Interview mit Andreas Eschbach

_Buchwurm.info:_
Wie geht es dir? Hoffentlich gut! Was machst du zurzeit?

_Andreas Eschbach:_
Danke der Nachfrage, es geht mir recht gut, und wie eigentlich immer schreibe ich gerade – diesmal ist es der nächste Jugendroman, der wieder im |Arena|-Verlag erscheinen wird. Mehr kann ich darüber aber, wie üblich, noch nicht verraten.

_Buchwurm.info:_
Wie jedes Jahr hast du deinen Roman rechtzeitig zur Frankfurter Buchmesse veröffentlicht – das lukrativste Podium hierzulande. Diesmal heißt der Roman [„Ein König für Deutschland“. 5856 Warum und wie kritisierst du darin das bestehende deutsche Wahlrecht?

_Andreas Eschbach:_
Ich kritisiere nicht das deutsche Wahlrecht, ich kritisiere in hoffentlich ebenso unmissverständlicher wie überzeugender Weise die Idee, Wahlen mithilfe von Computern abzuhalten. Mein Roman erzählt in zugegebenermaßen grotesker Weise – aber wie kann man anders über Politik schreiben als in der Form einer Groteske? -, was passieren könnte, wenn man das tut und mal wirklich ein paar Dinge schieflaufen.

Wobei der Roman, wenn ich es zu entscheiden gehabt hätte, wenigstens zwei Monate früher erschienen wäre, nicht erst zwei Wochen vor der Bundestagswahl. Aber so etwas entscheidet bekanntlich jeweils der Verlag.

_Buchwurm.info:_
Hoffst bzw. glaubst du, dass dein Roman ein klein wenig mehr zur Bewusstseinsbildung vor den Wahlen beigetragen hat? Schließlich hat die Piraten-Partei immerhin zwei Prozent errungen! Oder hatte deren Erfolg andere Gründe?

_Andreas Eschbach:_
Wem immer die Piraten-Partei das verdankt: Bestimmt nicht meinem Roman. Ich muss gestehen, ich weiß nicht mal, wofür die Piraten-Partei steht, und ehrlich gesagt finde ich eine politische Gruppierung, die sich so einen Namen gibt, suspekt. Was kommt als nächstes? Die Bankräuber-Partei? Die Panzerknacker-AG?

Was die Bewusstseinsbildung anbelangt, hatte ich eher den Eindruck einer gewissen Konvergenz zwischen dem allgemeinen und meinem persönlichen Denken, denn noch während ich an dem Roman geschrieben habe, hat das Bundesverfassungsgericht den Einsatz von Wahlcomputern verboten – zumindest mal die bisher verwendeten Geräte. Nachdem entsprechende Klagen in der Vergangenheit immer abgewiesen wurden, ist das zumindest ein Fortschritt.

_Buchwurm.info:_
In den Romanen „Ausgebrannt“, „Der Nobelpreis“ und „Eine Billion Dollar“ hast du ebenfalls reale Phänomene kritisch betrachtet. Ist als nächstes die Fußball-WM in Südafrika dran? Oder hat die strategische Themenauswahl andere Gründe und Zwecke? Wozu erzählt man?

_Andreas Eschbach:_
Ich erzähle, weil in mir eine Geschichte entstanden ist, die erzählt werden will. Und da ich ein Bewohner dieser Welt bin, sind es manchmal reale Begebenheiten, die die Entstehung einer Geschichte anregen. Die Abhängigkeit unseres alltäglichen Lebens von einem zur Neige gehenden, unersetzbaren Rohstoff wie dem Erdöl, zum Beispiel. Die Bedeutung des Geldes für unser Dasein. Und so weiter. Wenn das so aussieht, als wählte ich meine Themen »strategisch«, dann sieht das wirklich nur so aus. Ich habe jedenfalls keinen Zwanzigjahreskalender mit Jahrestagen, Olympischen Spielen und dergleichen an der Wand hängen, vor dem ich grüble, was wann ein »heißes Thema« werden könnte. Das würde auch gar nicht funktionieren.

Nein, es ist mein Ideen-Notizbuch, das jeweils bestimmt, was ich als nächstes schreibe. Diejenige Idee, die am weitesten gediehen ist, wird das nächste Projekt – ganz einfach.

_Buchwurm.info:_
Wie lange recherchierst du für so einen Roman – und wo bzw. womit? Wäre es nicht recht hilfreich, eine Uni in der Nähe zu haben?

_Andreas Eschbach:_
Och, ich habe eine Universität in der Nähe. Brest ist Universitätsstadt, die „Université de Bretagne Occidentale“ ist im Stadtbild unübersehbar. Das ist kein Problem. Überhaupt ist Recherche für mich kein Problem – wir leben schließlich im Informationszeitalter; wenn ich was rausfinden will, dann finde ich es auch heraus, und meistens dauert das nur ein paar Minuten und kostet nur ein paar Mausklicks.

Das Problem, das ich mit Recherche habe, ist, dass dieses Thema heutzutage wahnsinnig überbewertet wird. Wie oft lese ich „ein guter Roman, und so gut recherchiert!“ Das ist doch Stuss! Woher will ein Rezensent wissen, wie viel oder wie gut ein Autor recherchiert hat? Vielleicht hat er ja alles schon gewusst! Oder alles erfunden? Auch das wäre legitim, denn wenig ist für einen Roman unwichtiger als reale Fakten. Fakten können einen auf Ideen bringen, das stimmt. Und man nutzt bisweilen Fakten, um die geschilderte Handlung realistischer und damit packender erscheinen zu lassen. Aber das ist es dann auch schon. Ein Roman ist keine Reportage. Er ist Erfindung. Alles darin darf erfunden sein, und es kann trotzdem ein großartiger Roman sein. Umgekehrt kann ein Roman bis zum Hemdknopf der Hauptfigur und der Abfahrtszeit seines Zuges recherchiert und trotzdem grottenschlecht sein. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

Oder anders gesagt: Ich würde lieber für meine Phantasie gelobt als für meine Recherche.

_Buchwurm.info:_
Schreibst du lieber Romane als Erzählungen? Es gibt ja auch einen Storyband von dir, der den Titel „Eine unberührte Welt“ trägt.

_Andreas Eschbach:_
Richtig. Und die einfache Antwort lautet: Ja, ich schreibe lieber Romane. Es ist auch schon eine Weile her, seit ich das letzte Mal eine Story geschrieben habe. Ich schreibe lieber Romane, nicht zuletzt, weil ich das besser kann als Storys.

_Buchwurm.info:_
Du hast ja auch Romane für Jugendliche geschrieben, so etwa den fünfteiligen Marsprojekt-Zyklus, der sukzessive im Taschenbuch veröffentlicht wird. Wirst du diese Tradition fortführen?

_Andreas Eschbach:_
Na ja – das Wort „Tradition“ ist da jetzt vielleicht etwas stark. Ich schreibe eben ab und zu auch Romane für jugendliche Leser, aber das tue ich nicht, um irgendeine »Tradition« zu pflegen, sondern weil ich entsprechende Ideen habe. Solange ich die habe und man mich lässt, werde ich das vermutlich weiter machen.

_Buchwurm.info:_
Kannst du dir deine Romane und Erzählungen auch als Graphic Novel vorstellen?

_Andreas Eschbach:_
Ich kann mir viel vorstellen. Ist sozusagen mein Beruf.

_Buchwurm.info:_
Warum gibt es diese Grafikromane noch nicht?

_Andreas Eschbach:_
Weil das jemand anders machen muss, nicht ich. Sprich: Das ist eine Frage, die Du Comiczeichnern stellen musst.

_Buchwurm.info:_
Zurzeit kommen Multimedia-Romane auf, die dem Leser auch Videoclips im Internet liefern. Was hältst du von dieser Form der Literatur?

_Andreas Eschbach:_
Spielerei. Marketing-Gags. So was mag mal ganz lustig sein, aber die Zukunft des Romans ist es bestimmt nicht.

_Buchwurm.info:_
Hörbücher gibt es von deinen Mainstream- und Marsprojekt-Romanen sowie von zwei Storys („Eine Trilion Dollar“ und „Die Wiederentdeckung“). Würdest du dir auch Hörbücher von deinen ersten phantastischen Romanen wie „Die Haarteppichknüpfer“, „Solarstation“ und „Quest“ wünschen?

_Andreas Eschbach:_
Also – ich bin nicht der Hörbuchtyp. Mir würde nichts fehlen, gäbe es keine. Es sind andere, die sich Hörbücher wünschen, und warum sollte ich etwas dagegen haben? Aber meine eigenen Hörbücher sind die einzigen, die ich mir anhöre. Wobei ich finde, dass Ulrich Noethen, der schon „Ausgebrannt“ glänzend gelesen hat, sich im „König für Deutschland“ noch einmal übertrifft.

Was mir allerdings, um das auch mal loszuwerden, sauer aufstößt, ist, dass es immer mehr Rezensionen gibt, deren Verfasser mich in aller Öffentlichkeit kritisieren, ich hätte dieses oder jenes nicht erklärt oder zu Ende gebracht, und ich denke dann, wieso? Hab ich doch! Bis ich draufkomme, dass diese Leute sich nur das Hörbuch angehört haben, anstatt das Buch zu lesen. Und sich nicht klar machen, dass praktisch alle Hörbücher gekürzte Fassungen sind. Dass da mal was unter den Tisch fällt, sollte nicht überraschen.

_Buchwurm.info:_
Der amerikanische Markt ist für einen deutschen Autor von großer Bedeutung …

_Andreas Eschbach:_
Nein. Wie kommst du auf diese Idee? Der deutsche Markt ist für einen deutschen Autor von großer Bedeutung. Der amerikanische Markt kann sehr gut für sich selber sorgen.

_Buchwurm.info:_
Welchen Erfolg hast du denn jenseits des Großen Teiches? Orson Scott Card hat dich ja ebenfalls empfohlen.

_Andreas Eschbach:_
Ja, und ohne diese Empfehlung wäre nichts aus der amerikanischen Ausgabe der „Haarteppichknüpfer“ geworden. Die hat erstaunlich viele und vorwiegend sehr gute Kritiken erhalten – man könnte unbescheiden auch das Wort „enthusiastisch“ verwenden -, ich erhalte immer wieder Mails von Lesern aus den USA, Großbritannien oder Australien, die nach mehr fragen – aber leider waren die Verkaufszahlen offenbar nicht so, dass sich der Verlag zu weiteren Übersetzungen ermutigt gesehen hat.

Nichtsdestotrotz geht immer wieder was. Zurzeit bin ich in zwei Anthologien mit Kurzgeschichten vertreten. Und unabhängig davon bin ich grundsätzlich zuversichtlich, denn dass Bücher wie »Jesus Video« oder »One Trillion Dollars« in den USA unverkäuflich sein sollen, kann man sich ja nun beim besten Willen nicht vorstellen. Ich denke, es ist nur eine Frage der Zeit, bis ein Verleger drüben das merkt …

Okay, und natürlich ermutigt die aktuelle Krise niemanden zu Experimenten. Die amerikanischen Verlage schon gar nicht, die davon wesentlich [härter; Erg. d. Red.] getroffen worden sind als die europäischen.

_Buchwurm.info:_
Inspiriert dich deine Wahlheimat Bretagne nicht dazu, dich mal an einem Fantasyroman für Young Adults zu versuchen?

_Andreas Eschbach:_
Bis jetzt nicht. Aber man soll nie „nie“ sagen. Ich schon gar nicht …

_Buchwurm.info:_
Was sind deine liebsten Freizeitbeschäftigungen in der Bretagne (mal vom Reisen nach Übersee abgesehen)?

_Andreas Eschbach:_
Aber Michael! Du weißt doch genau, dass ein Schriftsteller keine Freizeit hat. Oder nur Freizeit, je nachdem. Wie ein Kriminalkommissar ist man immer im Dienst, Tag und Nacht,

_Buchwurm.info:_
Wagen wir einen Ausblick. Woran arbeitest du gerade? (Kreative Leute arbeiten ja immer an irgendetwas.)

_Andreas Eschbach:_
Das neue Jugendbuch, erster Band einer neuen Reihe, von der ich mir viel verspreche, habe ich ja schon erwähnt. Da liegt die Arbeit allerdings schon weitgehend hinter mir. Das Projekt, an dem ich gerade konzipiere, wird der nächste Roman bei |Lübbe| – und nein, er wird nicht von der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika handeln …

http://www.andreaseschbach.de

_Mehr von Andreas Eschbach auf |Buchwurm.info|:_

[Ein König für Deutschland 5856
[Der Nobelpreis 2060
[Ausgebrannt 3487
[Ausgebrannt – Hörbuch 4942
[Quest 1459
[Die Haarteppichknüpfer 1556
[Das Jesus-Video – Hörbuch 267
[Der letzte seiner Art 1250
[Der letzte seiner Art – Hörbuch 317
[Eine Billion Dollar 653
[Exponentialdrift 187
[Das Marsprojekt – Das ferne Leuchten (Bd. 1) 1102
[Das Marsprojekt – Die blauen Türme (Bd. 2) 1165
[Das Marsprojekt – Die gläsernen Höhlen (Bd. 3) 2484
[Das Marsprojekt – Die steinernen Schatten (Bd. 4) 4301
[Das Marsprojekt – Die schlafenden Hüter (Bd. 5) 5266
[Die seltene Gabe 1161
[Perfect Copy 1458

Remes, Ilkka – Operation: Ocean Emerald

In der Remes-Chronologie ist „Operation: Ocean Emerald“ eigentlich das Kriminal-Debüt seiner Jugendbuchserie. Nachdem die Eindrücke des Zweitwerks aus dieser Reihe jedoch nicht ganz so stark waren wie in den regulären Thriller-Werken des finnischen Bestseller-Autors, waren natürlich einige Zweifel angebracht, was die erste Geschichte um Hauptakteur Aaro Nortamo betrifft. Doch erstaunlicherweise fügen sich die Dinge im ersten jugendlichen Output viel harmonischer zusammen als in der etwas durchwachsenen Nachlese, so dass Chronologie-Brüchige sich nicht abhalten lassen sollten, auch hier mal einen Blick oder zwei zu riskieren!

_Story_

Eigentlich hätte alles so schön sein können: Nachdem Aaro und sein bereits erwachsener Freund Niko die Papiere einer französischen Touristin beim Fund eines rätselhaften Koffers aufspüren, beschließt das Duo, den Fund alsbald in Geld umzusetzen. Aaro erfährt, dass sich die Dame an Bord der |Ocean Emerald|, einem Kreuzfahrtschiff, das gerade in Helsinki angelegt hat, befinden soll, und schleust sich selbst auf dem Luxusliner ein, um die Prämie zu kassieren.

