Ange / Varanda / Démarez – Legende der Drachenritter, Die – Band 7: Die Sonne wiedersehen

Band 1: [„Jaina“ 3349
Band 2: [„Akanah“ 3585
Band 3: [„Das leblose Land“ 3826
Band 4: [„Brisken“ 4153
Band 5: [„Schlossgärten“ 4749
Band 6: [„Jenseits der Berge“ 5143

_Story_

Das Übel breitet sich fortwährend aus und scheint auch vor einer großen Stadt in der Nähe des Vulkans nicht haltzumachen. Die vier Abgesandten der Drachenreiter unter der Führung der waghalsigen Vaune versuchen dennoch, die Chance zu nutzen und bei der Führung einen Evakuierungsbefehl für die ahnungslosen Bewohner zu erwirken.

Doch die Bereitschaft, den Drachenrittern eine Audienz zu gewähren, hält sich in Grenzen, da man ihren Behauptungen keinen Glauben schenkt. Stattdessen widmet man sich lieber den Sklavengeschäften und dem Missbrauch sämtlicher Menschenrechte, die selbst die wenig sensible N’Aria kaum mehr tolerieren mag. Als sie mit einigem Nachdruck dann endlich in die Gemächer des Adels gebeten werden, wird das Gespann gleich doppelt überrascht – einmal von der eigenen Naivität, und zum anderen von der Heimtücke des Adelsgeschlechts, das längst von der Seuche befallen ist, sich aber noch stärker als überlegene Rasse betrachtet. Die nächste Schlacht beginnt …

_Persönlicher Eindruck_

Nachdem die letzten Kapitel um den Orden der Drachenritter teilweise recht blutig und actionreich gezeichnet waren, scheint es in der aktuellen Episode wieder eine Spur gemäßigter und kontrollierter zuzugehen. Die neuen Charaktere wirken abgebrühter, und die Rahmenhandlung erweist sich auf den ersten Seiten als durchschaubares Politikum mit absehbaren Folgen. Allerdings hätte das Autorenteam Ange nicht schon so guten Zuspruch zu dieser Serie erlangt, wenn es ihnen in der Vergangenheit nicht so oft gelungen wäre, die gesamte Story immer wieder auf den Kopf zu stellen und mit unkonventionellen Konzepten eine Serie von bislang sechs unabhängigen Bänden mit geradezu gleich hoher Überzeugungskraft zu kreieren. Und diesbezüglich bildet auch „Die Sonne wiedersehen“ keine Ausnahme!

Die Geschichte entwickelt sich unter steigendem Tempos recht schnell zu einer ziemlich dramatischen Tragödie, die an vorderster Stelle natürlich von den jungfräulichen Rittern berichtet, gleichzeitig aber auch das Schicksal von versklavten, gerade mal pubertären Kindern aufrollt, welches unmittelbar mit dem gespenstischen Treiben in der Stadt zusammenhängt. Erst einmal unabhängig voneinander werden so die Geschichte der hoffnungslosen Drachenritter und ihrem hehren Plan sowie das Drama um ein junges Mädchen erzählt, welches in der Rolle als Dienerin von der bevorstehenden Bedrohung erfährt und gemeinsam mit einigen anderen Kindern die Flucht plant – doch dann kommt ihr eine teuflische Machtdemonstration des anrüchigen Adels in die Quere.

An sich gleicht die Handlung rein strukturell sehr stark der letzten Trilogie dieser Serie, gerade was das Erzähltempo betrifft. Nach einem kurzen Intro ist man erneut von einer äußerst brisanten Ausgangssituation umgeben, die von den Autoren konsequent genutzt wird, um ein sehr actionreiches, in diesem Sinne aber nicht plumpes Storyboard zu erstellen. Die Drachen greifen lebendiger als zuvor in den Plot ein, auf allen Handlungsebenen wird die Dramaturgie verschärft, und selbst wenn Vaune als Hauptcharakter nicht immer überzeugend ist, so sind auch die Figuren in „Die Sonne wiedersehen“ zum wiederholten Male sehr individuell und außergewöhnlich – und davon profitiert die Story in diesem Fall definitiv am meisten.

Grafisch ist ferner alles bestens. Die Jungfrauen erfreuen sich einiger freizügiger Darstellungen, die Action wird darüber hinaus ziemlich effektvoll untermalt, und auch die verwandelten Unterdrücker – konzeptionell ein Markenzeichen dieser Reihe – machen optisch eine Menge her. Die Kombination ist demzufolge stimmig, die Story selber überzeugend. Damit setzt sich der positive Trend serienintern weiter fort und macht „Die Legende der Drachenritter“ mittlerweile auch zu einem der wichtigsten und besten Formate im Fantasy-Programm des |Splitter|-Verlags – eine Feststellung, die zu Debützeiten sicher noch nicht absehbar war, dafür heute aber umso erfreulicher ist!

|Originaltitel: La geste des chevaliers dragons – Revoir le soleil
48 Farbseiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-939823-41-4|
http://www.splitter-verlag.de/

Frank Rainer Scheck / Erik Hauser (Hg.) – Berührungen der Nacht. Englische Geistergeschichten in der Tradition von M. R. James

24 Geschichten lassen die große Zeit der englischen Gespenstergeschichte aufleben. Sie stehen in der Tradition von M. R. James, der als Meister gilt und zum Vorbild einer eigenen Schule von Autoren wurde, die nach seinem Vorbild neue Storys schrieben. Die ungemein lesenswerte, sorgfältig edierte und hervorragend übersetzte Sammlung liefert ausführliche Hintergrundinformationen zur „James-Gang“ und zur zeitgenössischen Phantastik: Feinste Lektüre für schauerliche Nächte.
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Hayes, Kevin (Autor) / Herzog, Ulli (Regie) – Jan Tenner 36: Der Höllenplanet

Folge 34: [„Angriff der Puppenkönigin“ 5509
Folge 35: [„Der schwarze Tod“ 5510

_Besetzung_

Erzähler: Ulli Herzog (ebenfalls Dialogregie für „Bibi Blocksberg“)
Jan Tenner: Lutz Riedel (Timothy Dalton, Udo Kier, Jonathan Pryce)
Laura: Marianne Groß (Angelica Huston, Cher)
Professor Futura: Klaus Nägelen
General Forbett: Heinz Giese (Yul Brynner)
Mimo: Wilfried Herbst (Charles Hawtrey, Morten ‚Benny‘ Grunwald)
Professor Zweistein: Klaus Miedel (Dean Martin, Yul Brunner)
Seytania: Almut Eggert (Ursula Andress, Kelly Bishop)
König Maya: Manfred Rahn

Regie: Ulli Herzog
Buch: Kevin Hayes
Ton: Carsten Brüse
Musik: Jutta Stahlberg

_Story_

Jan Tenner und seine Freunde werden auf einen Notruf aufmerksam, der von teuflischen Zuständen auf einem fernen Planeten kündet. Sofort reist das Quartett mit dem |Silbervogel| an den Rand der Galaxis, um das bedrohte Volk, welches im Funkspruch um Hilfe bittet, zu unterstützen, wird dabei aber grob getäuscht: Schon bald befinden sich der Professor und seine Helfer in einer Hölle aus Lava und feurigen Monstern, welche den Erdlingen nach dem Leben trachten.

Und als sei dies nicht schon genug, meldet sich auch prompt der verrückte Zweistein wieder, der mit Seytanias Hilfe eine teuflische Falle aufgebaut hat, durch die er an den |Silbervogel| herankommen möchte. Jan, Laura, Forbett und Futura haben die Wahl: Entweder überlassen sie ihrem ärgsten Konkurrenten das Schiff, oder sie verbrennen mit ihm zusammen auf dem Höllenplaneten …

_Persönlicher Eindruck:_

Mit der Vervollständigung des dritten Dutzends widmet sich Autor Kevin Hayes einmal mehr den Auseinandersetzung zwischen Tenner und Co. auf der einen und Zweistein und Seytania auf der anderen Seite, in diesem Fall aber leider ein bisschen berechnend. Die Geschichte beruht stellenweise einfach zu stark auf den gängigen Serienklischees und wirkt in ihrer Konzeption auch wenig glaubhaft, da die Charaktere nur selten auf Basis von nachvollziehbaren Motiven handeln. Bereits mit dem ungewöhnlichen Einstieg bricht man mit einigen Traditionen, zum Beispiel mit jener, dass die vier Helden überlegt in ihre Abenteuer ziehen. Zu offensichtlich lauert hinter dem undeutlichen Funkspruch eine Falle, deren Initiator ebenfalls nur auf einen Namen hören kann: Zweistein.

Davon abgesehen, sind auch die Zweckbündnisse auf der Gegenseite nicht wirklich glaubwürdig ausgearbeitet. Weder Seytania noch Zweistein gewinnen echte Vorteile aus ihrer kurzzeitigen Gemeinschaft, davon abgesehen, dass sie Tenner und seinem Gefolge erheblichen Schaden zufügen können. Doch dies allein ist noch nie das Motiv der beiden feindlichen Protagonisten gewesen, so dass Teile der Geschichte bisweilen suspekt erscheinen – oder etwas abgeschwächt formuliert: In „Der Höllenplanet“ harmoniert nicht alles so, wie man es aus früheren Episoden gewohnt ist.

Andererseits sind die Sprecher wieder mit Leib und Seele dabei und schaffen es stellenweise sogar, die weniger logischen Schritte der Handlung wettzumachen. Klaus Miedel ist in der Rolle des verrückten Chamäleons Zweistein mal wieder in seinem Element und verkörpert den wechsellaunigen Professor mit größter Leidenschaft. Ebenfalls wieder eine Klasse für sich ist Heinz Giese, der als General Forbett langsam dem großen Schatten von Jan Tenner / Lutz Riedel entwachsen ist und mit flotten Sprüchen für den nötigen Humor sorgt – und dies natürlich im steten Duell mit seinen Teamkameraden.

Dementsprechend ist die allgemeine Präsentation immer noch sehr ordentlich, auch wenn der Spannungsaufbau ein wenig darunter leidet, dass die Handlung über weite Strecken zu vorhersehbar gestaltet ist. Dies ist alles in allem auch die einzige Schwäche, die aus den eben genannten Schwierigkeiten resultiert und einen Einfluss auf den eigentlichen Hörspielgenuss hat. Sieht man darüber hinweg – und das fällt bei einer ambitionierten Reihe wie „Jan Tenner“ schon ein ganzes Stück leichter als bei vergleichbaren Konkurrenztiteln -, erlebt man immer noch eine ansprechende Inszenierung in einem erneut anständig aufgemachten Setting.

|Empfohlen ab 8 Jahren
ISBN-13: 978-3-86714-150-5|
http://www.jan-tenner.de
http://www.jan-tenner.net
http://www.jan-tenner.info
http://www.maritim-produktionen.de

Rogers, Eric – Simpsons Comics 147

_Inhalt_

|“Konkurrenz verdirbt das Geschäft“|

Als Bart und Homer sich in ihren Stormtrooper-Uniformen in ihre Phantasie als Star-Wars-Krieger stürzen, wirkt Marge schrecklich genervt. Sie bittet die beiden, ihre alten Spielzeuge endlich zu entsorgen, was Vater und Sohn so aber nicht hinnehmen wollen. Bei der Suche nach Alternativ-Müll entdecken sie auf dem Speicher Grandpas Comic-Sammlung. Bart erkennt sofort das Potenzial, und kurze Zeit später machen die beiden ihren eigenen Laden direkt gegenüber vom Shop des berüchtigten Comic-Typen auf. Stress ist vorprogrammiert – zumal Abraham Simpson die Comics gar nicht zum Verkauf freigegeben hat und das Geld zur Sanierung des Altenheims selber dringend benötigt …

_Persönlicher Eindruck_

De facto sind die Geschichten um den völlig besessenen Comic-Verkäufer zumeist in den Top-Listen der Simpsons-Fangemeinde vorzufinden, was unter anderem natürlich auch damit zusammenhängt, dass die serieneigene Klischeebesessenheit hier stellenweise am deutlichsten zum Tragen kommt. Diesbezüglich macht die 147. Ausgabe der deutschsprachigen „Simpsons Comics“ absolut keine Ausnahme, zumal Homer und Bart hier in ihrem Wahn ähnliche Züge annehmen wie der berühmt-berüchtigte Freak und schließlich immer deutlicher zu völlig weltfremden Nerds mutieren.

Die Story an sich ist wirklich klasse und wird gewohntermaßen von unzähligen netten Nebenspielsplätzen ausgeschmückt. Da ist unter anderem der seltsame Lagerbestand von Grandpa Simpson, in dem sich unter anderem Requisiten von uralten Hollywood-Produktionen befinden, natürlich der etwas eigenwillig geführte Comic-Laden der beiden frischgebackenen Geschäftsleute, Nelsons plötzliches Interesse für die Entwicklungen der amerikanischen Wirtschaft und nicht zuletzt der teils bösartige Affront gegen die Entwicklungen in der Branche der Seniorenbetreuung. Eric Rogers und Bill Morrison nehmen kein Blatt vor den Mund und sparen weder Peinlichkeiten noch Klischees aus – und davon lebt diese neue Episode mehr denn je.

Selbst die angefügte Mini-Story im Anschluss kann von diesen pikanten Zutaten zehren und mischt sich prächtig mit dem teils sogar recht böswillig inszenierten Hauptplot, der erneut zu den echten Highlights in der illustrierten Karriere Springfields gehört. Da braucht es dementsprechend auch nicht vieler Worte, um das Fazit auf den Punkt zu bringen: Dieser Comic ist ein adäquates Äquivalent zur starken TV-Reihe!

