Parzzival, S. H. A. / Stern, Michelle / Martyna, Andrä – Lächeln der Angst, Das (TITAN-Sternenabenteuer 32)

_Story:_

Shalyn Shan wird nach etlichen Jahren mit der Gedächtnislücke konfrontiert, die auch ihre mysteriöse Beziehung zu Monja beinhalten soll. Mit Hilfe des Ebenenwandlers Mick Bondeye taucht sie in eines der düstersten Kapitel ihrer Sternenfahrer-Karriere ein und erfährt endlich die Wahrheit über sich, die Vergangenheit und ihre eigenartige Geliebte.

Derweil scheint Michiko endlich eine konkrete Spur zum Mörder ihres Bruders gefunden zu haben. In St. Anton stellt sie den raffinierten Akira – und erlebt eine bitterböse Überraschung.

Auch Wernher von Witzleben kommt nicht zur Ruhe: In seinem erbarmungslosen Feldzug gegen alle Gesetzlosen räumt er mit seiner World Police mächtig auf, um endlich seinen Erzfeind Thomas Chaivelli aufzuspüren – doch scheinbar vergeblich …

_Persönlicher Eindruck:_

Die 32. Ausgabe der „Titan-Sternenabenteuer“ ist im historischen Sinne eine wirklich denkwürdige Ausgabe, da sie einerseits den bislang längsten Zyklus innerhalb der Serie beendet, andererseits aber auch der letzte Softcover-Heftroman im Laufe der Science-Fiction-Reihe sein wird. Fortan werden die Herausgeber beim |BLITZ|-Verlag nämlich auf glänzende Hardcover umstellen und auch den Release-Plan auf zwei Exemplare jährlich straffen – im Hinblick auf die teils durchwachsene Qualität manch jüngerer Ausgabe der Serie vielleicht gar keine allzu schlechte Idee.

„Das Lächeln der Angst“ soll nun endlich Aufschluss darüber geben, wer und was sich tatsächlich hinter Monja Annjetta verbirgt bzw. welche Geheimnisse Protagonistin Shalyn Shan seit Beginn des Zyklus mit sich trägt. Und tatsächlich beginnt das neue Autorengespann hier recht vielversprechend und führt einige der wichtigsten Figuren auf den ersten Seiten zusammen. Da sammeln sich der gescheiterte World-Market-Boss Michael Moses, die berüchtigte Fledermaus von Witzleben, der mittlerweile undurchschaubare Amos Carter und natürlich Shalyn und Monja, um die es hier vorrangig geht.

Allerdings ist diese erste Zusammenkunft auch schon das einzig wirklich Erwähnenswerte zum Abschluss dieser Mini-Serie, denn inhaltlich begeben sich Knoke und Martyna fortan in träumerische Welten, die letzten Endes mehr verwirren als dass sie die Mysterien der vorliegenden Handlung lüften könnten. Knoke führt Shalyn Shan auf einen entlegenen Eisplaneten und dokumentiert hier das erste Aufeinandertreffen zwischen Monja und ihr, dies jedoch auf völlig abstrakte Art und Weise, ohne dabei auch nur im Geringsten den Spannungsbogen weiter zu spannen, der ja hier eigentlich am höchsten Punkt angelangt sein sollte. Stattdessen verliert er sich regelrecht in den Umschreibungen der seelischen Pein, welche die Suuranerin auf ihrem bis dato wohl verzweifeltesten Flug durch die Galaxis durchleben musste. Dabei geht der Fokus auf die eigentliche Story völlig verloren, zumal dieser Part der Geschichte sich auch noch unnötig in die Länge zieht und in den letzten Sequenzen folgerichtig auch enorm anstrengend ist. Gerade was die Auflösung der lange vorgeschobenen Verbindung der beiden Hauptdarstellerinnen betrifft, durfte man hier wirklich eine Menge mehr erwarten.

Genauso hektisch wird auch die Geschichte um Michiko und ihren Bruder vorangetrieben, unter anderem auch dadurch bedingt, dass ihr nicht mehr viel Raum zugestanden wird. Die philosophischen Inhalte dieser Geschichte gehen zwar noch in Ordnung, doch da man sich hier nicht mehr genügend Zeit genommen hat, das Ganze entsprechend auszuschmücken, kommt es auch in diesem Abschnitt zu einer herben Enttäuschung.

Schade eigentlich, denn auch wenn die „Titan-Sternenabenteuer“ schon zuvor zahlreiche Höhen und Tiefen erlebt haben, ist es sicherlich nicht vermessen, einen spannenden, befriedigenden Abschluss einer Serie zu erwarten, die immerhin auf ein gutes Dutzend zugehöriger Ausgaben zurückblicken kann. Parzzival, Knoke und Martyna können diesem Anspruch aber in fast keiner Passage gerecht werden und haben die lange vorbereitete Kür – man muss es leider so drastisch sagen – gründlich versaut!

|156 Seiten
ISBN-13: 978-3-89840-132-6|
http://www.blitz-verlag.de

Shepard, Lucius – Hobo Nation

_Reiter des ‚Stahls‘: Hobos zwischen Himmel und Hölle_

Im Jahr 1998 schreibt der Autor Lucius Shepard eine Reportage über eine mutmaßliche Hobo-Mafia namens FTRA für die amerikanische Zeitschrift „Spin“. Im Rahmen seiner Recherchen reist er mit den Tramps, den Ausgestoßenen und Gescheiterten der Gesellschaft, auf Güterzügen durch die USA. Es wird eine Reise ins dunkle, sagenumwobene Herz des amerikanischen Kontinents, dorthin, wo die Legenden und Mythen von Woody Guthrie und Jack Kerouac noch lebendig sind. Aber es gibt auch die Hardpunks, die ganz anders als romantisch drauf sind. Und es gibt Mörder.

Wie ist es tatsächlich um die die „große Freiheit der Schienen“ und des weiten Landes fernab aller gesellschaftlichen Zwängen und Konventionen bestellt? Die Reportage verrät es uns. Der Band vertieft diese Informationen mit zwei Erzählungen, darunter das laut Verlag preisgekrönte „Drüben“ (der Name der Auszeichnung wird aber nicht angegeben). Sie entstanden aus Shepards Erfahrung des Lebens am Rande heraus und soll laut Verlag zeigen, „wie die Phantasie des Schriftstellers reales Erleben in große Literatur verwandelt“. Da bin ich mal gespannt.

_Der Autor_

Lucius Shepard, geboren 1947, zunächst ein Rockmusiker, Bordellrausschmeißer und Dichter, war in den achtziger Jahren einer der wichtigsten SF-Autoren, der mehrfach mit Preisen des Genres ausgezeichnet wurde. In seinen Erzählungen „Salvador“ (1984) und mit dem Roman „Das Leben im Krieg“ (1987) setzte er sich sehr kritisch und provokativ mit dem Engagement der Vereinigten Statten unter Präsident Reagan in Mittelamerika auseinander. Die CIA, das Pentagon und sicherlich noch andere Behörden des Geheimdienstapparates bildeten Contras aus: Sie sollten in El Salvador und Nicaragua gegen das sozialistische Regime operieren. Die Folge war ein Stellvertreterkrieg, in dem nicht nur Tausende von Zivilisten ums Leben kamen, sondern auch die Iran-Contra-Affäre (Waffenschmuggel) die totale Amoralität der Verantwortlichen im Pentagon offenlegte.

Mit seinen anderen Werken war Shepard nicht so erfolgreich. In „Grüne Augen“ (1984) stellt die CIA illegale Experimente zur Wiederbelebung von Leichen an; in dem Kurzroman „Kalimantan“ wandelt die Hauptfigur auf den Spuren Joseph Conrads. Aber jede Erzählung Shepards hält ein gutes Leseerlebnis bereit, so etwa in „Delta Sly Honey“ (1989) und „Muschelkratzer-Bill“ (1994). Die Fantasy-Story „Der Mann, der den Drachen Griaule malte“ (1984) bildet mit „The Scalehunter’s Beautiful Daughter“ (1988) und „Father of Stones“ (1988) eine schöne Sequenz aus der High Fantasy.

Zuletzt veröffentlichte |Edition Phantasia| die Kurzromane „Endstation Louisiana“, „Aztech“ und „Ein Handbuch amerikanischer Gebete“. „Hobo Nation“ ist teils Reportage, teils Erzählungen.

Mehr von Lucius Shepard auf |Buchwurm.info|:

[„Ein Handbuch amerikanischer Gebete“ 3176
[„Endstation Louisiana“ 5517

_1) Einleitung: Der Stahl_

Der Autor berichtet von seinem Auftrag für die Reportage und wie er sie umsetzte. Er stieß auf die Güterzug-Tramps, die es seit Ende des Bürgerkriegs 1865 gibt, auf ihr Leben und ihre Mythen. Poeten und Künstler wie Portland-Dave verehren die Güterzüge als den Gott „Stahl“ oder als „Die Kreatur“, und selbst den Autor erinnern sie an die Riesen-Sandwürmer in [„Der Wüstenplanet“. 5333

Diesen Mythos wollte er einfangen und für die Nachwelt bewahren. Denn die Hobos sind vom Aussterben bedroht. Die Eisenbahngesellschaften statten ihre Rangierbahnhöffe mit immer raffinierterer Warntechnik aus, um illegale Mitfahrer abzuschrecken. Aber es sei Aufgabe des Künstlers, so der Autor, diese Lebensform und Kultur zu bewahren, als handle es sich um einen versinkenden Kontinent. Ohne diese Region werde die Landkarte Amerikas stets unvollständig sein.

Hier ist der Autor ebenso sachlich wie in seiner Reportage. Allerdings fasst er hier bereits seine Beobachtungen zusammen. Danach erst folgt der „Ermittlungsbericht“, der sie rechtfertigt und belegt. Die Spannung steigt …

_2) Die FTRA-Story (Reportage)_

Gibt es wirklich eine Hobo-Mafia, wie manche Gazetten und TV-Berichte unterstellen? Der Autor machte sich für einen Artikel auf die Socken, um dieser Frage auf den Grund zu gehen. Er hört überall bei den Behörden die Bezeichnung FTRA: Freight Train Riders of America. Ja, die seien gefährlich, tönt der Polizist Grandinetti, und sie seien Mörder. Zu ihrem Aufnahmeritual für Frauen gehöre Vergewaltigung. Na, das klingt aber martialisch, denkt Shepard. Und obendrein nach einer Verschwörung wider die Rechtschaffenen Amerikas. Ob da was dran ist?

Er beschäftigt sich mit der Tradition und der Geschichte der Hobos. Er hört von berühmten Hobos wie dem Folksänger und Aktivisten Woody Guthrie, der zu Bob Dylans Vorbild wurde. Aber die modernen Hobos scheinen doch einiges auf dem Kerbholz zu haben. In Kneipen, Missionen und auf geheimen Treffen der Hobos hört er immer wieder, dass es ganz schön rau und blutig zugehe unter den Güterzugfahrern. Auch von etlichen Morden ist die Rede. Und das klingt ganz schön authentisch.

Aber von der FTRA hält keiner was. Ja, Leute wie der Poet Adman lehnen jede Verbindung zur FTRA ab. Und die Leitung der Eisenbahngesellschaft Union Pacific kennen Grandinettis „Horrorgeschichten“ über die FTRA, aber von einer Verschwörung könne keine Rede sein. Shepard merkt, dass man zwar schwer an die bekannten FTRA-Mitglieder wie Erie Flash rankommt, sie sich dann, nach ein paar Flaschen Whisky, aber als ganz umgänglich erweisen können. Militant sind sie jedoch nicht, und eine Organisation sind sie erst recht nicht. Es gibt keinen Anführer.

Ein Bild von verschiedenen Generationen und vielen kulturellen und ethnischen Gruppen schält sich heraus, von den alten, romantisch veranlagten Konservativen, den etwas Abgehobenen wie Adman bis hin zu Punks und Gossenpunks, den härtesten und jüngsten Gruppen. Darunter sind Aussteiger, Ausgestoßene, verkrachte Existenzen, kurzum: lauter Treibgut am Rande und außerhalb der US-Gesellschaft. Was sie alle eint, sind das Fahren und das Leben unter den Sternen. Kurzum: die Freiheit, nichts mehr zu verlieren zu haben. Außer dem Güterzugfahren.

|Mein Eindruck|

Die Reportage müllt den Leser nicht mit Fakten und Zahlen zu. Stattdessen vermittelt der Autor Ansichten, Berichte, Meinungen und viele eigene Beobachtungen. Das sind die besten Szenen und glaubwürdigsten, wenn auch subjektivsten Eindrücke, die er vermittelt. Fazit ist, dass es weder eine Hobo-Mafia noch eine Verschwörung gibt. Dafür sind die Hobos viel zu heterogen und auf Unabhängigkeit bedacht.

Aber auf diesem Fundament kann der Autor seine zwei Erzählungen aufbauen. Ergo muss man durch die Reportage durch, wenn man die Erzählungen verstehen will.

_3) Drüben (Kurzroman)_

Billy Long Gone ist ein Hobo. Auf dem Güterbahnhof von Klamath Falls, Oregon wird ihm jedoch sein Deutscher Schäferhund Stupid gestohlen. Und als Hobo einen Hund zu verlieren, ist wie eine treue Seele zu verlieren. Stupid muss wieder her. Billy packt den Axtstiel, den er immer zur Verteidigung bei sich hat, fester und durchsucht die Züge in Klamath Falls. In einem langen Monsterzug findet er auch Stupid, doch auch einen seltsamen Mann, der den Hund nicht mehr hergibt. Das macht Billy wütend, doch er muss auch herausfinden, dass er gegen den Fremden nichts auszurichten vermag. Das Einzige, was ihm zu tun übrig bleibt, ist die Mitfahrt, egal wohin.

Der Zug fährt nach Drüben, verrät ihm Pie alias Pieczynski, der Fremde. Es ist ein besonderer Zug, versteht sich, und die Strecke ist ebenso besonders: durch unbekannte Berge und an Sümpfen vorbei durch eine Ebene, bis sie wieder zu Bergen gelangen: zur Endstation. Unterwegs sieht Bill zu seinem Entsetzen schwarze geflügelte Wesen, die wie Vampire den benachbarten Zug angreifen, der auf dem Parallelgleis fährt. Es sieht aus, als wäre der Zug lebendig und würde von den Vampiren angegriffen und ausgesaugt.

|Das Drüben|

Die Endstation Drüben stellt sich als ein Riesenbaum heraus, doch das Haus hat jede Menge Zimmer mit anderen Ex-Hobos wie Billy. Eine längst Verflossene namens Annie Ware (= anywhere, überall), an die sich Billy, der Ex-Alki, nicht mehr zu erinnern vermag, weist ihm wütend sein Zimmer zu. Er muss ihr wirklich was Schlimmes angetan haben, aber was nur? Sie verrät es ihm nicht. Er muss wohl seinen halben Verstand versoffen haben. Nachdem sie es ihm gesagt hat, bittet er sie reumütig um Verzeihung, so dass sie ein richtig gutes Paar werden können.

Doch dieses Drüben scheint für Billys Geschmack zu sehr in Stagnation zu versinken. Ist dies ein Paralleluniversum oder nur eine Computerspielsimulation? Es ist einerlei für den, der darin lebt. Aber das Drüben kennt auch Grenzen und Gefahren. Als erst ein guter Angelfreund von einem Wasserungeheuer verschlungen und dann der Baum auch noch von fladenförmigen Flugwesen angegriffen wird, die Menschen mit Gift töten, platzt Billy endgültig der Kragen: Er muss hier weg!

|Zum Jenseits|

Annie erklärt sich nach einigen Protesten bereit, ihn über die „Mauer“ des Gebirges zu begleiten. Nach einer Abschiedsfeier besteigen sie den nächsten Zug und kuscheln sich in den Schlafsack, denn es wird saukalt. Zudem wird der Zug wird von den schwarzen Flugmonstern, den Beardsleys, angegriffen, und sie verletzen Billy. Dennoch hält das Paar so lange durch, bis es die Endstation erreicht.

Hier liegt überall Schnee, und über den weißen Hügeln und Gipfeln zucken violette Blitze, die das schweigende Land in ein gespenstisches Licht tauchen. Billy und Annie wollen in den Wald, doch die Hügel, die zuvor so harmlos aussahen, erheben sich und entpuppen sich als eine Art Yeti – mit einem eindrucksvollen Gebiss. Die einzige Rettung bietet der schnurgerade verlaufende Fluss, und Annie springt ohne zu zögern hinein. Sie taucht nicht wieder auf, was Billy so besorgt macht, dass er hinterherspringt.