Doch bevor sich der Sohn des gewieften Interpol-Mitarbeiters Timo Nortamo versieht, gerät er in die Fänge einer Verbrecherorganisation, die Unmengen an Sprengstoff auf das Schiff geschafft hat und nun droht, es in die Luft zu sprengen. Mit ein wenig Geschickt gelingt es Aaro zwar, das Funkverbot zu umgehen und Timo eine Nachricht zu senden, aber mit jeder weiteren Seemeile, die die |Ocean Emerald| hinter sich lässt, gerät das Kreuzfahrtschiff mehr zur tickenden Zeitbombe – und niemand weiß wirklich, was die Bande im Schilde führt und welche Motive hinter dem angedrohten Anschlag stehen …

_Persönlicher Eindruck_

Obschon der Anfang von „Operation: Ocean Emerald“ ähnlich zäh verläuft wie im nachfolgend aufgelegten [„Schwarze Kobra“, 5937 erhält man viel schneller Zugang zu den Hauptcharakteren und lernt derweil auch, den zuletzt eher stumpf ausgearbeiteten Aaro Nortamo relativ bald in seiner Funktion als jugendlicher Hauptermittler und risikofreudiger Held zu akzeptieren – und zu schätzen. Der junge Nortamo handelt zwar manchmal kopflos und hat bei seinen riskanten Manövern auch immer das Quäntchen Glück, das in einem Erwachsenenroman sicherlich nicht so gebündelt auftreten würde, schafft es aber nun viel besser, die Handlung auf seinen Schultern zu tragen.

Remes spielt seinem Liebling diesmal aber auch viel bessere inhaltliche Pässe zu; die gesamte Situation wirkt bedrohlicher, einfach ernsthafter strukturiert, so dass man selbst in den flotteren, actionbetonten Passagen des Romans nicht ständig auf ein Happyend fixiert ist. Die Geschichte bekommt einige unberechenbare Züge, die unter anderem auch auf die akzentuierter ausgearbeiteten Wechsel zurückzuführen sind. Das Blatt wendet sich gleich mehrfach, und auch wenn man mit Aaro mitfiebert, sieht man sich als Leser immer wieder neuen Ausgangssituationen ausgesetzt, durch deren stete Brisanz das Spannungsniveau die gewohnten Remes-Höhen erreicht. Insofern ist bei „Operation: Ocean Emerald“ also schon mal alles im Lot.

Die Story selber bietet ein ganz anständiges Potenzial, wenngleich sie durch die jugendlichere Sprache und die nur geringfügig ausgeprägte Komplexität des Handlungsapparats natürlich noch einmal entschärft wird. Allerdings bekommt man nie den Eindruck, dass hier zunächst die Zielgruppe und erst dann die Story im Fokus stand, als das Manuskript erarbeitet wurde. Und dieser Punkt wirkt sich noch einmal zusätzlich auf die Harmonie aus, mit der die Story voran fließt, und die auch dafür bürgt, dass das komplette Konstrukt schlüssig und – vor dem Hintergrund eines Jugendbuchs – gleichzeitig knallhart ist! Gerade dieser harte finnische Akzent, den Remes in „Operation: Ocean Emerald“ kaum dezenter einarbeitet als in seinen brutaleren Thriller, ist es, der hier den Grundstein für ein typisches Werk dieses Autors legt und dessen gute Handschrift würdig vertritt. Na also, geht ja doch!

Vielleicht ist es daher auch gut, dass der Rezensent die beiden Jugendbücher aus Remes‘ Feder in der genannten Reihenfolge gelesen hat, denn anders herum wäre die Enttäuschung wohl zu groß gewesen. Fakt ist, und das zeigt „Operation: Ocean Emerald“ ganz deutlich, dass der finnische Star-Schreiber sich auch im Jugendbuch-Sektor heimisch fühlt und in seinem ersten Buch vor diesem Hintergrund gleich voll und ganz überzeugt!

http://www.ilkka-remes.de
http://www.dtv.de
http://www.ilkkaremes.com

_Mehr von Ilkka Remes auf |Buchwurm.info|:_

[„Das Erbe des Bösen“ 5468
[„Ewige Nacht“ 2039
[„Das Hiroshima-Tor“ 2619
[„Blutglocke“ 3911
[„Höllensturz“ 3951
[„Hochzeitsflug“ 5689
[„Schwarze Kobra“ 5937

Smith, Lisa J. – Jägerin der Dunkelheit (Night World 3)

_|Night World| beim Buchwurm:_

Band 1: [Engel der Verdammnis 6012
Band 2: [Prinz des Schattenreichs 6013

Die Reihe „Night World“ von Lisa J. Smith siedelt voneinander unabhängige Protagonisten in einer Welt an, die der unseren ähnelt, aber von übernatürlichen Wesen besiedelt ist. In „Jägerin der Dunkelheit“ sind es die Vampire, die im Vordergrund stehen – oder besser gesagt ihre Feindin, denn Rashel Jordan ist die wohl gefürchtetste Vampirjägerin in Amerika.

Seit Rashels Mutter getötet und ihr Bruder verschleppt worden ist, ist die Neunzehnjährige auf der Suche nach dem Vampir, der ihr das angetan hat. Bislang hat sie ihn noch nicht gefunden, doch dafür hat sie eine Menge anderer Blutsauger umgebracht und mit ihrem persönlichen Zeichen versehen, das ihr den Beinamen „Die Katze“ eingetragen hat. Obwohl sie meistens alleine arbeitet, schließt sie sich den Lancers an, einer Organisation von Vampirjägern.

Doch einer ihrer Einsätze geht schief. Nyala, die Neue bei den Lancern, wird von einem Vampir überwältigt und als Rashel ihr zur Hilfe eilt, lässt sie den Vampir auch noch laufen. Warum sie dies getan hat, weiß sie selbst nicht genau, denn Quinn war ihr noch nicht mal sympathisch. Oder doch? Immerhin hat er sie fast dazu gebracht, ihre Tarnung aufzugeben. Zum Glück nur fast, denn wenig später erfährt sie, dass eine Bande aus einem Untergrundclub junge Mädchen entführt. Als sie die naive Daphne aus den Händen der Kidnapper befreit, erhält sie neue Informationen, die es ihr ermöglichen, sich selbst als Köder in die Gruppe einzuschleusen. Dort macht sie eine schreckliche Entdeckung …

Von den drei Büchern der Reihe, die bislang in Deutschland veröffentlicht worden sind, ist „Jägerin der Dunkelheit“ das düsterste und erwachsenste – und damit auch das beste. Das Motiv der Vampirjägerin wird bei Smith zwar nur sehr oberflächlich abgehandelt und kann bei weitem nicht mit einigen Dark-Fantasy-Reihen der jüngeren Zeit mithalten. Das wiederum hängt hauptsächlich damit zusammen, dass Smith auch in diesem Buch den Fokus sehr stark auf die Liebesbeziehung zwischen Rashel und Quinn ausrichtet. Im Vergleich mit den vorherigen Büchern ist die Beziehung zwar dieses Mal wesentlich komplexer und weniger romantisch, hat aber das gleiche Ergebnis: Ewige, unbesiegbare Liebe. Wer auf echte Spannung und düsteren Horror steht, sollte daher die Finger von diesem Buch lassen, denn auf diesem Gebiet hat die Autorin nicht viel zu bieten.

Rashel ist mit großem Vorsprung die beste Hauptperson bis jetzt. Während Quinn dezent an Delos aus dem zweiten Band erinnert, sucht Rashel bislang ihresgleichen. Im Vergleich mit ähnlich gearteten Büchern ist sie sicherlich noch zu oberflächlich und wenig ausgearbeitet, aber durch den düsteren Touch der Geschichte wirkt sie wesentlich erdiger. Dass sie durch das Unglück in ihrer Kindheit getrieben wird, hätte zwar noch besser ausgearbeitet werden können, aber im Großen und Ganzen ist Rashel für ein Jugendbuch ganz in Ordnung.

An Smiths Schreibstil hat sich auch im dritten Buch nichts geändert. Er ist nach wie vor angenehm und leicht lesbar, aber nicht sonderlich originell. Doch wer weiß? Nachdem sich die Autorin bereits bei der Hauptfigur gesteigert hat, passiert sowas vielleicht auch noch bei ihrer Erzählweise.

„Jägerin der Dunkelheit“ ist ohne Frage das bislang interessanteste Buch in der Reihe. Im Vergleich mit ähnlichen Geschichten zieht es immer noch den Kürzeren, aber die Autorin hat sich gesteigert. Die düstere Seite der Geschichte erinnert schon eher an den Reihentitel und die Hauptfigur ist wesentlich erwachsener. In Anbetracht der Tatsache, dass die Autorin bislang in jedem Band andere Hauptfiguren einführt, ist es aber wohl leider so, dass Rashel dem geneigten Leser so schnell nicht wieder begegnen wird.

|Originaltitel: Night World – The Chosen
Aus dem Amerikanischen von Michaela Link
253 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3570306352|

http://www.cbt-jugendbuch.de

Barbery, Muriel – Eleganz des Igels, Die

Sind Igel elegant? Diese Frage stellt sich unweigerlich, wenn man den Roman „Die Eleganz des Igels“ von Muriel Barbery in die Hände bekommt. Eigentlich assoziiert man mit den stacheligen Tierchen nicht unbedingt Grazie, aber die französische Schriftstellerin zeigt in ihrer leichtfüßigen Geschichte, dass der Igel mehr kann als im Garten herum zu lungern. Zum Beispiel als gelungene Metapher dienen …

Die Geschichte spielt aus der Sicht zweier Hauptpersonen. Die eine ist die zynische, ältere Concierge Renée, die sich autodidaktisch gebildet hat. Sie ist unglaublich belesen und kennt sich auch mit Filmen sehr gut aus. Doch davon weiß niemand, denn in dem Glauben, dass sich Bildung für eine Concierge nicht ziemt, versteckt sie ihr Wissen hinter einer Schutzschicht aus sorgfältig zurechtgelegten Klischees. Nur ihr Kater Leo und ihre Freundin, die portugiesische Putzfrau Manuela, wissen von ihrer Brilianz.

In dem teuren Haus, das Renée betreut, wohnt die zwölfjährige Paloma, ein hochintelligentes, sehr nachdenkliches Mädchen. Es fällt ihr schwer, sich in die Gesellschaft einzufügen und sie verbringt die meiste Zeit damit, über das Leben nachzugrübeln und sowohl ihre wohlhabenden Eltern und ihr Gebaren als auch ihre oberflächliche große Schwester Colombe zu verachten. Weil sie nicht das Gefühl hat, dass das Leben etwas für sie zu bieten hat, hat sie sich vorgenommen, sich an ihrem 13. Geburtstag umzubringen. Vorher sucht sie jedoch nach etwas, das ihr vielleicht doch einen Grund gibt, um am Leben zu bleiben. Also studiert sie die Menschen um sich herum noch intensiver. Allerdings sieht es nicht so aus, dass das was bringt.

Doch dann zieht der Japaner Monsieur Ozu in das Haus ein und plötzlich steht die Welt der beiden unterschiedlichen Protagonisten, die sich noch gar nicht kennen, Kopf. Während Paloma von Anfang an ein brennendes Interesse an Monsieur Ozu zeigt, weil sie die japanische Kultur verehrt, stellt Renée sich anfangs so dumm wie immer. Doch bald merkt Monsieur Ozu, dass Renée keineswegs die unbedarfte Concierge ist, für die sie sich gibt …

Barbery gelingt das Kunststück, ein Buch mit wenig Handlung so zu erzählen, dass man es nicht aus der Hand legen möchte. Etwas Geduld muss man dafür allerdings mitbringen, denn die Autorin macht es ihren Lesern nicht immer leicht. Auch wenn ab der Mitte etwas mehr Aktion in die Handlung kommt, dreht sich das Buch zum Großteil um die Beobachtungen und Gedanken der Hauptpersonen. Diese steckt die Autorin in ein Korsett aus gehobener Sprache und ausdrucksstarken Stilmitteln. Ihre Beobachtungen sind auf den Punkt gebracht und regen zum Nachdenken an. Ab und zu fällt es schwer, den beiden Frauen zu folgen, doch daraus entsteht dem Leser kein Nachteil. Die wichtigen Stellen, vor allem in der Handlung, sind verständlich. Insgesamt hält die Autorin ein gutes Gleichgewicht zwischen den einfacheren Beschreibungen und den komplexeren Gedankengängen von Renée und Paloma.

Dadurch, dass sie aus der Ich-Perspektive der beiden schreibt, kommt der Leser den Protagonisten sehr nahe. Sie sind leicht zugänglich, da die Autorin sie letztendlich um ihre Haupteigenschaften herum aufbaut. Während Renée frustriert ist, weil sie ihre Bildung verstecken muss (obwohl sie sich dies selbst auferlegt hat), fühlt sich Paloma verloren und missverstanden. Diese beiden Attribute weiß Barbery sehr eindringlich darzustellen. Die beiden wachsen einem ans Herzen und ihre positive Entwicklung, die mit dem Auftreten von Monsieur Ozu in Gang kommt, ist geradezu eine Erleichterung. Palomas Verzweiflung und Renées Zynismus verschwinden, Unsicherheiten kommen ans Tageslicht. Die Autorin gibt ihren Personen Raum, sich zu entwickeln, was sie nur noch liebenswerter und authentischer macht und dem Buch, wie Le Figaro auf dem Buchrücken angibt, tatsächlich einen Hauch „modernes Märchen“ verpasst.

„Die Eleganz des Igels“ ist ein wunderbares, nicht immer ganz einfach zu lesendes Buch. Es regt zum Nachdenken an und glänzt durch ausgefallene Gedankengänge und die tollen Personen. Und die sprachliche Brillianz: Der Vergleich Renées mit einem kleinen, braunen Stacheltier bringt das Wesen der Concierge mit wenigen, kongenialen Worten auf den Punkt.

|Originaltitel:| L’Élégance du hérisson|
Aus dem Französischen von Gabriela Zehnder
364 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3423138147|

http://www.dtv.de

John Connolly – Der Kollektor [Charlie Parker 6]

Die Suche nach einem verschwundenen Arzt führt Privatdetektiv Parker in die Niederungen einer gut organisierten Päderasten-Bande, die sich ihres Verfolgers mit allen Mitteln zu erwehren sucht … – Das schwierige Thema wird düster und ein wenig zu bedeutungsschwanger aber gewohnt spannend und außergewöhnlich – auch Geister u. a. jenseitige Geschöpfe mischen sich ins Geschehen – dargeboten: kein Höhepunkt der Serie aber weiterhin überdurchschnittlich unterhaltsam.
John Connolly – Der Kollektor [Charlie Parker 6] weiterlesen

McKenzie, Grant – Stimme des Dämons, Die

_Der Autor_

Grant MKenzie, gebürtiger Schotte, später nach Kanada übergesiedelt und dort als Journalist tätig – nicht sonderlich spektakulär. Doch McKenzie hat auf dem so genannten ‚Deadbody Beat‘ gearbeitet und hatte die hässliche Aufgabe, bei rätselhaften Morden und brutalen Übergriffen als erster Pressemann an Ort und Stelle zu sein. Die Erfahrungen, die er dort in den vergangenen 25 Jahren hat machen dürfen und müssen, erwiesen sich letzten Endes auch als prägend für seine erste Romanarbeit. „Die Stimme des Dämons“ ist nun über den |Heyne|-Verlag auch für den deutschen Markt zugänglich gemacht worden.