[Die Simpsons bei Panini]http://www.paninicomics.de/?s=serie&gs__gruppe=22

Anthony Berkeley – Der Fall mit den Pralinen

Sechs Hobby-Detektive versuchen sich an der Aufklärung eines Mordfalls. Sie alle lösen das Rätsel auf ihre Weise, aber wer von ihnen liegt richtig …? – Eleganter britischer „Whodunit?“-Klassiker, der unterhaltsam darüber aufklärt, wie ‚harte Fakten‘ manipuliert und missinterpretiert werden können. Jede ‚Lösung‘ wird logisch entwickelt und (mit knochentrockenem Humor) ad absurdum geführt, bis der Verfasser das letzte, natürlich völlig unerwartete Wort behält: ein zwar altmodischer aber zeitloser Krimi ist endlich wieder zurück auf dem deutschen Buchmarkt!
Anthony Berkeley – Der Fall mit den Pralinen weiterlesen

Lodewijk, Martin (Autor) / Lawrence, Don (Zeichner) – Storm 2: Der letzte Kämpfer

Band 1: [„Die tiefe Welt“ 5563

_Story_

Gerade erst hat der einstige Astronaut Storm sein erstes Abenteuer auf dem barbarischen Planeten bestanden, der einst seine Heimat, die Erde, war, da rennt er mit seiner neuen Gefährtin Rothaar auch schon ins nächste Unglück: Ein Abgesandter der Wüstenstadt Soamandrakisal nimmt die beiden gefangen und verkauft sie an den Wanderzirkus des hinterlistigen Meisters Cush.

Ohne Aussicht auf eine erfolgreiche Flucht, ordnen sich die beiden ihrem neuen Meister unter, erkennen aber bald auf dessen intrigante Methoden, als Storms Ausbilder im Kampf zu einer Opferung in der nächsten Stadt gezwungen wird. Der gestrandete Erdenbürger widersetzt sich daraufhin der Obrigkeit und wird verdammt, als Champion der Stadt im Palais des Todes das Artefakt der Macht zu befreien.

Seit Jahrhunderten scheitern die Helden der angrenzenden Städte an dieser Prüfung und büßen mit ihrem Leben. Doch Storm lüftet das grausame Geheimnis dieses finsteren Verlieses; das Palais ist ein altes Kriegsschiff aus der Zeit vor dem Sturz der Bevölkerung und seiner eigenen Rückkehr zur Erde. Doch als er die Prüfung besteht und das Abkommen mit dem Rat der Stadt einlösen möchte, wird der frustrierte Astronaut ein weiteres Mal hintergangen …

_Persönlicher Eindruck_

Kult – dieser Begriff wird immer mal wieder gerne strapaziert, wenn es um die Neuauflage alter Comic-Ausgaben geht, insbesondere im Superhelden-Metier. Don Lawrences erfolgreicher Einzelkämpfer Storm fällt zwar nicht direkt unter dieses Genre, gehört aber definitiv zu den wenigen Figuren des frühen Action-Comics, die mit einem vorzüglichen Kultfaktor aufwarten können.

In der zweiten Ausgabe gibt es ein Wiedersehen mit dem gestrandeten Astronauten und seiner neuen Verbündeten Rothaar, die sich im Doppelpack gegen die Tücken einer durch und durch primitiven Welt kämpfen. Wie auch schon in der ersten Episode des Remakes gibt es zahlreiche Anspielungen auf die menschliche Historie, die jedoch in ihrer neuartigen Kombination und Interpretation recht schnell ein Eigenleben entwickeln und daher auch gar nicht den Eindruck einer Persiflage, geschweige denn einer gezielten Ableitung entwickeln. Korrupte Spiele, manipulierte Gladiatorenkämpfe und Sklaverei betonen zwar die Nähe des Settings zum alten Rom, da dies jedoch mit fast noch barbarischeren Charakteren und einer modernen Kriegsmaschine verbunden wird, entsteht auch hier in kürzester Zeit ein einigermaßen skurriler Background, der nahtlos an die sympathische Kulisse auf „Die tiefe Welt“ erinnert.

Abgesehen davon wird die Geschichte auch konsequent fortgesetzt, entpuppt sich jedoch als selbständiger Ableger mit eigenem Storyboard und nur losen Verbindungen zum ersten Teil. Die beiden tragenden Figuren sind nunmehr bekannt, jedoch gewährt ihnen der neue Autor Martin Lodewijk, der im Übrigen unmittelbar an der Schöpfung der Comic-Figur Storm beteiligt war, eine Menge Raum zu einer steten Fortentwicklung, wodurch sich besonders der Titelheld alsbald zu einer echten Kämpfernatur mausert. Dies steht zwar im Zusammenhang mit einer Reihe denkwürdiger Klischees, die jedoch vor dem Hintergrund des Entstehungsjahres dieses Kapitels gerne hingenommen werden. Und ganz nebenbei: Es ist zu bestreiten, ob „Storm“ ohne derart geregelte Strukturen und eine gewisse Berechenbarkeit, die hinter den Story-Arrangements steht, überhaupt so gut funktionieren könnte.

Wie auch immer: „Der letzte Kämpfer“ ist eine richtig gute Geschichte, gelegentlich zwar mit Entwicklungen, die sich vorab erahnen lassen, letzten Endes aber mit einem ansehnlichen Spannungsbogen, definitiv legendären Action-Sequenzen und einem unwiderstehlichen Protagonisten. Hinzu kommt schließlich noch eine wirklich ideenreiche Präsentation von Altmeister Lawrence, der das außergewöhnliche Setting raffiniert zu einigen Kunststücken nutzt, die gerade in den Schlusssequenzen für die noch verbleibenden Akzente sorgen.

Die Collector’s Edition aus dem Hause |Splitter| garantiert zu guter Letzt eine üppige Aufmachung und, wie schon im ersten Band, eine Menge Extras. Wieder gibt es zahlreiche Hintergrundinformationen zur Entstehung, exklusive Zeichnungen und als Gimmick einen weiteren gravierten Druck auf der letzten Seite. Kurzum: Darauf sollte man als Comic-Liebhaber auf keinen Fall verzichten!

|Originaltitel: De laatste Vechter
64 Farbseiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-940864-48-2|
http://www.splitter-verlag.de

Harris, Charlaine – Falsches Grab (Harper Connelly 2)

2008 veröffentlichte der Verlag |dtv|, der sich auch schon Charlaine Harris‘ Serie um die gedankenlesende Kellnerin Sookie Stackhouse angenommen hat, den Auftaktroman zu einer neuen Serie aus Harris‘ produktiver Feder. In [„Grabesstimmen“ 4704 ging es um die junge Harper Connelly, die nach einem Blitzschlag in der Lage ist, Tote aufzuspüren und deren letzte Momente nachzuerleben. Zusammen mit ihrem Halbbruder Tolliver hat sie diese Gabe zu einem Zwei-Mann-Betrieb ausgebaut. Die beiden reisen von Auftrag zu Auftrag, finden Leichen und helfen der Polizei auch schon mal dabei, einen Mord aufzuklären.

Die Fortsetzung „Falsches Grab“ geht zunächst aber durchaus beschaulich los. Harper und Tolliver wurden von dem College-Professor Dr. Nunley eingeladen, um auf einem alten Friedhof die Todesursache der dortigen Leichen zu bestimmen. Nunley gibt ein Seminar zum Thema „Unvoreingenommenes Denken“, in dem er – dem Titel des Seminars völlig entgegengesetzt – Hexen oder Hellseher vor seinen Studenten bloßstellen will. Und so hat er für Harper die perfekte Versuchsanordnung aufgebaut; schließlich ist er im Besitz der offiziellen Aufzeichnungen des Friedhofs und kann jeder Leiche eine Todesursache zuordnen.

Womit er nicht gerechnet hat, ist, dass Harper dies ebenfalls gelingt. Zielsicher wandert sie über den Friedhof und liegt mit den Todesursachen, die sie den Leichen zuweist, immer richtig. Nunley wird zusehends erboster und ungehaltener, droht doch sein Plan zu platzen. Doch das Ziel des Seminars wird in den Hintergrund gedrängt, als Harper feststellt, dass ein Grab doppelt belegt ist: Über der zu erwartenden Leiche befindet sich eine zweite: Die verbuddelten Überreste der seit einem Jahr verschwundenen Tabitha Morgenstern.

Pikanterweise wurden damals gerade Harper und Tolliver damit beauftragt, Tabitha zu finden. Dass sie nun hier zufällig auf die Leiche des elfjährigen Mädchens stoßen, lässt vermuten, dass sie jemand in eine Falle locken wollte. Aber wozu? Und wer hat die Kleine nun tatsächlich umgebracht? Harper und Tolliver finden sich plötzlich mitten in Tabithas trauender Familie wieder, sie werden von Reportern verfolgt und von der Polizei misstrauisch beäugt.

Mit „Falsches Grab“ hat Charlaine Harris eine mehr als würdige Fortsetzung geschrieben. Auf der einen Seite liefert sie einen verzwickten Krimiplot mit so vielen Charakteren, dass man sich als Leser nie recht entscheiden kann, wen man nun eigentlich verdächtigen sollte. Auf der anderen Seite konzentriert sie sich ebenfalls auf ihre Figuren, hauptsächlich natürlich Harper und Tolliver, die sie gegenüber „Grabesstimmen“ weiterentwickelt und mit Leben füllt. Offensichtlich hat sie sich seit dem ersten Roman auch vermehrt mit den medizinischen Auswirkungen eines Blitzschlags beschäftigt, denn es finden sich in „Falsches Grab“ viele Passagen, in denen Harper mit Spätwirkungen zu kämpfen hat – derartiges war in „Grabesstimmen“ noch nicht so plastisch ausgearbeitet.

Doch zurück zu Harper und Tolliver: Tolliver ist Harpers wichtigste Bezugsperson. Die beiden haben eine unglaublich enge – geschwisterliche – Beziehung, da ihre Eltern ständig zu high oder betrunken (oder beides) waren, um ihre elterlichen Pflichten wahrnehmen zu können. Das hat die beiden zusammengeschweißt. Sie planen sogar, sich ein gemeinsames Haus zu kaufen, sobald sie genügend Geld gespart haben. Harper und Tolliver hatten nie eine wirkliche Familien und gerade deswegen ist sie ihnen so wichtig. Sie stehen nicht nur einander sehr nahe, sondern versuchen auch, zu ihren Halbgeschwistern regelmäßigen Kontakt zu halten, obwohl das deren Pflegeeltern nicht gern sehen, da sie wohl denken, bei Harper und Tolliver wären mehrere Schrauben locker.

Und so sind Harper und Tolliver ständig zusammen, 24/7, wie es so schön heißt. Und obwohl sie sich selbst als Geschwister bezeichnen, sind sie tatsächlich nicht blutsverwandt. Harris macht sich einen Spaß daraus, Nebencharaktere auf die seltsame Beziehung der Protagonisten anspielen zu lassen. Ständig werden diesbezügliche Fragen gestellt: „Wollen Sie ein Einzel- oder Doppelzimmer?“ ist da noch eine der braveren Möglichkeiten. Die Häufung dieser Anspielungen führt beim Leser unweigerlich zu der Annahme, dass Harris die Beziehung der beiden bald in eine andere Richtung steuern wird. Und tatsächlich, irgendwann nach zwei Dritteln des Romans, bekommt Harper den erwarteten „Tausend mal berührt“-Blues. Natürlich weiht sie Tolliver nicht in ihre plötzlich veränderten Gefühle ein, und es bleibt abzuwarten, wie lange ihr in der Regel durchaus aufmerksamer Bruder brauchen wird, um hinter das Geheimnis ihrer plötzlichen Stimmungsschwankungen zu kommen. Mal sehen, in welche Richtung es da zukünftig weitergeht!

Abgesehen vom Krimiplot wird auch die Mystery weiter ausgebaut. Harper begegnet zum ersten Mal einem echten Geist (nämlich dem „originalen“ Bewohner des doppelt belegten Grabs), und Harris stellt ihr kurzerhand eine wahrsagende verschrobene Oma und deren schwer tätowierten und gepiercten Enkel Manfred an die Seite. Manfred, der offensichtlich Gedanken lesen kann, darf gern auch in den zukünftigen Romanen vorkommen, denn offensichtlich knistert es zwischen ihm und Harper – auch wenn diese das Knistern nicht wirklich ernst nimmt.

Man sollte sich allerdings hüten, „Falsches Grab“ als Mystery mit Krimihandlung zu bezeichnen. Gerade umgekehrt wird ein Schuh draus: Harris‘ Serie um Harper ist erster Linie Krimi, die Mystery-Handlung ordnet sich dem Mordfall immer unter.

