Savage, Sam – Firmin – Ein Rattenleben

So manch einer musste sich in Kindheitstagen und sicherlich auch als Erwachsener noch als Bücherwurm oder Leseratte betiteln lassen – vielleicht als Vorwurf gedacht, sicherlich überwiegend aber augenzwinkernd und manchmal auch verwundert. Der Wissensdurst oder die Spannung an der Geschichte, die Möglichkeit, teilzuhaben am Schicksal der Protagonisten, entführen den Leser, der dies zulässt, in eine ganz eigene Welt.

In diesen Geschichten können wir verwegene Helden sein, romantische und stürmische Liebhaber, oder in die Gedankenwelt von bösen Charakteren eintauchen; all dies ganz gefahrlos, es sei denn, man verliert dabei den Bezug zur Realität. Bücher können Waffen sein in den Händen ihrer Autoren oder Leser, sie können Existenzen erklären, aufbauen und vernichten, sie können uns viel lehren und unser Leben bereichern, manchmal sogar Schlüsselerlebnisse für das weitere Leben erzeugen.

Der Autor Sam Savage zeigt uns in seinem Debütroman „Firmin – Ein Rattenleben“, dass belesene langschwänzige Ratten durchaus auch zwischen den Zeilen lesen können und die Literatur uns manchmal genauso real erscheint wie die Wirklichkeit.

_Inhalt_

In der Heimat des Jazz, Boston in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts erblickt Firmin eines von dreizehn Rattenbabys das Licht der Welt. Seine Geburtsstätte ist eine Buchhandlung in der auch seine Jugend verbringt. Firmin ist sonderbar, nicht nur für seine Geschwister oder seine alkoholabhängige Mutter.

Sein Verhaltensmuster entspricht nicht unbedingt seinem Wesen. Firmin ist neugierig und entdeckt dabei sein Faible für die Literatur. Das Nest, in dem er und seine Geschwister aufwachsen, ist isoliert und ausgelegt mit den losen Seiten eines dicken Buches, wohl einer Enzyklopädie. Firmin verschlingt diese Seiten quasi, sprich: Er isst sie ganz einfach auf. So werden in frühen Kindheitstagen schon viele Seiten aus Büchern der Philosophie, der Linguistik, Astronomie und Astrologie ebenso verschlungen wie abscheuliche Gräueltaten, Bekenntnisse, Geständnisse und Apologien.

Im Verlauf seines Heranwachsens ist die ‚Beschäftigung‘ mit der Literatur eine prägende Phase seiner Bildungsbiographie, und Firmins absonderliche Essgewohnheiten beginnen sich zu wandeln. Er nutzt die vielen Bücher nun nicht für seine Gier nach Essbarem, sondern beginnt diese auch zu lesen. Zudem weitet er langsam seine Expeditionen aus und erforscht die Räume und Ecken der Buchhandlung. Er beobachtet die Menschen dabei, wie sie gleich der Suche nach einem Schatz die Regale voller Bücher sichten, und verfolgt, wie Norman, der Besitzer des Bücherladens namens „Pembroke Books“, routiniert seinem Tagesablauf nachgeht.

Firmin lernt neben der Literatur auch das Lichtspielhaus „Rialto“ kennen und lieben. Seine Helden sind neben Charlie Chan und Gene Autry auch Western, Krimis, Musicals und Filme mit Joan Fontaine, Abbott und Costello. Fred Astaire entwickelt sich ebenso zu einem Vorbild wie wenig später Ginger Rogers.

Firmin wird zu einem Einzelgänger und lebt seine gelesenen und gesehenen Helden nach. Seine Welt verwandelt sich ein Universum von Gefühlsstürmen und miterlebten Schicksalsschlägen, mit Augenblicken dramatischer Gewalt und unerfüllten Liebesbekenntnissen. Zu Norman Pembroke entwickelt die kleine Ratte eine tiefgehende Zuneigung; schon am Frühstückstisch nimmt Firmin die stille Rolle eines Voyeurs ein, der aus einem Loch in der Decke die morgendliche Zeitung mitliest und sich so über das politische Geschehen, den Sport und natürlich auch den Klatsch und Tratsch informiert.

