicht, der eine Kettenreaktion in Gang setzt. Bei dem einen Fehler bleibt es nicht; weitere Kurzschlussreaktionen sorgen dafür, dass der Katastrophe der Brennstoff nie ausgeht.

Die entwickelt sich trügerisch langsam. Im ersten Drittel ist „Copkiller“ ein Psycho-Thriller. Im Mittelpunkt stehen vier Menschen in der Krise. Ungelöste Konflikte ließen sie schon zuvor unterschwellig im eigenen Saft schmoren. Die Not bringt endgültig hässliche, bisher verborgen gehaltene Charakterzüge zum Vorschein. Bailey versteht es, den daraus resultierenden Konflikt zu schildern und zu schüren. Gleichzeitig legt er eine falsche Fährte, denn die Geschichte nimmt plötzlich eine unerwartete Wendung.

_Aus Seelenpein wird Folter-Terror_

Als Ernie Pomeroy die Szene betritt, kippt die Handlung. Der ohnehin fragile Pakt zwischen Tucker, Nick, Finney und Sue löst sich auf, nachdem geschieht, was die vier ‚Freunde‘ unbedingt vermeiden wollte: Die Außenwelt bricht über sie hinein. Damit endet ihre ohnehin fragwürdige Kontrolle der Ereignisse.

Aus dem dramatischen Kammerspiel wird ein brutales und bizarres Spektakel. Das Geschehen wird zunehmend düsterer. Die Freunde lernen wahre Meister des Verbrechens und des Bösen kennen. Der schmierige Pomeroy liefert ihnen nur einen Vorgeschmack. Er wird abgelöst von Lawrence Evans, einem Psychopathen in Polizeiuniform. Sämtliche Handlungsinitiative geht auf ihn über, denn Evans ist nur körperlich über- bzw. unmenschlich. Die Freunde haben ihm zunächst nichts entgegenzusetzen und sind ihm hilflos ausgeliefert.

Es endet buchstäblich im Horror: In seiner Folterhöhle sitzt Vergil Gutman, der moderne Elefantenmensch. Im Gegensatz zu seinem historischen und überaus gutmütigen Vorgänger ist Gutman psychisch eine Spiegelung seines verunstalteten Körpers. Was das bedeutet, schildert Bailey gleichermaßen zurückhaltend wie deutlich. Er schwelgt nicht selbstzweckhaft in blutrünstigen Details, die er seinen Lesern freilich nicht erspart, wo sie zur Geschichte gehören.

_Untergang und Wiedergeburt_

Mehr als einhundert Seiten führt Bailey seine vier Hauptpersonen nicht nur immer tiefer in die Falle, sondern lässt diese sogar hinter ihnen zuschnappen. Das geschieht so nachdrücklich, dass man sich fragt, wie er, der sich bisher streng an die selbst gesteckten Vorgaben gehalten hat, sie von dort entkommen lassen kann. Werden sich Nick und Sue plötzlich in Kampfmaschinen verwandeln? Kehrt Finney aus dem Totenreich zurück, um in diese Richtung zu mutieren? Oder gibt es gar kein Happyend? Wird dieses Mal das Böse siegen?

In solche Niederungen begibt sich Bailey nicht, obwohl er einschlägige Klischees keineswegs scheut. Was er sich stattdessen einfallen lässt, sei dem neugierig gewordenen Leser dieser Zeilen verschwiegen, denn seine Auflösung ist vielleicht nicht originell aber interessant und einmal mehr plausibel. Bailey lässt seine durch grausame Erfahrung klug gewordenen Figuren nur gezeichnet für ihr Leben entkommen.

Die Reise durch die Nacht bildet das letzte Drittel von „Copkiller“. Der Schrecken wird so groß, dass er sich zu verselbstständigen scheint. Evans und Gutman verwandeln sich in archaische Ungeheuer, die den dichten, uralten Wäldern entsprungen sein könnten, welche Ransom von allen Seiten förmlich einkreisen.

Generell spielt die Landschaft eine wichtige Rolle in dieser Geschichte. Immer wieder finden sich Nick und seine Freunde in einer fremden, feindseligen, rechtsfreien Umgebung wieder, wenn sie die Stadt verlassen. Wie Haie in ihrem Lebensraum ziehen Kreaturen wie Evans und Pomeroy dort ihre Bahnen. Bailey unterstreicht dieses Bild, indem er sie alte, riesige Straßenkreuzer, Relikte einer anderen Zeit, fahren lässt.

_Das Spiel mit dem Genre_

Während Baileys Stil schlicht strukturiert bleibt, arbeitet er stark mit Stimmungen und Bildern. Bereits die Namen einiger Figuren geben Hinweise: Nick Laymon erinnert an den Schriftsteller Richard Laymon (1947-2001), der ebenfalls gern das Grauen in der Provinz ansiedelte. Wo er jedoch grobschlächtig plottete und schrieb, arbeitet Bailey mit wesentlich feinerer, aber schärferer Feder. Wenn man ihn unbedingt in eine Schublade stecken möchte, könnte man ihn mit Joe Lansdale vergleichen, der die Kunst des „Auf-die-Spitze-Treibens“ („Mojo-Storytelling“) sogar noch besser beherrscht. Die Mischung aus realem Terror und phantastischem Horror – zitiert im Bild der Unheil ankündigenden, schwarzen Automobile – ist eine weitere Lansdale-Spezialität. Eine dritte Parallele bietet ein über die Spitze hinaus getriebenes Grauen, das in pechschwarze Komik umschlägt. Der Transport von Pomeroys Leiche in sein feuchtes Tümpelgrab wird zu einer absurden Komödie der Wirrungen und verstörenden Körperfunktionen.

Vergil Gutman erinnert körperlich an den historischen Elefantenmenschen John Merrick (1862-1890). Auch eine Prise Harvey „Two-Face“ Dent aus den „Batman“-Comics lässt sich feststellen. Der Name geht indes wohl auf den Film-Noir-Klassiker „The Maltese Falcon“ (1941; dt. „Die Spur des Falken“) zurück, in dem Sydney Greenstreet als monströs fettleibiger, besessener Kunsträuber Casper Gutman dem Privatdetektiv Sam Spade alias Humphrey Bogart zu schaffen macht.

Ein schönes, offensichtlich nicht ins Deutsche übertragbare Bild stellt schließlich der Originaltitel dar: „Schlafender Polizist“ nennt man in den USA jene Straßenschwellen, die den Bleifuß allzu schneller Autofahrer auf die Bremse zwingen – oder in den Graben, wenn er nicht rasch genug reagiert. In unserer Geschichte wird der tote Mann auf der Waldstraße zum Stolperstein, der vier bisher unbescholtene Menschen aus der Bahn wirft. (Ein „Copkiller“ glänzt dagegen durch völlige Abwesenheit; sehen lässt sich höchstens ein Killercop.) Das geschieht wie gesagt mit einer inhaltlichen und formalen Vehemenz, die den Leser bis zum genüsslich und künstlich übersteigerten Finale in Atem hält.

_Die Autoren_

„Jack Bailey“ ist ein Pseudonym des Autorengespanns Dale Bailey und Jack Slay, Jr.

Dale Bailey lehrt Englisch am Lenoir-Rhyne College in Hickory, US-Staat North Carolina. Schriftsteller ist er in seiner Freizeit, was sein noch relativ schmales Gesamtwerk erklärt. Bailey schreibt vor allem Kurzgeschichten, die den Genres Sciencefiction und Horror zuzuordnen sind. Elemente beider Genres finden sich auch in dem Roman „Sleeping Policeman“ (dt. „Copkiller“) wieder, den Bailey 2006 gemeinsam mit Jack Slay, Jr. unter dem Pseudonym „Jack Bailey“ verfasste. Über Themen der Weird Fiction schreibt er sekundärliterarische Artikel für diverse Magazine. Auskunft über seine Aktivitäten gibt Bailey auf seiner Website: http://www.dalebailey.com.

Jack Slay, Jr. hat bisher ausschließlich Kurzgeschichten sowie ein Sachbuch veröffentlicht. Auch er schreibt Essays über diverse Themen der modernen Unterhaltungsliteratur.

