Wooding, Chris – Schleier der Erleuchtung, Der (Der verschlungene Pfad 3)

Band 1: „Die Weber von Saramyr“
Band 2: „Das Gambit der Kaiserin“

_Story_

Der von den Webern ausgefochtene Krieg stürzt das einst so friedliche Land Saramyr ins absolute Chaos. Düstere Dämonen suchen die Städte heim, Schmutz und Finsternis säumen die vormals paradiesischen Abschnitte, und jedes Fünkchen Hoffnung, welches durch die Standhaftigkeit des Roten Ordens und die wenigen Widerstandskämpfer aufrechterhalten wurde, scheint gegen die Brutalität, mit der die Weber ihr hinterhältiges Gefecht bestreiten, hoffnungslos.

Allerdings ist die Stimmung bei den Ordensschwestern ebenfalls getrübt von Uneinigkeiten und gegenseitigen Sticheleien, so dass die Versammlung in der Hauptstadt nicht nur der letzte Hoffnungsschimmer für das Land Saramyr bleibt, sondern auch den Zusammenhalt der einst miteinander verbundenen Gefährtinnen auf eine letzte harte Probe stellt. Gemeinsam suchen sie nach einer Schwachstelle in den Verbindungen der Weber und beschließen hierbei, den Krieg mit einer eigenen Offensive zu beenden – zum Vor- oder Nachteil Saramyrs. Doch um den Hexenstein zu zerstören, muss das mittlerweile in seiner Macht stark angewachsene Heer der Weber vernichtet werden – und dieses ist längst auf den Angriff von Kaiku und ihren Verbündeten vorbereitet.

_Persönlicher Eindruck_

Längere Zeit war gar nicht sicher, ob der dritte und letzte Band von Chris Woodings außergewöhnlicher Fantasy-Trilogie „Der verschlungene Pfad“ überhaupt hierzulande einen Release erfahren würde. Daher kam es zwischen dem zweiten und letzten Teil zu einer recht langen Veröffentlichungspause, in welcher der Inhalt der bravourösen Geschichte leider auch ein Stück weit aus den Gedanken des Lesers verschwunden war.

Wie verheerend genau diese Tatsache ist, erfährt man schließlich, wenn man bei der Lektüre der ersten Seiten von „Der Schleier der Erleuchtung“ versucht, wieder Zugang zur Story zu bekommen. Denn dies gelingt zwangsläufig nicht besonders gut. Das Hauptproblem besteht definitiv darin, dass die Serie bis dato schon einen ziemlich großen Komplex kreiert hat. Unzählige Figuren sind in die Handlung geschubst worden, Rollen wurden teilweise durch Intrigen und Entwicklungen innerhalb der Erzählung völlig verändert, aber auch die Chronologie hat noch einmal einen gewaltigen Sprung gemacht und stellt den Leser zunächst einmal vor eine echte Herausforderung.

Erschwerend hinzu kommt die Tatsache, dass die Geschichte nicht mehr ganz so turbulent voranschreitet wie in den vorherigen Bänden und es ganze 200 Seiten andauert, bis der Plot dann doch noch mal in Schwung kommt – die ersten echten Längen schleichen sich in die Trilogie ein, obschon auf zwischenmenschlicher Ebene eine ganze Menge geschieht. Jedoch stellt man fest, dass insbesondere die Entwicklungen auf Seiten der Weber sowie ihre grausame Darstellung im Allgemeinen erst den ganz besonderen Reiz der Geschichte selber ausgemacht haben und man mit etwas Distanz nicht mehr dieses Prickeln fühlt, das sich damals in den ersten Büchern eingestellt ist. Schade, aber leider Fakt!

Dennoch: Woodings Feingefühl für besondere Beschreibungen und umfassende Präsentationen ist der Story erhalten geblieben und hilft über manch langatmigen Part im Laufe dieses Epos hinweg. Zwar ist die Übersetzung manchmal ein wenig einfallslos bei der Umsetzung seiner Ideen, jedoch gelingt es dem Autor beständig, den Leser in die Welt der asiatisch angehauchten Mythologie zurückzuholen und ihn dort auch wieder langfristig zu binden.

Als dann das große Finale relativ bombastisch eingeleitet wird, fühlt man sich dann auch wieder inhaltlich komplett heimisch. Der Krieg gegen die Weber enthüllt die letzten grausamen Facetten in „Der verschlungene Pfad“ und wird auf gewohnt hohem Niveau zu einem Ende gebracht. Dass das Ganze natürlich weitestgehend vorhersehbar geschildert wird, durfte man erwarten. Und dennoch hält Wooding noch eine Reihe echter Überraschungen bereit, welche die Geschichte würdig zu ihrem Ende führen und auch die Startschwierigkeiten nach der längeren Pause wieder zu überdecken wissen.

Kurz und bündig: „Der Schleier der Erleuchtung“ kann inhaltlich nicht mehr ganz mit den bisherigen Episoden der Trilogie mithalten, präsentiert sich aber dennoch als adäquates Finale einer außergewöhnlichen, phasenweise gar herausragenden Fantasy-Trilogie. Ein großer Dank an den Verlag noch zum Abschluss, und zwar dafür, dass er auch die Abschlussepisode noch auf den hiesigen Markt gebracht hat.

http://www.bastei-luebbe.de

Edwardson, Åke/Ake – Segel aus Stein (Hörbuch)

_Im Macbeth-Land: Seestück für Geduldige_

Anonyme Briefe aus Schottland, ein verschwundener Mann und die Schatten der Vergangenheit: Als Kommissar Erik Winter sich auf die Suche nach dem Vater seiner Jugendliebe Johanna Osvald macht, ahnt er noch nicht, worauf er sich einlässt. Axel Osvald ist nach Schottland gereist, um das Rätsel um das Verschwinden seines Vaters John zu lösen. John, ein einfacher Fischer, gilt seit dem Zweiten Weltkrieg als verschollen. Doch auch Axel kehrt nicht zurück. Winter reist in die schottischen Highlands, und es wird eine Reise in die Abgründe der menschlichen Seele …

_Der Autor_

Åke Edwardson, Jahrgang 1953, lebt mit seiner Frau und zwei Töchtern in Göteborg. Bevor er sich dem Schreiben von Romanen widmete, arbeitete er als erfolgreicher Journalist u. a. im Auftrag der UNO im Nahen Osten, schrieb Sachbücher und unterrichtete an der Uni Göteborg „Creative Writing“. Er schrieb bislang zwölf Kriminalromane; zuletzt erschienen auf Deutsch „Segel aus Stein“ und [„Zimmer Nr. 10“ 2792 sowie „Rotes Meer“.

_Der Sprecher_

Boris Aljinovic, geboren 1967 in Berlin, war nach dem Schauspielstudium an der Hochschule „Ernst Busch“ am Berliner Renaissance-Theater und am Staatstheater Schwerin engagiert. Es folgten zahlreiche Rollen in Film und Fernsehen, so etwa 1999 in „Drei Chinesen mit dem Kontrabaß“ und 2004 in Otto Waalkes‘ Filmerfolg „Sieben Zwerge – Männer allein im Wald“. Seit 2001 spielt er den Kommissar Felix Stark an der Seiten von Dominic Raacke im Berliner „Tatort“. Der Schauspieler lebt in Berlin. Er liest eine gekürzte Fassung.

Regie führte Gabriele Kreis im |studio-wort|, Berlin Juni 2008.

_Handlung_

Ein alter Mann, den wir als schließlich als John Osvald kennenlernen, verbringt seine Tage in einem kleinen Fischerort an der schottischen Ostküste. Er lebt in einem abgelegenen Haus, geht täglich ins Pub, schaut sich die Gegend an, als warte er auf etwas. Doch in seiner Jackentasche steckt eine Pistole. Unentwegt fleht er bei sich: „Jesus, save my soul.“ Er ahnt, dass das Ende nah ist.

|Göteborg|

Der schreckliche G8-Gipfel in Göteborg ist vorüber, und so hat Kommissar Winter endlich wieder Zeit für seine Familie. Er fährt mit seiner Frau Angela und der vierjährigen Tochter Elsa an die Küste, wo sie sich ein Baugrundstück kaufen wollen. Aber im Polizeipräsidium wartet wieder Arbeit auf ihn. Johanna Osvald, um die vierzig wie er selbst, hat ein Anliegen. Sie war mal seine Jugendliebe in einem sehr schönen Sommer. Er kann ihr ihren Wunsch also nicht abschlagen.

Sie berichtet, dass ihr Großvater John Osvald im II. Weltkrieg als Fischer sein Auskommen in Schottland suchte, doch auf einer Fahrt anno 1940 sank sein Schiff. Man hielt ihn für tot. Aber vor zwei Wochen hat sie einen Brief aus Inverness in Schottland erhalten. Winter liest: „Things are not what they look like. John Osvald is not what he seems to be.“ Ein Absender fehlt. Vor zehn Tagen sei ihr Vater Axel Osvald nach Inverness gereist, um Nachforschungen anzustellen, doch seit vier Tagen habe sie keine Nachricht mehr von ihm. Sie befürchtet, dass ihrem Vater ein Unglück geschehen ist.

Winter ruft seinen Kollegen Steve MacDonald in London an. Der ist Schotte, ausgerechnet aus Inverness. MacDonald ruft seinen Kollegen Craig in Inverness an. Winter hat noch keinen Plan, aber er könnte sich vorstellen, zusammen mit MacDonald in Inverness nach den Osvalds zu suchen. Als Stützpunkt könnten sie Steves Schwester Eilidh, eine Juristin, nutzen. Doch zunächst besucht er Johanna und ihren fischenden Bruder Erik auf der Insel Donsö. Dort erfährt er einiges über das, woran Fischer und Seeleute glauben, wenn sie auf dem Meer sind. Wichtiger ist jedoch, was er über John Osvald und dessen Mannschaft im II. Weltkrieg erfährt. Möglicherweise umgibt den Untergang von Johns Schiff ein größeres Geheimnis, als man bislang dachte.

|Auf den Schären|

Es gab zwei Überlebende in Johns Mannschaft, die vom Untergang verschont wurden: Bertil Osvald ist schon tot, aber der alte Arne Algotson lebt noch, mit seiner Schwester Ella. Von ihm erfährt Winter, wo er am besten mit der Suche anfangen sollte: in Frazierburgh, nicht in Aberdeen oder Peterhead. Dort sei John Osvald oft an Land gegangen. Frans Karlsson, einer der Ertrunkenen, war Ellas Verlobter. Das Schiff wurde nie gefunden. Aber warum fuhren Arne und Bertil auf jener letzten Fahrt nicht mit? Diese Frage bleibt unbeantwortet, denn der alte Arne leidet unter Altersdemenz und singt statt einer Antwort nur „Bucky boys are back in town“. Er nennt leise einen Namen: Cullen. Winter findet den Ortsnamen im Atlas. Es ist morgens um vier Uhr dreißig.

Interpol ruft an. Es ist Kommissar Graig aus Inverness. Man hat Axel Osvald tot an einem See im Hochland gefunden. Er war nackt, seine Kleider waren über mehrere Meilen verstreut, wahrscheinlich starb er an einem Herzinfarkt durch Unterkühlung. Offenbar war er geistig verwirrt in Fort Augustus am Loch Ness aufgetaucht und habe Touristen angesprochen. Johanna fliegt sofort hin, um ihn zu identifizieren und nach Schweden zu bringen. Auch Graig sagte: „Things are not the way they look like.“ Wie in dem Brief des Unbekannten.

|Schottland|

Als Winter seine Frau fragt, ob sie sich eine Woche Urlaub in Schottland vorstellen könne, ist die ziemlich erstaunt. Winter schlägt vor, die kleine Elsa bei seiner Schwester Lotte unterzubringen, denn die lebe jetzt ganz allein. Angela kommt also mit nach Inverness. Dort treffen sie Steve MacDonald und dessen Frau Sarah. Während sich die Frauen die schönen Highlands und die Stadt Edinburgh ansehen, setzen sich die beiden Kriminaler auf die Fährte von Axel und John Osvald.

Der alte Mann geht wie immer täglich in den Pub, trinkt Bier und Whisky, schaut die Kellnerin an, die Touristen – Kontrollblicke. Dann fallen ihm die zwei Männer auf, die ebenfalls Kontrollblicke schweifen lassen. Er packt die Pistole in seiner Jackentasche fester …

_Mein Eindruck_

Wenn man Krimis mit Begriffen aus der Malerei bezeichnen dürfte, so würde ich diesem Buch das Etikett „Seestück“ aufkleben. Das Meer und seine Nutzer spielen eine zentrale Rolle: Es trennt und verbindet, es nährt und vernichtet. Die Geschichte besteht daher wie das marine Wetter fast nur aus Stimmungen, kaum aus Handlungen und Dialogen. Diese Stimmungen sind jedoch mit der Last der Vergangenheit aufgeladen, mit einer großen Schuld, die auf den Tätern und den Überlebenden lastet. Wer weiß, wie weit diese Schuld noch verteilt ist. Am Schluss müssen sich diese Spannungen jedoch entladen. Niemand ahnt, wen die gewaltsame Entladung treffen wird. (Und ich werde mich hüten, dies zu verraten.)

Kommissar Winter ahnt nicht, worauf er sich einlässt, als er seiner Jugendliebe hilft, ihren Vater und Großvater zu finden. Er muss sich auf das völlig Fremde einlassen, erst auf das Meer und seine Tücken und Bewohner, dann auf das fremde Land, das er nur von einer Studentenreise kennt. Noch unheimlicher ist jedoch die Vergangenheit, auf die er mit Steve stößt. Schmuggler trieben und treiben an der schottischen Küste ihr Unwesen, und im Krieg beförderten sie auch Waffen. Aber nicht etwa für die regulären Streitkräfte, sondern mitunter für schottische Widerstandsgruppen, die gegen die Engländer kämpften. Ein höchst riskantes Geschäft, auf das sich auch die Schweden um John Osvald einließen.

Während Winter und MacDonald in Schottland dem Krümelpfad der Hinweise folgen, machen sie sich – und nicht zuletzt uns – vertraut mit dem Land und seinen Bewohnern. Die Highlands – da gibt es guten Whisky, und an der See, da gibt es leckere Seafood-Gerichte, unter anderem Cullen Skink, eine Fischsuppe. Wie mit allen Dingen sind auch damit Schicksale verbunden. Winter denkt wiederholt an Shakespeares „Macbeth“, an Orten wie Cawdor und Macduff kommt er sogar vorbei. Ist John Osvald so etwas wie Banquos Geist, der seinem Sohn Axel nachging und das Leben aussaugte?

Manche Schicksale sind auf Fotos aus der Vergangenheit dokumentiert, viele nicht. Eines dieser Fotos aus dem Jahr 1945 oder 46 zeigt John Osvald im Profil. Und zum Glück erinnert sich Winters Unterbewusstsein an dieses Foto, bevor sie das Land wieder verlassen. Dieses Tor zur Vergangenheit gewährt Zutritt zum Finale.

|Der Sprecher|

Dass Boris Aljinovic einen „Tatort“-Kommissar spielt, gereicht ihm in vielerlei Hinsicht zum Vorteil. Die Aufgabe, die verschiedenen Figuren stimmlich und sprachlich auf erkennbare Weise zu charakterisieren, bewältigt der Sprecher mit Bravour – ohne sich jedoch zu Karikaturen hinreißen zu lassen. Ich bewundere, wie es ihm gelingt, die einzelnen Figuren auseinanderzuhalten und stets die gleiche Ausdrucksweise für die jeweilige Figur zu finden.

Winter hat stets die gleiche tiefe, ruhige Stimme und langsame Ausdrucksweise, doch in der Ruhe liegt die Kraft. Steve MacDonald ist im Vergleich dazu etwas lebhafter. Man kann sich leicht vorstellen, dass Winter mit MacDonald und Graig englisch spricht. Der Sprecher hat mit Englisch überhaupt kein Problem. Er kann sogar Englisch mit schottischem Akzent sprechen.

Die Frauen haben stets die gleiche höhere Stimmlage, so dass man sie leicht von den männlichen Figuren unterscheiden kann. Und die Alten, von denen es natürlich im Rahmen der Vergangenheitsbewältigung eine Menge gibt, treten stets mit einem gewissen Krächzen auf – tief bei einem Mann, höher bei einer Frau.

Womit sich der Hörer als Erstes auseinandersetzen muss, ist jedoch die ruhige Sprechweise, die Aljinovic dem Erzähler gegeben hat. Auch der Erzähler ist so nordisch ruhig und langsam wie Erik Winter. Das zwingt den Hörer dazu, ebenfalls Geduld zu haben und sich in die Stimmung einzufühlen. Oder er lässt es frustriert bleiben und wählt ein anderes Hörbuch.

_Unterm Strich_

Dieses Buch unterscheidet sich deutlich von anderen Edwardson-Romanen wie etwa dem ausgezeichneten [„Rotes Meer“ 5192 oder „Zimmer Nr. 10“. Es ist sehr langsam, bietet keinerlei Action außer im Finale und verlässt sich stark auf Stimmungen. Wer nun neugierig darauf wartet, was sich denn an Bord der „Marino“, John Osvalds Schiff, vor ihrem Untergang zugetragen hat, der wird a) wenig erfahren und ist b) sowieso auf dem Holzweg.