Er erwacht in einer Mulde auf einem trockenen Hügel. Aber neben Annie liegen noch drei weitere „Besucher“ hier. Nirgendwo Schnee. Er späht ins Tal hinab, dort liegt eine Blockhüttenstadt wie im Wilden Westen. Mit einem kleinen, aber unübersehbaren Unterschied: Aus ihrer Mitte ragt ein weißer Turm, der durchsichtig ist. Violette Blitze zucken darin, und er ragt bis in den Himmel. Liegt dort seine Bestimmung? Er wird es herausfinden.

|Mein Eindruck|

Die Handlung folgt dem klassischen Muster der amerikanischen Reisegeschichte. Es ist immer eine Reise der Hauptfigur zu sich selbst und darüber hinaus. Insofern weist eine Reise immer auch einen spirituellen Aspekt auf. Billy folgt einem Gefährten (Stupid) und gerät in eine Abenteuer, doch nach einer Phase der Stagnation und des Kennenlernens eines weiteren Gefährten (Annie), bricht er aus diesem Pseudo-Elysium aus, um die Grenze zu überschreiten. Er wird zum Pionier, wie ihn die amerikanische Mythologie verherrlicht. Jenseits der Grenze und allgemeiner Erfahrung erschaut er das Mysterium, das ihm hilft, sein bisheriges Dasein zu transzendieren (lat. „transcendere“: überschreiten).

In diesem Handlungsverlauf spiegelt sich, wie gesagt, eine innere Entwicklung des Helden wider, nur dass dieser diesmal ein Hobo ist, ein Outlaw. Billy folgt dem Weg wie die Hauptfigur in Shepards Kurzroman „Kalimantan“ und wie Malory in Joseph Conrads Roman [„Herz der Finsternis“, 1538 der Vorlage zu Coppolas „Apocalypse Now“. Dieser Hinweis genügt, um klarzumachen, dass das jenseits der Grenze liegende Territorium ein innerer Raum der Seele ist, an dem sowohl unaussprechlicher Schrecken (der Herrschaftsbereich von Colonel Kurtz) als auch größte Schönheit im Mysterium liegen.

Wenn dies also sowohl Hölle als auch Himmel auf Erden ist, erhebt sich die Frage, welche Art von Jenseits für einen reuigen Hobo vorgesehen ist. Dieser Pilger hat den „Stahl“, die Züge, benutzt, um die Fahrt zu ertragen, hat Angriffen widerstanden, Wunden davongetragen und seine Gefährtin beschützt. Sicherlich genügt dies doch, um ihn für den Eintritt in den Himmel zu qualifizieren, oder? Der in den Himmel ragende Schacht deutet dies an, doch ganz sicher darf man sich da bei Shepard nie sein.

_4) Die Ausreißerin_

Madcat ist vor Jahren wegen seiner Migräneanfälle und Blackouts arbeitsunfähig geworden und hat Arbeit und Familie verloren. Inzwischen hat er sich zu einem gewieften Hobo entwickelt. Er mag zwar seinen Schnaps wie jeder andere auch, aber er weiß, wo das Leben als Hobo halbwegs gut ist. Deshalb will er von der kalten Nordgrenze runter nach Tucson, ins warme Grenzgebiet nach Mexiko.

In Spokane, Idaho, schließt sich ihm eine junge Ausreißerin an, die vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahre alt sein mag, aber unter ihrem T-Shirt schon schwere Brüste verbirgt. Grace will nach Kalifornien, um bei einem reichen Onkel ein leichtes Leben anzufangen. Aber gerade hat jemand ihren Begleiter Carter erschlagen und sie warnt Madcat vor dem Irren, der hier rumläuft. Sie bittet Madcat, sich ihm anschließen zu dürfen, und würde auch in „Naturalien“ für ein wenig Schutz und Begleitung bezahlen. Gegen die weibliche Art von „Naturalien“ hat Madcat nichts einzuwenden, und Grace scheint trotz ihrer roten Dreadlocks in Ordnung zu sein. Ihre tiefblauen Augen haben es ihm sogar angetan.

In Klamath Falls, Oregon, kommt es jedoch zu einer schicksalhaften Begegnung. Sie treffen auf zwei Hobos, von denen der eine, F-Trooper, ein Indianer, sich sofort beim Anblick der Neuankömmlinge verdrückt. Kaum hat sich Madcar ein bisschen mit dem anderen Hobos unterhalten, als F-Trooper wieder auftaucht und wütend einen Axtstiel gegen Madcat schwingt. Ist er eifersüchtig wegen Grace? Im Handgemenge werden beide verletzt und Madcat erleidet einen schweren Migräneanfall, der ihn halluzinieren lässt. Grace warnt Madcat, dass F-Trooper vielleicht der Mörder von Carter ist. Und der Indianer ist keineswegs tot und erhebt sich noch einmal zum Kampf …

|Mein Eindruck|

Dies ist eine wunderbar actionreiche, sinnliche Kurzgeschichte, die man wohl nicht so schnell in einer Science-Fcition-Anthologie finden dürfte. Madcat ist ein Hobo, wie er im Buche steht, aber Grace ist eine explosive Mischung aus Aphrodite und Medusa, die Madcats Leben ganz schön aufmischt, bis es zu einem Showdown kommt. Und danach wartet auf das ungleiche Paar an diesem Scheideweg entweder die Hölle oder der Garten Eden. Blutrot ist der Abendhimmel, doch in dieser Richtung, das weiß Grace ganz genau, liegt Kalifornien, das Gelobte Land.

Grace, das versteht sich von selbst, ist für die Sinnlichkeit in der Geschichte zuständig und Madcat für die abschließende Action im Showdown. Die beiden sind zwar nicht gerade Romeo und Julia, aber dass sie eine gemeinsame Bestimmung haben, wird dem Leser – und Madcat – bald klar. Bis der Schatten des Bösen und der Vergangenheit überwunden ist, ist eine heftige Auseinandersetzung notwendig, bei der sich Madcat selbst überwinden muss.

Er hat die Wahl: Will er ein Mörder wie der besoffene Indianer F-Trooper werden? Ist er am Ende selbst an Carters Tod, begangen in einem Blackout, schuldig? Oder kann ihn Grace erlösen? Am Schluss sagt sie einen wunderbaren Satz, der sehr simpel und altklug klingt: „Du bist meine Stärke, aber ich bin dein Herz.“ Klasse.

|Die Übersetzung|

Während der sprachliche Stil ziemlich in Ordnung ist, stolperte ich immer wieder über doppelte Wörter und ausgelassene Buchstaben. Am meisten verwirrten mich jedoch Entstellungen der ursprünglichen Namen. So müsste es statt „Bitterfoot Mountains“ (S. 25) wohl „Bitterroot Mountains“ heißen, wie jeder weiß, der schon mal die Geschichte des „Wilden Westens“ gelesen hat. Aus „Kalipsell“ müsste „Kalispell“ werden. Aber das sind lässliche Sünden. Im unten erwähnten Artikel aus der |Süddeutschen Zeitung| hat die automatische Rechtschreibung aus dem Ort „Klamath Falls“ das lächerliche „Klamauk Falls“ kreiert. Es geht also schlimmer.

_Unterm Strich_

Vom Faktischen der Reportage bewegt sich der Tenor des Inhalts dieser Sammlung hin zum Fiktionalen und Fiktiven der zwei Erzählungen. Die Reportage fand ich recht spannend, aber man muss ein wenig Geduld aufbringen, denn der Autor führt sehr viele Zeugenaussagen an, um seinen Befund zu belegen, dass es keine Hobo-Mafia gebe.

Von den beiden Erzählungen hat mir die Shortstory „Die Ausreißerin“ sehr gut gefallen, denn der Autor kommt schnell zur Sache. Ich habe mich gefragt, warum sie nicht dem Kurzroman vorangestellt wurde, aber dann fiel mir auf, dass es hier um ein Pärchen unter den Hobos geht. Und die Paarbildung ist eine komplizierte Sache, der erst einmal in der Novelle ausführlich dargestellt werden muss, bevor man sie in der Kurzgeschichte in ihrer ganzen Bedeutung würdigen kann.

Außerdem bietet der Schluss der Novelle einen transzendenten Ausblick auf den Himmel der Hobos, das „Drüben“ und das „Jenseits“. Damit der Eindruck des Mystischen und Spirituellen nicht zu stark zurückbleibt, bringt die Kurzgeschichte den Leser wieder auf den Boden der Tatsachen, und die sind alles andere als spirituell (sondern haben mehr mit Spirituosen zu tun). Der Himmel der Hobos wird hier zu einem ziemlich weltlichen Ort, nämlich Kalifornien, das Gelobte Land der „Hobo Nation“. Wer weiß, ob nicht die schwere Rezession, der sich die USA gegenübersehen, viele weitere „Reiter des Stahls“ erzeugen wird.

Habe ich mich durch die Mitte des Kurzromans durchquälen müssen – das „Drüben“ steht für Stagnation in Billys Entwicklung -, so entschädigten mich der Romanschluss und die Kurzgeschichte vollauf für diese Mühe. Hier passiert etwas, es wird erotisch, und nach dem Showdown wird die Kurzgeschichte für zwei Seiten regelrecht poetisch.

HINWEIS: In der |Süddeutschen Zeitung| vom 15.1.2009 findet ihr eine weitere [Rezension]http://www.buecher.de/shop/USA/Hobo-Nation/Shepard-Lucius/products__products/content/prod__id/23448115/#sz dieses Buches.

|Originaltitel: Two Trains Running, 2004
Aus dem US-Englischen von Joachim Körber
207 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-937897-29-5|
http://www.edition-phantasia.de

Graham, Patrick – Evangelium nach Satan, Das

War Jesus nur ein Mensch oder vielleicht wirklich der Sohn des einzigen Gottes? Vielleicht war er beides zugleich? Die Existenz des historischen Jesus ist zweifelsfrei durch die Forschung bewiesen. Seine Qualen am Kreuz sind uns durch verschiedene Quellen geschildert und finden auch ihren Platz in den vier offiziellen Evangelien. Doch sowohl diese Quellen als auch die Forschungsresultate und Schlussfolgerungen werden weiterhin hitzig diskutiert. Die Wahrheit über das Wirken Jesu und seinen Tod am Kreuz wird weiterhin nicht nur gläubige Christen, sondern auch Geschichts- und Religionswissenschaftler aus aller Welt beschäftigen.

Sein Opfer-Tod und das spätere Wirken seiner Jünger legten den Grundstein des am weitesten verbreiten Glaubens und bilden das Fundament des christlichen Abendlandes, wie wir es kennen. Die katholische Kirche und mit ihr der Vatikan bauten ausgehend von diesen Anfängen ihre wirtschaftliche, staatliche und natürlich religiöse Macht immer weiter aus und beriefen sich dabei vornehmlich auf die vier überlieferten Evangelien. Die Christen jeglicher Nationalität glauben an das göttliche Himmelreich, das ewige Leben und die Vergebung aller Sünden, die wir jemals begangen haben. Hoffnung ist etwas, das wir uns um jeden Preis bewahren wollen. Hoffnung auf Frieden, Liebe und Vergebung.

Doch was hätte uns die Kirche überliefert, wenn die Kreuzigungsgeschichte gänzlich anders verlaufen wäre? Der franco-amerikanische Autor Patrick Graham hat sich in seinem erstem Roman das über Nacht zu einem Bestseller geworden, ein ganz anderes Szenario ausgedacht.

_Inhalt_

Nach endlosen Qualen und Folter durch die römischen Soldaten wird Jesus auf Golgatha ans Kreuz geschlagen. Seinen Glauben hat er trotz aller Schmerzen nicht verloren, doch wenig später fühlt er sich von seinen himmlischen Vater im Stich gelassen und schwört in seiner Wut und Angst Gott ab. Vor den Augen seiner Mutter und den Römern verwandelt sich Jesus in einem dämonisch, brüllenden Janus, den König der Hölle und Gebieter über die dämonischen Herrscharen.

Diese grausam anmutende Überlieferung wurde niedergeschrieben und als „Evangelium nach Satan“ lange Jahre von der Kirche geheimgehalten. Die Veröffentlichung würde die Grundfesten des christlichen Glaubens und natürlich die Position Jesus als Gottes menschgewordenen Sohn erschüttern. Milliarden von gläubiger Menschen würden ihre Hoffnung auf Erlösung verlieren und die gesamte Welt in ein Chaos stürzen, dessen Auswirkungen schwer vorstellbar sind.

Doch Satan sieht seine Zeit gekommen, sein Evangelium zu veröffentlichen, ein Ziel, das er seit Jahrhunderten verfolgt. Seine Diener, allen voran der Seelendieb Kaleb, versuchen das Evangelium in die dämonischen Klauen zu bekommen. Unterstützt werden Satan und seine bösen Engel durch eine Geheimgesellschaft, deren Einfluss bis in die höchsten Kreise der Kirchenkurie reicht.

Maria Parks, Special Agent des FBI, wird ungewollt in die Suche nach dem „Evangelium des Satans“ und damit in ein dunkles und böses Spiel katapultiert. Ihre seltene Gabe, die nach einen verehrenden Unfall zutage trat, bei dem sie ihren Lebensgefährten und ihr Kind verlor, will sich Satan nutzbar machen. Diese Gabe ermöglicht es Maria, Opfer von Gewaltverbrechen in ihren letzten Minuten zu erspüren, alle Empfindungen wie Angst, Schmerz und Verzweiflung werden zu ihren eigenen. Nacht für Nacht wird sie von diesen für sie mehr als realen Träumen gemartert.

Doch diese opferreiche Gabe ermöglicht es Maria auch, als Profilerin beim FBI Massenmörder und Serienkiller aufzuspüren. Als in ihrem Geburtsort Hattiesburg vier junge Frauen spurlos verschwinden, übernimmt Maria den Fall und wird selbst bald Opfer des satanischen Serienmörders. Maria findet die Frauen, die lebendig ans Kreuz genagelt wurden, und sie selbst erleidet später das gleiche grausame Schicksal, wird aber in letzter Minute von Sonderkräften des FBI befreit und kann den Teufelsanbeter erschießen.

Wieder aus dem Krankenhaus entlassen und genesen, glaubt Maria nicht daran, dass dieser verrückte Satanist wirklich tot ist, auch wenn sie die Leiche auf dem Obduktionstisch gesehen hat. Bei ihren weiteren Ermittlungen stellt sich heraus, dass die ermordeten Frauen Nonnen waren und zu dem Orden der Weltfernen Schwestern gehörten. Dieser Orden hat es sich zur Aufgabe gemacht, für den Vatikan Texte und Schriften mit ihren Leben zu schützen, die gefährlich für das Christentum werden könnten, sollten sie in die falschen Hände fallen und veröffentlicht werden.

Maria recherchiert in der Vergangenheit und geht den Spuren Kalebs nach, die bis in das 13. Jahrhundert zurückreichen. In den Wirren der Pest verschwand das Evangelium des Satans, doch Kaleb war ihm immer dicht auf den Fersen. Zur Seite stand ihm dabei stets die geheime Bruderschaft mit dem Namen „Schwarzer Rauch des Satans“, zu der seit Jahrhunderten viele mächtige Männer und Frauen zählen, deren Ziel es ist, einen eigenen Papst auf den Stuhl Petri zu setzen.

Auf der Welt mehren sich derweil satanische Zeichen, und der vatikanische Exorzist Carzo hat alle Hände voll zu tun, doch durch seinen Vorgesetzten im Vatikan weiß er, worum es bei all dem Bösen geht. Gemeinsam mit Maria versucht er Satans Plan aufzuhalten.

_Kritik_

Ob man als Leser nun an Gott und den Teufel glaubt oder nicht, man kann sich vom dem vorliegenden Thriller durchaus fesseln lassen, doch bedarf es für die Lektüre starker Nerven. Nicht nur der Spannung wegen, sondern weil der Grad der geschilderten Brutalitäten bemerkenswert detailliert beschrieben wird und das Resultat durchaus als gewalttätiger Splatter durchgehen könnte.