_Story_

Für Sam White hätte es ein gewöhnlicher Feierabend werden sollen. Doch als der einstige Schauspieler und nun als Kaufhaus-Security tätige Familienvater nach seinem Nachtdienst nach Hause kommt, ist nichts mehr so, wie es einmal war. Dort, wo am letzten Abend noch sein Haus stand, ist ein riesiger Krater – und die beiden Leichen, die im Inneren gefunden werden, lassen darauf schließen, dass Sams Frau und Tochter während der Explosion ausgelöscht wurden.

Als Sam auf dem Polizeirevier realisiert, dass er vor dem absoluten Nichts steht, klingelt sein Handy. Ein verrückter Psychopath eröffnet ihm, dass seine Familie noch lebt und Sam sie wiedersehen darf, wenn er einige Aufträge für ihn erfüllt und ihm letzten Endes eine Million Dollar verschafft. Mit größtem Respekt vor den Folgen lässt sich White auf den schmutzigen Deal ein und lernt alsbald den ehemaligen Chirurgen Zack Parker kennen, der sich ihm als Partner anvertraut. Denn auch Zack wird vom den brutalen Killer bedroht und gezwungen, sein grausames Spiel mitzuspielen, über Leichen zu gehen und schier alles zu tun, nur um seine Familie wieder zurückzubekommen.

Als Parker und White schließlich kooperieren und ihre Blutspur durch den Untergrund von Portland ziehen, erwecken sie erneut das Interesse der Cops, die ihnen fortan auf den Fersen sind. Als das unfreiwillig zusammengewürfelte Team auf immer heftigeren Widerstand stößt und ihnen gleichzeitig auch die Zeit wegrennt, beschließen sie, in die Offensive zu gehen und ihren Jäger zu überlisten. Mit Hilfe eines Obdachlosen, der mit beiden die Highschool-Bank gedrückt hat, stoßen sie auf erste Spuren und entdecken schließlich, dass es nur allzu logisch ist, dass die Wahl auf sie fiel. Doch mit diesem Bewusstsein sind ihre Frauen und Kinder noch längst nicht gerettet …

_Persönlicher Eindruck_

„Die Stimme des Dämons“ dürfte ein Psycho-Thriller ganz im Geiste des legendären John Saul sein, der nicht nur einmal die seelischen Abgründe des menschlichen Daseins in seinen Geschichten erforschte, sondern auch jederzeit ein gewisses Horror-Flair in seinen Romanen etablierte. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt nun auch Grant McKenzie, dessen Debütroman sich einerseits durch ein sehr hohes Tempo, andererseits aber auch durch zwei richtig gute Protagonisten, die zwar ab und zu nicht in Gänze glaubwürdig agieren, dem Leser im Laufe ihres unmoralischen Wettbewerbs aber dennoch ans Herz wachsen.

Die Story als solche hingegen ist zunächst nicht sonderlich originell; einen gestörten Psychopathen, der seine Opfer von einem Schreckensschauplatz zum nächsten jagt, hat die jüngere Thriller-Historie schon mehrfach erleben dürfen, zwei völlig aus dem Leben gerissene Hauptfiguren, die sich in ihrer neuen Situation erstaunlich gut zurechtfinden, ebenfalls. Was macht den Plot bzw. dessen Qualitäten also aus?

Tja, diese Frage lässt sich im Nachhinein nicht vollkommen befriedigend beantworten. Die Auflösung des Backgrounds ist der Brisanz der Story nicht gänzlich würdig, die manchmal schon zu leichtsinnigen Schritte, die unsere Protagonisten beim Kampf gegen das organisierte Verbrechen unternehmen, hingegen wirken zwar gewissermaßen unkonventionell, aber in manchen Passagen der Handlung auch wieder nicht authentisch. Dass Sam in keiner Phase der Story den Kopf verliert, wirkt ebenso wenig glaubwürdig wie die teils recht hilflosen Ermittlungsarbeiten der beiden Cops Hogan und Preston, deren flottes Vokabular aber wenigstens etwas Lockerheit in die Sache hineinbringt. Aber auch hier stellt sich die Frage, ob die zwischenzeitlich eingeworfenen Kommentare für den Spannungsaufbau tatsächlich förderlich sind. Also noch mal: Was macht „Die Stimme des Dämons“ am Ende trotzdem noch zu einer durchweg lesenswerten Geschichte?

Nun, es sind wohl vorrangig das hohe Tempo und die brillant inszenierte Interaktion zwischen den Handelnden. Die Story wird von immer neuen Highlights gezeichnet und gibt dem Leser kaum Anlass zum Verschnaufen. Lediglich das Finale könnte hier noch eine Spur spektakulärer aufbereitet sein, um die Sache rund zu bekommen. Doch abgesehen davon ist McKenzies Roman-Debüt dank seiner reißerischen Elemente ein überzeugender Beitrag zu einem Genre, das von Saul, Koontz und Co. maßgeblich geprägt wurde.

|Originaltitel: Switch
Deutsch von Norbert Jakober
384 Seiten
ISBN-13: 978-3453406797|
http://www.heyne.de

Susan Hill – Der Kampf um Gullywith

Susan Hill, Jahrgang 1942, ist seit beinahe 50 Jahren als Schriftstellerin aktiv. Ihr erster Roman wurde 1961 verlegt und legte den Grundstein für eine Laufbahn, die vor allem in den Siebzigern richtig ins Rollen kam. Nach einer längeren Pause kehrte sie zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts zurück, um sich verstärkt dem Krimi/Thriller-Segment zu widmen. Ihre Passion für Kinder- und Jugendbücher ist ihr jedoch immer geblieben. Mit „Der Kampf um Gullywith“ hat Hill wieder diese alte Leidenschaft befriedigt und eine absolut familientaugliche Story konzipiert, die ihr universelles Talent auch nach nahezu fünf Dekaden immer noch unterstreicht.

Story:

Für den jungen Olly bricht eine Welt zusammen, als er erfährt, dass seine Eltern von London in den ländlichen Lake District ziehen wollen. Und seine Vorahnung soll ich nicht täuschen: Das frostige Haus in Gullywith, das seit Jahren unbewohnt ist, macht überhaupt nicht den Eindruck, als könnte es jemals eine Heimat für Olly und seine Angehörigen werden. Als dann auch noch die ersten merkwürdigen Ereignisse die Szenerie erschüttern, drängt Olly darauf, die Gegend zu verlassen. Doch das geheimnisvolle rote Buch, in dem ständig irgendwelche Kapitel verschwinden und wieder auftauchen, strahlt eine unheimliche Faszination auf den Jungen aus. Als sich schließlich auch noch einige Steine in Bewegung setzen und mit ihren Runen offenbar eine Botschaft übermitteln wollen, ist Olly sicher, dass er das Rätsel von Gullywith lösen möchte.

Gemeinsam mit seiner Freundin KK und dem eigenartigen Nonny Dreever geht er den Geheimnissen auf die Spur und entdeckt ein uraltes Mysterium, das von einem fürchterlichen Racheplan kündet. Der Steinkönig, der vor ewigen Jahren mit seiner Burg untergegangen ist, wittert wieder Morgenluft und will sich nun endlich das zurückholen, was ihm seiner Meinung nach zusteht. Und jetzt, wo Olly in seiner neuen Umgebung doch noch Fuß gefasst hat, setzt er alles daran, Gullywith zu verteidigen und den Frieden zu wahren.

Persönlicher Eindruck:

Susan Hill versteht sich darauf, phantastische Geschichten zu schreiben, einfach nur zu erzählen und den Leser in den Fluss der Dinge eintauchen zu lassen. Auch wenn „Der Kampf um Gullywith“ in seiner Präsentation schlichter ist als der klassisch ausgelegte, moderne Fantasy-Roman, so sind die atmosphärische Dichte und die Darstellung des Mysteriösen auf einem unheimlich hohen Niveau, welches in erster Linie von der schlichtweg begabten Wortwahl und der Kunst, bedingungslos zu unterhalten, herrührt – beste Voraussetzungen also für eine fabelhafte Erzählung.

Doch leider ist „Der Kampf um Gullywith“ nicht ohne Fehl und Tadel, gerade was die Prioritäten im Storyboard angeht. Hill ist sehr stark auf die Szenerie fixiert und will den Ort Gullywith ständig im Fokus halten. Es geht um die alten Geschichten, die mysteriöse Vergangenheit, das tragische Drama um den Steinkönig und all die Folgen für die Jetztzeit, aber eben nur relativ selten um die Entwicklung des Protagonisten und der Figuren im Allgemeinen. Olly bekommt nur selten ein echtes Forum, um sein Charakterprofil mal ein Stückchen weiter auszubauen und als Handelnder innerhalb der Erzählung Akzente zu setzen. Er ist die wichtigste Person, zweifelsohne, aber Hill versäu,t es, ihm etwas mehr Individualität zu verpassen, ihn als eingängigen Charakter zu etablieren und – gerade im Jugendbuchsektor ein wichtiger Aspekt – ihn als Helden und Identifikationsfigur zu stärken. Sicher, er ist stets präsent, er führt den aktiven Part der Geschichte an, aber er ist nicht die Person, die die Handlung zusammenhält und die Verantwortung übernimmt, die ein solcher Roman auf sicheren Schultern verteilt wissen will.

Dem gegenüber steht mit dem Standort Gullywith und all seinen verborgenen Geheimnissen ein echtes literarisches Glanzstück, welches mit viel Liebe zum Detail aufbereitet wird. Die Story ist einerseits düster, andererseits aber auch wieder sehr sympathisch ausgearbeitet, so dass die geringe Tendenz zu jedwedem Horror-Thema schnell wieder unter den Tisch fällt – auch wenn sich bei einem vergleichbaren Flair derlei Dinge in der Behausung der Familie zutragen. Hinzu kommen viele gängige Elemente, deren erfrischend modifizierte Verwendung ein weiteres lobenswertes Charakteristikum dieses Buchs ist. Hill stützt sich auf einige bekannte Inhalten, kopiert aber zu keiner Zeit. Insbesondere die Story um die versunkene Burg des Steinkönigs wirkt originell und dank ihrer wendungsreichen Ausführung und der bis zuletzt gut versteckten Details bis in die Haarspitzen spannend.

Spannung – das ist schließlich auch das entscheidende Stichwort: Die kleinen Schwächen der Story würden sicherlich deutlicher zum Tragen kommen, wäre Susan Hill keine so brillante Erzählerin und wäre das Ganze nicht so spannungsvoll in Szene gesetzt. Denn auch wenn die Zielgruppe eher im Bereich der Anfänge der weiterführenden Schulen liegt, also eher die Altersgruppen von 10-14 Jahren, so empfinden auch geübte Semester hier das Prickeln wieder, welches eine überzeugende Handlung vorweisen sollte, und das infolge einer abwechslungsreichen, nicht zu durchsichtigen Geschichte als logische Konsequenz erscheint. Als Letztes gesellt sich noch so manch unkonventioneller Ansatz dazu, weil Hill nicht gegen Drachen kämpft, keine Fantasy-Epigonen verwendet und sich in kürzester Zeit ihre eigene Idee einer phantastischen Welt öffnet.

„Der Kampf um Gullywith“ ist daher eine ganze Menge, an vorderster Front aber ideenreich und kreativ in seinem Grundarrangement. Und trotz leichter Einschränkungen bei den Charakterzeichnungen ist die finale Empfehlung für diesen Roman eine Selbstverständlichkeit, die sich gewissermaßen schon im ersten Kapitel manifestiert!

350 Seiten, gebunden
Originaltitel: The Battle for Gullywith
Deutsch von Leonard Thamm
ISBN-13: 978-3499214943
www.rowohlt.de

Wulf Dorn – Trigger (Hörbuch)

Mit seinem ersten Roman hat Wulf Dorn gleich einen Volltreffer gelandet, und zwar mit der Veröffentlichung als Roman bei Heyne und als Hörbuch bei Random House Audio (beides natürlich Unternehmen der Verlagsgruppe Random House). Dorn beweist damit nicht nur Qualitäten als Schriftsteller, sondern gleichzeitig auch als sympathischer Sprecher mit erstaunlich wandelbarer Stimme.

Trigger

Die Psychiaterin Ellen Roth bekommt von ihrem Freund Chris, ebenfalls Psychiater, einen „BiF“ – besonders interessanten Fall – zugeschanzt, bei dem es sich um eine völlig verstörte Frau handelt. Während Chris mit einem frisch geschiedenen Freund auf einer unerreichbaren Insel urlaubt, übernimmt Ellen neben ihren eigenen Fällen diesen neuen und lernt so eine verängstigte, völlig verstörte und verdreckte Frau auf Zimmer 7 ihrer Station kennen, deren unheimliche Angst es ist, vom „Schwarzen Mann“ geholt und getötet zu werden. Sie fleht Ellen an, sie zu beschützen, und schließt mit dem unnatürlich hohen Flüstern „Wenn er kommt, tötet er dich!“

Ellen macht selbst Bekanntschaft mit dem Schwarzen Mann. In einem Wald überfällt er sie und drückt ihr brutal die Luft weg, stellt ihr die Aufgabe, ihn zu erkennen, sonst würden die namenlose Frau und sie selbst sterben. Dann verschwindet er, und Ellen sieht nur noch sein schwarzes Kapuzenshirt zwischen den Bäumen – und das Auto ihres Kollegen Mark, das den Waldparkplatz verlässt, ehe Ellen es erreicht. Ist Mark der Schwarze Mann? Und warum? Was will er?

Als auch noch die namenlose Frau aus der Klinik verschwindet und Ellen Bekanntschaft mit den alten „Läuterungswerkzeugen“ im Keller macht, wird die Sache richtig unheimlich …

Das Hörbuch

Es ist schwierig, über den Inhalt der Geschichte zu sprechen, ohne zu viel zu verraten. Wenn deshalb die obige Zusammenfassung etwas knapp ausfällt, sei es zu entschuldigen und als Anlass zu nehmen, sich der Spannung persönlich auszusetzen.

Wulf Dorn liest mit kerniger und ruhiger, hoch modulationsfähiger Stimme eine Geschichte, die in ihrer Form als Hörbuch nur gewinnt – gerade die spannende Inszenierung der einzelnen Charaktere führt zu dem befriedigenden Schauerlaufen über den Rücken, das dem Buch in dieser Form abgehen dürfte. Natürlich ist die Geschichte gespickt mit Spannungselementen, doch versteht es Dorn ausgezeichnet, mit seiner Stimme auch die scheinbar alltäglichen Abschnitte der Handlung mit thrillendem Charakter zu füllen.

Bei der Inszenierung hat er also alles richtig gemacht. Der Tonfall, das Tempo, die Modulation und die Aussprache – alles verwebt sich zu einem Hörgenuss. Einziger (winzig kleiner und darum in diesem ansonsten perfekt gelesenen Buch umso auffälliger) Fehler ist bei der Endung auf „ig“ zu verzeichnen. Hier hört es sich so an, als suche der Vorleser krampfhaft die deutliche Aussprache und – verhaue es erst recht. Warum hier kein Redakteur zugegen war, bleibt die Frage.