Denn es geht ja nicht um Aufklärung des Untergangs, sondern um die des Todes von Axel Osvald und aller Rätsel, die damit zusammenhängen. Wer war beispielsweise der Absender jenes Briefes an Johanna, der Axels Reise ausgelöst hat? Wenigstens dies kann Winter herausfinden – mit einer faustdicken Überraschung. Nichts ist ja, wie es zu sein scheint. Und dieser Zustand muss beendet werden, um die Lebenslüge John Osvalds zu einem Ende zu bringen, auf welche Weise auch immer. Dies bedeutet auch die Bewältigung des Krieges und seiner Nachgeschichte. Deshalb endet die Geschichte auf einer heiteren Note, die hoffen lässt.

|Das Hörbuch|

Stimmungen sind in einem Hörbuch leider schwer herzustellen. Darüber sollte sich der Hörer im Klaren sein und nicht etwa auf signifikante Schritte einer Ermittlung hoffen, wie man sie von Arne Dahls A-Gruppe kennt. Vielmehr fühlt sich Erik Winter erst in die Familie Osvald ein und dann in die schottische Umgebung und Kultur. Das ist ein langsamer Prozess, der sich hinzieht. Vielleicht ist das Hörbuch deshalb weniger für ungeduldige Zuhörer geeignet als für Leute, die Zeit mitbringen. Ja, die es sich sogar zweimal anhören würden. Auch die „Entdeckung der Langsamkeit“ will geübt sein.

Sie ist mir leider nicht gelungen, sondern ich bin fast dabei eingeschlafen. Immerhin ist die letzte CD die ereignisreichste, und man sollte dabei genau hinhören, was vor sich geht.

|Originaltitel: Segel av sten, 2002
Aus dem Schwedischen übersetzt von Angelika Kutsch
403 Minuten auf 6 CDs
ISBN-13: 978-3-89903-418-9|
http://www.hoerbuch-hamburg.de
http://www.akeedwardson.se

Stein, Garth – Enzo. Die Kunst, ein Mensch zu sein

Es mag auf den ersten Blick albern anmuten, dass Garth Stein in seinem Roman „Enzo. Die Kunst, ein Mensch zu sein“ einen Hund als Ich-Erzähler auftreten lässt. Doch das kann eigentlich nur derjenige behaupten, der sich nicht näher mit dem Buch befasst hat. Denn wer genauer hinschaut, der muss schnell einsehen, dass der vierbeinige Ich-Erzähler ein äußerst raffinierter Zug des Autors ist – und das nicht nur, weil Enzo genau der treue und liebe Weggefährte ist, den sich jeder Hundefreund wünscht …

Enzo lebt mit Herrchen Denny in Seattle und ist mit seinem Leben eigentlich sehr zufrieden. Nach dem, was er im Fernsehen gesehen hat, ist er sich sicher, dass er in seinem nächsten Leben ein Mensch sein wird, und so beobachtet Enzo die Welt um sich herum ganz genau – schließlich hat er noch eine Menge zu lernen.

Herrchen Denny ist ihm da ein guter Lehrmeister. Er ist Rennfahrer und auf bestem Wege, ein Profi zu werden, und vom Rennsport kann auch Enzo eine Menge über das Leben lernen. Ihrer beider Leben verändert sich mit dem Auftauchen von Eve. Enzo weiß, dass Eve für Denny zu wichtig ist, als dass er eifersüchtig auf sie sein sollte, und so lernt er, Eve zu akzeptieren. Eve und Denny heiraten und das Glück ist perfekt, als die kleine Zoë geboren wird.

Doch schon bald legt sich ein dunkler Schatten auf das Familienglück und ihnen allen stehen harte Zeiten bevor. Enzo würde gerne seinen Beitrag leisten, aber da ihm nur die einfachsten Gesten bleiben, kann er sich nicht verständlich machen. Und so muss er zuschauen, wie das Familienglück dahinbröckelt …

Ein Hund als Ich-Erzähler ist für sich genommen schon mal ungewöhnlich, denn eine solche Entscheidung ist immer auch eine Gratwanderung. Schnell kann eine Geschichte auf diese Weise ins Lächerliche abgleiten, weil die Art und Weise der Hauptfigur einfach albern wirkt. Nicht so bei „Enzo“. Garth Stein gelingt das Kunststück, uns einen Hund als Protagonisten vorzusetzen, der zu keinem Zeitpunkt albern wirkt. Enzo ist ein ernstzunehmender Protagonist und ein wahrer Philosoph auf vier Pfoten.

Stein nutzt Enzos Perspektiven, um menschliche Verhaltensweisen aus einem verschobenen Blickwinkel zu betrachten. Enzo beobachtet, kommentiert und lernt. Und als philosophische Spiegelfläche muss immer wieder der Rennsport herhalten, der nicht nur Denny begeistert, sondern seinen Hund gleichermaßen. Immer wieder zieht Stein Vergleiche anhand exemplarischer Beispiele aus dem Rennsport, und so muss auch Enzo mit der Zeit begreifen, dass ein Rennen nie in der ersten Kurven gewonnen wird, dort aber durchaus verloren werden kann.

So entsteht eine Geschichte, die einen wunderbaren Tiefgang beweist. Enzo als Ich-Erzähler läuft damit zu keinem Zeitpunkt Gefahr, lächerlich zu wirken, vielmehr ist er der staunende Außenstehende, welcher der Geschichte durch seine Versuche, die Menschen zu verstehen, eine wunderbare Wärme und Tiefe verleiht.

Was Denny an Schicksal ertragen muss, ist allerhand und schon fast ein bisschen viel des Guten. Doch Denny ist ein Kämpfer und Enzo steht ihm dabei zur Seite – auf seine ganz eigene Art. „Enzo. Die Kunst ein Mensch zu sein“ ist eine Geschichte voller Tragik. Enzos Perspektive sorgt dabei aber auch immer wieder für humorvolle Momente, denn nicht selten ist es gerade das Verhalten des Hundes, das zum Schmunzeln anregt.

Und so entwickelt sich „Enzo. Die Kunst, ein Mensch zu sein“ zu einem Wechselbad der Gefühle und zu einer Geschichte, die weit mehr Tiefgang entwickelt, als man ihr anfänglich zutrauen möchte. Durch Enzos Beobachtungen lernt auch der Leser/Hörer eine Menge über die Menschen – über Freundschaft, Liebe und Verantwortung und darüber, wie man auch im Leben nicht gleich in der ersten Kurve aus dem Rennen fliegt.

Das Konzept von „Enzo. Die Kunst, ein Mensch zu sein“ wirkt so einfach und funktioniert dabei so wunderbar. Man kommt nicht umhin, am Ende zugeben zu müssen, dass „Enzo“ ganz tief zu rühren vermag, und so muss man sich im Finale dann auch mal die eine oder andere Träne wegdrücken.

Seinen Beitrag zum Gelingen des Hörbuchs aus dem |Argon|-Verlag steuert auch Helmut Krauss bei, seines Zeichen Synchronsprecher von Marlon Brando, John Goodman und Samuel L. Jackson. Seine raue, tiefe Stimme passt wunderbar zu Enzo und verleiht der Geschichte zusätzliche Wärme und Tiefe.

Insgesamt bleibt damit ein sehr positiver Eindruck zurück. Eine wunderbar warmherzige Geschichte, die so einfach und doch voller Intensität erzählt wird. Ein sympathischer Titelheld, den nicht nur Hundeliebhaber schnell ins Herz schließen dürften, und ein Plot, der unter die Haut geht. Enzo, den Philosophen auf vier Pfoten, muss man einfach mögen. Und so kommt unterm Strich eine uneingeschränkte Empfehlung dabei heraus, insbesondere auch für das von Helmut Krauss so wunderbar gelesene Hörbuch.

|Originaltitel: The Art of Racing in the Rain
Aus dem Amerikanischen von Werner Löcher-Lawrence
314 Minuten auf 4 CDs
ISBN-13: 978-3-86610-557-7
gebundene Ausgabe bei Droemer, 2008|
http://www.argon-verlag.de

Kim Harrison – Blutjagd

Der Dark-Fantasy-Trend reißt einfach nicht ab. Aus den USA eingeschleppt, können sich auch hierzulande immer mehr vornehmlich weibliche Autoren und ihre düsteren Romanreihen etablieren. Bei der amerikanischen Autorin Kim Harrison steht nicht, wie in den meisten anderen Fällen, ein Vampir im Mittelpunkt, sondern eine Erdhexe, die mithilfe von Amuletten und Kraftlinien Magie anwendet.

Die Erdhexe Rachel Morgan ist eine chaotische, dickköpfige junge Frau, die nach ihrem Weggang vom FIB – dem Federal Inlander Bureau, das sich darum kümmert, dass das Zusammenleben zwischen den Inderlander-Wesen und den normalen Menschen geregelt wird – eine glänzende Karriere als Runnerin hingelegt hat. Gemeinsam mit ihren Partnern, dem zehn Zentimeter großen Pixie Jenks und der Vampirin Ivy, bildet sie nicht nur eine Wohngemeinschaft, sondern auch eine Runneragentur, die sich um das Auffinden von vermissten Personen und derlei kümmert.

Ein solcher Job birgt natürlich einige Gefahren: Im zweiten Band der Reihe, [„Blutspiel“, 4512 hat Rachel ihre Seele an den Dämonen Algaliarept verkauft, um Piscary, den ältesten und gefährlichsten Vampir von Cincinnati, hinter Gitter zu bringen. Dadurch hat sich das Machtgleichgewicht in der Unterwelt der Stadt verschoben. Ein gewisser Saladan versucht, seinen Teil vom Kuchen abzubekommen. Er probiert es mit Schutzgelderpressung und Drogenhandel und zieht dadurch die Aufmerksamkeit zweier Männer auf sich: Kisten ist ein getreuer Anhänger Piscarys und Trent Kalamack der Drogenbaron der Stadt, der sich hinter seinem Wohltäter-Image verschanzt.

Beide bitten Rachel um Hilfe, um Saladan aus der Stadt zu vertreiben. Während Trent nach wie vor Rachels Lieblingsfeind ist, muss sie sich Kistens Annäherungsversuche gefallen lassen – und ist dabei gar nicht mal so abgeneigt. Das allerdings führt dazu, dass ihre Mitbewohnerin Ivy reichlich verstimmt ist. Schließlich ist Kisten nicht nur ihr Exfreund, sondern sie sieht Rachel, ganz nach Vampirmanier, als ihr Eigentum an …

„Blutjagd“ schließt nahtlos an die beiden bereits veröffentlichten Bände von Kim Harrison an. Ohne Vorwissen kommt man daher nicht weit. Die Autorin nimmt sich nicht die Zeit, um Wichtiges vorneweg zu klären, wobei anzumerken ist, das dies bei der Komplexität ihrer Serie auch nur schwer möglich wäre. Woran sie ebenfalls nahtlos anknüpft, ist ihre Vorliebe für eine langatmige, leicht überladene Handlung: Was in [„Blutspur“ 3253 und „Blutspiel“ ärgerlich war, wird bei der Vielschichtigkeit, die Harrisons Serie bereits erreicht hat, manchmal zur Geduldsprobe. Erst möchte die Geschichte nicht in Schwung kommen und dann ist häufig unklar, wohin die Handlung eigentlich führen soll. Erst gegen Ende des Romans kommt richtige Spannung auf; die Autorin konzentriert sich auf einen einzigen Handlungsstrang und verfolgt nebenbei nicht noch mehrere unwichtige. Zusammen mit der stellenweise überzogenen Detailliertheit bezüglich der Geschehnisse und der Beschreibungen krankt „Blutjagd“ vor allem daran, dass die Geschichte zu lang, zu umfangreich und vor allem zu unfokussiert ist. Ein roter Faden fehlt beinahe vollständig, viele Nebensächlichkeiten werden aufgebauscht – das sind nicht gerade die besten Voraussetzungen für ein paar spannende Lesestunden.

Auch wenn die Handlung eines Buches sehr wichtig bei dessen Bewertung ist, gibt es einige Dinge, die man Harrison abseits davon zugute halten muss. Zum einen ist das der Schauplatz, an dem die Geschichte spielt. Harrison beweist nicht zum ersten Mal, wie gut sie darin ist, eine komplett andere Welt zu entwerfen, die alleine aufgrund ihrer Darstellung schon Spannung erzeugt. Vampire, Pixies, Elfen und Hexen sind sicherlich nichts Neues, aber die Autorin siedelt diese in einem recht düsteren Setting an. Die Stadt Cincinnati verfügt mit den Hollows über ein Stadtteil, in dem man vorzugsweise Inderlander, also sämtliche fantastische Wesen, antrifft. Dass deren Zusammenleben nicht immer reibungslos abläuft, ist klar, und somit ist von vorneherein für eine Menge Reibung gesorgt. Harrisons Einfallsreichtum kennt dabei keine Grenzen. Ihre Welt ist dicht besiedelt von übernatürlichen Gestalten, denen sie gerne einen humoristischen Anstrich verpasst und die durch ihre sorgfältige Ausarbeitung glänzen. Jede der Arten besitzt bestimmte Eigenarten, die durch ihre Innovativität gefallen und „Blutjagd“ trotz der Schwächen in der Storyline über den Durchschnitt hieven.

Dieselbe Sorgfalt, die Harrison den Details und dem Setting angedeihen lässt, widmet sie auch den Figuren. Rachel Morgan zeigt auch nach zwei dicken Vorgängerbänden noch keine Ermüdungserscheinungen. Sie ist eine sympathische, chaotische Hexe, die mit einer spannenden Vergangenheit glänzt, die immer noch nicht völlig ausgeleuchtet ist. Auch über die anderen Charaktere lernt man immer wieder interessante Dinge, die man noch nicht wusste. Die Zahl an Figuren ist im übrigen mittlerweile ebenfalls sehr hoch. Allerdings schafft die Autorin es, die einzelnen Charaktere so voneinander abzugrenzen, das man sie nicht verwechselt. Die verschiedenen Eigenarten und Macken sind dabei abwechslungsreich und häufig witzig. Gerade die Pixies – das heißt, Jenks und seine ziemlich große Familie – sorgen immer wieder für Lacher.

Getragen wird das Ganze von Harrisons amüsantem Schreibstil. Sie berichtet aus Rachels Perspektive und benutzt dazu eine Sprache, die weniger Wert auf Erhabenheit als auf die Vermittlung von Emotionen und Gedanken legt. Der Wortschatz ist groß, klingt aber nie hochgestochen. Am prägnantesten ist Harrisons Humor. Ihre bissigen, manchmal fast schon boshaften Witze und die flapsigen Bemerkungen von Rachel lassen die Geschichte erst richtig lebendig werden. Schlagfertige Dialoge und der angemessene Gebrauch von Stilmitteln schließen das Ganze sauber ab. Stellenweise wird man zwar an einschlägige amerikanische Frauenlektüre erinnert, die sich mit einer halbwegs kessen Protagonistin schmückt, letztendlich ist „Blutjagd“ aber wesentlich bissiger und düsterer und wirkt nie seicht oder halbherzig.

Halbherzig ist ein gutes Stichwort; die Autorin Kim Harrison ist nämlich alles andere als das. Sie ist geradezu detailversessen, was ihren Figuren und ihrer Fantasy-Welt gut tut, der Handlung aber schadet. „Blutjagd“ ist damit bislang der schwächste Band der Reihe, weist aber großes Potenzial auf. Die zwischenmenschlichen Beziehungen und einzelnen Handlungssträge pochen geradezu auf eine Fortsetzung, und tatsächlich wurden in Amerika mittlerweile sechs Bücher mit Rachel Morgan veröffentlicht, ohne dass sich bereits ein Ende abzeichnete. In Deutschland ist man noch nicht ganz so weit, aber auch hier wird laut Verlag im Januar 2009 der vierte Band „Blutpakt“ auf den Markt kommen. Dann erscheint für diejenigen, die jetzt vielleicht – nun ja: Blut geleckt haben, auch der Auftaktband „Blutspur“ als preisgünstigere Taschenbuchausgabe in überarbeitetem Coverlayout.

|Originaltitel: Every which way but dead
Deutsche Übersetzung von Vanessa Lamatsch
686 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3-453-53279-3|
http://www.kimharrison.net
http://www.heyne.de

_Kim Harrison bei |Buchwurm.info|:_
[„Blutspur“ 3253
[„Blutspiel“ 4512

P. J. Tracy – Spiel unter Freunden

Rasant & beklemmend: Mörderhatz in Minneapolis

„Monkeewrench“ nennt sich die auf charmante Weise verrückte Fünfergruppe, die in einem Loft in einem abgelegenen Lagerhaus Computerspiele entwickelt. Gerade haben sie ihr neuestes Werk „Fang den Serienkiller“ für den Testbetrieb ins Internet gestellt. Doch ein Spieler dort draußen lässt die Morde detailgetreu und äußerst grausam Wirklichkeit werden.