„Falsches Grab“ baut nahtlos auf „Grabesstimmen“ auf und kommt im Ganzen noch unterhaltsamer und spannender daher als der Erstling. Der Krimiplot ist verschachtelter – es gibt mehr Verdächtige und beteiligte Ermittler – und die Charaktere bekommen mehr Tiefe. Charlaine Harris ist also ein durchgehend überzeugender Krimi mit Mystery-Einschlag gelungen, in den man wunderbar eintauchen kann. Ein Pageturner allererster Güte.

|Originaltitel: Grave Surprise
Deutsch von Christiane Burkhardt
301 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-423-21121-5|
http://www.dtv.de

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_Charlaine Harris auf |Buchwurm.info|:_

|Sookie Stackhouse|

1. „Dead Until Dark“ ([„Vorübergehend tot“, 788 2006, ISBN 978-3-937255-14-9
2. „Living Dead in Dallas“ ([„Untot in Dallas“, 939 2006, ISBN 978-3-937255-15-6)
3. „Club Dead“ ([„Club Dead“, 1238 2005, ISBN 978-3-937255-16-3)
4. Dead to the World ([„Der Vampir, der mich liebte“, 2033 2005, ISBN 978-3-423-24474-9)
5. „Dead as a Doornail“ ([„Vampire bevorzugt“, 3157 2006, ISBN 978-3-423-24545-6)
6. „Definitely Dead“ ([„Ball der Vampire“, 4870 2007, ISBN 978-3-423-20987-8)
7. „All Together Dead“ [(„Vampire schlafen fest“, 5450 2008)
8. „From Dead to Worse“ („Ein Vampir für alle Fälle“, Juli 2009, ISBN 978-3-423-21148-2)

|Harper Connelly|

1. „Grave Sight“ ([„Grabesstimmen“, 4704 2008, ISBN 978-3-423-21051-5)
2. „Grave Surprise“ („Falsches Grab“)
3. „An Ice Cold Grave“

Cook, Dawn – geheime Wahrheit, Die (Truth 2)

Truth 1: [„Die erste Wahrheit“ 5584

_Erwartungsgemäß_ ist es Alissa und Strell nicht gelungen, sich mit dem geheimnisvollen Buch heimlich davonzumachen. Zwar hat Strell es geschafft, Nutzlos zu finden und zu befreien, doch da war es bereits zu spät. Gezwungenermaßen schließt Nutzlos einen Handel mit Bailic, um Zeit zu gewinnen. Und Bailic, der noch immer nicht ganz durchschaut hat, wer nun eigentlich der latente Bewahrer ist, geht auf den Handel ein.

So kommt es, dass Strell von Bailic eine Ausbildung in Magie erhält, obwohl er gar keine magischen Fähigkeiten besitzt, während Alissa heimlich Unterricht bei Nutzlos nimmt. Dumm nur, dass Strell logischerweise keinerlei Fortschritte vorweisen kann. Und Bailic verliert nur allzu schnell die Geduld …

_Im Hinblick auf die Charaktere_ hat sich nicht viel getan. Alissa und Strell werden sich lediglich der Tatsache bewusst, dass aus ihrer Freundschaft längst wesentlich mehr geworden ist, und Nutzlos zeigt immer öfter Anzeichen tiefer Sorge.

Wirklich neu ist allein Lodesh Stryska, der einstige Stadtvogt von Ese‘ Nawoer, ein gutaussehender Charmeur, dem der Schalk aus den Augen funkelt, der aber trotz seines lockeren Gebahrens von tiefem Ernst und hohem Verantwortungsbewusstsein durchdrungen ist. Eigentlich ist er seit Jahrhunderten tot – doch Alissa hat ihn und die einstigen Bewohner seiner Stadt durch ihre Vorstellungskraft erweckt. Oder war es ihre Erinnerung? Denn Lodesh erinnert sich an Alissa …

Der neue Charakter kann, was Lebendigkeit und Glaubwürdigkeit angeht, problemlos mit den anderen mithalten. Schon allein deshalb ist er ein Gewinn für die Geschichte. Die Andeutungen in Bezug auf seine Erinnerungen verleihen ihm außerdem einen geheimnisvollen Zug, was sich bis in die Handlung hinein auswirkt.

Noch ist die Handlung aber vorwiegend mit Alissas und Strells Zwickmühle beschäftigt. Und nicht nur die Tatsache, dass Strell keine Magie wirken kann, wird zunehmend zum Problem, auch Strells vorlautes Mundwerk bringt ihn schließlich in massive Schwierigkeiten. Und Bailic begnügt sich nicht damit, Strell nur Schmerz zuzufügen. Das Lehrgeld, das Strell zahlen muss, geht weit über rein körperliche Dimensionen hinaus.

Allein dadurch hat die Autorin die Spannungsschraube bereits ein Stück angezogen. Auf so drastische Weise an Bailics Unberechenbarkeit erinnert, schaut der Leser sozusagen ständig über die Schulter. Zu Beginn fast jeder Szene, und wenn sie noch so harmlos anfing, erwartete ich irgendeine unangenehme Wendung, das Aufflackern eines Verdachts oder gar die Aufdeckung der Wahrheit. Zumal Alissa unter Nutzlos‘ Anleitung eine ganze Menge lernt und diese Lektionen auch übt. Das schrie direkt nach Entdecktwerden!

Neben dem Versteckspiel, das Alissa und Strell mit Bailic spielen, widmet sich die Handlung dem Innenleben der beiden Hauptcharaktere, und das auf angenehm natürliche und kitschfreie Weise. Noch immer gibt es gelegentlich Missverständnisse zwischen ihnen, doch sie werden zunehmend weniger, je besser die beiden sich kennen lernen. Kompliziert wird die Angelegenheit gleich durch mehrere Tatsachen: Alissa ist sozusagen hochbegabt, während Strell keinerlei Magie besitzt. Strell hat das Gefühl, nicht gut genug für seine Alissa zu sein – was natürlich Unsinn ist. Abgesehen davon aber ist Alissa untrennbar mit der Feste verbunden, wohingegen Strell als sogenannter Gemeiner sich überhaupt nur deshalb in der Feste aufhalten durfte, weil unter Bailics Herrschaft sozusagen der Ausnahmezustand herrschte. Es sieht aus, als wäre es unmöglich für die beiden zusammenzukommen. Und dann ist da eben auch noch Lodesh …

Lodesh ist ebenfalls in Alissa verliebt. Und Alissa ist durchaus nicht unempfänglich für Lodeshs Charme. Das Einzige, was Lodesh noch zurückhält, ist die Tatsache, dass Alissa sich an ihn nicht erinnern kann. Obwohl er zu erwarten scheint, dass das möglich ist …

_Insgesamt betrachtet_, klingt das jetzt fast ein wenig mager. Ist es aber nicht. Auch diesmal hat die Autorin wieder geschickt die Balance gehalten zwischen den ruhigeren Passagen, die Strell und Alissa gewidmet sind, und den Szenen, in denen die beiden mit der Bedrohung durch Bailic konfrontiert sind, was unterschwellig eigentlich ununterbrochen der Fall ist. Alissas Unterweisung hat einige neue Aspekte eingebracht, zum Beispiel in Bezug auf die Rakus. Und die Andeutung, dass Alissas Vergangenheit irgendwie mit Lodeshs verknüpft sein könnte, schürt gehörig die Neugierde des Lesers, ebenso wie eine beiläufige Bemerkung über Strells Abstammungslinie, die eine Menge neuer Fragen aufwirft. Das Lesen des zweiten Bandes hat ebenso viel Spaß gemacht wie das Lesen des ersten. Und ich bin jetzt schon gespannt auf den dritten.

_Dawn Cook_ lebt in den USA und hat nach ihrem Studium in unterschiedlichen Berufen gearbeitet. Seit dem Debüt ihrer |Truth Series| lebt sie als Schriftstellerin. Die Bände ihres ersten Zyklus sind bereits alle auf Deutsch erhältlich. Die Autorin schreibt derweil an ihrem zweiten Zyklus |Princess Series|, von dem bisher zwei Bände auf Englisch erschienen sind.

|Originaltitel: Truth 02. Hidden Truth
Originalverlag: Ace, 2002
Aus dem Amerikanischen von Katharina Volk
Klappenbroschur, 480 Seiten|
http://www.blanvalet-verlag.de
http://www.dawncook.com

Varesi, Valerio – Schatten von Montelupo, Die. Commissario Soneri kommt ins Grübeln

_Story_

Nach dem Abschluss seines letzten Falls begibt sich Commissario Soneri für einen Heimaturlaub in die bergische Landschaft der Apenninen. Doch die Reise in die wohlige Wärme der Vergangenheit entpuppt sich für den stillen Polizeibeamten sehr schnell als Alptraumszenario, in welches Soneri unfreiwillig wieder als Ermittler hineingezehrt wird.

Der alternde Fleischerei-Fabrikant Palmiro Rodolfi verschwindet spurlos, was den Bewohnern des kleinen Heimatstädtchens des Commissarios jedoch erst auffällt, als ein Aushang darauf hinweist, dass man sich keine Sorgen um Rodolfi machen soll. Doch schon kurze Zeit später überschlagen sich die Ereignisse: Auch Palmiros Sohn Paride ist verschwunden und hinterlässt mit seinem Vater den reichen Familienbesitz, der einzig und allein aus dem Geld der Mitarbeiter und Einwohner des Orts am Montelupo entstanden ist. Als schließlich die erhängte Leiche des alten Rodolfis entdeckt wird, muss Soneri notgedrungen eingreifen und das bis dato harmonische Bild seiner Heimat Schritt für Schritt in ein rechtes Licht rücken.

Während die Carabinieri sich mit der Spurensuche befassen, initiiert ihr Capitano eine blutige Hetzjagd auf den scheinbar flüchtigen Ex-Gefährten des Erhängten, was sich später als fataler Irrtum herausstellen soll. Bis dahin verstirbt aber nicht nur ein Polizist, sondern auch die Seele des Commissarios, dessen Rückzug in die Vergangenheit auch das Ende einer lange gelebten Illusion zu sein scheint …

_Persönlicher Eindruck_

In der neuen Episode der Soneri-Krimis entscheidet sich Valerio Varesi für einen recht melancholischen Einsatz, der zunächst mit kaum einem der bisherigen Romane um den umtriebigen Commissario zu vergleichen ist. Der Autor zieht seinen Protagonisten aus der Großstadt heraus und bringt ihn auf erstaunlich unkonventionelle Weise zu seinem neuen Fall, der grob betrachtet eigentlich gar keiner ist – jedenfalls keiner, der für Soneri selbst bestimmt ist. Aber ein Beamter dieses Dienstgrads kann sich nicht entziehen, wenn um ihn herum gemordet wird – gerade dann, wenn er indirekt auch persönlich von den Ereignissen betroffen ist. Doch wie weit deren Einfluss auch auf seine Person und Vergangenheit reicht, ahnt der Hauptdarsteller Varesis noch gar nicht …

Die Geschichte erweist sich von den ersten Seiten an als ein grober Einschnitt in die angenehme Idylle des Commissarios. Zum ersten Mal werden auch die Gefühle Soneris angesprochen, obschon dieser im Laufe der Handlung nur selten zu seiner Bedrückung stehen möchte. Doch die Geschehnisse in seiner Heimat, welche ihm eigentlich nur als relaxter Rückzugsort dienen und ihn von den jüngsten Strapazen in Parma befreien soll, gehen auch abseits der eigenartigen Attentate nicht an ihm vorbei.

Seit langer Zeit ergeben sich wieder Spuren zu seinem Vater, zu dem Soneri immer ein ganz besonderes Verhältnis hatte, der ihm aber dennoch bis zu seinem Tod ein Buch mit sieben Siegeln blieb. Diese Beziehung wird zwischen den Zeilen ebenso aufgearbeitet wie Soneris Traumvorstellung der dörflichen Harmonie, die mit seiner Rückkehr und dem Tod des Rodolfi-Clans nun mit einem Schlag zusammenzubrechen droht. Mit größeren Schritten geht er zurück in die Vergangenheit seiner selbst, unterwirft sich dabei größeren Qualen, als er realisiert, dass er bisweilen in einer Scheinwelt gelebt hat, hinter deren Kulissen Intrigen gesponnen und Betrugsserien geplant wurden, muss aber dennoch halbwegs unbefangen an die neue Situation herangehen, da seine Profession als Polizeibeamter dies von ihm verlangt.

In diesem Sinne darf man natürlich gerne sagen, dass Soneris Abenteuer am Montelupo sein bisher schwierigstes ist, zumindest was sein nunmehr angeknackstes Seelenleben angeht. Der merkwürdige Tod Rodolfis und die vielen verborgenen Geheimnisse aus dem Umfeld des Wurstfabrikanten sind belastend und versagen ihm jegliche Chance, emotionslos an die Sache heranzugehen, geschweige denn die steigenden Zweifel auszuräumen und einfach wieder in seinen heutigen Alltag zurückzukehren. Die Tragödie ist schon bei ihrem Eintritt zu weit fortgeschritten und verändert den Commissario als Person und in seinem Handeln – und zumindest dies ist eine sehr gute Grundlage und auch einer der Parts, welche dieses Buch auch als ein besonderes in seiner Serie auszeichnen.

Andererseits werden Krimi-Fans gegebenenfalls etwas enttäuscht sein, da die eigentliche Kriminalhandlung zugunsten einer tiefgreifenden Betrachtung der Persönlichkeit Soneri gelegentlich ins Hintertreffen gerät. Zwar entwickelt sich insbesondere die actionreiche Hetzjagd im zweiten Abschnitt des Buches zu einer nervenaufreibenden Angelegenheit, doch da viele Elemente der Ermittlungen von vornherein zu offensichtlich sind, fehlt es hier stellenweise schon am entsprechenden Nervenkitzel. Zumindest in dieser Hinsicht war Varesi schon einmal besser in Form.

Nichtsdestotrotz sollten sich Soneri-Liebhaber diesen Roman ins Regal stellen. Die Geschichte ist gut und bietet bisweilen sogar ein wenig ungeahnten Anspruch, der über die stillen Ermittlungsarbeiten des Commissarios hinausgeht. Und da man in diesem Buch mehr über den heimlichen Helden erfährt als in allen bisherigen Episoden zusammen, kommt man an „Die Schatten von Montelupo“ schon fast nicht mehr vorbei.

|Originaltitel: Le ombre di Montelupo
Deutsch von Karin Rother
287 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-499-24488-9|
http://www.rowohlt.de

Mehr von Valerio Varesi auf |Buchwurm.info|:

[„Der Nebelfluss. Commissario Soneri sucht eine Leiche“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=1587
[„Die Pension in der Via Saffi. Commissario Soneri blickt zurück“ 3001
[„Lichtspiele. Commissario Soneri geht ins Kino“ 5332

Mignola, Mike / Fegredo, Duncan – Hellboy 9: Ruf der Finsternis

Eigentlich ist „Hellboy“ ein Comic für Intellektuelle. Für Schöpfer Mike Mignola jedenfalls waren die Geschichten um seinen Ermittler aus der Hölle schon immer mehr als nur ein Monster-Comic. Mit „Hellboy“ steckte er sich selbst einen Rahmen ab, in dem er all die Geschichten erzählen konnte, auf die er Lust hatte. Das Ergebnis ist ein herrliches Amalgam: Internationale Folklore trifft auf Gothic und Groschenromane.