Eines Tages aber wird Firmin von Norman entdeckt, was Firmin nichtsahnend fast zum Verhängnis wird. Das Rattengift hält Firmin für ein Geschenk und fällt naiv und unbedarft darauf herein. Firmin überlebt jedoch den feigen Mordanschlag und will nun seinen eigenen Weg gehen …

_Kritik _

Sam Savage versteht es gekonnt, in seinem Debütroman „Firmin – Ein Rattenleben“ eine philosophische Geschichte zu erzählen. Firmin ist kein typischer Roman, der eine offensichtliche Botschaft präsentiert. Bei Firmin muß man viel zwischen den Zeilen lesen, um zu verstehen, was der Autor uns zu sagen hat. Man merkt, dass Sam Savage selbst ein Literat ist. Unzählige Zitate finden sich in seinem Roman wieder, und das überhaupt nicht deplatziert oder aufdringlich, sondern ausgesprochen gut eingesetzt.

Firmins Geschichte ist im Grunde eine ernste und traurige, zugleich berührt sie aber und lädt uns dazu ein, vielleicht das Leben ein wenig ernster und zugleich freundlicher anzunehmen. Zudem wird klar: Die „Realität“ ist für jeden individuell und jeder schafft sie sich ähnlich wie unser Protagonist „Firmin“ selbst.

Die Grundstimmung des Romans ist melancholisch und Firmin als „Leseratte“ in diesem Rahmen formidabel konzipiert. Seine Bestrebungen und Hoffnungen, etwas anderes sein zu wollen als eine kleine unscheinbare Ratte, an die er sich verzweifelt klammert, sind rührend. Sein Schicksal ist eher tragisch; er ähnelt darin Don Quichotte, dem Ritter von der traurigen Gestalt. Seine ganze Motivation, geliebt, geachtet und wahrgenommen zu werden, führt letztlich zu nichts anderem als der Einsicht, dass man nicht aus seiner eigenen Haut kann.

_Fazit_

„Firmin“ ist ein philosophischer Exot für Querdenker mit einer außergewöhnlichen dichten Sprache. Für Leser, die aufgrund der Aufmachung vermuten, dass „Firmin“ ein eher witziges Buch wäre, wird die Lektüre möglicherweise eine Enttäuschung sein. Wer sich aber Zeit nimmt und das Buch, wenn es denn geht, in einem Stück durchliest, wird schnell erkennen, dass es darin weit mehr zu entdecken gibt als vielleicht ursprünglich gedacht.

Der Roman ist auch äußerlich wunderbar gestaltet. Das Cover zeigt eine traurige, mit nach unten sinkenden Mundwinkeln über einem Buch sitzende Ratte. Die Buchseiten sind etwas vergilbt und nicht gleichmäßig geschnitten, wodurch das Buch angenagt wirkt. Das passt natürlich zu Firmin, und auch sicher zu Sam Savage, der ein großartiges, dezent augenzwinkerndes Werk geschaffen hat. Es gibt noch eine kleine Besonderheit bei „Firmin“: Es wurde in drei Teilen von verschiedenen Personen übersetzt, jede Passage in ihrem ganz eigenen Stil.

„Firmin – Ein Rattenleben“ ist empfehlenswert für Menschen stillen und melancholischen Gemütes, für neugierige Leser, die gern Träumen hinterherjagen und den einen oder anderen auch wirklich einfangen können, für Menschen, die es verstehen, ihr Dasein zu akzeptieren, aber trotzdem dafür kämpfen, etwas erreichen zu wollen.

