Meyer, Kai / Hagitte, Christian / Bertling, Simon – Alchimistin, Die. Teil 3: Die Katakomben von Wien (Hörspiel)

Folge 1: [„Der Stein der Weisen“ 5052
Folge 2: [„Das Erbe des Gilgamesch“ 5155

_Story_

Sieben lange Jahre verbringt Christopher in Gefangenschaft, nachdem er beim Versuch, Lysander zu stellen, gefasst wurde. Ausgemergelt und ohne jeglichen Lebensmut, wird er von seiner Stiefschwester Aura Institoris mit einer List aus dem Gefängnis befreit. Diese jedoch nutzt ihn nur als Mittel zum Zweck, um Lysander ein weiteres Mal zu überfallen und die verschollene Sylvette zu befreien.

In den Katakomben der Wiener Hofburg finden die Halbgeschwister jedoch nur einen zu Tode geschwächten Mann – vermeintlich der gezeichnete Lysander – und ein junges Mädchen vor, welches sich als Sylvettes Tochter Tess entpuppen soll. Aura und Christopher führen das Kind mit auf das Anwesen der Institoris, wo Christopher auch Gian kennenlernt, den Nachwuchs aus Auras Beziehung mit dem für tot erklärten Gillian. Jedoch erwartet die beiden auch schon die nächste Überraschung: Tess und Gian berichten von merkwürdigen Visionen, die sie gemeinsam in ihren Träumen durchleben. Je tiefer sie in ihre Gedanken eindringen, desto klarer eröffnen sich die Bilder von Lysander und dessen Vergangenheit, aber auch die Ereignisse, die damals zwischen Lysander und Auras Vater standen.

Dadurch öffnet sich eine neue Spur zum verschollenen Erzfeind, der scheinbar auf den Spuren der Tempelritter im Kaukasus gastiert. Die Pläne von Aura und Christopher, Lysander und seinem Tross nach Georgien zu folgen, werden aber jäh unterbrochen, als die mittlerweile dem Wahnsinn verfallene Charlotte Institoris ihren Hass auf die Kinder abwälzt und Gian bei der Flucht vor seiner grausamen Großmutter eine noch seltsamere Entdeckung macht.

_Persönlicher Eindruck_

Die dritte Episode von Kai Meyers Meisterwerk „Die Alchimistin“ beginnt mit einer enormen Überraschung; der Autor wagt einen deutlichen Zeitsprung von immerhin sieben Jahren und vollzieht hierbei einen radikalen Schnitt, der die gesamte Szenerie in ihren Grundzügen verändert. Die Personen, die Aura bis dato etwas bedeutet haben, sind allesamt dahingeschieden, die Fehde mit Lysander erhält plötzlich eine ganz andere Perspektive, aber auch die generellen Personenkonstellationen erfahren einen teils sehr heftigen Wandel, ganz besonders, was die Beziehung zwischen Aura und Christopher anbelangt. Nach den anfänglichen Anfeindungen entsteht hier zunächst eine Zweckgemeinschaft, in der die beiden Protagonisten lernen, den jeweils anderen zu schätzen und schließlich auch Emotionen aufzubringen, die über Auras Hass und Christophers Ablehnung hinausgehen. Und dies ist nur eine von vielen unerwarteten Entwicklungen innerhalb der Handlung.

So tauchen innerhalb der Story wieder Figuren auf, die man eigentlich schon im Jenseits wähnte, was partiell aber auch zu Widersprüchen in der Handlungslogik führt. Gerade was den Aufenthalt und die Befindlichkeit von Lysander betrifft, läuft hier manche Erklärung ein wenig aus dem Ruder, wird aber dankenswerterweise im Nachhinein wieder aufgefangen. Derlei Ungereimtheiten sind dieses Mal häufiger an der Tagesordnung, zumeist jedoch auf das noch deutlicher verschachtelte Konzept zurückzuführen, dessen Komplexität durch die sehr rasanten Fortschritte der Story noch einmal gehörig anwächst. Doch bei der souveränen Bewältigung der unheimlich verzwickten Story-Arrangements trennt sich in diesem Fall die Spreu vom Weizen, was schließlich dazu führt, dass „Die Alchimistin“ spätestens mit dieser Episode an vergleichbaren Produktionen wie „Das Schwarze Auge“ vorbeizieht und in Führung geht.

Allerdings lehnen die Macher sich auch sehr weit aus dem Fenster; die Einbeziehung des Templerordens ist in Zeiten von literarischen Verschwörungstheorien sicherlich ein riskantes Element (andererseits erschien „Die Alchimistin“ bereits 1998 und die diesmal herangezogene Fortsetzung 2001, also einige Jahre vor dem Dan-Brown-Boom), wird in dieser Folge aber erst einmal nur grob angerissen.

Die vereinzelten morbiden Inhalte sowie das Spiel mit den grausamen Visionen indes bedürfen auch einer detailreichen Inszenierung, um nicht aufgesetzt zu wirken. Aber auch in diesem Bereich erlaubt man sich keine Schnitzer und überzeugt mit vielen genialen Ideen und einer astreinen Leistung auf Seiten der Sprecher. Yara Blümel-Meyers (Aura), Timmo Niesner (Christophr) und vor allem Friedhelm Park in der Position des Erzählers erledigen einen richtig guten Job und empfehlen sich einmal mehr für noch größere Aufgaben. Hinzu kommt schließlich der majestätische Soundtrack, der an den entsprechenden Stellen für Gänsehaut sorgt und die dichte Atmosphäre des Hörspiels adäquat unterstützt. Alles andere als von Ohrenkino zu sprechen, wäre daher auch eine glatte Untertreibung.

Zusammengefasst kristallisiert sich mit „Die Katakomben von Wien“ das bisherige Highlight der Serie heraus, da es die Story auf ein noch höheres Niveau bringt, zusätzlich aber auch mit viel Risikobereitschaft neue Entwicklungen zulässt, welche die Geschichte ziemlich auf den Kopf stellen. Fortschritte beim Charakterdesign und vor allem inhaltlicher Natur vollenden schließlich einen nahezu ausnahmslos gelungenen Versuch, ein perfektes Hörspiel zu kreieren und mit modernen Mitteln auszustaffieren. Spätestens mit dieser Episode entwickelt sich „Die Alchimistin“ zur Hörspiel-Referenz im Jahr 2008.

|70 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3593-0|
http://www.kai-meyer.com
http://www.luebbe-audio.de
http://www.stil.name

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Patrick Mauriès – Das Kuriositätenkabinett

Die große Welt in der eigenen Kammer

Der Mensch ist von seiner Natur aus Jäger und Sammler. Das beschränkte sich ursprünglich auf die Dinge, mit denen sich der Magen füllen ließ, erweiterte sich aber sicherlich bald auf den Kopf und bezog ein, was außerdem sein Interesse erregte. Der Drang zu wissen und die Welt um sich zu verstehen ließ sich mit dem Sammeltrieb mühelos in Einklang bringen.

Schon in der griechischen und römischen Antike begannen jene, die es sich leisten konnten, weil sie für ihren Lebensunterhalt nicht rund um die Uhr arbeiten mussten, zusammenzutragen, was die Natur produzierte und ihre Aufmerksamkeit erregte: Mineralien, Knochen, Schnecken- und Muschelschalen, Fossilien. Damit beginnt die Liste nur, denn sie ist schier unendlich. Den Inhalt sorgfältig arrangiert, schön geordnet und zum Studium bereit, schienen diese Kabinette die große Welt und den Kosmos außerhalb der eigenen Türschwelle widerzuspiegeln. Als „Welttheater“ konnte man sie in den Griff bekommen, sie überschauen und verstehen. Patrick Mauriès – Das Kuriositätenkabinett weiterlesen

Márquez, Gabriel García – Leben, um davon zu erzählen

„Meine Mutter bat mich, sie zum Verkauf des Hauses zu begleiten“, so beginnt der erste Teil der auf drei Bände ausgelegten Autobiographie des kolumbianischen Nobelpreisträgers für Literatur, Gabriel García Márquez, und wirft den Leser sofort in das farbenfrohe Leben des mittlerweile über 80-Jährigen.

Dieser erste Satz des Buches versetzt Autor und Leser gleichermaßen in die Kindheit Márquez‘ zurück. 1928 wurde er in Aracataca (Kolumbien) geboren und wuchs abwechselnd bei den Eltern und Großeltern auf. Da die Familie ständig anwuchs (gegen Ende des Bandes sind wir bei elf Kindern angelangt), war Márquez‘ Kindheit von ständiger Armut geprägt und führte dazu, dass die Familie oft umziehen musste. Jenes Haus in Aracataca aber wird treuen Márquez-Lesern sofort bekannt vorkommen, hat er ihm und seinen Bewohnern doch schon in seinem berühmtesten Roman, „Hundert Jahre Einsamkeit“, ein Denkmal gesetzt. All die kruden und originellen Figuren in dieser Autobiographie wiederzufinden, ist ein reines Vergnügen und Beweis dafür, welch buntes Leben Márquez schon in frühester Kindheit genießen durfte.

Schon als Kind liest er begeistert, erzählt Geschichten und Anekdoten, verschlingt die „Geschichten aus Tausendundeiner Nacht“ und singt inbrünstig kolumbianische Schlager. Auch im Zeichnen scheint er recht begabt zu sein. Diese vielen Begabungen führen dazu, dass er trotz seiner Schüchternheit schon in der Schule von aufmerksamen Lehrern gefördert wird und es trotz seiner ärmlichen Verhältnisse aufs Lyceum schafft.

Dort trifft er auf liberale, junge Lehrer, die offen mit ihren Schülern diskutieren und ihre freie Meinung unterstützen. Er beginnt zu schreiben – kleinere Gedichte und Glossen für die Schülerzeitung – und etabliert sich als junger Bohème, indem er mit langen Haaren, wildem Bart und bunt geblümten Hemden herumläuft. Doch seine Wünsche, sich kreativ zu betätigen, laufen denen seiner Eltern zuwider. In ihrer prekären finanziellen Lage möchten sie, dass Gabito Jura studiert, um sich selbst ernähren und die Familie unterstützen zu können. So schreibt er sich an der juristischen Fakultät in Bogotá ein, ohne jedoch besondere Begeisterung für die Rechtswissenschaften aufbringen zu können.

Stattdessen lebt er ununterbrochen am Rande des Existenzminimums, schläft mal auf der Straße, mal im Café und im besten Fall in einem billigen Freudenhaus und interessiert sich für alles, nur nicht fürs Studium. Seine schriftstellerischen Ambitionen keimen auf, er schreibt kurze Prosa, ein Genre, das damals in Kolumbien kaum existierte (man „beschränkte“ sich auf Poesie) und trägt die Mappe mit Kurzgeschichten immer mit sich herum – sein einziger Besitz. Erste Geschichten von ihm werden veröffentlicht, und von da an ist seinen Freunden klar, dass er ein berühmter Schriftsteller werden wird. Nur bis diese Erkenntnis Márquez selbst erreicht, wird es noch eine Weile dauern.

Nach dem Aufstand vom 9. April 1948, als in Bogotá der Präsidentschaftskandidat Gaitán erschossen wird, verlässt Márquez erschrocken und traumatisiert die Stadt, um in Cartagena weiterzustudieren. Doch dort erlischt sein Interesse für Jura vollends, denn er beginnt bei verschiedenen Zeitungen zu arbeiten und schreibt nun nicht mehr nur Prosa, sondern auch Glossen und Kommentare. Diese Arbeit begeistert und vereinnahmt ihn zusehends, sodass er durch die Jura-Prüfung fällt. Seine Eltern hoffen immer noch auf einen Anwalt in der Familie, doch müssen sie sich allmählich mit den Tatsachen abfinden und einsehen, dass ihr Sohn das Studium nicht beenden wird.

Zurück in Bogotá, arbeitet er bei der großen Zeitung „El Espectador“ und widmet sich nun auch mehr und mehr der Reportage. Erstmals ist er fest angestellt und bekommt ein monatliches Gehalt, mit dem er sich nicht nur endlich eine eigene Wohnung nehmen kann, sondern das auch ausreicht, um seinen Eltern und der großen Kinderschar eine finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen. Schon seit einiger Zeit arbeitet er an verschiedenen Buchprojekten. Den ersten Roman „La Casa“ gibt er irgendwann entnervt auf, „Laubsturm“ wird zwar vollendet, jedoch zunächst vom Verlag abgelehnt. Der erste Band seiner Autobiographie endet damit, dass „Laubsturm“ doch noch veröffentlicht und Márquez als Korrespondent nach Genf geschickt wird.

Gabriel García Márquez ist ein geborener Erzähler – das beweist er einmal mehr mit seinen Memoiren. Seit 1999 arbeitet er fieberhaft an seiner Autobiographie – eine Krebserkrankung war der Auslöser, dieses Projekt endlich in Angriff zu nehmen. Besonders das erste Kapitel, in dem Haus und Einwohner aus „Hundert Jahre Einsamkeit“ noch einmal Revue passieren, ist dicht gestaltet und erfüllt für Márquez eine Schlüsselfunktion. Merkt man diesem Kapitel die starke schriftstellerische Bearbeitung des Autors an, so wirken die späteren Passagen des Buches naturbelassener und wie in einem Guss heruntergeschrieben. Die akkurate literarische Methode Márquez‘, seine Romane bis zum Exzess zu überarbeiten und zu perfektionieren, scheint nur im ersten Kapitel angewendet worden zu sein, was dazu führt, dass der Rest des Buches an einigen Stellen ungeordnet, durcheinander und roh wirkt.

„Leben, um davon zu erzählen“ ist ein prall gefülltes Buch, das vor Anekdoten, Personen und Geschichtchen nur so strotzt. Es erzählt nicht nur vom Leben eines großen Schriftstellers, sondern führt den europäischen Leser auch ein in kolumbianische Geschichte und die Literaturszene der Fünfzigerjahre. Die beiden Karten im Einband des Buches (der gebundenen Ausgabe) leisten dabei gute Dienste, um sich im kolumbianischen Hinterland zu orientieren, dennoch kann es dem unbedarften Leser passieren, dass er zwischen den vielen Namen und Personen kurzfristig den Überblick verliert.

Doch gerade deshalb ist „Leben, um davon zu erzählen“ eine Lektüre, die den Leser begeistern wird. Auch in seiner Autobiographie hat sich Márquez nicht vom magischen Realismus verabschiedet, dessen bekanntester Vertreter er ist. Seine Erzählungen wirken frisch und gegenwärtig, sodass man Márquez nur um sein offensichtlich sehr zuverlässiges und aufnahmefähiges Gedächtnis beneiden kann. „Leben, um davon zu erzählen“ macht nicht zuletzt Lust auf Lateinamerika, auf andere Autoren dieses Kulturkreises und darauf, auch andere Autoren durch ihre Autobiographien besser kennen zu lernen.

|Originaltitel: Vivir para contarla
Aus dem Spanischen von Dagmar Ploetz
608 Seiten
ISBN-13: 978-3-596-16266-6
Hardcover-Ausgabe: Kiepenheuer & Witsch, Dezember 2002, ISBN-13 978-3-462-03028-0|
http://www.fischerverlage.de
http://www.kiwi-verlag.de

Francis, H. G. / Arden, William – Die drei ??? und die schwarze Katze (Folge 4)

Wie auch der „Super-Papagei“, der „Phantomsee“ und der „Karpatenhund“, gehört „… und die schwarze Katze“ ebenfalls zur ersten Tranche der Veröffentlichungen aus dem Hause |EUROPA| und datiert somit zurück auf den 12. Oktober 1979. Im Laufe der folgenden (fast) 30 Jahre summierten sich die Hörspiele der drei kultigen Junior-Detektive auf über 120 auf. Zwischendrin gab es in den Neunzigern mal einen etwas größeren Hänger und neuerliche Lizenzstreitigkeiten, welche Ende 2007 beigelegt wurden. Seither geht es mit den Vertonungen der Buchreihe weiter, was Fans – altgediente und neue – zum Aufatmen brachte.

_Zur Story_

Ein Wanderzirkus/Jahrmarkt gastiert in Rocky Beach, und unsere drei Helden Justus, Peter und Bob liefern für den Zirkus etwas im Auftrag von Justus‘ Onkel Titus, den Schrotthändler, aus – ein Podest für die Löwen-Nummer. Dabei werden sie Zeugen eines Diebstahls: Ein bärtiger Mann mit Schlapphut entwendet eine hässliche, schwarze Plüschkatze von einem Stand und schickt sich an, sich aus dem Staub zu machen. Flugs nehmen die drei Junior-Detektive die Verfolgung in sicherem Abstand auf. Als der Dieb in eine scheinbare Sackgasse flüchtet, werden die Gesichter der drei ??? und der herbeigeeilten Sicherheitskräfte lang: Der Mann ist verschwunden.

Obwohl ein etwa vier Meter hoher und massiver Bretter-Zaun sein Entkommen hätte verhindern müssen, ist er offensichtlich weg; seine Fußspuren führen bis zum besagten Zaun und enden dort abrupt. Zumindest war er nicht in der Lage, die Katze endgültig zu entwenden, denn sie liegt zurückgelassen auf dem Boden. Die drei Jungs bringen die Katze zurück zum Schießstand, woher sie stammt, und Peter kommt auf die Idee, sein Glück zu versuchen und das seltsame Maskottchen regulär zu gewinnen. Gesagt, getan – Peter räumt tatsächlich mit fünf Schuss alle Ziele ab und ist nun rechtmäßiger Besitzer der Plüschkatze.

Die Freude über den Gewinn währt jedoch nicht lang, denn irgendjemand hat den (eigentlich harmlosen) Jahrmarkts-Löwen aus seinem Käfig gelassen, und als Peter die Stellung hält, um den Löwen zu beruhigen, legt er die Katze unbeachtet zur Seite, während die anderen zusammen mit dem Jungen Andy Carson, dem Sohn des Zirkus-Veranstalters, Hilfe holen. Als die Situation dank des Löwenbändigers geklärt wird, ist die Katze verschwunden, und nicht nur das: Die drei Detektive finden dank Andy heraus, dass es seit Monaten immer wieder zu scheinbaren „Unfällen“ beim Wanderzirkus kam.