_Impressum_

Originaltitel: Sleeping Policeman (Urbana/Illinois : Golden Gryphon Press 2006)
Übersetzung: Helmut Gerstberger
Deutsche Erstausgabe: Mai 2009 (Wilhelm Heyne Verlag/Heyne Hardcore 67564)
352 Seiten
EUR 8,95
ISBN-13: 978-3-453-67564-3
Als eBook: Oktober 2009 (Wilhelm Heyne Verlag)
EUR 8,95
ISBN-13: 9-783-641-03258-6
http://www.heyne-hardcore.de
http://www.heyne.de

Deas, Stephen – Adamantpalast, Der (Drachenthron 1)

Königin Shezira macht sich auf den Weg nach Osten, um ihre jüngste Tochter Lystra an den Prinzen Jehal zu verheiraten. Im Gepäck das Brautgeschenk: Ein makellos weißer Drache samt Knappe. Doch während Shezira im Adamantpalast Halt macht, wird die Eskorte des Weißen angegriffen. Am Ende ist der kostbare Drache verschwunden.
Aber das Fehlen des Brautgeschenkes ist nur eine Sorge. Der Sprecher, oberste Autorität in einem Gebilde, das aus neun Königreichen mit je einem eigenen Souverän besteht, wird alle zehn Jahre neu gewählt, und diese Wahl steht kurz bevor. Doch die Nachfolge ist längst nicht so sicher, wie ursprünglich von allen erwartet. Und was hat es mit dem seltsamen Fläschchen auf sich, das auf einer einsamen Lichtung den Besitzer wechseln soll?

Shezira ist eine ehrgeizige und starke Persönlichkeit, allerdings kühl, distanziert und sachlich. Nicht, dass sie ihre drei Töchter nicht mag, doch das hindert sie nicht daran, zwei davon mit politischem Kalkül zu verheiraten. Immerhin aber ist Shezira ehrlich und steht zu ihrem Wort, was man von anderen nicht unbedingt behaupten kann.

Der noch amtierende Sprecher Hyram hat sich in einer alten Abmachung dazu verpflichtet, Shezira als seine Nachfolgerin vorzuschlagen. Doch Hyram ist ein schwacher Mann, der Jahre alte seelische Wunden noch immer nicht verkraftet hat. Das und die Tatsache, dass er seit einem Jahr zunehmend die Kontrolle über seinen Körper verliert, machen ihn angreifbar für Intrigen.

Auch Zafir hat eine Schwäche, und die heißt Jehal. Nicht, dass Zafir nicht ehrgeizig wäre, sie hat durchaus nichts dagegen, den Platz ihrer Mutter als Königin einzunehmen und ist auch beileibe nicht zimperlich, was die Methoden zur Erreichung dieses Zieles angeht. Doch aus eigenem Antrieb hätte sie sich die Mühe nicht gemacht. Dafür ist sie durchaus bereit, sich persönlich die Mühe zu machen und Jehals junge Braut aus dem Weg zu räumen, denn auf die ist sie unendlich eifersüchtig.

Jehal scheint derjenige zu sein, um den sich alles dreht. Er ist noch ehrgeiziger als Shezira und im Gegensatz zu ihr nicht im geringsten wählerisch in seinen Mitteln. Der gut aussehende und charmante Prinz ist sehr geschickt darin, andere um den Finger zu wickeln, vor allem Frauen, die er dann, wenn er sie nicht mehr braucht, einfach fallen lässt. Auch an Absprachen und Verträge hält er sich lediglich, so lange sie seinen Zielen dienen. Jehal will Sprecher werden, um jeden Preis und mit allen, wirklich allen Mitteln.

Wirklich sympatisch ist eigentlich nur Sheziras sture und ungebärdige Tochter Jaslyn mit ihrer Leidenschaft für Drachen. Jaslyn ist genauso unverblümt und ehrlich wie ihre Mutter, allerdings nicht so kaltherzig.

Im Grunde war die Charakterzeichnung ganz in Ordnung. Vor allem der schwächliche Hyram mit seiner Obsession für eine unerreichbare Frau und der skrupellose Jehal waren gut getroffen. So richtig mitfiebern kann der Leser allerdings mit niemandem, denn Jaslyn, die einzige, die sich als Sympathieträger anbietet, rückt erst gegen Ende des Buches etwas mehr in den Vordergrund und könnte noch einiges an zusätzlicher Intensität vertragen. Andere, wie der Knappe Kailin oder der Söldner Sollos, leben einfach nicht lang genug, um ein echtes eigenes Profil zu entwickeln.

Der Ort der Handlung ist nicht unbedingt spektakulär. Die Geographie besteht aus der üblichen Mischung Wüste-Gebirge-Meer, und das einzige, was den Handlungshintergrund von der Realität unterscheidet, ist die Existenz von Drachen und Magie. Die Magie stellt bisher lediglich eine winzige Randerscheinung dar. Nur zweimal tauchen kurz echte Magier auf, und nur in einem dieser beiden Fälle erfährt der Leser überhaupt, was der Magier tut. Wobei ich in diesem speziellen Fall die Alchemisten nicht zu den Magiern gezählt habe.

Bisher ist nicht ganz sicher, ob die Alchemisten bei ihrem Tun auch Magie einsetzen. Fest steht nur, dass sie die gezähmten Drachen mittels ihrer Tränke unter Kontrolle halten. Die Tiere sind sozusagen ununterbrochen zugedröhnt. Nur so ist es möglich, sie abzurichten und zu reiten. Diese Praxis ist schon ziemlich alt, und da nur aus etwa einem Drittel aller Dracheneier auch ein Drache ausschlüpft, sind Drachen ziemlich wertvoll. Sie werden sorgfältig gezüchtet und dementsprechend auch mit Stammbäumen versehen. Kein Wunder, dass Königin Shezira ihre Weiße unbedingt wiederhaben will. Und kein Wunder, dass der Alchemist, der den Suchtrupp begleitet, es so schrecklich eilig hat. Denn was wird wohl geschehen, wenn die Wirkung der Drachendrogen nach lässt?

Darauf erhält der Leser tatsächlich eine Antwort. Was allerdings vom Verlag angepriesen wurde als die „geheimnisvollsten, mächtigsten und gefährlichsten Geschöpfe der Fantasy“, wirkt vorerst noch ein wenig dünn. Denn alles, was von den Drachen selbst bisher zu hören ist, ist Rachsucht. Nur einige wenige Sätze lassen ein paar echte Informationen über die Drachen erahnen, doch die sind so spärlich und vage, dass sie nicht ausreichen, um ein deutliches Bild dieser Geschöpfe zu zeichnen. So bestehen die Drachen – zumindest im Augenblick – hauptsächlich aus Mordgier.

Das hat Konsequenzen.

Dass die Drachen vor allem damit beschäftigt sind, nach den Alchemisten zu suchen und dabei eine Menge Leichen zurücklassen – zu denen man noch diejenigen dazu zählen muss, die sie fressen! – lässt sie, zumindest was mein Interesse anging, ein gutes Stück in den Hintergrund treten. Die Intrigen und Ränkespiele im Zusammenhang mit der Sprecherwahl geben da wesentlich mehr her. Zafir ist auch ohne Jehal schon ein Miststück, und Jehal übertrifft sie darin noch. Beide zusammen sind schlicht gemeingefährlich. Was Jehal vor allem so erfolgreich macht, ist seine Indirektheit, er erreicht seine Ziele stets auf Umwegen und hat die unendliche Geduld einer lauernden Spinne. Zusätzlich interessant wird Jehals Intrigenspiel dadurch, dass er in seiner eitlen Selbstzufriedenheit nicht merkt, dass er ebenfalls benutzt wird.

Das ist der Punkt, der beide Handlungsstränge miteinander verbindet.

Nirgendwo wird erwähnt, wer die Eskorte des weißen Drachen überfallen hat und warum. Hätte der Angreifer den Drachen stehlen wollen, hätte er ihn wohl kaum entkommen lassen. Und wie hätte er ein solch ausgefallenes Tier auch verstecken sollen?