Patrick Grahams Mysterythriller ist spannend, aber der Autor hat sich zu sehr auf die Gewaltszenen in seiner Story verlassen. Es offenbaren sich keine wirklich profunden Kenntnisse der Religionsgeschichte; sicherlich ist die Theorie einer Abkehr Jesus von Gottes Seite ein origineller Ansatz, wird aber in diesem Fall etwas zu phantastisch propagiert.

Es gibt zwei Handlungsstränge und zwei Zeitzonen in Grahams Erzählung. Im Prolog erfährt der Leser viel aus der Vergangenheit der Weltfernen Schwestern, die von dem Dämon Kaleb aufgesucht und hingeschlachtet werden, der auf der Suche nach der unheiligen Schrift ist. Ein spannender Teil wie auch die nachfolgenden Rückblenden in die Vergangenheit es zeigen. Die Gegenwart wird natürlich durch das Wirken der FBI Profilerin Maria Parks und den Exorzisten Carzo geprägt, die zwar erst jeder für sich versuchen, Satan aufzuhalten, doch irgendwann zusammenarbeiten müssen, um überhaupt eine Chance haben zu können. Marias Gabe bildet dabei die größte Kraft und effektivste Waffe gegen den alten Feind, die allerdings auch eine dunkle Seite hat.

Graham konzipierte seine Charaktere recht eindimensional, bis auf Maria Parks, deren Verzweiflung und innere Leere sehr gut zum Ausdruck kommen. Sie ist eine wahrlich verlorene Seele, die persönliche Verluste zu erleiden hatte und ihr Leben nun der Aufgabe widmet, grausamen Verbrechern das Handwerk zu legen. Ihre Visionen werden realistisch und nachvollziehbar präsentiert, ganz im Gegensatz zu der sonst recht abstrusen Handlung, die zudem noch selbst für einen phantastischen Thriller unglaubwürdig ist.

Carzo der Exorzist ist ihr gläubiger Partner bei dieser Jagd, der für seinen Glauben ebenfalls persönliche Opfer bringen muss und dabei recht stark auftritt. Leider erfährt man recht wenig von seiner Vergangenheit, doch er und Park geben in jedem Fall ein kraftvolles Duo ab.

Grahams große Leidenschaft soll sein Wissensdurst rund um die Religionswissenschaft sein, doch finde ich die Romangrundlage eher lückenhaft recherchiert und aufgearbeitet. Sein Wissen um die Vorgänge und Abläufe im Vatikan sowie den Exorzismus ist hierbei durchaus solide, bietet jedoch nichts Neues für den Leser.

Der Nervenkitzel und das Grauen entstehen nicht durch das boshafte und hintertriebene Wirken der Dämonen, sondern nur durch ihre grausamen und blutigen Taten, die manches Mal nur schwer zu ertragen sind; auch Marias Visionen aus der Sicht des leidenden Opfers sind regelrecht brutal. „Das Evangelium nach Satan“ präsentiert sich phasenweise wie eine unzensierte Fortsetzungsfolge „Akte X“ oder „Supernatural“, nur leider etwas unausgegoren, unverhältnismäßig komponiert und nicht konsequent durchdacht.

_Fazit_

Die Atmosphäre des Grauens wird in diesem Schmöker durch die beschriebenen Qualen und die Folter durch die Dämonen hervorgerufen, die ihre Opfer physisch verstümmeln und bis aufs Blut quälen, nicht jedoch durch langanhaltende und handwerklich trickreich aufgebaute Spannung, die konstant aufrechterhalten wird.

Der Klerus wird sich wegen dieses Romans nicht wirklich die spärlichen Haare raufen, denn weder beschreibt der Autor unvertraute Interna noch greift er eine Theorie auf, die inhaltlich so spannend und informativ dargestellt wurde, dass sie Fragen im Leser aufwerfen könnte. „Das Evangelium nach Satan“ ist lediglich ein weiterer, wenn auch recht spannender Thriller, der zahlreiche inhaltliche Lücken und in sich unlogische Fragestellungen aufwirft und daher in der Gesamtschau nur wenig unterhalten kann. Detailreiche und blutige Beschreibungen von Qual und Folter lassen sich aber wohl dennoch gut genug verkaufen.

_Der Autor_

Patrick Graham, geboren 1968, war bis zu einem Unfall Flugpilot und arbeitet seitdem als internationaler Unternehmensberater. Seine größte Leidenschaft gehört aber der Religionsgeschichte. Daraus resultiert auch sein Debütroman, „Das Evangelium nach Satan“, der ein internationaler Bestseller wurde und den begehrten „Prix Maison de la Presse“ erhielt. Zurzeit schreibt Patrick Graham seinen zweiten Thriller.

|Originaltitel: L’evangile selon Satan
Übersetzung: Adam Hall
651 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-442-37125-9|
http://www.blanvalet-verlag.de

Michael A. Martin/Andy Mangels – Eine neue Ära (Star Trek – Titan)

Die Föderation schickt dem um seinen Bestand ringenden romulanischen Imperium das Raumschiff „Titan“ zur Hilfe. Aus der diplomatischen Mission wird im Hexenkessel brutaler Machtkämpfe und Verschwörungen schnell ein Kampfeinsatz, der katastrophal zu scheitern droht … – Die Abenteuer der „Titan“ erweisen sich als sorgfältig zubereitete Melange sattsam bekannter „ST“-Elemente, die zudem recht gemächlich präsentiert werden: solides Lesefutter für Trekker, doch auch für diese keine Offenbarung.
Michael A. Martin/Andy Mangels – Eine neue Ära (Star Trek – Titan) weiterlesen

Preyer, J. J. – Sherlock Holmes und die Shakespeare-Verschwörung

_Holmes oder nicht Holmes_

Der Meisterdetektiv Sherlock Holmes hat sich in ein kleines Hotel in Sussex zurückgezogen. Er hat die 70 überschritten und ist so wohlhabend, dass er sein Hotelzimmer, weite Reisen und seine Wohnung in der Baker Street problemlos finanzieren kann. Zu seinen Freunden zählen neben Doktor Watson auch Stephen Moriarty, der Sohn eines seiner größten Widersacher.

Sherlock Holmes‘ beschauliches Leben als Hotelgast und Wahlonkel für den fünfjährigen Rory wird jedoch unterbrochen, als ihn der englische Geheimdienst wegen eigentümlicher Morde in der Shakespeare-Geburtsstadt Stratford-upon-Avon – die in Josef Preyers Roman „Sherlock Holmes und die Shakespeare-Verschwörung“ als „Stratford-on-Avon“ (so der Name des zugehörigen Verwaltungsdistriktes) bezeichnet wird – konsultiert.

Dort wurde Literaturprofessor Jonathan Hall ermordet und zudem im wörtlichen Sinne mit einem Shakespeare-Zitat gebrandmarkt aufgefunden. Während Sherlock Holmes, Dr. Watson und Stephen Moriarty die Spur des Täters aufnehmen, die sie über Shakespeares Grab, London und Rom schließlich in eine Geheimkammer in den alten Königspalast nach Edinburg führt, werden noch mehr Morde dieser Art verübt, um das lange gehütete Geheimnis der wahren Identität von William Shakespeare zu bewahren.

J. J. Preyer reiht sich mit seiner wilden Mixtur aus Indianer Jones‘ Kristallschädeln, Dan Browns reißerischen Verschwörungstheorien und Shakespeare-Zitaten in eine Vielzahl von Sherlock-Holmes-Pastiches ein, welche Sir Arthur Conan Doyles Detektiv seit dem Wegfall des Urheberrechts in alle möglichen Länder der Welt, in den Weltraum und sogar in verschiedene Zeiten verschlagen hat. Der Autor kam über eine Trilogie von Freimaurer-Romanen auf den Stoff seines ersten Sherlock-Holmes-Romans „Holmes und die Freimaurer“ (2006). Mit „Sherlock Holmes und die Shakespeare-Verschwörung“ betritt er ein literaturwissenschaftliches Feld voller Spekulationen und wählt mit dem Hauptbezug zu Shakespeares „Titus Andronicus“ ein Jugendwerk, das aufgrund seiner für Shakespeare untypisch flachen Charaktere, der bizarren Handlung und der unglaublichen Brutalität immer wieder Zweifel an der Urheberschaft hervorgerufen haben.

Referenzen auf „Titus Andronicus“ sind für einen Krimi durchaus geeignet, da das Stück praktisch nur aus Morden und anderen Gräueltaten besteht. Doch abgesehen davon wird seit dem 18. Jahrhundert zu beweisen versucht, dass William Shakespeare nicht der Autor der ihm zugeschriebenen Werke ist. Einige Thesen wie die unterschiedliche Schreibweise des eigenen Namens bei Unterschriften und die Tatsache, dass kein einziges handschriftliches Original erhalten geblieben ist, greift Preyer in seinem Roman auf. Doch entgegen der Tradition der Anti-Stratfordianer, deren Spekulationen über Francis Bacon und Christopher Marlowe bis hin zu Königin Elisabeth reichen, entwickelt Preyer eine neue spannende Idee, die durchaus schlüssig erscheint, wenn man sich mit dieser Problematik bisher nicht beschäftigt hat.

Der Autor schickt nun also Sherlock Holmes in das Rennen um die Auflösung der wahren Identität William Shakespeares und natürlich des Rätsels um den Mörder mit der offensichtlichen Affinität zu Shakespeares Werken. Neben Holmes gibt es weitere Ermittler: Dr. Watson ist in Stratford vor Ort. Stephen Moriarty und die Literaturwissenschaftlerin Myra Hall, deren Familie selbst von den Morden betroffen ist, reisen in Sherlock Holmes‘ Namen einer Spur der Shakespeare-Verschwörung nach Italien und Schottland hinterher. Des Weiteren ist ein zwielichtiger Archäologe namens Dan Symmons mit von der Partie. Auch in der starken Reisetätigkeit und dem daraus resultierenden Tempo erinnert der Roman eher an Thriller oder Spionagewerke.

Die Geschichte wird nicht traditionell von Dr. Watson, sondern von Stephen Moriarty erzählt. Somit muss der Autor sich zwar nicht mit einer Anlehnung an Doyles Erzählstil belasten, büßt jedoch einen Großteil Atmosphäre ein. Moriarty ist kein ehrfürchtiger Bewunderer des Detektivs, der wenigstens Bruchteile von dessen Glanztaten an die Öffentlichkeit übermitteln möchte, sondern schreibt aus psychologischen Gründen, die sich dem Leser jedoch nicht völlig erschließen, weil sie nur damit erklärt werden, dass er ein Problem mit seiner Abstammung vom „Napoleon des Verbrechens“ (Professor Moriarty) hat.

Obwohl Preyer sowohl mit Verweisen auf die Unsterblichkeit der Personen von Shakespeares Stücken als auch mit der Übertragung dessen auf die Unsterblichkeit von Sherlock Holmes sowie Erwähnungen von gewissen exzentrischen Marotten des großen Detektivs nicht geizt, gelingt es ihm nicht, seinen Holmes überzeugend darzustellen. Im Grunde hätte es hier auch jeder andere Name sein können, was jedoch weniger verkaufsfördernd gewesen wäre. Zudem arbeitet der Autor mit kurzen Szenen, abrupten Übergängen und wenigen Beschreibungen, so dass der Leser allein auf seine eigenen Vorstellungsfähigkeiten zu bauen gezwungen ist. Preyer setzt dabei entweder auf die Wirkung archetypischer Orte wie Grabkammern, traditionelle Theaterbauten und Hotelzimmer oder altbekannter Orte wie die Bakerstreet 221B. Was jedoch in einer Shortstory legitim ist, wirkt in diesem Roman eher, als mangle es dem Autor an literarischen Fertigkeiten. Sherlock-Holmes-Fans werden daher von „Sherlock Holmes und die Shakespeare-Verschwörung“ weniger angetan sein als die Freunde von Verschwörungstheorien und temporeich verpackten Bildungshäppchen.

|Criminalbibliothek, Band 2
256 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-89840-278-1|
http://www.BLITZ-Verlag.de

Guthrie, Allan – Post Mortem

_Das geschieht:_

Robin Greaves, wenig erfolgreicher Kleinkrimineller im schottischen Edinburgh, ist beim aktuellen Coup, dem Überfall auf ein Postamt, stark abgelenkt: Sein Partner und bester Freund Eddie Soutar hat ihm Hörner aufgesetzt. Greaves will sich rächen, Eddie und die untreue Carol umbringen und die Beute für sich allein behalten.

Allerdings könnte es sein, dass Eddie und Carol umgekehrt ähnliche Pläne hegen. Man belauert einander, aber die Lage eskaliert an anderer Stelle, als der nervöse Greaves während des Postraubs eine Angestellte tötet: Aus dem (übrigens erfolgreichen Überfall) wurde Mord, der die Polizei sehr viel eifriger fahnden lässt.

Sein eigentliches Problem kennt das verkrachte Trio indes noch gar nicht: Die so unglücklich geendete Angestellte wurde abgöttisch von ihrem Sohn geliebt. Gordon Pearce ist ein schweigsamer Mensch, der seine Gefühle vor allem gewalttätig zeigt. Er hat wegen Mordes zehn Jahre gesessen und ist zurzeit als Schuldeneintreiber und Knochenbrecher für den Kredithai Cooper tätig. Kurz: Pearce ist niemand, den man sich zum Feind machen sollte.

Greaves ahnt nicht, dass Pearce eifrig nach ihm sucht. Er hat außerdem keine Ahnung, dass die beiden erfolglosen Privatdetektive Gray und Kennedy zufällig Wind vom Raub bekommen haben und planen, den Räubern das Geld abzulisten. Zu schlechter Letzt erscheint ein mordgieriger Psychopath auf der Szene. Es kommt, wie es kommen musste: Irgendwann kreuzen sich die Wege der Beteiligten mit ungemein ungesunden Folgen für Leib und Leben …

_Ein Trip nach Edinburgh … oder in die Hölle_

„Post Mortem“ – das ist ein spannender, rasanter, schwarzhumoriger Gangsterkrimi sowie eine perfekte Lektion für Pessimisten: Das Leben kann gar nicht so schlecht sein, dass es nicht noch schlimmer werden könnte. In dieser Hinsicht ist Autor Guthrie ungemein einfallsreich. Ihm fällt immer ein unerwarteter Haken ein, den die Handlung schlagen kann. Wer glaubt, dass die obige Inhaltsangabe zu viel verrät, sei beruhigt: Die richtig absurden Querschläge blieben unerwähnt …

Gangster bleiben unter sich; die ’normale‘ Welt haben sie nie kennengelernt, oft wurden sie bereits in ihr Milieu hineingeboren. Kriminell zu sein, ist kein moralisches Problem, sondern die typische Lebensform. Haftstrafen sind natürlich unbeliebt, werden aber einkalkuliert. Die Furcht vor dem Gesetz trifft sich mit dessen Gleichgültigkeit in einer breiten Grauzone. Längst hat die Polizei kapituliert. Wer es mit seinen Missetaten nicht übertreibt, bleibt in der Regel ungeschoren. Die Abspaltung einer ‚Unterschicht‘, die mit dem Rest der Gesellschaft nur mehr denselben Planeten teilt, ist für Guthrie offensichtlich eine feste Größe. Cooper, Pearce, Greaves und die anderen Figuren im „Post Mortem“-Trauer- und Schauerspiel existieren in ihrer Parallelwelt, in der die Rechte des Stärkeren und die ‚Regeln‘ des organisierten Verbrechens gelten.

_Pech ist eine feste Größe_

Verlierer sind Verlierer, und lehnen sie sich gegen ihr Schicksal auf, geraten sie erst recht in Bedrängnis: Die Welt des Allan Guthrie ist kein erfreulicher Ort. Verbrechen lohnt sich hier nur für den schlauen, rücksichtslosen Cooper, der seine ebenso kriminellen aber weniger gut aufgestellten Zeitgenossen über den Tisch zieht und ausbeutet.