Außerdem taucht am nächsten Tag eine Zeitungsannonce im lokalen Blatt auf, in der irgendjemand vorgeblich für ein Kinderheim nach exakt jenen Katzen sucht, wie sie Andy an seinem Schießstand als Hauptpreis hat, zu einem Preis von 25 Dollar das Stück. Doch wer will schon eine augenscheinlich so hässliche schwarze, bucklige Stoffkatze mit krummen Beinen, abgenicktem Ohr, die ein Auge zukneift, für ein Kinderheim? Steckt etwa ein Mitarbeiter des Jahrmarkts dahinter, oder gar – wie Andy vermutet – seine Großmutter, die geschworen hat, den Zirkus zu ruinieren? Die drei ??? haben jedenfalls mal wieder einen Fall zu lösen.

_Eindrücke_

Nicht zu überhören ist der berühmte, unvergleichliche Horst Frank, der uns auch in dieser Folge wieder als Hauptkommissar Samuel Reynolds beglückt. Er und auch Urgestein Peter Pasetti (Erzähler / Alfred Hitchcock) weilen seit Mitte der 90er leider nicht mehr unter uns. Bedauerlicherweise ist die alte Musik in der Neuauflage dem modernen Soundtrack gewichen; Nostalgieanflüge werden dennoch geweckt, doch irgendwie ist das nicht dasselbe, aber man gewöhnt sich dran.

Das Drehbuch stammt von H. G. Francis, der das Originalbuch von William Arden aus dem Jahre 1970 (US) bzw. 1971 (D) für das Hörspiel aufbereitete. Bezeichnenderweise ist „Die schwarze Katze“ eigentlich Buch Nr. 13 (gleich zwei unglücksbringende Faktoren: eine schwarze Katze und die Zahl 13) und nicht wie bei den Hörspielen die Nummer vier, was daran liegt, dass man sich auf Seiten |EUROPA|s nicht an die amerikanische Reihenfolge gehalten hat. Ursprünglich sollte „Das Gespensterschloss“ den Auftakt zur Serie bilden, wurde aber aus Marketing-Gründen erst als Folge elf veröffentlicht. Regie führt auch in diesmal Heikedine Körting, die ab und zu in den Hörspielen auch als Sprecherin unter Pseudonym einspringt.

Gehen die Sprecher wieder vollkommen in Ordnung und sind über jeden Zweifel erhaben, so haben sich auf der anderen Seite doch kleinere Mängel eingeschlichen: Mal abgesehen davon, dass hier wieder mal der Mystery-Faktor nicht gegeben ist und sich die Handlung auf eine typische Junior-Detektivgeschichte mit (relativ gut getroffenem) Jahrmarktsflair beschränkt, ist „Die schwarze Katze“ eine der schwächeren Folgen und krankt daran, dass sie zu gekünstelt und konstruiert wirkt. Auch logische Fehler sind nicht ganz von der Hand zu weisen. Ohne jetzt zu viel von der Handlung zu verraten, sei hier dennoch ein Beispiel angeführt:

Als die Jungs mit einer gefälschten Stoffkatze vor dem Haus des mutmaßlichen Täters stehen (der diese ja für 25 Dollar aufkaufen will), diskutiert man darüber, wer hineingeht, Andy fällt natürlich aus, denn sollte der Dieb beim Zirkus arbeiten, würde er ihn natürlich erkennen und Verdacht schöpfen. So einigt man sich auf Peter und Bob, mit einer Erklärung von Justus, die nicht logisch nachvollziehbar ist, denn der Dieb hat ja Peters Katze bereits gestohlen und dürfte ihn zweifelsohne ebenfalls wiedererkennen. Zudem ist dem Täter auch die Katze vertraut und es ist unwahrscheinlich, dass er auf die Fälschung hereinfällt, zumal er ja ganz genau weiß, dass er Peter seine gewonnene Katze schon auf dem Jahrmarkt abgeluchst hat.

_Steif(f)tier – Das Fazit_

Eine recht schwache Folge, die mit allerhand Fehlern und zu vielen „Zufällen“ gespickt ist. Sie hat überdies schlichtweg zu wenig Pep, und es fehlt ihr die Spur von geforderter Kombinationsgabe, die sonst in fast allen ???-Hörspielen erforderlich ist. Gerade das Ende, als die Identität des Schurken bereits klar ist auch, und was er bezweckt, wird krampfhaft versucht, die Spannung noch einmal final in die Höhe zu treiben. Das hätte man lieber vorher tun sollen. So verkommt der Showdown leider zu einer mäßigen Brechstangen-Farce.

_Die Hörspieldaten auf einen Blick:_

Titel: „Die drei ??? und die schwarze Katze“ – Folge 4
Buch-Autor: William Arden
Drehbuch: H. G. Francis
Produktion & Regie: Heikedine Körting
Label: EUROPA Studio (jetzt BMG Ariola Miller)
Ersterscheinung: 12.10.1979
Musik: Conrad, Morgenstern, Zeiberts

Die Figuren und ihre Sprecher:

Erzähler (alias Alfred Hitchcock): Peter Pasetti
Erster Detektiv – Justus Jonas: Oliver Rohrbeck
Zweiter Detektiv – Peter Shaw: Jens Wawrczeck
Recherchen & Archiv – Bob Andrews: Andreas Fröhlich
Andy Carson: Stefan Schwade
Mr. Carson: Reiner Brönneke
Khan, „Der Kraftmensch“: René Genesis
Der einzigartige Gabbo: Iwan Raszinsky (Karl-Ulrich Meves)*
Iwan der Grosse: Borris Stepin
Hauptkommissar Reynolds: Horst Frank
Junge: Philip Baader

*) Pseudonym, Klarname in (Klammern)

http://www.natuerlichvoneuropa.de/area__ddf/index.php?sid=1

Schweikert, Ulrike – Nosferas. Die Erben der Nacht 1

Die Geschöpfe der Nacht erleben derzeit im Bereich der romantischen Urban Fantasy eine wahre literarische Auferstehung. Bram Stoker schuf mit seinem Fürst der Finsternis, „Dracula“, den Urvater des heute in Buch- und Filmform verbreiteten vampirischen Charakters.

Viele Eigenschaften und für Vampire ‚typische‘ Charaktermerkmale übernimmt der Autor moderner Phantastik gerne, und es gibt kaum neue Ideen oder Interpretationen dieses Themas. Obwohl die Aura des Bösen die „Erben der Nacht“ immer begleitet, sind wir sterblichen Menschen immer wieder aufs Neue fasziniert von der geheimnisvollen, mystischen Welt, in der diese Schattengestalten untot wandeln. Ihre Welt ist die Dunkelheit, die auch ihre Verbündete ist, sie fürchten das Licht als Sinnbild für das Reine und Gute in der Welt.

Interessant wird es erst dann, wenn die Grenzen zwischen Gut und Böse fließend werden, wenn man den Protagonisten so viel Zeit und Raum lässt, um sich zwischen diesen Welten zu bewegen. Wie interpretiert man, ob eine Handlung gut oder böse ist, aus welcher Perspektive und vor allem welcher Motivation entsprechend ver- und beurteilt man das mutmaßliche Monster? Die meisten Vampire sind im Kern grenzenlos böse und nur auf das Blut unschuldiger Menschen aus, so die allgemeine Ansicht. Gefühle und Hoffnungen, Gemütszustände – außer einem bestialischen Hunger natürlich – und die Suche nach Liebe und Geborgenheit sind ihnen fremd. Sie sind, was sie sind – unmenschlich.

Ulrike Schweikert hat mit ihrem Jugendroman „Nosferas. Die Erben der Nacht“ eine Welt erschaffen, in der Vampire nicht mehr oder minder böse sind als wir Menschen:

_Inhalt_

1877. Seit Jahrhunderten liegen die Vampirfamilien in einem stetigen Streit miteinander. Aus ganz Europa kommen die mächtigen und alten Oberhäupter zusammen, um miteinander den Ernst der dramatischen Lage zu besprechen. Da die wahren Vampire einem Alterungsprozess unterliegen und auch Nachkommen zeugen können, liegt genau im letzteren Umstand das besondere Problem. Es ist neun Jahre her, seit das letzte Kind geboren wurde und langsam aber stetig nimmt die Zahl der Greise zu. Die Clans waren verfeindet, es wurden Kriege gegeneinander geführt, und auch jetzt noch fühlt sich jeder Clan den anderen überlegen und verkehrt deswegen nicht mit clanfremden Angehörigen.

Eine alte menschliche Druidin, die diese Versammlung einberufen hat, konfrontiert die Oberhäupter mit der Gefahr auszusterben, wenn sie nicht gewillt sind zusammenzuarbeiten und dadurch zu überleben. So wird der Entschluss gefasst, dass die heranwachsenden Kinder zusammen ausgebildet werden. Endlich sollen die Clans die Größe und die Macht vergangener Zeiten zurückerlangen.

Die Altehrwürdigen schicken die jungen Vampire nach Rom. In der Ewigen Stadt beim Clan der Nosferas soll der Nachwuchs unterwiesen werden, z. B. in der Immunisierung gegen Reliquien und Zeichen der Kirche. Doch auch alte, längst schon überholte Vorurteile sollen abgebaut werden, Wissen soll vermittelt werden, an dem jeder Clan profitieren kann. Jeder Clan wird die jugendlichen Vampire seine ganz speziellen Fähigkeiten beibringen.

In Rom angekommen, merken die jungen Vampire recht schnell, dass sie unterschiedlicher nicht sein können. Alisa vom Clan der Vamila aus Hamburg ist recht modern und offen, sie interessiert sich für Bücher, für die Wissenschaft und schaut interessiert und zugleich neidisch auf die Welt der Lebenden. Ivy vom Clan der Lycaner, die als Beschützer den weißen Wolf „Seymour“ an ihrer Seite hat, ist merkwürdig introvertiert. Und der junge Vampir Franz Leopold aus der Familie der Dracas aus Österreich, ein Schönling, könnte arroganter nicht sein.

Aber nicht nur Rivalitäten untereinander machen dieser kleinen Schulklasse das Leben schwer. In den Ruinen rund um die Domus Auria, den Sitz der Nosferas, treibt ein Vampirjäger sein Unwesen und vernichtet mit Hilfe eines Lockvogels mehrere der Untoten.

Papst Pius IX., dass Oberhaupt der katholischen Kirche, schlägt sich derweil mit innerpolitischen Problemen herum. Der Vatikan befindet sich derzeit in einer geschwächten Situation und wird außenpolitisch nicht als souveräner Staat anerkannt; auch das Papsttum selbst macht eine Krise in der Anerkennung der Völker durch. Pius IX. fühlt sich in seinem kleinen vatikanischen Palast inmitten Roms wie ein Gefangener, und ein ehrgeiziger Kardinal, der um das Geheimnis der Vampire weiß, nutzt diese Situation aus, um die Kirche wieder in eine weltpolitischen bedeutsame Position zu bringen.

Als unterdessen auch die anderen Clans von dem Vampirjäger erfahren und die Bedrohung auch die jungen Vampire erreicht, müssen diese zusammenarbeiten, um die Gefahr auszuschalten …

_Kritik_

„Nosferas. Die Erben der Nacht“ ist ein spannender Jugendroman, der wie so viele seiner Genrekollegen eine magische Komponente bereithält. Diesmal sind es keine Zauberer oder Hexen, auch kein Internat von Schülern, nein – diesmal spielen junge Vampire die Hauptrolle. Das Gerüst des Plots ist damit bekannt, aber Ulrike Schweikert hat in der Umsetzung dieser Grundidee erfreulicherweise ihre kreative Individualität beibehalten.

Der Schauplatz der Geschichte, die ewige Stadt Rom, ist vortrefflich ausgesucht für das Debüt der jungen Vampire. Vor 130 Jahren war Rom zwar bereits eine moderne Metropole, jedoch strömen die historischen Stätten wie das Forum Romanum, das Kolosseum oder die Engelsburg seit jeher eine mystische und geheimnisvolle, zeitlose Aura aus. Wer Rom und die alten Ruinen und Plätze bei Nacht durchstreift hat, weiß um die besondere Stimmung, in der man förmlich Geschichte und vergossenes Blut erspüren kann, in jedem Stein, in jeder Säule.

„Nosferas. Die Erben der Nacht“ ist zwar im phantastischen Genre anzusiedeln, macht aber durch seine Genre-Vermischung und das Zusammenspiel verschiedener historischer Persönlichkeiten viel an Authentizität wett. Nicht nur die Spannung der erzählten Handlung wirkt auf dem Leser begeisternd, sondern auch die Geschichte Roms birgt viel Interessantes und Wissenswertes. Insgesamt hat die Autorin intensiv recherchieren müssen, um ihre Erzählwelt derartig fundiert präsentieren zu können, und auch dieser Punkt ist für einen Roman, der historische Fakten aufgreift und dessen Handlung sich in der Historie abspielt, unabdingbar.

Die Protagonisten, wie untot sie auch sein mögen, sind erfrischend lebendig und menschlich beschrieben. Weder sind sie klischeehaft grausam noch besonders schön von Gestalt, auch sind sie keine verzweifelten, melancholischen Schatten ihrer selbst. Nein, die Fürsten der Finsternis sind mit allen menschlichen Eigenarten gesegnet und geschlagen. Gerade die jungen Vampire ergänzen sich innerhalb der Gruppe gleichmäßig und wirken sehr sympathisch und – menschlich.

Auch wenn sich Ulrike Schweikert die hier zu erwartenden und typischen erzählerischen Elemente bedient, so weiß sie doch durch den Spannungsaufbau zu überzeugen. Ihr sprachlicher Stil ist dem Thema und dem Genre eines Jugendromans angemessen, und nicht zuletzt durch die verschiedenen Schauplätze, die in späteren Bänden noch auftauchen werden, ist für Abwechslung und dauerhaftes Leserinteresse gesorgt.

Etwas ungewöhnlich, aber deswegen nicht weniger unterhaltsam, sind die Geschichten der Vampire und ihre typischen, besonderen Kräfte. Dass Vampire bei Schweikert altern, auch wenn der Alterungsprozess sich verlangsamt, ist durchaus unüblich; ebenso, dass infizierte Vampire, die früher Menschen waren, als zweitklassige Vampire ihr Leben als Sklave oder Diener ihrer aristokratischen Herren ableisten. Daran wird sich jedoch im Verlauf der nächsten Bände etwas verändern, wie es scheint.

_Fazit_

Ulrike Schweikert erschafft mit „Nosferas. Die Erben der Nacht“ eine ganz eigene Welt mit Vampiren, die in den nächsten Romanen zeigen werden, aus welchen Holz sie letztlich geschnitzt sind.

Konzipiert sind die Charaktere zunächst recht einfach, aber mit dem Alter und ihrer Ausbildung kommt auch die Reifeprüfung ihrer Persönlichkeit. Der Schwerpunkt der Handlung ist auch noch lange nicht erreicht; zwar endet der Roman recht schlüssig, doch gleich einem Marionettenspieler zieht ein großer Unbekannter die Fäden. Welche Motivation ihn antreibt, ob er nun Mensch oder Vampir ist oder welcher Sinn hinter seinen Aktivitäten steckt, wird dem Leser noch nicht klar.

Da die jungen Vampire ihre Elternhäuser in vielen Metropolen Europas haben, kann der Leser mit Spannung darauf warten, was in Irland, Österreich oder Deutschland gelehrt werden wird, und auch hier besteht die Hoffnung, dass die Autorin ebenso viel Wert auf Authentizität legt, wie sie es hier und auch in ihren bisherigen historischen Romanen bewiesen hat. Es gibt viele Geheimnisse, die in dem ersten Band angedeutet werden; sicherlich ein bewusstes Mittel, um den Leser in den zweiten Band zu locken, aber dieser Kniff ist gekonnt ausgeführt und gern willkommen.

_Die Autorin_

Ulrike Schweikert, Jahrgang 1966, beherrscht sowohl das historische als auch fantastische Genre meisterhaft. Ihre historischen Erwachsenen-Romane sind Bestseller und ihr „Drachenkrone“-Zyklus Fantasy-Pflichtlektüre. Nach ihren beiden großen Jugendbuch-Erfolgen „Das Jahr der Verschwörer“ und „Die Maske der Verräter“ hat die vielseitige Autorin nun ihren ersten fantastischen Roman für Jugendliche verfasst: „Die Erben der Nacht“.

|446 Seiten
empfohlen ab 12 Jahren
ISBN-13: 978-3-570-30478-5|
http://www.cbj-verlag.de

Liebe Besucher meiner Internetseite,

Mehr von Ulrike Schweikert auf |Buchwurm.info|:

[„Der Duft des Blutes“ 4858
[„Die Seele der Nacht“ 1232 (Die Legenden von Phantásien)

Patterson, James – 1. Mord, Der (Hörbuch)

_Extrem brutal: der Flitterwochenmörder_

Ein eiskalter Mörder tötet Flitterwöchner noch in der ersten Hochzeitsnacht – um herauszufinden, was das Schlimmste ist, das jemand tun kann. Doch alle weibliche Opfer verbindet etwas, und das ist der Schlüssel zur ungewöhnlichen Aufklärung des Falls. Denn diesmal wird nicht ein Einzelner wie Dr. Alex Cross aktiv, sondern gleich ein ganzer Klub von couragierten Frauen: der Mordklub.

Dies ist der erste Roman in einer neuen Reihe, die einfach von eins aufwärts durchnummeriert ist. Der 1. Band heißt daher „1st to die“, der nächste „2nd Chance“, „3rd Degree“ und so weiter.