Die Geschichte selbst bietet einen Thriller erster Güte voll Irrwendungen und geistiger Fallstricke, die den Konsumenten höchst effektiv von der (eigentlich recht einfachen) Lösung ablenken. Mark, der Kollege und heimliche Verehrer Ellens, muss sich warm anziehen vor den Hinweisen, die sich bei ihm treffen, während man an Ellens oder gar Chris‘ Integrität nicht zweifelt, bis Ellen selbst ihren Freund Chris in Frage stellt, der sich ja vor diesem dubiosen BiF auf eine einsame Insel abgesetzt hat. Und immer wieder stellt sich die Frage, warum der Schwarze Mann Ellen seine Gewalt antun sollte – vor allem vor dem Verdacht, Mark oder Chris verbargen sich hinter dieser Maske.

Zwei logische Mängel fallen ins Auge, die hier nur erwähnt werden können, da man bei näherem Betrachten zu viel von der Geschichte verraten würde: Wie kommt es zu der Verfolgungsjagd mit dem VW-Bus? Wer hat die Verschlüsse des Tankdeckels über der Keller’schen Badewanne geschlossen?

Es gibt keinen unglaubwürdigen Protagonisten. Vor allem Ellen, aus deren Sicht der Großteil der Geschichte erzählt wird, ist ein ausgefeilter Charakter mit eigenem Wesen. Selbst ein oft in derlei Geschichten auftretender Fehler, nämlich die Eigenschaft, sich der Polizei zu verschließen und auf eigene Faust zu ermitteln, macht vor Ellen halt. Hier schlägt die zweitoft zitierte Polizei-ausschalt-Klappe zu: Die Beamten glauben ihr nicht und verweigern weitergehende Hilfe.

Fazit

Ein überaus spannendes, teilweise unheimliches Hörbuch, das sowohl mit der Geschichte als auch mit der Inszenierung überzeugt. Besonders empfehlenswert!

Autor und Sprecher: Wulf Dorn
6 Audio CDs
ISBN-13: 978-3837102444
http://www.randomhouse.de/randomhouseaudio/

Messner, Reinhold – Westwand

In beinahe fünf Jahrzehnten hat Reinhold Messner das Klettern und Extrembergsteigen geprägt wie kaum ein zweiter auf diesem Planeten. Er war Vorbild für historische Alpinisten wie Kammerlander und Krakauer, brach Rekorde, probierte stets Revolutionäres und lebte das von ihm propagierte Prinzip Abgrund 24 Stunden am Tag. Dennoch hat auch die in Südtirol lebende, aufgrund der gelegentlich extremen Meinungen häufig polarisierende Kultfigur in ihrem Leben Situationen erlebt, die bei aller Euphorie über das Geleistete zur persönlichen Einkehr motivierten. Es war sicherlich jener schicksalhafte Abstieg am Nanga Parbat, bei dem Messner seinen Bruder Günther verlor, der hier als prägendes Ereignis und großer Schatten über den Erfolgen stand. Doch auch allerhand kleine Niederlagen machten Messner zu dem, was er heute ist, und was er über Jahre verkörpert hat – so zum Beispiel der Aufstieg über die Westwand des Ortlers, der im Sommer 2004 beinahe zur persönlichen Tragödie geworden wäre.

Als Messner vor mehr als fünf Jahren die gefährliche Route zum König des Vinschgaus wählte, war er sich der Risiken sicher bewusst, nicht jedoch der Dramatik, die das Erlebte später beschreiben sollte. Und es war definitiv einer dieser Momente, in denen der Mix aus Risikofreude und Vernunft ein weiteres Mal zum gesunden Mittelweg fand und Schlimmeres verhinderte. In seinem neuen Buch „Westwand“ schildert der legendäre Alpinist nun die Erfahrungen dieses Aufstiegs und das drohende Ende unter einem bedrohlichen Serac unterhalb des Gipfels. Doch dieses Grenzerlebnis ist schließlich nur der Aufhänger für einen sehr kritischen Blick auf den Leichtsinn im Extrembergsteigen und die, in Messners Augen, Fehlinterpretationen dessen, was das Klettern und den Alpinismus im Allgemeinen ausmacht.

Messner wettert hierbei in erster Linie gegen die widersprüchlichen Schein-Idealisten, die gegen die Erschließung romantischer Bergregionen angehen, während sie hierbei selber die Herrlichkeit der großen Blumenwiesen zertrampeln. Eine Menge Aktionismus und Propaganda für den Umweltschutz ist es auf der einen Seite, eine fehlinterpretierte Umsetzung dieser Projekte auf der anderen, die den Autor und erfahrenen Bergsteiger beunruhigen. Die Berge sind für jeden da, haben aber nach Messners Ermessen ebenfalls das Recht darauf, ihre Mythen zu wahren, nicht von jedem erkundet und erschlossen zu werden – und das ausgerechnet aus dem Mund desjenigen, der seit den 60ern aktiv daran beteiligt ist, dass Erstbegehungen in schwierigsten Gebieten keine Unmöglichkeit mehr darstellen.

Die Frage stellt sich nun, was Messner mit „Westwand“ erreichen möchte. Sicher, eines der elementaren Ziele besteht darin, aufzuwecken, Missstände anzuklagen und auch kräftig auszuteilen. Der Autor spart mit Seitenhieben nicht und hält mit seiner sehr direkten Meinung nicht hinterm sinnbildlichen Berg. Doch wo sind die Lösungen? Statt den selbst gewählten Idealismus auch zielgerichtet zu vertreten und ihn auch konsequent zu transferieren, bleibt Messner ausschließlich auf der anklagenden Spur. Gleichzeitig wird er nicht müde, seine persönlichen Errungenschaften im Berg demonstrativ in den Vordergrund zu stellen und sein bisheriges Handeln als Optimum herauszukehren – und genau dieser Aspekt macht das Geschriebene über weite Strecken unsympathisch und überheblich. Der Finger wird gehoben und eine fast schon politische Debatte zum alpinistischen Umweltschutz initiiert. Und genau dieses Element nimmt „Westwand“ einen großen Teil des erhofften Unterhaltungswertes.

Letztgenannter ist nur selten wirklich ausgeprägt, nämlich genau dann, wenn Messner mal etwas tiefer in seinen Erinnerungen schwelgt und auch jene Mission zum Nanga Parbat anschneidet. Es sind die Erlebnisberichte, die weitaus bewegender sind und als Appell spürbar mehr bewirken als die wiederholte Analyse des permanenten Fehlverhaltens des hiesigen wie extremen Bergsteigers. Und selbst dort ist Messner mit seiner persönlichen Meinung nicht im Reinen. Er verurteilt die Leichtsinnigkeit, schätzt aber die Protagonisten des Free-Climbings, allen voran die Huber-Brüder, für ihre Leistungen und das, was sie für das moderne Bergsteigen bewirkt haben. Doch wo ist da die klare Linie?

„Westwand“ hat seine interessanten Momente und verfügt über die wertvollen, unvergleichlichen Erfahrungen eines Menschen, der seine eigenen Grenzen ebenso ausgelotet hat wie die Grenzen des menschlichen Schweinehunds. Doch das Prinzip Abgrund als Devise funktioniert in Messners neuem Roman nicht wirklich. Zu viel Zeigefinger, zu wenig Entertainment vor extremem Hintergrund – dieser Mann weiß grundsätzlich, wie man ein solches Projekt angeht. Doch in diesem Fall ist die bereits öfter aufgeblitzte Engstirnigkeit wieder einmal ein Hindernis, das für Messner größer zu sein scheint als mancher Achttausender. Und dennoch: Man sollte mal einen Blick riskieren, denn die zahlreichen Bildaufnahmen in „Westwand“ machen das Buch schon wieder fast unersetzlich. Was für ein Zwiespalt …

|224 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3100494160|
http://www.fischerverlage.de

David Knight – Der Fall 561

Was als Mordversuch an zwei Polizisten begann, entwickelt sich zu einer mehrmonatigen Jagd auf einen brutalen Verbrecher, der sich findig der Fahndung immer wieder zu entziehen weiß, bis seine Verfolger doch obsiegen … – Scheinbar dokumentarisch im Ton, singt der Verfasser das Loblied einer Polizei, die unaufhaltsam und unerbittlich dem Gesetz Genüge verschafft: ein interessantes Zeitdokument im Gewand eines routiniert geschriebenen, spannenden Kriminalromans. David Knight – Der Fall 561 weiterlesen

Schwindt, Peter – Gwydion 04 – Merlins Vermächtnis

Band 1: [„Der Weg nach Camelot“ 2556
Band 2: [„Die Macht des Grals“ 3509
Band 3: [„König Arturs Verrat“ 4195

_Story:_

Längst hat Gwyn begriffen, dass das einst so strahlende Vermächtnis des Königs nicht das ist, was es über Jahre zu sein schien. Artus ist endgültig dem Wahn verfallen und hat sowohl die Moral als auch den Verstand verloren, der ihn einst zum heldenhaften Monarchen aufsteigen ließ.

Während Camelot sich vor dem finalen Angriff durch Artus Erzfeind Mordred fürchten muss, plant Gwyn, der einst als treuer Knappe zu Hofe arbeitete, das Unheil abzuwenden und wieder Frieden nach Britannien zu bringen. Doch der zum Fischerkönig aufgestiegene Jüngling ist verzweifelt, denn nur mit der Hilfe des Heiligen Grals wird er Mordred aufhalten und Camelot retten können – und ohne die Hilfe Merlins, der plötzlich verschwunden ist, scheint Gwyn aufgeschmissen.

Doch die unruhige Kämpfernatur hat in ihren Jahren als Knappe gelernt, dass es sich zu kämpfen lohnt. Gemeinsam mit seinen Verbündeten bereitet Gwyn sich in der magischen Festung Dinas Emrys auf die letzte Schlacht von Camelot vor – und darauf, dass die Gerechtigkeit in dem Maße siegt, wie es die ehrwürdige Tafelrunde von Anfang an beschworen hat.

_Persönlicher Eindruck:_

Mit „Merlins Vermächtnis“ findet eine der interessantesten und besten Jugendbuchreihen der vergangenen Jahre ein insgesamt sehr rasches, in vielerlei Hinsicht aber auch überraschendes Ende. Peter Schwindt, der bereits in den vergangenen drei Ausgaben ein eher ungewöhnliches Bild von der Tafelrunde zeichnete und deren Moral durch die Ummodellierung verschiedener Charaktere erheblich infrage stellte, weicht auch im Abschlussroman nicht von seinem unkonventionellen Ansatz ab. Die üblichen Helden verlieren einen Teil ihrer Anmut, die Geschichte ist bei weitem nicht mehr so heldenhaft, und durch die Tatsache, dass Schwindt einen echten Außenseiter zum Heroen seiner Geschichte gemacht hat, kommt das Ganze doch wieder der Artus-Sage in ihrer ursprünglichen Form nahe – und trotzdem ist es völlig anders.

In Band vier, dem vielleicht düstersten Part der gesamten Story, kommt es nun zum finalen Aufeinandertreffen der entscheidenden Figuren der modifizierten Handlung. Gwyn rüstet sich auf der Suche nach dem Heiligen Gral für den Konflikt in Camelot, Artus hat inzwischen vollends den Verstand verloren, Mordred nähert sich mit seinem zwiespältigen Charakter derweil noch am ehesten seinem klassischen literarischen Vorbild an, und Merlin, der geheimnisvolle Zauberer, wird hier in einen Mystiker verwandelt, dessen Motivation bis zuletzt sehr undurchsichtig ist. Kurzum: Auch in „Merlins Vermächtnis“ erlebt man die Artus-Sage ‚mal anders‘.

Doch genau jener Wagemut zahlt sich auch im abschließenden Teil von Schwindts Komplex deutlich aus. Der Überraschungseffekt der unzähligen Wendungen, die gerade zu Beginn erstaunlich häufig durch den Plot geistern, ist ein ständiger Begleiter, der die Spannung sofort auf das gewohnte Höchstmaß treibt. Dies wird dadurch ergänzt, dass viele Charaktere immer noch kein transparentes Erscheinungsbild aufweisen und ihre Unberechenbarkeit über den größten Teil der Story aufrechterhalten können. Abgesehen davon, dass man den Protagonisten nicht nur auf Schritt und Tritt verfolgt, sondern generell enorm viel über seine ‚Karriere‘ und seinen Aufstieg weiß, bleiben viele Elemente bis zuletzt Unbekannte, was gerade für einen eher jugendlich inspirierten Roman schon ziemlich ungewöhnlich ist – aber an dieser Stelle auch sehr gerne gesehen wird. Lediglich die leider etwas ruckartig absolvierte Schlusssequenz, in der Schwindt das Tempo eigentlich zu stark anzieht, passt hier nicht ganz ins Gefüge, weil die Zeit der Auflösung der vielen Geheimnisse und Intrigen nicht gebührend in Anspruch genommen wird.

Davon abgesehen werden Verfechter des klassischen Zyklus‘ sicher auch mit „Merlins Vermächtnis“ ihre Schwierigkeiten haben. Kritiken bis zum Missbrauch des Namens waren bereits zu lesen, was aber im Gesamtzusammenhang definitiv zu weit hergeholt ist. Denn auch wenn sich der Autor auf die bekannten Figuren stützt und grobe Züge der Originalhandlung adaptiert, strebt er grundsätzlich nicht danach, mit Namedropping zum Erfolg zu kommen. Eher steckt die Motivation, einem ausgelutschten Thema völlig neue Facetten abzugewinnen, hinter diesem Vierteiler, und die Frische, die nun auch der letzte Band der „Gwydion“-Saga nach außen trägt, bestätigt Peter Schwindt ein letztes Mal voll und ganz in seiner hervorragenden Arbeit. Einen würdigeren Abschluss als dieses düstere Finalkapitel hätte man sich kaum wünschen können!

_Fazit:_

Die „Gwydion“-Reihe bleibt bis zum Schluss eine durchweg überzeugend modifizierte Variante der Artus-Sage und punktet im Abschlusskapitel mit weiteren mutigen Wendungen und außergewöhnlich dargestellten Charakteren. „Merlins Vermächtnis“ sowie der gesamte Vierteiler gehören daher auch in jede gut sortierte Jugendbuchsammlung!

http://www.ravensburger.de

Orbanes, Philipp E. – Cir Kis

Nachdem die [„Blokus“-Idee 3105 langsam aber sicher ausgereizt scheint, suchte der Düsseldorfer |Winning Moves|-Verlag in den letzten Monaten nach einer Möglichkeit, das Erfolgskonzept zu modifizieren und mit einem neuen Spielprinzip neu zu beleben. Das Ergebnis dieser Arbeit hört auf den Namen „Cir Kis“ und ist im Grunde genommen eine wenig veränderte Abart des „Blokus“-Systems. Allerdings kommt der strategische Anteil – dies lässt sich nach einigen umfassenden Testrunden ganz klar sagen – noch besser zum Zuge!