_Der Autor_

Sam Savage wurde in South Carolina geboren und lebt heute in Madison, Wisconsin. Er promovierte in Philosophie, unterrichtete kurzzeitig arbeitete als Tischler, Fischer, Drucker und reparierte Fahrräder. „Firmin – Ein Rattenleben“ ist sein erster Roman.

|Originaltitel: Firmin. Adventures of a Metropolitan Lowlife
Deutsch von Susanne Aeckerle, Marion Balkenhol und Hermann Gieselbusch
213 Seiten, gebunden, Buchschnitt mit Rattenzahnung|
http://www.ullsteinbuchverlage.de/ullsteinhc/

Heumann, Hans-Günter – Meine ersten Piano-Stücke

Hans-Günter Heumann hat in den vergangenen Jahren einen enormen Beitrag zur Verbreitung von Partitionen der Populärmusik geleistet und gilt mittlerweile sogar als einer der Publisher, die man zum Start am modernen Piano gerne als erste Anlaufstelle wählt. Seine Werke auf dem Gebiet der Klavier-Unterrichtsliteratur sind geschätzt und beliebt, was Heumann letztendlich zum Tasten-Äquivalent des angesehenen Peter Bursch hat aufsteigen lassen.

Seine neueste Publikation richtet sich erneut an das Anfängerpublikum und enthält sage und schreibe 50 Notationen aus ganz unterschiedlichen Gebieten. Den größten Anteil nehmen nach wie vor Stücke der Klassik ein, aus der Heumann Ausschnitte aus den Werken von Bach, Mozart, Strauß und Brahms entnommen hat. Sowohl populäre Stücke wie der ‚Radetzky-Marsch‘ und Brahms‘ ‚Wiegenlied‘ als auch Ausschnitte aus Händels Suiten, Haydns Sätzen und Bartholdys ‚Lieder ohne Worte‘ werden in einfachen Arrangements aufgefahren. Dazu gibt es Teile aus Verdis Opernwerk sowie einen Abschnitt aus Mozarts Klassiker ‚Die Hochzeit des Figaro‘ und zuletzt sogar ein komplettes Thema aus einer seiner Klaviersonaten.

Abseits dessen ist das Programm überraschend vielfältig: Party-Kracher wie ‚I will Survive‘ von Gloria Gaynor und Kaomas Sommerhit ‚Lambada‘ sind ebenso vertreten wie das stille ‚Imagine‘ von John Lennon und der Simon-&-Garfunkel-Klassiker ‚Scarborough Fair‘. Dazu gibt es dann Gassenhauer wie ‚Mourning has broken‘ (Cat Stevens) und ‚When the Saints go marching in‘ sowie im erweiterten Programm sogar Nummern von Fats Domino und The Animals.

Oberste Prämisse bei dieser (auf den ersten Blick) ungewöhnlichen Zusammenstellung war ganz klar die Simplizität der Piano-Arrangements, auf Basis derer sowohl ein kurzer Einblick in die Welt der Klassik als auch in den Sektor der populären, weltlichen Musik gewährleistet wird. Zwar fehlen besonders bei den klassischen Stücken noch die detaillierten Feinheiten, aber gerade für den Anfang, also in der Zeit, in der man eh noch sehr ergebnisorientiert musiziert, sind die hier gebotenen Arrangements völlig ausreichend und ein wirklich guter, vor allem aber abwechslungsreicher Lernstoff für den angehenden Pianisten. Und wie es sich für ein Werk des Autors mittlerweile schon fast gehört, darf man „Meine ersten Piano-Stücke“ daher auch jedem Einsteiger in den Tastenstoff empfehlen. Vielseitigere Werke – man blicke nur mal in die nachfolgende Übersicht – wird man nämlich gerade in diesem hart umkämpften Terrain schwerlich finden!