_Der Autor_

James Patterson, ehemaliger Besitzer einer Werbeagentur, ist der Autor zahlreicher Nummer-1-Bestseller. Allerdings sind es vor allem seine Alex-Cross-Thriller, die den Leser berühren. Folglich war Alex Cross bereits zweimal im Film zu sehen: „Im Netz der Spinne“ und „… denn zum Küssen sind sie da“ wurden beide erfolgreich mit Morgan Freeman in der Hauptrolle verfilmt. Für Einsteiger sei gesagt, dass Alex Cross ein sympathischer schwarzer Polizeipsychologe ist, der mit seiner Familie in Washington, D.C., lebt.

Patterson ist extrem fleißig. Sein letzter Solo-Roman vor „Blood“ in Deutschland hieß „Ave Maria“, ein Alex-Cross-Roman. Davor erschienen neue Alex-Cross-Romane mit den Titeln „The Big Bad Wolf“ und „London Bridges“. Im Original ist bereits „Double Cross“ erschienen. Seit 2005 sind weitere Patterson-Kooperationen veröffentlicht worden, darunter „Lifeguard“ sowie „Judge and Jury“; im Juli 2007 erschien die Zusammenarbeit „The Quickie“ (deutsch „Im Affekt“, 2008). Im Frühjahr 2003 (deutsch Mitte 2005) erschien auch eine Kollaboration mit dem Titel „Die Rache des Kreuzfahrers“ („The Jester“), deren Story im Mittelalter spielt.

Nähere Infos finden sich unter http://www.twbookmark.com und http://www.jamespatterson.com. Patterson lebt mit seiner Familie in Florida und Westchester, New York.

|The Women’s Murder Club| umfasst bislang folgende Bände:

1. Der 1. Mord
2. Die 2. Chance
3. Der 3. Grad (zusammen mit Andrew Gross)
4. Die 4. Frau (zusammen mit Maxine Paetro)
5. Die 5. Plage (zusammen mit Maxine Paetro)
6. Die 6. Geisel (zusammen mit Maxine Paetro)
7. 7th Heaven (zusammen mit Maxine Paetro)
8. 8th Confession

Mehr von James Patterson auf |Buchwurm.info|:

[„Das Pandora-Projekt“ 3905 (Maximum Ride 1)
[„Der Zerberus-Faktor“ 4026 (Maximum Ride 2)
[„Das Ikarus-Gen“ 2389
[„Blood“ 4835
[„Honeymoon“ 3919
[„Ave Maria“ 2398
[„Wer hat Angst vorm Schattenmann“ 1683
[„Mauer des Schweigens“ 1394
[„Stunde der Rache“ 1392
[„Wenn er fällt, dann stirbt er“ 1391
[„Wer sich umdreht oder lacht“ 1390
[„Die Rache des Kreuzfahrers“ 1149
[„Vor aller Augen“ 1087
[„Tagebuch für Nikolas“ 854
[„Sonne, Mord und Sterne“ 537
[„Rosenrot Mausetot“ 429
[„Die Wiege des Bösen“ 47

_Die Sprecherin_

Nicole Engeln arbeitet als Schauspielerin und Sprecherin. Neben ihren verschiedenen Theaterengagements spielt sie in vielen TV-Serien mit. Ihre Stimme kennt man aus zahlreichen Produktionen großer Fernsehsender. (Verlagsinfo) Sie liest eine von Stefan Hackenberg gekürzte Lesefassung.

Regie in den |Interface Recording Studios|, Köln, führte Stefan Hackenberg.

_Handlung_

Lindsay Boxer ist die einzige Inspektorin in der Mordkommission des San Francisco Police Department (SFPD). Da muss sie manchmal ganz schön hart im Nehmen sein. So wie jetzt, denn nichts hat sie auf den Horror der Flitterwochenmorde vorbereitet. Der erste passiert im gleichen Hotel, in der auch die Hochzeit stattfand. Der zweite passiert verwirrenderweise draußen auf dem Land, im berühmten Weinbaugebiet des Napa Valley. Beide Male wurden an den schönen und wohlhabenden Opfern, die kurz vor ihrem Honeymoon Trip standen, grausame sexuelle Handlungen vorgenommen. Sie wurden nicht nur getötet, sondern auch in jeder Weise entwürdigt.

San Francisco ist dementsprechend geschockt und will schnell Aufklärung der Untaten und die Ergreifung des Monsters. Das ist leichter gesagt als getan. Zum Glück gelingt es ihr, eine neugierige junge Journalistin auf ihre Seite zu ziehen und mit ihr und Claire, Lindsays bester Freundin, einer Gerichtsmedizinerin, einen Klub der Detektivinnen zu gründen. Später ziehen sie noch eine Staranwältin hinzu – wer hätte das gedacht? Schon bald zeitigt das Puzzlespiel der Frauen erste Erfolge.

Doch Lindsay hat auch ein ganz privates Problem, das sie unmittelbar bedroht: Ihr Arzt entdeckt bei ihr eine Blutkrankheit, eine zunehmende Knappheit an roten Blutkörperchen. Als Folge des resultierenden Sauerstoffmangels kippt sie ab und zu in Stresssituationen einfach um. Gut, dass sie einen neuen Freund hat: Chris Raleigh. Nachdem sie ihr Misstrauen überwunden hat, erweist sich der Nichtpolizist Raleigh an ihrer Seite als wahre Stütze. Doch wie kann man eine Beziehung aufbauen, wenn man die wichtigste Wahrheit nicht sagen kann, weil dadurch die Beziehung zum Scheitern verurteilt wäre?

In diesen Zweifrontenkrieg Lindsays platzt die Nachricht eines weiteren Honeymoon-Mordes wie eine Bombe: Der Mörder hat im fernen Cleveland zugeschlagen. Treibt er nun im gesamten Land sein Unwesen? Als die Videoaufnahmen das Gesicht des ungebetenen Hochzeitsgastes enthüllen, traut Lindsay ihren Augen kaum: Der Killer ist eine weltbekannte Persönlichkeit. Wie soll sie ihn zur Strecke bringen?

Wer wird als erster mit dem Sterben dran sein: das nächste Opfer, der Killer oder – Lindsay?

_Mein Eindruck_

„Roses are red / Rosenrot, mausetot“ hatte mich seinerzeit mit seinem hammerharten Schluss absolut umgehauen. Daher wagte ich nicht zu hoffen, dass Patterson ein weiteres Mal dieses Kunststück fertigbringen würde. Und dem ist auch so: „1st to die“ geht viel weiter in die Breite und drückt weitaus stärker auf die Tränendrüsen als „Roses are red“. Dieses Buch ist ergreifend. Dennoch bleibt das Buch spannend bis zur letzten Szene, weil es dem Autor gelingt, immer wieder ein neues Karnickel aus dem Hut zu zaubern, eine neue Wendung einzubauen, auf die der Leser nicht – und die Hauptfigur schon gar nicht – vorbereitet ist.

Was sich schon bei „Roses“ anbahnte, setzt sich hier verstärkt fort: Nicht mehr heroische Männer wie Alex Cross stehen im Mittelpunkt des Geschehens, sondern vielmehr starke Frauen. Doch auch diese sind aufeinander angewiesen, sowohl beruflich wie auch privat, wie Lindsays Krankheit zeigt, sonst würden sie scheitern. Die Anwältin beispielsweise wird benötigt, um sich überhaupt an den prominenten Killer heranzuwagen – und dennoch setzt sie ihre Karriere dafür aufs Spiel.

Was ich hier um den Erhalt der Spannung willen nicht sagen darf, aber mit das Wichtigste am Buch ist, ist natürlich der Mörder. Die ersten vier Morde begeht er sowohl skrupellos als auch in erniedrigender Absicht. Dennoch will er etwas herausfinden: Was ist das Schlimmste, was man tun kann? Beim dritten Doppelmord mischt sich eine persönliche Beteiligung in die Tat, eine Art Rachsucht. Natürlich überrascht uns der Autor: Im Handumdrehen haben wir es mit mehr als nur einem möglichem Täter zu tun, aber welcher ist der richtige? Menschen können sich verkleiden. Bis zum Schluss bleibt diese ungewisse Spannung erhalten, und man kann nur um die Unversehrtheit Lindsays bangen.

Patterson kennt seine Schauplätze aus dem Effeff, als ob er selbst dort gewesen sei. Man nimmt ihm die Akkuratheit seiner Beschreibungen ohne Weiteres ab. Und wo der Hintergrund als sicher gilt, kann bekanntlich im Vordergrund alles Mögliche passieren.

_Die Sprecherin_

Nicole Engeln legt sich ins Zeug, um die Emotionen der Figuren deutlich zum Ausdruck zu bringen. Das gelingt ihr naturgemäß besser bei den weiblichen als bei den männlichen Figuren. Die Frauen klingen durchweg freundlicher und zugänglicher als die Männer. Das heißt nicht, dass alle Frauen eine so hohe Stimme haben müssen wie Cindy Thomas. Bestes Gegenbeispiel ist Claire Thomas, die patente, mütterliche und schwarze Chefpathologin und beste Freundin Boxers: Sie hat eine tiefe Altstimme, mit der sie ganz schön viel Autorität ausstrahlt. Ihr genaues Gegenteil ist die gluckenhafte Mami der Braut Becky, welche ebenso verzückt wie völlig hirnlos klingt. Das kann Claire Thomas nie passieren.

Die Männer sind häufig relativ aggressiv, insbesondere in der Polizeitruppe. Schon Warren Jacobi drückt mit seiner tiefen Stimme großen Sarkasmus aus. Und als Cindy Thomas unerkannt zum ersten Tatort vordringt, wird sie aggressiv angefaucht, sie solle sich rausscheren. Dann gibt es noch mehrere Ärzte, die leicht blasiert klingen. Bei Dr. Medwed setzt die Sprecherin einen deutlich hörbaren slawischen Akzent ein, indem sie die Rs rollt und das Ch möglichst kehlig ausspricht.

Engelns einzige Schwäche ist ihre Unkenntnis darüber, wie man bestimmte englische Namen ausspricht. Den Nachnamen von Chris Raleigh spricht [rejli] statt [rå:li] aus. Und Napa Valley klingt bei ihr seltsam: Sie sagt [nejpa] statt [näpa]. Vielleicht sollte sie einfach mal hinfahren oder einen Experten fragen. Ihre Kollegin Julia Fischer ist da wesentlich kenntnisreicher.

|Sounds|

Die hier einegsetzten Sounds sind sowohl Geräusch als auch Musik. Es fällt mir schwer, sie als das eine oder andere zu bezeichnen. Wie auch immer: Diese „Klänge“ dienen dazu, dem Hörer eine zusätzliche Gänsehaut des Grauens zu verursachen, so klirrend schräg klingen sie. Weil sie nur in den Pausen zwischen den kurzen Kapiteln zu hören sind, sind sehr kurz, maximal 2-3 Sekunden, und es gibt nur zwei verschiedene Klänge. Aber solche schauderhaften musikalischen Motive würde man nie in einer TV-Krimi-Serie zu hören bekommen. Die weiblichen Zuschauer würden in Scharen davonlaufen.

_Unterm Strich_

Mit der Betonung der emotionalen und sozialen Dimension des Verbrechens begibt sich Patterson auf das Spielfeld eines anderen bekannten Spannungsautors, auf das von Dean Koontz. Koontz hat sich wegbewegt vom Übernatürlichen, Unerklärlichen hin zu höchst seltsamen Praktiken der Psychologie, dem Wahnsinn von Serienkillern. Bei Pattersons Killern hat dieser Wahnsinn noch Methode: dahinter steckt der Wunsch zu erkennen und zu schocken.

Glücklicherweise sind Pattersons Bücher noch wesentlich dünner und schneller zu lesen als die Ziegelsteine, die Koontz in den 90er Jahren produziert hat. Die superkurzen Kapitel, das Markenzeichen jedes Patterson-Romans, erlauben praktisch keine Atempause. Zudem schrieb Patterson diesen ersten Band noch völlig selbständig, die Folgebände ließ er schreiben.

|Das Hörbuch|

Alles in allem ist dies ein sehr lebhafter und abwechslungsreicher Vortrag. Engelns einzige Schwäche ist ihre Unkenntnis darüber, wie man bestimmte englische Namen ausspricht.

Da dieses Hörbuch keine Sonderausgabe des ADAC ist wie etwa „Die 5. Plage“ aus dem gleichen Hause, kostet die CD-Box auch entsprechend mehr, nämlich rund 20 €uronen. Das ist aber immer noch günstig, besonders für einen so erfolgreichen Autor wie Patterson, der durchaus hohe Honorare für seine Veröffentlichungsrechte verlangen kann.

|Originaltitel: 1st to die, 2001
Aus dem US-Englischen übersetzt von Edda Petri
390 Minuten auf 5 CDs
ISBN-13: 978-3-86804-495-9|
http://audiomedia.de/category/verlag/hoerbuch/target-mitten-ins-ohr/
http://www.jamespatterson.com

Feehan, Christine – Mein dunkler Prinz (Die Legende der Karpathianer 1)

Mikhail Dubrinsky steht in seiner Bibliothek und sinniert darüber, ob er seinem Leben nicht vielleicht ein Ende setzen sollte. Alles ödet ihn an und er weidet sich ein wenig an seiner eigenen Depression, die gerade unmenschliche Ausmaße anzunehmen droht. Würde Mikhail doch bloß tatsächlich Selbsmord begehen, dann wäre Christine Feehans Schmachtfetzen „Mein dunkler Prinz“ zu Ende, bevor er richtig begonnen hat. Leider ist dem armen Hörer dieses Glück nicht vergönnt, denn in Feehans Welt stehen Frauen auf dunkle, von Selbstzweifeln geplagte Männer, die sich genüsslich in Selbstmitleid wälzen.

Und so betritt Raven Whitney die Bildfläche. Per telepathischer Fangschaltung klinkt sie sich in Mikhails Gedanken ein und erklärt ihm, dass es für solch drastische Maßnahmen wirklich keinen Grund gebe. Mikhail verliebt sich aus unerfindlichen Gründen sofort in die Retterin in seinem Ohr und beschließt, dass sie seine Gefährtin ist. Die einzige Frau nämlich, die er wirklich lieben kann, die seine Seele komplettiert, ihn wirklich versteht und echt heißen Sex mit ihm hat.

Praktischerweise befindet sich Raven nur einen Flügelschlag von ihm entfernt, nämlich in einem kleinen Gasthof. Zunächst einmal lauert er ihr heimlich auf, um sich von ihren körperlichen Reizen zu überzeugen: zierlich, schwarze Haare, die Rundungen an den richtigen Stellen. Doch lange kann er sich nicht vor ihr verstecken und so landen sie bald im Bett, ohne dass sie drei Sätze miteinander gewechselt hätten. Und trotzdem, das ist die große Liebe, will uns Christine Feehan weismachen.

Eine Art Alibi-Plot bietet die Autorin auch, denn in den Szenen, in denen Raven und Mikhail sich nicht gerade anschmachten oder in den Laken wälzen, versuchen ein paar gehirnamputierte Amerikaner, Vampire umzubringen. Diese Handvoll Gegenspieler ist so lustlos dargestellt, so lapidar dahingeschrieben, dass man den Eindruck gewinnt, das Trüppchen teile sich ein Gehirn – da gibt es nichts, was die Charaktere voneinander unterscheiden würde. Nicht einmal eine Motivation für die stümperhafte Vampirjagd mag Feehan liefern. Selbige Jagd gilt es natürlich zu stoppen, aber das gelingt – selbstverständlich – nicht, ohne dass Raven mitten in der Schlusslinie landet, damit sie vom tapferen Mikhail gerettet werden kann. Und das ist auch schon alles, was „Mein dunkler Prinz“ an Handlung anzubieten hat.

Christine Feehan hat mit „Mein dunkler Prinz“ einen |Bodice Ripper| (wie das Cover ja eindrücklich beweist) der untersten Schublade geschrieben, der nichtsdestotrotz der Beginn einer Serie mit mittlerweile neunzehn (!) sicherlich ebenso drögen Teilen ist. Der Roman ist oberflächlich, uninspiriert und so formelhaft aufgebaut, dass man eher Wut als nur pure Langeweile empfindet.

Feehan hat vom Wort Recherche noch nie etwas gehört. Wo sich die Handlung eigentlich abspielt, bleibt ein Geheimnis. Wir befinden uns irgendwo in den Karpaten und es gibt ein Gasthaus, das so wohl aus einem Roman aus dem 18. Jahrhundert entwendet wurde. Es gibt keine Details, nichts, das dafür sorgen würde, dass dieses Setting nicht wie eine Kulisse, sondern wie eine tatsächliche Ortschaft wirkt. Es gibt nichts Eigenes, Originelles, das den Schauplatz der Handlung irgendwie charakterisieren würde. Offensichtlich hat Feehan die Karpaten nur gewählt, weil sie der Meinung ist, dass sich das für einen Roman mit Vampiren so gehört. (Wobei sie nicht müde wird zu erwähnen, dass Mikhail kein Vampir, sondern Karpathianer ist. Leider vergisst sie zu erklären, worin genau der Unterschied besteht.)

Auf ihre Charaktere verwendet Feehan ebenso viel Zeit wie auf ihren Handlungsort – nämlich gar keine. Wir erfahren, dass Raven aus irgendeinem Grund telepathisch veranlagt ist und deshalb dem FBI bisweilen dabei hilft, Mörder aufzuspüren. Weil sie das so mitgenommen hat, ist sie nun in Urlaub in die Karpaten gefahren, um mal so richtig abzuschalten. Ansonsten erfährt der Hörer nur noch, dass sie mit Mitte zwanzig noch unberührt ist (offensichtlich eine zwingende Voraussetzung in einem Liebesroman) und natürlich gut aussieht. Woher kommt sie eigentlich? Was arbeitet sie? Ist sie beim FBI angestellt oder hat sie eigentlich einen ganz anderen Beruf? Hat sie Familie, Freunde? Vielleicht wenigstens ein Haustier? Was mag sie, was hasst sie? Uninteressant, findet Feehan, weil sowas nur von Ravens endloser Schmachterei ablenkt, in die sie verfällt, sobald Mikhail auch nur in die Nähe kommt.