Sie erwarten freilich gar nichts anderes und fügen sich in ein System, das sie entweder ignoriert oder als nutzlosen Menschenballast aussortiert, was Guthrie zu interessanten, aber erschreckenden Figurenzeichnungen inspiriert. Pearce sehnt sich verzweifelt nach Zuneigung. In der Trübsal, die seine Alltagswelt darstellt, hat er sich einen bizarren persönlichen Ehrenkodex erhalten, der die Unterstützung der Schwachen ebenso vorsieht wie blutige Rache für Muttermord. Pearce hat nie gelernt zu differenzieren; auf Herausforderungen reagiert er stets heftig. Die Folgen sind entsprechend spektakulär: |“Hinter den Scheiben im Café im Erdgeschoss saßen kleine Gruppen um Tisch. Sie aßen, tranken, plauderten und lachten. Sorglos, unbekümmert, zufrieden … Am liebsten wäre Pearce vom Bus gesprungen und hätte durch das Glas Backsteine auf die grinsenden Wichser geschmissen, ihr behagliches Leben mit etwas Schrecken versetzt, die hauchdünne Membran zwischen Freude und Schmerz zerfetzt.“| (S. 183)

Greaves ist, obwohl intellektuell ein wenig besser gestellt als Pearce, das bösartige Gegenstück zu diesem. Seine ganze Liebe galt einst der klassischen Musik, denn Greaves stand am Beginn einer großen Karriere als Pianist, bis eine Krankheit ihm buchstäblich die Hände lähmte. Ohne Stütze durch die Familie, ist er immer tiefer gerutscht – wie tief, das enthüllt uns Guthrie in einem brillanten Schlusstwist, der zwar ziemlich abgehoben ist, aber zur angenehmen Abwechslung endlich einmal wirklich überraschen kann.

_Unglück kann unterhaltsam sein_

Das könnte alles sehr trübsinnig stimmen und auch im entsprechenden Mollton geschrieben sein, ist es erfreulicherweise aber nicht. „Post Mortem“ ist reich an einem derart staubtrockenen Humor, dass man sich oft fragt, ob die entsprechende Passage komisch sein sollte: |“Während Roy [ein Gastwirt] auf Antwort wartete, sagte er: ‚Nur so interessehalber, ihr seid nicht zufällig daran interessiert, einen lebenden Hummer zu kaufen? … Kumpel von mir hat’n Dutzend Hummer, die er verticken will … Ich hab gesagt, ich hör mich mal um.'“| (S. 221)

Pearce balanciert auf einem schmalen Grat zwischen Irrwitz und Irrsinn, wenn er sich blind und taub für gesellschaftliche Regeln oder Gesetze seinen Weg bahnt. Als Greaves zum Mörder wird, geschieht dies unter so bizarren Umständen, dass man sich das Lachen kaum verbeißen kann. Eddie Soutar, der scheinbar schamlose Ehebrecher, muss zu seinem Verdruss die schöne Carol als durchtriebenes Psycho-Wrack mit panischer Sexfurcht entdecken. Im ohnehin zunehmend von der Tücke des Objekts bestimmten Spiel mischen auch noch zwei Privatdetektive mit, die in jeder Beziehung keine Zierden ihres im Krimi-Genre meist hoch gelobten Berufsstands sind.

_Klingt das nicht recht vertraut?_

„Post Mortem“ – was soll eigentlich dieser nichtssagend ‚übersetzte‘ Titel, der sich mit dem Inhalt nur über viele Ecken gedacht halbwegs in Einklang bringen lässt? – liest sich ausgesprochen unterhaltsam. Dennoch stellt sich im Laufe der Lektüre eine gewisse Irritation ein: Dieser Roman liest sich über weite Strecken wie eine Variation von Guthries [„Abschied ohne Küsse“ 5086 („Kiss Her Goodbye“), der indes erst ein Jahr später als „Post Mortem“ und nur in Deutschland vor dem Vorgänger erschien.

Es liegt nicht nur daran, dass beide Krimis in der gleichen Welt spielen. Pearce wirkt wie ein etwas ‚zivilisierterer‘ Bruder von Joe Hope („Abschied“); Ailsa Lillie spiegelt sich in Tina, der Nutte mit dem gusseisernen Herzen (bzw. umgekehrt); Wucherer Cooper tritt sowohl in „Post Mortem“ als auch in „Abschied“ auf.

Man könnte argumentieren, dass sich in der privaten, isolierten Edinburgher Unterwelt, die sowohl Pearce als auch Joe Hope ‚beheimatet‘, die Ereignisse quasi wiederholen müssen. Möchte man das trotzdem zweimal lesen? Ja, möchte man, denn im letzten Drittel gewinnt „Post Mortem“ ein eigenes Profil.

Letztlich ist Guthries Erstling der ‚bessere‘ Roman. Obwohl ihre diversen Stränge lange nebeneinander herlaufen, ist die Handlung dichter, und sie fügt sich zu einer perfekten Geschichte. Der Autor ignoriert den auch im modernen Krimi leider üblich gewordenen Hang zum Wortschwall und ist – der Kalauer sei gestattet – im Ausdruck geizig wie ein Schotte, trifft aber immer präzise auf den Punkt. Obwohl sich die Ereignisse bald förmlich überschlagen, kommt Guthrie denn auch nach nicht einmal 300 großzügig bedruckten Seiten zum Ende. Hut ab!

Die deutsche Ausgabe von „Post Mortem“ ist nicht nur stolze einhundert Seiten stärker als das Original, sondern auch fest gebunden. „Abschied ohne Küsse“ erschien noch in der Reihe „Hard Case Crime“ als Taschenbuch. Der Titel war offensichtlich erfolgreich genug um den Versuch zu wagen, Guthrie ‚auszugliedern‘, sein Werk preislich höher anzusetzen sowie es dort im Verlagsprogramm zu platzieren, wo es die ’seriöse‘ Kritik eher zur Kenntnis zu nehmen geruht.

_Autor_

Allan Guthrie wurde 1965 als Allan Buchan auf den schottischen Orkney-Inseln geboren. Die meisten Lebensjahre verbrachte er indes in der Großstadt Edinburgh, wo er noch heute wohnt und arbeitet.

Einen ersten Roman stellte Guthrie bereits 2001 fertig. Er arbeitete zu diesem Zeitpunkt in der Filiale einer britischen Buchhandelskette. Einen Verlag fand er lange nicht, erst 2004 wurde Guthries Debüt unter dem Titel „Two Way Split“ veröffentlicht; dies freilich nicht in England, sondern in den USA. Auch „Kiss Her Goodbye“ erschien 2005 jenseits des Atlantiks in der Reihe der „Hard Case Crimes“. Da diese sich auch in England einiger Beliebtheit erfreute, wurde Guthrie endlich auch im eigenen Land zur Kenntnis genommen; dass „Kiss Her Goodbye“ sowohl für einen „Edgar Allan Poe Award“ als auch für einen „Anthony“ und einen „Gumshoe Award“ nominiert wurde, dürfte mit eine Rolle gespielt haben.

Allan Guthrie ist dem ’schwarzen‘ Krimi treu geblieben. Seine Romane spielen in einem gemeinsamen Kosmos. Die Hauptpersonen des einen Buches können jederzeit als Nebenfiguren in einem anderen Werk auftreten. Inzwischen gilt Guthrie als neue, aber etablierte Stimme des englischen bzw. schottischen Kriminalromans, was er mit einer wachsendem Zahl von Literaturpreisen belegen kann.

_Impressum_

Originaltitel: Two-Way Split (Rockville/Maryland : Point Blank Press 2004/Edinburgh : Polygon, an imprint of Birlinn Limited 2005)
Übersetzung: Gerold Hens
Dt. Erstausgabe (gebunden): September 2008 (Rotbuch Verlag)
285 Seiten
EUR 16,90
ISBN-13: 978-3-86789-043-4
http://www.rotbuch.de

_Mehr von Allan Guthrie auf |Buchwurm.info|:_
[„Abschied ohne Küsse“ 5086
[„Abschied ohne Küsse“ 5272 (Hörbuch)

Die drei ??? – Zwillinge der Finsternis (Band 141)

Der Teufel in Rocky Beach?

Die Geschichte beginnt wie schon andere zuvor: Titus Jonas sitzt mit seinem Neffen bei einer Auktion, um neuen Trödel zu ersteigern. Dieses Mal geht es um den Nachlass des reichen Horace Vanderbilt. Und tatsächlich kann Titus einige Schnäppchen machen, auch wenn er sich von dem 150 Dollar teuren silbernen Klopapierhalter fernhält. Neben Stühlen findet sich in seiner Ausbeute eine Kiste mit Büchern, die bei der Auktion verramscht wurde. Als Justus seinem Onkel nach der Auktion dabei hilft, das Zeug in den Lieferwagen zu bringen, muss er zu seinem Leidwesen erkennen, dass der Wagen einen Platten hat und er sich nun nicht nur mit dem schweren Trödel abplagen muss, sondern auch noch mit einem nervigen Reifenwechsel.

Die drei ??? – Zwillinge der Finsternis (Band 141) weiterlesen

Remes, Ilkka – Erbe des Bösen, Das

_Story_

Seit langen Jahren trägt der einstige finnische Wissenschaftler Ralf ein dunkles Geheimnis mit sich herum, das ihm an seinem Lebensabend noch zum Verhängnis werden soll. Als Physiker unterstützte er seinerzeit das Nazi-Regime bei den Planungen zu einer nuklearen Waffe, bis der Krieg auch für ihn eine bittere Wende nahm. Erst jetzt holt ihn die Vergangenheit wieder ein, als er einem Brief in die deutsche Hauptstadt folgt, wo scheinbar das Versteck eines Uran-Behältnisses aufgeflogen ist, das Ralf damals im Auftrag der Nazis mit seinem Freund Hans Plögger ausgehoben hatte.

Als Ralf während seiner Deutschland-Reise spurlos verschwindet, nimmt sein Sohn Erik die Spur auf und stößt schon bald auf die ersten dunklen Wirrungen in der Biografie seines Vaters. Doch als er vom angereicherten Uran erfährt, das in einem Thüringer Waldstück versteckt sein soll, ist es bereits zu spät: Eine andere Gruppierung hat sich des Urans bemächtigt und sein Vater ist von einer weiteren anonymen Partei offensichtlich ermordet worden. Gemeinsam mit seiner Frau Katja versucht Erik Narva, die Vergangenheit des Vaters zu rekonstruieren und auch die düsteren Kapitel im Leben seiner schwedischen Mutter Ingrid Stromare aufzudecken.

Immer erschreckender werden die Zusammenhänge zwischen ihrer Zeit als Genforscherin, die selbst von Doktoren wie Mengele mit ‚Material‘ beliefert wurde, und seinem eigenen Lebensweg auf diesem Gebiet. Doch noch während Erik in der Tragödie seiner Familie herumstochert, wandert das gestohlene Uran in die Hände einer noch unbekannten Terror-Organisation, die wiederum in eine Verschwörung von größtem weltpolitischem Ausmaß verstrickt ist. Niemand ahnt, wie gefährlich das Vermächtnis von Ralf Narva letzten Endes wirklich ist …

_Persönlicher Eindruck_

Mehr als ein halbes Jahr habe ich mir die Lektüre dieses Romans aufgehoben, größtenteils in dem Wissen, dass die Romane des finnischen Starautos Ilkka Remes Episoden für ganz besondere Momente sind; eben für solche Szenarien wie den anbrechenden Winter, in dem einige seiner bisherigen Publikationen ja auch beheimatet waren. Zudem st es immer etwas besonderes, sich die Kleinode bis zuletzt zu bewahren und erst dann den Genuss zu wagen, wenn die restlichen Lasten über Bord geworfen sind.

Wie auch immer: Mit „Das Erbe des Bösen“ bewegt sich Remes auf völlig neues Terrain und verlässt seinen klassischen Thriller-meets-Krimi-Ansatz für eine sehr gewagte Geschichte, die sich einerseits auf die brisantesten Inhalte der deutschen Geschichte stützt, derweil auch kritische Themen der internationalen Außenpolitik aufgreift, schließlich aber auch mehrere menschliche Tragödien beschreibt, die insgesamt auch im Fokus der Handlung stehen. Zu diesem Anlass nimmt sich der Autor auch genügend Zeit, um seinen Themenkomplex vorsichtig und detailreich aufzubauen und ihm langsam aber sicher eine Struktur zu geben, die allen beteiligten Personen, aber auch dem Gewicht der Hintergrund-Story gerecht wird. Kontinuierlich verschärft Remes die Inhalte, gibt in gezielten Flashbacks mehr über die Vergangenheit von Rolf Narva, seiner Frau und einigen Kumpanen aus alten Tagen preis und wirft sie schließlich in ein zeitgemäßes Raster, das später das Gerüst der Handlung tragen soll.

Unterdessen ist die Geschichte gar nicht mal so komplex und verschachtelt, wie man es auf den ersten Blick vermuten mag. Die Zusammenhänge werden klar ausgearbeitet, die historischen Inhalte nahtlos in die aktuellen Entwicklungen eingeflochten, stellenweise sogar so authentisch, dass die Grenzen zwischen Realität und Fiktion erschreckend heftig miteinander verschmelzen. Selbst bei rezitierten Begegnungen mit moralischen Verbrechern wie Hitler und Mengele bekommt man nicht den Eindruck, Remes würde hier Fakten bemühen, um seinem Roman einige künstliche Effekte zu verpassen. Dazu sind die Inhalte einerseits zu detailgerecht aufgearbeitet, andererseits aber auch zu spannend miteinander verknüpft, als das diesbezüglich auch nur ein Funke der Kritik zünden könnte.

Eine ähnlich starke Vorstellung wie bei der Integration der politischen wie historischen Fakten liefert der Schriftsteller dann auch bei der Erstellung der Charakterprofile. Da gibt es den sühnenden Rolf Narva, seinen ambitionierten Sohn Erik, der in seiner behüteten Heimat nicht mal im Ansatz erahnen konnte, welche Gräuel seine Eltern aktiv mitgestaltet haben, dann natürlich die eisige Mutter Ingrid Stromare, welche die Vorwürfe zur Beteiligung an der Rassenhygiene unbeeindruckt fallen lässt, und natürlich die vielen Nebenpersonen, denen hier ebenfalls ein spürbares hohes Gewicht zugesprochen wird, da sie gerade in den temporeicheren Passagen des Buches zu echten Stützpfeilern des Thriller-Anteils von „Das Erbe des Bösen“ werden.

Das letztendlich herausragende Element dieses Buches ist aber natürlich die unbeschreiblich mitreißende Verschmelzung dieser völlig verschiedenen Inhalte, die einerseits Unglauben ob der kühlen Recherche und der eisigen Atmosphäre auslösen, andererseits aber auch in positivem Sinne schockieren, da sie unbewusst aufrütteln, dabei aber nicht in Moralpredigten kulminieren. Auch „Das Erbe des Bösen“ ist in seiner Gesamtkonzeption ein reiner Thriller, der sich jedoch mitsamt der unzähligen Einflüsse und der gewagten, aber eben auch tadellos ausgearbeiteten historischen und politischen Inhalte zu einer Ausnahmeerscheinung im Katalog des berüchtigten Finnen entwickelt. Und nicht nur das: In keinem anderen Roman aus der Feder von Ilkka Remes lagen Entsetzen, Spannung, Schaudern und dunkel verborgenen Emotionen so nah beieinander wie in dieser Publikation. Gerade das macht „Das Erbe des Bösen“ daher auch zum Meisterwerk seiner Sparte und zur vielleicht stärksten Veröffentlichung in diesem Genre 2008!

|Originaltitel: Pahan Perimä
Aus dem Finnischen von Stefan Moster
522 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-423-24666-8|
http://www.ilkka-remes.de
http://www.dtv.de
http://www.ilkkaremes.com

_Ilkka Remes auf |Buchwurm.info|:_

[„Ewige Nacht“ 2039
[„Das Hiroshima-Tor“ 2619
[„Blutglocke“ 3911
[„Höllensturz“ 3951

Paasilinna, Arto – liebe Gott macht blau, Der

|“Gott ist ein gutaussehender Mann. Er ist 178 Zentimeter groß, ein wenig stämmig, aber wohlproportioniert und von aufrechter Haltung. Seine Gesichtszüge sind ebenmäßig, mit gerader Nase und hoher Stirn, der Blick ist von sanfter Bestimmtheit, wenn auch recht müde.“|

Gott braucht Urlaub, die Menschheit macht ihm zu sehr zu schaffen. Die Schöpfung der Erde hat ihm anfangs viel Freude bereitet, doch inzwischen ist er seiner Aufgabe überdrüssig geworden. Gott braucht eine Auszeit, doch seine beiden rechten Hände – der Erzengel Gabriel und der heilige Petrus – wollen seine Vertretung nicht übernehmen. Es muss also ein Mensch gefunden werden, der für ein Jahr Gottes Aufgaben übernehmen kann. So machen sich alle Engel im Himmel – der sich im Übrigen in einer alten bulgarischen Schlossruine befindet – daran, die Gebete nach einem würdigen Vertreter zu durchforsten.