Und die Taiytakey von jenseits des Meeres, die Jehal ein so ausgefallenes Geschenk zur Hochzeit überreichen ließen? Jehal sagt selbst, dass die Taiytakey keine Geschenke machen, und diese bestreiten das nicht einmal. Was also wollen sie dafür? Jehal scheint es nicht zu interessieren, und das dürfte ein Fehler gewesen sein!

Und dann ist da auch noch das Fläschchen mit dem seltsamen Inhalt.

Der aufmerksame Leser merkt nur zu bald, dass die eigentliche Bedrohung von außerhalb kommt, auch wenn sie lediglich ganz am Rande auftaucht, und da sie alle so sehr mit ihren eigenen kleinlichen Machtkämpfen beschäftigt sind, fällt es natürlich keinem der Beteiligten auf.

Unterm Strich kann ich sagen, dass Stephen Deas mit „Der Drachenthron“ einen interessanten und verwickelten Roman abgeliefert hat. Die Charakterzeichnung ist nicht überragend intensiv, aber durchaus lebendig und glaubwürdig. Der Handlungsverlauf wirkt zwar durch die häufigen Szenen- und damit verbundenen Ortswechsel etwas sprunghaft, ich hatte aber keine allzu großen Probleme damit, das Ganze ist sauber aufgebaut und frei von Logikfehlern. Und auch wenn der Spannungsbogen nicht allzu straff gespannt ist, wird es nie wirklich langweilig. Allein die Tatsache, dass das Wesen der Drachen so eingleisig dargestellt ist, find ich schade. Hier hätte ich mir anstelle des vielen Bratens und Fressens etwas mehr Bandbreite und mehr Detailreichtum gewünscht, da darf sich noch einiges tun.

Stephen Deas ist Engländer und arbeitete nach einem abgeschlossenen Physikstudium in der Raumfahrttechnik, ehe er mit „Der Drachenthron“ seinen ersten Roman veröffentlichte. Seither ist er fleißig mit Schreiben beschäftigt. Im April erscheint in England der zweite Band der Trilogie Drachenreiche, außerdem im Herbst der erste Band einer weiteren Trilogie.

Broschiert: 591 Seiten
ISBN-13: 978-3453525306
Originaltitel: The Adamantine Palace
Übersetzt von Beate Brammertz

Stephen Deas.com
http://www.heyne.de

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

del Toro, Guillermo / Hogan, Chuck – Saat, Die

Ein Flugzeug aus Berlin befindet sich im Landeanflug auf New York. Pilot und Tower tauschen letzte Instruktionen aus, bevor die Maschine Kurs auf die Landebahn nimmt. Die Worte des Piloten, „ist doch immer wieder schön, nach Hause zu kommen“, sind die letzten, die gesprochen werden. Das Flugzeug landet planmäßig, doch danach bricht der Funkverkehr ab. Die Maschine hat sich offensichtlich komplett abgeschaltet – kein Licht, kein Funkverkehr, und auch keine panischen Anrufe von den Passagieren im Inneren. Sie steht einfach still und tot auf dem Rollfeld. Nachdem sich das Flughafenpersonal die Situation nicht erklären kann, schlagen sofort Notfallpläne an, schließlich geht man im Moment von einem terroristischen Anschlag aus – 9/11 ist gerade in New York immer noch gegenwärtig. Außerdem ruft man die CDC, die Seuchenschutzbehörde hinzu, schließlich könnte es auch sein, dass mit dem Flug irgendetwas Biologisches eingeschleppt wurde.

Und so tritt Ephraim Goodweather auf den Plan, der eigentlich ein Wochenende mit seinem Sohn verbringen wollte. Stattdessen findet er sich auf dem Flughafen wieder, wo er in voller Schutzmontur dabei ist, das Flugzeug zu betreten. Er und seine Kollegin können die Passagiere nur noch tot bergen – bis auf vier Ausnahmen, die sofort ins Krankenhaus zur Untersuchung geschafft werden. Der Rest der Insassen zeigt keinerlei Anzeichen eines Kampfes oder gar Angst. Alle scheinen so schnell gestorben zu sein, dass für derlei keine Zeit blieb.

Niemand kann sich auf diese seltsame Geschichte einen Reim machen. Zwar ist es verdächtig, dass sich im Frachtraum eine riesige, mit Erde gefüllte Holzkiste findet. Doch bevor man diese näher untersuchen kann, ist sie auch schon verschwunden. Und da man sich auch nicht in der Lage sieht, die vier Überlebenden unter Quarantäne zu stellen, sind die bald auf dem Weg zu ihren Familien. Ein fataler Fehler, wie sich schnell heraus stellt. Denn mit dem Flieger ist tatsächlich eine Seuche eingeschleppt worden – eine vampirische nämlich. Und während die Passagiere des Flugzeugs sich langsam in bluthungrige Untote verwandeln, verfolgt der Besitzer der Holzkiste offensichtlich eine größere Agenda. Und aufhalten können ihn nur Ephraim und seine Mannen.

„Die Saat“, der erste Teil einer Trilogie, stammt aus der Feder von Guillermo del Toro und Chuck Hogan. Wobei man natürlich nur spekulieren kann, wer wie viel Schreibarbeit übernommen hat, schließlich ist del Toro eher als Regisseur und Produzent bekannt geworden. Kein Zweifel allerdings besteht darüber, wer die zentralen Ideen für den Romanstoff geliefert hat. Das Buch ist eindeutig in del Toros Ideenwelt angesiedelt und es ist nicht schwer, Motive zu identifizieren, die del Toro auch in seinen Filmen immer wieder anzitiert. Besonders deutlich wird das, wenn man den Film [„Blade II“]http://www.powermetal.de/video/review-299.html kennt, bei dem del Toro seinerzeit Regie führte. Beim Lesen von „Die Saat“ fühlt man sich immer wieder an die mutierten Vampire aus „Blade II“ erinnert und es ist nahe liegend anzunehmen, dass del Toro dieses Romanprojekt dazu genutzt hat, Ideen, die er für den Film hatte, auszuformulieren und weiter zu führen. Allerdings bleibt er, wie in „Blade II“ auch, eher an der Oberfläche und konzentriert sich aufs Herumrennen und Abknallen, anstatt seinen Figuren Tiefe und Dreidimensionalität zu verleihen.

Sowohl im Film als auch im vorliegenden Buch sind Vampire weder romantisch noch anziehend. Stattdessen sind sie fast zombiehafte Kreaturen, die es nach Blut gelüstet – bei dessen Beschaffung sie selbstverständlich über Leichen gehen. Sie sind kahlköpfig, blass, haben rotglühende Augen und weisen einige physische Veränderungen auf. Denn Vampirismus ist eine hochansteckende Seuche, sie wird durch Kontakt mit dem Blut eines Vampirs übertragen. Wie ein Krebsgeschwür bilden sich daraufhin im Körper des Wirts neue Organe, während andere verkümmern.

Der Roman beginnt viel versprechend: Das gestrandete Flugzeug erscheint nach ein paar Seiten tatsächlich tot und verlassen und den Autoren gelingt es, eine unheimliche und bedrohliche Stimmung herauf zu beschwören. Auch als Leser weiß man in diesen Momenten noch nicht, wohin die Reise gehen wird. Alles ist ungewiss, und doch dräut das Unglück schon über der Handlung. Diese Szenen sind sehr atmosphärisch und bilden den frühen Höhepunkt des Romans. Dass es danach mit den Erzählkünsten und dem Spannungsbogen nur noch abwärts geht, lässt allerdings schnell Enttäuschung aufkommen. Die ohnehin eher schablonenartigen Hauptcharaktere verlieren sich in einem Wust von Nebencharakteren, Nebenschauplätzen und belanglosen Details.