Mikhail ist auch nicht besser. Er leidet die ganze Zeit vor sich hin, weil das von einem „dunklen Prinzen“ eben so erwartet wird; und obwohl er Raven ständig seine unsterbliche Liebe gesteht und ihr versichert, er könne ihr nie wehtun, überkommt ihn beim ersten leidenschaftlichen Sex sofort der Blutdurst, sodass er sie fast umbringt. Feehan will der Zielgruppe damit offenbar beweisen, dass Mikhail ein echter Brutalo sein kann (ein Quäntchen Gefahr facht halt die Leidenschaft an), der aber hinterher stets ordentlich betroffen ist, wenn er seiner Angebeteten schon wieder fast den Garaus gemacht hat. Darüber hinaus ist er ein unausstehlicher Macho, wobei sich Ravens Aufbegehren gegen seine altertümlichen Ansichten (er vertauscht ihre Jeans gegen einen langen Rock, weil Frauen „keine Männersachen tragen sollten“) darin erschöpft, dass sie sich mit Fispelstimme und Wimperngeflatter in seine Arme fallen lässt.

Man könnte sich auch noch über Feehans nicht vorhandene Handwerkskunst ereifern. Für den Leser wichtige Expositionen packt sie gern in Dialoge, was dann dazu führt, dass sich Charaktere Dinge erzählen, die sie ohnehin schon wissen, was naturgemäß gestelzt und forciert wirkt. Man könnte sich darüber ärgern, dass es in dem Hörbuch keine Szene gibt, in der nicht entweder Raven, Mikhail oder beide vorkommen, was auf Dauer extrem ermüdend wirkt. Man könnte anmerken, dass die ewigen Sexszenen langweilig sind und sich ständig wiederholen. Man könnte erwähnen, dass Feehan keinen glaubwürdigen Grund dafür liefert, warum Raven und Mikhail sich nun eigentlich ineinander verlieben. Es gibt vieles, das man an „Der dunkle Prinz“ noch bemängeln könnte, aber es ist sicherlich bereits offensichtlich geworden, dass diese Rezension nicht in einer glühenden Empfehlung münden wird.

Suzan Amir Gusovius spricht das Hörbuch mit fatalistischer Gleichgültigkeit. Sie klingt eher, als würde sie eine CD mit autogenem Training besprechen – langsam, getragen und fast ohne Stimmmodulation. Immerhin schafft sie es, nicht bei jeder lächerlichen und völlig unsinnigen Szene (und davon gibt es viele) in schallendes Gelächter auszubrechen. Diese Fähigkeit kann man ihr nicht hoch genug anrechnen.

|Lübbe Audio| hat „Mein dunkler Prinz“ in gekürzter Fassung auf CD gebannt (|Lübbe| nennt das euphemistisch „bearbeitete Fassung“) – eine Entscheidung, die sehr zu begrüßen ist. Noch mehr „dunkler Prinz“ wäre auch kaum zu ertragen gewesen.

Christine King Feehan wuchs mit ihren drei Brüdern und zehn Schwestern auf, die auch die ersten Leser ihrer Geschichten waren. Sie ist mit Richard Feehan verheiratet und Mutter von elf Kindern. Neben dem Schreiben lehrte sie Kampfkunst und Selbstverteidigung. Sie hat drei schwarze Gürtel im koreanischen Stil Tang So Do Mu Duk Kwan und weitere Ränge in verschiedenen anderen Stilen. „Dark Prince“ ist ihr Debüt als Autorin. Mittlerweile hat sie mehr als dreißig Bücher veröffentlicht.

|Originaltitel: Dark Prince, 1999
313 Minuten auf 4 CDs
Bearbeitete Fassung
ISBN 978-3-7857-3376-9|
http://www.luebbeaudio.com
http://www.christinefeehan.com

Gustavus, Frank – Blackout (Hörspiel)

_Inhalt:_

Hollywood 2001. Der abgehalfterte Schauspieler Paul Spense bekommt nur noch Rollen in drittklassigen B-Movies, obwohl er früher doch ein gefeierter Star war. Mittlerweile ist der Alkohol sein bester Freund und auch sein windiger Agent Leo Lime, genannt „das Frettchen“, zieht ihm schon lange keine lukrativen Angebote mehr an Land.

Auf einer Imageparty kommt es dann zum Desaster. Spense gerät in Streit und spricht erneut dem Alkohol zu. Die Folge ist ein Blackout, der Spense in eine Welt entführt, die er nur aus Erzählungen und Büchern kennt: Das Dritte Reich unter der Führung von Adolf Hitler! Und alles fühlt sich so real an, dass Paul Spense nicht an einen simplen Alptraum glauben kann. Plötzlich wird der einstige Schauspieler als Spion von der Gestapo und der SS gejagt. Ein nicht enden wollendes Schreckensszenario nimmt den Schauspieler gefangen …

_Meinung:_

Das zweite Hörspiel des Labels |Ripper Records| wartet mit einer eigens für dieses Projekt geschriebenen Story auf, die sehr originell von Frank Gustavus verfasst und inszeniert wurde. Die glamouröse Welt des modernen Hollywood trifft auf eines der dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte. Stärker können zwei Gegensätze kaum kontrastieren, und mit der Figur des Paul Spense wurde ein Antiheld geschaffen, der durch die geniale Darbietung von Helmut Krauss bereits nach wenigen Sätzen sympathisch wirkt.

Mit der Besetzung wurde sich ebenso viel Mühe gegeben wie mit der Musik und den spärlich eingesetzten Effekten. Das Hörspiel bezieht seine Atmosphäre aus den Dialogen und den Leistungen der Schauspieler, die mit viel Herz bei der Sache waren. Dietmar Mues, der Ripper, spielt hier Stanley Crane beziehungsweise Obersturmbannführer Dorff und bildet einen wunderbaren Gegenpol zum Part von Helmut Krauss. Als weibliche Hauptrolle ist Ulrike Frank zu hören, die aus diversen Film- und Fernsehproduktionen (unter anderem GZSZ) bekannt ist. Hier zeigt sie, dass sie allein mit ihrer Stimme Figuren Leben einhauchen und eine wunderbare Darbietung liefern kann. Natürlich sind auch Hörspiellegenden vertreten, wie Jürgen Thormann, Lutz Mackensy, Robert Missler und F.-J. Steffens. Aranka Mamero-Jaenke hat bereits als Elizabeth Stride in „Jack the Ripper – Geschichte eines Mörders“ eine eindrucksvolle Leistung geboten und zeigt sich auch als resolute Wirtin mit Berliner Akzent sattelfest.

Der klangvolle Soundtrack dieses Hörspiels ist Jan-Peter Pflug zu verdanken, der sich wirklich mit Herzblut in dieses Projekt hineingekniet hat. An zwei Musikstücken (die bei der Party im Hintergrund laufen) hat er 20 Stunden gesessen und komponiert – ein kleiner Eindruck dessen, was hinter einem „simplen“ Hörspiel an Arbeit steckt.

Die Geschichte ist mit knapp einer Stunde Spielzeit erheblich kürzer als das Ripper-Debüt, sorgt dadurch aber auch für eine enorme Rasanz und Kurzweil. Eine vorbildliche Trackeinteilung von 20 Kapiteln macht das schnelle Anwählen einzelner Szenen möglich.

Die Gestaltung dieses Hörspiels oblag Dominik Krause-Paulus, der nicht nur die Titelillustration zeichnete, die fabelhaft die Gegensätze des heutigen Hollywood mit dem Deutschland 1941 verkörpert, sondern auch die Darsteller mit lebensechten Portrait-Zeichnungen verewigte.

_Fazit:_

„Blackout“ ist ein erstklassiges, liebevoll produziertes Hörspiel, dass innerhalb einer guten Stunde eine extrem spannende Geschichte erzählt. Helmut Krauss stellt seine Vielseitigkeit ebenso unter Beweis wie seine 16 Kollegen. Ein grandioser Soundtrack und technisch brillante Effekte schaffen eine wirklichkeitsgetreue Atmosphäre, die den Hörer sofort gefangen nimmt.

Mehr von |Ripper Records| auf |Buchwurm.info|:

[„Gesucht: Billy the Kid“ 2929
[„Die vergessene Welt“ 1780
[„Der Vampyr oder Gespenstersommer am Genfer See“ 525
[„Der Vampyr – Die Erzählungen“ 924

|59 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-1329-7|
http://www.ripperrecords.de
http://www.luebbe-audio.de

|Die Sprecher:|

Helmut Krauss, Dietmar Mues, Ulrike Frank, Lutz Mackensy, Jürgen Thormann,
Achim Schülke, Katrin Gerken, Jona Mues, Volker Bogdan, Franz-Josef Steffens,
Aranka Mamero-Jaenke, Robert Missler, Werner Cartano, Steffen Przbyl, Thorsten W. Weber, Antje Seibel und Frank Gustavus.

Musik: Jan-Peter Pflug
Solo-Violine: Rodrigo Reichel
Geräusche: Martin Langenbach
Tonmeister: Manfred Knauff
Illustrationen: Dominik Krause-Paulus
Artwork: Holger Albertini
Buch, Regie und Produktion: Frank Gustavus

_Florian Hilleberg_

Soboczynski, Adam – schonende Abwehr verliebter Frauen, Die

_Elegante Einführung ins Welttheater_

Grünes Kunstleder, geprägte Schrift und ein Bordeaux gefärbter Schnitt – |Kiepenheuer| hat sich eine auffällige, aber nicht aufdringliche Aufmachung für Adam Soboczynskis neues Werk einfallen lassen, welche ganz den Menschentyp widerspiegelt, den der Autor recht zynisch aber durchaus witzig propagiert. Zunächst mutet das Buch als Ratgeber in Sachen Lebensführung an, wollen die 33 Geschichten doch zeigen, |“wie sich in einer Welt geschickt zu verhalten sei, in der Fallen lauern und in der Intrigen walten“|, und beispielhaft in die „Kunst der Verstellung“ einführen. Solchermaßen findet man bereits auf der hinteren Umschlagseite die Zehn Gebote der Verstellungskunst, mit deren Hilfe sich der Leser in der Fertigkeit, ein gewünschtes Bild von sich so darzustellen, dass man seine Ziele erreicht, vervollkommnen können soll.

In den Geschichten findet der Leser Typen wie den leicht zu durchschauenden Herr Walter, den hochnäsigen Hochschulprofessor, die Mutter, der es immer wieder gelingt, ihrem Sohn Schuldgefühle einzureden, unglücklich verliebte Menschen, Menschen, die sich die Liebenden eher von Hals halten möchten – sie tauchen im Laufe der Geschichten immer wieder auf und werden somit in einem vielfältigen Beziehungsgeflecht gezeigt, das sich dem Leser ganz wie im richtigen Leben nicht beim ersten Auftreten, sondern erst nach einem längeren Beobachtungszeitraum erschließt. Sie allen spielen laut Soboscynski „Welttheater“, um andere zu schonen, damit sie ihnen in Zukunft nicht schaden können, und/oder um sich der Konkurrenz gegenüber Vorteile zu verschaffen.

Dieses Bild der Welt und der in ihr handelnden Personen greift auf die Ideen des Barockzeitalters zurück. Der Autor verweist mehrmals auf die Theorien des Balthasar Gracián, dessen Leitfaden für die höfische Benehmenskultur „Handorakel und Kunst der Weltklugheit“ (1653) er auf die Gegenwart zu übertragen versucht. Beiden Autoren geht es darum, den Lesern zu zeigen, dass man seine Affekte beherrschen muss, um den richtigen Schein aufzubauen und zu wahren sowie stets das gewünschte Bild von sich zu zeigen. Dieses Ideal der gekonnten Verstellung wurde im Laufe der Jahrhunderte von der bürgerlichen Kultur mit ihrem Ideal der Innerlichkeit und der Aufrichtigkeit der Gefühle abgelöst. Soboczynski zeigt in anspruchsvoller, geschliffener, gelegentlich vielleicht etwas zu umständlicher Sprache, dass jedoch gerade in der heutigen Zeit, in der sich jeder Mensch in einer Vielfalt von Beziehungsgeflechten und Abhängigkeiten befindet, diese Verstellungskunst aktueller ist denn je. Menschen, die sie anwenden, steigen auf; wer sich dieser Verhaltensregeln nicht beugt, ist laut Soboczynski zum Scheitern verurteilt. Der Zyniker wird begeistert nicken, der Romantiker sich angewidert abwenden.

Tatsache ist jedoch, dass das Individuum in einem sozialen Netz agiert, in dem es beständig gezwungen ist, bestimmte Rollen auszufüllen. Auf der anderen Seite muss jeder Mensch seine Ziele im Leben und die Art und Weise, diese zu erreichen, noch immer für sich selbst definieren. Nicht jeder ist für jede Rolle geeignet, die letztendlich mit dem Selbstbild korrespondieren muss, damit man sie überzeugend ausfüllen kann. Somit bildet das Buch den Auslöser, sich des Rollenspiels in vielen Bereichen des Lebens bewusst zu werden, um erfolgreich mitspielen zu können – oder in Momenten, in denen es dem Individuum näher an seinem Selbst erscheint, aus solchen Rollenspielen auszusteigen. Auch der Volksmund weiß, dass man sich im Leben immer zweimal trifft, dass es aus dem Wald hinausschallt, wie man hineinruft etc. „Die schonende Abwehr verliebter Frauen“ erinnert an den Wahrheitsgehalt solcher Aussagen und daran, sich dessen zu besinnen, damit man so handeln kann, dass man sich keine Optionen verbaut. Die postmoderne Gesellschaft ist dabei jedoch so vielfältig und die Verhaltenscodes so unterschiedlich, dass es schwerfallen dürfte, allgemeingültige Regeln aufzustellen. Selbst der SMS-Code, der eine schonende Abwehr sein soll, muss als solcher vom Gegenüber verstanden werden. So manche verliebte Frau möchte vielleicht eher ein deutliches Wort an der richtigen Stelle hören als sich permanent des Codes vorgeblich schonender Phrasen erinnern zu müssen.

|204 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-378-01100-7|
http://www.aufbauverlag.de

Freeman, Brian – Las-Vegas-Killer

_Das geschieht:_

Ein Mann verfolgt und erschießt ein Millionärssöhnchen; er hinterlässt seinen sorgfältig platzierten Fingerabdruck. In einem Vorort wird ein Kind überfahren; an der Scheibe des Unfallwagens prangt der bekannte Abdruck. Einer ehemaligen Lehrerin wird die Kehle durchgeschnitten; der Verdächtige ist erneut unser dreister Unbekannter.

Wer ist der Mann, der offenbar eine Fehde mit der Polizei vom Zaun brechen will, und wo ist die Gemeinsamkeit zwischen den brutalen Taten? Jonathan Stride, Ermittler bei der Mordkommission von Las Vegas, wird mit seinem ersten großen Fall gleich ein heißes Eisen zugeschoben. Dabei ist der ehemalige Star-Polizist aus dem kalten, weit entfernten Minnesota ein Außenseiter, den sogar sein Vorgesetzter gern kaltgestellt sähe, da Stride nicht gewillt ist, politische Rücksicht walten zu lassen, sondern diverse hochgestellte Persönlichkeiten mit unangenehmen Fragen behelligt.

Zu ihnen gehört Boni Fisso, einer der letzten großen Mafia-Bosse, die Las Vegas einst regierten. Im Penthouse-Pool seines „Sheherezade“-Casinos wurde 1967 die Leiche der schönen Tänzerin Amira Luz gefunden – ein Mord, der nie zufriedenstellend aufgeklärt werden konnte. Bis Stride, seine Partnerin Amanda Gillen und seine Kollegin und Lebensgefährtin Serena Dial entdecken, dass die Ermordeten der Gegenwart in das Geschehen der Vergangenheit verwickelt waren, hat der Killer die Liste seiner Opfer verlängert. Er befindet sich offensichtlich auf einem Rachefeldzug. Was ihn antreibt, ist Rache für Amira Luz. Um ihn zu entlarven, müssen Stride, Gillen und Dial das Geheimnis lüften. Doch die Verdächtigen hatten vierzig Jahre Zeit ihre einstigen Verbrechen zu vertuschen. Stück für Stück müssen die drei Polizisten ihnen die Wahrheit entreißen. Das kostet Zeit, die sie nicht haben, denn der Las-Vegas-Killer rüstet längst zum großen Finale, für dessen Verwirklichung er sich einen besonders teuflischen Plan einfallen lässt …

_Stadt ohne Geschichte und Gewissen_

Las Vegas im US-Staat Nevada: eine Stadt, die inmitten einer heißen Sandwüste errichtet wurde und schon deshalb eine Torheit ist, die jedoch blüht und gedeiht, weil sie dem ansonsten verpönten und verbotenen Glücksspiel eine Nische bietet. Gigantische Casinos schossen nach dem II. Weltkrieg wie Fabriken aus dem Boden. Sie verbanden den Kitzel des Spiels um hohe Summen mit einem Unterhaltungsangebot, das die größten Stars ihrer Zeit darboten. Hinter den Kulissen hatte viele Jahrzehnte das organisierte Verbrechen das Sagen. Las Vegas ist eine ‚Gründung‘ der Mafia, die bis in die 1970er Jahre Erträge abwarf, die sich mit den Bruttosozialprodukten gar nicht kleiner Ausländer vergleichen ließen.

In dieser ‚großen‘ Zeit der Glitzerstadt wurzelt der Plot von „Las-Vegas-Killer“. Längst hat die US-Regierung die Mafia vertrieben. Las Vegas ist zu einer Touristenattraktion und –falle geworden. Die Verbrechensrate blieb zwar hoch, doch sind kriminelle Aktivitäten, wie Brian Freeman sie zur Grundlage seiner Geschichte macht, heute wohl nicht mehr möglich.