Die Cops in Minneapolis und im verschlafenen Wisconsin erfahren: Das Spiel hat 20 Levels, und die Zeit drängt. In einem furiosen Showdown zeigt das Böse schließlich sein Gesicht. Und es war die ganze Zeit über beängstigend nah … (Verlagsinfo)

P. J. Tracy – Spiel unter Freunden weiterlesen

Dark, Jason / Gödde, Marcell – Hexerin, Die (Folge 1)

_Inhalt:_

Scotland-Yard-Ermittler Mason Flint steht vor einem Rätsel: Insgesamt fünf Tote wurden in London gefunden, die keinen Tropfen Blut mehr in den Adern hatten und mit einer silbernen Hutnadel gepfählt wurden. Flint glaubt nicht an Vampire, doch bald muss er umdenken, als seine Freundin Frenchy mit einem posthypnotischen Befehl gezwungen wird, ihn zu töten. Kurz darauf verschwindet sie spurlos. Flint verfolgt die Spur unterdessen bis zur amerikanischen Botschaft, und schon bald muss der Sonderermittler feststellen, dass seine Gegnerin übermächtig ist …

_Meine Meinung:_

Nun ist auch Jason Darks neueste Horror-Serie als Hörspiel erhältlich. „Die Hexerin“ ist Trash pur und bildet ein buntes Potpourri aus den unterschiedlichsten Grusel-Klischees der Heftromanliteratur. Allein der Titel erinnert bereits an Wolfgang Hohlbeins Lovecraft-Hommage „Der Hexer“ aus diesem Genre. Der wenig originelle Name der Titelheldin, Doriana Gray, ist natürlich an Oscar Wildes berühmte Romanfigur angelehnt, woraus der Autor auch nie einen Hehl gemacht hat. Interessant ist allerdings, dass Doriana in dieser Folge die Seite des Bösen verkörpert und die Gegenspielerin des Helden Mason Flint ist. Ein wenig erinnert das Gespann an Dorian Hunter und Coco Zamis, beziehungsweise an Mike Hunter und Damona King.

Trotzdem die Vorlage als Taschenbuch im |Mira|-Verlag publiziert wurde, bewegt sich das Niveau der Bücher auf Heftromanlevel und dient lediglich der schnellen Unterhaltung – also die besten Voraussetzungen für eine temporeiche Hörspielserie. Leider machte es sich der Drehbuchautor Marcell Gödde sehr einfach und kürzte das Buch lediglich um einige überflüssige Passagen, übernahm allerdings die Dialoge zum Teil eins-zu-eins aus der Romanvorlage. Da Jason Darks aktuelle Werke immer wieder durch abgehackte, unnatürliche Gespräche glänzen, wirkt auch das Hörspiel oft unfreiwillig komisch – vor allem, weil viele Handlungen der Figuren von diesen im Selbstgespräch erläutert werden. So würde kein normaler Mensch reden, und irgendwie erinnern diese Szenen an die alten |John Sinclair|-Hörspiele aus dem |Tonstudio Braun|.

Dabei erledigt das Gros der meist unbekannten Sprecher seinen Job sehr gut. Vor allem Suzan Erentok als Doriana und Michael-Che Koch als Mason Flint geben glaubhafte Darstellungen ihrer Charaktere ab, und auch Bodo Primus ist als Erzähler eine gute Wahl gewesen. Außerdem hat sich |Cocomico| ein Beispiel an |WortArt| genommen und dem Verfasser der Romane, Jason Dark, ebenfalls einen kleinen Auftritt verschafft. In diesem Fall darf der |John Sinclair|-Erfinder mit seinem harten Ruhrpott-Akzent einen Türsteher mimen, was ihm auch leidlich gut gelingt. Die Musik von Andy Muhlack ist wirklich gelungen und passt gut zur jeweiligen Szenerie. Die Effekte scheinen aus einer professionellen Datenbank zu stammen und wirken sehr authentisch.

Leider ist die Story wirklich trashig und bar jeglicher Innovation. Dark versucht krampfhaft, mit aufgesetzter, peinlich naiver Erotik zu punkten, die sich in unbeholfenen Beschreibungen und der Verwendung von Kraftausdrücken erschöpft. Die Charaktere wirken wie am Fließband entwickelt und werden auf Äußerlichkeiten reduziert. Mason Flint ist der typische Alleskönner mit einem blendenden Aussehen, und die Beschreibung seiner Gespielin erschöpft sich in der Aussage, dass sie aussehe wie die junge Sharon Stone. Dafür gelingt es Dark zum Ende hin, mit einigen Überraschungen zu punkten, und der Cliffhanger macht trotz aller Mängel Lust auf den zweiten Teil. Unterm Strich bekommt der Hörspielfan eine typische Jason-Dark-Story präsentiert, die klingt, als ob ein Hörspiel des |Tonstudios Braun| (Dialoge und Skript) mit einem |WortArt|-Produkt (Musik und Effekte) verschmolzen ist.

Die Titelillustration von Emil Bartlomiejczak ist wirklich gut gelungen und übertrifft das Taschenbuchcover bei weitem. Der Zwiespalt der Titelfigur wird plastisch dargestellt und die düstere Farbgebung passt besser zur Story als das doch recht bunt geratene Bild auf dem Roman.

_Fazit:_

„Die Hexerin“ ist das neueste Produkt des Fließbandautors Jason Dark als anspruchsloser Gruseltrash zum Hören. Gute Sprecher, hervorragende Effekte und eine klangvolle Musik können nur unzureichend das schwache Skript kompensieren. Das Finale legt aber dramaturgisch noch mal zu und macht trotz einiger Schwächen Lust auf den zweiten Teil.

_Die Sprecher:_

Doriana Gray: Suzan Erentok
Mason Flint: Michael-Che Koch
Frenchy Davis: Annika Wichmann
Sprecher: Bodo Primus
Inquisitor: Kai Helm
Kincaid: Reinhard Schulat-Rademacher
Rymer: Frank Bahrenberg
Horseman: Holger Schulz
Bancroft: Thomas Linden
Hill: Oliver Dollansky
Eve Darling: Sarah Podransky
Edwin Sharp: Benjamin Werres
Mike Burton: Malcolm Walgate
Ray Garland: Jens-Peter Fiedler
Victor Flemming: Karl-Heinz Zmugg
Elmar Jackson und Türsteher: Jason Dark
Penner: Marcell Gödde

|64 Minuten auf 1 CD
Titelillustration/Titelgestaltung von Emil Bartlomiejczak
ISBN-10: 3-89941-598-1
ISBN-13: 978-3-89941-598-8|
http://www.cocomico-mystery.de
MIRA Taschenbuch

_Florian Hilleberg_

Ward, J. R. – Nachtjagd (Black Dagger, Band 1)

_Inhalt:_

|Düster, erotisch, unwiderstehlich – die letzten Vampire kämpfen um das Schicksal der Welt.|

Sie sind eine der geheimnisvollsten Bruderschaften, die je gegründet wurden: die Gemeinschaft der |Black Dagger|. Und sie schweben in tödlicher Gefahr: Denn die |Black Dagger| sind die letzten Vampire auf Erden, und nach jahrhundertelanger Jagd sind ihnen ihre Feinde gefährlich nahe gekommen. Doch Wrath, der ruhelose und maßlos attraktive Anführer der |Black Dagger|, weiß sich mit allen Mitteln zu wehren. Die Schlacht beginnt!

_Meine Meinung:_

Der Vampir Darius bittet Wrath, den einzigen reinrassigen Vampir und Anführer der |Black Dagger|, um Hilfe. Dieser soll sich um Darius‘ Tochter kümmern, die er mit einer Menschenfrau gezeugt hat. Wrath lehnt ab, fühlt sich aber, als Darius einer Autobombe zum Opfer fällt, verpflichtet, die junge Frau unter seinen Schutz zu nehmen.

Elizabeth „Beth“ Randall, Reporterin beim „Caldwell Courier Journal“ auf der Trade Street, entgeht nur knapp einer Vergewaltigung. Beth, so stellt sich sehr schnell heraus, ist besagte Tochter von Darius und steht kurz vor der „Transitition“, dem entscheidenden Moment im Leben eines Vampirs, an dem er ins Erwachsenenleben eintritt. Ab diesem Punkt müssen diese das Blut des anderen Geschlechts trinken, um zu überleben, und vertragen kein Sonnenlicht mehr. Die Transitition findet normalerweise mit etwa Mitte zwanzig statt. Vor ihrer Transitition sind die Vampire aus J. R. Wards Universum von schwächlicher Konstitution sowie sexuell unreif und eher desinteressiert. Außerdem können sie sich noch nicht dematerialisieren.

Beth steht in engem Kontakt zu einigen Polizisten, was ihrer Arbeit als Journalistin nicht unbedingt schadet. Da sind vor allem Brian „Butch“ O’Neal von der Mordkommission, der ein Auge auf Beth geworfen hat, und José de la Cruz, ein mit Beth befreundeter Cop. Doch Beth ist an keinem der beiden Männer über freundschaftliche Bande hinaus interessiert.

Als Wrath nachts in Beths kleinem Appartement auftaucht, um erstmals mit ihr in Kontakt zu treten, verhält sie sich völlig untypisch. Sie, die sich Männern gegenüber sonst zurückhaltend und kühl verhält, kann sich der Faszination und der sexuellen Aura, die von Wrath ausgeht, nicht entziehen – und will es auch nicht. Auch wenn sie sich nicht erklären kann, wie der fremde „Mann“ in ihre Wohnung gekommen ist und wie sie sich ihm sofort hingeben konnte. Mehr noch, Beth lässt durch ihr Verhalten Wrath gegenüber deutlich erkennen, dass sie Lust auf ihn verspürt.

Doch da ist auch Mr. X, der sich als der Attentäter entpuppt, der Darius auf dem Gewissen hat. Mr. X ist ein Lesser, ein seiner Seele beraubter Mensch, der als Mitglied der Gesellschaft der Lesser Jagd auf Vampire macht, um sie auszurotten – allen voran die |Black Dagger|. Lesser altern nicht, essen und trinken nicht und sind impotent. Im Laufe der Jahre verlieren sie ihre Haare, Haut und Iris ihre Pigmentierung, bis sie blond, bleich und weißäugig sind. In die Gesellschaft aufgenommen werden sie durch „Omega“, eine unheilvolle mystische Gestalt, die sich die Ausrottung der Vampire zum Ziel gesetzt hat. Die Lesser erhalten nach der Aufnahme ihre Kanope, in dem sie ihr aus der Brust entferntes Herz aufbewahren. Billy Riddle, der Beth vergewaltigen wollte, gehört auch zu Mr. Xs Gefolgschaft. Ebenso wie ihn ruft Mr.X alle Lesser nach Caldwell, um sich zu ihrem Führer zu ernennen und gegen die Black Dagger vorzugehen.

Derweil geraten Butch und Wrath aus Eifersucht um Beth aneinander und Butch verhaftet den Vampir kurzfristig, bis sich dieser befreien kann und Beth in das Haus ihres Vaters lockt. Dort erfährt sie zu ihrem Entsetzen von ihrer wahren Herkunft und davon, was ihr bevorsteht. Wieder können sich Beth und Wrath ihrer sexuellen Anziehungskraft nicht entziehen, und schnell wird dem Leser klar, dass sich hier wohl das Vampir-Paar der Serie gefunden hat, und er ist gespannt darauf, wie diese Beziehung in Band zwei weitergeht!

„Nachtjagd“ ist als Auftaktroman wundervoll eingängig und flüssig geschrieben. Der Leser findet sich sofort in den |Black Dagger|-Kosmos ein. Der Einstieg wird auch noch durch das „Glossar der Begriffe und Eigennamen“ erleichtert. So erfährt man auf einen Blick wesentliche Fakten über die Bruderschaft „Black Dagger“, die einzelnen Wesenheiten und Bezeichnungen des Universums, das J. R. Ward geschaffen hat. Interessant sind dabei die verschiedenen Arten und Bündnisse, welche die Autorin ins Leben gerufen hat – ebenso die Variationen der klassischen Vampirelemente. So trinken die Vampire kein Blut von Menschen, sondern lassen sich gegenseitig zur Ader.

Eine düster-erotische Note zieht sich schon frühzeitig durch den Text und nimmt den Leser gefangen, auch wenn man der Autorin vorwerfen mag, sie biete das klischeebehaftete Paar, denn Beth ist natürlich schön: Sie hat langes, dichtes schwarzes Haar und umwerfend blaue Augen, eine Haut wie cremefarbene Seide und einen Mund wie gemacht für den Kuss eines Mannes. Und ihre Figur – lange schlanke Beine, schlanke Taille, perfekt geformte Brüste. Wenn das nicht dem Traumbild jedes zweiten Mannes entspricht. Mindestens.

Aber auch Wrath weiß zu beeindrucken, ist sehr maskulin und ebenfalls attraktiv mit seinem kantigen Kinn, vollen Lippen, ausgeprägten Wangenknochen, glattem, schwarzem Haar, das von einem spitzen Ansatz in die Stirn bis auf die Schultern fällt. Dazu einen Schatten von einem Bart und eine muskulöse Gestalt, die eine Größe von mindestens zwei Metern misst. Wenn da nicht Frauenträume wach werden! Vor allem, da J. R. Ward ihn so anlegt, dass der Einzelgänger, der bisher niemanden an seiner Seite brauchte, plötzlich von einer – dieser – Frau nicht mehr losgelassen wird. Womit die Autorin wieder mit den Sehnsüchten zumindest der Leserinnen kokettiert. Wer möchte nicht für den Mann, für den man entbrennt, „The One and Only“ sein? Und dann auch noch für einen Mann, der sonst keinerlei Bindungen eingegangen zu sein scheint.

Also findet sich in |Black Dagger| somit alles, was zur Unterhaltung gehört: Spannung, Romantik, Action, Liebe, Hass, Überlebenskämpfe, Machtgehabe und Sex – und noch einiges mehr, was nicht verraten werden soll, denn die Handlung des Bandes beinhaltet natürlich noch etliches über das oben Genannte hinaus.

Man mag jetzt denken: Das gab es doch schon so oft, das kennt man doch schon alles. Aber, das alles entscheidende Aber: Die Rechnung geht auf, denn man verspürt sofort einen „Hang“ zu dem Paar und fiebert danach zu erfahren, wie es mit den beiden weitergeht. Ebenso spürt man jetzt schon die Bedrohungen, denen die Liebenden von allen Seiten ausgesetzt sein werden – und fiebert noch mehr.

_Fazit:_

|Black Dagger| ist Unterhaltung auf einem guten Niveau. Es ist ebenso stimmungsvoll wie lebendig, und es werden alle Raster bedient, die gute Unterhaltung definieren. „Nachtjagd“ ist flüssig-umgangssprachlich geschriebene Romantic Mystery mit genau derjenigen Mischung, die düster-erotische Vampirkost ausmacht, die sofort ins „Blut“ geht. Wer |Black Dagger| noch nicht kennt, sollte sich schleunigst dieser Serie zuwenden.

_Die Autorin:_

Jessica Rowley Pell Bird (geboren 1969 in Massachusetts, New England) ist sowohl unter ihrem Geburtsnamen Jessica Bird als auch unter ihrem Pseudonym J. R. Ward schriftstellerisch tätig. Sie ist die Tochter eines Bankvorstandes und einer Architekturzeichnerin und hält ein Diplom in Rechtswissenschaften. Sie ist seit 2001 mit dem Unternehmensberater Neville Blakemore verheiratet und lebt mit ihm mittlerweile in Louisville, Kentucky.

Ihren ersten Roman „Leaping Hearts“ veröffentlichte sie 2002 und erhielt 2007 den |Romantic Times Reviewer’s Choice Award| für „Lover Awakened“ aus der |Black Dagger|-Serie sowie im gleichen Jahr den |RITA Award| des Schriftstellerverbands „Romance Writers of America“ für ihr Buch „From the First“. Für beide Awards war sie darüber hinaus bereits vielfach nominiert.

|Die Black-Dagger-Serie:|

Dark Lover (September 2005) – „Nachtjagd“ (Part 1) und „Blutopfer“ (Part 2)
Lover Eternal (März 2006) – „Ewige Liebe“ (Part 1) und „Bruderkrieg“ (Part 2)
Lover Awakened (September 2006) – „Mondspur“ (Part 1) und „Dunkles Erwachen“ (Part 2)
Lover Revealed (März 2007) – „Menschenkind“ (Part 1) und „Vampirherz“ (Part 2)
Lover Unbound (September 2007) – „Seelenjäger“ (Part 1, deutsch im März 2009)
Lover Enshrined (Juni 2008)

|Originaltitel: Dark Lover (1. Teil)
Aus dem Amerikanischen von Astrid Finke
272 Seiten, Paperback
Titelfoto von Dirk Schulz / Titelgestaltung von Animagic Bielefeld
ISBN-13: 978-3-453-53271-7|

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Miller, Karen – Königsmörder (Kingmaker, Kingbreaker 2)

Band 1: [„Königsmacher“ 5222

Während eines Ausflugs der Königsfamilie verzaubert der bösartige Morg, dessen Geist sich im Körper des Meistermagiers Durm versteckt, die königliche Kutsche, sodass diese mitsamt allen Insassen einen Abhang hinunterfährt. Dabei kommen König Borne, seine Gemahlin und Prinzessin Fane ums Leben – nur Gar und Durm kommen mit schweren Verletzungen davon. Während Gar nicht glauben kann, was passiert ist und um seinen Familie trauert, wird er kurzerhand zum neuen König Lurs erklärt und muss sich mit seiner erst kürzlich erhaltenen, neuen Magie als Wettermacher beweisen – und zwar ohne einen Meistermagier, denn Durm liegt mit schweren Verletzungen im Koma.

Trotz der Kraft, welche die Wettermagie von Gar abverlangt, und der Intrigen Conroyd Jarralts, der sich selbst gerne auf den Thron sähe, gelingt es Gar, all seine Pflichten zu erfüllen – bis Gar seine Magie wieder verliert. Voller Verzweiflung bittet er Asher, für ihn das Wettermachen zu übernehmen, als Asher durch einen Zufall herausfindet, dass auch in ihm Magie ist. Doch damit würde er Barls erstes Gesetz brechen, welches Olken verbietet, sich an Magie zu versuchen, und bei der Missachtung dieses Gesetzes droht ihm die Todesstrafe.