_Inhalt_

1. Barkarole (J. Offenbach)
2. Andante Grazioso (W. A. Mozart)
3. Prélude (M. A. Charpentier)
4. When the Saints go marching in (Traditional)
5. Musette (J.S. Bach)
6. Radetzky-Marsch (J. Strauß, Vater)
7. Zither-Ballade (A. Karas)
8. Morning has broken (Cat Stevens)
9. Wiegenlied (J. Brahms)
10. Am Brunnen vor dem Tore (F. Schubert)
11. What shall we do with the drunken Sailor (Traditional)
12. Melodie in F (A. Rubinstein)
13. Nun vergiss leises Flehn, süßes Kosen
14. Scarborough Fair (Simon & Garfunkel)
15. Santa Lucia (Traditional)
16. Down by the Riverside (Traditional)
17. Stars and Stripes forever (J. P. Sousa)
18. Frühlingslied (F. M. Bartholdy)
19. Rondo (W. A. Mozart)
20. Walzer Op.39 Nr.15 (J. Brahms)
21. All my Loving (The Beatles)
22. Menuett (W. A. Mozart)
23. Rondo (D. G. Türk)
24. Blueberry Hill (Fats Domino)
25. Wiener Blut (J. Strauß, Sohn)
26. Schwanen-Thema (P. I. Tschaikowsky)
27. Amboss-Polka (A. Parlow)
28. Sinfonie mit dem Paukenschlag (J. Haydn)
29. Wilhelm Tell (G. Rossini)
30. Aloha Oe (Q. Liliuokalani)
31. Militär-Marsch (F. Schubert)
32. Chim Chim Cher-Ee (R. M. Sherman, R. B. Sherman)
33. House of the Rising Sun (The Animals)
34. Michelle (The Beatles)
35. Air (J. S. Bach)
36. Chor der Zigeunerinnen (G. Verdi)
37. Baby Elephant Walk (H. Mancini)
38. Der Schwan (C. Saint-Saens)
39. Die Schlittschuhläufer (E. Waldteufel)
40. Der harmonische Grobschmied (G. F. Händel)
41. Siciliano (J. S. Bach)
42. San Francisco (Scott McKenzie)
43. Italienisches Konzert (J. S. Bach)
44. Gefangenenchor (G. Verdi)
45. Stenka Rasin (Traditional)
46. Imagine (John Lennon)
47. Menuett (L. Boccherini)
48. Zillertaler Hochzeitsmarsch (Traditional)
49. Llorando Se Fue – Lambada (Kaoma)
50. I will survive (Gloria Gaynor)

|95 Seiten
ISBN-13: 978-3-86543-337-4|
http://www.bosworth.de

Moning, Karen Marie – Liebe des Highlanders, Die (Lesung)

_… und wenn sie nicht unterbrochen wurden, dann lieben sie sich noch heute_

Die 25-jährige jungfräuliche und bildschöne Gwen Cassidy fühlt sich seit dem Tod ihrer Eltern sehr einsam. Um dieser Einsamkeit zu entgehen, entschließt sie sich zu einer Rundreise in Schottland, die sich als wenig aufregende Seniorenreise herausstellt. Die Langeweile treibt Gwen auf zu einer Wanderung auf eigene Faust, bei der sie in eine Felsspalte und auf Drustan MacKeltar fällt. Der Zauber einer Hexe hatte ihn dereinst in einen 500-jährigen Schlaf versetzt, dessen Erlösungsformel durch die Umstände von Gwens Absturz unverhofft gegeben ist. Der große, starke und gutaussehende Druide aus der Vergangenheit, der für „Kriege, Eroberung und die Verführung von Frauen geschaffen wurde“, erwacht. In diesem Moment beginnt ein recht amüsantes Verwirrspiel, während dessen Drustan klargemacht werden muss, dass er sich im 21. Jahrhundert befindet.

Ist diese Tatsache erst akzeptiert, wird schnell klar, dass Drustan in die Vergangenheit zurückkehren muss, um den Clan der MacKeltar weiterleben zu lassen, was der Tod von Drustans Zwillingsbruder Daegus und der Zauber der Hexe verhindert hat. Außerdem hat der Clan der MacKeltar einen Pakt mit dem Feenvolk geschlossen, dessen Rituale eingehalten werden müssen, damit es nicht zu Konflikten zwischen dem Menschen- und dem Feenvolk käme. Auf dem Weg zum Steinkreis verlieben sich die beiden ineinander. Als Gwen Drustan dann unfreiwillig auf dieser Zeitreise begleitet, ist es plötzlich an ihr, den völlig fremden und ahnungslosen Drustan des 16. Jahrhunderts davon zu überzeugen, dass ihm Gefahr droht.