Vierzig Jahre sind an sich keine lange Zeitspanne. Nicht wenige Männer und Frauen, die damals Täter oder Opfer waren, haben überlebt oder mischen noch heute – vorsichtig geworden – im Vegas-Business mit. Die Zeit läuft in der Wüstenstadt anders ab; eine Tatsache, die Freeman immer wieder thematisiert, weil sie einerseits schwer verständlich ist und andererseits begriffen werden muss, damit die Story sinnvoll wird.

_Thriller ohne Originalität und Überraschungen_

Der Mythos Las Vegas ist – egal ob vergangen oder aktuell – ein Stoff, aus dem unzählige Kriminalromane und –filme entstanden sind. Die dabei gelungenen Werke zu kennen, ist nur bedingt von Vorteil, weil dies die Erkenntnis fördert, dass Freeman sich stur an die Vorgaben hält. Jedes Vegas-Klischee feiert fröhliche Urständ, was der Leser weniger begeistert registriert.

Für „Las-Vegas-Killer“ hat sich der Autor zwar einen soliden und ablauftauglichen Plot einfallen lassen, den er jedoch allzu sorgfältig konstruiert und entwickelt. Faktisch treibt er seinem Thriller damit jede Überraschung aus. Brutale Mord- und drastische Bettszenen sollen für Ersatz sorgen, aber da die einen einfallsarm und die anderen US-amerikanisch, d. h. puritanisch verdruckst daherkommen, will die Rechnung nicht aufgehen.

So erbarmungslos wie der Las-Vegas-Killer lässt Freeman die Handlung in ebenfalls sattsam bekannten Klischees (ver-)enden. Selbstverständlich wird ihr ein Schluss-Twist aufgesattelt, der die bisher erzählte Story plötzlich in Frage stellt. Um gänzlich auf Nummer Sicher zu gehen, lässt der Verfasser diesem Twist noch ein Überraschungs-Twistchen folgen … „Las-Vegas-Killer“ gehört zu jenen Romanen, die einfach kein Ende finden wollen, sondern immer noch weiter gehen, selbst wenn der logische Schlusspunkt längst gesetzt ist. Da wundert es nicht, dass auf den nun wirklich letzten Seiten die Fortsetzung vorbereitet wird.

_Thriller-Traum mit Seifenschaum_

Das bringt uns zu einem weiteren Manko: „Las-Vegas-Killer“ erschöpft sich keineswegs in einer möglichst spannenden Geschichte. Unabhängig von der Frage, ob Freeman eine solche überhaupt geglückt ist, nimmt er selbst immer wieder das Tempo aus der Handlung, wenn er die Soap-Opera-Maschine anwirft. Die arbeitet manchmal im Leerlauf, aber viel zu oft auf Hochtouren:

– Jonathan Stride ist heimatlos unglücklich in Las Vegas UND wird als Polizeibeamter gemobbt UND muss sich mit einer transsexuellen Partnerin zusammenraufen UND wird von seiner Lebensgefährtin lesbisch betrogen …

– Serena Dial ist Alkoholikerin UND wurde als junges Mädchen von ihrer Mutter als Prostituierte verkauft UND hat ihre beste Freundin UND Ex-Geliebte im Elend sterben sehen UND ist in mittleren Jahren kinderlos UND wird, obwohl unsterblich in ihren Jonathan verliebt, lesbisch (s. o.) rückfällig …

– Amanda Gillen ist eigentlich nur transsexuell, wird aber deshalb von den bösen Kollegen ständig gehänselt und muss, was viel schlimmer ist, für Freeman politisch korrekte Zaunpfahl-Hiebe austeilen: Seht doch, ich bin ein Mensch wie ihr! Akzeptiert mich doch endlich!

Mafiosi sind pompös und großtuerisch, nur um im nächsten Moment die Maske fallen zu lassen und schurkisch zu tücken, Politiker verlogen und niederträchtig. Der „Las-Vegas-Killer“ wird als übermächtiger Bösewicht geschildert und im Finale via Küchenpsychologie als Muttersöhnchen mit Riss in der Hirnwaffel demontiert.

Nein, dieses Buch weist definitiv keine Scorsese-Qualitäten auf. Näher kommt ihm eine Szene aus der TV-Serie „CSI Las Vegas“: Mogul Sam Braun sitzt mit den tattrigen Schauspielern Frank Gorshin und Tony Curtis – sie spielen sich selbst und gehörten zu ihrer Zeit zur Vegas-Prominenz – in seinem Casino und schwelgt rührselig in Erinnerungen an die gute, alte, böse Zeit (Doppelfolge „Grabesstille“ von Quentin Tarantino). Genauso ‚authentisch‘ wirkt „Las-Vegas-Killer“ mit seinem Talmi-Thrill aus zweiter Hand.

_Der Autor_

Brian Freeman wurde 1963 in Chicago, Illinois, geboren. Die Familie siedelte nach San Mateo in Kalifornien um und zog später nordostwärts nach Minnesota. Am Carleton College in Northfield studierte Freeman Englisch. Nach dem Abschluss 1984 arbeitete er u. a. in der Marketing- und PR-Abteilung einer internationalen Anwaltskanzlei.

Schriftstellerische Ambitionen spürte Freeman nach eigener Auskunft schon in seinen Jugendjahren. Ein erster Romanentwurf entstand während des Studiums; weitere, stets unveröffentlichte Manuskripte folgten. Erst 2004 erschien „Immoral“ (dt. [„Unmoralisch“/“Doppelmord“), 2037 der erste Thriller um Ermittler Jonathan Stride, und wurde sogleich ein Bestseller, der für einen „Edgar“, einen „Dagger“, einen „Anthony“ und einen „Barry Award“ nominiert wurde und den „Macavity Award“ der „Mystery Readers International“ für das beste Romandebüt gewann.

Die Jonathan-Stride-Romane von Brian Freeman erscheinen in Deutschland im Verlag |Hoffmann und Campe| (gebunden) bzw. zuvor im |Club Bertelsmann|:

(2005) Immoral [(„Unmoralisch“/“Doppelmord“) 2037
(2006) Stripped („Las-Vegas-Killer“)
(2007) Stalked (noch nicht in Deutschland erschienen)
(2008) In the Dark (US-Titel) / The Watcher (GB-Titel) (noch nicht in Deutschland erschienen)
(2009) Unsolved (noch nicht erschienen)

_Impressum_

Originaltitel: Stripped (New York : St. Martin’s Press 2006)
Übersetzung: Imke Walsh-Araya
Deutsche Erstausgabe: 2006 (Bertelsmann Club / RM-Buch-und-Medien-Vertrieb, exklusive Buchgemeinschaftsausgabe)
Erstausgabe für den deutschen Buchhandel: August 2008 (Hoffmann und Campe Verlag)
490 Seiten
EUR 17,95
ISBN-13: 978-3-455-40136-3
http://www.hoca.de

Dahl, Arne – Misterioso

_Dartpfeile, Jazz und die estnische Mafia_

Was hatten die drei kaltblütig nach einem präzisen Ritual hingerichteten schwedischen Geschäftsmänner gemein? Paul Hjelm, Ermittler der Stockholmer Sonderkommission für „besondere Fälle“, steckt in einer Sackgasse. Erste Ermittlungen über eine Geheimloge führen nicht weiter. Ist womöglich die russische Mafia in die Morde verwickelt? Ohne Unterstützung durch seine Kollegin Kerstin Holm hätte Hjelm längst das Handtuch geworfen. Doch dann die heiße Spur: ein Jazzstück mit dem Titel „Misterioso“ …

_Der Autor_

Arne Dahl ist das Pseudonym des schwedischen Krimiautors Jan Arnald, der für jene schwedische Akademie arbeitet, die alljährlich die Nobelpreise vergibt. Seine Romane um Inspektor Paul Hjelm werden laut Verlag von Publikum und Kritik begeistert aufgenommen. 2004 wurde er mit dem wichtigsten dänischen Krimipreis ausgezeichnet, dem „Pelle-Rosenkrantz-Preis“. Mehr Infos unter http://www.arnedahl.net.

Weitere Dahl-Krimis sind:

Misterioso
Tiefer Schmerz
[Rosenrot 3091
[Böses Blut 2416
[Falsche Opfer 3730
[Ungeschoren 5087

_Sprecher & Produktion_

Till Hagen ist die deutsche Stimmbandvertretung für Filmstars wie Kevin Spacey, Billy Bob Thornton und Kevin Kline. Er absolvierte die Schauspielschule in Berlin und war am Theater in Dortmund und Bielefeld engagiert. Seit 1977 ist der professionelle Rundfunksprecher beim RBB und anderen ARD-Sendeanstalten tätig. Er hat bislang alle Krimis von Arne Dahl vorgelesen.

Der Text wurde von Hannelene Limpach gekürzt. Die Aufnahmeleitung hatte Jan Philipp B. Grobst, die Technik von |Lambda Audiovision| in Berlin dirigierte Andreas Fuhrmann.

_Handlung_

Das schwedische Reichskriminalamt betraut Kommissar Jan Olof Hultin mit der Bildung einer schnellen Ermittlungsgruppe bei kriminellen Gewalttaten, besonders bei Serienmorden und organisierter Kriminalität. Unter den Ersten, die er in diesen erlesenen Kreis aufnimmt, ist Inspektor Paul Hjelm. Hjelm hat gerade unter Einsatz seines Lebens einen Kosovo-Albaner, der Geiseln genommen hatte, ausgetrickst und außer Gefecht gesetzt. Die Geiselnahme wurde so eine Stunde, bevor das Spezialkommando eintraf, relativ unblutig beendet. Der Albaner hat nur eine Kugel im Arm, nicht im Herzen. Natürlich will die Interne Dienstaufsicht Hjelm etwas anhängen – er habe sich wie Rambo aufgeführt usw. -, doch Hultin holt ihn da mit oberster Erlaubnis raus.

|Die A-Gruppe|

Hjelm bezieht ein Büro, das er sich mit Jorge Chavez teilen muss. Jorge, so stellt sich heraus, ist nicht nur ein guter Ermittler, sondern ein Jazzmusiker. Das soll sich im Verlauf der ersten Ermittlung als sehr nützlich erweisen. Kerstin Holm wurde aus Göteborg angefordert und fällt Hjelm auf. Man kann mit ihr echt gut reden, und ihr südschwedischer Akzent erscheint ihm bezaubernd. Außerdem ist sie ledig und singt im Chor. Des Weiteren sind da noch der Riese Viggo Norrlander, der Finne Arto Söderstedt und Gunnar Nyberg. Die A-Gruppe ist direkt der Reichskripo unterstellt, was bei uns dem BKA entspricht.

Es ist kein Aprilscherz, als Hultin seine A-Gruppe, wie er sie kurz und prägnant nennt, am 1. April erstmals zusammenruft und ihr den ersten Fall übergibt. Es geht um die Morde an den zwei Wirtschaftsbossen Kuno Dagfeld und Bernhard Strandjulin. Der Mörder hat keine Spuren hinterlassen, als er die Männer mit einer großkalibrigen Pistole erschoss. Die Mitglieder der A-Gruppe schlucken, als sie erfahren, dass sie in dieser Sache Konkurrenz haben: Sowohl die Staatssicherheit als auch der militärische Geheimdienst ermitteln parallel. Das soll noch für eine schwerwiegende Ermittlungspanne sorgen.

|Verbindungen|

Die beiden Ermordeten hatten jede Menge Verbindungen und Gemeinsamkeiten, wie das in der Hochfinanz üblich ist. Paul Hjelm findet im Segelhafen heraus, dass Bernhard Strandjulin Segelausflüge unternahm, für die er bei einem Stockholmer Zuhälter minderjährige Jungen bestellte und diese auf die Fahrt mitnahm. Eine Postkarte von einem der Jungs zeigt eine Dionysos-Statue und bezeichnet Strandjutin als „den Schlimmsten von allen“. Er war also pädophil. Na, prächtig.

Die Mitgliedschaft in einem Brauchtumsorden, der sich der nordischen Mythologie verschrieben hat, erscheint Hjelm im Vergleich dazu als wesentlich harmloser. Obwohl der Kustos des Ordens um keinen Preis verraten will, was Dagfeld und Strandjulin, die einen Unterorden gegründet hatten, dort eigentlich trieben. Es scheinen jedenfalls keine kleinen Jungs involviert gewesen zu sein. Hjelm warnt bloß den Vorsitzenden des Vereins, dass seine Mitglieder in Gefahr seien.

|Nr. 3|

In der „Kampfleitzentrale“, wie Chavez den Besprechungsraum getauft hat, referieren die anderen Ermittler. Hultin veranlasst, dass der Vorsitzende des Ordens, Rikard Frantsen, ein ehemaliger Richter, bewacht wird. Doch die Action ist anderswo: Nur wenige Häuser von Frantsens Villa entfernt tötet der Serienmörder den Unternehmer Nils Emil Karlsberja. Diesmal findet sich eine Kugel in der Wand: ein Patrone, die in Pawlodar, Kasachstan, produziert wurde – Munition der russischen Mafia.

Nun gibt es zwei Theorien: 1) Die estnische oder russische Mafia tötet Leute, die ihrem Vordringen in Schweden im Weg stehen; 2) oder es gibt einen Betroffenen, der an den Bankiers und Geldschiebern Vergeltung übt, wie Söderstedt mutmaßt. Hultin glaubt nicht an die Terroristen, von denen die Sensationspresse reißerisch berichtet. Eins ist klar: Die Zeit wird knapp, und schon bald könnte es das vierte Opfer geben.

|In Tallinn|

Viggo Norrlander, der ehemalige Mister Sweden, stößt auf die Spur der Mafia. Menschenschmuggler, die ihre lebende Ware entweder in Gotland absetzen oder einfach bei Entdeckung ins Meer werfen, kamen aus dem estnischen Tallinn. Der Kapitän des Kutters verrät ihm die Namen von Viktor X und der beiden Alkoholschmuggler, die man nur als Igor & Igor kennt. Norrlander fliegt nach Tallinn und bittet den zuständigen Kommissar um Mithilfe. Doch als der Name „Viktor X“ fällt, kriegt sogar der Polizist kalte Füße. Die Mafia sei ein Staat im Staate, und Viktor X habe seine Finger überall drin, sogar in einem schwedischen Medienkonzern. Ihr Kennzeichen kommt Norrlander bekannt vor: Kopfschüsse. So werden Verräter hingerichtet. Waren Dagefeld & Co. ebenfalls Verräter?

Der Kommissar bietet Norrlander einen Köder an, der ihn zu Viktor X führen könnte. Der Mafioso heißt Arvo Helert, wird aus der Untersuchungshaft entlassen und kontaktiert offenbar seine Leute. Norrlander folgt ihm aufs Land, dann wieder zurück in die Stadt. In der Altstadt Tallins betritt Helert ein altes, verfallenes Haus, Norrlander fordert trotz der riskanten Lage keine Verstärkung an, denn er hat Blut gerochen. Als er die Wohnung betritt, in die Helert verschwunden ist, erwartet ihn eine Überraschung: Acht Maschinengewehre sind auf ihn gerichtet. Viktor X hat ihn bereits erwartet.

|Nr. 4|

Das vierte Opfer ist der Unternehmer und Parlamentsabgeordnete Brandberg. Doch der Täter wurde von Brandbergs Tochter gestört und hat etwas vergessen mitzunehmen: ein verräterisches Tonband mit dem Jazzstück „Misterioso“. Ein ganz neue Spur führt Hjelm und Holm nach Göteborg.

_Mein Eindruck_

Was haben schwedische Dartpfeile, kasachische Kugeln und amerikanischer Jazz gemeinsam? Gemeinsam kommen sie nur in einem Krimi von Arne Dahl vor. 1999 geschrieben, ist „Misterioso“ einer der frühen Multikulti-Krimis, wie sie inzwischen gang und gäbe sind. Man braucht sich nur die Mankells und Edwardssons anzusehen und weiß, dass Verbrechen inzwischen ebenso globalisiert ist wie die Wirtschaft.

Zunächst sieht es ja so aus, als wäre die Mordserie eine Vergeltungsaktion der estnischen Mafia. Und die brutale Tat, die Viggo (sein Vorname bedeutet „der Sieger“) Norrlander erleidet, bestätigt diesen Verdacht. Außerdem müssen sich noch die Alkoholschmuggler Igor & Igor im Land herumtreiben, die Gott weiß was treiben. Aber da ist auch noch der mysteriöse Orden Mimir bzw. Skidbladnet, dem die Mordopfer angehören. Fallen sie einem bizarren Rachefeldzug eines ihrer Mitglieder zum Opfer?

Oder handelt es sich um eine Art feindliche Übernahme in höchsten Wirtschaftskreisen, denn die Mordopfer haben gemeinsam in diversen Aufsichtsräten von Banken, Medienkonzernen und anderen Unternehmen gesessen. Als sich die A-Gruppe, besonders Chavez, in diese Materie einarbeitet, stößt sie auf einen Verhau von Verflechtungen, in dem schon bald unklar wird, welche Untertochterfirma zu welchem Oberkonzern gehört. Anscheinend sind hier auch Geldschiebereien größeren Maßstabs an der Tagesordnung, und Chavez kann sich durchaus vorstellen, dass bei solchen dubiosen Machenschaften der eine oder andere kleine Angestellte unter die Räder gekommen sein könnte. Sozusagen ein Kollateralschaden. Das lässt „Misterioso“ zu einem Wirtschaftskrimi werden.