_Spielidee:_

In „Cir Kis“ geht es oberflächlich darum, seine 20 Spielsteine möglichst gewinnbringend in die Stern- und Kreisflächen des Spielbretts zu platzieren und gleichzeitig zu verhindern, dass den Mit- bzw. Gegenspielern Ähnliches gelingt. Jeder vervollständigte Kreis und jeder abgeschlossene Stern bringen Punkte, und zwar für denjenigen, der den letzten Stein anlegt (5 Punkte), und für denjenigen, der die meisten Spielsteine anteilig am abgeschlossenen Objekt besitzt (10 Punkte).

Wem es gelingt, als Erster 40 Punkte zu erzielen, der hat das Spiel gewonnen. Alternativ entscheidet sich das Spiel, wenn kein Spieler mehr Steine anlegen kann. Dann gewinnt derjenige mit den meisten Punkten, bei Gleichstand derjenige Spieler, der die wenigsten Steine hat einsetzen müssen.

_Spielmaterial:_

• 1 Spielbrett
• Jeweils 1 Spielregel in Englisch, Deutsch und Französisch
• Jeweils 3 große Segmente in 4 Farben
• Jeweils 3 kleine Segmente in 4 Farben
• Jeweils 2 Keile in 4 Farben
• Jeweils 3 Triangeln in 4 Farben
• Jeweils 3 Drachen in 4 Farben
• Jeweils 2 Pfeile in 4 Farben
• Jeweils 2 Haken in 4 Farben
• Jeweils 1 Würfel in 4 Farben
• Jeweils 1 Splitter in 4 Farben
• Jeweils 1 Zählstein in 4 Farben

Das Spielmaterial kann die deutlichen Parallelen zum verlagseigenen Branchenführer im Legespielbereich nicht leugnen. Sowohl die Farbgebung als auch die Plastikart, aus der die unterschiedlich geformten Spielsteine geformt sind, sind dem Material des „Blokus“-Spiels nachempfunden, was aber auch legitim ist. Immerhin gehört das inzwischen sogar schon preisgekrönte “Cir Kis“ zur unmittelbaren Verwandtschaft und rechtfertigt somit jeden Vergleich – aber auch jegliche Erwartungshaltung. Doch zurück zum Material: Dieses ist zwar relativ bunt und quietschig gestaltet, aber in der Handhabung richtig gut, weil zweckdienlich konzipiert. Mehr braucht es an dieser Stelle auch nicht!

_Vorbereitung:_

Die Spielvorbereitungen sind schnell getätigt. Jeder Spieler erhält die 20 Spielsteine seiner gewählten Spielfarbe sowie den Zählstein, den er in seinen Spielabschnitt auf die Zählleiste setzt. Bei den Spielsteinen empfiehlt es sich, sie nach Formen zu sortieren und sich so einen besseren Überblick zu verschaffen. Die Alternative, das Fach, das in jeder Ecke des Spielbretts zur Verfügung steht, zu nutzen, erweist sich als wenig brauchbar, da man somit schnell übersieht, welche Steine man noch hat bzw. nicht mehr hat. Sobald jeder seine Spielsteine nach seinem individuellen System sortiert hat, beginnt das Spiel.

_Spielverlauf:_

Beginnend mit dem Startspieler legt nun reihum jeder Spieler einen seiner Steine auf dem Spielfeld ab. Dabei gilt es, die Regel einzuhalten, dass der gelegte Stein immer denjenigen Stein berühren muss, der zuvor abgelegt wurde. Das bedeutet, dass man sich immer erst am Zug seines Mitspielers orientieren muss, bevor man selber zur Tat schreitet – und damit ist die Vorausplanung schon einmal deutlich eingeschränkt.

Ziel des Spiels ist es nun, die Kreise und Sterne auf dem Spielfeld komplett zu belegen, denn nur hierbei kann man die rar gestreuten Punkte verdienen. Jedes abgeschlossene Gebilde, egal ob Stern oder Kreis, bringt zehn Punkte für denjenigen, der die meisten Anteile der jeweils fünf Felder einnimmt. Sollte es hier einen Gleichstand geben, werden keine Punkte verteilt. Strategisch wertvoll ist die zweite Option, Punkte einzustreichen, nämlich indem man den letzten Anteil eines Kreises oder eines Sterns anlegt. Wer den Kreis sozusagen schließt, bekommt fünf Punkte. Sollte er jedoch derjenige sein, der hier die meisten Anteile besitzt, werden diese Punkte nicht verteilt – und auch das ist strategisch bedeutsam, denn auch wenn die Endpunktzahl gleich bleibt, kann man dafür sorgen, dass alle anderen Spieler leer ausgehen, wenn ein Objekt geschlossen wird. Und nur auf diesem Wege kann man sich abgrenzen und einen Vorsprung herausschlagen!

Für die taktische Planung noch wichtig: Sobald es nicht mehr möglich ist, einen Stein an den zuvor gelegten anzulegen, darf man ein weiteres Mal legen und sich somit einen Vorteil verschaffen. Außerdem gibt es einen zusätzlichen Zug für denjenigen, der die Scherbe legt, einen Stein, den man nur einmal im Repertoire hat, der nur am Rand abgelegt werden kann, und mit dessen Hilfe man sich über den Doppelzug wieder aus einem Engpass befreien kann. Den letzten möglichen Doppelzug gibt es für denjenigen Spieler, der den Stern in der Mitte des Spielfelds vervollständigt. Aber da sich das Spiel meistens aus der Mitte herausbewegt, da einfach die Gefahr zu groß ist, dass ein Spieler den 15 Punkte starken Mittelkreis schließt.

Sobald nun ein Spieler alle Steine gelegt bzw. die 40-Punkte-Marke geknackt hat, ist das Spiel sofort zu Ende. Auch wenn es nicht mehr möglich ist, dass ein Spieler weiter anlegt, weil die Formen seiner Steine nicht mehr in die Lücken passen, wird das Spiel beendet. Gewonnen hat immer derjenige, der die meisten Punkte abkassiert hat.

_Persönlicher Eindruck:_

Ähnlich wie auch bei „Blokus“ bedarf es mehrerer Partien, bis man die eigentliche Krux des Spiels verinnerlicht und begriffen hat, worauf es tatsächlich ankommt. Zunächst einmal muss man sich einen Überblick darüber verschaffen, in welcher Reihenfolge man seine Steine am besten einsetzt, wie viel Risiko man spielt und wann man zum Beispiel auch mal auf ein paar Punkte verzichtet, wenn man einem Mitspieler dabei einen Zug zerstören kann. Wie sich nämlich schnell herausstellt, ist die primäre Vorgehensweise von „Cir Kis“ sehr defensiv ausgerichtet, da man in jedem vorschnellen Offensivdrang damit rechnen muss, bitterböse ausgekontert zu werden und schlussendlich auch in viel versprechenden Situationen leer auszugehen. Dieser Umstand ist allerdings auch nur bedingt befriedigend, da die Prioritäten ein wenig unausgewogen verteilt sind. Es gibt nur wenige Möglichkeiten im Spielverlauf, aktiv zuzuschlagen und einmal über mehrere Züge zu planen. Alles baut sich sehr spontan auf, so dass es immer wieder zu Überraschungen kommt, auf die man nur relativ wenig Einfluss nehmen kann. Das bedeutet andererseits, dass man vermehrt auch auf das Glück angewiesen ist, wie die anderen einem zuspielen – und genau dieser Aspekt sollte gewiefte Strategen nicht zur Gänze begeistern.

Dennoch: „Cir Kis“ besitzt eine Menge Potenzial im strategischen Bereich, da es Geduld fordert und jedem überhitzten Charakter ganz schnell seine Grenzen aufzeigt. Jeder Schnellschuss wird bestraft, jede Unüberlegtheit entlädt sich in einem eiskalten Konter. Was vielleicht noch etwas mehr Überlegung erfordert hätte, ist die Punkteverteilung, die mit anderem Gewicht etwas günstiger hätte ausfallen können – zumindest ist dies ein Eindruck, der unsere Testrunde nach jeder Partie beschäftigte. Doch davon abgesehen kann man klar sagen: Wer „Blokus“ liebt(e), der wird auch an „Cir Kis“ Gefallen finden – gerade dann, wenn man das Spiel ausreizt und zu viert spielt!

http://www.cirkis.de
http://www.winningmoves.de

James, Peter – So gut wie tot

|“Wenn Ronnie Wilson beim Aufwachen geahnt hätte, dass er in wenigen Stunden tot sein würde, wäre seine Tagesplanung wohl etwas anders ausgefallen.“| So beginnt Peter James seinen vierten Krimi um Detective Superintendent Roy Grace. Wilson nämlich hat am 11. September 2001 vormittags einen Termin in einem der Türme des World Trade Center. Er verspätet sich und wird Zeuge, wie ein Flugzeug in den ersten Turm rast. Doch Wilson hat nur seinen Termin im Kopf, denn sein alter Freund Donald Hatcook soll ihm helfen, da Wilsons Geschäfte nicht gut laufen. Bevor er aber zu seinem Geschäftstermin gehen kann, trifft ein weiteres Flugzeug auf den zweiten Turm. Schlagartig ändert sich Ronnie Wilsons Leben …

Sechs Jahre später flüchtet Abby Dawson vor einer unbekannten Angst. Sie verschanzt sich in ihrer Wohnung und beobachtet die Straße vor dem Haus stets genau, bevor sie es wagt, die Wohnung zu verlassen. Doch an einem Tag im Oktober 2007 ist die Treppe durch Bauarbeiten versperrt und Abby muss den alternden Fahrstuhl nehmen – ein Fehler, wie sich bald herausstellt. Denn mittendrin stürzt er ab, fängt sich, hängt aber nur noch schief in den Seilen. Abby ist in Panik, zudem hat ihr Handy keinen Empfang und der Notruf funktioniert nicht. Als dann von oben ein Poltern zu hören ist, muss sie fürchten, dass jemand auf dem Fahrstuhl steht und zu ihr in die Kabine steigen will.

Ebenfalls im Oktober 2007 will Roy Grace gerade in sein verdientes Wochenende starten, als ein Telefonanruf all seine Pläne zunichte macht. In einem Abwasserkanal wurde eine Leiche entdeckt. Also begibt er sich bei strömendem Regen zum Fundort und steigt in den Kanal hinab. Dort erwartet ihn ein ziemlich verwestes Skelett, an dem noch einige lange blonde Haare haften . genau die Haarfarbe von Graces Ehefrau Sandy, die vor Jahren spurlos verschwunden ist. Weitere Hinweise deuten darauf hin, dass es sich um Sandy handeln könnte . Alter und Geschlecht stimmen überein. Hat Roy Grace nach jahrelanger Suche nun seine Ehefrau wieder gefunden?

Kurz darauf wird in Australien in einem schlammigen Fluss eine weitere Leiche entdeckt – eingesperrt im Kofferraum eines Autos, das am Boden des Flusses liegt. Hängen diese Dinge miteinander zusammen? Und wenn ja, wie?

_Verwirrspiel_

In „So gut wie tot“ führt uns Peter James so lange an der Nase herum wie in keinem anderen Roy-Grace-Krimi. Er präsentiert uns mehrere Charaktere, zwei Frauenleichen auf zwei verschiedenen Kontinenten und Handlungsstränge, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Doch natürlich geschieht hier nichts zufällig und alles hängt eng miteinander zusammen. Lange dauert es allerdings, bis wir beginnen zu ahnen, wie die Figuren und Handlungen in Zusammenhang stehen, und auch dann wirft uns Peter James nur einzelne Puzzleteile hin, die wir mühsam zu einem Gesamtbild zusammen setzen müssen. Aber wie schon in seinen anderen Romanen reißt er uns von der ersten Seite an mit. Denn zunächst gilt es natürlich zu klären, wie Ronnie Wilson zu Tode kommt. Als wir ihn am 11. September 2001 vormittags zu den Zwillingstürmen des World Trade Center begleiten, ahnen wir, was geschehen dürfte. Doch dann betritt er die Türme gar nicht. Was also geschieht mit Ronnie Wilson? Wir werden es erfahren, allerdings erst im weiteren Laufe des Buches.

Von Kapitel zu Kapitel wechselt Peter James die Schauplätze und erzeugt dadurch ein rasantes Erzähltempo, besonders bedrohlich wirkt die Fahrstuhlszene mit Abby Dawson, die definitiv große Angst hat, und zwar nicht nur vor dem Absturz des Lifts, sondern auch vor einem anderen Menschen. Denn zwischendurch empfängt sie eine beängstigende SMS, die ihr mitteilt, dass jemand weiß, wo sie sich auffhält – doch wer? Es dauert lange, bis wir erfahren, vor wem und vor was Abby davon läuft, und als wir es erfahren, ist es für Abby fast schon zu spät, denn ihr Widersacher steht bereits vor ihrer Wohnungstür und bald schon mitten in ihrer Wohnung …

Die toten Frauen dagegen bergen zunächst wenig Spannungspotenzial, da sie bereits seit Jahren tot sind und wir sie vermutlich auch gar nicht kennen. Je mehr Informationen wir allerdings über die toten Frauen erhalten, umso vollständiger wird das Bild, das wir uns von den Geschehnissen machen können. Sie spielen natürlich eine ganz wichtige Rolle für den zu klärenden Fall.

_So spannend wie selten_

Peter James hat einfach ein glückliches Händchen für einen (fast) perfekten Spannungsbogen. Langeweile ist bei seinen Büchern ein Fremdwort, und auch bei dem vorliegenden Krimi konnte ich nur eine Durststrecke entdecken, und zwar als Abby Dawson auf ihren Widersacher trifft, um das Leben ihrer Mutter fürchten muss und vor ihrem Widersacher flüchtet. Hier zieht sich die Geschichte ein wenig, aber glücklicherweise zieht Peter James dann irgendwann das Tempo auch wieder an. Faszinierend an seinen Büchern ist, dass James immer etwas Neues einfällt. Meist sind es nicht die klassischen Mordserien, die es aufzuklären gilt, sondern viel komplexere Zusammenhänge bzw. es sind überhaupt keine Morde aufzuklären, wie in James‘ „Stirb ewig“, wo Menschen lediglich durch einen Unfall zu Tode kommen. So hebt sich Peter James immer wieder deutlich vom Durchschnitt ab.

Hinzu kommt die Figur des Detective Superintendent Roy Grace, den wir nun schon zum vierten Mal begleiten dürfen. Dieses Mal jedoch steht er eher im Hintergrund, die anderen handelnden Figuren – allen voran Abby Dawson – erhalten deutlich mehr Gewicht. Doch das schadet Grace überhaupt nicht, allerdings wünsche ich mir schon, im nächsten Buch wieder mehr über den Ermittler zu erfahren. Dieses Mal steht die Suche nach seiner Frau Sandy sehr im Hintergrund. Zwar spukt sie deutlich in seinem Kopf herum, als der Verdacht besteht, dass er sie nun tot im Abwasserkanal gefunden haben könnte, doch natürlich ist es so einfach nicht. Ganz am Ende hält Peter James jedoch noch eine Überraschung für uns parat, die sich gewaschen hat. Das Buch endet mit einem Paukenschlag, der es mir schwer macht, auf den fünften Band zu warten.