Indes versucht Morg, dem in Durms komatösem Körper die Hände gebunden sind, einen neuen Wirt zu finden, und wird auch bald fündig: Er nistet sich in Conroyd Jarralts Körper ein und versucht, Gar die Krone abzunehmen, damit er mit Hilfe der Wettermagie die magische Mauer um Lur zu Fall bringen kann …

_Eindrücke:_

Nachdem „Königsmacher“ an einigen Stellen recht langatmig war und der Leser erst sehr spät am Ende des ersten Bandes erfuhr, worum es eigentlich genau geht, ging ich fest davon aus, dass es in „Königsmörder“ nun richtig losgeht und auch die Spannung nicht mehr auf sich warten lässt. Der zweite Band schließt nahtlos an seinen Vorgänger an und erzählt somit genau an der Stelle weiter, an welcher der erste Teil endete: dem tödlichen Unfall der Königsfamilie. Gar und Durm können noch gerettet werden, doch der König sowie seine Frau und seine Tochter sind bei dem Unfall ums Leben gekommen. Durch diese Tragödie bricht bei sämtlichen Beteiligten erst einmal das Entsetzen aus, und Gar, der sich kaum von dem Unfall und dem Verlust seiner Familie erholen kann, wird kurzerhand zum König gekrönt. Gar und Asher bekommen immer mehr Stress und Pflichten aufgebürdet, und die Trauer um die Verstorbenen verbreitet eine triste Atmosphäre.

Der zweite Teil fängt somit also durchaus vielversprechend an, sodass man davon ausgeht, dass die Geschichte und damit die Prophezeiung ihren Lauf nehmen. Doch wider Erwarten kommt auch dann noch keine richtige Spannung auf. Auch im zweiten Teil plätschert die Geschichte, obwohl mittlerweile mehrere spannende und wichtige Dinge passieren, im selben, langatmigen Ton weiter, und trotz einiger spannender Stellen schafft es Karen Miller nicht, zumindest gleichbleibendes Interesse wie im ersten Teil ihrer Dilogie zu erzeugen. Im Gegenteil: Während die fehlende Spannung und die langatmige Erzählweise im ersten Teil noch weniger schlimm ausfielen, stört dieser Zustand den Leser nun zunehmend, bis man schließlich irgendwann die Lust am Weiterlesen mehr oder weniger verliert. Zwar langweilt das Buch nicht durch und durch, aber irgendwann gelangt man an den Punkt, an dem die Verlockung, einige Seiten einfach zu überspringen, recht groß ist. Die Handlung plätschert meist so vor sich hin und fesselt den Leser kaum noch.

Während die Tatsache, dass „Königsmörder“ recht langatmig und langweilig umgesetzt wurde, die Qualität des Buches ein ganzes Stück runterzieht, kann es aber erneut mit seinen Charakteren punkten. Im Laufe der Handlung verändern sich die Charaktere mal mehr und mal weniger und entwickeln sich weiter. So beispielsweise Asher: Während er im ersten Teil noch ein wenig lockerer war und nur als Ratgeber des Prinzen fungierte, so wird er in „Königsmörder“ zunehmend ernster, muss wesentlich mehr Pflichten übernehmen und viele traurige und gefährliche Situationen bestehen. Doch neben dieser Weiterentwicklung bleibt er im Grunde doch derselbe mit seiner streitlustigen, offenen und lustigen Art.

Auch bei Gar zeigen sich einige Weiterentwicklungen in seiner Person. Diese sind wohl noch stärker als bei Asher. Er erlangt am Ende des ersten Teils nicht nur endlich seine Magie, sondern auch noch durch traurige Umstände den Thron. Asher wirkt im ersten Moment stark überfordert, und als Gar seine Magie auch noch verliert, ist das Chaos komplett. Gar überredet Asher, ihn für eine unbestimmte Zeit zu decken, bis er seine Magie wiedererlangt hat.

So besonders ist an den Charakteren nicht nur die Tatsache, dass sie sehr authentisch wirken, sondern auch die Art und Weise, wie Karen Miller ihre Charaktere fehlerhaft, aber dennoch sympathisch gestaltet hat. Das beste Beispiel dafür ist wieder einmal Gar. Er gibt nicht nur seiner Schwester Fane, sondern auch Asher jeweils ein Versprechen, welches er nicht halten kann. Er verrät Asher und lässt ihn trotz seines Versprechens im Stich, was ihm schwer zu schaffen macht und er sich selbst nicht verzeihen kann. Dennoch ist Gars Handeln nachvollziehbar und wirkt für den Leser noch immer sympathisch.

Neben den zwei Protagonisten gibt es noch einige Nebencharaktere, die ebenfalls wichtig für die Geschichte sind und von denen jeder seinen Teil zu der Prophezeiung beiträgt. Da wäre zum Beispiel Dathne, Jervales Erbin, die in die Prophezeiung eingeweiht ist und alles dafür tun muss, damit sie sich erfüllt. Dazu gehört auch, Asher zu verheimlichen, wer sie ist und dass er in der Prophezeiung eine große Rolle spielt. Dies fällt ihr zunehmend schwerer, als sie bemerkt, dass sie in Asher verliebt ist und er ihre Liebe erwidert. Diese Liebe führt in der Prophezeiung zu vielen Komplikationen, so auch zu einem Streit mit Matt, der ebenso wie Dathne dem Zirkel angehört, der sich der Prophezeiung verpflichtet hat.

Karen Miller erzählt ihre Geschichte in der allwissenden Perspektive. So betrachten wir das Geschehen nicht nur aus der Sicht der Protagonisten, sondern auch aus jener des Bösewichtes Morg und sogar einzelner Nebencharaktere. Dennoch ist der Schreibstil, wie schon im ersten Teil der Dilogie, sehr ausschmückend und ausführlich. Karen Miller erklärt alles haargenau und streckt ihre Geschichte mit einigen Stellen, welche für die Handlung eher unwichtig und für den Leser uninteressant sind. Während dieser ausführliche Schreibstil in „Königsmacher“ noch zu verkraften war, stört er in „Königsmörder“ irgendwann zu arg, sodass man bald schon beginnt, einige Seiten einfach zu überblättern oder im schlimmsten Fall einfach keine Lust mehr hat weiterzulesen.

Glücklicherweise wird die Geschichte zum Ende hin wirklich einmal spannender. Es kommt zu einem Showdown, bei dem entschieden wird, ob das Böse gewinnt und Lur sowie seine Bewohner vernichten kann oder ob es Asher gelingt, das Unheil abzuwenden und Morg zu töten. Dabei kommt es unter anderem zu einer Wendung in der Geschichte, die der Leser wohl so nicht erwartet hätte. Doch … lest selbst.

_Fazit:_

„Königsmörder“ ist nicht so gut gelungen wie sein Vorgänger, was vor allem daran liegt, dass die teilweise unwichtigen und uninteressanten Stellen und der langatmige Schreibstil sehr viel von der Spannung nehmen und man dadurch schnell die Lust am Lesen verliert. Deshalb ist „Königsmörder“ aber noch lange nicht schlecht, denn durch die authentischen Charaktere und das spektakuläre Ende macht das Buch die langatmigen Stellen teilweise wieder wett.

_Die Autorin:_

Die Autorin Karen Miller wurde in Vancouver, Kanada, geboren. Im Alter von zwei Jahren zog sie mit ihrer Familie aber bereits nach Australien. Sie arbeitete schon in den verschiedensten Berufen, beispielsweise als Pferdezüchterin in England. Heute lebt Karen Miller in Sydney und widmet sich ganz dem Schreiben.

|Originaltitel: Kingmaker, Kingbreaker 02. Innocence Lost
Originalverlag: HarperCollins Aus, 2006
Aus dem Englischen von Michaela Link
Paperback, 672 Seiten
3 Schwarzweiß-Abbildungen
ISBN-13: 978-3-7645-3004-4|
http://www.penhaligon.de
http://www.karenmiller.net

Allende, Isabel – Siegel der Tage, Das

Isabel Allende, chilenische Bestseller-Autorin mit Wohnsitz in San Fancisco, geht mittlerweile stark auf die siebzig zu, und doch scheint sie keineswegs müde. Erst letztes Jahr erschien ihr farbenprächtiger historischer Roman [„Inés meines Herzens“, 4229 und auf den aktuellen PR-Fotos, die auf ihrer Homepage einsehbar sind, lacht sie strahlend in die Kamera. Vielleicht ist Allende ja tatsächlich ein bisschen altersweiser geworden, verspürt den Wunsch nach Reflektion ihres Lebens stärker denn je. Doch gleichzeitig ist sie immer noch leidenschaftlich, spleenig und ein erzählerischer Wirbelwind.

Ihr neuestes Buch, „Das Siegel der Tage“, knüpft lose an ihren großen Erfolg „Paula“ an, einem romanhaften Brief an ihre sterbende Tochter Paula, der ihr die Geschichte der Allendes – also ihre eigene Geschichte – näherbringen soll. „Paula“ ist ein intimes Buch, ein Buch, das vom großen Mut seiner Autorin zeugt, sich der Geschichte, dem Schmerz und dem eigenen Leben zu stellen. „Paula“ zu lesen, ist ergreifend, auch weil durch all die Trauer um die verlorene Tochter die unglaubliche Stärke dieser Isabel Allende durchscheint.

„Das Siegel der Tage“ nun ist eine Art Fortsetzung; wieder beginnt Allende mit einem Adressat an ihre Tochter. Diesmal ist es eine Reminiszenz an deren Beerdigung. Die vertrauliche Anrede, „du, meine Tochter“, wird der Leser des Öfteren während der Lektüre finden, doch die Verbindung ist lockerer. Allende kehrt immer wieder zu Paula zurück, doch das erlebte Leid ist nicht mehr so allgegenwärtig wie in „Paula“.

Was geschah also nach Paulas Tod? Wie ging es mit der Familie weiter? Genau das, und vieles mehr, packt Allende in ihren langen Brief. Sie erzählt von der lähmenden Trauer nach Paulas Tod, dem Stillstand in ihrem eigenen Leben. Sie erzählt, wie diese Zäsur fast ihre Ehe zerstört hätte. Kurzum, sie erzählt, wie es mit der Sippe weitergeht. Dabei gibt es längst nicht nur Happy Ends, doch auch in katastrophalen Situationen, die das Potenzial haben, eine Familie komplett zu zerstören, verliert Allende nie den unerschütterlichen Glauben daran, dass sich alles irgendwie und irgendwann zum Positiven wenden wird. Es ist diese Grundeinstellung, dieser unverwüstliche Wunsch nach Leben, der sich bei der Lektüre unweigerlich auf den Leser überträgt. Und dieses Feel-Good, trotz aller Widrigkeiten und Probleme, ist eines der Geheimnisse von Isabel Allendes Prosa.

Isabel Allende schart eine große Familie um sich, nicht nur ihre leibliche, sondern auch eine angeheiratete und „adoptierte“ (so hat sie kein Problem damit, auch enge Freunde zur Sippe zu zählen). Diese unorthodoxe Großfamilie bietet ihr einen perfekten Spielplatz, um „Das Siegel der Tage“ mit erheiternden, spannenden, komischen, mitreißenden und persönlichen Anekdoten zu füllen. Der Leser erfährt tatsächlich ziemlich genau, was seit Paulas Tod im Leben der Allende passiert ist. Einiges davon kennt man schon, anderes ist neu, und es ist wohl auch diese Melange aus Bekanntem und Neuem, die beim Leser den Eindruck erweckt, zum Plausch bei einer guten Freundin eingeladen zu sein. Sie sieht ihren Leser als Freund, dem man auch Geheimnisse anvertrauen kann, und als Leser kann man sich des Eindrucks der Demut nicht erwehren, dass einem solcherart Ereignisse so offen und ehrlich anvertraut werden.

Die Kritik hat ihr das offensichtlich übel genommen. Die Rezensentin der |Süddeutschen Zeitung| sieht den Voyeurismus des Lesers bedient und spricht erschrocken von „Intimitäts-Terror“. Das sei alles nur ein einfaches Herunterschreiben von Familiengeschichten, an dem nichts Erdachtes zu finden sei – was in ihren Augen offensichtlich ein Qualitätsmakel ist. Dabei wird ein aufmerksamer Leser längst gemerkt haben, dass Isabel Allendes Bücher schon immer (auto)biographisch waren. Mal mehr, mal weniger hat sie Familienmitglieder verfremdet und zu Protagonisten gemacht – im „Geisterhaus“, im „Unendlichen Plan“, in „Paula“, in [„Mein erfundenes Land“ 2979 – überall findet sich der Allende-Clan wieder. Es ist gerade ihre Stärke, Biographien in Romane und Profanes in Literarisches zu verwandeln. Bei der Veröffentlichung von „Paula“ wurde ihr dafür noch applaudiert, bei „Das Siegel der Tage“ ist das gleiche Prinzip plötzlich anrüchig? Wohl kaum …

„Das Siegel der Tage“ trägt weder den Untertitel ‚Roman‘ noch ‚Autobiographie‘, und das aus gutem Grund, denn es ist weder das eine noch das andere. Sicher, die Charaktere existieren – sie sind Familie und Freunde der Autorin. Doch zu welchem Grad sie und ihre Lebenswege fiktionalisiert wurden, das bleibt das Geheimnis der Autorin, die sich persönlich keinen Deut um den Zusammenhang zwischen Fiktion und Realität schert. „Jedes Leben kann wie ein Roman erzählt werden, wir sind alle Hauptfiguren unserer eigenen Geschichte“, sagt sie relativ am Anfang des Buches, um daraufhin den Beweis ihrer These anzutreten. „Meine Darstellung der Ereignisse ist eigenwillig und überspitzt“, heißt es später. Solche kleinen Einwürfe sollten dem Leser eigentlich Hinweis genug sein, um einschätzen zu können, inwieweit er hier eine Intimschau der Autorin vor sich hat.

Zugegeben, „Das Siegel der Tage“ wird sicherlich hauptsächlich für Leser interessant sein, die Allendes Bücher kennen und mehr über die Autorin erfahren wollen. Sie rekapituliert nicht nur die fünfzehn Jahre seit Paulas Tod, sondern gibt auch Einblick in ihr Schaffen. Wie schreibt sie? Wie findet sie Stoffe? Wie entstehen ihre Romane und wie empfindet sie Lesereisen? Doch am beeindruckendsten ist zu sehen, dass die starken Protagonistinnen, die Allende gern auftreten lässt, keineswegs unerreichbare Heldinnen sind. Isabel Allende lebt diese unerschütterliche Stärke vor. Sie kämpft, sie liebt und sie steht wieder auf, wenn sie gefallen ist. Sie hat ihre Schwächen (es scheint, als wäre sie als Schwiegermutter ein echter Drachen) und sie ist nicht immer erfolgreich. Aber ihr Durchhaltewillen und ihre Leidenschaft – in allen Dingen des Lebens – machen sie, genauso wie ihre Bücher, so unglaublich bemerkenswert.

|Originaltitel: La Suma de los Días
Aus dem Spanischen von Svenja Becker
409 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-518-42010-2|
http://www.suhrkamp.de

_Mehr von Isabel Allende auf |Buchwurm.info|:_

[„Zorro“ 1754
[„Mein erfundenes Land“ 2979
[„Inés meines Herzens“ 4229
[„Im Bann der Masken“ 605
[„Die Stadt der wilden Götter“ 1431
[„Im Reich des goldenen Drachen“ 1432

Rafflenbeul, Stefanie / Paradigi, Jana – SunQuest 2: Der Ewige

Band 1: [„Fathomless“ 5018

_Inhalt:_

Auf der Suche nach der legendären Urmutter geraten Shanija und ihre Gefährtinnen ins „Verkehrte Land“ sowie zur „Großen Flüstertüte“, einem Versammlungsplatz der Wahrheitssuchenden, und begegnen dabei einem Adepten der geheimnisvollen Gilde der Wissensträger.

_Meine Meinung:_

Den zweiten Band der „SunQuest“-Serie bestreiten zwei junge Newcomer-Autorinnen: Stefanie Rafflenbeul & Jana Paradigi. Beide sind hin und wieder auch als |Maddrax|-Heftromanautorinnen zu lesen.

_“Das Schwert des Präfekten“ von Stefanie Rafflenbeul_ ist durchgängig phantastisch. Der Leser wird somit in eine bunt gewobene Fantasywelt entführt, denn die drei „Heldinnen“ folgen der Spur von „Pong“. Der Schmuckdrache wurde von einem Diebvogel entführt, und es gilt ihn wiederzufinden.

So landen Shanija, As’mala und Seiya in „Khatasta“ (erinnert sehr an Castata aus Band 1), einer dekadenten Luxustadt mit einem goldenen Palast auf einem karmesinroten Hügel, nachdem sie das „Wolkenland“ durchwandert und eine sonderbare steinerne Trichterstadt, die von dreibeinigen Vogelwesen, den „Fiogan“, bewohnt wird, passiert haben. Die Frauen begegnen Glasaalen, und Shanija hat ein merkwürdiges Déjà-vu-Erlebnis. Derweil sieht sich Pong seinem Entführer gegenüber: Capus Dalena, der seinen Vater sucht und die Frauen dazu erpressen will, ihm bei der Suche zu helfen.