Auch die Kunst kommt nicht zu kurz. Der Autor erweist sich als ausgefuchster Experte auf dem Gebiet des klassischen Jazz. Das Jazzstück „Misterioso“, das Thelonious Monk 1958 in New York City aufnahm, beschreibt er eingangs so einfühlsam und minutiös, dass man ganz genau weiß, er hat es sich zigmal selbst angehört. Und zwar nicht bloß in einer Version, sondern in sämtlichen verfügbaren Fassungen. Und dazu gehört eben auch die überaus seltene Raubkopieversion, auf deren Spur sich Holm und Hjelm setzen. Sie stoßen auf einen abgewrackten amerikanischen Jazzmusiker, der in Schweden den „besten Drogenentzug der Welt“ genießt. Es ist eine heitere und ziemlich abgefahrene Szene, die aber dem Musiker dennoch Respekt entgegenbringt.

Holm und Hjelm kommen sich bei ihrer südschwedischen Ermittlung näher und näher. Hjelms Ehe steckt in einer tiefen Krise, denn seine Frau Silla fühlt sich schrecklich einsam. Und nun wohnt und arbeitet er im fernen Stockholm, setzt jeden Tag sein Leben aufs Spiel. Sie hat Angst um ihn, droht daran zu zerbrechen. Hjelm kann ihr nicht helfen, wenn sie nicht mit ihm redet, sondern bloß die Trennung will. Da kommt ihm die quirlige, sympathische Kerstin Holm wie gerufen, um ihn wieder aufzubauen. Und eines Nachts ist er sich nicht sicher, ob sie wirklich zu ihm ins Hotelzimmer kommt oder ob er das Ganze nicht bloß geträumt hat. Die Ungewissheit bringt ihn schier um.

An harter Action und handfesten Polizeieinsätzen mangelt es ebenfalls nicht. Rikard Frantsens Villa ist ein Brennpunkt, wo sich in einer famosen Szenen eines der gesuchten Mitglieder von Igor & Igor einfindet und nur unter furiosem Einsatz fangen lässt. Der Schluss des Romans zieht sich jedoch hin, wie es schon in „Rosenrot“ der Fall war. Der Täter ist bekannt, seine Taten ebenso, nun müssen sie ihn nur noch kriegen, bevor er noch einen, den letzten Mord begeht. Denn seine Liste ist lang, und er ist noch längst nicht fertig.

|Der Sprecher|

Till Hagen erweist sich als erprobter und stilsicherer Bühnenschauspieler, der genau weiß, wie eine Figur zu charakterisieren ist. Aber auch die Situationen hat er im Griff, in denen sich eine Figur, die sich bislang ganz „normal“ verhielt, auf einmal jemand anderer zeigt. Ihm gelingt es besonders, die Nebenfiguren hervorragend zu charakterisieren. Er flüstert, schreit, ruft und brüllt sogar, kann aber auch sehr leise und ironisch sein.

Doch Hagen besitzt eine zweite Seite. Mit seiner tiefen Stimme ist er durchaus in der Lage, bedrohliche Stimmlagen und autoritative Stimmen darzustellen, so dass die einem Krimi angemessene Spannung entsteht. Hagen gelingen dank der Erzählkunst des Autors beeindruckende Charakterzeichnungen.

Geräusche und Musik gibt es keine, aber das ist auch gar nicht nötig, wie ich finde. Das Booklet informiert über alle Mitwirkenden und über die Krimireihe.

|Das Booklet|

Das Booklet informiert nur über den Autor, nicht aber über den Sprecher. Über den liest man jedoch auf der Rückseite der Klappbox Näheres. Ansonsten gibt es jede Menge Werbung und Credits. Die vierte Seite des Booklets bietet immerhin eine Tracklist. Aus dieser kann man ablesen, dass sich die Längenangabe von jener, die auf der Klappbox abgedruckt ist, unterscheidet: um vier Minuten (Angabe auf Klappbox: 465 min, im Booklet nur 461 min).

_Unterm Strich_

Arne Dahls Krimis sind nie lediglich Thriller, sie sind auch Spiegelbild und Kritik der schwedischen Gesellschaft. In dieser Hinsicht kann er Henning Mankell durchaus das Wasser reichen. Nur dass dieser ungleich populärer ist und einen afrikanischen Background besitzt (Mankell lebt ja in Mosambik). Wie Mankell verfügen Dahls Krimis über ein festes Stammpersonal, das an den Rändern zwar durchaus wechselt, aber im Kern gleich bleibt: die A-Gruppe der „Kriminalpolizei zur Ermittlung bei Gewaltverbrechen von internationalem Charakter“.

Das heißt, diese Ermittler haben von Haus mit Ausländern zu tun. Was ich durchaus interessant finde, aber stets kommen ihnen dabei schwedische Einheimische in die Quere, so auch diesmal. Das finde ich noch viel interessanter. Diesmal ist es ein schwedischer Angestellter, der sich auf einen Rachefeldzug durch die Hochfinanz begibt, ohne Rücksicht auf Verluste. Ob er mit jemandem unter einer Decke steckt, müssen allerdings die Ermittlungen der A-Gruppe ergeben. Die Kritik des Autors gilt eindeutig der Hochfinanz, der neuen Generation von Geldschiebern der 90er Jahre, deren Gewinne keinem realen wirtschaftlichen Gegenwert mehr entsprechen, sondern auf dem Aktienmarkt gezaubert werden – und dort genauso leicht wieder verpuffen können. Und die schwedische Regierung hat ihnen kräftig dabei unter die Arme gegriffen.

In der A-Gruppe macht uns der Autor mit mehreren Charakterköpfen bekannt, doch Kerstin Holm und Paul Hjelm stehen dabei im Mittelpunkt. Aus ihnen wird im Verlauf der nächsten Romane ein Paar, doch wie fest die Bindung ist, soll hier nicht verraten werden. Besonders beeindruckt hat mich der Gruppenleiter Jan Olof Hultin, der mit seinem unspektakulären, aber effizienten Führungsstil für schnelle Ergebnisse und stetigen Rückhalt sorgt. Sein bester Auftritt ist der vor den Mitarbeitern der Sicherheitspolizei, die den Fall mordsmäßig verbockt haben und die er nun alle einen Kopf kürzer machen wird. Verspricht er jedenfalls.

|Das Hörbuch|

Till Hagen ist es zu verdanken, dass dieser Hultin besonders eindrucksvoll gezeichnet wird. Man kann Hultin bedingungslos vertrauen, auch wenn er seine menschlichen Schwächen (Inkontinenz) aufweist. Hultin wird uns bis „Ungeschoren“ begleiten, wo ihm eine denkwürdige und folgenreiche Verabschiedungsfeier ausgerichtet wird. Aber Hagen weiß auch leise Töne anzuschlagen, so etwa bei der Schilderung des titelgebenden Jazzstücks, und stellt seine Vielseitigkeit vielfach unter Beweis. Die ideale Besetzung für Dahls Krimis, kein Zweifel.

Fazit: ein Volltreffer.

|Originaltitel: Misterioso, 1999
Aus dem Schwedischen übersetzt von Maike Dörries
461 Minuten auf 6 CDs
ISBN-13: 978-3-88698-772-6|
http://www.sprechendebuecher.de

Carlotto, Massimo – dunkle Unermesslichkeit des Todes, Die

Silvano Contin ist der Vater eines ermordeten Kindes und der Ehemann einer ermordeten Frau. 15 Jahre nach dem Verbrechen erhält er einen Brief aus dem Gefängnis, mit der Bitte des Mörders, Raffaello Beggiato, sein Gnadengesuch zu unterstützen. Bei einem schlecht geplanten Raubüberfall erschossen Beggiato und sein Komplize im Koksrausch den achtjährigen Jungen und seine Mutter. Während der zweite Täter unerkannt mit der Beute fliehen konnte, musste Beggiato als Raubmörder lebenslänglich hinter Gitter. Nun, da bei ihm eine tödliche Krankheit diagnostiziert wurde, lässt er nichts unversucht, um zumindest in Freiheit zu sterben. Nur bedarf es dazu einer Stellungnahme Silvano Contins.

Contins Leben hat sich nach dem Tod seiner Familie drastisch geändert. Er hat seinen Beruf aufgegeben, alle sozialen Kontakte abgebrochen und lebt seit 15 Jahren mit der Erinnerung an seine Liebsten in „der dunklen Unermesslichkeit des Todes.“ An Verzeihen ist freilich nicht zu denken, doch mit der Freilassung des ohnehin todgeweihten Mörders bietet sich Silvano Contin endlich die Chance, auch den zweiten Täter zu finden und ihn einer gerechten Strafe zuzuführen.

Mit „Die dunkle Unermesslichkeit des Todes“ hat Massimo Carlotto keinen gewöhnlichen Krimi geschrieben. Nicht das Verbrechen, sondern dessen Auswirkungen auf den Täter und die Hinterbliebenen der Opfer stehen im Mittelpunkt des Romans. Die eigentliche Handlung des Buches plätschert gemächlich vor sich hin und nimmt erst in der zweiten Hälfte etwas Fahrt auf. Das Entscheidende jedoch passiert in den Köpfen der beiden Gegenspieler. Kapitelweise lässt uns der Autor abwechselnd in die Gedanken- und Gefühlswelt von Contin und Beggiato blicken. Obwohl von Seiten des Mörders oft wenig zu berichten ist – was den Aufbau zuweilen etwas künstlich wirken lässt -, hat Massimo Carlotto damit die richtige Form für sein Thema gefunden.

Spannend, kalt und mitunter in derber Sprache schafft er es, den Leser an beide Personen heranzuführen. Das Opfer Silvano Contin ist gefangen in den Erinnerungen an seine ermordete Familie. Er lebt verzweifelt und jedes schönen Gefühls beraubt vor sich hin. Erst die Aussicht auf Rache und Gerechtigkeit lässt ihn seinen täglichen Trott abschütteln. Nicht viel besser geht es dem nach 15 Jahren Knast zermürbten Täter, Raffaello Beggiato. Von Krebs zerfressen und von der Erinnerung an seine Tat gequält, bleibt ihm nur noch die Hoffnung, wenigstens noch die ihm verbleibende Zeit in Freiheit zu verbringen.

Wem die Sympathie der Leser gehört und wer hier Opfer und wer Täter ist, scheint zu Beginn des Buches noch sehr klar. Doch diese Kategorien werden nach und nach aufgelöst. Dabei geht der Roman weit über die persönlichen Schicksale seiner Akteure hinaus. Teils implizit und beiläufig, teils direkt fragt Carlotto nach dem Verhältnis von Mörder und Opfer in unserer Gesellschaft. Kann oder darf man mit Mördern Mitleid empfinden? Kann Rache gerecht sein? Oder kann sie wenigstens dem Opfer Gerechtigkeit verschaffen? In düsterer Atmosphäre wird diesen Gedanken nachgegangen, wobei 200 Seiten wohl leider etwas zu knapp sind, um ein solches Thema anzugehen.

Eine besondere Erwähnung verdient schließlich noch die beeindruckende Beschreibung des Gefängnisalltags. Massimo Carlotto, Jahrgang 1956, wurde in den 70ern selbst wegen eines Mordes, den er nicht begangen hatte, zu 18 Jahren Haft verurteilt und erst 1993 wieder freigelassen, woraufhin er sich der Schriftstellerei zuwandte. Radikal und bedrückend schildert er das Essen, den Drogenkonsum und die Sprache im Gefängnis, vor allem aber, wie Beggiato krampfhaft versucht, seinen Tag zu strukturieren, damit er nicht völlig den Verstand verliert.

„Die dunkle Unermesslichkeit des Todes“ ist in vielerlei Hinsicht ein ungewöhnliches Buch. Es hat eine ungewöhnliche Geschichte, ungewöhnliche Charaktere und ist überdies ungewöhnlich spannend. Wer einen Kriminalroman erwartet, wird nicht unbedingt enttäuscht sein. Und doch ist dies viel mehr als nur ein einfacher Krimi. Carlotto schreibt nicht über irgendein Verbrechen, er schreibt über das Verbrechen an sich.

|Originaltitel: L’oscura immensita della morte
Übersetzung: Hinrich Schmidt-Henkel
188 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-608-50200-8|
http://www.klett-cotta.de/tropen.html

_Wolfgang Roidl_

Roth, Silvia – Querschläger

Im April 2002 wurde Deutschland durch ein Ereignis erschüttert, das man bislang eher aus den Vereinigten Staaten kannte: Der neunzehnjährige Robert Steinhäuser lief in seiner ehemaligen Schule Amok und tötete dabei sechzehn Menschen. Die Autorin Silvia Roth verarbeitet in ihrem neuen Roman „Querschläger“ genau dieses Thema. Sie lässt das Ermittlungsteam Hendrik Verhoeven und Winnie Heller im Fall eines Amoklaufs ermitteln, der allerdings alles andere als „gewöhnlich“ anmutet.

Am Wiesbadener Clemens-Brentano-Gymnasium erschießt ein Schüler elf Menschen und nimmt sich anschließend selbst das Leben – so die offizielle Version der schrecklichen Tat. Doch schnell wird klar, dass der Täter, ein Außenseiter, der von seinen Mitschülern gemobbt wurde, nicht vorhatte, sich selbst umzubringen. Dafür spricht die Tatsache, dass er die Schuld einem Mitschüler in die Schuhe schieben wollte und sich vermummte, um nicht erkannt zu werden. Außerdem gibt es einen Zeugen, der ihn mit einer anderen Person hat reden hören. Ein Mittäter? Und wenn ja, hat dieser Nikolas Hrubesch mit Absicht getötet?

Die Wiesbadener Polizei ermittelt auf einmal nicht nur wegen des Amoklaufs, sondern auch wegen vorsätzlichen Mordes. Hendrik Verhoeven und seine junge Kollegin Winnie, die sich immer noch nicht so recht im neuen Team eingelebt hat, suchen nach möglichen Motiven für den Amoklauf und überprüfen die These eines zweiten Täters. Dabei stochern sie in einem Sumpf von Mobbing und Intoleranz herum. Da zwei der getöteten Schüler dafür bekannt waren, gerne auf ihren Mitschülern herumzuhacken, vermuten die Polizisten, dass der Zweittäter es explizit auf die beiden abgesehen hätte. Sie beginnen, im Umfeld der Getöteten zu ermitteln, doch es ist schwierig, durch den Mobbingsumpf durchzublicken …

Silvia Roth schreibt nicht alleine über den Tathergang und die Ermittlungen, sondern widmet auch dem Privatleben der Ermittler und den Überlebenden sehr viel Raum. Daraus ist ein über 500 Seiten starkes Buch geworden, dem man vorwerfen kann, ab und an den roten Faden zu verlieren. Gerade am Anfang geht die Autorin mehr auf das Leben der Ermittler als auf die Tat ein, und auch danach widmet sie den Gedanken und Gefühlen der Überlebenden beinahe mehr Raum als den eigentlichen Ermittlungen. Der Kriminalfall an und für sich ist daher eine zweischneidige Sache. Obwohl der Ausgangspunkt – die Vermutung eines zweiten Täters – sehr interessant ist, wird er nicht besonders konsequent umgesetzt. Der Verlauf der Geschichte deutet kaum auf den richtigen Täter hin, weshalb die Auflösung des Rätsels reichlich überraschend kommt – und auch nicht unbedingt glaubwürdig wirkt.

Die belletristischen Einschübe lassen das Talent der Autorin erkennen, denn sie zeichnen sich durch präzise Charakterbeschreibungen aus. Gefühle und Gedanken der Personen werden sehr anschaulich dargestellt, so dass man sie gut nachvollziehen kann. Besonders Winnie Heller ist interessant, da sie eine bewegte Vergangenheit hat und ihre inneren Konflikte gut dargestellt werden. Immer wieder lustig sind auch Hendrik Verhoevens Gedanken über den dicken, verzogenen Freund seiner fünfjährigen Tochter Nina. Ansonsten bleibt der Kommissar im Gegensatz zu seiner Kollegin leider etwas farblos. Auch andere Charaktere hätten etwas mehr Trennschärfe vertragen können. Zwei der Überlebenden des Amoklaufs sind beispielsweise nur schlecht voneinander zu unterscheiden, da ihre Gedankengänge zu ähnlich wirken.

Lobenswert ist der Schreibstil, der alle Elemente des Buches – den Kriminalfall, die Personenstudien, den Tathergang – gekonnt verbindet, ohne dass Bruchstellen entstehen. Silvia Roth flicht bei den Kapitelanfängen häufig Zitate von Mitschülern oder fiktive Zeitungsüberschriften ein und erweitert so den Blick auf das Geschehen um eine weitere Perspektive. Die Autorin schreibt eher nüchtern, ihre Wortwahl ist sicher und lässt keine Wünsche offen.

An und für sich bietet sie dadurch eine gute Grundlage für einen spannenden Kriminalroman, der sich auf die Lösung des Falls konzentriert. Leider franst „Querschläger“ aufgrund der ermittlungsirrelevanten Episoden stark aus. Obwohl diese stellenweise ein hohes literarisches Niveau vorweisen können, stimmt die Mischung zwischen Belletristik und Krimi in diesem Fall nicht ganz.

|511 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-455-40128-8|
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Savage, Sam – Firmin – Ein Rattenleben

Ratten sind eigentlich nicht sonderlich beliebte und gern gesehene Geschöpfe, sieht man mal von den beiden rein fiktiven Artgenossen Rizzo (die „Muppets“-Ratte) und Rémy (die kochende Ratte aus „Ratatouille“) ab. Dieser Liste sympathischer Ratten kann man nun eine weitere hinzufügen: Firmin.

Firmin wächst im Keller einer Buchhandlung am Bostoner Scollay Square auf, als jüngstes von dreizehn Geschwistern. Als Kleinster und Schwächster des Wurfs hat Firmin keine leichte Kindheit. Im Kampf um eine freie Zitze bleibt er meist auf der Strecke, und während seine Geschwister groß und stark und (dank des stetigen Alkoholpegels von Mama Ratte) beschwipst werden, bleibt Firmin dürr und schwach. Seine Nahrung werden fortan die Bücher.