_Mehr davon_

Zum vierten Mal hat Peter James mich erfolgreich in seine Roy-Grace-Welt entführt, die ich nur schwer wieder verlassen konnte. Hat man mit einem Buch erstmal begonnen, mag man es nicht mehr zur Seite legen. „So gut wie tot“ reiht sich perfekt in die Roy-Grace-Reihe ein und macht jetzt schon Lust auf den fünften Fall, den der Detective Superintendent hoffentlich bald zu lösen hat!

|Gebundene Ausgabe: 448 Seiten
ISBN-13: 978-3502100713
Originaltitel: |Dead Man’s Footsters

_Peter James auf |Buchwurm.info|:_

[„Stirb ewig“ 3268
[„Stirb schön“ 3154
[„Stirb schön“ 3680 (Lesung)
[„Nicht tot genug“ 4844 (Lesung)
[„Mein bis in den Tod“ 2493
[„Wenn er fällt, dann stirbt er“ 1391

Thørring, Jorun – Kein Zeichen von Gewalt

Reiche Familien mit düsteren Geheimnissen sind beileibe keine Seltenheit in der Literatur. „Kein Zeichen von Gewalt“ von Jorun Thørring ist ein weiterer Roman, der diese Konstellation aufgreift. In ihm hat Orla Os, die norwegische Sonderermittlerin bei der Pariser Polizei, ihren zweiten Auftritt.

Adam Fabre, Besitzer einer Modelagentur und Ehemann der Tochter der angesehenen Pariser Familie Tesson, verschwindet eines Tages spurlos. Anfangs glauben Orla und ihre Kollegen noch, dass er mit einer seiner Geliebten abgehauen ist, doch wenig später finden sie seinen Wagen auf einem verlassenen Parkplatz. Von Fabre finden sie zwar immer noch nichts, dafür liegt eine ermordete junge Frau auf dem Rücksitz. Sie zeigt keine Anzeichen von Gewalteinwirkung, ihre Identität scheint niemand zu kennen.

Als Orla und ihre Kollegen Fabres Familienleben und Umfeld ausleuchten, kommen einige unschöne Geheimnisse ans Tageslicht. Die Modelagentur scheint keineswegs eine Modelagentur zu sein, Fabres Sekretärin benimmt sich wie eine High Society-Lady, obwohl sie bettelarm ist, und die Vergangenheit von Fabres Schwägerin Juliette ist auch nicht ganz sauber. Hinzu kommt seine Ehefrau, eine kalte und abweisende Person, und sein Vater, der sofort einen Anwalt einschaltet und sich reichlich zugeknöpft zeigt.

Wenig später findet man Adams Leiche im Hause seines Geschäftspartners Georges Lambert. Lambert ist hingegen verschwunden. Adam und das fremde Mädchen sollen nicht die einzigen Toten bleiben …

Nicht nur das Familienmotiv in „Kein Zeichen von Gewalt“ ist schon häufig benutzt worden. Auch der Aufbau der Geschichte erinnert an viele andere Bücher. Zeitgleich finden zwei Handlungsstränge statt. Der gegenwärtige in Paris und einer, der in den 60er Jahren in Algerien beginnt und mit dem gegenwärtigen Erzählstrang nach und nach zusammen fließt. Dieses Gegeneinanderlaufen verschiedener Zeiten und die Verwurzlung eines gegenwärtigen Mordfalls in der Vergangenheit ist nichts Neues. Thørring weiß zwar sicher mit diesem Aufbau umzugehen, aber richtig spannend ist die Geschichte trotzdem nicht. Obwohl die norwegische Autorin eine Vielzahl an Verdächtigen mit dubiosem Hintergrund einführt, fehlt es an überraschenden Wendungen. Die Dichte und Intensität an möglichen Mördern macht allerdings einiges wieder wett.

Orla Os ist, wie der Name schon sagt, ursprünglich Norwegerin, lebt aber schon seit geraumer Zeit in Paris. Sie hat dort studiert und geheiratet, ist aber mittlerweile Witwe. Dieses Zusammentreffen zweier Nationalitäten gibt dem Buch einen interessanten Anstrich. Thørring lässt häufig norwegische Kultur einfließen, übertreibt es damit jedoch nicht. Ihre Hauptfigur bleibt trotzdem etwas blass. Im Vordergrund steht die Kriminalgeschichte, nicht die Ermittlerin. Da die Handlung aber gut aufbereitet ist, schmerzt dies nicht sehr stark.

Was allerdings ein bisschen schade ist, ist die Darstellung der Familien Fabre und Tesson. Sie ist doch etwas plump. Die Geheimnisse, die dem Leser als solche verkauft werden, sind in dieser Form schon häufiger vorgekommen. Die Familienmitglieder selbst sind zwar gut ausgearbeitet, aber wenig originell. Dies vermindert die Spannung und führt dazu, dass „Kein Zeichen von Gewalt“, auch dank des einfachen, sachlichen Schreibstils, gut zu lesen ist, aber nicht wirklich im Gedächtnis bleibt.

An dem zweite Buch mit der Ermittlerin Orla Os gibt es handwerklich nichts auszusetzen. Es ist gut geschrieben, die Handlung ist zwar nicht immer spannend, aber gut gemacht und auch Orla ist recht sympathisch. Allerdings fehlt es dem Buch auf weiten Strecken an Originalität.

|Originaltitel: Tarantellen
Aus dem Norwegischen von Sigrid Engeler
378 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3423211666|

http://www.dtv.de

Lovecraft, H. P. – Fall Charles Dexter Ward, Der (Hörbuch)

_H. P. Lovecraft_ hat, obwohl ansonsten durchaus produktiv, nur drei (Kurz)Romane verfasst. Einen davon, [„Berge des Wahnsinns“, 4779 veröffentlichte das Hörbuchlabel |LPL records| bereits im Jahr 2008. 2009 folgte dann „Der Fall Charles Dexter Ward“, wieder mit David Nathan als Sprecher, der mittlerweile wohl zur deutschen Stimme von Lovecraft avanciert ist. Über sechs Stunden lang darf man als Hörer in die unglaubliche und beunruhigende Welt Lovecrafts eintauchen, schließlich präsentiert |LPL| hier eine ungekürzte Lesung des 200 Seiten starken Textes. Und schon bald wird klar: „Der Fall Charles Dexter Ward“ ist eine von Lovecrafts ambitioniertesten und komplexesten Erzählungen.

Doch worum geht es? Lovecraft rollt seine Geschichte von hinten auf. Erzähler ist Marinus Bicknell Willett, der Arzt der Familie Ward. Er kennt Charles Ward, den Protagonisten der Erzählung, schon von Kindesbeinen an und muss nun leider berichten, dass dieser nach einer mysteriösen psychischen Erkrankung in ein Sanatorium eingewiesen wurde, aus dem er mittlerweile verschwunden ist. Niemand wisse, worunter Charles gelitten habe, die Symptome seien seltsam und geradezu abnormal gewesen. Tatsächlich jedoch hat Willett viel mehr Einblick in das Seelenleben Wards als er zunächst zugibt. Im Folgenden rekapituliert er nämlich den „Fall Charles Dexter Ward“ und zeichnet die Geschichte eines wissbegierigen jungen Mannes nach, der schließlich der schwarzen Magie verfällt und Dinge heraufbeschwört, deren Kontrolle ihm schon bald aus den Händen gleitet.

Charles, schon immer wissensdurstig, stößt zufällig auf einen Vorfahren, dessen Lebenswandel Charles’ Interesse weckt: Joseph Curwen lebte gegen Ende des 17. Jahrhunderts in Providence (er war von Salem dorthin geflohen, um den berüchtigten Hexenprozessen zu entgehen). Und obwohl er sich in die Gemeinschaft der Stadt einbringt, bleibt er doch auch immer ein Einsiedler. Neben seinem Stadthaus unterhält er etwas außerhalb eine Art Farm, über die die wildesten Gerüchte im Umlauf sind. Nachts flackern dort Lichter, es gibt seltsame Geräusche … kurzum, Curwen ergeht sich in schwarzer Magie, um aus den „essentiellen Salzen“ von Toten diese wiederzuerwecken. Die Bewohner von Providence kommen ihm zwar nicht wirklich auf die Schliche, doch sie sind beunruhigt genug, um seine Farm zu überfallen und ihm den Garaus zu machen.

Und so stirbt Curwen 1771 und wird praktisch aus der Familiengeschichte getilgt, bis Charles Ward wieder auf den illustren Vorfahren stößt. Fortan vergräbt Charles sich in seinem Studierzimmer. Er durchforstet die Friedhöfe von Providence nach dem Grab Curwens. Er entdeckt das alte Stadthaus seines Ahnen und macht dort eine Entdeckung, die ihn noch tiefer in die Geheimnisse Curwens eintauchen lässt.

Man ahnt es schon: Charles Wards Manie wird zu keinem guten Ende führen. Doch, was es tatsächlich mit Curwen auf sich hat und wie der Erzähler Marinus Willett in die Geschichte verwickelt ist, das muss schon jeder selbst hören.

_“Der Fall Charles Dexter Ward“_ gehört zum Cthulhu-Mythos (der Gott Yog-Sothoth wird hier beispielsweise zum ersten Mal erwähnt), doch spielen das Necronomicon und die dazugehörigen Götter nur eine untergeordnete Rolle. Das liegt nicht zuletzt am Erzähler: Lovecraft hat sich eines literarischen Kniffes bedient, um die Spannung zu erhöhen. Er lässt eine Nebenfigur, nämlich den Arzt der Familie, erzählen. Dieser erscheint zwar durchaus vertrauenswürdig und seine erzählte Geschichte ist auch schlüssig. Trotzdem kann man ihm nicht uneingeschränkt trauen, denn einen Großteil der Geschichte kennt er nur aus zweiter Hand. Er hat sie zusammengetragen oder sich zusammengereimt. Nur im letzten Teil der Geschichte ist er selbst Handlungsträger. So müssen gewisse Teile der Handlung oder Motivationen der Figuren im Dunkeln bleiben, was naturgemäß das Interesse des Lesers nur noch erhöhen dürfte. Dieser ist nämlich eingeladen, jedes Wort Willetts auf die Waagschale zu legen und die dunklen Ecken der Handlung mittels der eigenen Fantasie zu füllen.

Auf diese Weise bleiben die beiden Protagonisten Ward und Curwen letztendlich obskure Charaktere, derer man als Leser nie wirklich habhaft werden kann. Das liegt auch daran, dass es Lovecraft seinem Publikum nicht gerade leicht macht. Sein Text enthält eine ungeahnte Fülle an Fakten, Handlungssträngen und verschachtelten Zeitebenen. Hat man es sich eben noch im frühen 20. Jahrhundert des Charles Ward gemütlich gemacht, katapultiert einen Lovecraft prompt ins ausgehende 18. Jahrhundert. Und so geht es immerfort. Da heißt es für den Leser: Dranbleiben, es lohnt sich!

Dass Ward nicht als böser Alchemist geboren wurde, macht Willett mehr als klar. Dass selbiges auch für Curwen zutrifft, wird zumindest impliziert. Und so erzählt „Der Fall Charles Dexter Ward“ zweimal exemplarisch, was exzessives Forschen ohne moralische und ethische Grundlage anrichten kann. Denn Ward ist nicht nur äußerlich ein Spiegelbild seines Urahnen Curwen. Auch ihre Lebensgeschichten verlaufen parallel. Zwei Mal zeigt Lovecraft, was passiert, wenn Menschen an den ältesten Geheimnissen der Welt rühren – wenn sie nämlich das, was tot sein sollte, nicht tot sein lassen. Naturgemäß passieren dann nämlich schauerliche Dinge. Und um die Welt wieder ins rechte Lot zu rücken, muss der Schöpfer vernichtet werden, mitsamt seiner Schöpfung (siehe [„Frankenstein“). 3132

Das Sitzfleisch, das man für die 5 CDs dieses Hörbuchs investieren muss, lohnt sich in jedem Fall. Allen modernen Horrorfreunden demonstriert Lovecraft hier nämlich, wie man einen Leser das Grauen lehrt ohne schnelle Szenenwechsel und übergroße Effekte. Für heutige Leser mag Lovecrafts gemächlicher Stil fast schon behäbig wirken. Und doch stellt sich der vom Autor gewünschte Effekt mit Sicherheit ein: Ein unangenehmes Kribbeln im Rücken, das signalisiert: „Mich gruselt’s.“ Und mit Lovecraft macht das Gruseln einfach ganz besonderen Spaß!

|ISBN-13: 978-3-7857-4245-7
5 CDs im Box-Set|
http://www.lpl.de
http://www.luebbe-audio.de
http://www.andymatern.de
http://www.festa-verlag.de

_Mehr von und über H. P. Lovecraft auf |Buchwurm.info|:_

[„H. P. Lovecraft – Eine Biographie“ 345
[„Der Schatten über Innsmouth“ 424 (Hörbuch)
[„Schatten über Innsmouth“ 506
[„Der Cthulhu-Mythos“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=524 (Hörbuch)
[„Berge des Wahnsinn“ 3652 (Hörspiel)
[„Berge des Wahnsinns“ 4779 (Hörbuch)
[„Berge des Wahnsinn“ 72
[„Das Ding auf der Schwelle & Die Ratten im Gemäuer“ 589 (Hörbuch)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 897
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Hörspiel)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 5991 (Hörbuch)
[„Die Katzen von Ulthar und andere Erzählungen“ 1368
[„Cthulhu: Geistergeschichten“ 1421
[„Der kosmische Schrecken“ 1821
[„Der Ruf des Dämon“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=1823 (Hörbuch)
[„Der Flüsterer im Dunkeln“ 1961 (Hörbuch)
[„Vom Jenseits“ 2096
[„Der Schatten aus der Zeit“ 2358 (Hörbuch)
[„Jäger der Finsternis“ 3450 (Hörbuch)
[„Das schleichende Chaos“ 3459
[„Necronomicon“ 4521
[„Necronomicon“ 5278 (Hörbuch)

Shirley, John – In der Hölle

_Handlung:_

H ist ein Wesen aus einer anderen Dimension und gehört einer Lebensform an, die keinen Körper besitzt, sondern nur aus mentaler Energie besteht. Daher erscheint die Menschheit mit all ihren körperlichen Bedürfnissen, Trieben und Abgründen als außerordentlich interessant und faszinierend.