In Khatasta begegnet das Dreiergespann Maltes Balderas, einem Hauptmann der Stadtwache. Von ihm erfahren sie, dass eine mysteriöse Krankheit nur Frauen tötet. Ursache sind Strahlungen eines vor vielen tausend Jahren abgestürzten Sternenschiffes. Nur in dem Stadtbereich Oberkhatasta sind Frauen sicher und leben hier. Aridas Balderas, Maltes‘ Vater, ist der oberste Präfekt der Stadt. In seinem Palast sollen die drei Frauen ein Schwert (das so genannte Drachenschwert, das den Namen „Tyr“ trägt), das von Capus‘ Vater geschmiedet wurde, suchen und an sich bringen.

Shanija fühlt sich in der dekadenten Umgebung des Palastes unwohl und misstraut Aridas Balderas. Da werden sie, Capus und Seiya von den Fiogan entführt und zu einem Krater gebracht, auf dessen Grund „Slintan“, ein archaisches Wesen, haust, das einem irdischen Saurier nicht unähnlich ist. Shanija soll gegen ihn kämpfen.

Derweil gelingt es As’mala im Palast, das Schwert an sich zu bringen; Maltes kommt ihr dabei auf die Schliche und sie entdecken ein Geheimnis um seinen Vater und Maltes‘ Schwester Jasmina. Maltes und As’mala gelangen auf der Suche nach ihr ebenfalls an den Krater.

Dort wird ihnen gewahr, dass Slintan für die Fiogan ein Gott ist, der Menschenfrauen frisst. Entsetzt muss Maltes erfahren, dass ein Vertrag zwischen den Fiogan und Khatasta besteht. Aus der Stadt werden Frauen an die Fiogan als Opfer für Slintan „geliefert“, während die Fiogan ihre Eier, die zu wertvollen Kristallen werden, an Khatasta geben. Somit opfern beide Seiten Teile ihrer Nachkommen.

Die Freunde finden schließlich Capus und seinen Vater, der zusammen mit Jasmina von Maltes‘ Vater zum Krater gebracht wurde. Und schlussendlich kommt es zum Kampf zwischen Shanija und Slintan, dem weißen Vogeldrachen, der aber gemessen an dessen angeblicher Kraft recht unspektakulär ausfällt.

Fantasiereichtum kann man Stefanie Rafflenbeul wirklich nicht absprechen; wenngleich ihr Stil noch nicht hundertprozentig ausgewogen ist, liest sich dieser Teil des Romanes unterhaltsam flüssig und sehr phantastisch.

_Teil zwei „Das flüsternde Orakel“_ wurde von Jana Paradigi bestritten und überzeugt noch mehr als Teil eins. Die Autorin hat einen gefestigteren Stil und ebenso viel Fantasie, mehr noch: Ihre Charakteren wirken noch einen Tacken lebendiger. Von dieser Autorin könnte man sich durchaus auch einmal einen komplexen |SunQuest|-Roman vorstellen.

Weiter geht es also mit dem Frauengespann Shanija, As’mala und Seiya. Ihre nächste Etappe ist eine Wüstenstadt, in der ihnen Menschenwesen, Flugtiere, skurile Maschinen und Kuntar (Echsenartige) begegnen. Mit Shanija geht eine Verwandlung vor (was man besonders an den Dialogen, sprich ihrem teilweise etwas „gewöhnlicheren“ Vokabular merkt). Auch emotional „taut“ sie merklich auf, als Darren Hag zu ihnen stößt. Immer wieder kreuzen sich ihre Wege, bis sie bei einem Abendessen mehr über den Mann erfahren: Darren ist der Sohn des einflussreichen Earl Hag, eines Händlers und Politikers.

Beobachtet werden die Freunde den größten Teil der Handlung über von Mun, einem Adepten, einem Ausgesandten der Bibliothekare, einem wandelnden Chronisten, der auf der Suche nach der Sonnenträgerin ist und sich fragt, welche der drei Frauen die Gesuchte ist. So folgt er einer nach der anderen, um genau das herauszufinden.

Schlussendlich treffen sie auf Munch, und dieser will die drei Frauen und Darren (somit wird die Gruppe immer größer) in das Zentralarchiv führen, das Shanija aufsuchen möchte, um doch noch ihrer Mission nachzukommen und Less wieder verlassen zu können (der Leser wünscht sich nach Band zwei längst, dass das nicht zu schnell passieren soll). Doch dann wird Shanija entführt …

Auch dieser Part des Romans ist hauptsächlich phantastisch in seiner Machart, mit einer Prise Abenteuer gewürzt und liest sich flüssig weg. Außerdem gibt es da noch die Sekte des Wiedergängers, Muksch, einen kleinen Bären, die Große Flüstertüte (Orakel) und Ameisenangriffe …

_Insgesamt:_

Abschließend bliebe zu sagen, dass das Konzept dieser „jungen“ Serie aufgeht. Nach einer Idee von Gerald Jambor und unter der Redaktion und des Gesamtkonzeptes von Uschi Zietsch verfassten die beiden Autorinnen ihre Exposees selbst, was ihnen vortrefflich gelungen ist. Sie schufen damit einen unterhaltsamen und stimmigen Band, der Lust auf mehr macht.

Zur Aufmachung ist zu erwähnen, dass sie wie bei [Band 1 5018 tadellos ist. Da überzeugt alles: Papier, Satz, Druck, Format – und auch die Innengrafiken (dieses Mal von Gabriele Scharf) sind stimmiger, da sie einen phantastisch-femininen Stil zeigen, der gut zu den Plots der Texte und den Stilen der beiden Autorinnen passt. Hilfreich ist der dem Romantext angeschlossene „Anhang“, in dem der Leser einiges Wissenswerte über Less erfährt.

„Der Ewige“ ist eine flott erzählte Mixtur aus SF, Fantasy und Abenteuer und gelungene Fortführung der Serie „SunQuest“. Sehr empfehlenswert!

|240 Seiten
Titelillustration und Titelgestaltung von Swen Papenbrock
Innenillustrationen von Gabriele Scharf
ISBN-13: 9783927071186|
http://www.fabylon-verlag.de
http://www.sunquest-serie.de

Parzzival, S. H. A. / Stern, Michelle / Martyna, Andrä – Tränenmelodie (TITAN-Sternenabenteuer 31)

Michiko, Shalyn Shans Jugendfreundin, erhält von einem Unbekannten Hinweise darauf, wo sie die Mörder ihres Bruders finden kann, der unter dem Einfluss der Verbrecherorganisation |Menschmaschine| zu einem unberechenbaren Killer wurde. Ihr Weg führt sie in die Mondkolonie, wo ihre Gegner sie bereits erwarten …

Währenddessen versucht der ehemalige |Menschmaschine|-Agent Benyam Eriksson, sein früheres Leben zurückzulassen. Doch erneute Gedächtnisaussetzer sowie eine geheimnisvolle Frau namens Kleopatra geben ihm immer neue Rätsel auf. Der Agent stößt auf ein Labor, in dem genmanipulierte Riesenbienen auf ihren Einsatz warten, und Benyam Eriksson wird zu dem gezwungen, was er am besten kann: Töten …

Zur selben Zeit forciert die Fledermaus Wernher von Witzleben die Jagd auf den Verräter Thomas Chiavelli – dessen wahre Identität für Shalyn Shan und ihren Boss Amos Carter ein Schlag ins Gesicht ist. Thomas Chiavelli entpuppt sich als Monster in Menschengestalt …

_Meine Meinung:_

Kurz vor dem Ende des laufenden Zyklus holt sich Stammautor S. H. A. Parzzival gleich drei neue Autoren ins Boot, von denen zwei im vorliegenden Roman ihren Einstand geben. Michelle Stern ist Freunden leichter Science-Fiction-Kost bereits seit Langem keine Unbekannte mehr, schreibt sie doch emsig an Serien wie |Maddrax| und |Sternenfaust| mit. Andrä Martyna hingegen trat bislang „nur“ als Grafiker in Erscheinung. In den letzten beiden Romanen beschreibt er den Rachefeldzug von Michiko und sorgt ganz nebenbei auch noch dafür, dass die technischen Spielereien der Zukunft wissenschaftlich erklärt werden – die Technik-Freaks unter den Lesern dürften zufrieden sein. Leider wurde auch in dieser Serie auf weitere Innenillustrationen respektive Grafiken verzichtet, so dass dem Leser nur die gelungene Backcovergrafik bleibt sowie das grandiose Titelbild; beide von Martyna kreiert, der vielleicht aufgrund der Schreibarbeit weniger Zeit hatte.

Die Befürchtung, dass zu viele Köche den Brei verderben könnten, bewahrheitet sich zumindest in diesem Roman nicht. Dadurch, dass die Handlungsstränge weitestgehend unabhängig voneinander verlaufen, kommen sich die Verfasser nicht ins Gehege. Darüber hinaus verwenden alle drei Autoren einen sehr flüssigen und rasanten Stil, der den Leser sofort gefangen nimmt. Gerade der Haupthandlungsstrang um Benyam Eriksson, der am meisten Platz im Roman einnimmt, wartet darüber hinaus mit einer sehr düsteren und originellen Story auf. Hier werden all die Leser zufriedengestellt, die mehr über die Agentenorganisation |Menschmaschine| wissen möchten. Eher stiefmütterlich wurde dagegen der Part von Shalyn Shan und der Fledermaus behandelt. Der im letzten Buch eingeführte Voodoo-Vampir (sowieso ein Anachronismus im bestehenden „Titan“-Universum) wird sogar nur am Rande erwähnt, während Thomas Chiavelli plötzlich zum unsterblichen Monster mutiert. Die restlichen Crewmitglieder sowie Michael Moses und seine Machenschaften rücken gänzlich in den Hintergrund. Ein wenig scheinen die Autoren auch mit den einzelnen Handlungsfäden durcheinander zu kommen, denn plötzlich stellen die außerirdischen Cadschiden immer noch eine unberechenbare Gefahr dar, obwohl sie in Band 29 ihre Gefühle zurückerhielten und zu einer neuen Rasse wurden, die in den Tiefen des Alls nach Frieden sucht.

Lange war auf der Homepage des Verlags das Cover des Romans mit einem neuen Rahmen zu sehen gewesen. Zum Glück für alle Sammler hat sich Jörg Kaegelmann dazu entschlossen, das alte Layout beizubehalten, dass viel besser zu einer Serie passt, welche im Titel das Wort „Sternenabenteuer“ trägt. Die Titelgrafik von Andrä Martyna ist außerordentlich gut gelungen, hat aber leider mit dem Inhalt nicht viel zu tun. Auch die Backcovergrafik geht auf der Rückseite ein wenig unter. Da hätte man sie besser ein wenig größer abdrucken und auf die Leseprobe unter dem Klappentext verzichten können.

_Fazit:_

„Tränenmelodie“ ist trotz fehlender Innengrafiken ein wirklich packender Dark-Fiction-Thriller. Für alle Technik-Begeisterten und Fans der |Menschmaschine|-Handlung ist dieses Buch eine kurzweilige und absolut empfehlenswerte Lektüre.

|160 Seiten
ISBN-13: 978-3-89840-131-9|
http://www.blitz-verlag.de

_Florian Hilleberg_

Card, Orson Scott / Ellis, Warren / Ferry, Pasqual / Nord, Cary – ultimative Iron Man, Der – Band 2

_Inhalt_

|“Ultimate Iron Man II 1-2″|

Schwer gebeutelt, erholt sich Tony Stark gerade von einer schweren Explosion, die der Entwicklung eines neuen Iron-Man-Prototypen folgte. Doch der junge Stark findet kaum Zeit zur Rehabilitation, da sein Vater des Mordes an seinem größten Konkurrenten Zebediah Stane angeklagt wurde. Die Spur des Iron Man führt zu Stanes Jüngling Obediah, der zweifelsohne in die Intrige involviert ist, sich im anrüchigen Spiel mit dem Großindustriellen jedoch raffinierter und abgezockter gibt, als Stark zeitweise verkraften kann. Für den Iron Man reift nun die Zeit für extremere Maßnahmen …

|“Ultimate Human 1-2″|

Iron Man Tony Stark erhält Besuch von seinem langjährigen Freund Bruce Banner, der nach seinem letzten Gewaltausbruch in der mutierten Form des Hulk nach Lösungsstrategien sucht, um sein Alter Ego zu kontrollieren. Bei einem Experiment versucht Stark, das Verhalten zu analysieren und Gegenmaßnahmen einzuleiten. Doch schnell gerät die Situation außer Kontrolle, als der Hulk die Fesseln sprengt und seine Umgebung erneut attackiert.

_Persönlicher Eindruck_

Eine ganze Weile ist vergangen, seit der ersten Sammelband um den ultimativen, jüngst zu Kinoehren gekommenen Iron Man das Licht der Welt erblickte, weshalb es schon fast befremdlich anmutet, dass die Geschichte nach mehr als zwei Jahren nun doch noch fortgeführt wurde. Die Inhalte sind inzwischen ein wenig verschwommen, und zudem dürften beinharte Fans auch ein wenig missmutig sein, denn nach dem spannenden Cliffhanger der ersten Ausgabe ist es umso unverständlicher, dass die Auflösung der Geschichte so viel Zeit in Anspruch nehmen musste.

Sei’s drum: Die Intrige um Zebediah und Obediah Stane findet in den letzten beiden Kapiteln einen recht interessanten Abschluss, dessen Intensität jedoch im Gesamtverlauf ein wenig schrumpft. Das psychische Wrack Obediah beispielsweise ist in seiner Charakterentwicklung ziemlich unstet und scheint manchmal sinnbildlich für den teils wackligen Plot, dem der rote Faden gleich mehr als einmal abhanden zu kommen droht. Gerade zum Ende hin ist der Fortschritt der Story ein wenig unbefriedigend und hinterlässt bei erwartungsvollen Anhängern des Vorgängers sicherlich einige gemischte Gefühle. Interessant sind die Ideen allemal, konsequent ausgearbeitet aber keineswegs.

Im zweiten Abschnitt kommt es dann zu einem legendären Gipfeltreffen; der Hulk trifft auf den klügeren Iron Man, da sich ihre jeweiligen ‚Insassen‘ entschlossen haben, eine Testreihe zur Bewältigung des Banner’schen Problems durchzuführen. Die Geschichte ist jedoch über weite Strecken sehr vorhersehbar gestaltet, während die Dialoge bei weitem nicht das Niveau erreichen, für das ein Starautor wie Warren Ellis eigentlich geschätzt wird. Auch wenn die Handlung noch einige überraschende Wendungen nimmt und sich unerwarteterweise noch halbwegs anständig entwickelt, hätte man hier definitiv mehr herausholen können.

Somit bleiben ein nicht ganz zufriedenstellender Abschluss und eine bisweilen fragwürdige neue Mini-Serie, die nicht so recht in die Gänge kommt, bei der Action dann aber doch noch verlorenen Boden gutmacht. Rechtfertigt dies zwei Jahre Wartezeit? Nun, wahrscheinlich nicht, womit „Der ultimative Iron Man 2“ definitiv nur ein Thema für die Die-Hard-Anhängerschaft des stählernen Riesen bleiben sollte. Durchweg überzeugen konnte dieser zweite Sammelband nämlich leider nicht.

http://www.paninicomics.de/?s=serie&gs__gruppe=124&t=ultimative-iron-man-s124.html

Hein, Jakob – Vor mir der Tag und hinter mir die Nacht

Das Buch beginnt mit einer herrlich verrückten Idee: Boris Moser, ein sympathisch unkonventioneller Mensch und Geschäftsmann, ist durch eine Erbschaft zu etwas Geld gekommen und erfüllt sich seinen Traum: Er eröffnet eine „Agentur für verworfene Ideen.“ Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, auch die irrwitzigsten Gedanken zu sammeln, um vielleicht für den einen oder anderen Gedankentopf einen Gedankendeckel zu finden.

Der passende Deckel auf seinen Topf kommt eines Tages in Gestalt seiner ersten Kundin, Rebecca, in den Laden. Diese hat sich zwar im Grunde nur verlaufen, lässt sich aber dann doch bereitwillig auf ein amüsantes Gespräch über skurrile Ideen und alltägliche Außergewöhnlichkeiten verwickeln. Damit sie nicht, wie alle Frauen zuvor, einfach wieder aus seinem Leben verschwindet, beginnt Boris schließlich, ihr einen der vielen Romananfängen zu erzählen, die er in seiner Agentur gesammelt hat.

Nun beginnt eine Reihe von ineinander verschachtelten Geschichten. Die eine ist kaum angefangen, da beginnt eine ihrer Hauptpersonen eine neue Geschichte zu erzählen, nur um dann gleich die nächste einzuleiten. Alle Menschen in Jakob Heins Roman sind auf der Suche: der eine nach der Liebe, eine nach der besten Freundin und ein anderer gleich nach dem Sinn des Lebens. Wie Boris, den man zuweilen völlig aus den Augen verliert, wollen alle den Punkt erreichen, an dem sie die Nacht hinter sich lassen können und der Tag auf sie wartet.

Vielleicht hat der Autor hier selbst ein paar verworfene Ideen verarbeitet! Obwohl die Handlungen der einzelnen, man möchte fast sagen: Kurzgeschichten kaum miteinander verbunden sind, sind die Übergänge fließend. Durch den ungewöhnlichen Aufbau des recht kurzen Buches kann Jakob Hein zudem eine Vielzahl von verschiedenen Personen und Gedanken unterbringen und zu einem einzigen Roman zusammenzufügen.