Firmin knabbert sich von Buch zu Buch, bis er eines Tage feststellt, dass auf den Seiten der Bücher Worte gedruckt stehen, die er nicht nur versteht, sondern die ihn auch sein Elend vergessen lassen. Und so frisst er sich fortan nur noch im übertragenen Sinne durch die Bücher. Er verschlingt Sachbücher und Belletristik gleichermaßen und ist fasziniert von der Welt der Menschen.

Er beobachtet das bunte Treiben in der Buchhandlung und ist überzeugt, dass ihn dank der gemeinsamen Liebe zu den Büchern schon bald eine innige Freundschaft mit Buchhändler Norman verbinden wird. Firmin macht sich auf, die Freundschaft der Menschen zu suchen, und bis er das erreicht hat, träumt er sich halt im Keller mithilfe der Bücher in die Welt der Menschen. Doch irgendwie stellt Firmin sich das alles ein wenig zu einfach vor …

Man mag erwarten, dass Firmin eine komische Figur und die Geschichte, wie er die Freundschaft der Menschen sucht, zwangsläufig lustig sein muss. Doch wer einen witzigen Roman über eine komische Ratte mit bibliophilen Neigungen erwartet, der dürfte etwas enttäuscht sein. Firmin hat zwar durchaus komische Züge, aber insgesamt bietet die Geschichte weit weniger Anlass zur Heiterkeit, als man auf den ersten Blick vermuten mag.

Sam Savage hat mit „Firmin – Ein Rattenleben“ vielmehr eine gleichermaßen melancholische wie liebenswürdige Geschichte geschrieben. Firmin ist der große Sympathieträger, der den Plot zusammenhält, und für manch einen mag Firmins Welt enttäuschend klein sehr. Er ist halt nur eine Ratte, und so kennt er nicht viel mehr als die Buchhandlung und das ebenfalls am Scollay Square gelegene Kino „Rialto“, in das er sich gerne zwecks Nahrungssuche und Horizonterweiterung begibt.

Der Plot bleibt damit auch stets sehr überschaubar, aber was den Roman eben so sympathisch macht, ist Sam Savages feinfühlige Art, nicht nur seinen ungewöhnlichen Protagonisten Firmin zu skizzieren, sondern auch die übrigen Figuren. Und so kommt die Geschichte eben größtenteils ohne Spannung im eigentlichen Sinne aus, und es ist mehr die charmante Hauptfigur, die den Leser durch den Roman zieht, als die Geschichte an sich.

Das mag manchem Leser zu wenig sein, aber wer die Muße hat, sich darauf einzulassen, der wird mit einer durchaus unterhaltsamen und warmherzigen Geschichte belohnt. Erst ungefähr ab der Hälfte ändert sich Weltbewegendes in Firmins Leben, und damit wird auch die Geschichte interessanter, musste sie doch vorher lediglich mit Andeutungen Firmins bezüglich zukünftiger Ereignisse auskommen.

Dass dennoch keine Langeweile aufkommt, ist sicherlich auch Sam Savages ebenso einfacher wie bildhafter Sprache zu verdanken. So kann sich der Roman trotz seines eher belanglos anmutenden Plots in wahres Kopfkino verwandeln und wird zu einem schönen Leseerlebnis.

Anhand von Firmin dokumentiert Sam Savage ein Kapitel der Stadtgeschichte Bostons, als der Scollay Square mit all seinen schummrigen Bars, kleinen Läden und schmierigen Kinos in den 60er Jahren der Moderne weichen musste. Firmin lebt genau zu dieser Zeit dort und sieht den Niedergang des Stadtteils von seinem Beobachtungsposten in der Buchhandlung.

Besonders ansprechend ist übrigens die Optik des Buches gelungen. „Schlampiger“ Buchschnitt, „schmuddeliger“ Schutzumschlag – man könnte fast glauben, der Roman hätte lange Jahre im Keller der Buchhandlung Staub angesetzt, bis eine dürre, bibliophile Ratte das Buch aus dem Regal gezogen hat …

Insgesamt bleibt von „Firmin – Ein Rattenleben“ ein durchaus positiver Eindruck zurück. Ein sehr leiser Roman – lebendig und charmant -, der die traurige Geschichte eines verkannten Außenseiters erzählt. Firmin muss man einfach ins Herz schließen. Wer die Muße hat, sich auf einen feinfühlig skizziert Roman mit sympathischen Figuren und einer wunderbar melancholischen Art einzulassen, der dürfte seine Freude daran haben. Wer aber Bücher vor allem nach Faktoren wie Spannung und Tempo misst, der dürfte sich langweilen und dabei ein herrlich warmherziges Kleinod verpassen.

|Originaltitel: Firmin. Adventures of a Metropolitan Lowlife
Deutsch von Susanne Aeckerle, Marion Balkenhol und Hermann Gieselbusch
213 Seiten, gebunden, Buchschnitt mit Rattenzahnung|
http://www.ullsteinbuchverlage.de/ullsteinhc/

Dean Lorey – Das Portal des Barakkas (Monsterjäger-Akademie 1)

Dämonen durchstreifen die Finsterwelt: kleine Gremlins im ersten Kreis, Drachen im vierten Kreis und die Dämonenfürsten im inneren Kreis. Portaler bewachen diese Welt und schützen die Menschen davor, wenn einer von ihnen durch ein Portal hinüberschlüpfen will. Dumm nur, wenn ein kleiner Junge unwissentlich Tore in diese Welt öffnet – keine Tore in die äußeren Kreise, sondern gleich direkt ins Innere, wo Riesenspinnen und ausgewachsene Dämonen die Einladung in die Menschenwelt dankenswert annehmen.

Inhalt

Dean Lorey – Das Portal des Barakkas (Monsterjäger-Akademie 1) weiterlesen

Kay Hooper – Jagdfieber

Zynisches Mörderspiel

Ein grauenvoller Mord versetzt eine amerikanische Kleinstadt in Aufruhr. Ein skrupelloser Kidnapper kassiert hohe Lösegelder und ermordet die Entführten dennoch. Die Lage wäre aussichtslos, gäbe es nicht die Spezialeinheit von Noah Bishop und seinem Profiler Lucas Jordan. Denn der besitzt die Fähigkeit, vermisste Personen aufzuspüren … (Verlagsinfo)

_Die Autorin_

Kay Hooper wurde in Kalifornien auf einer Luftwaffenbasis geboren. Sie studierte Wirtschaftswissenschaften, wechselte dann zu Geschichte und schließlich zu Literaturwissenschaft. Bald begann sie, eigene Geschichten zu verfassen und am Beruf der Autorin Gefallen zu finden. Ihr erster Roman wurde 1980 veröffentlicht, mittlerweile blickt sie auf ein Werk von 60 Büchern zurück. (Verlagsinfo)

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Bruce Coville – Mr Morleys Monster

Ein altes Gemäuer, ein gute bewahrtes Geheimnis und zwei neugierige Kinder auf der Suche nach Abenteuern: Aus diesem Stoff bastelt Bruce Coville eine Gruselgeschichte für Kinder. Der Name ist Programm: „Mr Morleys Monster“ warten darauf, endlich losgelassen zu werden.

Inhalt

Fox Hill, eine Kleinstadt irgendwo in Nebraska, wie es sie in ganz Amerika gibt. Viel Interessantes passiert nicht, und wenn doch, dann ist die ganze Stadt in Aufruhr. So auch beim Tod von Mr Morley, den alle nur Mumie Morley nennen. Weniger bedeutsam ist dabei Mr Morleys Tod, viel eher ist es sein Haus, das er hinterlässt. Denn mit seinen hohen Türmen, der maroden Fassade und den unheimlichen Geschichten, die jedes Kind in Fox Hill kennt, steht es im Zentrum des Interesses.

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Schweitzer, Gregor – Hautnah USA. Vom Wahnsinn einer Traumgesellschaft

_Auf der Suche nach dem amerikanischen Traum_

Amerika – unendliche Weiten, furchtlose Helden, unendlich viele Möglichkeiten, Gerechtigkeit und Freiheit für alle, die es mit ehrlicher harter Arbeit zu einem besseren Leben bringen wollen; so sieht das Bild eines Amerika aus, welches unzählige Western nicht nur bei Gregor Schweitzer in dessen Kindheit und Jugend geprägt haben. Auch ein Austauschjahr als Schüler, die Jahre bei der Bundeswehr und sein Studium können diesen kleinen Funken Hoffnung darauf, dass Amerika in den Tiefen seines Herzens noch immer den Geist der Pionierjahre in sich trägt, nicht zum Erlöschen bringen – und auch nicht den Wunsch, nach diesem ursprünglichen Amerika auf die Suche zu gehen, wie schon einige vor ihm.

Er ist 33 Jahre alt, als in die Staaten fliegt und sich Steinbeck gleich einen Camper besorgt, um mit seinem Hund „Goldbär“ Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts für 405 Tage „In Search of Amerika“ durch die USA zu reisen und den „Wahnsinn einer Traumgemeinschaft“ (so der Untertitel) am eigenen Leibe zu erfahren. Seine Odyssee ist geprägt von Schwierigkeiten mit seinem ständig in irgendeinem Bauteil versagenden Wohnmobil und den Bekanntschaften mit den unterschiedlichsten Menschen. Der schmierige Autoverkäufer, kundenunfreundliche Werkstattbesitzer, allen Fremden gegenüber feindlich und abwehrend eingestellte Privatgrundbesitzer stehen Menschen gegenüber, die wenig bis gar nichts besitzen und sich dennoch Menschenwürde, Neugier und ein freundliches Wesen bewahrt haben. Auf Seiten der Weißen wie der Schwarzen entdeckt er die gleichen historisch gewachsenen und immer noch nicht überwundenen Vorurteile, in deren nimmermüder Wiederholung und gegenseitigem Hass sich beide Seite so ähnlich sind, wie sie es in ihren kühnsten Träumen nicht vermuten würden.

Die Dimensionen des Landes erlebt Schweitzer so unbegreiflich wie die alten Maße (Acre/Section), welche eine Masse an Landbesitz eines Menschen ausdrücken, wie sie halb Deutschland ausfüllen würde. Und doch zeigt sich der amerikanische Nationalstolz letztendlich als aufgesetzte Fassade, wenn die Rancherin im Nationalpark die Bevölkerung Amerikas als in einer Illusion von Freiheit und Einheit lebend beschreibt: |“Bei uns werden immer nur die Guten getötet. (…) Und weil in Amerika jeder Angst hat, irgendwann einmal von einem Idioten abgeknallt zu werden, sind wir alle still. (…) Wir haben die Aufgabe, das Bild von einer unbegrenzten, sogenannten demokratischen Freiheit aufrechtzuerhalten, das uns stolz macht, hier leben zu dürfen. Deshalb will auch niemand weg, das heißt, es traut sich niemand wegzugehen, weil wir alle uns gegenseitig glauben machen, nur in Amerika gäbe es Freiheit und alle anderen Länder auf dieser Welt lebten in Unfreiheit.“| Solchermaßen stellen sich auch die Anfeindungen dar, welche Schweitzer als „herumvagabundierendem Tramp und Tagedieb“ oder als Weißem entgegenschlagen, immer resultierend aus der Angst vor dem „Anderen“; nur mit dem gefährlichen Hintergrund, dass in Amerika die Gesetze auf der Seite des Besitzenden sind und praktisch jeder Einwohner eine voll funktionsfähige Waffe besitzt, ohne die man sich scheinbar nicht sicher fühlt, mit ihr aber auch nicht wirklich.

Auf der anderen Seite begegnet dem reisenden Autor auch die zweite Seite der Medaille, welche diese Regel des Schutzes der Besitzenden außer Kraft setzt, wenn es sich um die Ureinwohner des Landes handelt, deren Rechte immer noch dem Willen des Staates der einstigen Eroberer gemäß gebeugt werden können. Das Unrecht, welches man ihnen angetan hat, wird am Beispiel des Gedenksteins am Ort des Massakers von Wounded Knee und der Tatsache geschildert, dass die Indianer sogar ihnen zugesprochenes Land räumen müssen, wenn ein Filmteam dort Aufnahmen machen will. Solche Widersprüche und Absurditäten des amerikanischen Alltags und die tiefen Einblicke in die unterschiedlichsten Lebensweisen und Charaktere dieses riesigen Landes machen das Buch zu einem Lesevergnügen – vor allem, wenn der Autor mit einer lockeren ungekünstelten Schreibe seinen persönlichen Ton findet.

Natürlich kann Schweitzers Suche nach Amerika kein allgemein gültiges Ergebnis bringen – zu groß ist das Land, zu verschieden sind die Menschen, die Meinungen sowie die Lebensentwürfe. Wie Steinbeck auf seiner dreimonatigen Reise durch Amerika, entwickelt Schweitzer ein facettenreiches Bild des Amerikas der 90er Jahre. Es dürfte spannend zu lesen sein, welche Erfahrungen man auf einer solchen Reise jetzt nach 9/11, verschärften Einreise- und Aufenthaltsbedingungen sowie paranoider Angst vor Terrorismus machen würde; sind doch die politischen und gesellschaftlichen Tendenzen bereits zu Schweitzers Reisezeiten deutlich ablesbar und werden vom Autor in einem der letzten Kapitel über das ihm immer wieder das Reiseleben erschwerende Neighbourhoodwatch-System – als System eines durch Abgrenzung, Rassenvorurteile sowie Fremdenfeindlichkeit geprägten Denunziantentums, welches eher Hass und Angst schürt als Sicherheit bringt – zusammengefasst. Solchermaßen werden die lebendigen Schilderungen der Menschen und Begegnungen auch bei Schweitzer immer wieder in kleine Reflexionen über die Landschaft, über Literatur, Politik und Geschichte eingebettet.

Auffällig und gewollt ist dabei der Schreibstil, welchen Schweitzer an den der Beat Generation angelehnt hat. Er verweist selbst auf Kerouacs Roman „On the Road“, dem ebenso das Motiv einer Reise durch die Staaten zugrunde liegt. |“Wie einen Cowboy, der das Pferd gegen ein Auto getauscht habe“|, beschreibt Kerouac seinen Freund und Fahrer seines Autos Neal Cassady. Solch ein Cowboy will auch Schweitzer sein. Mehr als deutlich wird das im ersten Kapitel, dessen eigentlicher Prosatext durchzogen ist von Westerntiteln. Was auf den ersten Seiten noch amüsant wirkt, wird jedoch schnell anstrengend; überhaupt ist der an spontaner Prosa orientierte Schreibstil nicht immer einfach zu lesen, denn der Autor springt dabei von einer Erzählweise in die nächste. Manches wird nur fragmentarisch angerissen; anderes dem Leser bewusst cool aus der Perspektive eines Dritten in Satzfetzen um die Ohren gehauen, Gereimtes mischt sich mit Verkehrsschildersprache. Andeutungen stehen flüssigen Schilderungen gegenüber. Dann wieder tauchen Kapitel im szenischen Schreiben auf. Man findet neben einer bewusst gewählt gehaltenen Sprechkultur beispielsweise der Zeugen Jehovas auch gelegentlich den unverfälschten Ton der amerikanischen Gosse. Besonders originell und gelungen ist vom Aufbau her das Kapitel „Intermezzo“, in dem ein Mittagessen einer Familie am Rande der Gesellschaft und ein Essen in einem noblen Restaurant bzw. die Eintrittspreise von |Disneyland| vermischt werden und sich dennoch kontrastierend gegenüberstehen. Der Subjektivität der Prosa wirkt die Vielzahl der geschilderten Begegnungen entgegen, welche ebenso vielfältig wie die verwendeten literarischen Formen sind, mit denen der Autor in „Hautnah USA“ arbeitet, und die in der Summe ein recht objektives und komplexes Bild der amerikanischen Gesellschaft ergeben. Dabei schildert Schweitzer die Menschen überwiegend beobachtend und nicht wertend, dafür mit Sympathie und Humor.

Neben dem Inhalt muss bei diesem Buch aus dem |Conbook Medien|-Verlag auch auf die liebevolle Aufmachung hingewiesen werden. Neben dem braunen Kunstledereinband findet man ein Lesebändchen und vielfältige Illustrationen von Susanne Schweitzer wie die Reiseroute auf der ersten Umschlagseite, Fotos und Zeichnungen. Damit sind die 350 Seiten jeden ihrer knapp 15 Euro wert. Dass das Interesse an Amerika, den Amerikanern und dem Leben in Amerika in Deutschland immer noch groß ist und der Funken Hoffnung auf die Grenzenlosigkeit und Freiheit Amerikas in den Träumen vieler Deutsche herumspukt, beweisen neben der vorliegenden Neuerscheinung auch das große Interesse an Sabrina Fox‘ Buch „Mrs. Fox will wieder heim“ (2008) und die zahlreichen Urlaubskataloge, welche Individualreisen mit dem Auto über mehrere Wochen anbieten. „Hautnah USA“ sollte bei allen Idealisten als amüsante, ambitionierte, spannende und teilweise erschreckende Vorlektüre auf dem Pflichtprogramm stehen.

|348 Seiten, gebunden, Kunstledereinband mit Lesebändchen
mit Illustrationen und Fotos
ISBN-13: 978-3-934918-30-6|
http://hautnah-usa.conbook.de
http://verlag.conbook.de

Lindqvist, John Ajvide – So finster die Nacht

_Das geschieht:_

Blackeberg, ein geschichts- und gesichtsloser Vorort von Stockholm im Jahre 1981: Der zwölfjährige Oskar verbringt hier ein freudloses Leben als Außenseiter. In der Schule wird er gemobbt, die Mutter arbeitet und kehrt erst abends heim, der Vater ist schon lange ausgezogen. Mit Ladendiebstählen und Rachefantasien, die sich gegen seine Peiniger richten, verbringt Oskar seine Tage.