Die menschliche Neigung, sich gegenseitig zu schaden und Schmerzen zuzufügen, rückt schließlich in den Fokus von Hs Aufmerksamkeit. Zu Versuchsobjekten in seinem perversen Spiel werden unter anderem der Filmproduzent Younger und die Maklerin Jane. Gemeinsam mit einigen anderen Menschen werden sie in einer Fabrikhalle eingesperrt, die sich als raffiniertes Gefängnis entpuppt, aus dem es keinerlei Entrinnen gibt. Bald kochen die Emotionen über und die Situation eskaliert. Das Entsetzen der Menschen ist übermächtig, als sie erkennen, dass sie nicht sterben können und immer wieder gesund und munter von den Toten auferstehen, egal, wie oft sie ermordet werden. Doch welche Grenzen kennt die menschliche Grausamkeit, wenn sie selbst den Tod nicht fürchten muss?

Die Gefährten Hs wenden sich voll Entsetzen von ihm ab, als sein Experiment aus den Fugen zu geraten droht …

_Eindrücke:_

John Shirleys Roman von einer Lebensform, die Menschen als Versuchskaninchen missbraucht, ist nicht nur ungewöhnlich schmal ausgefallen, sondern bildet auch eine interessante Mischung aus Horror, Fantasy und Sciencefiction, wobei die typischen Elemente, die mit den drei Genres verbunden werden, fehlen.

Auffallend ist der triste, hoffnungslose Stil, in dem die Geschichte erzählt wird. Laut Shirley besteht die Welt nur aus Bosheit, Neidertracht und Gewalt. Von den handelnden Personen sind die beiden Überwesen, die Hs Vorgehensweise verabscheuen und verurteilen, noch die sympathischsten Zeitgenossen. Das Buch gliedert sich in drei Kapitel. In den ersten beiden werden zwei Einzelschicksale detailliert und eindringlich geschildert und erwecken den Eindruck, Kurzgeschichten zu lesen, in deren Verlauf die Protagonisten von H beeinflusst werden. Erst im letzten und dritten Kapitel laufen die Fäden zusammen und finden sich die handelnden Personen in dem eigentlichen Versuchslabor der übermächtig erscheinenden Entität namens H wieder.

Das Schreckensszenario, in dem sich Jane, Younger und all die anderen wiederfinden und dessen Ausmaß sie erst viel später in seiner Ganzheit begreifen, ist von beklemmender Intensität und beschreibt die Sinnlosigkeit einer Gesellschaft, die unfähig ist zu sterben. Leider beschränkt sich der Autor die meiste Zeit darauf zu schildern, in welcher Art und Weise sich die Menschen gegenseitig das Leben nehmen oder ihrer sexuellen Enthemmtheit frönen. Hinzu kommt die geradezu skizzenhafte Charakterisierung der Personen, die alle mit ihren hervorstechendsten Wesenszügen vorgestellt werden, aber nur wenig Tiefe erreichen und kaum Nähe zum Leser aufbauen. Der Plot des Romans birgt ein nahezu unerschöpfliches Potenzial, das leider nur begrenzt genutzt wurde. „In der Hölle“ ist brutal, minimalistisch, schonungslos und – zumindest für Genrefans – unterhaltsam. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Das Umschlagbild von Frank Fiedler ist, neben seiner Kunstfertigkeit, die treffendste optische Darstellung des Titels. Mit dem Inhalt direkt hat es allerdings nur wenig zu tun. Da es jedoch schwierig ist, die Situation der Menschen im perfiden Spiel des Überwesens oder H selbst angemessen zu zeichnen, ist die Lösung der |Edition Phantasia| die beste.

_Fazit:_

Wahrhaft höllisch! John Shirleys Schreckensvision von einem übermächtigen, außerirdischen Wesen, das die menschlichen Abgründe studiert, ist beklemmend und eindringlich, in ihrer Hoffnungslosigkeit aber auch recht einseitig.

|Originaltitel: The View from Hell; Akron, Ohio 2001
Aus dem Amerikanischen von Joachim Körber
Titelillustration von Frank Fiedler
151 Seiten Paperback
ISBN-13: 9783937897226|
http://www.edition-phantasia.de
http://www.darkecho.com/JohnShirley/

_Außerdem von John Shirley auf |Buchwurm.info|:_

[„Stadt geht los“ 1786

_Florian Hilleberg_

Michael Marcus Thurner – Das gestrandete Imperium (Perry Rhodan, Posbi-Krieg 1)

Der Posbi-Krieg ist der Titel eines sechbändigen Abenteuers um den Science-Fiction-Helden Perry Rhodan. Der ist gleichzeitig Name, Held und Programm für eine fantastische Erfolgsgeschichte deutscher SF, blickt die Serie, die als ausschließliche, wöchentlich erscheinende Heftromanserie begann, doch auf eine mittlerweile über 45jährige Geschichte zurück, in der über 3000 Heftromane in der immer noch wöchentlich erscheinenden Hauptserie geschrieben wurden und unzählige Taschenbücher, Schwesternserien, Sekundärliteratur, Spin-off-Serien und dergleichen mehr erschienen. Seit einigen Jahren erscheinen bei |Heyne| in schöner Regelmäßigkeit der jeweils aktuellen Hefthandlung angegliederte, jedoch eigenständige und unabhängig lesbare Romanreihen im Taschenbuchformat – und eine dieser Reihen trägt den Eigentitel „Posbi-Krieg“.

Posbis sind Roboter, die auf eine Komponente zugreifen können/müssen, die sie der Gefühle befähigt und damit zu definitionsgemäß echten Intelligenzen macht. Im ersten Band des Sechsteilers verschlägt es Perry Rhodan und seine beiden Begleiter Startac Schroeder und Mondra Diamond in eine ferne, durch hyperphysikalische Phänomene abgeschottete Galaxie. Dort leben einige den Menschen bekannte unterschiedliche Völker zusammen, unter anderem eine Gruppierung der Posbis. Und aus einem unbekannten Grund ist diese Roboterzivilisation plötzlich darauf aus, alles andere intelligente Leben in ihrem Aktionsradius (sprich in jener Galaxis) zu vernichten. Wie soll ein einzelner Mensch (oder auch derer dreie) diese furchtbare Gefahr abwenden oder auch nur bekämpfen? Zumal Rhodan selbst in der menschlichen Kolonie zunächst auf wenig Unterstützung trifft …

Thurner schreibt in typischer Perry Rhodan-Manier, verliert sich dabei oft in technischen Erklärungen und haarsträubenden Dialogen. Es gibt Dinge, Charakterzüge, die er versucht zu modernisieren oder neu zu beschreiben, um den Rhodan-Stempel auf seine Geschichte zu prügeln, und dabei misslingt ihm gerade das Wichtigste: Die Charakterisierung der Hauptfigur, Perry Rhodan. Zugegeben, eine schwere Aufgabe bei einer Figur, die länger als 40 Jahre allwöchentlich beschrieben wird, aber es ist eine der wichtigsten Aufgaben in diesem Romanprojekt. So ist – um wenigstens ein Beispiel zu nennen – es absolut undenkbar, dass Perry Rhodan einen seiner beiden Mitstreiter allein auf einer Welt zurück lässt, ohne überhaupt zu wissen, wo er ist oder ob er vielleicht in Schwierigkeiten steckt. Natürlich kann er nicht wissen, dass Startac Schroeder in dem Moment an der Grenze zwischen Leben und Tod weilt und aufs Blut gefoltert wird, aber etwas mehr als ein „Der kommt schon zurecht“ ist schon zu erwarten.

Positiv zu vermerken ist die Menschlichkeit, mit der sich Rhodan (erst zum Ende dieser ersten Geschichte) in der neuen Umgebung durchsetzt. Allerdings entbehrt es wiederum fast an gleicher Stelle jeder Grundlage, dass er vor dem Mikro seines Funkgerätes steht und versucht, mit den sturen Robotern ins Gespräch zu kommen, während tausende Menschen in explodierenden Raumschiffen sterben und die Kontaktversuche offensichtlich zu nichts führen.

Größte Ungereimtheit im ersten Teil: Rhodans Unverständnis der Abneigung, ja des Hasses der Alteraner jedwedem Posbi gegenüber. Thurner lässt ihn sich (und seine Mitstreiter) allen Ernstes fragen, wieso die angetroffenen Alteraner mit Hass und Schock auf die Anwesenheit der beiden Posbis reagieren – obwohl er von Lotho Keraete (dem Boten seines Auftraggebers) äußerst intensiv gebrieft wurde!

Ein insgesamt enttäuschender Auftakt für diesen Sechsteiler, der Heyne-typisch mit den höchsten Attributen versorgt wurde: Ein Science-Fiction-Abenteuer im Breitwandformat!

Taschenbuch: 384 Seiten
ISBN-13: 978-3453532625

Smith, Lisa J. – Prinz des Schattenreichs (Night World 2)

_|Night World| beim Buchwurm:_

Band 1: [Engel der Verdammnis 6012

Lisa J. Smiths „Night World“-Reihe hat mit einer Romanze zwischen einer Hexe und einem normalen Jungen begonnen. In „Prinz des Schattenreichs“ setzt sich die Serie wesentlich düsterer fort, denn dieses Mal ist der Geliebte kein Mensch, sondern ein Vampir …

Als Miles, Maggies großer Bruder, verschwindet, hat sie ein merkwürdiges Gefühl. Sylvia, Miles‘ Freundin, behauptet, dass er bei einer gemeinsamen Bergtour verunglückt ist, aber Maggie glaubt ihr nicht. Als sie der jungen Frau folgt, findet sie heraus, dass ihr Gefühl sie nicht getrogen hat. Mit Sylvia stimmt etwas nicht, denn anstatt um ihren verstorbenen Freund zu trauern, schmeißt sie lieber eine Party. Als Maggie sie zur Rede stellen will, wird sie übermannt und erwacht in einer Kutsche, zusammen mit einer Handvoll anderer Mädchen, die behaupten, dass sie sich in einer Parallelwelt befinden und in die Sklaverei verkauft worden sind.

Zuerst ist Maggie verwundert, doch schnell wird ihr klar, dass die Nachtwelt genauso Realität ist wie übernatürliche Wesen wie Hexen, Vampire und Gestaltwandler. Trotzdem verlässt sie ihr Mut nicht. Sie stachelt ihre Mitgefangenen zur Flucht an, doch die ist bald beendet. Sie hat sich der geschwächten Arcadia angenommen, die ebenfalls in der Kutsche war, und kommt deshalb nicht besonders weit, als einer der Wächter sie stellt. Ein blauer Blitz rettet sie und tötet den Wächter. Er stammt von Delos, dem Vampirkönig, der in ein Komplott seines Urgroßvaters verwickelt ist, der die Welt beherrschen will.

Anders als erwartet ist Delos, trotz seiner Reißzähne, kein furchterregender Anblick. Als die beiden sich das erste Mal berühren, spüren sie eine Verbindung zwischen sich: Sie sind Seelengefährten. Zum Glück! Denn nur mit Delos‘ Hilfe kann es Maggie gelingen, die Sklaven der Nachtwelt zu befreien und den Plan von Delos‘ Urgroßvater zu vereiteln. Doch ist Delos‘ Liebe stark genug, um ihr, die er als minderwertigen Mensch ansieht, zur Seite zu stehen und dabei seinen eigenen Verwandten zu verraten?

Überraschenderweise setzt der zweite Band der Night-World-Reihe nicht dort an, wo der erste aufgehört hat. Die Hauptfiguren sind andere und auch das Thema ist anders. Hexen und Engel spielen dieses Mal keine Rolle. Dafür geht es hinab in die Nachtwelt, eine mittelalterlich angehauchte Parallelwelt, die von Vampiren regiert wird. Leider versäumt es die Autorin, diese Fantasiekulisse entsprechend auszugestalten. Sie greift auf bekannte Mittel – Gestaltwandler, Vampire, Sklaven – zurück und bringt nur wenige eigene Ideen ein. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen auch nicht die übernatürlichen Wesen, sondern Maggie, die mutig und mit Herz für andere Leute und sich selbst kämpft. Ihre Romanze mit Delos, der ebenfalls als Erzähler auftritt, nimmt weite Teile der Geschichte ein. Dass, genau wie im ersten Band der Reihe, erneut von „Seelengefährten“ die Rede ist, lässt erahnen, worauf diese Serie setzt: Tatsächlich geht es hauptsächlich um die Liebe auf harmlosem Teenagerniveau. Lisa J. Smith rettet die Geschichte aber, indem sie eine actionreiche, wenn auch nicht immer spannende Handlung bezüglich der Rettung der Sklaven einbaut.

Die Figuren sind leider typische Jugendbuchmassenware. Maggies Mut und ihre Selbstaufopferung sind zwar bewundernswert, aber etwas zu viel des Guten. Um authentisch zu sein fehlt es ihr an einer düsteren Seite, auch wenn ihre Kratzbürstigkeit in diese Richtung spielt. Delos, der gelangweilte, grausame Thronfolger, ist hingegen schon etwas besser. Seine innere Zerrissenheit wird gut dargestellt, auch wenn sie nicht besonders tief geht. Dadurch erhält das Buch auf jeden Fall einen gewissen Touch, der dem ersten Band der Serie abgegangen ist. Es ist etwas kantiger und damit auch spannender, obwohl der Schreibstil sich nicht wirklich geändert hat. Er ist nach wie vor flüssig zu lesen, aber nicht unbedingt originell.

„Prinz des Schattenreichs“ unterscheidet sich in vielen Punkten von der Vorgängergeschichte. Auch wenn immer noch eine Liebesgeschichte im Vordergrund steht, ist das Buch etwas düsterer und dadurch besser geworden.

|Originaltitel: |Night World – Black Dawn|
Aus dem Amerikanischen von Michael Link
285 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3570306345|

http://www.cbt-jugendbuch.de

Smith, Lisa J. – Engel der Verdammnis (Night World 1)

Lisa J. Smiths „Night World“-Serie wurde bereits 1996 in Amerika veröffentlicht. Im Zuge der grassierenden Romantic Fantasy-Welle hat sich |cbt| dazu entschlossen, die Jugendbücher auch in Deutschland zu veröffentlichen. Den Anfang macht der Band „Engel der Verdammnis“.

Gillian ist ein unauffälliger Teenager, der weder coole Freunde hat noch die richtigen Partys besucht. Das macht ihr mehr zu schaffen als sie zugibt. Eines Tages hört sie nach der Schule ein merkwürdiges Heulen aus dem Wald. Es klingt wie ein kleines Kind, doch als sie versucht, dem Geräusch auf den Grund zu gehen, fällt sie in einen Fluss und stirbt.