Dies ist nicht der erste Highlander-Roman der amerikanischen Liebesromanautorin Karen Marie Moning. Daher findet der Leser im vorliegenden vierten Teil dieser Folge von „Highlander“-Romanen, die jedoch keine zusammenhängende Serie bilden, bereits altbekannte Muster wieder: Scheinbar ist ein Großteil der amerikanischen Frauen noch mit Mitte 20 unberührt. Männer sind immer groß, attraktiv und unheimlich potent. Außerdem sind sie perfekte Verführer und auch in ihrer Lebensplanung genau das, was Frauen wollen: potenzielle Ehemänner und Familienväter. Monings Frauen sind eher klein, etwas naiv und bildschön, sich ihrer Attraktivität jedoch nicht bewusst. Aufgrund des David-und-Goliath-Verhältnisses und den aus der Zeitreise resultierenden Missverständnissen wirken die Wortgefechte zwischen den Hauptpersonen durchaus komisch. Doch sowohl die Charakterisierung der Protagonisten als auch die Entwicklung ihrer Liebesbeziehung wiederholen bekannte Klischees des Genres und sind typisch für Sex-Heftromane, über deren Niveau Moning trotz häufiger Anspielungen auf sowie ausufernder Beschreibung von Sexszenen im Roman nur im Wortumfang hinauswächst.

Wahrscheinlich hätte es ein spannender Liebesroman werden können, wenn es Moning gelungen wäre, den interessanten und durchaus spannenden Plot des Prologs weiter auszubauen. Stattdessen bietet der Roman nicht mehr Stoff als das häufig beschriebene Tangahöschen, das die weibliche Hauptfigur für den entscheidenden Moment mit sich führt. So dreht sich die erste Hälfte der Geschichte nur darum, dass Gwen ihrer Jungfräulichkeit überdrüssig ist und ihrer Defloration entgegenfiebert, d. h. auf der Suche nach ihrem „Kirschenpflücker“ ist. Wirkt der Jammer über ihre Jungfräulichkeit zunächst noch witzig, möchte man bei der x-ten Wiederholung bereits genervt mit den Augen rollen. Welches Glück, dass sie auf Drustan trifft, der zunächst alles daran setzt, sie zu verführen, während sie im 16. Jahrhundert selbst in dieser Sache aktiv werden muss. Somit schreibt Moning, wofür sie von ihren Fans geschätzt wird und womit sie diese immer noch überraschen kann: ausufernde, sehr detaillierte Sexszenen, bei denen man den Eindruck erhält, es gäbe nichts langwierigeres auf Erden als die geschlechtliche Vereinigung – aber natürlich nur mit dem Menschen, mit dem man das weitere Leben zu verbringen gedenkt.

Die Charaktere sind mit der Beschreibung einiger äußerer Merkmale und der Erklärung einiger Familienumstände spärlich vorgegeben, so dass jeder Leser die Schablone füllen kann, wie er mag. Die Beschreibung der Highlands oder anderer Orte, historische Hintergründe, die Charakteristik der Nebenfiguren sowie der Versuch einer wissenschaftlichen Erklärung für Zeitreisen treten für die Autorin in den Hintergrund. Dass Gwen ihren Highlander retten kann, steht im Sinne des Genres außer Frage; wie es ihr gelingt, den sturen Schotten zu retten und die leidenschaftliche Nacht nicht zu einer einmaligen Angelegenheit werden zu lassen, erfährt man in der zweiten Hälfte des Romans. Wenn die Erwartungen der Leser nicht darüber hinausgehen, wird man an „Die Liebe des Highlanders“ seine Freude haben.

Das 2008 erschienen Hörbuch von |Radioropa| kommt in einer stabilen Pappbox daher. Der Aufmachung der Box sieht man den kitschigen Inhalt nicht an. Überhaupt sind alle Hörbücher der Serie in einem dunkleren Farbton gehalten und mit neutralen Bildern versehen. Die rund 13 Stunden Lesezeit wurden auf elf CDs und zwei mp3-CDs gebannt. Die CDs sind noch einmal einzeln in Folientaschen verpackt. Was jedoch fehlt, ist ein Booklet mit einer etwas detaillierteren Zusammenfassung des Inhalts und Auflistung der Begriffe, die man vom Hören nicht unbedingt als Schriftbild vor sich sieht, nebst den entsprechenden Erklärungen (z. B. „Túatha Dé Danann – keltischer Begriff für das Feenvolk“).