Nach viel Arbeit wird die Liste der möglichen Kandidaten immer kleiner – der Papst ist allerdings nicht einmal in die Endrunde gelangt, da er nur aus Gewohnheit betet, aber gar nicht an Gott glaubt. Der finnische Kranfahrer Pirjeri Ryynänen dagegen betet ausgerechnet in der entscheidenden Woche besonders inbrünstig – und zwar nicht um sein eigenes Wohl, sondern um das seiner Lebensgefährtin. Sein Gebet kommt von Herzen und so gelangt er schließlich in die Endrunde, wo er von Gott höchstpersönlich, wenn auch durch einen kleinen Zufall (oder gibt es den gar nicht?), ausgewählt wird.

Als der heilige Petrus schließlich in Pirjeris Krankabine vorbeischaut, glaubt der Finne ihm natürlich kein Wort. Er verlangt ein Wunder von Petrus, um sich zu vergewissern, dass er nicht von einem durchgeknallten Alten verschaukelt wird. Und so fordert Pirjeri, dass sein unglücklicher Freund Torsti Rahikainen zu Geld gelangt, damit dieser endlich seine Wünsche und Träume verwirklichen zu können. So beratschlagen Petrus und Gabriel gemeinsam, wie sie auf nicht allzu verwerfliche Weise an viel Geld gelangen, und luchsen es kurzerhand einem unsympathischen Bankdirektor ab.

Als Pirjeri sich davon überzeugt hat, dass sein Freund Torsti tatsächlich reich geworden ist, tritt er pflichtbewusst seinen neuen Job an und begibt sich nach Bulgarien in den Himmel. Dort lernt er Gott kennen, der ihm göttliche Fähigkeiten verleiht, mit denen Pirjeri beispielsweise das Wetter kontrollieren kann. Nachdem Pirjeri seine göttlichen Fähigkeiten unter Beweis gestellt hat, widmet Gott sich seiner verdienten Auszeit und lässt Pirjeri schalten und walten. Der hat auch sogleich nicht nur mit dem Wetter zu kämpfen, sondern mit Satan höchstpersönlich. Außerdem findet er die bulgarische Schlossruine als Himmel absolut unpassend, und so will er sich neben dem Weltfrieden auch um die Umsiedlung des Himmels kümmern …

_Urlaubsvertretung_

Wieder einmal hat Arto Paasilinna sich eine vollkommen abstruse Geschichte ausgedacht: Er zeichnet einen Gott, der nicht nur menschlich aussieht, sondern sich auch mit völlig menschlichen Problemen herumschlägt: Er braucht Urlaub, denn er ist müde von seinen eigenen Geschöpfen. Und nun muss ein menschlicher, aber doch würdiger Vertreter für Gott gefunden werden. Das kann natürlich niemand anderer sein als ein liebenswerter Finne.

Der Arbeitsalltag im Himmel raubt Pirjeri so manch eine Illusion, insbesondere die alte Schlossruine kann er nicht hinnehmen als Sitz des Himmels, und so beginnt er mit der Suche nach einer geeigneten Alternative, die am besten in seiner Heimat Finnland liegen sollte. Und genau hier findet er eine riesige verlassene Kirche, die ihm würdig genug erscheint. Nur Petrus und Gabriel reagieren nicht ganz so begeistert auf die vielen Veränderungen und bereuen es bereits, Pirjeri nicht rechtzeitig aussortiert zu haben. Zähneknirschend fügen sie sich in ihr Schicksal und helfen Pirjeri bei seinem Vorhaben. Und so nimmt der Umzug schließlich einen Großteil des göttlichen Arbeitsalltags ein. Ganz nebenbei wendet Pirjeri schlimme Naturkatastrophen ab, er kämpft gegen Satan, besucht zwischendurch seine Lebensgefährtin und sorgt sich um die Krisenregionen auf der Welt.

Ein zweiter Erzählstrang widmet sich Torsti Rahikainen, der zunächst eine Weltreise unternimmt, sich aber zwischendurch immer wieder in Schwierigkeiten bringt. So begleitet ihn stets sein Schutzengel Konko-Hito, der schließlich so oft eingreifen muss, dass Gott ihn gezwungenermaßen zu einem Schutzheiligen befördert.

Inhaltlich gibt die Geschichte leider nicht viel her; der Umzug des Himmels trägt nicht für das ganze Buch und auch die Nebenhandlung mit Torsti störte mich zunehmend, weil Torsti sich einfach zu tollpatschig und unbeholfen benimmt. So gut mir Arto Paasilinnas Idee mit einem Urlaub machenden Gott gefallen hat, so unzufrieden war ich dieses Mal mit der Umsetzung der Story. Mir schien es, als hätte Paasilinna sich zu sehr auf seinem Grundgedanken ausgeruht, doch damit alleine ist es eben nicht getan. Pirjeris „Regierungszeit“ empfand ich als lange literarische Durststrecke, da abgesehen von einigen Wettergeschehnissen, einem nervenden Satan, dem Umzug des Himmels und dem nervigen Torsti wenig passiert. Und immer wieder kommt Paasilinna auf diese Dinge zurück, sodass sich die gesamte Geschichte im Kreis dreht, ohne aber recht voranzukommen.

Nur selten blitzt Arto Paasilinnas einzigartiger Humor auf, nur selten zeigt er seinen gewohnten Ideenreichtum, und auch auf seinen Wortwitz kann er sich dieses Mal nur selten verlassen. Manch einer mag sich zudem daran stören, dass Paasilinna es wagt, einen „menschelnden Gott“ zu zeichnen, der seiner Aufgabe überdrüssig ist und die Herrschaft über die Welt lieber einem Kranfahrer überlässt.

Insgesamt war ich ein wenig enttäuscht von dem vorliegenden Buch, da ich weiß, dass Arto Paasilinna es deutlich besser kann. Verglichen mit seinen anderen Werken fällt „Der liebe Gott macht blau“ etwas ab, auch wenn ich die Grundidee zu diesem Buch wirklich großartig fand.

|Originaltitel: Auta armias
Aus dem Finnischen von Regine Prische
283 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-7857-1621-2|
http://www.edition-luebbe.de

_Arto Paasilinna auf |Buchwurm.info|:_

[„Vorstandssitzung im Paradies“ 637
[„Im Jenseits ist die Hölle los“ 640
[„Nördlich des Weltuntergangs“ 1573
[„Der wunderbare Massenselbstmord“ 3554 (Hörbuch)
[„Adams Pech, die Welt zu retten“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=4586
[„Adams Pech, die Welt zu retten“ 4659 (Hörbuch)

Mielke, Thomas R. P. – Varus-Legende, Die

Varus war ein erfahrener Stratege, ein früherer Konsul, Senator und Statthalter Roms. Auch wenn seine Familie in den Wirren des Bürgerkrieges nicht auf der Seite der Julians stand und somit geächtet wurde, konnte er sich durch Geschick und Taten positiv in der Politik des römischen Imperiums positionieren.

In der historischen Geschichtsschreibung dagegen ist seine Person umstritten. Einige Historiker hielten Varus für schwerfällig an Körper und Geist und gaben allein ihm die Schuld an der verheerenden Niederlage in der Schlacht im Teutoburger Wald, bei der 20000 Legionäre und unzählige Zivilisten ihr Leben lassen mussten. Kann ein Feldherr und Politiker wie Varus derartig unfähig gewesen sein, wenn er doch schon in der judäischen Provinz für Recht und Ordnung sorgte, und das mit starker Hand? War wirklich seine persönliche Fehleinschätzung schuld an diesem Drama, das als Varusschlacht in die Geschichte einging? Kaiser Augustus hatte tiefes Vertrauen in seinen früheren Konsul und jetzigen Statthalter. Schließlich war Varus auch Teil der Familie Augustus‘ und seine Referenzen und seine Loyalität standen zur keine Zeit in Frage.

Als Statthalter von Judäa soll Varus, wie es sich für eine solche Position ziemt, erhebliche Steuern eingenommen und einen nicht unerheblichen Teil in seine eigenen Truhen abgezweigt haben. Persönliche Bereicherung oder Amtsmissbrauch waren in Rom und in seinen entferntesten Provinzen durchaus an der Tagesordnung, denn wer konnte das riesige Konstrukt schon ausreichend kontrollieren? Gab es einen solchen Schatz? War Varus korrupt oder war das Gold vielleicht ein Pfand, eine Bestechungsmöglichkeit, um in dem stets unruhigen Land die von Rom eingesetzten Könige zu zwingen, nach Roms Willen zu agieren? Und wenn es den Schatz wirklich gab, wo war er und worin genau bestand er? Wurde Varus zusammen mit seinen Legionen im Teutoburger Wald wegen eines mysteriösen Schatzes niedergemetzelt? Was ist übrig geblieben von diesem Schatz und wo ist er jetzt?

Der deutsche Autor Thomas R. P. Mielke erzählt das Drama um die Schlacht zwischen germanischen Stämmen und drei Legionen des römischen Reiches nicht neu, gibt aber dem Hintergrund ein völlig neues Gesicht.

_Inhalt_

Varus‘ Tätigkeit als Statthalter in Judäa bewies sein starkes Durchsetzungsvermögen in Krisenregionen sowie sein diplomatisches Geschick im Umgang mit regionalen Fürsten und Herrschern, die letztlich nur als Marionetten für das römische Reich fungierten.

In Germanien bzw. zur Grenze Galliens hin gibt es immer noch Unruhen, das Gebiet gilt als nicht befriedet, sondern eher als wild und ungestüm. Kaiser Augustus überträgt Varus die Aufgabe, für Recht und Ordnung zum Wohle des Imperiums zu sorgen. Zusammen mit drei erfahrenen Legionen, die jeweils eine Stärke von 6000 Soldaten umfassen, vertritt er dort des Kaisers Interessen.

Varus ist zwar loyal zu Land und Kaiser, betreibt als erfahrener Politiker aber auch seine ganze eigene, persönliche Politik. Er führt einen Schatz mit sich, den er aus Judäa mitgebracht hat und als Pfand einsetzt, um den dortigen Herrscher Herodes zwingen zu können, Rom anzuerkennen. Doch Varus ist davon zu abgelenkt, um zu erkennen, dass Arminius, ein Fürst der Cherusker, der als Tribun dem römischen Heer dient, eine Verschwörung gegen die Besatzungsmacht in Germanien plant.

Genau 2000 Jahre später finden im Varusjahr anlässlich des Jubiläums die ersten Vorbereitungen für die Feier statt. Im Museum in Kalkriese wird ein Forscher, dessen Gebiet die Varusschlacht ist, von einem antiken Legionärsspeer ermordet. Thomas Vresting, Journalist einer Tageszeitung, verfolgt nach einem Tipp den Mord und findet Indizien einer Verschwörung und Hinweise auf einen Schatz, der es wert ist, dafür über Leichen zu gehen.

_Kritik_

„Die Varus-Legende“ von Thomas R. P. Mielke ist zwar im Genre des historischen Romans anzusiedeln, zugleich ist er aber auch ein Thriller. In zwei Zeitebenen gegliedert, erzählt der Roman die persönliche Situation des Varus in Judäa und später in Germanien. Hier hat sich der Autor recht gut an den Quellen orientiert und die Ereignisse in Varus‘ Umfeld sehr genau wiedergegeben. Aber so richtig kommt dabei keine Spannung auf, weder im historischen Teil noch in der Jetztzeit.

Thomas Vresting, ein Journalist wider Willen, ermittelt in einer nebulösen Schnitzeljagd und lässt der Story keine Zeit, sich so richtig an einem roten Faden entlangzuhangeln. Hier eine Spur, dort eine andere, verschiedene Interessen werden offenbart, und irgendwie wird alles mögliche recherchiert, aber letzten Ende doch wieder nichts. Erzählerisch eher trocken gestaltet, läuft die Suche nach dem Schatz weiter, und der Leser fragt sich wiederholt: Welcher Schatz überhaupt?

Und genau an dieser Stelle wechselt die Geschichte ins Reich der Fantasie. Recherchiert man ein wenig, so findet man keine Hinweise, noch nicht mal ein Indiz dafür, dass Varus so unvernünftig gewesen sein soll, einen Schatz quer durch unbefriedetes, feindseliges und teilweise unbekanntes Gebiet zu führen. Der Autor vermengt mir zu viel an Fakten mit noch mehr Fiktion. Für einen historischen Roman (so die Einordnung des Verlages) ist die Auslegung und Neuerzählung eine Spur zu eigen und auf Mystery-Thriller getrimmt.

_Fazit_

„Die Varus-Legende“ ist mehr fiktionaler als historischer Roman, der nicht zu überzeugen weiß, wenn man wirklich etwas von der verhängnisvollen Schlacht und den Hintergründen erfahren möchte. In keinem Kapitel ist die Story wirklich spannend zu nennen. Die Geschichte mäandert vor sich hin, es gibt keine erkennbaren Höhepunkte, weder in der Charakterisierung der Protagonisten, noch im Verlauf der Geschichte.

Dass sich der Autor im Kernthema in die Idee eines imaginären und mysteriösen Schatzes verrennt, finde ich unglücklich und bedauerlich. Sicherlich gibt es schon so manchen Roman rund um die beiden Kontrahenten der berühmten Schlacht, und natürlich kann man in der Auslegung und aus dramaturgischen Gründen ein wenig hinzufügen oder anders interpretieren. Aber die Story weist in diesem Falle so viele unpassende und unstimmige Passagen auf, dass jeder halbwegs geschichtsinteressierte Leser das Buch enttäuscht zur Seite legen wird.

|474 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-502-11043-9|
http://www.fischerverlage.de/page/scherz

Kilmister, Lemmy (Fraser, Ian) / Garza, Janiss / Semmelrogge, Martin – Motörhead\’s Lemmy – White Line Fever. Die Autobiographie als Lesung

Wenn man über Legenden spricht und sich dabei auf die hart rockende Szene beruft, ist die Zahl derjenigen, die hier wirklich diesen Status verdienen, weil sie ein Leben lang die raue Attitüde der Szene versprüht und gelebt haben, an ganz wenigen Händen abzuzählen. Keith Moon, Steven Tyler, Frank Zappa, Ritchie Blackmore, Bon Scott – die eigenwilligen, rebellischen Charaktere, die ihre Revolutionen innerhalb und außerhalb des Business lebten, sind mit der Zeit immer seltener geworden und heute nahezu ausgestorben bzw. kaum noch so authentisch wie die großen Namen der Sechziger und Siebziger.

Einer der wenigen noch verbliebenen Helden des genres hört auf den Namen Ian Fraser Kilmister, ist den meisten wohl besser unter seinem Rufnamen Lemmy bekannt, und verkörpert auch jenseits des 60. Lebensjahrs immer noch das, wofür dreckiger, ungehobelter Rock ’n‘ Roll steht. Mit seiner Autobiografie „White Line Fever“ hat Kilmister vor einiger Zeit auch abseits des musikalischen Treibens Akzente setzen könnte. Unverblümt berichtete er hier über seine frühen Eskapaden mit Alkohol und Drogen, seine magischen Begegnungen mit Personen wie Jimi Hendrix, aber auch über seine eigene Persönlichkeit und wie sie mit der Musik reifte. Bereits die erste Auflage heimste beste Kritiken ein und verhalf Lemmy ein weiteres Mal zu überschwänglichem Lob. Nun ist die Geschichte auf einem zweiteiligen Hörbuch auch vertont worden – leider aber auch sehr stark gekürzt.

Via |Nuclear Blast| – dort erschienen kürzlich auch die Biografien von |AC/DC|, |Metallica| und |Mötley Crüe| – wurde das Projekt nun als Doppel-CD veröffentlicht und dies mit Martin Semmelrogge in der Rolle des Vorlesers. Und genau hier stellt sich auch schon die prägnante Schwäche dieses Projekts dar: Semmelrogge bemüht sich innerhalb der immerhin knapp 160-minütigen Lesung durchgehend, selber den harten Kerl raushängen zu lassen, und unterlegt sein Vorhaben mit einer heroisch auf die Brust trommelnden Stimme, die aber über weite Strecken deutlich aufgesetzt klingt.