So ist auch der neueste „Hellboy“-Band „Ruf der Finsternis“ wieder eine Achterbahnfahrt durch Märchen und Geistergeschichten. Ein Schwerpunkt liegt dieses Mal auf der russischen Sagenwelt. Hellboy trifft einige alte Bekannte wieder, darunter Baba Jaga, Hekate und Igor Bromhead. Er muss sich mit einer Versammlung Hexen, mit einer Skelettarmee und mit dem unsterblichen Kriegerfürsten Koshchei herumschlagen. Nur die Nazis, die fehlen dieses Mal.

Solch ein Lieblingsprojekt des Autors muss jedoch noch lange nicht die liebste Comic-Lektüre der Leser werden. Dass „Hellboy“ so viele Fans hat, liegt nicht in erster Linie an den Monstern, dem interessant geflochtenen Storytelling oder dem tollen Artwork. Es liegt an der Hauptfigur selbst. Denn auch der beste Horror-Comic, in dem sich immer nur Gut und Böse kräftig verdreschen, wird irgendwann langweilig.

Die Zeichnungen stammen dieses Mal nicht aus der Feder von Mike Mignola, sondern von Duncan Fegredo („Enigma“). Mignola hatte von der Anfertigung des Artworks für „Hellboy“ Abstand genommen, weil er mit anderen Projekten zu beschäftigt ist. Es ist erstaunlich, wie gut Fegredo die Atmosphäre der Serie trifft, wie sanft und unmerklich der Übergang ist. Normalerweise nehmen es Fans übel, wenn bei lang andauernden Serien ein Zeichnerwechsel stattfindet. Mit der Wahl von Fegredo als neuem Zeichner der laufenden Serie dürfte dieses Problem eingedämmt worden sein. Um es deutlicher zu sagen: „Hellboy“-Fans werden Mignolas Artwork zwar vermissen, aber auch schnell Fegredos Strich schätzen lernen.

Auch in dem neuesten Band wird deutlich, dass Hellboy eine vielfach gebrochene Figur ist. Er befindet sich auf der Suche nach sich selbst, nach seinem Schicksal und seinem Platz in der Welt. Er ist weder gut noch böse, weil das viel zu einfache Parameter sind, um dieser Welt gerecht zu werden. Zugegeben, Sorgen wie Hellboy haben die Leser nicht. Seine rechte Hand ist der Schlüssel zur Apokalypse. Böse Mächte drängen ihn, einen Weltenbrand zu entfachen und die Welt zu verheeren. Sein Ringen ist das Ringen mit dem Schicksal selbst. Nur wenn es einen freien Willen gibt, kann er die Apokalypse abwenden. Dieser innere Konflikt der Hauptfigur sorgt dafür, dass man „Hellboy“ immer weiter und weiter lesen möchte. Es ist noch nicht zu Ende.

|Originaltitel: Darkness Calls
196 Farbseiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-936480-83-2|
http://www.cross-cult.de
http://www.hellboymovie.com

_Die „Hellboy“-Hörspiele auf |Buchwurm.info|:_

Folge 1: [„Saat der Zerstörung 1“ 5393
Folge 2: [„Saat der Zerstörung 2“ 5413
Folge 3: [„Der Teufel erwacht 1“ 5531
Folge 4: [„Der Teufel erwacht 2“ 5571

Hayes, Kevin (Autor) / Herzog, Ulli (Regie) – Jan Tenner 35: Der schwarze Tod

Folge 34: [„Angriff der Puppenkönigin“ 5509

_Besetzung_

Erzähler: Ulli Herzog (ebenfalls Dialogregie für „Bibi Blocksberg“)
Jan Tenner: Lutz Riedel (Timothy Dalton, Udo Kier, Jonathan Pryce)
Laura: Marianne Groß (Angelica Huston, Cher)
Professor Futura: Klaus Nägelen
General Forbett: Heinz Giese (Yul Brynner)
Nachrichtensprecher: Heinz Rabe
Mimo: Wilfried Herbst (Charles Hawtrey, Morten ‚Benny‘ Grunwald)
Soldat: Udo Schenk (Ray Liotta, Kevin Bacon, Ralph Fiennes, Gary Oldman …)
Sam: Oliver Naujocks
Dad Foster: Claus Jurichs (Peter Gilmore, Ken Kercheval)
Nachrichtensprecher: Manfred Rahn

Regie: Ulli Herzog
Buch: Kevin Hayes
Ton: Carsten Brüse
Musik: Jutta Stahlberg

_Handlung_

Mr. Foster und sein Sohn Jam machen im Rocky-Tal eine seltsame Begegnung: Ein alles umschließender Nebel verwandelt die Landschaft in ein unsichtbares Nichts und verschlingt schließlich Sams Vater. Als Futura und seine Freunde davon erfahren, ist das Tal bereits zur militärischen Sperrzone erklärt worden.

Jan und Laura wagen schließlich einen ersten Ausflug in den eigenartigen Nebel und stellen dabei fest, dass es sich hierbei um ein ähnliches Konstrukt handelt wie seinerzeit in Logars Universum. Ein weiterer Ausflug schafft schließlich die endgültige Gewissheit – und verwandelt Tenner schleichend in eines jener Monster, welche innerhalb des Nichts gefangen sind. Ein Anti-Serum bewahrt Jan vor Schlimmerem; denn schließlich hat nur er den Mut, die Anti-Materie-Bombe in den Krisenherd abzulegen, um das Nichts zu beseitigen, bevor es Westland und später die Erde auffrisst …

_Persönlicher Eindruck_

Seytania wurde besiegt, Logar auf Distanz gehalten und Zweistein eventuell sogar vernichtet – und dennoch ist der Einfluss des typischen Schurkenheeres auf Westland immer noch spürbar. In diesem Fall müssen sich Jan Tenner und seine Freunde jedoch selber für die bedrohlichen Entwicklungen in ihrer Heimat verantwortlich machen, denn scheinbar ist die neblige Erscheinung ein unfreiwilliger Export aus dem dunklen Imperium und dem Krieg gegen die Mächte des Nichts, den Logar dort, früher noch im Beisein des Quartetts, führte. Dementsprechend weiß der beliebte Forschertrupp allerdings auch relativ bald, mit welchen Waffen und Ideen man der sich ausbreitenden Katastrophe beikommen kann, jedoch drängt auch dieses Mal wieder die Zeit.

Insofern ergibt sich schnell ein recht bekanntes Szenario, welches von einem geradezu überambitionierten Lutz Riedel beinahe alleine getragen wird, gleichzeitig aber auch zu einem seiner stärksten Auftritte gehört. Stellenweise werden Erinnerungen an die Anfänge der Serie wach, denn einerseits hat die finstere Bedrohung etwas von der „Landung der Giganten“ und der „Gefahr aus dem All“, andererseits sind auch Elemente aus „Finsternis über Westland“ zu erkennen, so dass der Innovationspreis zumindest serienintern für dieses 35. Kapitel nicht vergeben werden darf.

Davon abgesehen, ist die Präsentation der Story wieder erstklassig. Die Sprecher sind in bester Form, die Klangkulisse sorgt für eine packende Atmosphäre, und auch inhaltlich werden wieder reihenweise Rezitationen eingebaut, die sich zum großen Puzzle des Jan-Tenner-Kosmos‘ zusammenfügen. Immer noch spielt das dunkle Imperium eine Rolle, und auch wenn die Protagonisten der anderen Seite in dieser Folge nicht zum Vorschein kommen, so ist ihr Einfluss ständig spürbar.

Lediglich das Finale ist eine Spur zu pathetisch geraten. Zwar muss man sich in diesem Zusammenhang die durchaus jugendliche Zielgruppe des Hörspiels in Erinnerung rufen, allerdings hätte man das Szenario um Sam und seinen Vater insgesamt einfach etwas runder gestalten können. Die Hollywood-Sequenzen im Schlusspart sind nämlich diesmal völlig serienuntypisch, wenn auch ein Aspekt, den man bedenkenlos verkraften kann. Aber insgeheim wäre mancher Abschnitt hier vielleicht gar nicht mehr nötig gewesen.

Sei’s drum: „Der schwarze Tod“ setzt sich zwar aus vielen Klischees zusammen, die innerhalb der gesamten Reihe mehr oder minder häufig aufgetaucht sind, ist aber dennoch ein weiteres, richtig gelungenes Hörspiel unter dem traditionsreichen Banner „Jan Tenner“.

|Empfohlen ab 8 Jahren
ISBN-13: 978-3-86714-149-9|
http://www.jan-tenner.de
http://www.jan-tenner.net
http://www.jan-tenner.info
http://www.maritim-produktionen.de

Stroud, Jonathan – Valley – Tal der Wächter

Seit unserer frühen Kindheit haben wir zahllose Märchen, Fabeln und Legenden gehört, die unser noch kindliches Wesen prägen sollten. In diesen Märchen ging es um Werte wie Ethik, Mut und Verantwortung, auch um Liebe, das Wesen des Guten und das Böse. Darin geht es um Schlüsselerlebnisse, die phantastisch dargeboten werden, oder um Lebensweisheiten, die uns helfen sollen, mögliche Konsequenzen zu überdenken. Märchen dienen als Warnung, sollen aber auch Idealismus entwickeln oder einfach nur soziale Verantwortung nahebringen.

Was Wahrheit und Dichtung ist, lässt sich gerade in frühester Kindheit kaum unterscheiden. Wir übernehmen zumeist Lebensart und Meinungen unserer Eltern und nächsten Verwandten; erst viel später lernen wir durch schicksalhafte und manchmal folgenschwere Erlebnisse auch aus eigener reflektierter Erfahrung. In jedem Kulturkreis gibt es solche Märchen, und manchmal sind sie auch über die Landesgrenzen gewandert, wurden dabei ein wenig abgewandelt und auf die Region abgestimmt, derweil die Botschaft im Grunde unverändert blieb.

Doch hören wir als Kinder in unserer Naivität immer auf die mahnenden Worte unserer Eltern? Manchmal ist die Neugierde doch stärker als alle Warnungen und die Vernunft, und die Folgen übersteigen dann unter Umständen alles, was wir in unseren schlaflosen alpgeträumt haben.

Der britische Autor Jonathan Stroud hat mit seiner aktuellen Veröffentlichung „Valley – Tal der Wächter“ einen großartigen Fantasyroman für Jugendliche und Erwachsene vorgelegt, in dem solche Sagen eine große Rolle spielen.

_Inhalt_

Niemand weiß, wann das Tal besiedelt wurde, woher die Menschen über das hohe Gebirge kamen, wer sie waren. Das Tal ist riesengroß und fruchtbar, die Grenze ist das Gebirge selbst. Mächtige Hünengräber zeugen von den Ahnen der Einwohner und dienen als Mahnung, dieses Land nicht zu verlassen.

Hinter den Gräbern, in den die Helden vergangener und ruhmreicher Taten ruhen, lauern laut den Überlieferungen fürchterliche, grausame Wesen – die Trolde, die im Erdreich lauern und nur darauf aus sind, Menschen, die es wagen, die Grenze zu überschreiten, zu töten und aufzufressen. Besiegt wurden die Trolde vor unzähligen Generationen durch die Ahnherrn der jetzigen Familienoberhäupter, die ruhmreich auf dem Troldfelsen ihr Leben für ihr Tal gaben. Seitdem wachen sie mit Schwert und Rüstung in den Gräbern oberhalb des Tals über ihre Kindeskinder.

Hal Svenssons ist ein kleiner Junge und entstammt, glaubt man den Worten seines Vaters und Onkels, der Linie des berühmten Sven, des größten aller Helden und Bezwingers der grausamen Trolde. Hal ist mit sich und seiner umgrenzenden Welt alles andere als zufrieden, und das äußert sich in ständigen frechen Scherzen und seiner Rivalität mit seinem größeren Bruder, der auch noch der zukünftige Erbe ist.

Als Hal mal wieder wegen eines Streiches von einem wichtigen Fest, das zu Ehren des Besuchs anderer Familien ausgerichtet werden soll, ausgeschlossen wird, hindert ihn das trotzdem nicht daran, weiterhin Unsinn zu treiben. Aud, die junge Tochter von Ulfard, der das Fest besucht, verdreht dem Jungen mit ihrer lebhaften Art den Kopf. Keck und neugierig in ihrem Wesen, steht sie Hal in nichts nach. Als der älteste Sohn der Hakonssons, Ragnar, Hal, der keine festliche Kleidung trägt, für einen niederen Diener hält, rächt sich Hal, indem er das von Ragnar geforderte Bier durch ein wenig Gerberflüssigkeit anreichert. Es kommt, wie es kommen muss; nach dem Fest sorgen Durchfall und Erbrechen für etwas Unfrieden zwischen den Familien des Gastgebers Svensson und den Gästen der Hakonssons.

Um die ohnehin schon angespannte Stimmung ein wenig zu beschwichtigen, gibt es an der Tafel der Svenssons ein Festmahl für die erkrankten Mägen der Besucher. Doch das zunächst friedvolle Zusammensein eskaliert, als sich Hals Onkel Brodir und Olaf Hakonnsson gegenseitig beleidigen. Alte Heldengeschichten des jeweiligen Clans werden übertrieben ausgeschmückt und der gegenteilige Part provozierend verletzt.