Aktuell gibt es freilich etwas Interessantes für ihn, der eifrig Zeitungsartikel über Serienmorde und andere Untaten sammelt: Ein Schlächter geht in der Vorstadt um. Er hat es auf Kinder abgesehen, denen er auflauert und sie betäubt, um ihnen dann das Blut abzuzapfen. Oskar ist fasziniert; nur zu gern sähe er seine Feinde dem Mörder zum Opfer fallen. Deshalb hält er die Augen offen und versucht sich als Ermittler.

In diesen aufregenden Tagen lernt Oskar eine neue Nachbarin kennen. Eli behauptet, im selben Alter wie er zu sein, doch obwohl sie körperlich in der Tat jung wirkt, hat Oskar Zweifel. In der Wohnung, wo sie mit ihrem ‚Vater‘ lebt, sind alle Fenster stets verhüllt. Nur in den Abendstunden verlässt Eli das Haus. In Oskar, der auch für Horrorgeschichten schwärmt, steigt ein bestimmter Verdacht auf …

_Untot im hohen Norden_

Vampire in Schweden: Das hatten wir zumindest hierzulande noch nicht. Wir verdanken sie wohl vor allem der Popularität, die der skandinavische Kriminalroman aktuell genießt. Kaum verwunderlich, dass deutsche Verlage versuchen, diese auf weitere Genres zu übertragen. Dem Leser kann’s recht sein, denn auch das Grauen fremder Länder kann erschreckend faszinierend sein.

Dem skandinavischen Krimi sagt man spätestens seit Sjöwall/Wahlöö einen ausgeprägten Hang zur politischen und gesellschaftlichen Sozialkritik nach, die (mehr oder weniger gelungen) in die Handlung integriert wird und diese auf ein Niveau hebt, das auch das eher krimifeindliche Feuilleton aufmerken lässt. „So finster die Nacht“ stößt ebenfalls in dieses Horn. Erfreulicherweise wird dies nicht zur Pflichtaufgabe, der sich der Autor eher aufdringlich entledigt, sondern ist Teil eines Geschehens, das ohne diesen Faktor nicht denkbar ist.

Vampire in der Gegenwart: Macht man sich Gedanken über die Realität ihrer Existenz, taucht unweigerlich die Frage auf, wie sich diese Wesen in einer Hightech-Welt behaupten könnten. Zwar spielt „So finster die Nacht“ im Jahre 1981, doch war auch dies eine denkbar ungünstige, weil kriminalpolizeilich durchsetzte Gegenwart für Kreaturen, die regelmäßig töten müssen, wenn sie überleben wollen.

_Die Vorteile der Unpersönlichkeit_

John Lindqvist findet eine simple und gleichzeitig überzeugende Lösung für das Problem, einen ‚modernen‘ Vampir wirken und wüten zu lassen: Er versetzt ihn in eine Trabantenstadt, die hauptsächlich von den abgestumpften Verlierern der modernen Leistungsgesellschaft bewohnt wird. Blackeberg ist quasi ein Synonym für anonymes Leben in einem gesellschaftlichen Vakuum. Es gibt in dieser Vorstadt keine Kommunikation zwischen den Bürgern, die in ihren Wohnsilos vegetieren.

Oskar ist das perfekte Produkt seiner Umgebung – ein Scheidungskind, das von einer überarbeiteten und meist abwesenden Mutter ‚erzogen‘ und in der Schule von ebenso perspektivenlosen jugendlichen Gewalttätern gepiesackt wird. Sowohl das Quälen als auch das Leiden sind in der Ödnis von Blackeberg absolut sinnlos und wirken dadurch umso bedrückender. Dieser isolierte und trübe Kosmos benötigt keine Vampire; seine Bewohner verstehen es selbst, sich das Leben zur Hölle zu machen.

Den Erwachsenen geht es in dieser den Geist tötenden Umgebung nicht besser. Parallel zu Oskars Geschichte erzählt Lindqvist von der traurigen Realität einer Gruppe schon mittelalter Freunde, die im Grunde Oskar in späteren Jahren widerspiegeln: Ausgebrannt, resigniert, im Leben bereits tot, repräsentieren sie die ideale Beute nicht nur für Vampire.

_Der Vampir – nordisch nüchtern_

Eli ist nicht nur ein Vampir, der sich nicht unbedingt an die Regeln hält, die Bram Stoker 1897 in [„Dracula“ 3489 zusammenfasste, sondern auch quasi geschlechtslos. Das kann der Leser nur begrüßen, denn längst zerrt die Allgegenwart glutvoll-brünstiger Vampir-Hengste an den Nerven. Primär für pubertierende Jungmädchen entstehen gegenwärtig geistlos genormte Blutsauger-Schmonzetten in schwindelerregender Zahl. Ein Vampir-Roman ‚für Erwachsene‘, wie ihn Lindqvist vorlegt, gehört fast schon zur Ausnahme.

Eli ist ganz sicher keine charismatische Gestalt, sondern ein Überlebenskünstler. Er ist nicht freiwillig zum Untoten geworden, hat sich aber im Laufe von Jahrhunderten mit seiner Existenz arrangiert. Sehr geschickt charakterisiert Lindqvist ein Wesen, das seine Menschlichkeit nicht vergessen hat und dessen Einsamkeit anrührt. Gleichzeitig ist Eli mörderisch und manipulativ.

Was Eli durchmachen musste, demonstriert Lindqvist am Beispiel der Figur Virginia. Sie wird ebenfalls zum Vampir; eine Frau, die im gesellschaftlichen Abseits steht und intellektuell verkümmert ist, was es ihr unmöglich macht, sich Hilfe von ‚außen‘ zu suchen. Wie einst Eli versucht Virginia sich über ihr neues ‚Leben‘ mit seinen gründlich veränderten Regeln klar zu werden. Lindqvist bietet dies die Möglichkeit, den Vampirismus ‚wissenschaftlich‘ zu beleuchten. Er hinterfragt das alte Wissen über die Blutsauger, findet Erklärungen für ihr körperliches Funktionieren, ihre Furcht vor der Sonne, vor Silber, vor dem Kreuz, ohne dadurch den Mythos unnötig zu zerstören: Vampire sind auch nur Menschen, so lautet die nüchterne Zusammenfassung. Es gibt sie und die erste große Herausforderung ihres ‚Lebens‘ ist es, sich den Bedürfnissen ihres mutierten Körpers zu stellen. Eli ist es mit allen Konsequenzen gelungen, Virginia scheitert.

Die grässliche Alternative verkörpert Håkan Bengtsson. Er ist die Figur, die „So finster die Nacht“ zu einem echten Horroroman werden lässt. Seine Wiederauferstehung erinnert an das Erscheinen eines Zombies, seine Untaten verstärken diesen Eindruck. Wenn Bengtsson auf der Szene erscheint, wird es blutig und hässlich. In der ansonsten meist gemächlichen Handlung wirkt er grell. Andererseits dürfte seine Existenz den Hardcore-Gruselfan zufriedenstellen, der Eli trotz gelegentlicher Brutal-Exzesse zu zahm findet.

_Eine spannende Geschichte?_

„Dieser Thriller ist eine Offenbarung der schwedischen Literatur“, dröhnt die Werbung und fordert die nachdrückliche Überprüfung dieser Behauptung förmlich heraus. Es dürfte kaum überraschen, dass die Fakten ein anderes Bild ergeben. „So finster die Nacht“ ist ein spannender Thriller mit vielen eindrucksvollen Szenen, die sich indes zu keinem überragenden Gesamtbild fügen wollen. Die Geschichte weist Längen auf, schwankt unentschlossen zwischen ‚richtigem‘ Horror und einer düsteren „Coming-of-Age“-Story mit phantastischen Elementen. Übrigens ist es nie Lindqvist, der literarische Ansprüche erhebt; er spinnt sein Garn, in das er wohl auch autobiografische Elemente einfließen lässt, wurde der Autor doch 1968 in Blackeberg geboren und war folglich 1981 so alt wie seine Figur – sein Alter Ego? – Oskar.

Warum die Geschichte unbedingt 1981 spielen muss, bleibt Lundqvists Geheimnis. Er schließt seinem Roman zwar ein Nachwort an, spart diese Frage aber aus. Die deutsche Übersetzung ist ein weiteres Rätsel. Zwar gut gelungen, wird sie von einem merkwürdigen Titel gekrönt. „So finster die Nacht“ hat rein gar nichts mit dem Original zu tun, das sehr viel anschaulicher „Lass den Richtigen ein“ lautet, denn genau gegen dieses Gebot verstoßen die (menschlichen) Figuren immer wieder und geben dem Grauen dadurch die Möglichkeit, sich zu verbreiten. Offensichtlich soll die bibelähnliche Eindeutschung die Assoziation an die geschwätzigen, pseudo-wichtigen Krimi-Bestseller wecken, die sich auf den „Nimm’s mit!“-Tischen deutscher Kettenbuchläden türmen. Wer darauf hereinfällt, wird sein blutrotes Wunder erleben! „So finster die Nacht“ ist – wenn man unbedingt eine Schublade sucht – die solide, aber sicherlich nie geniale skandinavische Variation einer Geschichte, wie sie z. B. Stephen King in [„Brennen muss Salem“ 3831 („Salem’s Lot“) 1975 ersann. In diesem Umfeld vermag sich Lindqvist wacker zu schlagen. Mehr ist da nicht – doch muss da unbedingt mehr sein?

_Der Autor_

John Ajvide Lindqvist wurde 1968 in Blackeberg, einem Vorort der schwedischen Hauptstadt Stockholm, geboren. Nachdem er schon in jungen Jahren als Straßenmagier für Touristen auftrat, arbeitete er zwölf Jahre als professioneller Zauberer und Comedian.

Sein Debütroman „Låt den rätte komma“ (dt. „So finster die Nacht“), eine moderne Vampirgeschichte, erschien 2004. Bereits 2005 folgte „Hanteringen av odöda“ (dt. „So ruhet in Frieden“), ein Roman um Zombies, die Stockholm terrorisieren. „Pappersväggar“ ist eine Sammlung einschlägiger Gruselgeschichten. Lindqvist schreibt auch Drehbücher für das schwedische Fernsehen. Das prädestinierte ihn, das Script für die Verfilmung seines Romanerstlings zu verfassen, die 2008 unter der Regie von Tomas Alfredson entstand.

Als Buchautor ist Lindqvist in kurzer Zeit über die Grenzen Schwedens hinaus bekannt geworden. Übersetzungen seiner Werke erscheinen in England, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Polen und Russland.

_Impressum_

Originaltitel: Låt den rätte komma in (Stockholm: Ordfront förlag 2004)
Übersetzung: Paul Berf
Deutsche Erstausgabe: Oktober 2007 (Bastei-Lübbe-Verlag/TB Nr. 15755)
639 Seiten
EUR 8,95
ISBN-13: 978-3-404-15755-6
http://www.basteiluebbe.de

Als Hörbuch: Oktober 2007 (Lübbe Audio)
5 CDs, gelesen von Sascha Rotermund
344 min
EUR 19,95
ISBN 978-3-7857-3277-9

Moning, Karen Marie – unsterbliche Highlander, Der (Hörbuch)

Band IV: [„Der dunkle Highlander“ 5160
Band V: [„Die Liebe des Highlanders“ 5185

_Sechster Aufguss des ewig gleichen Themas_

Der Feenprinz Amadan (auch bekannt unter dem Namen Adam Black) hat sich genau eine Freiheit zu viel gegenüber seiner Feenkönigin herausgenommen. Dafür ist er nun mit einem Fluch belegt worden, der ihn fast aller seiner Feenkräfte beraubt, ihn menschlich und zudem unsichtbar macht. Während er darauf sinnt, wie es ihm gelingen könnte, die Feenkönigin wieder zu besänftigen und seine Strafe aufzuheben, trifft er in Cincinatti auf Gabrielle O’Callaghan. Die angehende Anwältin entstammt einer Familie von Feenseherinnen, die in grauer Vorzeit hochgeschätzt wurden, in unseren Tagen jedoch eher für verrückt gehalten würden. Aufgrund von in der Familie weitergegebenen Erfahrungsberichten über Jäger, welche die Feenseherinnen gnadenlos töten sollen, lebt sie zwischen der beständigen Furcht und dem heimlichen Anhimmeln dieser wunderschönen, aber kalten Wesen. Dennoch gelingt es Adam, Gabrielle durch seine umfassenden Verführungskünste, die sich durchaus über das sexuelle Verführen auf den Bereich des Lebensgenusses erstrecken, davon zu überzeugen, dass sie ihm dabei helfen muss, den Kontakt zur Königin herzustellen. Letzten Endes ist ihnen auch sein jahrtausendelanger Erzfeind auf den Spuren und nicht nur darauf erpicht, Adam und Gabrielle umzubringen, sondern sogar die Königin zu stürzen.

Den Lesern der vorhergehenden fünf der lose zusammenhängenden Reihe von Highlanderliebesromanen wird die männliche Hauptfigur bekannt vorkommen; zeigte sie sich doch bereits als aalglattes, arrogantes und eher weniger sympathisches Wesen in den vorhergehenden Romanen, bis Adam Black plötzlich in „Der dunkle Highlander“ seine menschliche Seite entdeckt , Daegus MacKeltar von den 13 dunklen Druiden errettet, von denen dieser besessen ist, und dessen Geschichte er somit zum Happy-End wendet.

Der Roman zeichnet sich aber nicht nur im Hinblick auf den Rückgriff auf diese bekannte Figur durch Einfallslosigkeit aus. Der in Gestalt eines starken Schmiedes aus den Highlands dargestellte Adam ist wie die Helden der vorhergehenden Romane natürlich unglaublich attraktiv und mit einem besonders großen Gemächt ausgestattet. Tatsächlich wird er im Vergleich mit den ebenfalls auftauchenden MacKeltar-Zwillingen aus den vorhergehenden zwei Romanen als |“Daegus und Drustan zusammengenommen, dazu etwas Feenstaub und zehnmal mehr Testosteron“| beschrieben. Dabei hat die geneigte Leserin bereits diese Männer für die Offenbahrung an Potenz und Erotik gehalten!

Gabrielle ist wie ihre Vorgängerinnen klein, aber hübsch, zudem klug – obwohl sie diese Intelligenz nie unter Beweis stellen muss, da sie vor allem als Objekt der sexuellen Verführung gezeigt wird – und wie Monings andere Heldinnen mit Mitte zwanzig noch Jungfrau. Moning nötigt sich in diesem Roman immerhin ein Erklärung dafür ab: Sobald sie ihren Freunden von ihrer Sehergabe erzählt hat, waren diese sofort auf und davon, bevor es jemals zu intimeren Momenten kommen konnte. Auf der Suche nach der ultimativen unsterblichen Liebe kam es vermutlich nie in Frage, mit einem Mann zu schlafen, ohne den gesamten Rattenschwanz von Heirat, Kinderkriegen und Offenbahrung der Gabe hinter sich herzuziehen. Doch das ist Monings Universum: Männer mit in Jahrtausenden tatkräftig praktizierten Beischlafes erworbenen sexuellen Kenntnissen verlieben sich unsterblich in ein unberührtes Mädchen, welches sich ein Biest zum Manne wünscht, das letztlich jedoch zum handzahmen Haustier mutiert. Dabei genügt es der Autorin in „Der unsterbliche Highlander“ nicht, beim „und sie lebten glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage“ stehen zu bleiben. Das Ende des Romans wird so weit ausgewalzt, bis klar ist, dass der seine Unsterblichkeit als Fee aufgegeben habende Adam eine unsterbliche Seele erhalten hat, welche das Fortdauern der Liebe über den Tod hinaus garantiert.

Immerhin bewahrt sich Moning noch etwas Witz. So kann Adam Black dem Leser schon fast leid tun, wenn dieser zwei Drittel des Romans mit einer Dauererektion herumlaufen muss (|“Er war nicht mehr unsterblich, doch bis zu seiner Erektion hatte sich das noch nicht herumgesprochen“|). Und auch die Eifersuchtsreaktion von Gabrielle ist recht komisch geschildert, wenn sie den Bediensteten im MacKeltar-Schloss allen Ernstes erklärt, die Ausbuchtung in Adams Hose wäre der alleinige Verdienst von Bananen oder Würsten. Auf der andern Seite erinnert das schon wieder an die Szene mit Gwen und Drustan im Sportgeschäft, wo sie ihn in „Die Liebe des Highlanders“ der Schummelei mit Hilfe von Socken bezichtigt. Auf diese Art kommt dem Leser fast alles irgendwie bekannt vor.

Die Figuren aus vorhergehenden Romanen in der nunmehr sechsten Wiederholung desselben Schemas leisten durch ihre bekannten Vorgeschichten gleichzeitig der Problemlosigkeit und damit der Spannungslosigkeit Vorschub. Beispielsweise ist es kein Problem mehr, die Glaubhaftigkeit eines unsichtbaren Feenmannes gegenüber Menschen zu vertreten, wenn es um die bereits zeitgereisten MacKeltar-Druiden und deren Frauen geht. So zeigt sich neben der Einfallslosigkeit die geringe Imaginationsleistung der Autorin, der gleichzeitig jegliche Spannung zum Opfer fällt. Alles in allem ist „Der unsterbliche Highlander“ nicht mehr als eine schwül-erotische, leichte Urlaubsunterhaltung ohne Überraschungen. |Radioropa| hat diese nun als neun CDs und/oder eine MP3-CD umfassendes Hörbuch in einer stabilen sowie – wie auch bei den vorhergehenden Hörbüchern – wenig an typische Liebesromane erinnernden, zurückhaltend gestalteten Box herausgebracht. Doch fragt man sich, warum. Selbst für Liebhaber des Genres oder der Fantasy-Liebesromane von Karen M. Moning ist dieser Roman kein Muss mehr.

|Originaltitel: The Immortal Highlander
Aus dem Englischen von Ursula Walther
11 Stunden auf 9 CDs + 1 Bonus-MP3-CD|
ISBN-13: 978-3836802567
Buchausgabe bei Ullstein, 2005|
http://www.hoerbuchnetz.de
http://www.karenmoning.com