Inhaltlich wiederum ist die Kurzfassung der Biografie wirklich sehr gut gelungen. Die wichtigsten Punkte, welche die Persönlichkeit Lemmy betreffen, wurden ins Geschehen eingeflochten und überdecken weitestgehend die musikalische Karriere unseres Schützlings, von der die meisten Fans sowieso die groben Eckpunkte kennen. Gerade das Kapitel über Kilmisters Kindheit ist ziemlich aufschlussreich und detailliert aufgegriffen worden und punktet mit wirklich guter Unterhaltung, die lediglich von der pathetischen Intonierung Semmelrogges beeinträchtigt wird. Aber da die Themenauswahl gut ist und auch die Präsentation stimmt – zwischen den Kapiteln wird das Ganze mit |Motörhead|-Songs aufgefrischt – kann man am Ende doch noch darüber hinwegsehen, was aber einzig und allein daran liegt, dass die Geschichte des Bassisten und Sängers der schnellsten und lautesten Rock-’n‘-Roll-Kapelle der Welt so viel zu bieten hat, dass man auch die größeren Diskrepanzen mit der Vortragsweise in Kauf nimmt.

Summa summarum lohnt sich „White Line Fever“ aber dennoch nur für diejenigen, die noch nicht mit der Buchform der Lemmy-Autobiografie vertraut sind. Inhaltlich ist die Auswahl interessant, aber auch stark gekürzt, und da der Vortrag auch nichts Wesentliches herausreißt (hier sieht man dann auch Parallelen zu [„Justice For All: Die Wahrheit über Metallica“), 4018 ist das Ganze als Ergänzung weniger lohnenswert. Wer jedoch den Schmöker scheut und sich trotzdem ein wenig von Kilmisters persönlicher Geschichte unterhalten lassen möchte, der ist mit dem Hörbuch als Alternative ganz gut bedient.

http://www.nuclearblast.de
http://www.heyne-hardcore.de

Unsere Rezension zur deutschen Erstausgabe 2004 bei |Iron Pages|:
[„White Line Fever“ 954

Joseph Sheridan Le Fanu – Maler Schalken und andere Geistergeschichten

le-fanu-maler-schalken-cover-1983-kleinSechs Storys führen zurück in die „Frühzeit“ der modernen Geistergeschichte. Sie mögen stilistisch altmodisch wirken, sind aber inhaltlich erstaunlich zeitlos, d. h. spannend und schauerlich geblieben. Das Grauen trifft Schuldige wie Unschuldige und ist erschreckend unberechenbar, was der Verfasser mit manchmal dokumentarisch anmutender Präzision darzustellen weiß. Joseph Sheridan Le Fanu – Maler Schalken und andere Geistergeschichten weiterlesen

Blazon, Nina – Faunblut

Nina Blazon ist eine erfreulich produktive Schriftstellerin. Alleine im Jahr 2008 sind vier neue Bücher von ihr erschienen. Die letzte Veröffentlichung des Jahres ist dabei „Faunblut“, ein Fantasyroman, der Blazon einmal von einer etwas anderen Seite zeigt.

Protagonistin ist die neunzehnjährige Jade, die in einer gefährlichen Welt lebt. Ihre Heimatstadt wird nicht nur durch Feindschaften am Königshof und die Tyrannei von Lady Mar, der Herrscherin, zerrissen, sondern zusätzlich gibt es Wesen, die sich Echos nennen. Sie sind den Menschen ähnlich, können aber nicht sprechen und werden verdächtigt, immer wieder Mitglieder von Lady Mars Gestade umzubringen. Als sich Jade eines Tages auf der Flucht vor den Jägern der Lady befindet, die mit Streunern wie ihr nicht zimperlich umspringen, begegnet sie einem Echo. Doch sie hat nicht das Gefühl, dass das Wesen gefährlich wäre – und rettet es vor den Jägern.

Dieses Erlebnis lässt sie so schnell nicht mehr los. Plötzlich ist sie sich nicht mehr so sicher, ob die Echos wirklich so böse sind, wie man immer sagt. Was, wenn sie eigentlich friedlich sind? Doch aktuelle Geschehnisse lenken sie schnell von ihren Gedanken ab. Zwei Fremde aus dem fernen und geheimnisvollen Nordland reisen in die Stadt und nisten sich im Hotel von Jades Vater ein. Mit sich führen sie eine seltsame Fracht: Tiere, die niemand sehen darf, in Kisten. Eine der Kisten ist riesig, und Jade merkt, dass in ihr etwas Besonderes sein muss, etwas, das sehr gefährlich ist.

Die Nordländer sind auf Geheiß der Lady in der Stadt, auch wenn niemand den genauen Grund für ihren Aufenthalt oder die merkwürdigen Wesen, die sie versteckt halten, kennt. Tam, der ältere der beiden, scheint der Anführer zu sein, während es die Aufgabe von Faun ist, über die riesige Kiste zu wachen. Faun ist jung und gutaussehend, aber Jade findet zuerst keinen Gefallen an ihm. Er ist arrogant, besserwisserisch und lässt keine Gelegenheit aus, um Jade verächtlich zu behandeln.

Eines Abends muss sie jedoch feststellen, dass dieses Verhalten nur eine Tarnung ist. Eigentlich ist Faun in Jade verliebt, doch er möchte es geheimhalten, weil er befürchtet, sie könnten sonst Ärger bekommen. Faun dient der Lady und Jade fühlt sich immer mehr zu den Rebellen in der Stadt hingezogen, die planen, die tyrannische Herrscherin zu stürzen. Ohne es laut auszusprechen, wissen die beiden, dass ihre Beziehung keine Zukunft hat, doch sie halten daran fest, bis es schließlich zu dem Moment kommt, vor dem Jade sich die ganze Zeit gefürchtet hat: Sie muss sich entscheiden, auf wessen Seite sie steht …

Nina Blazon folgt mit ihrem neuen Roman nicht den Spuren ihrer anderen Bücher. Ihre guten Qualitäten bleiben erhalten, aber sie fügt ihnen ein paar zusätzliche hinzu. Bereits nach den ersten Seiten fällt auf, dass „Faunblut“ wesentlich erwachsener ist als Blazons vorherige Werke und deutlich düsterer. Ihre alte Leichtigkeit bleibt im Großen und Ganzen erhalten, aber die Thematik des Buches ist wesentlich dramatischer und wird von zerrissenen Figuren getragen. Die Atmosphäre in der unterdrückten Stadt wird sehr eindrücklich geschildert, und es fällt nicht schwer, Sympathien für die Rebellen zu empfinden, auch wenn diese vielleicht manchmal etwas überenthusiastisch wirken.

Diese besondere Stimmung wird natürlich zum großen Teil über den sehr bildhaften, lebendigen Schreibstil getragen, aber Blazon ergänzt diesen mit einer fantasievollen Welt. Sie lässt Jade zwischen Ruinen und mysteriösen Gewässern leben und ergänzt dieses Ambiente mit Wesen wie den Echos, die, wie man das von der Autorin gewohnt ist, selbst erfunden sind und keinen Bezug zu anderen Lebewesen der Fantasyliteratur haben. Diese ätherischen, nicht greifbaren Geschöpfe geben der Geschichte einen ganz eigenen Anstrich, besonders aufgrund der Entwicklungen gegen Ende.

Nicht nur an dieser Stelle weiß die Handlung zu überraschen. Im Mittelpunkt steht neben den sich zuspitzenden Ereignissen in der Stadt vor allem Jades Seelenleben. Beides beinhaltet genug Zündstoff, um bis ans Ende für Spannung zu sorgen. Die Romanze zwischen Jade und Faun nimmt dabei viel Raum ein, überspannt den Bogen aber nicht. Auch die Frage, wie es ist, den Feind zu lieben, wird angenehm klischeefrei und geradezu natürlich behandelt.

Ähnlich verhält es sich mit den schön gestalteten Figuren, deren innerliche Zerrissenheit immer wieder thematisiert wird. Auch sie wirken sehr natürlich, und auch wenn sie in einer ganz anderen Welt leben, kann man sich mit ihren Gedanken und Gefühlen identifizieren. Das ist besonders bei Jade der Fall, die sicherlich einige junge Mädchen ansprechen wird. Doch auch die Beweggründe der anderen Personen werden gut dargestellt und die Charaktere entwickeln sich während der knapp 480 Seiten starken Geschichte weiter. Der eine oder andere offenbart dabei unerwartete Wesenszüge und/oder Details aus seiner Vergangenheit, die zusätzlich zur Spannung beitragen.

In der Summe ist „Faunblut“ ein bemerkenswert gelungenes Jugendbuch mit einer wunderbaren Hauptperson und einer schön ausgearbeiteten, eigenständigen Welt. Nina Blazon beweist erneut ein gutes Händchen für spannende, konsistente Handlungen und mitreißende, lebendige Erzählungen – und sie zeigt, dass sie ohne Probleme auch Werke für ältere Leser schreiben kann.

|ISBN-13: 978-3-570-16009-1
479 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag|
http://www.ninablazon.de
http://www.cbt-jugendbuch.de

_Nina Blazon bei |Buchwurm.info|:_

[„Im Bann des Fluchträgers“ (Woran-Saga 1) 2350
[„Im Labyrinth der alten Könige“ (Woran-Saga 2) 2365
[„Im Reich des Glasvolks“ (Woran-Saga 3) 2369
[„Die Reise nach Yndalamor“ (Die Taverne am Rande der Welten 1) 3463
[„Im Land der Tajumeeren“ (Die Taverne am Rande der Welten 2 3980
[„Das Königreich der Kitsune“ (Die Taverne am Rande der Welten 3) 4725
[„Die Sturmrufer“ (Die Meerland-Chroniken 1) 4180
[„Der Bund der Wölfe“ 2380
[„Die Rückkehr der Zehnten“ 2381
[„Der Spiegel der Königin“ 3203
[„Der Maskenmörder von London“ 3983
[„Die Königsmalerin“ 5207

Colin Dexter – Das Rätsel der dritten Meile

Das Verschwinden eines würdigen Oxford-Professors und der Versuch einer uralten Rache lösen eine Kettenreaktion bizarrer Morde aus, deren Auflösung der Genialität eines geisteswissenschaftlich gebildeten aber sehr exzentrischen Polizeibeamten bedarf … – Spannend, witzig (oder besser: sarkastisch) und überaus anspruchsvoll: Der sechste Fall für Chief Inspector Morse gehört zu seinen besten. Mit lässiger Meisterschaft verwirrt der Verfasser seine Leser, denen bis zum grotesken aber absolut logischen Finale auf angenehmste Weise Hören & Sehen vergeht: ein „Whodunit“-Krimi der Oberklasse!
Colin Dexter – Das Rätsel der dritten Meile weiterlesen

Abé, Shana – Erdmagie (Der träumende Diamant 2)

|Der träumende Diamant:|

Band 1: [Feuermagie 4845
Band 2: Erdmagie
Band 3: Drachenmagie (deutsch im März 2009)

Lia ist eine Drákon – halb Mensch, halb Drache. Allerdings besitzt sie keine der Gaben ihres Volkes: Sie kann sich weder in Rauch noch in einen Drachen verwandeln. Stattdessen sind ihre Träume erfüllt von Zukunftsvisionen, und schon seit ihrer Kindheit hört sie die Rufe von Draumr, einem verschollenen Diamanten, von dem eine Legende erzählt und dessen Macht so groß ist, dass man mit ihm das ganze Volk der Drákon unterwerfen könnte.

Das ist es, was Lia in ihren Träumen sieht. Sie sieht Zane, der buchstäblich der Mann ihrer Träume ist, wie er mit der Magie Draumrs das Volk der Drákon unterwirft. Um diese Gefahr abzuwenden und in der Hoffnung, die Zukunft noch verändern zu können, schließt sich Lia Zane an, der den Auftrag erhalten hat, nach Draumr zu suchen. Sie muss nicht nur verhindern, dass Zane Draumr zuerst findet, sondern auch, dass er um die wahre Macht des Diamanten erfährt. Denn sobald er um seine Macht weiß, würden Lias Zukunftsvisionen wahr werden und Zane den Diamanten dazu benutzen, die Drákon zu unterwerfen – und damit Lia auf ewig an sich zu binden.

_Eindrücke:_

„Erdmagie“ ist wie schon sein Vorgänger eine Fantasygeschichte mit einer Prise Erotik und spielt im 18. Jahrhundert. Während der Leser im ersten Band die Geschichte von dem stürmischen Drákon-Mädchen Rue und dem Alpha Christoff erzählt bekam, geht es nun mit Lia, der Tochter der beiden, und mit Zane, einem ehemaligen menschlichen Schützling von Rue, weiter. Seitdem Rue und Christoff ein Paar wurden, sind einige Jahre vergangen und in Darkfrith ist Ruhe eingekehrt. Dennoch gibt es noch eine alte Legende um einen Diamanten namens „Draumr“, den mächtigsten aller Diamanten, den die Drákon vor langer Zeit verloren und seitdem nicht wiedergefunden haben. Schließlich führen nicht nur Draumrs lockende Rufe, sondern auch die wachsende Gefahr, welche den Drákon droht, sollte der Diamant von jemand anders gefunden werden, dazu, dass sich Christoff und Rue dazu entscheiden, Zane auszusenden, um den Diamanten zu finden. Allerdings darf er den Grund dafür, warum Rue und Christoff nicht selbst gehen, nicht erfahren. Und das ist auch Lia mehr als bewusst, als sie sich Zane anschließt.

Im Allgemeinen ähneln sich die beiden Bücher sehr, in bestimmten Details liegen die Ähnlichkeiten allerdings auch wieder weit auseinander. Der Charakter von Zane ist dem von Christoff teilweise nämlich zum Verwechseln ähnlich. Schon Christoff war in „Feuermagie“ ein sehr dominanter männlicher Charakter, der Rue nicht unbedingt charmant, sondern eher besitzergreifend gegenübergetreten ist. Genauso ist auch Zane veranlagt. Statt Lia seine Liebe zu zeigen, ‚versteift‘ er sich vorerst auf seine körperlichen Bedürfnisse und geht mit Lia eher grob als liebevoll um. Erst gegen Ende des Buches ändert sich dieser Umstand wieder.

Lia hingegen ähnelt ihrer Mutter in keiner Weise. Während Rue stürmisch, selbstbewusst und dazu in der Lage ist, die Wandlung zu vollziehen, ist Lia eher still, eine Träumerin und besitzt kaum eine der Gaben ihres Volkes. Ihr gelingt es nicht einmal, die Wandlung in Rauch zu vollziehen. Stattdessen hört sie ständig Melodien, die außer ihr niemand wahrnimmt, und zudem hat sie Träume, die ihr die Zukunft voraussagen. Schon seit sie klein war, träumt sie dabei von Zane, wie er den träumenden Diamanten findet und das Volk der Drákon mit der Macht des Edelsteins unterwirft.

Beide Protagonisten wirken auf den Leser recht sympathisch, selbst Zane mit seiner rauen, teilweisen höhnischen Art, mit Lia umzugehen. Zwar konnte ich einige Reaktionen Lias nicht wirklich nachvollziehen, was aber nicht daran lag, dass sie unrealistisch sind, sondern weil ich eine andere Reaktion erwartet hätte. So wirken die Protagonisten eigentlich selten künstlich oder aufgesetzt, sondern laden den Lesen zum Mitfiebern ein.

Was mir an den Büchern von Shana Abé auch besonders gut gefällt, sind die Erotikszenen. Diese werden von ihr immer schön ausführlich und romantisch erzählt, kommen dafür aber nur selten vor, sodass sie nie zu sehr in den Vordergrund rücken, wie dies bei vielen anderen Fantasy-Romance-Büchern der Fall ist. Sie beschränkt die Situationen, in denen sie den Sex von Lia und Zane beschreibt, auf gerade einmal zwei Stellen, was dem Buch vordergründig nicht eine rein erotische Atmosphäre verleiht, sondern eher die einer romantischen Liebesgeschichte.