Del Toro und Hogan haben ihr Buch als großes grauenerregendes Panorama angelegt, doch leider geht diese Rechnung nicht auf. Bei ihrem Versuch, dem Leser in Cinemascope-Manier viele einzelne Szenen zu präsentieren, um so das empfundene Grauen zu potenzieren, verlieren sie über weite Strecken den roten Faden der Handlung aus den Augen. Da wird zwanzig Seiten lang eine Sonnenfinsternis beschrieben, die für den weiteren Verlauf des Romans absolut nicht von Belang ist. Da wird wieder und wieder beschrieben, wie Vampire Menschen angreifen, die sich dann wiederum in Vampire verwandeln anstatt an einem gewissen Punkt einfach einen Schlussstrich zu ziehen und sich mit „und viele Menschen wurden gebissen“ zu begnügen. Da werden dem Protagonisten Eph zu allem Überfluss eine Scheidung und ein Sohn angedichtet, um beim Leser Sympathie hervorzurufen (eine billige Hollywood-Taktik, die eher dazu führt, dass man sich von Ephs zwischenmenschlichen Problemen zunehmend genervt fühlt).

Schlussendlich kann man sich nach der Lektüre des Eindrucks nicht erwehren, trotz der 520 Seiten nicht wirklich viel erfahren zu haben. Der Obervampir Sardu, Grund für die in New York ausbrechende Seuche, wird nur angerissen und bleibt mysteriös. Seine Motive bleiben im Dunkeln, ebenso wie die Frage, warum er Eph immer nur droht, anstatt ihn einfach ins Jenseits zu befördern (der alte Fehler aller billigen Fieslinge). Ebenso ergeht es dem Strippenzieher in den USA, einem Magnaten namens Eldritch Palmer, der zwar immer mal wieder im Roman vorkommt, aber ebenfalls keine tragende Rolle erhält. So fühlt sich „Die Saat“ wie ein besonders langer Prolog an, was der Roman angesichts der geplanten weiteren zwei Teile vielleicht auch ist. Doch stellt man den Roman für sich, lässt er einen unbefriedigt und mit zu vielen Fragen zurück.

Dabei hat das Autorenduo del Toro/Hogan einige interessante Ideen. So gibt es viele Anleihen sowohl bei Bram Stokers [„Dracula“ 210 als auch beim südosteuropäischen Volksglauben zum Thema Vampir. Wie das Flugzeug völlig ohne Lebenszeichen auf der Rollbahn strandet, erinnert stark an die Demeter, das Schiff, mit dem Dracula in Stokers Roman nach England reist, und das mit toter Mannschaft während eines Sturms in den Hafen von Whitby einläuft. Ebenfalls bei Stoker angelehnt ist die Figur des kautzigen, alten Vampirjägers Abraham (!) Setrakians, der in seiner Jugend in einem KZ bereits die Bekanntschaft Sardus machte und seitdem Vampiren den Kampf angesagt hat. Insgesamt können die guten Ideen und versteckten Anspielungen jedoch nicht über die offensichtlichen Längen des Romans hinweg täuschen. Der Roman lohnt sich somit vor allem wegen des wunderbar gelungenen Beginns. Der Rest, die Jagd auf die Vampire und der Versuch, die Seuche einzudämmen oder auszurotten, bleibt leider im Mittelmaß stecken.

Depp, Daniel – Stadt der Verlierer

Manchen Schriftstellern ist es nicht vergönnt, nur durch ihre Bücher zu glänzen. Daniel Depp beispielsweise. Bei diesem Nachnamen dürfte bei Jedem ein Glöckchen klingeln. Tatsächlich ist Johnny Depp, der Filmschauspieler, der Bruder des Autors von „Stadt der Verlierer“ – was aber nur als Aufhänger für eine Einleitung dienen soll, denn Depps literarisches Debüt kann durchaus auf eigenen Beinen stehen.

David Spandau ist ehemaliger Stuntman in Hollywood, gelegentlicher Cowboy und hauptberuflicher Privatdetektiv bei einer angesehenen Detektei in L.A., die vor allem prominentes Klientel anzieht. Eines Tages bekommt Spandau, der zu den Besten zählt, den Auftrag, bei der Erpressung eines jungen Filmstars zu ermitteln. Bobby Dye, der sich vor allem mit Actionfilmen einen Namen gemacht hat, erhält Todesdrohungen.

Spandau merkt schnell, dass Bobby ihn an der Nase herum führt und sein Problem eigentlich ein ganz anderes ist. Richie Stella, ein kleinkrimineller Clubbesitzer und Drogendealer, hat Bobby in der Hand – und ihm gefällt es gar nicht, als Bobby Spandau als seinen Leibwächter engagiert. Gemeinsam mit seinem Freund Terry, einem irischen Frauenhelden, versucht Spandau über Stellas Buchhalterin an dessen Geschäftsgeheimnisse zu kommen. Eigentlich ein guter Plan, wenn man mal davon absieht, dass er komplett in die Hose geht …

„Stadt der Verlierer“ reiht sich in die Latte von Romanen ein, die häufig in Großstädten wie L.A. spielen und ziemlich coole und gleichzeitig innerlich zerrissene Personen als Hauptfiguren haben. Man denke dabei nur an „L.A. Confidential“ oder „Strahlend schöner Morgen“. Einen Preis für Innovation bekommen weder Depp selbst noch seine Hauptfigur. David Spandau entspricht ziemlich genau dem Bild des Cowboys der alten Schule, der vor Gewalt nicht zurückschreckt, aber dennoch Manieren und Prinzipien hat – und natürlich stets einen frechen Spruch auf der Lippe. Immerhin versteht es Depp, genau dieses doch etwas klischeehafte Bild gut auszufüllen und ihm sogar ein paar eigene Fassetten hinzu zu fügen. Spandau überrascht an der einen oder anderen Stelle durchaus, wenn er beispielsweise von seinem früheren Job als Stuntman erzählt oder aber über seine geschiedene Ehefrau redet. Auch die Brutalität, die man vielleicht erwartet, hält sich in Grenzen. David Spandau ist damit ein gut ausgearbeiteter Charakter, der vor allem denen gefallen wird, die allgemein gerne derartige Literatur lesen und auf raubeinige, aber charmante Helden stehen.

Demnach ist „Stadt der Verlierer“ doch eher ein Männerbuch. Abgesehen von der Hauptfigur ist auch die Handlung recht „männlich“. Sie ist nüchtern, knapp gehalten und lebt durch bissige Dialoge und die eine oder andere Actioneinlage. Manchmal hat die Geschichte etwas von einem Western, dann eher etwas von einer witzigen Krimikomödie. Depp arbeitet auch als Drehbuchautor und er versteht es tatsächlich, eine überaus unterhaltsame, abwechslungsreiche Geschichte zu schreiben. Die Handlung tangiert dabei verschiedene Bereiche. Zum Einen vermittelt sie dem Leser ein gewisses Bild von L.A., der Stadt der Loser. Dieses ist nicht immer positiv. Der Autor nimmt Hollywood etwas von seinem Glanz, wenn er die Schauspieler aus Spandaus Augen betrachtet und sie dabei alles andere als freundlich, strahlend und berühmt aussehen lässt. Daneben legt er besonderes Augenmerk auf das Nebeneinander von Reichtum und Armut, ohne dabei letzteres pathetisch darzustellen. Er berichtet außerdem über die kriminellen Geflechte in der Stadt und wie gefährlich es sein kann, sich mit diesen einzulassen. Leider hinkt die eigentliche Handlung dabei hinterher. Während die Kulisse bunt und vielfältig ist, fehlt es an Spannung, Dramatik und einem richtigen Höhepunkt. Die Erpressung von Bobby Dye wirkt von Anfang an belanglos. Die Geschichte zündet nie richtig, sondern lebt tatsächlich hauptsächlich durch die Beschreibungen.

Die sind allerdings gelungen. Daniel Depp schreibt das Buch genau so, wie man es sich vorstellt. Lakonisch, nüchtern, aber doch stets pointiert erzählt er aus der dritten Person mit wechselnden Erzählern. Er schafft es dabei, jedem der Charaktere, aus deren Sicht er schreibt, eine eigene Stimme zu geben. Die Dialoge sind manchmal derbe, aber nie wirklich ausfallend, und ein gewisser trockener Witz sowie die eine oder andere sprachliche Spitze gegen die Stadt der Engel runden das Gesamtbild ab.