In der Nacht wird Hal von Geräuschen und Stimmen geweckt. Leise stiehlt er sich nach draußen und sieht, dass der Streit vom Vorabend hier bei den Ställen scheinbar weitergeht. Olaf und sein Onkel Brodir geraten wiederum in Streit, der diesmal tödlich für Brodir endet. Als Hal dem Sterbenden zur Hilfe eilt, wird er zwar vom Mörder verschont, doch Hal schwört Rache.

Etwas später wird bei einer Ratsversammlung des Tals Anklage gegen Olaf Hakonsson erhoben, und wieder bricht ein Tumult aus, der in Gewalt endet, und diesmal, das weiß auch Hal, wird es nicht zu Verhandlungen und Abtretungen von Ländereien kommen. Hal behält Recht, denn Olaf Hakonsson will das alleine Recht und Gesetz in dem ehemals friedvollen Tal ausüben und schmiedet Angriffspläne gegen jeden, der sich ihm und seinem Clan widersetzt.

Hal schmiedet eigene Rachepläne, in die er Aud einbezieht, denn auch sie hat Grund dazu, alles und allen den Rücken zu kehren. Gemeinsam brechen sie auf, um einen Weg hinter die Gräber zu finden. Doch sie bringen sich und andere damit in große Gefahr …

_Kritik_

Die Namensgebung in „Valley – Tal der Wächter“ erinnert stark an die nordische Mythologie. Und auch Hal Svensson weist durchaus die typischen Merkmale eines anderen nordischen Lausbuben aus der Literatur auf, auch wenn Hal nicht aus Löneberga stammt.

Jonathan Stroud beginnt seinen Roman recht ruhig und gemessen, die Geschichte entwickelt aber dann schnell eine Eigendynamik, in der die Spannung keineswegs fehlt. Anfänglich erzählt ein namenloser Charakter die Geschichte der zwölf Helden, welche die gefährlichen Trolde aus dem Tal verjagten und den Grundstein der Legende um die Wächter legten.

„Valley – Tal der Wächter“ wird aus der Perspektive der dritten Person erzählt. Meist geschieht dies aus der Sicht des Protagonisten Hal, während die anderen Figuren nur selten zu Wort kommen. Hal Svensson ist die Schlüsselgestalt und fordert leider zu viel Raum für sich ein; etwas mehr davon hätte aber den anderen Protagonisten auch zugestanden werden müssen. Zum Ausgleich gibt es ambivalente Charaktere, verschiebbare Grenzen zwischen Gut und Böse sowie immer wieder Wechsel zwischen Ernst und Humor, zwischen Schwere und Leichtigkeit. Die Spannung allerdings ist die gewichtigste Konstante in dieser Erzählung, denn sie beweist sich als immer präsentes Element.

Ort der Handlung bleibt die ganze Zeit über das geheimnisvolle Tal mit seinen insgesamt zwölf Familien. Hier offenbaren sich eine ländliche Kulisse und eine Vergangenheit, die schon längst im Strudel der Zeit versunken ist und nur noch durch Überlieferungen ihren Platz bei den Bewohnern des Tales hat. Man könnte die Bewohner des Tals auch gleichsetzen mit Insulanern, mit gestrandeten Personen in einen begrenzten Mikrokosmos, einer kleinen Welt, die das Tal letztlich auch ist. Alle Familien haben ihre Vorurteile und ihren Argwohn gegen die jeweils anderen, aber auch ihren Stolz und ihre Ehre, ihre Geschichte und – worauf sie immer wieder verweisen – ihre glorreiche Vergangenheit.

Hal Svensson, die Hauptfigur, entwickelt sich mit der Handlung. Anfangs ein wilder Lausbub mit dem Herzen am richtigen Fleck, wandelt sich unser anfänglicher Antiheld charakterlich völlig. Seine kindliche Naivität formt sich durch tragische und manchmal unglückliche Schicksalsschläge zu einem kühlen Kopf, der erst überlegt und dann handelt, der abwägt und dann konsequent Entscheidungen trifft. Er lernt, wann man „Gewalt“ anwenden muss, dass es dabei auch verschiedene Abstufungen gibt und auch Worte treffen und verletzen können.

Auch Aud ist wunderbar konzipiert. Mit rotzfrechen Sprüchen auf den Lippen ist sie manchmal etwas forsch, aber auch sie ist ähnlich wie Hal mutig und hilfsbereit, und durch ihren Charme bekommt sie meist das, was sie möchte und passt sich wandlungssicher der gewünschten Situation an. Doch auch durch ihr Alter ist sie etwas gereifter und handelt überlegter. Neben Hal wird sie der Leser schnell sympathisch finden und sich gut in ihre schwierige Lage versetzen können.

Zurück zur spannenden Handlung: Nach dem ersten Drittel des Romans strafft sich der Spannungsbogen und wird bis zum dramatischen Ende aufrecht gehalten. Geschickt gelingt es dem Autor, am Ende jedes Kapitels so innezuhalten, dass dem Leser nichts anderes übrig bleibt als weiterzulesen.

Nachdenklich stimmend, aber auch spannend ist die Weltanschauung der Einwohner im Tal. Da sie nichts anderes kennen, konzentriert sich über Generationen alles immer noch auf ihre Vergangenheit. Beständige Legenden und Geschichten von Sven, Arn und wie all die Helden noch heißen mögen, lassen Vorurteile über Generationen nicht aussterben. Traditionen wird gegenüber natürlichen Entwicklungen der Vorrang gegeben und oftmals Fragen nach dem Warum, Woher, Wieso gar nicht beantwortet oder nur wieder mit den Ahnen in Verbindung gebracht. Hier genau in diesen Passagen hat es der Autor geschafft, den Leser zum Nachdenken zu bringen, sich auseinanderzusetzen mit Andersartigkeit, Neugierde, Wissendurst und Weiterentwicklung. Im Grunde steht zwischen den Zeilen die Frage: Wie würde ich mich verhalten, wenn ich nichts anderes kennen würde als dieses kleine Tal?

Am Anfang des Romans „Valley – Tal der Wächter“ werden die drei großen Häuser und damit wichtigsten Familien des Tals aufgelistet, zudem befindet sich eine gemalte Übersichtskarte des Tals auf den ersten Seiten, welche die Grenzen und das Gebiet der zwölf Häuser aufzeigt – sehr hilfreich für die Verfolgung von Hals Reise durch das Tal.

_Fazit_

Jonathan Stroud kann stolz sein auf seinen neuen Roman. Wieder beweist Stroud seine schriftstellerische Wandlungsfähigkeit und seine Fähigkeit zu nachdenklichen Ansätzen. In „Valley – Tal der Wächter“ kommt auch die Action nicht zu kurz, aber mit Magie wird in dieser Geschichte nicht gezaubert. Es geht darum, die Vergangenheit zu erfahren, herauszubekommen, woher man kommt, worin die Wahrheit liegt und wohin der Weg, sei dieser auch nur ein Ausweg, führen mag.

Wer zynischen und sarkastischen Humor erwartet, ähnlich wie in der „Bartimäus“-Trilogie, wird diesmal enttäuscht sein. Sicherlich gibt es immer wieder lustige Passagen, doch geht es spürbar ernster zu. Stroud sagt selber, „Valley“ sei einfacher aufgebaut, gerade durch die überschaubare geographische Lage, aber noch viel mehr ist der Roman tiefsinniger und psychologisch komplexer, soll uns anleiten zu hinterfragen, wer wir sind, woher wir kommen und was uns für Möglichkeiten bleiben, unsere Zukunft gestalten zu können.

Als Fazit bleibt zu sagen: „Valley – Tal der Wächter“ ist wärmstens zu empfehlen, gerade für Jugendliche oder ältere Kinder. Denn auch in Märchen oder Legenden steckt immer ein Fünkchen Wahrheit, die sich auf die Lebenswelt anwenden lässt.

_Der Autor_

Jonathan Stroud, Jahrgang 1970, landete mit seiner „Bartimäus“-Trilogie einen sensationellen Überraschungserfolg. Nach einem Studium der Englischen Literatur an der Universität von York verfolgte er zunächst eine Karriere im Verlagswesen, wo er in London als Lektor und Herausgeber von Sachbüchern für Kinder arbeitete. Mitte der 1990er Jahre begann er seine eigenen schriftstellerischen Werke zu veröffentlichen und verzeichnete mit seinen ersten Büchern recht schnell Erfolge. Im Rekordtempo eroberte sein Held, der spitzzüngige Dschinn, die Bestseller-Listen und die Herzen all seiner Leser in über 33 Ländern. Jonathan Strouds Romane wurden vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem |Corine| (Internationaler Buchpreis 2006) und dem Kinderbuchpreis 2007. Er arbeitet und lebt mit seiner Familie in der Nähe von London.

|Originaltitel: Heroes of the Valley
Originalverlag: RH UK
Aus dem Englischen von Katharina Orgaß & Gerald Jung
Empfohlen ab 11 Jahren
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 496 Seiten
ISBN-13: 978-3-570-13493-1|
[Buchtrailer]http://www.randomhouse.de/webarticle/webarticle.jsp?aid=13398
http://www.cbj-verlag.de

Mehr von Jonathan Stroud auf |Buchwurm.info|:

[„Bartimäus – Das Amulett von Samarkand“ 353
[„Bartimäus – Das Amulett von Samarkand“ 711 (Hörbuch)
[„Bartimäus – Das Auge des Golem“ 1613
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[„Drachenglut“ 3381
[„Die Eisfestung“ 3513
[„Die Spur ins Schattenland“ 4635
[„Die Spur ins Schattenland“ 4795 (Hörbuch)

James Lee Burke – Flamingo [Dave Robicheaux 4]

Nachdem ihn ein verurteilter Killer schwer verwundet hat und geflüchtet ist, lässt sich Polizist Robicheaux als Undercover-Agent in die Unterwelt der Südstaatenmetropole New Orleans einschleusen, die ihn unheilvoll anzuziehen und in ihren kriminellen Bann zu ziehen droht … – Dieser frühe Thriller der bemerkenswerten Robicheaux-Serie erzählt nicht nur eine spannende Geschichte, sondern stellt meisterhaft die persönliche Odyssee eines innerlich zerrissenen Anti-Helden dar: ein weiterer Höhepunkt in der Bibliografie eines großartigen Schriftstellers! James Lee Burke – Flamingo [Dave Robicheaux 4] weiterlesen

Jung, Anna-Maria – Xoth! – Die unaussprechliche Stadt

Ein Debüt ist „Xoth!“ eigentlich nicht. Die Autorin und Zeichnerin Anna-Maria Jung ist in der deutschen Independent-Comic-Szene jedenfalls keine Unbekannte mehr. Mit kurzen Beiträgen machte sie bereits in den Anthologien „Panik Elektro“, „Jazam!“ und dem |Comicgate|-Magazin auf sich aufmerksam.

Der Zeichenstil der österreichischen Künstlerin ist rund und glatt, auf den ersten Blick möchte man sagen: kinderfreundlich. Ihre Themen sind es jedoch weniger. Ob ausufernde Sexualität oder die innige Liebe zu einem Hirnegel – normal ist das nicht. Manchmal geht es derb zur Sache, gewürzt mit einer Prise österreichischem Dialekt und mit Techniken, die Jung aus dem Animationsfilm mitgebracht hat.

Ihr neuer Comic „Xoth!“ ist all das und mehr. Sie spinnt darin eine fabelhafte Geschichte über Monster, die Liebe und das Anderssein, angelehnt an die Arbeiten des Horror-Altmeisters H. P. Lovecraft. Bei den Freunden dunkler Fantasy findet sein Cthulhu-Mythos zahllose Fans und Verehrer. Jungs Diplomarbeit an der FH Salzburg diente ihr als wertvolle konzeptionelle Vorarbeit, bevor der Zeichenstift überhaupt zum ersten Mal geschwungen wurde. Sie kennt sich also in Lovecrafts Kosmos gut aus, was man ihrem Comic anmerkt und ihm die notwendige Dichte verleiht.

In Zusammenarbeit mit Christopher „Piwi“ Tauber, Stefan Dinter und dem |Zwerchfell|-Verlag Stuttgart entstand dann „Xoth! – Die unaussprechliche Stadt“. Es ist bisher das umfangreichste und aufwändigste Comic-Projekt von Anna-Maria Jung – ihr erstes eigenes Comic-Buch, irgendwie also doch ein Debüt. Ihre Fan-Gemeinde hat lange darauf warten müssen.

Das Thema von „Xoth!“ ist einfach klasse. Freunde von Lovecraft und Cthulhu finden hier vollwertige Lesekost, die von Herzen und nicht von der Stange kommt. Die Handlung ist originell und nur bedingt vorhersehbar, allerdings weniger Horror, sondern vielmehr Comedy und Lovestory. Ein Buch wie ein Augenzwinkern: Leicht und nicht ganz ernst gemeint. Von der ersten bis zur letzten Seite ist „Xoth!“ gute Comic-Unterhaltung.

[Xoth!-Website]http://www.xoth-comic.net
[Zettgeist-Podcast: Anna-Maria Jung über Xoth!]http://zettgeist.blogspot.com/2008/11/zettgeist-058-ber-xoth-die.html
[Weblog von Anna-Maria Jung]http://pocket-universe.blogspot.com

Crown, Ellen B. – Hercule Flambeau\’s Verbrechen 2: Corpus Christi

_Alles andere als entflammend_

Der französische Meisterdieb Hercule Flambeau, bekannt aus Chestertons Geschichten um den Detektiv Pater Brown, hält sich im spanischen Sevilla auf. Ist er zunächst nur darauf aus, Dona Juanita Guiterrez um ihre Juwelen zu erleichtern, findet er sich jedoch bald in ihrem Bett wieder und entkommt nur knapp ihrem eifersüchtigen Ehemann.