Doch als ihre Seele den Himmel erreicht, stellt ein wunderschöner Engel namens Angel sie vor die Wahl, wieder auf die Erde zurückzukehren. Gillian entscheidet sich dafür, aber Angel weicht, zurück im Leben, trotzdem nicht von ihrer Seite. Er wird zu ihrem täglichen Begleiter, einer beratenden Stimme im Kopf, von der niemand anders weiß. Mit Angels Hilfe schafft es Gillian, sich in ein cooles Mädchen zu verwandeln und außerdem ihren Schwarm David Blackburn um den Finger zu wickeln. Doch sie ahnt nicht, welchen Preis sie dafür zahlen muss. Als Tanya, Davids Ex-Freundin, böse Gerüchte über Gillian verbreitet, stachelt Angel sie dazu an, Tanya und ihre Mitstreiterinnen mit Magie zu verletzen. Erst spät merkt Gillian, dass Angel weit skrupelloser ist als sie glaubt und dass er noch viel mehr mit ihr vorhat …

Man merkt „Engel der Verdammnis“ an, dass es nicht Teil der Dark-Fantasy-Mode ist. Die Geschichte hat, abgesehen von ihrem Titel, nur wenig mit Vampiren, Werwölfen und Co. zu tun. Im Vordergrund stehen ganz klar Gillian, ihre Veränderung und ihre Liebe zu David. Die Zauberei und die Anwesenheit von Angel, der vielleicht doch nicht so engelsgleich ist wie zuerst gedacht, sind mehr schmückendes Beiwerk. Dementsprechend viel erzählt die Autorin aus dem Highschoolleben, doch sie bleibt dabei an der Oberfläche. Die Message, die sie dabei transportiert – nämlich, dass das coolste Mädchen zu sein nicht der Schlüssel zum Erfolg ist -, ist alles andere als neu und nicht besonders spannend. Die spärlich gesäten Dark-Fantasy-Elemente helfen der Geschichte kaum. Sie ist weder spritzig noch düster noch wirklich spannend, sondern viel mehr ein normales, romantisches Jugendbuch mit wenig Substanz, aber vielen Teeniegefühlen.

Gillian als Person wirkt wie ein Abklatsch aus anderen Jugendbüchern. Sie hat keine bedeutenden Ecken und Kanten, sondern ist das übliche Mauerblümchen, das sich über Nacht in eine |Femme fatale| verwandelt. Hier hätte man sich mehr Mut gewünscht, auch in Bezug auf David und die anderen Charaktere. Eine dezente Schwarz-Weiß-Zeichnung überschattet weite Teile der Geschichte, auch wenn die Autorin versucht, immer wieder Grautöne ins Geschehen zu bringen. Diese wirken jedoch aufgesetzt und merkwürdig pädagogisch.

Der Schreibstil von Smith ist in Ordnung. Er passt zum Genre und hat weder besonders negative Seiten noch besonders positive. Die Autorin schreibt altersgemäß, verleiht ihrer Hauptperson durch die Sprache aber keine Eigenständigkeit und der Geschichte dadurch keine zusätzliche Tiefe.

„Engel der Verdammnis“ überzeugt als Auftakt der „Night World“-Serie eher nicht. Von der Dark Fantasy, die das Buchcover verspricht, ist in der Geschichte wenig zu spüren. Lisa J. Smith bewegt sich außerdem in ausgetretenen Spuren und schafft es nicht, ihre Geschichte von anderen Jugendbüchern zu distanzieren.

|Originaltitel: Night World – Dark Angel
Aus dem Amerikanischen von Michaela Link
253 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3570306338|
http://www.cbt-jugendbuch.de

Nix, Garth – Kalter Mittwoch

_Abwechslungsreich: Begegnungen mit Walen und anderen Unwesen_

Eigentlich ist Arthur Penhaligon kein Held. Genau genommen, ist ihm sogar ein früher Tod vorherbestimmt. Doch dann rettet ihm ein geheimnisvoller Gegenstand das Leben: Er sieht aus wie ein Uhrzeiger und wird von seltsam gekleideten Männern als „Schlüssel zum Königreich“ bezeichnet.

Doch zugleich mit dem Schlüssel erscheinen bizarre Wesen aus einer anderen Dimension, die ihn um jeden Preis zurückgewinnen wollen. In seiner Verzweiflung wagt es Arthur, ein geheimnisvolles Haus zu betreten – ein Haus, das nur er sehen kann und das in andere Dimensionen führt. Dort will er nicht nur sein wahres Schicksal erkennen, sondern auch sieben Schlüssel besorgen …

Im Krankenhaus findet Arthur eine seltsame Karte unter seiner Bettdecke. Es ist eine Einladung. Die geheimnisvolle Lady Mittwoch bittet ihn zu einem Mittagsmahl mit 17 Gängen. Und schon steckt Arthur im nächsten Abenteuer, bei dem er Piraten, tosenden Stürmen und einem riesigen Geschöpf trotzen muss, das angeblich alles frisst, was ihm in die Quere kommt. Eines steht fest: Arthur muss den dritten von insgesamt sieben Schlüsseln finden – nicht nur für sich selbst, sondern für die unzähligen Menschen seiner Welt, die Schlimmes erleiden müssen, falls er versagt.

Das Buch eignet sich für Kinder ab 10 Jahren.

_Der Autor_

Garth Nix wurde 1963 in Melbourne/Australien geboren. Nach seinem Studium arbeitete er in einer Buchhandlung, später als Verleger, Buchhandelsvertreter, Zeitungsredakteur und Marketingsberater. Seit 2002 bestreitet er seinen Lebensunterhaltet ausschließlich als Autor. Er lebt heute mit seiner Frau, einer Verlegerin, und seinem Sohn in einem Vorort von Sydney. Zu seinen bekanntesten Büchern gehört die Abhorsen-Trilogie, die komplett bei |Carlsen| und |Lübbe| erschienen ist („Sabriel“; „Lirael“; „Abhorsen“).

Der Zyklus „Die Schlüssel zum Königreich“ auf |Buchwurm.info|:

[„Schwarzer Montag“ 3719 (Die Schlüssel zum Königreich 1)
[„Schwarzer Montag“ 3172 (Hörbuch)
[„Grimmiger Dienstag“ 3725 (Die Schlüssel zum Königreich 2)
[„Grimmiger Dienstag“ 4528 (Hörbuch)
[„Kalter Mittwoch“ 4242 (Die Schlüssel zum Königreich 3)
[„Kalter Mittwoch“ 5101 (Hörbuch)
[„Rauer Donnerstag“ 4831 (Die Schlüssel zum Königreich 4)
[„Rauer Donnerstag“ 5051 (Hörbuch)
[„Listiger Freitag“ 5626 (Die Schlüssel zum Königreich 5)
[„Mächtiger Samstag“ 5790 (Die Schlüssel zum Königreich 6)

Außerdem von Garth Nix auf Buchwurm.info:

[„Sabriel“ 1109 (Das alte Königreich 1)
[„Lirael“ 1140 (Das alte Königreich 2)
[„Abhorsen“ 1157 (Das alte Königreich 3)

_Handlung_

Nach seinem letzten Abenteuer mit Sir Dienstag liegt Arthur mit gebrochenem Bein im Krankenhaus. Dort arbeitet seine Mutter Emily. Seine Familie ist durch diverse Agenten des HAUSES in Schwierigkeiten geraten, doch Arthur kann nichts deswegen unternehmen. Er rechnet jeden Moment damit, von den Abgesandten der Lady Mittwoch abgeholt zu werden.

Gerade als seine Freundin Blatt ihn besucht, geht es los. Seine Uhr geht rückwärts, sein Kalender bewegt sich. Vorsorglich zieht sich Arthur schon mal an. Da dringt Wasser in seinem Zimmer ein, und die Wand wird zu einer Wasserwand, die ihn und Blatt durchnässt. Sie klammern sich an das Einzige, was noch schwimmt: sein Bett. Unversehens geraten sie in die Welt des HAUSES und treiben auf der Grenzsee. Ein Dreimaster nähert sich – es ist die „Fliegende Gottesanbeterin“, geschickt von Lady Mittwoch. Doch bevor Arthur Blatt an Bord folgen kann, fällt er ins Wasser und wird abgetrieben. Der Dreimaster trägt Blatt mit sich fort.

Kaum ist Arthur ganz allein auf dem Meer, spürt er einen Gegenstand unter seinem Bett. Es ist eine knallrote Boje. Seltsam, was mag die Boje wohl bezeichnen? Er zieht an einem Ring und die Boje explodiert unter Blitz und Donner. Nun ist sie offen, und er steigt hinein, was sicherlich trockener ist als ein schwimmendes Bett. In der Nacht kommt aber schon wieder Schiff, und weil dessen Matrosen alle tätowiert sind, hält Arthur sie für Piraten. Da sind sie aber beleidigt: Sie seien Berger, sie bergen Schätze – Schätze wie den unter der Boje.

Eine Taucherin der Berger holt eine Truhe vom Meeresboden. Sie trägt das Zeichen des größten Feindes aller Berger: das von Fieberauge, dem Hexenmeister des Nichts. Au weia, das könnte Ärger geben. Kaum hat sich Arthur Kapitän Katzenkissen, seinem Ersten Offizier Concord und dem Zauberer Dr. Skamadandros vorgestellt, da taucht auch schon das Schiff „Schauder“ auf, das – wem wohl? – gehört: Fieberauge!

_Mein Eindruck_

Das Muster der Handlung ist immer das gleiche. Auch diesmal muss Arthur, unser schwacher Held, erst einmal Freunde, Helfer und Gefährten finden und für sich gewinnen. Schon am Anfang jedoch verliert er die treue Blatt, und er ist auf seine eigene Fähigkeit angewiesen, sich bei den Bergern durchzusetzen. Zum Glück erkennen sie, dass er ein erbberechtigtes Kind des VERMÄCHTNISSES ist und in der Gunst der ARCHITEKTIN steht. Das erleichtert einiges.

Diese Helfer sind jedoch sehr nötig, wenn der Feind angreift. Da ist zunächst einmal der Oberpirat und Hexenmeister Fieberauge, ein Diener des NICHTS und somit ein Feind des VERMÄCHTNISSES. Aber er ist nicht der Schlüsselbewahrer und Treuhänder des VERMÄCHTNISSES. Das ist schließlich Lady Mittwoch. Mit Hilfe weiterer Gefährten, den Steuerratten unter Commodore Monkton, erfährt Arthur mehr darüber, wer, was und vor allem wo Lady Mittwoch ist.

|Die Gegner|

Macht und Bedrohung manifestieren sich in vielerlei Formen. Diesmal ist es nicht Gewalt, sondern schiere Größe, die Arthur Furcht einflößt. Denn Lady Mittwoch ist ein gigantischer Walfisch von 32 Kilometern Länge und entsprechender Höhe. Versteht sich, dass sich die Machtbasis des Hexenmeisters Fieberauge in ihrem voluminösen Inneren verbirgt. Dort würde Arthur auch die verlorene Blatt wiederfinden. Der einzige Weg dorthin führt über das U-Boot, das die Ratten steuern.

|Herakles|

Diesmal gerät Arthur mitten unter die echten Piraten. Über die historischen Piraten zwischen 1670 und 1730 hat sich der Autor offenbar genau informiert, wie man an Details wie einem brennenden Bart aus Zündschnüren ablesen kann. Diesen Bart trug nur Edward „Blackbeard“ Teach. Arthurs Showdown mit Fieberauge ist phantastisch gut geschildert. Der Sieg ist nur schwer zu erringen, und Arthur braucht wieder die Hilfe seiner Gefährten, um zu siegen. Denn wie kann man einen Gegner niederringen, dessen abgeschlagener Kopf immer wieder nachwächst?

Dieses Problem hatte schon der antike Held Herakles, welcher der Hydra die Köpfe abschlug, doch sie wuchsen ihr immer wieder nach. Er musste sie einzeln ausbrennen. Dass der Autor die Herakles-Sage kennt, beweist der Name des Schiffes „Fliegende Gottesanbeterin“: Heraklius Schwell. Arthur ist eine Verkörperung vieler Helden, und König Arthur sowie Herakles sind nicht die Geringsten darunter.

|Die Aussage|

Interessant ist auch das Verhältnis zwischen Fieberauge und Lady Mittwoch. Sie ist das Opfer eines Fluches, der sie nimmersatt macht. Jemand muss sie davon erlösen. Fieberauge ist der Erlöser garantiert nicht, denn er benutzt sie als sein Versteck und seine Operationsbasis. Seine Organisation ist wie sein Verstand: eine Art Hydra, die gierig ihre Finger überallhin ausstreckt, um Beute an sich zu raffen.

Dass diese Organisation sich versteckt, könnte symbolisieren, dass es sich bei dem Bösen, das sie verkörpert, um die Mafia, Camorra usw. handelt, die ja schon vielfach als „Hydra“ bezeichnet worden ist (zuletzt in Roberto Savianos Buch „Gomorrha“). Sie kann aber auch die Korruption sein, die damit einhergeht und der Ausbreitung der Hydra Vorschub leistet.

_Unterm Strich_

Diese Fantasyreihe wartet mit einem recht gut durchdachten Paralleluniversum auf, das erstens die Bestimmung des Helden bereithält und zweitens natürlich die Lösung zu allen Rätseln. Aber diese Bestimmung fällt dem denkbar ungeeigneten Asthmatikerhelden nicht in den Schoß, wie man sich leicht denken kann, sondern muss in sieben Kämpfen errungen werden.

Da sich diese Kämpfe auch auf die Welt des Helden erstrecken, gerät er mit seiner Familie in alle möglichen gefährlichen Situationen. Der Angriff von Grotesken, Nichtlingen und Käptn Fieberauge dürfte nur ein Vorgeschmack auf das sein, was noch kommen könnte. Doch wie im HAUS die loyale Susi Arthur beim Bestehen von Abenteuern beisteht, so tut dies in der Realwelt die treue Blatt.

Mir hat die Geschichte viel Spaß gemacht, denn der Autor überrascht mit einigen doch recht interessanten Einfällen, wie etwa dem verschlafenen Sonnenbären, dem Geschenk des VERMÄCHTNISses, das ganz aus Buchstaben besteht, oder den sprechenden Schiffsratten. Dieses Buch dreht sich ebenfalls um Macht und wie man ihr entgegentreten kann. Interessant ist dabei, dass Lady Mittwoch keineswegs der Schurke im Stück ist, sondern das Opfer eines Fluchs, das erlöst werden muss. Der Schurke ist Fieberauge, und ihn zu besiegen, stellt sich als wahrlich nicht einfach heraus.

|Die Heilung der Welt|

Natürlich erinnert der Aufbau der Geschichte ein wenig an Tad Williams‘ Zyklus „Otherland“, und hier wie dort durchstreift der Held eine virtuelle Welt, die er heilen muss. Aber er hat sie auch zu erobern und dafür etliche Kämpfe zu bestehen. Denn damit heilt er zugleich auch seine eigene Welt. Beides gehört zusammen, und der Weg ist das Ziel: Arthur findet nicht nur zu selbst, sondern erkennt auch seinen Platz und seine Aufgabe in der Welt. Das ist eine wertvolle Lektion, wie sie nur sehr gelungene Jugendbücher glaubwürdig zu vermitteln vermögen, so etwa die Harry-Potter-Reihe oder der Wintersonnenwende-Zyklus von Susan Cooper.

|Originaltitel: Drowned Wednesday, 2005
Aus dem australischen Englischen übersetzt von Axel Franken
382 Seiten
ISBN-13 der Taschenbuchausgabe: 978-3404206094|
http://www.bastei-luebbe.de