„Stadt der Verlierer“ ist damit kein schlechtes Buch, aber eines, dass hätte besser sein können. Während Hauptfiguren und Sprache den Leser fesseln, fehlt es der Handlung an Substanz. Dass Daniel Depp gerade am nächsten Roman mit Spandau in der Hauptrolle schreibt, lässt jedoch hoffen, dass der Autor diesen Fehler ausmerzen wird.

|Originaltitel: Losers‘ Town
Aus dem Englischen von Regina Rawlinson
317 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3570100134|
http://www.cbertelsmann.de

Palmatier, Joshua – Regentin, Die (Der Geisterthron 2)

_Der Geisterthron_
Band 1: [Die Assassine 6031

Zum ersten Mal in der Geschichte Amenkors gibt es eine ehemalige Regentin. Obwohl Varis Eryn nicht ganz vertraut, ist ihre Vorgängerin dennoch ein wertvoller Informationsquell, außerdem ist sie die einzige, von der Varis lernen kann, den Fluss besser zu beherrschen. Und das ist bitter nötig. Denn nicht nur die verheerende Versorgungslage der Stadt macht Varis zu schaffen. Eine Vision von der Zerstörung der Stadt hat sie heimgesucht, doch die Richtung, aus der die Gefahr droht, blieb verborgen. Dann werden Teile eines Schiffswracks an die Küste gespült, und darauf finden sich einige seltsame Spuren …

Varis wächst erstaunlich schnell in ihre neue Rolle hinein und entwickelt ein ausgeprägtes Durchsetzungsvermögen sowie eine wachsende Zielstrebigkeit. Ihre Gefühle bleiben dabei jedoch eher vage. Gelegentlich empfindet sie Unsicherheit, manchmal auch Angst, jedoch überwiegen Zorn und einen überaus starken Beschützerinstinkt. Dabei steht fast immer die Stadt als Ganzes im Zentrum, persönlichere Beziehungen wie die zu Erick oder gar zu William machen lediglich einen Hauch ihrer Persönlichkeit aus.

Die übrigen Figuren bleiben nach wie vor blass. Allein von Eryn erfährt man ein paar persönliche Details; der Oberhofmarschall Avrell, die junge Marielle sowie die Hauptleute Baill, Catrell und Westen bleiben lediglich grobe Skizzen. Selbst die Person Ericks, der Varis von allen Hofleuten am nächsten steht, wurde nicht weiter vertieft.

Die Handlung dagegen ist tatsächlich vielschichtiger geworden. Auch diesmal lässt der Autor es zunächst etwas langsamer angehen, lässt Varis sich erst einmal an ihre neue Rolle gewöhnen, während er den Leser mit den neuen Charakteren bekannt macht, die in diesem Band eine Rolle spielen. Doch da Varis sich wie gesagt recht schnell anpasst, nimmt die Handlung schon bald Fahrt auf.

Dabei baut Joshua Palmatier seine Probleme stufenartig auf. Zwar kommt die Vision von der Zerstörung der Stadt schon recht früh, dennoch widmet sich der Verlauf der Geschichte zunächst dem Problem der Nahrungsversorgung. Kaum ist dies nach einigen Aufwand gelöst, stellt sich heraus, dass immer wieder Kisten und Fässer spurlos verschwinden, dazu kommt das Auftauchen der Wrackteile. Beide Stränge wachsen trotz aller Bemühungen immer weiter an, bis Varis irgendwann vor einem einzigen riesigen Problemberg steht.
Das hat durchaus auch steigende Spannung zur Folge. Obwohl ich schon früh ahnte, wer hinter den verschwundenen Lebensmitteln stecken muss, war ich doch überrascht, welchen Weg die Waren letztlich genommen haben. Das warf allerdings die Frage auf, welche Motive der Dieb für seine Tat gehabt haben mochte. Die magere Ausarbeitung der Nebencharaktere gibt darauf leider keine Antwort.

Auch die Bedrohung von außen, die bereits im ersten Band – in der Entstehungsgeschichte des Thrones – gestreift wurde, hat jetzt ein Gesicht bekommen. Es ist ein interessantes, aber auch recht gnadenloses Gesicht. Immerhin wird hier die Motivation hinter den Angriffen auf Amenkor deutlich, was den Gegner allerdings nicht unbedingt viel menschlicher wirken lässt. Der Showdown ist dann ein überraschend kurzes, aber auch überraschendes Spektakel mit einem Ende, das ich so überhaupt nicht erwartet hätte.

Insgesamt hat mir der zweite Band wesentlich besser gefallen als der erste. Zwar geht es auch diesmal ziemlich blutig zu, immerhin wird Amenkor angegriffen. Diese Szenen beschränkten sich jedoch auf ein relativ kurzes Seegefecht und die Schlacht um die Stadt, sodass sich nicht wie im ersten Band eine Blutspur durch das gesamte Buch zieht. Statt dessen hat der Autor den Blickwinkel mehr auf Intrigen und Verrat gerichtet und dabei tatsächlich einige Haken geschlagen, um den Leser zunächst auf eine falsche Spur zu locken, was die Handlung weniger linear und weniger vorhersehbar gestaltet. Einziger Schönheitsfehler im Handlungsverlauf ist ein logischer Knacks im Zusammenhang mit der Entdeckung, wohin die gestohlenen Lebensmittel verschwunden sind.
Schade nur, dass die Charakterzeichnung so wenig plastisch ausfällt. Nicht nur die Motive des Diebes, auch die des feindlichen Priesters sind schlicht nicht vorhanden. Die Szenen im Zusammenhang mit der gegnerischen Kultur sind nur kurze Rückblenden, und der Zeitpunkt dieser Erinnerung nicht geeignet, um mehr als einen Grund für die Invasion der Fremden zu bieten. Alles andere bleibt lediglich eine vage Andeutung. Ich gehe mal davon aus, dass der Autor sich die Details über die Fremden, ihre inneren Machtkämpfe und ihren kulturellen Hintergrund für den dritten Band aufgehoben hat.

Zumindest hoffe ich das. Denn die bisherigen Informationen sind noch zu spärlich, um eine eigene Wirkung zu erzielen, sie erscheinen vorerst noch ein wenig wie ein Abklatsch Polynesiens. Auch die Charakterzeichnung dürfte für meinen Geschmack noch etwas eindringlicher und lebendiger werden, allerdings hege ich in dieser Richtung eher wenig Hoffnung, immerhin hat sich diesbezüglich im Vergleich zum ersten Band nicht viel getan.

Nun, immerhin sind meine Hoffnungen, die ich nach dem Lesen des ersten Bandes für den zweiten hegte, alle erfüllt worden. Vielleicht klappt das ja auch für den dritten Band.

Joshua Palmatier ist eigentlich Dozent für Mathematik an der Universität von Oneonta im Staat New York, schreibt aber schon, seit er in der Schule eine fantastische Kurzgeschichte auf bekam. „Die Assassine“ ist sein erster Roman und der Auftakt zur |Geisterthron|-Trilogie, die auf englisch bereits komplett erschienen ist. Auf Deutsch erscheint der dritte Band im Juni diesen Jahres unter dem Titel „Die Kämpferin“. Der Autor schreibt derweil am ersten Band seines nächsten Zyklus.

|Broschiert: 512 Seiten
ISBN-13: 978-3785760185
Originaltitel: |The Cracked Throne
http://www.luebbe.de

Grisham, John – Anwalt, Der

Wer damit beginnt, an der Universität Jura zu studieren, hat zumeist die Gerechtigkeit im Blick. Voller Ideale und guter Vorsätze spricht man gerne von Gerechtigkeit. Vor Justitia sind alle Menschen gleich, ob arm oder reich, jung oder alt, egal welchen sozialen Standes oder welchen Beruf man ausübt. Schaut man hinter die Bühne der Gerichte mit ihren Gesetzen und Regeln, so sieht man eine ganz andere Welt, in der nichts einfach nur „gut“ oder „böse“ zu sein scheint, denn es gibt für Täter wie Opfer viele Abstufungen, Ausnahmen und Interpretationen von Recht und Gerechtigkeit.