Um sich von dieser Niederlage zu erholen, kommt ihm ein Abenteuer gerade recht. Sein Freund Alejandro de la Vega lädt ihn auf einen Tauchgang in einem nahegelegenen Waldsee ein. In der untergegangen Abtei im See hoffen die beiden auf einen Hinweis zum Verbleib des legendären Corpus Christi, welches in der vorliegenden, entsprechend betitelten Episode der |Maritim|-Reihe „Hercule Falmbeau’s Verbrechen“ als „funkelnder Schatz der Tempelritter“ beschrieben wird. Tatsächlich finden sie unter dem Schlamm auf dem Kapellenboden den Schlüssel zum Schatz, welcher sie in eine Maya-Pyramide nach Lateinamerika führt.

Das als „Abenteuer voller Gefahren“ angekündigte Hörspiel ist leider nur mäßig spannend. Bereits in der ersten Szene ahnt der Hörer spätestens nach der gegenteiligen Versicherung von Dona Juanita, dass die Rückkehr ihres Mannes bevorsteht. Immerhin ist es witzig, dass der Ehemann glaubt, Flambeau wäre gerade dabei gewesen, in das Haus einzusteigen, während dieser in der altbekannten Tradition des Slapsticks halbnackt über den Balkon fliehen muss. Merkwürdig, dass die Ehe im Verlauf der Reise, auf der Flambeau und sein Freund von der inzwischen als Historikerin eingeführten Juanita Guiterrez begleitet werden, keine Rolle mehr spielt.

Witzig sind ebenfalls die kleinen Zankereien zwischen den Freunden, ob es nun um die Fahrkünste von Alejandro oder die Zusammenarbeit mit Juanita geht. Auch unfreiwillige Komik kann der Hörer miterleben, wenn sich beispielsweise der Ehemann von Juanita „wie ein rasender Eber, der seine Frischlinge verteidigt“, auf Hercule stürzt. Doch von Spannung zu reden, wäre übertrieben. Alles, was den Verlauf der Handlung behindern und Spannung hervorrufen könnte, wird zwischen den Szenen ausgeblendet. Ein Flugzeug nach Amerika zu chartern, ist kein Problem. Die Pyramiden zu betreten wird zunächst als Problem dargestellt, doch offensichtlich werden die drei nicht an ihrem Eindringen gehindert … und wie der schwere Schatz geborgen werden soll, steht zum Schluss auch in den Sternen.

Die Leistung der Sprecher ist hingegen hervorragend. Dem Erzähler Peter Weis gelingt es, unterstützt von feuriger spanischer Musik oder Swingtönen, sehr gut, Stimmungen heraufzubeschwören. Christine Pappert (Dona Juanita) erhält in der Eingangszene und mit ihrem wütenden Ehemann genügend Raum, um ihre Sprecherqualitäten unter Beweis zu stellen. Flambeau, gesprochen von „John Boy Walton“ (Hans Georg Panczack), arbeitet ebenfalls sehr ordentlich und überzeugt durch die Bandbreite der Modulation seiner Stimme.

Warum der Name Flambeau für die Serie herhalten muss, ist hingegen fraglich, denn bis auf mehrere Verweise Alejandros auf stereotype französische Verhaltensweisen seines Freundes weist nichts darauf hin, dass es sich bei Flambeau um einen Franzosen handeln muss. Von einem im Untertitel angekündigten Verbrechen kann ebenfalls nicht die Rede sein, so dass von Pater Browns ursprünglichem Sidekick nichts weiter übrig bleibt als der Name. Hörspielfreunde sollten daher auf andere Serien des |Maritim|-Verlags zurückgreifen, die neben der handwerklichen Qualität auch tatsächlich Spannung und Abenteuer bieten.

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Ennis, Garth / Robertson, Darick / Snejbjerg, Peter – The Boys 2 – Der glorreiche Fünfjahresplan

Inhalt

|“Eingelocht“|

Ein neuer Auftrag führt die Boys in die Schwulen-Szene, in der kürzlich ein junger Kerl auf grausame Weise ums Leben gekommen ist. Billy und der mittlerweile halbwegs integrierte Hughie besuchen diverse Szene-Bars und erfahren vom Comic-Helden Swingwing, der offensichtlich auch unter den Homosexuellen große Resonanz findet. Nachdem sein Verlag auf die gleichgeschlechtlich Liebenden zugetreten ist, wurde der maskierte Superstar immer populärer, wird aber gerade deswegen zum Hauptverdächtigen für den Mordanschlag. Allerdings ist Swingwing gar nicht so leicht aufzuspüren. Der Weg zu ihm führt über den durchgedrehten Tek-Knight, der seit geraumer Zeit nur einer Passion folgt: Sein bestes Stück in jedes Loch zu stecken, das in seine Nähe kommt …

|“Der glorreiche Fünfjahresplan“|

Das Team begibt sich nach Russland, um dort dem alten Verbündeten Wass zu Hilfe zu eilen. Der führt Billy, Hughie und Co. auf die Spuren einer russischen Mafia-Organisation, welche die Superhelden-Sparte zu infiltrieren droht und bereits zwei der maskierten Stars auf dem Gewissen hat. Doch den Boys gelingt es nicht lange, inkognito zu ermitteln. Die Angelegenheit scheint bis in die höchsten Kreise der eigenen Regierung verankert zu sein und bringt das Team mal wieder in größte Lebensgefahr. Ausgerechnet der misstrauische Hughie und der ihm weniger wohl gesonnene Wassily sollen die Jungs vor einer Katastrophe retten …

_Persönlicher Eindruck_

Dreckig, finster, stellenweise auch arg pietätlos: Die beiden neuen Abenteuer der von Garth Ennis erschaffenen skrupellosen Boys sind mal wieder direkt dem gewalttätigen Treiben der Unterwelt entnommen und nicht zuletzt wegen des rauen Umgangstons zwei illustrierte Reisen in ein Land, in dem zarte Gemüter schon mal gar nichts verloren haben. Da wird die vulgärste Sprache dahingerotzt, als sei es der neueste Standard, hier und dort gibt es ordentlich was auf die Zwölf, und was die Coolness der Mafia der guten Seite betrifft, hat der Autor sich in seiner Darstellung auch wieder selber übertroffen. Ganz kurz: Dieses Team hätte selbst in einem Frank-Miller-Setting charismatischer nicht sein können.

Im letzten Sonderband „Der glorreiche Fünfjahresplan“ präsentieren sich die Jungs aber auch wieder von ihrer besten Seite, wobei das Ganze zumindest sprachlich ein wenig bedenklich ist. Hier wird gegen Minderheiten gezetert, die Homosexuellen-Szene aufs Korn genommen, die verschiedenen Neigungen im besten Ghetto-Slang aufgriffen und über den Akt als solchen Sprüche und Dialoge präsentiert, die alles andere als jugendfrei sein dürften. Effekthascherei? Nun, sicher nicht, denn dafür haben die beiden Handlungsstränge definitiv zu viel Potenzial und können davon abgesehen auch von der Story alleine leben.

Allerdings startet die neue Ausgabe recht verworren, da lange Zeit gar nicht so wirklich klar ist, worauf der erste Plot genau zielt. Elemente eines Krimis werden mit Passagen eines düsteren Thrillers gemixt, derweil einige eigenwillige Charakterprofile gezeichnet, eine ganze Szene in der Luft zerrissen und obendrauf noch der weniger geschmackvolle Humor der fünfköpfigen Truppe gepackt. Mit Tek-Knight und Swinwing kommen zudem zwei recht biedere Karikaturen hinzu, die der Ernsthaftigkeit der Geschichte ein Stück weit den Wind aus den Segeln nehmen, aber eben genau das symbolisieren, wofür „The Boys“ als Comic eigentlich steht: Expect the unexpected – genau darum geht’s! Und dass dabei auch schon mal ein paar sinnentleerte Szenen in die Story integriert werden – mancher schmutzige Dialog sei hier als Beispiel erwähnt -, geht dementsprechend ebenfalls in Ordnung.

Dass bei „The Boys“ auch die Action eine wesentliche Rolle spielt, dokumentiert der zweite Abschnitt, nachdem dieser Sonderband auch benannt ist. Beim Sowjet-Abstecher geht es zwar gewissermaßen immer noch darum, wie Hughie ins Team aufgenommen wird und er seine Hemmschwellen überwinden kann, allerdings gilt er nun schon als fester Bestandteil und macht sich nicht mehr – und das im wörtlichen Sinne – in den prekärsten Situationen in die Hosen. Ferner kommt es aber hier zu deutlich mehr explosiven Szenen, einerseits, was das Tempo betrifft, andererseits aber auch im Hinblick auf die vielen kurzen Fights, die das Team auszutragen hat. Und fast noch viel wichtiger in diesem Zusammenhang: Ennis setzt sich, seinen Charakteren und seinen Storys absolut keine Grenzen, wie sich hier in der Schlusssequenz eindeutig zeigt. Alles ist möglich, alles erlaubt, selbst wenn’s zwischenzeitlich hart und brutal ist.

Doch so sind sie, „The Boys“, durch und durch männlich, fies, abschreckend und immer für eine mehr oder weniger angenehme Überraschung gut. In ihrer zweiten deutschen Ausgabe bieten sie obendrein ein weiteres Sahnestück des Ennis’schen Comic-Universums und eine der besten Ausgaben des Action-Comics im Jahr 2008. Zweifel? Ausgeschlossen!

Taschenbuch ‏ : ‎ 192 Seiten
http://www.paninicomics.de/?s=Wildstorm

Ferris, Joshua – Wir waren unsterblich

Als Debütant ist es nicht immer leicht, mit seinem Werk eine Nische auf dem Buchmarkt zu finden, die noch halbwegs unbesetzt ist. Joshua Ferris‘ Büro-Roman ist ein guter Schritt in diese Richtung. So attraktiv ein gut bezahlter Job in einem Hochhaus im alltäglichen Leben auch ist, glaubt doch niemand, dass sich aus Überstunden und Kaffeepausen eine gute Geschichte spinnen lässt.

„Wir waren unsterblich“ spielt in einer Abteilung einer erfolgreichen Chicagoer Werbeagentur. Die Mitarbeiter zeichnen sich durch lasches Arbeitsverhalten, Hang zum Tratsch und sehr unterschiedliche Charaktere aus. Doch das ändert sich, als die Aufträge weniger und Sparmaßnahmen ergriffen werden. Nun lästert man nicht mehr darüber, wer was mit wem hat, sondern wer als Nächster „spanisch den Flur hinuntergehen“ wird – wie man eine Kündigung in Anlehnung an einen Tom-Waits-Song nennt.

Die Reihen in der Abteilung lichten sich, auch wenn die Fehlenden keine große Lücke hinterlassen. Nicht alle kommen dabei mit der Kündigung gut zurecht. Chris Yop taucht auch danach im Büro auf und kann das Projekt, das er begonnen hatte, nicht unvollendet lassen. Tom dagegen greift zu verheerenderen Maßnahmen. Währenddessen unterhält man sich darüber, ob die Chefin Lynn Mason wohl Brustkrebs hat, warum Janine in der Mittagspause bei McDonalds in einem Ballbad sitzt und ob Amber das Kind abtreiben wird, das einer Büroaffäre mit Larry entsprungen ist.

Zugegebenermaßen stellt man sich ernsthaft die Frage, wie ein Autor für diesen Stoff beinahe 450 Seiten aufbringt. Das ist ja nicht unbedingt spannend, denkt man sich, und trotzdem fällt es schwer, den Roman aus der Hand zu legen. Hauptsächlich in Form von Kollegentratsch, teilweise aber auch aus der Perspektive der Betroffenen verfolgt der Autor die Schicksale der einzelnen Personen. Diese sind von ganz alltäglicher Natur und spiegeln die heutige Gesellschaft und auch die Sitten in Büros wider. Der eine oder andere wird sich sicher wiedererkennen in den ausgefeilten, sehr unterschiedlichen Charakteren (oder zumindest seine Kollegen darin entdecken …). Über allen schwebt dabei eine Wolke aus Tristesse, die mit gut bezahlten Jobs einhergeht, auch wenn Ferris nicht den Fehler macht, dieses Thema auszuschlachten. Die Annehmlichkeiten, die mit einem gefüllten Konto einhergehen, werden häufig nur am Rande erwähnt. Im Mittelpunkt steht der Büroalltag, und diesen weiß er gut zu beschreiben und mit diversen komischen Situationen aufzupeppen.

Komisch ist das Buch sicherlich, aber eher im Sinne einer Tragikomödie. Für alles andere ist das Buch zu authentisch. Außerdem bringt der Autor nicht auf Teufel komm raus einen Kalauer nach dem anderen, sondern lässt den Humor aus dem Zusammenspiel aus Personen und Ereignissen entstehen. Überspitzt dargestellte Szenen sorgen dafür, dass der Leser mit einem Auge lacht und mit dem anderen weint. Auf der einen Seite sind die Geschehnisse amüsant, auf der anderen erinnern sie ziemlich stark an das eigene Verhalten.

Zu den Besonderheiten des Buches gehören der Umgang mit den Personen und die Erzählperspektive. Von einigen Ausnahmen abgesehen, schreibt Ferris aus der Wir-Perspektive, um den Abteilungscharakter aufrechtzuerhalten. Die Personen werden dabei häufig mit Vor- und Nachnamen genannt und es findet nur selten ein Einblick in ihr Gefühlsleben statt. Es wird viel geredet, manchmal berichtet er aus dem kollektiven Gedächtnis der Abteilung. Er wahrt Distanz zu seinen Figuren, so dass dem Leser die Rolle als Beobachter zugewiesen wird. Unweigerlich entwickelt man Sympathien für bestimmte Charaktere, während andere entweder Mitleid erregen oder abstoßend wirken. Der Autor selbst nimmt dabei keine Wertung vor. Alle unsympathischen Figuren haben irgendeine Geschichte oder zumindest Gründe für ihr Verhalten, die nüchtern geschildert werden.