Die Sprecherin erhält gleich im Prolog die Chance zur Präsentation ihres Könnens, wenn sie die Zigeuner mit einem osteuropäischen Akzent spricht, dass man sofort ein Bild vor Augen hat. Aber auch darüber hinaus gelingt es ihr, den mäßig spannenden Roman so zu lesen, dass die Zuhörer über die willentlich und auch gelegentlich unbeabsichtigt komischen Zeilen des Romans schmunzeln können. Im Vergleich mit späteren Folgen der Serie ist „Die Liebe des Highlanders“ durchaus ein kurzweiliges Hör- bzw. Lesevergnügen.

|Originaltitel: Kiss of the Highlander
Aus dem Englischen von Ursula Walther
Buchausgabe bei Ullstein, 2003
13:14 Stunden auf 11 CDs + 2 Bonus-MP3-CDs
ISBN-13: 978-3836802550|
http://www.hoerbuchnetz.de

_Karen Marie Moning auf |Buchwurm.info|:_

[„Der dunkle Highlander“ 5160 (Hörbuch)
[„Im Bann des Vampirs“ 4598

Wein, Len – Simpsons Comics 141

_Inhalt_

|“Weine nicht, wenn der Regen fällt, Damm Damm“|

Merkwürdige Ereignisse tragen sich in Springfield zu: Aufgrund des massiven Regens droht der örtliche Staudamm überschwemmt zu werden. Dazu macht ein merkwürdiger Schlund inmitten der Stadt den Bürgern große Sorgen, droht in ihm doch alles zu versinken, was in seiner Nähe auftaucht. Lisa scheint die Einzige zu sein, die sich mit diesem Problem ernsthaft beschäftigt, und gründet mit einigen Freunden eine Bürgerinitiative, die den Damm stabilisiert. Ttrotzdem bricht der Damm und verursacht eine mittelschwere Katastrophe. Selbst Flanders, der vorab eine Arche errichtet hat, scheint nicht mehr sicher zu sein ..

_Persönlicher Eindruck_

Ein ziemlich bekloppter Titel, eine ebenso merkwürdige Story und dazu wirklich ungewohnt viele Skurrilitäten charakterisieren die nunmehr 141. Ausgabe der „Simpsons Comics“. Erneut ist es Len Wein, die ihre Leserschaft mit einem äußerst sonderbaren Skript überfällt und dabei auf Tempo und reichlich Bizarres setzt.

Dabei tendiert die Ernsthaftigkeit der Geschichte weitestgehend gen null, zu spüren einerseits in der Sorglosigkeit der Beteiligten um die bevorstehende Naturkatastrophe, andererseits aber auch greifbar in den vielen kurzen Zwischensequenzen, die nicht mal am Rande etwas mit der Story zu tun haben, aber trotzdem fest ins Programm aufgenommen werden. So wird beispielsweise zum 342. Mal Moes Antrag abgelehnt, seine Taverne zur historischen Kultstätte zu ernennen, um so die Steuerausgaben zu verringern. Homer wiederum hält den allmächtigen Evan (hüstel) für den Erbauer der Arche und unternimmt somit einen weiteren Querschläger in Richtung Kinowelt. Und dass Mr. Burns insgeheim einen Tunnel baut, um die radioaktiven Dämpfe nach Shelbyville zu pusten, erscheint in diesem Zusammenhang auch ein wenig, nun, bescheuert.

Doch wie gehabt: Die Mischung macht’s, und die ist auch in der aktuellen Heftausgabe wirklich fantastisch. Ganz nebenbei ist nämlich auch der Plot richtig gut und geht nicht – wie man angesichts der besagten Ausnahmesituationen befürchten mag – im Gag-Feuerwerk von Wein unter. Außerdem sind nahezu alle wichtigen Simpsons-Schauplätze aktiv. Bürgermeister Quimby zeigt sich gewohnt korrupt, die Fehde mit Flanders und dessen versessene Religiosität leben auf, Lisa mimt den Moralapostel und Homer erweist sich erneut als der tollpatschigste Taugenichts, der in Springfield herumlatscht. Kurzum: Fans der Serie kommen wiederholt voll auf ihre Kosten und können mit der Nr. 141 grundsätzlich nichts falsch machen!