Am Anfang von „Erdmagie“ wird, wie auch in „Feuermagie“, noch mal in kurzen Worten einiges über die Drákon gesagt. Im Gegensatz zu „Feuermagie“ werden hier jedoch die geschichtlichen Verläufe der Drákon und die Legende von Draumr und der Prinzessin von einer bis zum Ende des Buches unbekannten Person aus der Ich-Form erzählt, und dies nicht nur am Anfang, sondern immer wieder verstreut über die ganze Geschichte. Das hat die Autorin allerdings nicht willkürlich so gemacht, sondern verfolgt damit einen konkreten Zweck: nämlich den Leser auf bestimmte Informationen, insbesondere der Legende, aufmerksam zu machen. Diese ähnelt der Geschichte von Lia und Zane nämlich, wie man später bemerkt, sehr stark.

Was mich an „Erdmagie“ gestört hat, sind einige Unstimmigkeiten in der Handlung. Zane hält sich bei Lia stark zurück, da eine Beziehung mit ihr aus gewissen Gründen unmöglich ist. Jedenfalls scheint dies während fast der ganzen Geschichte ein ernsthaftes Hindernis zu sein. Später allerdings, wenn Lia und Zane zueinander finden, scheint das Problem wie weggeblasen zu sein und bereitet keinem der beiden mehr Kopfzerbrechen. Erwähntes Hindernis spielt von einer Sekunde auf die Nächste einfach keine Rolle mehr, und das, obwohl dem Leser keine wirkliche Lösung des Problems angeboten wurde. Ein weiterer Aspekt, der dazu geführt hat, dass mir „Erdmagie“ nicht ganz so gut gefallen hat wie „Feuermagie“, sind einige Längen. In der Geschichte sind Zane und Lia die meiste Zeit unterwegs, um den Diamanten zu suchen, was irgendwann einfach etwas langweilig wird.

_Fazit:_

Alles in allem ist „Erdmagie“ ein schöner Zeitvertreib für zwischendurch, wenn mir der erste Teil letztendlich auch besser gefallen hat. Die Charaktere sind sympathisch und auch die Erotikszenen sind gut gelungen, dennoch stören einige Unstimmigkeiten und Längen.

_Die Autorin:_

Shana Abé lebt mit ihrem Mann und einem ganzen Zoo von Tieren in Südkalifornien, verrät uns der Verlag (die Website der Autorin spricht eher von fünf Kaninchen und einem Hund). Die |Wikipedia| verrät noch ein bisschen mehr: Sie wurde in Texas geboren, wuchs in Colorado auf, verbrachte einen Teil ihres Studiums in Mexiko sowie Los Angeles und arbeitete in Japan als Model. Abé erhielt den |Romantic Times Career Achievement Award| und war sechsmal für den |Romantic Times Reviewer’s Choice Award| nominiert, wovon sie zwei gewann.

|Originaltitel: Drákon 2. The Dream Thief
Aus dem Englischen von Marianne Schmidt
350 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-442-26554-1|
http://www.blanvalet-verlag.de
http://www.shanaabe.com

Moody, David – Herbst: Stadt

Band 1: [„Herbst: Beginn“ 4400

_Handlung:_

Innerhalb von vierundzwanzig Stunden hat die Seuche einen Großteil der menschlichen Bevölkerung getötet. Kurz darauf haben sich viele der Leichen erhoben und vegetieren vor sich hin, stolpern orientierungslos durch eine verwüstete Stadt. Einige Überlebende haben sich in einem Universitätsgebäude verschanzt und müssen hilflos mit ansehen, wie die Untoten immer aggressiver und scheinbar vergessene Fähigkeiten wieder reaktiviert werden.

Bevor die Spannungen in der Gruppe der Überlebenden eskalieren, trifft ein überlebender Soldat aus einem nahegelegenen Militärstützpunkt ein. Dort hat ein ganzes Regiment überlebt. Die Menschen schöpfen neue Hoffnung, und gemeinsam plant man einen waghalsigen Ausbruchsversuch …

_Meine Meinung:_

Auch im zweiten Teil der |Herbst|-Trilogie des englischen Shootingstars David Moody greift der Autor zunächst die Schicksale von Einzelpersonen auf und schildert in einfühlsamer Manier ihre Gedanken und Gefühle angesichts einer derartigen Katastrophe, die jegliches Vorstellungsvermögen sprengt. Von den Protagonisten des ersten Bandes liest man erst nach gut der Hälfte des Buches wieder etwas.

In einem Wohnmobil fristen Michael Collins und Emma Mitchell ein Dasein, welches von Angst und Hoffnung geprägt wird. Auch sie schöpfen wieder neuen Mut, als sie die Soldaten bemerken, die immer wieder Exkursionen in die verwüstete Stadt unternehmen. Das Militär hat sich in einem Bunker abgeschottet und wagt sich nur mit Atemschutzmasken an die Oberfläche. Die Seuche, welche die Menschheit derart rasch dezimiert hat, scheint sich über die Luft zu verbreiten – ein Aspekt, welcher Moodys Zombie-Szenario von dem der einschlägigen Filme unterscheidet. Dort wird der Virus in der Regel von den Untoten direkt oder durch deren Blut und Körperflüssigkeiten übertragen.

In der Wahl der Lokalität und der Handlung um den Militärstützpunkt erinnert die Geschichte ein wenig an die Filme „28 Weeks Later“ und George A. Romeros „Day of the Dead“. Moodys Untote sind ebenso wie die von Romero eher tumbe Gesellen, die kurz nach ihrem Erwachen aber keinerlei Aggressivität besitzen. Das Grauen verbreitet sich langsam und schleichend, allein durch den Umstand, dass Tote wieder lebendig werden und sich bewegen. Eine Situation, die, wenn man sie sich mal genau vor Augen führt, allein schon grauenerregend ist. Doch diesen Aspekt hat der Autor bereits in seinem ersten Band ausführlich beschrieben, so dass sich das vorliegende Buch stellenweise sehr in die Länge gerät und bekannte Situationen abermals wiederkäut. Schlecht nachvollziehbar ist auch die Panik der Überlebenden vor den Toten, die sich zum einen sehr langsam fortbewegen und zum anderen äußerst schwach sind. Es bleibt eigentlich den kompletten Roman über unklar, was die Leichen mit ihren Opfern anfangen, wenn sie ihrer habhaft werden.

Es ist dem Schriftsteller hoch anzurechnen, dass er keine vor Blut triefende Splatter-Orgie feiert, wie sie bei einer solchen Szenerie, gerade im Film, sehr beliebt ist. Moody setzt eher auf ausgefeilte und glaubwürdige Charaktere, und da macht ihm so schnell keiner was vor. Insbesondere die Beziehung zwischen Michael und Emma wird sehr differenziert und authentisch beschrieben. Insbesondere Michaels Schuldgefühle in Hinsicht auf seine sexuellen Gedanken gegenüber Emma verleihen dem Roman eine sehr realistische Komponente. In manchen Situationen beschreibt der Autor die Geschehnisse allerdings recht umständlich, so dass es nicht immer leicht ist, die Handlung logisch nachzuvollziehen.

„Herbst“ ist eine postapokalyptische Schreckensvision mit einem ungeheuren Potenzial, das nicht immer genutzt wird. Dennoch erwartet man mit Spannung den dritten Teil der Trilogie. Leider weist die deutsche Übersetzung einige herbe Druckfehler auf, die den Lesespaß etwas trüben. Das Cover von Mark Freier hingegen zeugt wieder einmal von dem großartigen Talent des Grafikers, der nicht umsonst von der deutschen Phantastik-Szene gefeiert wird.

_Fazit:_

„Herbst: Stadt“ ist eine erschreckende Zukunftsvision, die mit glaubwürdigen Charakteren belebt wird. Die Bedrohung durch die wandelnden Toten kommt leider nur unzureichend zur Geltung, und außer wenigen Szenen bekommt der Leser kaum etwas Neues geboten, das er nicht aus dem ersten Teil „Herbst: Beginn“ oder einschlägigen Filmen kennt.

_Die „Autumn“-Reihe von David Moody:_

(2002) Autumn (dt. „Herbst: Beginn“)
(2003) The City (dt. „Herbst: Stadt“)
(2004) Purification (dt. „Herbst: Läuterung“, für März 2009 angekündigt)
(2005) The Human Condition
(2005) Echos (nur als englischsprachiger Download von der Website des Verfassers)
(2007) Disintegration

|Originaltitel: Autumn: The City
Aus dem Englischen von Helga Müllneritsch und Michael Krug
Titelillustration von Mark Freier
350 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-902607-10-2|
http://www.otherworldverlag.com
http://www.djmoody.co.uk
http://www.theinfected.co.uk

_Florian Hilleberg_

Ketchum, Jack – Blutrot

_Handlung:_

Für Avery Allan Ludlow bricht eine Welt zusammen, als drei Jugendliche aus Bosheit und Gewaltbereitschaft seinen alten Hund Red erschießen. Ludlow möchte nichts anderes als Gerechtigkeit und muss feststellen, dass er gegen starre Gesetze, bürokratische Behäbigkeit und den Einfluss eines mächtigen Geschäftsmannes machtlos ist. Erst seine Stellungnahme vor laufender Kamera scheint Erfolg zu zeigen, doch da reagieren die Jugendlichen und ihr reicher Vater mit Gewalt und zwingen den alten Mann zum Äußersten …

_Meine Meinung:_

Hier in Deutschland wurde Jack Ketchum bekannt mit seinen Romanen „Evil“ (The Girl Next Door, 2007 mit Blanche Baker verfilmt) und „Beutezeit“ (Off Season) und steht für harten, realistischen Horror mit drastischen Gewaltdarstellungen. Obwohl „Blutrot“ (Red) ebenfalls in der Reihe |Heyne Hardcore| erschienen ist, unterscheidet sich das Buch sowohl im Plot als auch in der Umsetzung deutlich von Ketchums früheren Werken. Die Spannung ist weitaus subtiler, obwohl das Buch bereits nervenzerreißend und mit dem kaltschnäuzigen Mord an Ludlows Hund auch recht brutal beginnt.

Was folgt, ist eine logisch nachvollziehbare Kette von Interventionen seitens Ludlow, der nichts anderes möchte, als dass die jugendlichen Straftäter einer gerechten Strafe zugeführt werden und einsehen, dass ihr Handeln falsch war. Eindrucksvoll beschreibt Ketchum, wie verbohrt und eingefahren die bürokratischen Konstrukte zivilisierter Rechtsprechung bisweilen sind, vor allem, wenn es um das Recht von Tieren geht.

Avery Allan Ludlow ist kein alter Sonderling, der mit roher Gewalt das Gesetz in seine eigenen Hände nimmt. Er ist ein friedliebender Mensch, der zuvorkommend und höflich seine Anliegen an allen möglichen Stellen vorträgt, nur um festzustellen, dass der Einfluss von Geld schwerer wiegt als ein Tierleben. Der reißerische Titel, der mit dem Originaltitel „Red“ nicht das Mindeste zu tun hat, impliziert einen blutigen Rachefeldzug, den man nach den Romanen „Beutezeit“ und „Amokjagd“ auch durchaus erwarten darf. Doch wirklich blutig oder brutal geht es lediglich auf den letzten Seiten zu, und da auch nur im angemessenen und nachvollziehbaren Stil.

„Blutrot“ entpuppt sich als temporeicher, brillant geschriebener und anspruchsvoller Pageturner, den man in einem Rutsch lesen kann. Die Handlung weist keinerlei Längen auf, sieht man einmal von der Szene ab, in der Ludlow der Reporterin Carrie von seinem ersten Sohn erzählt, der im Affekt seine Mutter und seinen kleinen Bruder tötete. Diese Geschichte mutet im ersten Augenblick sehr melodramatisch an, und man ist gewillt, entnervt die Augen zu verdrehen, weil der Protagonist mal wieder ein äußerst tragisches Erlebnis mit sich herumträgt, über das er eigentlich nie spricht. Doch bei genauerer Betrachtung ist diese Geschichte sehr wichtig für die Charakterdarstellung Ludlows, denn dadurch werden seine Handlungen glaubwürdiger und wirken nicht so belehrend. Ludlow konnte seinen eigenen Sohn nicht davor bewahren, auf die schiefe Bahn zu geraten, womit der Besuch beim Vater des Jungen, der seinen Hund erschossen hat, den vorwurfsvollen Charakter verliert. Worauf es Ludlow ankommt, ist, dass der Junge sich zu seinen Taten bekennt, die Verantwortung übernimmt und sein einflussreicher Vater ihm eine angemessene Bestrafung zukommen lässt.

Ketchum hat es wieder einmal verstanden einen allzu realistischen Alptraum zu entwerfen, der nicht an den Haaren herbeigezogen ist und sich fast wie ein Erfahrungsbericht liest. Weshalb allerdings die deutsche Ausgabe in der Reihe |Heyne Hardcore| herausgekommen ist, bleibt unverständlich. Die Aufmachung ist schlicht reißerisch und unangemessen. Der plakative Titel und die einfache, aber wirkungsvolle Covergestaltung werden sicherlich viele Leser abschrecken, denen dadurch ein exzellent geschriebener, authentischer Thriller entgeht, wie man ihn selten findet. Die Papierqualität und der Satzspiegel sind dagegen von aller erster Güte.

_Fazit:_

Wieder einmal ein Volltreffer von Ketchum! „Blutrot“ ist ein anspruchsvoller und dennoch kurzweiliger Thriller mit einer mitreißenden Handlung. Gewaltdarstellungen wurden hier weitaus dosierter eingesetzt, so dass die Vermarktung unter dem Label |Heyne Hardcore| nicht gerechtfertigt erscheint.

|Originaltitel: Red; New York, 1995
Aus dem Amerikanischen von Joannis Stefanidis
271 Seiten, kartoniert
Titelgestaltung von Hauptmann und Kompanie, München-Zürich
ISBN-13: 978-3-453-67556-8|

Home Author


http://www.heyne-hardcore.de
http://www.heyne.de

_Jack Ketchum auf |Buchwurm.info|:_

[„Evil“ 2151
[„Beutezeit“ 4272
[„Amokjagd“ 5019

_Florian Hilleberg_

E. F. Benson – Der Mann, der zu weit ging. Gruselgeschichten

benson-mann-cover-kleinEin Großmeister der ‚kurzen‘ Phantastik belegt mit 15 Gespenstergeschichten aus den Jahren 1904 bis 1934 einmal mehr den hohen Rang der klassischen britischen Phantastik. Die einfallsreichen Untaten rächender Geister und anderer Spukgestalten werden in feiner, nie überkandidelter Prosa dargeboten und bilden einen zeitlosen, ebenso intellektuellen wie sinnlichen Genuss.
E. F. Benson – Der Mann, der zu weit ging. Gruselgeschichten weiterlesen

Dmitry Glukhovsky – Metro 2033

Die Welt, wie wir sie heute kennen, gibt es nicht mehr in Dmitry Glukhovskys Roman „Metro 2033“, denn die Errungenschaften des letzten Jahrhunderts sind ganz in der Tradition der negativen Utopie nicht zur Verbesserung des menschlichen Lebens genutzt worden. Sie haben im Gegenteil zu Kriegen und der kompletten Vernichtung der Erde geführt. Wie im Laufe des Romans deutlich wird, hat ein Atomschlag alles bekannte Leben auf der Erde ausgelöscht. Zurückgeblieben sind zerstörte Geisterstädte, in denen sich in den vergangen Jahrzehnten Lebensformen entwickelt haben, die den vormaligen Herrscher über die Erde trotz nachlassender Strahlung in die U-Bahnnetze zwingen und selbst dort noch seine Existenz bedrohen.

Auch in der Moskauer Metro haben Menschen überlebt; unter ihnen der zwanzigjährige Artjom. Dieser wohnt mit seinem Ziehvater Suchoj in der Station WDNCh. Man hat sich in dem neuen Leben eingerichtet und es so organisiert, dass das Überleben gesichert ist und ein Mindestmaß an menschlicher Kultur bewahrt werden kann. Artjom ist zwischen seinen Freunden, alten Büchern, Schweinezucht und Pilztee aus dem Samowar behütet aufgewachsen. Abgesehen von einem verbotenen Ausflug an die Oberfläche nahe seiner Metrostation, hat er die WDNCh nie verlassen. An die Außenwelt hat er nur noch vage Erinnerungen, und auch die Dimensionen der Moskauer U-Bahn-Anlage haben sich ihm längst nicht erschlossen, obwohl über Reisende (vornehmlich Händler) Nachrichten aus anderen Stationen und deren Beschreibungen bis in die eher als abgelegen geltende Heimat des jungen Mannes gelangen.