Der Schreibstil ist entsprechend beinahe analytisch, chronistisch, ohne kühl zu wirken. Die Konzentration auf menschliche Schicksale und das Miteinander unter den Kollegen sorgt für eine angenehme, warme Atmosphäre. Diese wird zusätzlich unterstützt durch die Wir-Perspektive und den amüsanten Anstrich. Ferris zielt mit seiner Wortwahl nie auf Schenkelklopfer ab. Vielmehr wird es häufig dann witzig, wenn die Personen in Dialog treten und sich gegenseitig einen Schlagabtausch liefern.

Und so kommt, was kommen muss, wenn im Autorenporträt mit einem weltweiten Verkauf des Manuskripts geworben wird: „Wir waren unsterblich“ gewinnt vor allem dank des einnehmenden Schreibstils und der Quintessenz der Geschichte – die Lebensgeschichten sehr unterschiedlicher Menschen und deren Miteinander in einer Abteilung – an Fahrt. Joshua Ferris‘ Debütroman wird sicherlich nicht jedem zusagen. Wer es spannend und actionreich mag, wird wenig mit dem Roman anfangen können, doch wer gerne in die Leben anderer Menschen schaut, ist hier an der richtigen Adresse.

|Originaltitel: Then we came to the end
Deutsch von Frank Wegner
443 Seiten, Paperback
ISBN-13: 978-3-499-24410-0|
http://www.rowohlt.de

Dart-Thornton, Cecilia – Kampf des Rabenprinzen, Der (Die Feenland-Chroniken 3)

Band 1: [„Im Bann der Sturmreiter“ 1521
Band 2: [„Das Geheimnis der schönen Fremden“ 1836

_Imrhien, das Findelkind_, hat seine Erinnerungen wiedergefunden. Und aufgrund dieser Erinnerungen fasst es einen Beschluss, der weitreichende Folgen hat: Es will durch das letzte offene Tor ins Feenreich zurückkehren und von dort aus auch alle anderen Tore wieder öffnen.

Die dort lebenden Faenan sollen ihren schlafenden König und mit ihm alle anderen Exilanten zurück ins Feenreich holen. Selbst die endgültige Schließung aller Tore zwischen den Welten nimmt das Mädchen in Kauf, trotz der krankhaften Sehnsucht nach dem Feenreich, an der es leidet. Denn es will, dass die Faeran vollständig und für immer aus Erith verschwinden. Also macht es sich auf den mühevollen und gefährlichen Weg Richtung Norden. Doch es wird längst verfolgt …

_Mit „Der Kampf des Rabenprinzen“_ hat Cecilia Dart-Thornton den Abschluss ihrer |Feenland-Chroniken| vorgelegt. Und der Leser tut sich nicht gerade leicht damit. Das liegt vor allem natürlich daran, dass die Vorgängerbände bereits 2005 auf Deutsch erschienen. Wer nicht in weiser Voraussicht diese beiden Bände in seinem Regal stehen gelassen hat, um sie vor der Lektüre des dritten Teils nochmals durchzulesen, hat massive Schwierigkeiten, den Anschluss wiederzufinden. Zwar enthält das Buch eine Zusammenfassung der Vorgeschichte, alle Einzelheiten kann diese Zusammenfassung jedoch nicht abdecken. So bekommt der Leser zwar nochmals einen groben Überblick über den Verlauf der langen Reise, welche die Heldin bis zum Beginn des dritten Bandes zurückgelegt hat, es bleiben aber trotzdem Lücken zurück, die teilweise wirklich störend wirkten. So fehlte mir zum Beispiel jegliche Information darüber, warum die Autorin ihre Protagonistin nach der Rückkehr durch das „Tor des Vergessenskusses“ ausgerechnet zum Jägerkessel schickt, gerade dahin, wo ihre größten Gegner hausen.

Zum anderen liegt es daran, dass der eigentliche rote Faden so extrem verwickelt ist. Aus der Geschichte eines armen Findelkindes auf der Suche nach seiner Identität wird zunächst eine junge Adlige, dann die Braut des Hochkönigs und am Ende die Angehörige eines lange vergessenen Volkes, die außerdem noch in Verwicklungen mit den Faeran verstrickt und über tausend Jahre alt ist. Jede dieser Facetten hat auch noch einen eigenen Namen bekommen – Imrhien, Rohain, Ashalind, Tahquil -, so dass man sich manchmal fragt, wer diese Person, mit der man es zu tun hat, eigentlich wirklich ist. Und die Heldin ist nicht die einzige Figur, bei der sich Identitäten überschneiden. Dazu kommen die häufigen Ortswechsel in Erith, eine zusätzliche Welt und mehrere Zeitebenen.

Nun wäre das alles ja noch durchaus zu meistern, wäre der rote Faden nicht so oft durch die Märchen und Sagen aus der Anderwelt überlagert, welche die Autorin mit so großem Eifer in ihre Geschichte eingebaut hat. Einige davon werden nur als Ausschmückung erzählt, was mich besonders im zweiten Band störte, da sie für mein Empfinden den Fortlauf der Handlung zu sehr ausbremsen. Andere dagegen sind als Teil der Handlung direkt in den Kontext eingebaut, meist als Vergangenheit, was nicht nur ein zusätzliches Zeitfenster öffnet, sondern auch noch dazu führt, dass die Heldin nicht die einzige Sterbliche ist, die bereits über tausend Jahre alt ist!

Wer den roten Faden trotz all dem jetzt noch immer nicht verloren hat, der muss noch eine letzte Hürde meistern: den Erzählstil der Autorin. Zugegeben, ihre Beschreibungen von Stimmungen und Orten sind meist ausgesprochen poetisch und atmosphärisch, allerdings auch ziemlich umfangreich. Stellenweise übersteigt die Ausführlichkeit der Beschreibung bei weitem die der Handlungsführung. Cecilia Dart-Thornton wird regelrecht weitschweifig, und selbst bei ihrem unbestrittenen Einfallsreichtum fängt sie irgendwann an, sich zu wiederholen. Manchmal hat man den Eindruck, die kurz eingestreuten Passagen über zurückgelegte Reiseetappen dienten nur dazu, die Zeit fortzubewegen, damit sich für die Autorin die Gelegenheit ergibt, erneut über einen Sonnenuntergang, den Sternenhimmel oder Ähnliches ins Schwärmen zu geraten. Gegen Ende wirkt die Erwähnung der unzähligen Edelsteine, Farben und Lichterscheinungen einfach nur noch übertrieben und ermüdend.

Überhaupt fand ich den Schluss etwas seltsam. Nach dem Duell der beiden mächtigen Faeran-Brüder könnte die Geschichte eigentlich problemlos enden, zumal es der Autorin gelungen ist, diesen Höhepunkt der Geschichte – wenn auch nur kurz – ein wenig aus dem restlichen Geschehen herauszuheben. Stattdessen kämpft sich der Leser danach noch durch weitere hundert Seiten über die Krönung des neuen Königs und zahllose weitere Kleinigkeiten, die keinerlei Auswirkung auf die eigentliche Handlung haben, ehe es noch einmal zu einer kurzen Verwicklung kommt. Allerdings wirkt das, was die Autorin hier im Nachhinein noch eingeflochten hat, ein wenig bemüht und krampfhaft. Offenbar hat die Legende, die dieser letzten Komplikation zugrunde lag, der Autorin so gut gefallen, dass sie diese unbedingt noch irgendwo unterbringen wollte; und da sie sich sonst nirgendwo einfügen ließ, hat sie sie am Ende angehängt. Der Versuch, durch die Erwähnung einer nebensächlichen Prophezeiung aus einem der Vorgängerbände noch einmal Spannung in diesem Anhängsel aufzubauen, ist nicht geglückt, und auch der damit verbundene Kampf verlief zu vorhersehbar, um wirklich zu fesseln.

Um das Maß voll zu machen, hat sich auch die Charakterzeichnung nicht wirklich vertieft.
Die Protagonistin hat durch ihre Erinnerungen ein wenig an Tiefe hinzugewonnen. Zu ihrem mitfühlenden Wesen gesellt sich noch eine gute Portion Verantwortungsbewusstsein, und ihre Verliebtheit, die im zweiten Band noch so künstlich und unnatürlich wirkte, erhält eine nachvollziehbare Erklärung. Dennoch bleiben ihre Empfindungen und Gedanken irgendwie blass. Die Sehnsucht nach dem Feenreich, die sie zu verzehren droht, die Gefühle für ihren Geliebten, all das wirkt schwächlich, flach und trocken wie Stroh, was angesichts der überschäumenden Darstellungskraft der Autorin im Hinblick auf Landschaften und Stimmungen doch sehr erstaunlich anmutet.

Der Rabenprinz, auf den ich am Ende des zweiten Bandes so große Hoffnungen gesetzt hatte, ist dem leider auch nicht ganz gerecht geworden. Zwar ist es der Autorin gelungen, den vielversprechenden Eindruck aufrechtzuerhalten, vertiefen konnte sie ihn aber nicht. Schließlich taucht er nur etwa einhundertfünfzig Seiten lang als Person auf, was nicht viel ist angesichts der Tatsache, dass – wie im gesamten Zyklus so auch hier – die Ausschmückung von Details so überdurchschnittlich viel Raum einnimmt. Wie die gesamte Handlung, kommt auch der Antagonist viel zu kurz.

_Bleibt zu sagen_, dass die |Feenland-Chroniken| hinter dem vollmundigen Lob des Verlages weit zurückgeblieben sind. Die Geschichte ist mit Nebensächlichkeiten so überfrachtet und von so vielen Sagen und Märchen außerhalb des eigentlichen Zusammenhangs überdeckt, dass man sie kaum wiederfindet. Die eigenen Ideen, die durchaus vorhanden sind, sowie die Charakterzeichnung kommen dabei deutlich zu kurz, echte Spannung sucht der Leser vergeblich. Unter der Diskrepanz zwischen den überschwänglichen Beschreibungen unwichtiger Details und der gleichzeitig so mageren und faden Darstellung der Gefühle der Protagonisten leidet selbst die Romantik. Dabei hätte die Grundidee, die der Erzählung zugrunde lag, durchaus das Zeug zu einem interessanten Buch gehabt. Bei den Prioritäten, welche die Autorin beim Schreiben gesetzt hat, wäre es allerdings besser gewesen, sie hätte einfach eine Sammlung keltischer Sagen herausgegeben.

_Cecilia Dart-Thornton_, selbst ein Findelkind, wuchs in der Nähe von Melbourne auf. Aus ihrer Feder stammt außer den |Feenland-Chroniken| auch der |Crowthistle|-Zyklus, der inzwischen bis Band vier gediehen, auf Deutsch aber noch nicht erhältlich ist. Neben dem Schreiben widmet sich Cecilia Dart-Thornton außerdem der Musik und der Fotografie.

|Originaltitel: The Battle of Evernight
Aus dem australischen Englisch von Birgit Reß-Bohusch
572 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-492-26679-6|
http:/www.piper-verlag.de

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Dunn, Philip (Autor) / Lawrence, Don (Zeichner) – Storm 1: Die tiefe Welt

Seitdem sich der |Splitter|-Verlag auf französische Fantasy-Comics konzentriert und diese in edlen Designs und schmucken Hardcover-Ausgaben unters hiesige Volk gebracht hat, gilt das Label als oberster Qualitätsgarant in Sachen Aufmachung und Inhalt. Mittlerweile hat man auf Basis des starken Feedbacks und der weiterhin steigenden Popularität der verlagseigenen Serien sogar das Veröffentlichungstempo noch mal steigern können, was an der großen Zahl neuer Serien festzumachen ist, deren Potenzial sich geradezu dafür aufdrängt, in diesem Rahmen publiziert zu werden. Doch nicht nur das französische Independent-Programm soll künftig mit dem Verlag in Verbindung gebracht werden; auch legendäre, fast schon in Vergessenheit geratene Klassiker sollen von nun an ins Verlagsprogramm stoßen und hier den gepriesenen modernen Ablegern zur Seite stehen.

Den Anfang macht dieser Tage das Science-Fiction-Epos „Storm“, welches jahrelang über den |Ehapa|-Verlag veröffentlicht wurde, mit dem Tod des illustrierenden Schöpfers Don Lawrence aber für längere Zeit verschüttet war. Doch die Zukunft der Serie ist gesichert, und jetzt, wo endlich der neue, nunmehr schon 23. Band der erfolgreichen Reihe geschrieben und gezeichnet wurde, kommen auch die Herrschaften von |Splitter| wieder ins Spiel. Neben dem Comeback-Album erscheint dort auch die komplette Serie im neuen Design und zeichnerisch durch gezieltes Feintuning von Grund auf überarbeitet. Der Auftakt „Die tiefe Welt“ wird sogleich als |Collector’s Edition| herausgebracht und mit einer Menge informativer wie optisch reizvoller Extras bestückt – prima!

_Story_

Storm ist ein gefragter Astronaut, dem die große Ehre zuteil wird, einen roten Fleck auf dem Jupiter zu untersuchen, der die Behörden schon länger vor ein Rätsel stellt. Doch die Expedition missglückt, und nachdem der Funkkontakt abgebrochen ist und Storm bereits für tot erklärt wurde, scheint eine Rückkehr zur Erde ausgeschlossen. Doch der willensstarke Astronaut schafft das Unmögliche und kann sich tatsächlich aus den Weltraumstrudeln retten, in die sein Raumschiff gerät. Ein ganzes Jahr später kehrt er zur Erde zurück, muss sich jedoch über deren neues Landschaftsbild wundern. Die Ozeane sind verschwunden, und statt der geplanten Landung in Florida stürzt Storm mit seinem Raumschiff mitten in einer Zivilisation ab, die überhaupt nicht mehr mit der Erde des 21. Jahrhunderts zu vergleichen ist.