Das Schönste an diesem Buch sind jedoch die kleinen und großen Ausschweifungen, die mit origineller Sprache und Wortwitz die Absurditäten und Besonderheiten des Alltags beschreiben und wahrscheinlich jedem Leser ein Grinsen aufs Gesicht zwingen.

|173 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-492-05207-8|
http://www.piper-verlag.de

_Wolfgang Roidl_

Sandemo, Margit – Sehnsucht (Die Saga vom Eisvolk 4)

Band 1: [„Der Zauberbund“ 4365
Band 2: [„Hexenjagd“ 4421
Band 3: [„Der Abgrund“ 4748

_Story_

Schon eine halbe Ewigkeit scheint Sold Tod die letzte Erschütterung über Lindenallee gebracht zu haben, als Tengel und Silje wieder in Aufruhr geraten. Die Pest hat das heimatliche Kirchspiel erreicht und rafft die ersten Bauernfamilien dahin. Tengel und sein Enkel Tarjei kümmern sich gemeinsam mit der missgebildeten, naiven Yrja um die wachsende Zahl der Patienten, können aber nicht verhindern, dass der schwarze Tod auch die eigene Familie befällt.

Gerade erst erholt, steht den letzten Vertretern des Eisvolkes bereits die nächste Prüfung bevor. Sunniva und Tarald, Sols Tochter und Dags Sohn, planen ihre Hochzeit infolge einer unplanmäßigen Schwangerschaft. Obwohl Tengel gegen die Geburt ist und selbst versucht, das Kind abzutreiben, setzt sich das gutgläubige junge Paar durch. Die Strafe folge sogleich. Der Jüngling scheint tatsächlich vom Fluch seiner Ahnen befallen zu sein, was Sunniva infolge der Empfängnis das Leben kostet. Aber auch für die schwer erkrankte Silje und Tengel scheinen die letzten Tage gezählt, wodurch sich das alternde Familienoberhaupt zu einer Verzweiflungstat hinreißen lässt.

Unterdessen ist die wenig schöne Yrja bestürzt über die Beziehung von Tarald und Sunniva. Viel zu gerne würde sie selbst den hübschen Sohn des Barons von Meiden an ihrer Seite haben, jedoch ist ihr stets bewusst, dass niemals ein Mann auch nur ein kleines bisschen Interesse für die hässliche Distel, wie sie genannt wird, empfinden wird. Nach Sunnivas Tod allerdings scheint Tarald mit einem Mal mehr für Yrja übrig zu haben. Allerdings steht ihr Verhältnis nach wie vor nicht unter einem guten Stern. Ausgerechnet die Liebe, die Yrja dem verfluchten Nachkommen von Tarald und Sunniva entgegenbringt, scheint die Wogen zu glätten …

_Persönlicher Eindruck_

Mit „Sehnsucht“ vollzieht „Die Saga vom Eisvolk“ einen ersten radikalen Wandel. Das Personal wird im Laufe des vierten Romans kontinuierlich ausgewechselt, aber auch die Story steuert eine völlig neue Richtung an, in der erstmals auch eine Reihe historischer Fakten eine bedeutsame Rolle spielen. Darüber hinaus ist auch die Zeitspanne der Erzählung viel umfassender. Belief sich die Handlung der vorangegangenen Bücher auf wenige Jahre, durchläuft die aktuelle Story gleich ein halbes Jahrhundert, ohne den Charakteren bzw. dem allgemeinen Inhalt die darstellerische Tiefe zu nehmen – und dies ist eine Kunst, die man der Autorin äußerst hoch anrechnen muss.

Dabei beginnt „Sehnsucht“ betont tragisch: Es ist die Zeit des Abschieds. Abschied von wichtigen, prägenden Figuren, Abschied aber auch von der steten Idylle, die Silje und Tengel in den vielen emotionalen Momenten der Saga durchlebten. Die beiden einstigen Protagonisten sehen ihrem Ende entgegen und machen Platz für eine Reihe zunächst noch gesichtsloser, dank der richtig starken Präsentation wirklich toller Hauptakteure, auf denen die Last der Geschichte auch in den kommenden Fortsetzungen liegen wird.

Da wäre zuallererst die unrühmliche Yrja Mattiasdotter, ein ganz armes Mädchen, das durch seine Arbeitswut und beispielhafte Besonnenheit sehr schnell an Sympathie gewinnt. In ihr ist das Leiden Tengels ein weiteres Mal aufgearbeitet, allerdings in etwas intensiverer, tiefer greifender Art und Weise, die jedoch nur allzu charakteristisch für diese Serie ist. Hinzu kommt der Schönling Tarald, der von Yrja umworben wird, ohne dass ihm dies jemals auffiele. Ihr persönliches Dilemma ist das tragende Element von „Sehnsucht“, wird aber immer wieder von sehr effizient eingebauten Nebensträngen aufgelockert, in denen auch die bekannten Gesichter wiederzufinden sind. Dag und Liv spielen eine wichtige Rolle, Cecilie von Meiden übernimmt in Dänemark Sols Erbe am Hofe, Tengel und Silje schreiben ihre ganz eigene Story innerhalb der Story, und zuletzt gibt es häufige Rückblicke in die bisherigen Ereignisse und damit auch Verknüpfungen mit den aktuellen Entwicklungen.

Letzten Endes geht Sandemo einige gewagte Schritte, indem sie sich insgesamt doch recht weit von den bisherigen Grundlagen distanziert und vielen neuen Personen und Szenarien das Feld überlässt. Allerdings baut sie für ihre Saga ein noch viel stärkeres, ausdrucksstärkeres Profil auf, welches dem zuletzt ein wenig einspurigen Plot aus der Patsche hilft, bevor dieser sich in eine mögliche Sackgasse manövriert. Hinzu mag zwar kommen, dass auch einzelne Romanzen die Geschichte bevölkern, dies jedoch nicht mit dem befürchteten Kitsch-Anteil. Stattdessen wählt die Autorin eine recht niveauvolle Dramaturgie, die dank der vielen schönen Ideen erst recht auflebt und „Sehnsucht“ schließlich zum bisherigen Höhepunkt der Serie macht – und dies ist nach der anfänglichen Skepsis, die der eigentlich sehr radikale Wechsel dieses Bandes auslöst, schon eine sehr schöne Überraschung.

|Originaltitel: Sagaen om Ísfolket 4: Lengsel
Originalverlag: Bladkompaniet 1982
Ins Deutsche übertragen von Dagmar Lendt
Nachwort von Gabriele Haefs
Taschenbuch, 347 Seiten
ISBN-13: 978-3-442-36803-7|
http://www.blanvalet.de
http://www.margitsandemo.se

Dyachenko, Sergej & Marina – Jahrhundert der Hexen, Das

An schwarze Magie glaubten und glauben noch immer zahllose Menschen aus allen Regionen und Kulturen der Welt. Flüche, Hexereien und Verwünschungen gehören dabei unbezweifelbar der bösen Spielart der Magie an. Angst und Verunsicherung vor der Andersartigkeit der Frau gegenüber dem Mann spielt sicherlich auch eine tragende Rolle bei der Mythenbildung um das Hexenvolk, ebenso der in den menschlichen Urängsten verankerte Aberglaube sowie das Nichtverstehenkönnen oder -wollen der Naturelemente. Harsche Anfeindungen und Verfolgungen mit oftmals tödlichem Ausgang waren die Folge.

Im Bereich der Fantasy spielen Hexen und Zauberer stets eine tragende Rolle, mal zum Positiven hin, mal zum Negativen, und stellen stets eine Form der Bedrohung dar. Auch heute noch, in der von Wissenschaft und Technik durchdrungenen Welt ist der Glaube an bösartige Zauberei durch Hexen immer noch ein Thema.

Das Autorenehepaar Sergej und Marina Dyachenko aus Kiew hat zu Abwechslung einmal die Hexen in ihrem Roman „Das Jahrhundert der Hexen“ das Kommando übernehmen lassen.

_Inhalt_

In der ukrainischen Millionenstadt Wyshna geht die Angst um. Im Umland schützen mehrere Inquisitoren die Bürger vor bösen Hexen, die mit ihrer todbringenden Magie Angst und Schrecken über die Bevölkerung bringen wollen. In den Städten der Region gibt es seit dem Auftauchen der andersartigen Menschen mit magischen Fähigkeiten den gesetzlichen Zwang, sich als Hexe registrieren zu lassen; jegliche Weigerung bedeutet für die Hexe den Tod. Ebenso werden die Untoten eliminiert, welche die Lebenden mordlüstern verfolgen. Der Großinquisitor Klawdi, ebenfalls mit besonderen magischen Fähigkeiten ausgestattet, ist immer auf der Jagd nach potenziellen Hexen, die sich weigern, sich den Behörden zu stellen.

Es mehren sich die Gerüchte, dass die Ankunft der Großen Mutter, einer Ur-Hexe, unmittelbar bevorsteht und die Hexen sich in großer Erwartung zu einem Bund zusammenschließen, um die Herrschaft über die Menschen zu übernehmen. Klawdi versucht die Bedrohung mit allen Mitteln zu verhindern, und die Hexen, ob nun offiziell registriert oder nicht, werden deshalb gefoltert und getötet. Viele Hexen wählen lieber den Tod als ihre Geheimnisse oder andere ihrer Art zu verraten.

Bei einem Schulfreund, den Klawdi besucht, spürt er die Anwesenheit einer Hexe. Es ist die Verlobte des Sohnes seines alten Freundes, und Klawdi klärt die beiden über die Gefahr ihres Hexenwesens auf. Die junge Ywha weiß um ihre Andersartigkeit, aber sie will dies nicht wahrhaben, wollte es nie. Durch das Mal, das ihr nun aufzwungen wurde, sieht sie nur die Möglichkeit, sich von ihrem Verlobten zu trennen, um sich und ihn zu schützen.

Ywha ahnt nicht, welche unheimliche Macht in ihr schlummert, und doch wendet sie sich verzweifelt an Klawdi, der ihr Zuflucht und Schutz gewährt. Er will sie benutzen, um herauszufinden, wie die Bedrohung durch die Hexen aufzuhalten ist, denn die Situation zwischen Menschen und Hexen eskaliert immer mehr. Anschläge und Verwüstungen durch Hexen mehren sich, aber auch die Behörden gehen immer brutaler und rücksichtsloser vor. Folter und Tod sind schon längst legitimierte Möglichkeiten, um die Macht der Hexen zu brechen.

Die Regierung gerät immer mehr unter Druck, auch Nachbarländer melden vermehrte Gewaltbereitschaft durch die Gemeinschaft von Hexen. Die Zukunft der Menschheit steht auf dem Spiel, und es kommt zu einer apokalyptischen Schlacht …

_Kritik_

Seit [„Wächter der Nacht“ 1828 sind die russischen Autoren auf dem Vormarsch, vor allem im Genre der Fantasy. Ihr Stil ist ein gänzlich anderer als der ihrer westeuropäischen Kollegen, weniger ausschmückend und immer ein wenig skurril anmutend.

„Das Jahrhundert der Hexen“ ist in jedem Fall befremdlich. Fantasy in einer realen Welt, aber mit magischen Personen mag ohnehin etwas schwierig umzusetzen sein, aber das Autorenehepaar hat seiner Geschichte um die Hexen und Menschen davon unabhängig zu wenig Struktur und erklärende Nebenhandlungen spendiert. Zwar ist die Grundstory professionell aufgebaut, aber vieles erklärt sich dem Leser überhaupt nicht.

Zum Beispiel bleibt die Vorgeschichte der Hexen völlig im Dunklen, ebenso wie einige Aspekte ihres Lebens unter Beobachtung und mit Einschränkung durch die Behörden. Auch ihre Kräfte bleiben ein Mysterium und zum Ende des Romans hin mehren sich die Fragezeichen über dem Kopf des Lesers.

Selbst über die Eigenschaften der Inquisitoren, seien sie nun auch magisch oder nicht, erfährt der Leser nicht viel. Die Autoren konzentrieren sich einzig und allein auf die Handlung und den kommenden Showdown. Die Charaktere sind dabei ähnlich schwach konzipiert wie die Handlung. Über ihre Vergangenheit und ihre Beweggründe kann man nur Mutmaßungen anstellen. So wie sich das Ende darstellt, wird es auch keine erklärende Fortsetzung der Geschichte geben, denn inhaltlich gilt „Das Jahrhundert der Hexen“ als abgeschlossen.

Interessant fand ich allerdings die detailreiche Schilderung, was die Beschneidung der Grund- und Menschenrechte gegenüber den magischen Hexen anging. Hier erkennt man Parallelen zu realen totalitären Systemen, mit denen die Russen ebenso wie wir einige Erfahrungen aus der jüngeren Geschichte machen mussten.

Die Handlung bleibt zwar inhaltlich spannend und steigert sich, doch aufgrund der erwähnten Schwächen kann auch dies die Geschichte nicht retten. Der Unterhaltungswert bleibt auf der Strecke und kommt überhaupt nicht vorwärts, mit jeder neuen Situation gesellen sich mehr und mehr unbeantwortete Fragen hinzu. Zudem endet die Geschichte wirr und völlig unbefriedigend. Der Epilog ist scheinbar der Anfang und das Schicksal der Charaktere bleibt gänzlich offen.

_Fazit_

„Das Jahrhundert der Hexen“ ist in der Summe nicht empfehlenswert. Es gibt zu viele erzählerische Lücken und Schwachpunkte, die auch der straffe Spannungsbogen der Geschichte nicht auffangen kann. Insgesamt hat mich der Inhalt arg enttäuscht; der Klappentext wirkt reißerisch und spannend, aber meine darauf aufgebauten Erwartungen konnten die Autoren nicht erfüllen.

_Die Autoren_

Sergej Dyachenko, geboren 1945, und Marina Dyachenko, geboren 1968, stammen aus Russland und gehören neben Sergej Lukianenko zu den Stars der russischen Fantasy. Bevor sie sich aufs Schreiben verlegten, arbeitete Marina als Schauspielerin, Sergej als Psychologe. Ihre Romane und Erzählungen wurden in mehreren Sprachen übersetzt und mit vielen Preisen ausgezeichnet, unter anderem beim |EuroCon| in Glasgow in der Kategorie „Bester Autor“. Die Dyachenkos leben heute in Kiew, Ukraine.

|Originaltitel: Ved’min vek
Aus dem Russischen von Christiane Pöhlmann
440 Seiten, broschiert
ISBN-13: 978-3-492-26656-7|
http://www.piper-verlag.de

Guthrie, Allan – Abschied ohne Küsse (Hörbuch: Hard Case Crime)

_Knallharter Schottenkrimi_

Als seine Tochter tot aufgefunden wird, ist der Geldeintreiber Joe Hope nicht mehr aufzuhalten. Er wird die Mörder finden – auch wenn er dafür jeden verdächtigen muss, dem er bisher getraut hat. Doch dann wird Hope selbst zum Verdächtigen … (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Allan Guthrie ist Autor und Literaturagent. Für seine Kriminalromane wurde er bereits vielfach ausgezeichnet, „Abschied ohne Küsse“ war 2005 sein Debüt. Guthrie lebt mit seiner Frau Donna in Edinburgh, Schottland. (Verlagsinfo)

_Der Sprecher_

Reiner Schöne lebte lange in Hollywood und drehte dort mit Filmgrößen wie Client Eastwood und Lee van Cleef. Der Schauspieler, Synchronsprecher und Sänger mit der tiefen, markanten Stimme trägt die passende raue Note bei. (abgewandelte Verlagsinfo)

Regie führte Thomas Wolff. Die Buchvorlage erschien 2008 bei |Rotbuch|.

_Handlung_

Im schönen Edinburgh treibt Cooper als Kredithai sein Unwesen, und Joe Hope ist sein Geldeintreiber. Joes bevorzugtes Schlaginstrument, mit dem er Coopers Ansprüche anschaulich durchsetzt, ist sein Baseballschläger. Natürlich ist er als Schotte keineswegs ein Baseballfan, aber nichtsdestotrotz hat er diesen Schläger. Und dass er ihn effektvoll einzusetzen weiß, kann Billy Strachan bezeugen, der jetzt mit einigen gebrochenen Knochen im Krankenhaus liegt.

Nach diesem harten Job kehren Joe und Cooper in einer Bar. Coopers 17-jährige Freundin Sally, die Mutter seines Sohnes Gary, ist nicht da. Joe schaltet sein Handy ein: 16 nicht abgehörte Nachrichten. Er ruft seine Frau Ruth an. Sie heult etwas Hysterisches in den Hörer von wegen, Gem sei tot. Er legt sofort auf. Was soll der Scheiß, fragt sich Joe. Gemma, seine 19-jährige Tochter, ist längst ausgezogen, um sich auf den stürmischen Orkney-Inseln einem Typen namens Adam Wright anzuschließen, der eine Schriftstellerpension führt. Wie soll dort Gemma irgendetwas passieren können?

Ruth betrügt Joe schon seit langem mit einem Studenten, weiß er, und deshalb steht es um ihre Ehe nicht gerade zum Besten. Kaum hat ihm Ruth gesagt, Gem habe sich umgebracht, fährt er zu seiner eigenen Freundin Tina, einer Prostituierten und Kampfsportlehrerin. Er schläft nie mit ihr, gibt ihr bloß Geld fürs Zusammensein -obwohl sie nicht abgeneigt wäre und ihn mit Streicheleinheiten für das Geschenk von 1000 Pfund belohnt. Nach einem Zwischenstopp bei Ruth übernachtet er bei Cooper und dessen Familie.