Als jedoch eine ganze U-Bahn-Station von den so genannten Schwarzen massakriert wird und diese sich auch in der Nähe der WDNCh zeigen, wird schnell klar, dass nicht nur diese Station, sondern die gesamte Metro bedroht ist. Plötzlich ist es an Artjom, die Metro zu durchqueren und Hilfe zu holen. Aber neben der Tatsache, dass er die gesamte Strecke auf sich allein gestellt zu Fuß bewältigen muss, kommt erschwerend hinzu, dass sich die Menschen selbst nach der atomaren Katastrophe nicht zu einer Einheit zusammengeschlossen haben, sondern die Kriege unter der Erde fortgeführt wurden, bis sich verschiedene Macht- und Einflussgebiete herauskristallisierten, welche nun mit Hilfe von Abkommen, Kontrolle und notfalls auch nackter Gewalt gehalten werden. In den finsteren Tunneln zwischen den Stationen verschwinden oder sterben Menschen auf unerklärliche Weise. In den Stationen selbst regieren Angst, Hass und Grausamkeiten, die jedoch nicht weniger beängstigend wirken als die aufgesetzte Liebenswürdigkeit der Zeugen Jehovas, welche Artjom zu bekehren versuchen, oder das nur für einige Menschen Bildung verheißende Kastenwesen der Polis.

Auf knapp 800 Seiten beschreibt der russische Autor Dmitri Glukhovsky solchermaßen nicht nur Artjoms Weg durch die Tunnel und die verschiedenen Metrostationen, sondern auch Begegnungen mit Menschen aus unterschiedlichsten Gesellschaftsformen sowie mit verschiedensten Lebensentwürfen. Die Formen gesellschaftlichen Zusammenlebens werden überwiegend von Strömungen, die noch im 20. Jahrhundert existierten, abgeleitet: Kommunismus, Nationalsozialismus oder religionsbegründete Gemeinschaften. Außerdem hat man tief im Inneren der Metro die neue Religion um den „großen Wurm“ erschaffen.

Somit entwirft der Autor neben einer spannenden Handlung ein komplexes Bild der in Grüppchen zerfallenen Gesellschaft, welche sich nach der Katastrophe in den Stationen der Metro geformt hat. Ein solches räumlich abgeriegeltes System zur Darstellung einer möglichen zukünftigen Gesellschaft, in welcher Ursachen und Wirkungen vom Autor genau berechnet werden können, kennt die Literatur seit Thomas Morus‘ Insel [„Utopia“ 1841 (1516). Glukhovskys Metro-Universum funktioniert als ebensolche Insel, auf der sich das alte Leben zu erhalten versucht, während ringsum die Bedrohung durch Mutanten und neue Lebensformen verhindert, dass die Menschen aus ihrem selbst gewählten Exil ausbrechen können. Alle übergeordneten Energien werden dazu verwendet, dieses Universum zu schützen, während die Stations-„Kleinstaaten“ auch individuell gegen Eindringlinge und Veränderung vorgehen.

Erst zum Schluss wird offensichtlich, dass die alten Fehler der Menschheit wiederholt werden und in erneuter Vernichtung gipfeln. Es bleibt außen vor, ob eine Kooperation mit den auf noch wenig erklärliche Weise kommunizierenden neuen Lebewesen vielleicht hilfreicher als ihre Vernichtung gewesen wäre, denn immerhin ist es ihnen vergönnt, auf der Erdoberfläche existieren zu können. Doch mit dem Tod der weiterentwickelten Spezies wird es auch in dieser negativen Utopie keine Entwicklung geben können. Es besteht wenig Hoffnung auf Veränderung oder gar eine Verbesserung der Lebensumstände der Menschen, selbst wenn eine Figur namens Kahn dem Helden versichert, dass wer kühn und beharrlich genug sei, ein Leben lang in die Finsternis zu blicken, darin als Erster einen Silberstreif erkennen würde.

Den Menschen in Glukhovskys Metro-Universum steht Technik nur noch in Form von Relikten aus der Vergangenheit zur Verfügung; ausgehend vom weit entwickelten technischen Verständnis unserer Tage, sind sie damit auf die Stufe der Produktion von Nahrungsmitteln zurückgeworfen worden. Der kulturellen Entwicklung ist es nicht anders ergangen. Alte Bücher sind wertvolles Handelsgut, und selbst die erbärmlichste Schwarte wird gehegt und gepflegt, denn auch sie ist zum vergänglichen Bewahrer des Wissens der Menschheit und des Wissens um eine vormalige bessere Zeit geworden, welche in der Erinnerung bereits märchenhafte Züge annimmt. Sie sind ein Symbol der Errungenschaften des menschlichen Geistes, in denen sich die gegenwärtige menschliche Existenz der sich unter die Erde verkrochen habenden Würmer auf groteske Art spiegelt.

Die Klassiker bilden dabei den größten Schatz, denn sie tragen moralische Werte und nähren den Wunsch nach Veränderung. Sie können jedoch nur die Keime anlegen, welche in Menschen wie Artjom, Khan oder Melnik, den Artjom zur Hilfe holen soll, zur Entfaltung kommen. Es gibt nur wenige Menschen wie sie, die nicht ihren gesamten Antrieb und ihre Struktur aus einer der gesellschaftlichen Strömungen angepassten Lebensweise erhalten. Diese Menschen werden zu Helden, denn so verführerisch der Halt oder die Orientierung der angebotenen Lebensweisen auch erscheinen mögen, ist es ihnen vergönnt, darüber hinauszuwachsen. Dazu trägt die Tatsache maßgeblich bei, dass sie sich sowohl in der gesamten Metro als auch außerhalb bewegen. Die so gewonnenen Erfahrungen erlauben ihnen einen kritischen Außenblick auf das gesamte Metro-Universum. Kommen sie dabei der Frage nach der Wahrheit auch nicht wesentlich näher, so können sie dennoch erkennen, dass alles Dargebotene nicht der Wahrheit entsprechen kann.

Besonders interessant gestaltet Glukhovsky die unbekannte Kultur, welche sich in Nebentunneln der U-Bahn formiert hat. Dort haben die veränderten Lebensbedingungen der Menschen eine an die Situation unter der Erde angepasste Religion hervorgebracht. Diese basiert auf dem Mythos des „Großen Wurms“ als sich durch die Erde bohrendem Schöpfer. Er gilt als Vater, der alle Anhänger der Religion erschaffen haben soll. Diese fürchten ihren Gott und suchen durch seine Anbetung doch gleichzeitig seinen Schutz. In der archaischen Erscheinung des „Großen Wurms“ erkennt der Leser sofort, dass es sich um die ‚Personifizierung‘ eines U-Bahn-Zuges handeln muss. Die Erfinder hatten sicherlich noch lebhafte Erinnerungen an Züge, deren geöffnete Türen die Fahrgäste ausspeien. Diese zunächst lächerlich-zwanghaft anmutende Religion bildet traurigerweise die einzige Innovation unter Tage und wurde auch nur dazu erfunden, die geistig und körperlich degenerierten Menschenwesen, welche in einem von der Strahlung stark betroffen Bereich der Metro leben und sich fortpflanzen, unter Kontrolle zu halten und ihnen einen Lebenssinn zu geben, damit ihre charismatischen Anführer ihre Version einer besseren Menschheit verwirklichen können. Doch outet der von Artjoms Truppe gefangene Priester sich und seine Religion alsbald als vom Hass auf alle anderen überlebenden Menschen zerfressene und ebenso große Bedrohung für die restliche Metro wie die Schwarzen, die es jedoch zunächst zu bekämpfen gilt.

Leider wirken alle Geschehnisse ab der Bekanntschaft mit dem „Großen Wurm“ auf eine Fortsetzung ausgelegt, denn zu vieles wird nur noch angedeutet. Die Reise durch die Metro erscheint plötzlich als eine lange Einführung in die „neue Welt“. Werden sich die Menschen weiterhin gegenseitig aufreiben? Gibt es den „Großen Wurm“ vielleicht tatsächlich? Existiert er als etwas völlig anderes in der Metro – zum Beispiel als großer Bohrer, der dazu benutzt wird, neuen Lebensraum anzulegen? Da man nicht weiß, was alles möglich sein könnte, ist nichts unmöglich – selbst ein riesiges Tier oder ein noch fahrtüchtiger Metro-Zug.

Die Vernichtung der Schwarzen wirkt im doppelten Sinne unbefriedigend. Abgesehen von der moralischen Komponente (alles Fremde wird wie immer ausgelöscht), hat Artjom seine „Auserwähltheit“ als Vermittler zu spät begriffen. Doch ebenso gut könnte die Auslöschung der Fremden nur auf der Erdoberfläche erfolgt sein. Da man von den Wesen so gut wie nichts erfährt, können sie durchaus in einem Zusammenhang mit den Bohr- oder Zuggeräuschen stehen, welche Artjom in einem der Nebentunnel gehört haben will. Außerdem hat sich ein aus einer wabernden Masse bestehendes Wesen im Kreml eingenistet, das die Menschen hypnotisch anzieht und verschlingt.

Und nicht zuletzt heißt es auf der letzten Seite vor einem umfassenden Anhang mit Begriffserklärungen: |“Die Reise geht weiter“|. Hoffen wir es, und hoffen wir auch, dass die mögliche Fortsetzung ebenso fesselnd und originell wird wie „Metro 2033“. Der Roman hat jedenfalls so stark eingeschlagen, dass ein auf ihn basierendes Computerspiel in Planung ist, und denkt man an die „Wächter“-Trilogie des auf dem Umschlag des recht robusten |Heyne|-Paperbacks zitierten Sergej Lukianenko, dann kann man eine Verfilmung wohl ebenso wenig ausschließen.

|Originaltitel: Metro 2033
Aus dem Russischen von M. David Drevs
783 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-453-53298-4|
http://www.metro2033.org
http://www.heyne.de

Whedon, Joss / Jeanty, Georges / Goddard, Drew – Buffy: Wölfe! (Staffel 8, Teil 3)

Teil 1: [„Die Rückkehr der Jägerin“ 4670
Teil 2: [„Wie tötet man eine Jägerin?“ 5075

Sieben Staffeln und ebenso viele Jahre lang hat |Buffy| das Bild der Fernsehlandschaft geprägt. Nach dem Ende der Serie 2003 war es einige Zeit still, 2008 kehrte die Vampirjägerin dann zurück, allerdings als Comic-Heldin. Die noch immer große Fangemeinde war erfreut, entwickelte doch nicht zuletzt Erfinder Joss Whedon, selbst großer Comic-Fan, die offizielle achte Staffel mit.

Vieles hat sich verändert, Buffy, Xander und Dawn sind älter und erwachsener geworden, die Handlung der einzelnen „Folgen“ hat an Rasanz gewonnen, ist bunter und abgedrehter als früher. Die Kernelemente sind jedoch geblieben: |Buffy| begeistert wie in alten Zeiten mit Witz, Ironie und einer Menge Spaß. Vorhang … pardon: Heftseiten auf für „Wölfe“, den mittlerweile dritten Teil des Buffy-Comics.

_Handlung_

Nachdem in den ersten beiden, jeweils fünf Einzelepisoden umfassenden Sammelbänden mit der |Dämmerung| eine neue, noch weitgehend unbekannte Vereinigung auf den Plan getreten ist, die Buffy und ihrer Jägerinnen-Kompanie Ärger bereitet, kommt in „Wölfe“ eine weitere Gruppe hinzu. Auf den ersten Blick scheint es sich nur um ganz gewöhnliche Vampire zu handeln, doch dann offenbaren sie ihre besonderen Eigenschaften: Sie können ihre Gestalt ändern. Über kurze Zeiträume ist es ihnen sogar möglich, körperlos zu werden und so nicht nur tödlichen Angriffen auszuweichen, sondern auch unüberwindbare Hindernisse wie verschlossene Türen zu meistern. Dass die Vampire über solch exklusive Fähigkeiten verfügen, macht sie zu extrem gefährlichen Gegnern. Dabei besaß bis vor kurzem nur einer von ihnen diese ausgesprochen nützlichen Talente: Dracula.

Gut, dass Xander mit dem alten Meister eine fast schon freundschaftliche Beziehung unterhält. So erfährt er bei einem kleinen Plausch auf Draculas Schloss auch wenig später, dass der Vampirfürst seine Gabe nicht freiwillig herausgerückt hat. Einige Asiaten, die ihn kürzlich erst aufsuchten, müssen ihm irgendwie seine Talente entlockt haben. Wütend machen sich Xander und Dracula in Richtung Japan auf, um die Gruppe der asiatischen Vampire zu stoppen. Zur Herstellung des Status quo ist der Vampirmeister sogar dazu bereit, auf derselben Seite wie Buffy zu kämpfen – zumindest für kurze Zeit.

Nicht weniger aufregend als der Kampf gegen die Supervampire entwickelt sich das Privatleben der Scooby-Gang. Dawn hat noch immer mit ihrer Riesengröße zu kämpfen, weiß ihre damit verbundenen Vorteile aber allmählich zu nutzen und als Chance zu sehen. Xander hat den Tod von Anya endlich hinter sich gelassen und verbringt ein Date mit Renee, wenngleich es nicht unbedingt den Ansprüchen eines romantischen Rendezvous genügt. Und Buffy entdeckt eine neue Seite an sich, die ihr Liebesleben komplett auf den Kopf stellt. Gut, dass Andrew einen klaren Verstand behält und sich als Mentor der Jägerinnen einen Platz in der Gruppe sucht, für den er mit seinem zugegebenermaßen eher unwichtigen Wissen glänzen kann.

_Bewertung_

Mit „Wölfe“ kommt der |Buffy|-Comic mehr und mehr in Fahrt und weiß das neue Medium voll auszuschöpfen. Die Handlung ist rasant, bunt, tragisch, komisch und actionreich in zugleich. Weder geht der |Buffy|-Charme verloren, noch büßt der Comic den so typischen Humor Joss Whedons ein. Im Gegenteil, das Format erweitert das Buffyversum um neue Elemente und verleiht |Buffy| einen frischen, modernen Anstrich. Dem einen oder anderen Leser mag die Charakterentwicklung zwar etwas zu hastig und vor allem zu drastisch erscheinen, bricht sie doch stellenweise mit dem Charakteraufbau aus den Zeiten der TV-Serie. Doch dieser neue Kurs ist der richtige Weg, um nicht den alten Zeiten hinterherzutrauern, sondern mutig nach vorne zu blicken.

Dawn in Riesengestalt, fliegende (mit Superkräften ausgestattete) Vampire, schnelle Szenenwechsel vom düsteren Schloss Draculas bis hin zur neonleuchtenden Innenstadt Tokios tragen den Möglichkeiten des Comicformats Rechnung und wären im Fernsehen in dieser Form und mit einem begrenzten Budget nicht möglich gewesen. So hingegen kann Whedon seine Geschichte ohne Einschränkungen erzählen und seiner mitunter überdrehten Fantasie freien Lauf lassen. Denn trotz aller neuen Freiheiten vergisst er niemals die Grundelemente, die |Buffy| über sieben Staffeln am Leben gelassen und für eine riesige Fangemeinde gesorgt hat: liebevolle, fürsorgliche Charaktere, die trotz Ecken und Kanten ihre Freundschaft zueinander über alles andere stellen. Buffy und ihre Jägerinnen mögen es sich zur Aufgabe gemacht haben, Vampire bekämpfen; doch hinter allem stehen die Bewältigung von Alltagsproblemen, die Sorgen und Nöte pubertierender Jugendlicher und junger Erwachsener, die ihren Platz in der Welt zu finden versuchen.

Dass der Wechsel von einer erfolgreichen TV-Serie in ein Comicformat fünf Jahre nach der Ausstrahlung der letzten Episode auch kommerziell geglückt ist, zeigen die weiteren Ankündigungen. Neben der Fortsetzung der |Buffy|-Reihe wird es nicht nur einen Sonderband um Fray, einen der neuen Bösewichte, geben. Auch Angel erfährt nach seiner TV-Absetzung eine Auferstehung als Comic-Held. 2009 wird ein gutes Jahr für Buffy und ihre Scooby-Gang werden.

|128 Seiten, Softcover
ISBN-13: 978-3-86607-656-3|
http://www.slayerverse.org/
http://buffy.wikia.com/
http://www.foxtv.de/buffy.html
[Buffy bei Panini]http://www.paninicomics.de/?s=serie&gs__gruppe=287&t=buffy-s287.html