Dabei sind auch die ersten Fremdkontakte merkwürdig. Einige primitive Stammesbrüder entführen den Astronauten und lassen ihn in den Kerker des tyrannischen Herrschers Ghast sperren. Dort lernt Storm seine neue Gefährtin Rothaar kennen und begibt sich mit ihr auf die Flucht ins Ungewisse …

_Persönlicher Eindruck_

Als verwöhnter Liebhaber bombastisch arrangierter und gerade zeichnerisch detailreicher Alben wird man sich bei „Storm“ erst einmal in Acht nehmen müssen. Die Serie hat schon einige Jahre auf dem Buckel, ist beileibe nicht so spektakulär inszeniert wie manch inhaltlich vergleichbare Science-Fiction-Serie heutiger Zeit, ist mitunter auch ein wenig trocken erzählt, in Sachen Unterhaltungswert aber auch nach all den Jahren eine echte Wucht. Die Ursache ist aber nicht nur darin zu suchen, dass „Storm“ noch aus dem 20. Jahrhundert stammt, sondern verstärkt darin, dass die Serie sich noch viel deutlicher an der klassischen Science-Fiction orientiert und zwischenzeitlich sogar den einen oder anderen Exkurs in Sachen „Star Trek“ wagt – und gerade das letztgenannte Kultformat schimmert in der ersten Ausgabe von Don Lawrences Meisterwerk immer wieder durch.

Die Geschichte ist hierbei schnell erzählt: Die gestrandete Titelfigur wird bei ihrer Rückkehr in eine rückständige, primitive Zivilisation katapultiert, die allerdings dennoch in gewisser Weise mit dem Jahrhundert ihrer persönlichen Herkunft in Verbindung steht. Zwar gibt es statt bekannter Verkehrsmittel berittene Echsen und anstatt feuerkräftiger Waffen nur die bloße Faust, doch spätestens nach er Flucht aus dem Gefängnis offenbaren sich dem neuen Gespannn Storm/Rothaar diverse Errungenschaften der Moderne, die das Ganze erst interessant, bisweilen auch komplexer machen. Derweil sorgen die steinzeitlichen Gefechte gegen den nimmermüden Kontrahenten Ghast für einen Bonus an Unterhaltung, den man alleine deswegen schon nicht missen möchte, weil dieser kleine Tyrann genau für jene Zeit steht, die aus heutiger Sicht eine der primitivsten der Menschheit ist – und diese Diskrepanz zwischen Storm und ihrem Widerpart gibt der Story einen großen Teil ihres Gehalts.

Die Frage ist aber dennoch: Was macht „Storm“ letzten Endes zum Kult-Comic? Die Antwort hierauf gibt die erste Episode eigentlich schon recht deutlich: Es ist die Simplizität der Story und ihrer Charaktere, die auch ohne aufgeblasene Nebenelemente glänzen und überzeugen können, dies im vergleichsweise abgespeckten Setting auch müssen. Dass „Die tiefe Welt“ bei der Erstveröffentlichung vor über 20 Jahren als innovativ galt, kann man dementsprechend auch heute noch nachvollziehen, und das in erster Linie dank der inhaltlichen Qualität.

Bei der Aufmachung der neuen Serie hat sich der Verlag schließlich auch die größte Mühe gegeben. Die Original-Zeichnungen wurden digital bearbeitet, haben ihren Charme aber dennoch nicht verloren. Der Effekt: ein visuelles Optimum für eine Serie, die hier gerade den Quantensprung zwischen drei Comic-Jahrzehnten vollzieht. Doch auch sonst ist die Ausstattung des ersten bandes fantastisch: Abseits der Handlung gibt es noch einige kleine Specials mit Infos zur Entstehungsgeschichte, eine kleine Abhandlung über Don Lawrence und als Gimmick einen exklusiven, separat entnehmbaren Druck mit den beiden Hauptfiguren. Fazit: Diese |Collector’s Edition| ist auf alle Fälle jeden einzelnen Cent wert und fordert geradezu den Wunsch nach weiteren derart überzeugend präsentierten Neuauflagen heraus.

|64 Farbseiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-940864-46-8|
http://www.splitter-verlag.de

Theorin, Johan – Öland

Spätsommer im schwedischen Öland, 1972: Der fünfjährige Jens verschwindet beim Spielen im Nebel und kehrt nie mehr zurück. Die Polizei vermutet, dass er im Meer ertrunken ist, doch trotz aufwändiger Suche wird er nicht gefunden. Vor allem seine Mutter, die zu dem Zeitpunkt bereits geschieden war, leidet sehr, zumal Jens ihr einziges Kind war. Sie glaubt nicht ans Ertrinken, da Jens Angst vor Wasser hatte, sondern vermutet eine Entführung.

20 Jahre später: Jens‘ Mutter Julia hat Öland verlassen. Sie hat das Verschwinden nie verwunden, lebt alleine und hofft immer noch auf eine wundersame Rückkehr. Auch zu ihrer Familie hat sie wenig Kontakt. Überraschend erreicht sie ein Anruf ihres Vaters Gerlof: Der alte Gerlof, der inzwischen im Altersheim in Öland lebt, hat anonym eine Sandale zugeschickt bekommen, die Jens beim Verschwinden getragen hat. Julia soll zurückkommen und ihm bei der Suche nach den Hintergründen helfen.

Julia folgt der Bitte und muss sich nicht nur mit der schmerzhaften Vergangenheit, sondern auch zu dem abgekühlten Verhältnis zu ihrem Vater auseinandersetzen. Zudem hält sich nach wie vor das unheimliche Gerücht, der einst als Mörder von der Insel geflohene Nils Kant habe Jens auf dem Gewissen. Als Kind tötete er angeblich seinen eigenen Bruder und auch als Erwachsener brachte er nur Unglück über den Ort. 1972 war er bereits seit einigen Jahren tot – doch manch einer behauptet, er wandere immer noch über das neblige Land. Angeblich erhielt seine Mutter Vera noch Jahre nach seiner Beerdigung Postkarten aus aller Welt wie vor seinem Tod. Ist er damals gar nicht gestorben …?

_Johan Theorin_ legt hier seinen ersten Teil des geplanten Öland-Quartetts vor, das sich jeweils den einzelnen Jahreszeiten widmen soll. Er beginnt mit dem Herbst und macht dem „Schwedenkrimi“ alle Ehre, indem er sich auf ein atmosphärisch dichtes und ruhiges Erzählen besinnt.

|Zusammenspiel von Vergangenheit und Zukunft|

Zwei eng miteinander verwobene Handlungsstränge sind es, die den Leser auf unterschiedliche Arten fesseln. Der eine spielt in den Neunzigerjahren und zeigt das Bemühen von Gerlof und seiner Tochter Julia, das Verschwinden ihres Enkels bzw Sohnes aufzuklären. Dass Jens tot ist, scheint außer Frage zu stehen, doch wer hat seine Sandale geschickt? War es ein Unfall, der nicht eingestanden wurde, oder gar Mord? Hat der Täter selbst die Sandale Gerlof zukommen lassen, war es jemand aus seinem Umfeld, soll dies eine Aufforderung zu weiteren Nachforschungen sein?

Kurz darauf kommt Gerlofs Freund Ernst bei Arbeiten im Steinbruch ums Leben – für die Polizei ein normaler Unfall eines Steinmetzes, doch daran mag Gerlof nicht glauben. Viele Jahre lang hat er mit Ernst und dem Dritten im Bunde, John Hagman, über Jens‘ Verschwinden diskutiert. Ernst glaubte an die verwegene Nils-Kant-Theorie und schien kurz vor seinem Tod Recherchen angestellt zu haben. Für Gerlof geht es nunmehr nicht nur um sein Enkelkind, sondern auch um das Schicksal seines Freundes.

Der andere Erzählstrang führt in das Leben des mysteriösen Nils Kant, der auch Jahrzehnte nach seinem Tod die Schreckgestalt der Insel geblieben ist. Die Familie Kant besitzt viel Land in Stenvik, der Vater stirbt früh und schon als Zehnjähriger fühlt sich Nils verantwortlich. 1936 ertrinkt sein jüngerer Bruder, Gerüchte über Nils‘ Beteiligung wollen nicht verstummen. Entschädigt wird er durch das enge Verhältnis zu seiner Mutter Vera, die ihm Arbeit im Steinbruch verschafft. 1945 kommt es zu einem blutigen Aufeinandertreffen mit zwei deutschen Soldaten. Nils flieht und die Schiffe und Häfen der Welt sind von nun an seine Heimat. Anfang der Sechziger wird seine Leiche in einem Sarg heimtransportiert – doch es gibt immer noch Leute, die nicht daran glauben, dass es tatsächlich Nils Kant war, der dort beerdigt wurde.

Gekonnt spielt der Autor mit einer Mischung aus dichter Atmosphäre und einer sich stetig steigernden Spannung. Geht es anfangs „nur“ um Klarheit über Jens‘ Verbleiben, scheint mit dem gewaltsamen Tod von Ernst der Fall wieder aktuell zu werden. Irgendjemand auf Öland scheint mit allen Mitteln eine Aufklärung verhindern zu wollen, während gleichzeitig irgendjemand mit dem Senden der Sandale die Vergangenheit wieder aufrollt.

Zwar bleibt der Roman immer gemächlich und verfällt nie in ein Thriller-Tempo, doch gerade gegen Ende gibt es ein paar höchst dramatische Momente, in denen die Hauptfiguren in große Gefahr geraten. Die Geschichte um Nils Kant, die immer wieder in Rückblicken kapitelweise eingeschoben wird, bricht stets an einer verheißungsvollen Stelle ab, was die Spannung erhöht. Bis kurz vor Schluss bleiben Leser wie auch Gerlof und Julia im Unklaren darüber, auf welche Weise genau Nils Kant in die Geschehnisse verwickelt ist.

|Interessante Figuren|

Überzeugend lässt der Autor den Aberglauben und das Misstrauen der Bewohner Ölands aufleben, für die Nils Kant als Unglücksrabe der Insel ein Tabu geworden ist. Aber ebenso erfährt man, dass seine Rolle nicht einfach mit der des bösen schwarzen Mannes abzutun ist, denn trotz all seiner Fehler ist auch Nils Kant eine tragische Figur, der teilweise Unrecht getan wird. Der einfältige Junge mit dem Mutterkomplex, schon früh emotional abstumpft und über sein Verschwinden hinaus von vielen gehasst wird, der für manche noch als Geist über die Ebene wandelt oder vielleicht seinen Tod vorgetäuscht hat, ist vielschichtiger, als man es auf den ersten Blick glauben mag. Am Beispiel von Nils Kant erkennt man, wie ein einzelner Mensch zum Symbol des Unglücks eines Ortes werden kann.

Sehr gut gelungen ist auch die Darstellung des alten Gerlof. Ungeachtet seiner körperlichen Beschwerden, die ihn zeitweise kaum aufstehen lassen, ist er klar im Kopf und verfolgt unbeirrt seine Suche nach der Wahrheit darüber, was mit seinem Enkel Jens und seinem besten Freund Ernst geschehen ist. Sein Motto, dass jede Geschichte ihr eigenes Erzähltempo braucht, entspricht der Konzeption des Romans. Fast zwangsläufig kommt es dadurch zu Komplikationen mit seiner ungeduldigen Tochter Julia, die mit den bedächtigen und verschleierten Aussagen ihres Vaters nicht viel anfangen kann. Die Beziehung der beiden ist geprägt von Distanz und Spannungen. Nach einem Jahr Funkstille bedeutet die gemeinsame Suche eine schwierige Annäherung, in der die beiden nicht nur einmal aneinander geraten.

|Kaum Schwächen|

Bei genauer Betrachtung lässt sich feststellen, dass die Figur Julia vor allem durch ihre Konfrontation mit Gerlof lebt, aber man ansonsten wenig über sie erfährt. Gerlof und seine Gedanken und Handlungen stehen im Mittelpunkt; er ist der Initiator, der Öland über all die Jahre nicht verlassen hat und einen stillen Plan verfolgt, wie er das Schicksal seines Enkels aufklärt, in den er Julia nur teilweise einweiht. Von Julia erfährt man hauptsächlich, dass sie sich von ihrer Familie distanziert hat; abgesehen davon bleibt sie etwas zu blass. Des Weiteren ist das Ende mit all seinen Hintergründen zwar logisch aufgebaut, aber zum einen reimt sich Gerlof ein bisschen zu viel selbst zusammen, fast wie ein kleiner Sherlock Holmes, zum anderen kommt es etwas zu plötzlich, dass eine bisher kaum beteiligte Person in den Mittelpunkt gerückt wird. Die überraschende Wendung wird vor allem von Julia etwas zu gefasst aufgenommen.

_Als Fazit_ bleibt ein sehr stimmungsvoller und größtenteils ruhiger Schwedenkrimi mit interessanten Figuren und einem gelungenen Zusammenspiel zwischen Rückblenden und Gegenwart. Von nur sehr kleinen Schwächen abgesehen ist „Öland“ ein sehr empfehlenswerter Kriminalroman, vor allem für alle Leser, die kein hohes Tempo und keine Actionszenen brauchen.

_Der Autor_ Johan Theorin, geboren 1963 auf Göteborg, kennt Öland gut aus seiner Kindheit und seinen Sommerurlauben und ließ sich durch die Landschaft zu seinem ersten Öland-Krimi inspirieren. Das Debüt wurde von den Kritiken international euphorisch aufgenommen, die Filmrechte sind bereits verkauft. Zurzeit ist der zweite Roman des geplanten Quartetts in Arbeit.

|Originaltitel: Skumtimmen
Aus dem Schwedischen von Kerstin Schöps
448 Seiten, gebunden|
http://www.piper-verlag.de
http://www.johantheorin.com