Als junger Student wird man intellektuell aufs Höchste gefordert, die Anforderungen sind brutal und die Quote der angehenden Juristen, die schon im Studium oder Examen scheitern, ist hoch (noch in den beiden Abschlussexamen scheitern in Deutschland mehr als ein Drittel der Rechtswissenschaftsstudenten). Wer das Glück oder Unglück hat, anschließend in einer Kanzlei zu arbeiten, wird oft ausgenutzt, unter Druck gesetzt und nicht selten ist ein Arbeitstag 14 oder mehr Stunden lang.

Der Preis für Erfolg kann manchmal ein Pakt mit dem Teufel sein, und viele Studenten schlagen hart auf dem Boden der Tatsachen auf, wenn sie merken, dass Gesetze erheblich interpretierbar sind. Ethik und Moral präsentieren sich dann zum Schlussverkauf.

John Grisham schildert in seinem Roman „Der Anwalt“ die rechtswissenschaftliche Knochenmühle, die Arbeitsbedingungen und Anforderungen in einer amerikanischen Kanzlei, in welcher der junge Anwalt Kyle McAvoy an seine Grenzen getrieben wird.

_Inhalt_

Kyle McAvoy, erfolgreicher und vielversprechender Jurastudent, hat eigentlich eine brillante Karriere vor sich. Schon jetzt, kurz vor seinem Studienabschluss, hat er mehrere Angebote hoch renommierter und bekannter Kanzleien bekommen, die für ihn Prestige, Geld und Absicherung bedeuten und damit eine sichere Zukunft garantieren können.

Doch als er unerwarteten Besuch von einem FBI-Agenten bekommt, der ihn mit seinen „Jugendsünden“ vor fünf Jahren konfrontiert, bekommt Kyles Traumgebilde tiefe Risse. Damals wurde gegen ihn und drei seiner studentischen Freunde wegen einer angeblichen Vergewaltigung ermittelt. Es kam aber nicht zur Anklage und die Geschichte geriet in Vergessenheit, und so hat Kyle diese Nacht geistig verdrängt. Doch der ermittelnde Beamte zeigt Kyle ein belastendes Video der Nacht, was zwar viel Raum für etwaige Interpretationen lässt, dennoch aber so viel Schmutz aufwirbeln könnte, dass an eine juristische Karriere nicht mehr zu denken wäre.

In eine Ecke ohne Ausweg gedrängt, offenbart sich der mutmaßliche Erpresser nicht als FBI-Agent, sondern als ein skrupelloser Verbrecher, dessen Ziel es ist, Kyle in einer der wichtigsten und einflussreichsten Kanzleien als Spion einzusetzen, um dort einen Prozess zwischen zwei Rüstungskontrahenten zu beobachten und natürlich um wichtige Dokumente auszuspionieren und weiterzuleiten.

Im Grunde hat Kyle keine Chance, die ihm als Alternative verbleibt. Lässt er sich nicht erpressen, wird das Video veröffentlicht und er kann sich von seiner vielversprechenden juristischen Karriere verabschieden; lässt er sich darauf ein, Dokumente und Informationen weiterzuleiten, die als streng vertraulich oder gar geheim gelten, so verstößt er gegen alle ausgesprochenen und unausgesprochenen ethischen und moralischen Grundsätze und Ideale, an die bisher geglaubt hat.

Unter Protest und mit sehr schlechtem Gefühl akzeptiert er die Forderungen des Erpressers. Als er in die Kanzlei „Scully & Pershing“ zusammen mit anderen Elite-Studenten eintritt, verändert sich seine einst so beschauliche Welt in ein wahre Spionage-Geschichte. Kyles Wohnung wird verwanzt, sein Auto mit einem GPS-Sender versehen und sein Telefon sowie seine Mails werden kontrolliert. Und immer sind es zwei oder mehr mysteriöse Männer, die ihn überall observieren.

Sein neuer Job fordert ihn und seine Freunde täglich aufs Neue. Jeder Mitarbeiter möchte sich möglichst schnell bei den Partnern profilieren, um die Karriereleiter behände emporzuklettern, sie nehmen natürlich ihre Ausbeutung in Kauf und begeben sich damit in die brutalen Mühlen einer modernen Kanzlei, in der rücksichtslos nicht Gesetz und Recht vertreten werden, sondern in der es nur um Macht, Ansehen und vor allem Geld geht. Kyle arbeitet sich gut in der Kanzlei ein, und je näher der Prozesstermin rückt, desto mehr erhöhen sich der Druck der Erpresser sowie sein eigenes Schuldbewusstsein.

Wird Kyle einen Ausweg finden, ohne dass seine Freunde, die ebenfalls mit der eventuellen Veröffentlichung der Daten alles verlieren können, gefährdet werden? Die Eskalation wird unvermeidlich, erst recht, als einer seiner Freunde ermordet wird …

_Kritik_

John Grisham ist selbst ein erfolgreicher Anwalt gewesen, bevor er sich ganz dem Schreiben verpflichtete. Dass der Autor weiß, wovon er schreibt, fällt dem Leser sofort in den ersten Kapiteln auf.

Voller Ideale und Ideen begeben sich die jungen Studenten auf der Suche nach einer glorreichen und möglichst erfolgversprechenden Anstellung in die Ausbeutung durch bekannte und mächtige Kanzleien. Dort verlieren die Anwälte ihre idealistische Unschuld und lernen Stress und einen Egoismus kennen, der nur das Ziel hat, die Partner der Kanzlei mächtiger und reicher zu machen.

Anschaulich und sehr realistisch beschreibt der Autor die unmenschliche Erwartungshaltung, der sich ein Junganwalt stellen muss. Dass es hier Opfer gibt unter den Studenten, dass hier Stress und Schlafmangel im Vordergrund stehen, verschweigt der Autor keinesfalls. Als Leser hat man den Eindruck, dass Grisham mit allen Vorurteilen und Halbwahrheiten aufräumen möchte, und das gelingt ihm wirklich recht anschaulich. Nur ein kleiner Bruchteil der ehemaligen Studenten wird vielleicht Jahre später in die Elite der „Partner“ aufgenommen, ein größerer Anteil wird dem Druck nicht standhalten können und sich beruflich umorientieren oder ewig den Idealen hinterherjagen müssen.

„Der Anwalt“ beginnt absolut spannungsgeladen und packend. In den ersten Kapiteln wird Kyles Erpressung geschildert und ein Teil seiner Vergangenheit aufgerollt, so dass der Leser einen wirklich guten Einstieg bekommt. Danach ebbt die Handlung deutlich ab. Ein Spannungsbogen entsteht überhaupt nicht; zwar wird Kyle unter Druck gesetzt, aber nicht so immens, dass die Handlung dadurch an Dramatik hinzugewönne.

Kyle versucht verzweifelt, seinen Hals aus der Schlinge zu ziehen, sucht Hilfe bei einem Freund, der ebenfalls in der besagten Nacht ein mutmaßlicher Täter gewesen sein könnte, doch wirklich erfolgreich sind sie dabei nicht, das Problem zu ihren Gunsten zu lösen. Von Seite zu Seite, von Kapitel zu Kapitel zieht sich die Story weiter fort, und man hofft, dass sich die Handlung endlich entfaltet und einen Spannungsbogen offenbart. Man wartet vergeblich!

Einzig und allein die Schilderungen des täglichen Ablaufes in einer Kanzlei mit all ihren Anforderung, ihren Fallen und unmenschlichen Bedingungen sind interessant dargestellt. Hier hat sich John Grisham ein wenig verrannt und ist meilenweit vom eigentlichen Weg abgedriftet.

Außer Kyle zeigt kein Protagonist wirklich Profil, weder in der als Katalysator fungierenden Vergangenheit noch in der erwählten Gegenwart. Die Anzahl der Protagonisten bleibt überschaubar, die Handlung wird zumeist aus der Perspektive von Kyle geschildert, was der Abwechslung nicht wirklich gut tut. Mit jedem Kapitel häufen sich die Fragen immer mehr, so dass man gegen Ende quasi auf einen wirklichen Berg davon steht, allerdings völlig allein gelassen, denn die Fragen werden keinesfalls beantwortet.