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Thomas Finn – Der letzte Paladin (Die Wächter von Astaria 1)

Nach „Die Chroniken der Nebelkriege“ steht mit „Die Wächter von Astaria“ die zweite Trilogie von Thomas Finn in den Startlöchern, die im |Ravensburger Buchverlag| erscheint. Auch diese richtet sich nach Verlagsangaben an ein eher junges Publikum ab zwölf Jahren, das von einem jugendlichen Protagonisten in eine magische Welt geführt wird. Wer Thomas Finn liest, bemerkt jedoch, dass seine Romane gleichermaßen für Jung und Alt geschrieben sind und genügend Überraschungen bereithalten, um auch alteingesessene Fantasyleser in den Bann zu ziehen. Ist ihm dies mit dem „Der letzte Paladin“, dem Auftakt der neuen Trilogie, erneut gelungen?

Inhalt

Thomas Finn – Der letzte Paladin (Die Wächter von Astaria 1) weiterlesen

Abnett, Dan / Edginton, Ian – Warhammer 40.000: Tod und Verderben (Band 2)

Band 1: [„Kreuzzug der Verdammten“ 4361

_Story_

Bei einem Angriff auf die Industriemakropole Senshu werden die imperialen Streitkräfte nahezu vollständig vernichtet und ihre Geschütze dem Erdboden gleichgemacht. Doch der Sieg schürt den Konkurrenzkampf auf Seiten der siegenden Orks, denn jeder einzelne von ihnen verlangt nach einer führenden Position im Gefüge der grünen Horde und setzt diesen Wunsch auch mit äußerster Gewaltbereitschaft um.

Schließlich ist es Skyva, der seine Mitstreiter hintergeht und selbst seinen Boss mit einer Hinterlist täuscht. Als Grund für seinen Erfolg nennt er seinen dürren Grot, den Glücksbringer, den er von seinem alten Boss für seine Clevernes bekommen hat und hinter welchem sich insgeheim der letzte verbliebene Imperiumssöldner Izraell Honor Castillian verbirgt. Monatelang verbringt er in der beschwerlichen Gefangenschaft der Orks und beobachtet, wie es dem naiven Skyva tatsächlich gelingt, die Stämme seines Volkes zusammenzurotten, um die Menschheit endgültig auszulöschen. Doch nach Monaten des stillen und flehenden Wartens werden die Hilferufe des Offiziers endlich erhört und der Rachefeldzug gegen die Orks eingeläutet …

_Persönlicher Eindruck_

Mit „Tod und Verderben“ liefert der renommierte „Warhammer“-Autor Dan Abnett bereits die zweite Vorlage zu einem Comic-Abenteuer aus dem 40.000-Universum, welches zumindest inhaltlich ein wenig Wiedergutmachung für den eher verkorksten ersten Band der neuen Serie leistet. Die Story des neuen Bandes ist zwar ebenfalls nicht furchtbar tiefgründig und bietet gerade im Bereich der Dialoge allerlei Banalitäten, überzeugt aber zumindest durch eine ausgewogene Erzählung und eine ziemlich stimmige, zeichnerische Aufarbeitung. Immerhin!

Dabei ist „Tod und Verderben“ zunächst extrem gewöhnungsbedürftig und gerade sprachlich ein Grund für erneute Skepsis. Die Orks pflegen untereinander einen ziemlich umgangssprachlichen Dialekt, der zwar aufgrund der Lautierung schnell verständlich ist, den Lesespaß aber dennoch ein Stück weit beeinflusst. Um das Ganze authentischer zu gestalten, nimmt man dieses kleine Hindernis gerne an, aber dringend notwendig war dieser seltsame Auswuchs sicherlich nicht. Derweil geht es in der Erzählung ziemlich rabiat zur Sache. Die Orks meucheln alles und jeden und nehmen nicht einmal Rücksicht auf ihre eigenen Brüder, die aus Eifersuchtsgründen teilweise ebenfalls dran glauben müssen. Dazu gibt es zahlreiche Schlachtszenarien, Explosionen und Gemetzel, was jedes Tabletop-Spielerherz höher schlagen lassen wollte, an dieser Stelle aber wieder deutlich von der Handlung ablenkt.