Am nächsten Morgen ruft ihn Adam Wright, um ihn wüst zu beschimpfen, doch Joe, ein harter Kerl, der sich nichts bieten lässt, zahlt es ihm heim. Er packt seine Sachen – Ruth ist nicht daheim – und fliegt auf die Orkneys. Kaum betritt er Adams Haus, das merkwürdig dunkel ist, wird Joe von zwei Seiten in die Mangel genommen: Die Polizei nimmt ihn fest. Wegen Mordes an seiner Frau Ruth. Joe ist perplex. Doch die Bullen können ihn mal kreuzweise, und in der Auseinandersetzung mit Detective Sergeant Monkman kriegt Joe ein paar heftige Stiefltritte in die Rippen. Das macht ihn nicht unbedingt kooperationsbereiter. Sie fliegen ihn zurück nach Edinburgh.

Joe ruft Cooper an, der ihn brüllend fragt, warum er den Mord begangen hat, was Joe natürlich abstreitet. Cooper besorgt ihm einen jungen Schnösel von Anwalt, Ronald Brewer. Aber Brewer hat mehr drauf, als Joe glauben würde. Und weil Tina Joe ein Alibi gibt, kann Brewer ihn rausholen. Tina ist von Cooper und dessen Gentleman-Auftragsmörder Parke unmissverständlich und für die fürstliche Summe von 10.000 Pfund „gebeten“ worden, Joe das Alibi zu geben. Wenn das auffliegt, wird sie wegen Meineid belangt.

Wieder auf freiem Fuß, kann Joe mit Brewers und Tinas Hilfe endlich versuchen, den wahren Mörder seiner Frau zu finden. Und natürlich Vergeltung zu üben. Doch er hat keinen konkreten Verdacht, bis ihm Adam Wright unverhofft ein brisantes Dokument in die Hand drückt: Gemmas privates Tagebuch. Und was Gemma über einen gewissen „Daddy“ schreibt, den sie nicht verraten dürfte, obwohl er sie vergewaltigte, treibt Joe zur Weißglut. Denn es kann nur einen Mann geben, der sich diesen Ehrentitel anmaßen darf …

_Mein Eindruck_

Nach einem langsamen Start, der uns Joe Hope, den gescheiterten Lehrer, vorstellt und mit ihm sein detailliert geschildertes Alibi, kommt die Geschichte nach dem ersten Drittel richtig in Fahrt. Joe ist auf freiem Fuß, misstrauisch verfolgt und beschnüffelt von den Bullen, ebenso misstrauisch beschattet von Cooper und dessen Leuten. Es sieht nicht gut aus für Joes Alibi, trotz der erstaunlich loyalen Tina, die in ihm ihren Helden sieht, aber auch auf ihren Vorteil bedacht ist.

Das Schicksal beutelt Joe, den |ordinary guy|, doch er ist hart im Nehmen und ebenso hart im Austeilen. In dieser Lage erweist es sich, ob ein Mann wirklich Freunde hat – oder nur Speichellecker. Wenn Tina sich erfreulicherweise auf seine Seite stellt, so ist Joe umso mehr überrascht, dass sich der Junganwalt Ronald Brewer auf seine Seite stellt. Noch mehr ist er verblüfft, dass sich ausgerechnet Adam Wright, der ihm seine Tochter abspenstig gemacht hat, wie Joe glaubt, anerbietig macht, Gemmas Vergewaltiger zu finden und Joe zu helfen.

Allerdings weiß Joe nur zu genau, dass diese „Zivilisten“ nichts gegen die Feuerkraft der Gegenseite ausrichten können, und geht einen Pakt mit dem Teufel ein: Er schließt einen Deal mit Coopers Auftragsmörder Parke. Doch auf welche Seite wird sich Parke stellen, wenn es hart auf hart kommt? Wem gehört des Teufels Loyalität? Nur ihm selbst. Das sollte Joe eigentlich wissen.

An den Mann, den er unbedingt haben will, kommt Joe aber nicht heran, denn die Bullen beschatten ihn schon. Deshalb muss sich der trauernde und wütende Joe den rauchenden Schädel zerbrechen, wie an den Gegner heranzukommen ist. Glücklicherweise kann er auf drei Helfer zurückgreifen, die eine Falle aufstellen, in der sich die Beute fangen soll. Doch als es in einer ehemaligen Kirche zum Showdown kommt, fallen die Würfel nicht ganz so, wie Joe es geplant hat. Denn der Gegner wartet mit Enthüllungen auf, deren Ungeheuerlichkeiten Joe ins Wanken bringen …

|Das andere Edinburgh|

Wer einmal wie ich in Edinburgh, der Hauptstadt Schottlands, gewesen ist, der ahnt vielleicht, dass sich die alte keltische Gründung im Laufe der Jahrhunderte nicht bloß die Schokoladenseite auf der Princes Street zugelegt hat, sondern auch eine dunkle Hinterhofpersönlichkeit besitzt, der man nicht im Dunkeln begegnen möchte. Dort treiben sich hartgesottene Halunken wie Cooper und Hope herum. Sie haben einen harten Schlag drauf und lassen sich keinen Scheiß bieten, erst recht nicht von den Bullen. Ich bin selbst 1984 mit einem angetrunkenen Schotten aneinandergeraten und weiß, wovon ich rede. Man sollte es sich zweimal überlegen, bevor man sich mit so einem Typen einlässt. Bullen dagegen haben keine Wahl.

|Ringen um eine gute Seele|

Joe Hopes Seele ist, metaphysisch gesehen, ein Kriegsschauplatz zwischen Gut und Böse. Von seinen Lehrerträumen ist nichts übrig geblieben, als Ruth mit Gemma schwanger wurde und er sich einen lukrativeren Job suchen musste, um eine Familie zu ernähren. Geldeintreiben? Easy money! Doch Leute umzulegen, ist eine ganz Nummer schlimmer, und davor versuchen ihn die Schutzengel Tina, Adam und Brewer zu bewahren. Joes Teufelspakt ist ihren Bemühungen, ihn von der schiefen Bahn abzubringen, nicht gerade förderlich. Prompt sieht er sich denn auch verraten. Wie passend, dass der Showdown mit Satan in einer ehemaligen Kirche stattfindet. Nicht nur wegen der hübschen Beleuchtung.

|Schläge unter die Gürtellinie|

Der Autor versteht sein Handwerk. Er überrascht den Leser – und Joe – des Öfteren aus dem Hinterhalt, um ihm die volle Dröhnung zu verpassen. Als wolle er ihn am Schlafittchen packen und ihm eindreschen: „Dies ist das echte Leben, Kumpel!“ Dass sein Held Joe ausgerechnet „Hoffnung“ heißt und das Finale in der Kirche stattfindet, ist möglicherweise auf das traditionell protestantische geistige Umfeld des Autors zurückzuführen.

Im Widerspruch dazu steht jedoch scheinbar, dass die Figuren, die er vorstellt, der Selbstzerstörung nahe sind, als hätten sie jede Hoffnung verloren. Die Krönung ist die Enthüllung von der Vergewaltigung Gemmas durch ihren eigenen Vater – wer auch immer das nun eigentlich sein mag. Der Autor teilt Schläge aus, und manche landen wie dieser unter der Gürtellinie.

|Der Sprecher|

Reiner Schöne war schon vor 30 Jahren in den Hörspielen des |Bayerischen Rundfunks| zu hören, so etwa in der Titelrolle als Paul Cox. Seine Stimme ist „männlich herb“, tief und etwas rau, also genau richtig für ein kriminelles Milieu, in dem die Sitten ebenso rau sind. Er kann heiser auflachen, aufgebracht aufschreien, und zwar sowohl in einer männlichen wie einer weiblichen Rolle. Die Figuren zeichnet er in all ihrer Lautstärke und Emotionalität, lässt sie rufen, brüllen, schniefen, lachen und flüstern.

Für die Charakterisierung der Figuren steht ihm allerdings nur ein begrenztes Instrumentarium zur Verfügung. Die Charakterisierung erfolgt eher durch Situationen und Emotionen, die eine entsprechende Ausdrucksweise, wie oben aufgelistet, erfordert. Einmal verleiht er einem Spanier einen entsprechenden Akzent.

Schöne eignet sich mit seinem harten Image auch ausgezeichnet für die nicht gerade höfliche oder gar politisch korrekte Ausdrucksweise der Figuren. Dass sie vom Ficken reden, als wäre es Wassertrinken, ist eh klar. Es ist aber auch vom Mösenschnorcheln („muff diving“) die Rede, was eine volkstümliche Umschreibung des Cunnilingus ist. Der Hörer muss auf derlei Ausdrücke stets gefasst sein, und zwar in der ganzen Hard-Case-Reihe.

_Unterm Strich_

Der Anti-Held Joe Hope ist ein Bursche, der es einem nicht leicht macht, ihn zu mögen: hart im Austeilen, aber auch im Nehmen, und stets auf Kriegsfuß mit der behelmten Obrigkeit und Jung-Anwälten, die für ihn nur ahnungslose Schnösel sind. Zum schönen Geschlecht hat er ein zwiespältiges Verhältnis. Er liebt seine Tochter ebenso wie seine platonische Prostituierten-Geliebte, doch von seiner Frau Ruth ist er schwer enttäuscht, und nicht nur weil sie ihn mit einem jungen Studenten betrügt. Was bleibt einem Mann dann noch, wenn er fälschlich des Mordes angeklagt wird?

Die Story beginnt langsam, steigert sich dann aber über mehrere Stationen hin zu einem fulminanten Showdown, der dem Helden etliche Tiefschläge versetzt – und uns natürlich ebenso. Der Autor präsentiert ein ungeschminktes Gesicht der Königin des britischen Nordens, eines, das Inspektor Rebus des ungleich populäreren Ian Rankin wohl nur selten zu Gesicht bekommt. Höchste Zeit, dass Rankin seinen Inspektor in Rente schickt.

|Das Hörbuch|

Reiner Schöne zuckt mit keiner Wimper, wen sich seine Figuren gegenseitig die Visage demolieren oder sich Unflätigkeiten an den Kopf werfen. Es ist nicht seine Aufgabe, sich einzumischen, wenn die schlimmsten Sünden ans Tageslicht gezerrt werden: Vergewaltigung, Inzest und dergleichen mehr. Aber es ist sehr wohl seine Aufgabe, sich ins Zeug zu legen, um die Figuren zum Leben zu erwecken. Das gelingt ihm auf glaubhafte und konsistente Weise, so dass wir auf weitere erstklassige Hard-Case-Crime-Krimis hoffen dürfen.

|Originaltitel: Kiss her goodbye, 2005
Aus dem Englischen übersetzt von Gerold Hens
301 Minuten auf 4 CDs
ISBN-13: 978-3-86610-454-9|
http://www.argon-verlag.de
http://www.rotbuch.de

Faulks, Sebastian – James Bond: Der Tod ist nur der Anfang

007 – die Kennung für den wohl bekanntesten fiktiven Geheimagenten in Literatur und Film. Der britische Schriftsteller Ian Fleming ist der Vater des Agenten mit der „Lizenz zum Töten“, und dieser Geheimdienstler hat schon längst einen Kultstatus erreicht und ist zu einer popkulturellen Ikone ganzer Generationen geworden.

Anders als in den Filmen ist der literarische James Bond ein „normaler“ Mensch, verletzbar, kein Übermensch, mit vielen Schatten auf seiner Seele, ab und an verzweifelt, er ist ironisch, sarkastisch und teils auch verbittert, was dieser Figur eine gewisse Tiefe in der Charakterisierung ermöglicht.

1964 verstarb Ian Fleming in der Grafschaft Kent. Er schrieb zwölf James-Bond-Romane und neun Kurzgeschichten. Interessant ist, dass Ian Fleming im Zweiten Weltkrieg bei der britischen Marine im Nachrichtendienst tätig und somit faktisch selbst ein Spion war.

Jetzt ist „James Bond“ zurück: Der von der Erbengemeinschaft Flemings dafür berufene Autor Sebastian Faulks hat den ersten neuen Roman „Der Tod ist nur der Anfang“ veröffentlicht.

_Inhalt_

James Bond ist sowohl psychisch als auch physisch angeschlagen, und „M“ verurteilt den Agenten zu einer dreimonatigen Pause. In diesem Urlaub soll Bond zu Kräften kommen und sich Gedanken über seine Zukunft machen; zu vieles hat er schon erlebt und gesehen, viel mehr, als einem Menschen zumutbar wäre, und seine körperlichen Narben sind nicht die einzigen Spuren, die ihn zweifeln und grübeln lassen.

Doch „M“ ruft James Bond wieder zurück, um einen gefährlichen Auftrag zu übernehmen: Der hochgebildete, charismatische Dr. Julius Gorner hat vor, das britische Königreich mit Drogen zu überschwemmen, um die schon von sich aus instabile und gefährliche politische Lage inmitten des Kalten Krieges weiter zu gefährden.

James Bond verfolgt Gorner durch den Orient bis nach Russland; die Jagd endet, wo sie begann: in der französischen Metropole Paris. Auf dieser Schnitzeljagd wird er wie immer unterstützt von einer schönen, bezaubernden Frau mit eindrucksvollen Eigenschaften und erhält tatkräftige Hilfe durch Rene Mathis und seinen verkrüppelten Kollegen und CIA-Agenten Felix Leiter.

_Kritik_

Sebastian Faulks schreibt zwar als Stimme von Ian Fleming, er ist es jedoch nicht. Das Rezept ist zwar das gleiche geblieben, aber der Geschmack ein wenig fade. Inmitten eines Szenarios der 60er Jahre bedient sich Faulks legitimer Mittel, um James Bond so zu konzipieren, wie Fleming ihn geschaffen hatte. Diese Basis des Romans ist leicht erkennbar und führt zu aus heutiger Sicht eher beschmunzelnswerten Anachronismen. Die Geschichte ist für heutige Leser eher nostalgisch und nicht mehr zeitgemäß; die 60er Jahre und der damalige Kalte Krieg sind schon lange Geschichte, und wenn man dann von schlechten Funkübertragungen lesen muss oder der Suche nach einer Telefonzelle, vom Nichtvorhandensein neuer und uns vertrauter Medien ganz zu schweigen, so wirkt das Gelesene allzu irreal und in der Zeit verloren.

Historische Momente werden auch in „Der Tod ist nur der Anfang“ integriert: Vietnam, der Kalte Krieg, die Spannungen zwischen West und Ost. Die üblichen Klischees weichen nicht von denen eines beliebigen vorhergehenden James-Bond-Romans ab. Sicherlich passt das in die Handlung und zur Erwartungshaltung treuer Flemming-Leser, aber die Story wirkt dadurch noch vorhersehbarer, als sie ohnehin schon ist. Etwas individueller hätte die Geschichte schon sein können; denke ich da beispielsweise an den letzten Film „Casino Royale“ zurück, so nenne ich das wohl eine gelungene Adaption der Thematik.

Dr. Julius Gorner ist der traditionelle Bösewicht. Wie so viele Kontrahenten, weist er ein körperliches Manko auf, aber sein Intellekt ist maßlos durch- und übertrieben. Auch hier fehlt nicht der tödliche Handlanger und Diener der Bond verletzen, foltern und verprügeln darf. Hinzu kommen noch die haarsträubenden Nebenhandlungen, die völlig überflüssig zu sein scheinen. Nun, vielleicht war es notwendig, verschiedene Actioneinlagen einzubauen, um der Handlung ein wenig Spannung beizumengen. Die Logik bleibt dabei jedoch gänzlich auf der Strecke und überlässt überflüssig brutalen Morden die Arena.

Ein Duell zwischen Bond und Gorner gibt es selbstverständlich auch; diesmal ist die Waffe aber kein vergoldeter Colt, sondern ein Tennisschläger, und der Schauplatz ist nicht die Karibik oder der Pokertisch, sondern ein Tennisplatz. Dieses Match gehört allerdings zum Spannendsten, was die Handlung überhaupt zu bieten hat.

Die charakterliche Tiefe der Protagonisten lässt indes zu wünschen übrig, und ihre Motivationen sind überhaupt nicht nachvollziehbar. Derlei Einsprengsel helfen der Handlung nur dabei, inhaltliche Lücken zu schließen, um langsam und angeschlagen dem Ende der Geschichte entgegenzuhumpeln.

_Fazit_

Sebastian Faulks hat seinen Standard-Leitfaden für einen typischen James-Bond-Roman ganz nach Lehrbuch umgesetzt. Nach langem Hin und Her wird der Mythos James Bond mit dem Ergebnis dieser Arbeit nicht weiterentwickelt und stellt keine literarische Bereicherung dar. „Der Tod ist nur der Anfang“ wirkt letztendlich seelenlos. Sebastian Faulks Motivation, in die Fußstapfen eines Ian Fleming zu treten, mag in den Augen der Erbengemeinschaft erfolgreich umgesetzt worden sein, doch bedarf es mehr Mut und Individualismus, um den Mythos modern und zeitgemäß fortzusetzen und neu aufzubauen. „Der Tod ist nur der Anfang“ dagegen ist so unterkühlt wie ein Martini, und der Leser fühlt sich eher geschüttelt als gerührt.