Der Showdown ist mehr als enttäuschend; von einigen Charakteren liest man nichts mehr, sie verschwinden einfach, und dabei waren sie nicht wirklich unwichtig. Auch Kyles Spionage-Job bleibt im Hintergrund; sicherlich, seine Wut und seine Hilflosigkeit treiben immer mal wieder an die Oberfläche, aber worum es wirklich in diesem Prozess geht, bleibt unvollständig geschildert.

_Fazit_

„Der Anwalt“ von John Grisham ist nur bedingt zu empfehlen. Wer hinter die Kulissen einer mächtigen Kanzlei blicken und sich über die Arbeitsbedingungen Aufschluss verschaffen möchte, für den wird der vorliegende Roman mit Sicherheit von großem Interesse sein. Wer allerdings eine abwechslungsreiche und spannend erzählte Story erwartet, wird hier bitter enttäuscht.

John Grishams Stil ist auch hier unverkennbar. Er ist noch immer ein wirklich guter Autor, aber dieser Roman ist inhaltlich sein schwächster. Selten habe ich ein Ende erlebt, das so viele Fragen einfach offen lässt. Selbst wenn man annimmt, dass es eine Fortsetzung geben könnte, so wüsste ich nicht, wo und vor allem wie der Autor diese Geschichte enden lassen möchte.

|Originaltitel: The Associate
Originalverlag: Doubleday
Aus dem Amerikanischen von Imke Walsh-Araya, Bea Reiter, Bernhard Liesen, Kristiana Dorn-Ruhl
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 448 Seiten
ISBN-13: 978-3-453-26615-5|
http://www.heyne.de
[Buchtrailer]http://www.randomhouse.de/webarticle/webarticle.jsp?aid=8684&mid=3458
http://www.jgrisham.com/

_Mehr von John Grisham auf |Buchwurm.info|:_
[„Der Richter“ 23
[„Der Richter“ 284 (Hörbuch)
[„Die Bruderschaft“ 24
[„Die Bruderschaft“ 287 (Hörbuch)
[„Das Urteil“ 182 (Hörbuch)
[„Die Schuld“ 283 (Hörbuch)
[„Der Verrat“ 286 (Hörbuch)
[„Das Testament“ 288 (Hörbuch)
[„Das Fest“ 292 (Hörbuch)
[„Die Liste“ 336 (Hörbuch)

Arleston, Christophe & Latil, Dominique (Autoren) / Labrosse, Thierry (Zeichner) – Morea 5: Die Flamme der Finsternis

Band 1: [„Das Blut der Engel“ 4350
Band 2: [„Das Rückgrat des Drachen“ 4561
Band 3: [„Das Feuer der Zeit“ 5028
Band 4: [„Der Duft der Ewigkeit“ 5275

_Story:_

Als Moreas unsterblicher Butler Jeeves von einer sonderbaren Miliz erfährt, die in einigen afrikanischen Staaten gewaltsam das Regime stürzen will und dabei scheinbar auch mit dem DWC-Vize Gregor Nonce in Verbindung steht, entsendet der vermeintliche Hausdiener seinem rothaarigen Schützling eine Nachricht mit dem nächsten Auftrag. Doch die Botschaft kommt nicht rechtzeitig an, denn der Privatjet der reichen Erbin wird mitsamt Besatzung über dem afrikanischen Luftraum vom Himmel geschossen.

Morea und ihre Gefährten überstehen den Absturz mit einigen Blessuren und erfahren auf ihrem Trip durch die Steppe vom Rebellenführer Mupata, dessen teuflischer Plan tausende von Menschenleben kosten soll. Doch der Versuch, die Rebellen zu stürzen und sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen, wird schon im Keim erstickt. Lediglich der kompromisslose Ritter Terkio scheint noch eine Idee dazu zu haben, mit welchen Mitteln Mupata in die Schranken zu weisen ist …

_Persönlicher Eindruck:_

Ende des ersten Zyklus – eine fatale Botschaft für die „Morea“-Fangemeinde, die sehnlichst darauf gewartet hat, dass sich der Konflikt zwischen Engeln und Drachen zuspitzt und das Überirdische, das die Serie bislang immer nur im Hintergrund ausgetragen hat, langsam aber sicher einmal zum Kernthema werden würde. „Die Flamme der Finsternis“, die fünfte Episode der Comic-Serie, bietet diesbezüglich dann auch kaum Befriedigendes, wenn man mal von der Tatsache absieht, dass Morea und Terkio gleich mehrfach von den Toten auferstehen. Doch den urzeitlichen Konflikt, den die beiden Parteien der Unsterblichen zu bewältigen haben, schneidet Arleston in seinem vorläufig letzten Beitrag nicht mehr an.

Stattdessen gibt es zum Grand Finale noch einmal Comic-Action-Feinkost der ganz besonderen Sorte, liebevoll inszeniert, humorvoll arrangiert, aber auch knallhart umgesetzt. Die Action steht in „Die Flamme der Finsternis“ deutlicher denn je im Zentrum, wird durch Schusswechsel, ziemlich brutale Nahkampfaktionen und stilechtes Gemetzel zusätzlich genährt, führt aber erstmals auch dazu, dass die Jugendfreigabe der Serie in Grenzbereiche vorstößt. Die Szene, in der eine Kettensäge als Mordwaffe instrumentalisiert wird, ist jedenfalls in diesem Zusammenhang grenzwertig.

Inhaltlich wiederum bleibt das Niveau konstant hoch, sicherlich auch durch das hohe Tempo bedingt, vor allem aber forciert von den steten Wechseln in der Story, in deren Mittelpunkt still und heimlich nun auch Jeeves rückt, der im letzten Band zwar schon einen großen Auftritt hatte, sich nun aber immer mehr als Fadenzieher entpuppt – leider aber erst zum Abschluss dieses Zyklus. Außerdem hat Arleston noch einmal alles in den Plot hineingepackt, was für die Serie bislang von Bedeutung war: die ständige Rangelei um den Führungsposten in der DWC, die eigenartigen Liebeleien der Titelheldin, das vorlaute Mundwerk von Terkio, dazu der stete Kampf gegen einige gefährliche Untergrundorganisationen und natürlich die beispielhaft ausgearbeitete Interaktion der Hauptdarsteller, wobei man an dieser Stelle sagen muss, dass der stets unsensible Terkio der Titelfigur in der letzten Runde noch die Show zu stehlen droht.

Doch gerade dies ist auch eine der nicht zu verachtenden Stärken dieser Serie: Sie wird nicht bloß von einer Figur getragen, sondern verteilt die Last auf mehrere Schultern, die wiederum auch allesamt dazu imstande sind, ihre Verantwortung als Protagonisten zu tragen. Insofern ist es schade, dass dieser Zyklus nun hier ein überraschend schnelles Ende findet, gerade auch deshalb, weil der abschließende Part die bisherigen Ereignisse mit einem starken Action-Plot krönt. Doch die Hoffnung, dass es hier schon sehr bald Nachschlag gibt, ist sicher nicht unberechtigt, da die Geschichte ihr Potenzial bei weitem noch nicht ausgeschöpft hat und Arleston und seine Gehilfen mit Sicherheit wissen, was für einen Brocken sie hier geschaffen haben. Also, danke für fünf starke Comics und Blick voraus zur nächsten Edition!

|Originaltitel: Morea – La brûlure des ténèbres
47 Farbseiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-939823-94-0|
http://www.splitter-verlag.de

Kristof Magnusson – Das war ich nicht

|Paartherapeuten betonen oft, wie wichtig ein gemeinsames Hobby für die Beziehung sei. Eine Sportart, ein Garten oder Kinder; ein Hobby, das bleibt, wenn die Liebe gegangen ist. Auch Arthur und ich hatten etwas, das wir gern gemeinsam taten: Wir rauchten.|

So bitter lautet Meikes Resümee ihrer Beziehung zu Arthur. Zeit für sie also, ihre Zelte in Hamburg abzubrechen, sang- und klanglos aus der gemeinsamen Wohnung zu verschwinden und sich auf dem Land ein neues Leben aufzubauen. Als Übersetzerin ist sie räumlich nicht gebunden, und ihre so genannten Freunde gehen ihr längst gehörig auf den Keks. Allerdings ist das neue Leben auf dem Dorf auch nicht Friede, Freude, Eierkuchen, denn im neuen Haus funktioniert die Heizung nicht und das Manuskript ihres Lieblingsautors Henry LaMarck lässt komischerweise auf sich warten. Und da Meike nichts zu übersetzen hat, bleibt ihr genügend Zeit, über sich und ihr Leben zu philosophieren.