_Der Autor_

Sebastian Faulks wurde 1953 in Newbury geboren. Er studierte Literatur und Geschichte in Cambridge und arbeitete danach als Journalist. Seit 1991 ist er freier Schriftsteller. 1995 wurde er bei den |British Book Awards| zum Autor des Jahres gewählt und zählt seitdem zu den angesehensten britischen Autoren. Zu seinen Werken zählen das verfilmte „Die Liebe der Charlotte Gray“, „Das Narrenalphabet“ und „Die Traumtänzer“. 2006 beauftragten ihn die Erben Ian Flemings, eine offizielle Fortsetzung der James-Bond-Reihe zu schreiben. Sebastian Faulks lebt mit seiner Familie in London.

|Originaltitel: Devil May Care
Übersetzung: Jürgen Bürger
351 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-453-26602-5|
http://www.heyne.de

_Mehr James Bond auf |Buchwurm.info|:_

[„Casino Royale“ 1748
[„Moonraker“ 1830
[„Leben und sterben lassen“ 2035

Morgan, Wendy – Schlafe sanft und ewiglich

Babys, Babys, Babys … Wendy Morgan hat ein Buch geschrieben, das sich von vorne bis hinten um genau dieses Thema dreht. Das Besondere dabei: Es ist weder ein Schwangerschaftsratgeber noch ein Frauenroman. Es handelt sich um einen Thriller, auch wenn das auf den ersten Blick vielleicht etwas merkwürdig erscheint.

Im Mittelpunkt steht Peyton Somerset, eine erfolgreiche Karrierefrau aus Manhattan. Um endlich ein Kind zu kriegen, lässt sie sich mittels Samenspende befruchten und beschließt, ihr Baby ganz alleine auszutragen und großzuziehen, denn einen Mann gibt es nicht in ihrem Leben. Jedenfalls bis sie Tom Reilly trifft, dessen Interesse an ihr beinahe schon unheimlich ist. Manchmal hat sie sogar das Gefühl, er würde sie verfolgen, aber sie schiebt es auf ihre Schwangerschaftshormone.

Überhaupt bringt ihr Zustand ihr Leben ganz schön durcheinander. Sie hat Probleme auf der Arbeit und mit den üblichen Schwierigkeiten einer Schwangerschaft zu kämpfen. Allerdings lassen sich auch schöne Seiten daran entdecken. Peyton schließt sich einer Selbsthilfegruppe lediger Mütter an, wo sie in der schwangeren Allison und der Hebamme Rita gute Freundinnen findet.

Eines Tages jedoch verschwindet Allison spurlos. Niemand weiß, was mit ihr ist. Peyton macht sich natürlich riesige Sorgen. Dann verschwindet auch noch Wanda, ein weiteres Mitglied der Gruppe, und Peyton macht sich nicht mehr nur Sorgen, sondern ist geradezu alarmiert. Hat man es vielleicht auch auf sie abgesehen? Plötzlich sieht sie überall Verdächtige und distanziert sich stark von Fremden. Dabei bemerkt sie nicht, dass das Böse ihr viel näher ist, als sie glaubt …

Zugegeben, auf den ersten Seiten glaubt man wirklich, man hätte es mit einer weiteren rosafarbenen Geschichte über eine Karrieretussi aus New York zu tun, die auf der Suche nach Mr. Perfect in einige Verwicklungen und Fettnäpfchen gerät. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen nun mal Frauen und das Kinderkriegen, weshalb es vermutlich kaum zu vermeiden ist, dass solche Parallelen auftauchen. Allerdings zeigt Wendy Morgan sehr schnell, dass sie mehr kann. Sie greift auf eine recht große Anzahl von Perspektiven zurück, wobei häufig nicht ganz klar ist, welche Rolle die einzelnen Personen im Geschehen spielen, und manchmal auch nicht, wer sie überhaupt wirklich sind. Einige der Personen scheinen etwas zu verbergen haben, andere benehmen sich auffällig.

„Schlafe sanft und ewiglich“ ist kein Krimi, der vor Actionszenen und Blut sprüht. Es ist eher so, dass durch das erzählerische Talent der Autorin eine gewisse, subtile Spannung entsteht, die immer wieder neue Fragen aufwirft. Wer in Peytons Umkreis ist ein möglicher Verdächtiger? Welche Rolle spielt die merkwürdige Adoptionsagentur, mit der einige Charaktere in der Geschichte zu tun haben? Auch wenn Morgan keine nervenzerreißende, aufwühlende Handlung präsentiert, weiß sie den Leser doch bei der Stange zu halten. Dass sie dabei interessante Details über Schwangerschaft und viele, gut beobachtete Details einflechtet, ist ein weiterer Pluspunkt für das Buch.

Trotz der vielen Perspektiven wirkt der Roman nicht überladen. Das hängt zum einen damit zusammen, dass Peyton die Person ist, auf die Morgan immer wieder zurückkommt. Sie steht zwar nicht völlig im Vordergrund, ist aber eine Konstante, die den Leser von der ersten bis zur letzten Seite begleitet. Peyton ist, obwohl sie stellenweise doch ein bisschen dem entsprechenden Klischee ähnelt, eine sehr sympathische Figur mit wachem Verstand. Sie ist mit ganzem Herzen bei ihrer Schwangerschaft dabei und macht sich eine Menge Gedanken darüber, die häufig durch ihre Tiefe oder Ausgefallenheit überraschen. Wendy Morgan, selbst Mutter zweier Kinder, weiß worüber sie schreibt und transportiert dieses Mutterwissen gut in ihrer Protagonistin. Überhaupt ist Peyton gut ausgearbeitet. Sie besitzt erkennbare Charakterzüge und eine ausgefeilte Vergangenheit, welche die Autorin immer wieder einfließen lässt. Der andere Grund, warum das Buch nicht überladen wirkt, ist die Ausarbeitung der Nebenfiguren, die ebenfalls sehr gelungen ist. Der Autorin gelingt es, bereits beim ersten Einsatz eines bestimmten Erzählstranges die Personen so prägnant und farbig darzustellen, dass sie dem Leser im Gedächtnis bleiben. Das ist an und für sich eine große Leistung, wenn man bedenkt, dass ihr Personenkreis nicht unbedingt klein ist.

Der Schreibstil wird sehr stark durch die Personen geprägt. Je nachdem, aus wessen Sicht gerade erzählt wird, verändert sich Morgans Tonfall ein wenig. Peyton ist eine beschwingte, fröhliche Frau, während andere Charaktere nüchtern, deprimiert, verängstigt oder skrupellos sind und auch so dargestellt werden. Die Autorin schafft es vorbildlich, diese Stimmungen in Worte zu gießen, wobei ihr gehobener, flüssiger Schreibstil alles gekonnt zu einem Roman verbindet.

„Schlafe sanft und ewiglich“ ist sicherlich kein Buch für jedermann. Das hängt aber wenig mit der Qualität zusammen, denn an und für sich ist der Thriller nichts weiter als ein spannendes Stück gut erzählter Literatur. Wer allerdings auf das Thema Schwangerschaft und Babys allergisch reagiert, der sollte die Finger von Wendy Morgans Werk lassen. Über 400 Seiten über Babys, werdende Mütter und Frauenärzte sind – trotz der souveränen Handlung – kein Pappenstiel für jemanden, dem diese Themen nicht zusagen.

|Originaltitel: Lullaby and Goodnight
Übersetzt von Martin Hillebrand
413 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3-404-15896-6|
http://www.bastei-luebbe.de

_Wendy Morgan bei |Buchwurm.info|:_
[„Von schwarzem Herzen“ 2674

Giménez-Bartlett, Alicia – Stimme des Blutes. Petra Delicado ermittelt

Alicia Giménez-Bartlett gehört zu den Schriftstellerinnen, die ihren Büchern einen unverkennbaren Stempel aufdrücken, wie das auch ihre französische Kollegin Fred Vargas und einige der skandinavischen Krimiautoren tun. Sieben Bücher gibt es bereits mit dem ungleichen und höchst amüsanten Ermittlerpaar Petra Delicado und Fermín Garzón. „Stimme des Blutes“ ist wider Erwarten kein neuer Fall der beiden, sondern ein Sammelband mit vier Kurzgeschichten.

An Kriminalkurzgeschichten haben sich schon zahllose Autoren vor Alicia Giménez-Bartlett versucht. Das Problem dabei ist, dass sowohl die Kürze als auch die Handlung stimmen müssen und der Leser bei seinen geliebten Ermittlern aber nichts vermissen möchte. Die spanische Bestsellerautorin schlägt sich dabei mit ihrem Versuch ziemlich gut. Ihre Kurzgeschichten haben diesen Titel auch verdient, denn sie versuchen nicht, einen verworrenen, groß angelegten Kriminalfall auf wenige Seiten zu quetschen, sondern widmen sich mit voller Absicht sehr einfachen Fällen und der kompakt gehaltenen Suche nach Täter und Motiv.

Tiefer auf den Inhalt einzugehen, würde daher an dieser Stelle kein besonders stimmiges Bild von diesem Sammelband geben. Giménez-Bartlett lässt ihre Ermittler in sehr unterschiedliche Settings eintauchen, so viel sei gesagt. Neben dem Mord an einem arroganten Bodybuilder in einem Fitnessstudio ermitteln sie in einem Bordell, in dem vier Prostituierte umgebracht wurden. Außerdem kommen ein zwielichtiger Litauer und ein Lehrer zu Tode, wobei Petra Delicado bei Letzterem bedauert, dass es ausgerechnet ein Lateinlehrer und kein anderer war, weil die westliche Kultur dadurch noch ein wenig ärmer wird.

Die Autorin geht bei ihren vier Geschichten stets nach dem gleichen Aufbau vor: Am Anfang gibt es einen Toten, der eindeutig nicht auf natürlichem Weg verstorben ist, und eine Reihe von Tatverdächtigen. Die Ermittlung des Mörders erfolgt nun weniger über Actionszenen und tausend mögliche Spuren, sondern über die Kopfarbeit der Ermittler und die Verhöre der Verdächtigen.

Tatsächlich ähneln die vier Geschichtlein eher einem erzählten Bericht von Petra Delicado. Wie gewohnt in der ersten Person erzählt sie von den Ermittlungen und klingt dabei, als säße sie dem Publikum direkt gegenüber und würde einen kleinen Schwank aus ihrem Arbeitsleben erzählen. Dementsprechend skelettiert sind die Beiträge im vorliegenden Band. Weder das Privatleben der Ermittler noch irgendwelche äußeren Umstände spielen eine Rolle; die Autorin konzentriert sich auf die bloße Darstellung des jeweiligen Kriminalfalls. Wegen dessen Einfachheit passt die Kürze der Geschichte sehr gut. Die knapp 20 bis 60 Seiten, die eine Geschichte umfasst, sind spannend und konzentrieren sich nur auf das Kernproblem. Auflockerung erfahren sie dabei durch das Zusammenspiel von Inspectora und Subinspector.

Die beiden Hauptfiguren werden, genau wie die Nebencharaktere, mit wenigen, deutlichen Strichen skizziert. Langwierige Personeneinführungen finden keinen Platz, aber wer bereits andere Bücher von Giménez-Bartlett kennt, der wird sich in den Geschichten sofort zurechtfinden. Für Einsteiger bietet das Buch zwar gute Unterhaltung, aber sie werden einige Zusammenhänge nicht verstehen – und verpassen vor allem den Humor, der in „Stimme des Blutes“ natürlich auch etwas kürzertreten muss als sonst. Trotzdem blitzt der rabenschwarze Witz der Autorin immer wieder durch, vor allem in den fantastischen Dialogen zwischen Delicado und Garzón.

Diese Geplänkel gehören ebenso wie in den Langfassungen zu den Highlights des Erzählbandes und lockern die Geschichten unheimlich auf. Wie gewohnt schreibt Giménez-Bartlett zackig, mit Schmiss und unwiderstehlichem Charme. Sie präsentiert sich sprachgewandt und beweist, dass sie auch auf wenigen Seiten ein kleines Feuerwerk entfachen kann, um den Leser an die Geschichte zu binden. Tatsächlich fällt es vor allem dank des Humors schwer, das Buch aus der Hand zu legen, da man sehnsüchtig auf die nächste gelungene Pointe aus dem Munde der Ermittler wartet.

Viele sind daran bereits gescheitert, aber Alicia Giménez-Bartlett meistert den Kurzgeschichtensammelband souverän. Kleine, niedliche Kriminalfälle mit einem übersichtlichen Personenkreis, die sich auf das Finden des Täters konzentrieren – die Spanierin nimmt den Begriff „Kurzgeschichte“ ernst und fasst sich kurz. Der funkensprühende Humor der Ermittler und die geschickten Personenzeichnungen dürfen sich nach wie vor austoben und sorgen dafür, dass der Leser die vier kleinen Geschichten lieben wird.

|Originaltitel der Geschichten: Muerte en el Gimnasio, El Caso del Lituano, La Voz de la Sangre, Muerte en el Liceo
Zuerst erschienen in „El Mundo“
Aus dem Spanischen von Sybille Martin
Taschenbuch, 156 Seiten|
http://www.blt.de

_Alicia Giménez-Bartlett bei |Buchwurm.info|:_

[„Das süße Lied des Todes“ 3815
[„Boten der Finsternis“ 4203

Lexington, Bob / Weber, Raimon / Sassenberg, Volker – Point Whitmark: Die rote Hand des Teufels (Folge 02) (Hörspiel)

_Inhalt:_

In Point Whitmark locken seltsame Elfenerscheinungen Hunderte von Touristen in die kleine Stadt. Zunächst sieht alles nach einem harmlosen Scherz aus. Das ändert sich, als Point Whitmark von einer Schlangenplage heimgesucht wird und im Dunkel der Nacht ein Ungeheuer sein Unwesen treibt. Es ist der geheimnisvolle Oxman aus einer alten Legende. Jay, Tom und Derek wollen dem Geheimnis auf den Grund gehen und geraten selbst ins Visier des Monsters …

_Meine Meinung:_

Die zweite Folge steht der ersten in Puncto Spannung in nichts nach und legt in Sachen Tempo und Originalität sogar noch einiges drauf. Musik und Effekte sind wieder einmal perfekt und lassen keine Wünsche offen. Das Hörspiel beginnt abermals mit einer düsteren und stimmungsvollen Szene aus der Vergangenheit, bevor die Helden der Serie zu Wort kommen.

Abermals sprechen die Schauspieler ihre Parts mit vollem Einsatz. Hinzu kommen einige Nebenrollen, die ebenfalls grandios besetzt wurden. An dieser Stelle seien Helga Uthmann und Rolf Jülich als Ehepaar Chapman genannt, die das leicht vertrottelte Pärchen gekonnt und komödiantisch überzogen darstellen. Die Handlung ist im Gegensatz zu Folge eins noch mysteriöser und unheimlicher, und obwohl auch hier wieder eine reale Lösung auf den Hörer wartet, ist die Stimmung trotzdem ein wenig düsterer als bei den |Drei Fragezeichen|. Als Gimmick gibt es wieder eine kleine Vorschau auf die nächste Folge, sowie, dahinter ‚versteckt‘, einen kleinen Bonustrack.

Die Aufmachung ist spitze. Das Leuchtturm-Layout vermittelt dem Kunden, welche Zielgruppe angesprochen wird, wobei auch Erwachsene an den liebevoll produzierten Hörspielen ihre Freude haben werden. Das Cover zeigt in einer guten Mischung aus grellen und dunklen Farben, was einen in den kommenden 58 Minuten erwartet.

_Fazit:_

Die Macher haben sich wieder alle Mühe dabei gegeben, den Hörer von 8 bis 88 angenehm und kurzweilig zu unterhalten. Bei |Point Whitmark| stimmt einfach alles – so müssen Hörspiele klingen.

Nach einer Erzählung von Bob Lexington
Idee & Konzeption: Volker Sassenberg
Drehbuch: Raimon Weber & Decision Products
Musik: Volker Sassenberg, Markus Segschneider und Manuel Rösler in Zusammenarbeit mit dem Nationalen Staatsorchester Weißrussland und Victor Smolski (|Rage|)
Ton & Schnitt: Erik Anker
Tonassistenz: Thorsten Hohagen
Illustration: MD
Regie: Volker Sassenberg
Produktion: Volker Sassenberg
Aufgenommen und gemischt unter Finians Regenbogen

|Sprecher:|

Erzähler: Jürg Löw
Jay Lawrence: Sven Plate
Tom Cole: Kim Hasper
Derek Ashby: Gerrit Schmidt-Foss
Sera Goodwinter: Isabella Lewandowski
Mrs Chapman: Helga Uthmann
Mr Chapman: Rolf Jülich
McCarthy: Michael von Rospatt
Mrs Bushland: Ines Burkhard
Kathy Goodwinter: Esther Münch
Sheriff Baxter: Andreas Becker
Cassandra Harris: Tanja Kuntze
Deputy Nelson: Roger Trash
Vater Callahan: Heinz Ostermann
Junge: Max Hoffmann
Indianer: Hans Paetsch
sowie Leopold von Verschuer, Udo Rau, Volker Sassenberg, Frank „Digger“ Rademacher und Andreas Ksienzyk

|58 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 9783829118941|
http://www.pointwhitmark.de
http://www.karussell.de/0__point__whitmark__22460.jsp

Point Whitmark auf |Buchwurm.info|:

[„Point Whitmark 01: Die Bucht der 22 Schreie“ 5128
[„Point Whitmark 22: Die blutenden Schlüssel“ 4793
[„Point Whitmark 23: Der Duft der Finsternis“ 5058

_Florian Hilleberg_