Jasper ist jung und erfolgreich. In der Bank ist er vom Back Office aufgestiegen zu den Futures und Optionen. Nur leider handelt er kleine Aufträge, die Karriereleiter hält also noch einige Stufen für ihn bereit. Als sein Kollege eines Tages gefeuert wird, wittert Jasper seine Chance. Er spekuliert auf eigene Faust und – gewinnt. Jedenfalls zunächst. Anschließend drehen sich die Kurse und Jaspers Verluste wachsen schneller, als er gucken kann.

Bestsellerautor Henry LaMarck plagen derweil andere Sorgen: Unvorsichtiger Weise hat er in einer Talkshow angedeutet, einen Roman über den 11. September schreiben zu wollen. Und nun erwartet jedermann einen Jahrhundertroman von ihm. Der Abgabetermin für sein Manuskript ist längst überfällig – sonst würde Meike im entfernten Norddeutschland schließlich nicht auf den zu übersetzenden Roman warten -, doch was niemand ahnt: Henry hat noch keine einzige Zeile geschrieben … Dann aber sieht Henry ein Bild in der Zeitung, von einem jungen Investmentbanker – Jasper – das ihn so sehr inspiriert und fasziniert, dass er den jungen Mann unbedingt treffen muss. So lauert er Jasper vor dessen Bank in Chicago auf.

_Drei Schicksale_

Kristof Magnusson erzählt die Geschichte dreier Menschen, die zunächst nichts bzw. nur wenig miteinander zu tun haben. Doch im Laufe der Zeit verstricken sich ihre einzelnen Schicksale immer mehr ineinander. Meike macht sich in Chicago auf die Suche nach Henry LaMarck, um ihn zur Abgabe seines Manuskripts zu bewegen und trifft dort zufälliger Weise auf Jasper. Den wiederum sucht Henry LaMarck Hände ringend, da Jasper zu seiner Inspiration, seiner Muse, werden soll. Und schon verändert sich das Leben aller drei Menschen auf eine Art und Weise, wie niemand das hätte vorausahnen können.

Dabei beginnt Kristof Magnusson zunächst mit einer recht nüchternen Vorstellung seiner Protagonisten, sodass man in den ersten Kapiteln noch keinerlei Zusammenhang erkennen kann. Aber das ändert sich bald, wenn die Ereignisse erst einmal ins Rollen gekommen sind. Dann wiederum kann man das Buch praktisch nicht mehr aus der Hand legen, da die Handlung immer abstruser wird, die Ereignisse sich praktisch überschlagen und man einfach wissen muss, wie Magnusson dieses Wirrwarrr bloß auflösen will.

Das Buch entwickelt einen regelrechten Sog, das Erzähltempo steigt immer mehr an, sodass ich das vorliegende Buch tatsächlich an einem Abend verschlingen musste, sonst hätte ich nicht ruhig schlafen können.

_Verrückt, verrückter, Magnusson_

Was Kristof Magnusson wie schon in seinem Roman „Zuhause“ auszeichnet, sind sein unglaubliches Sprachgefühl, seine lebhafte Fantasie und seine schrägen Charaktere. Der Autor kann sich darauf verlassen, dass er stets den richtigen Ton trifft, stets den richtigen Gag bringt und stets Wortwitz einstreut, wo er sich denn anbietet. Seine Schreibe ist einfach nur wunderbar, erfrischend, herrlich und genial. Was in Magnussons Erstling schon anklang, perfektioniert er hier, denn sein neuer Roman ist dermaßen abgefahren, lebendig und herzerfrischend komisch, dass er für mich schon jetzt zu den Entdeckungen des Jahres zählt.

Magnussons lebhafte Fantasie zeigt sich in erster Linie darin, dass er aus einer zunächst alltäglich erscheinenden Geschichte etwas so Abstruses zaubert, dass einem fast die Nackenhaare zu Berge stehen könnten, wären die Geschichten nicht gleichzeitig auch so komisch. Aus einer kleinen Fehlspekulation bei Jasper entwickelt sich nahezu eine weltweite Finanzkrise, und aus der Schreibkrise eines erfolgreichen Autors erwächst eine Dreierkonstellation, wie sie komplizierter kaum sein könnte. Denn Henry verliebt sich in Jasper, der wiederum wirft ein Auge auf Meike, die ihn wiederum aber überhaupt nicht ausstehen kann und nur darauf bedacht ist, Henry zur Abgabe seines Manuskripts zu bewegen. Hier spielen Eifersüchteleien eine Rolle, Fehlspekulationen und Missverständnisse, die schlussendlich dafür sorgen, dass drei Menschen an einem Scheideweg in ihrem Leben angekommen sind und sich völlig neu orientieren müssen.

So ist auch „Das war ich nicht“ wieder ein Roman über Menschen, die ihr Leben neu ordnen müssen, die ein neues Ziel brauchen, neue Freunde und eine neue Aufgabe. Am Ende des Buches ist für alle drei nichts mehr, wie es zu Beginn noch war. Und auch wenn für den einen oder anderen eine Welt zusammen brechen mag und er alles aufgeben muss, so lässt Kristof Magnusson seinen Roman doch positiv und hoffnungsvoll ausklingen, sodass man zufrieden und mit einem breiten Lächeln auf den Lippen zurück bleibt.

_Unbedingt lesen!_

Kristof Magnussons zweiten Roman |muss| man einfach lesen. Seine Charaktere sind so liebenswert chaotisch, so herrlich komisch und verzweifelt, dass man sie sofort ins Herz schließen muss – auch wenn sie so kauzig sind wie Henry LaMarck. Magnussons Schreibe muss man einfach lieben, beim Lesen fliegt man nur so über die Seiten, lacht lauthals los oder schmunzelt doch zumindest in sich hinein und amüsiert sich köstlich über Magnussons gute Beobachtungsgabe und seinen genialen Humor. An diesem Buch gibt es nichts auszusetzen – höchstens, dass es gefühlt viel zu kurz ist. Dafür verlockt es aber zum sofortigen nochmal Lesen. Dieses Buch macht einfach süchtig!

|Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
ISBN-13: 978-3888975820|
http://www.kunstmann.de

_Kristof Magnusson beim Buchwurm:_
[Zuhause 1699

Henry Wade – Tod auf der Treppe

Wade Tod Cover kleinDas geschieht:

Sir Garth Fratton gehört zu den großen Finanzmagnaten der Stadt London. Obwohl ihn das Alter und manche Zipperlein plagen, schlägt er die Ratschläge seines Arztes in den Wind und wird Vorstandsmitglied der noch jungen „Victory Finance Company“. Dort geht freilich nicht alles mit rechten Dingen zu, wie Fratton seinem besten Freund Leopold Hessel anvertraut. Bevor er jedoch in Details gehen kann, wird er während eines Spaziergangs von einem unbekannten Rüpel angerempelt. Nur Sekunden später bricht Sir Garth tot zusammen; die Autopsie ergibt, dass er durch das Platzen eines Aneurysmas – der krankhaften Ausweitung einer großen Ader – verblutet ist.

Frattons Tochter Inez lässt der tragische Tod des Vaters keine Ruhe. Sie lässt ein Inserat in die Zeitung setzen, dass den Rüpel auffordert, sich zu melden. Als Scotland Yard davon hört, wird der junge Inspektor Poole geschickt, um den ‚Unfall‘ vorsichtshalber noch einmal zu überprüfen. Pooles Nachforschungen sorgen für Unruhe und schließlich für die Exhumierung von Frattons Leiche, die in der Tat Spuren einer Mordattacke aufweist. Henry Wade – Tod auf der Treppe weiterlesen