Letzteres ist eigentlich auch das elementare Problem dieser Fortsetzung: Viel zu häufig erleidet die Plotentwicklung einen radikalen Stillstand, weil die fiesen Geschöpfe mal wieder Banales austauschen oder der Machttrieb der Orks sie dazu treibt, ihresgleichen abzumurksen. Die Art und Weise, wie dies geschieht, entbehrt zwar nicht gerade eines gewissen Humors, aber im Laufe der Zeit scheint diese Vorgehensweise nur bedingt abwechslungsreich und stellt sich dem Ausbau der Geschichte mehrfach in den Weg.

Was den zweiten Teil der illustrierten „Warhammer 40.000“-Serie letztendlich rettet, sind die schönen, düsteren Grafiken, die mit unzähligen Details gespickt sind und für eine richtig starke Erzählatmosphäre sorgen. Gleich drei Zeichner standen Mr. Abnett zur Seite, um seine teils recht deftigen Ideen zu skizzieren und mit kontrastreichen Farben zu versehen, was insbesondere im Finale der Hauptstory richtig gut funktioniert. Selbst die Defizite in der Handlung sowie die phasenweise recht routinierte Gradlinigkeit der Story fallen in diesem Zusammenhang nicht mehr so schwer ins Gewicht.

Im Gegensatz zur vorangegangenen Ausgabe ist daher auch eine leicht eingeschränkte Empfehlung für die eindeutig formulierte Zielgruppe angebracht, die sich im Übrigen noch auf eine zusätzliche Kurzgeschichte namens „Die Besucher“ freuen darf. Auch wenn sprachlich berechtigterweise Bedenken bestehen und die Geschichte so manches Mal von ihren vielfältigen Effekten niedergerungen wird, ist „Tod und Verderben“ schon eine ganz klare Steigerung zu „Kreuzzug der Verdammten“ und bringt die Serie langsam aber sicher auf den richtigen Weg.

|132 Seiten, Softcover
ISBN-13: 978-3-86607-576-4|
http://www.paninicomics.de/warhammer-40000-s10517.html

Heitz, Markus – Zwerge, Die

Zwerge – für viele sind das nur die lustigen Gefährten mit den roten Zipfelmützen, die manch einer zu Dutzenden in seinem Vorgärten zu stehen hat, um dadurch zum Gesprächsthema der gesamten Straße zu werden. Ganz anders stellen sich diese kurzgewachsenen Gefährten üblicherweise im Fantasy-Genre dar. Überzeugte der bärtige Gimli bei Tolkien noch durch seine Freundschaft zu dem einst verhassten Elb, durch seine bärbeißige Art und seine geschickt geschwungene Axt, so zeichnet Markus Heitz in seiner Zwergen-Reihe Charaktere, die ihresgleichen suchen!

_Zwerge gegen den Rest der Welt_

Das Böse hat das Geborgene Land erobert. Der Magier Nudin ruft die anderen mächtigen Magi und Magae zu sich, um ein altes Ritual durchzuführen. Was die anderen jedoch nicht wissen: Ein hinterhältiges Wesen ist in Nudin eingefahren, das ihn verändert, ihn mächtiger und böser werden lässt. Nudin hat sich zu Nôd’onn gewandelt und will die anderen Magier vernichten. Er entzieht ihnen bei dem Ritual alle Magie und tötet sie. Anschließend widmet er sich auch den Magierschülern, doch eine Maga überlebt – gerettet von ihrem treuen Diener.

In einer anderen Geschichte lernen wir den Zwerg Tungdil kennen, der bei den Menschen aufgewachsen ist. Er lebt bei dem Magus Lot-Ionan und hat bei den Menschen echte Freunde gefunden, doch auch Feinde. So kommt es eines Tages zum Streit mit einem Menschen. Wichtige Zauberformeln werden dabei zerstört und Lot-Ionan schickt Tungdil daraufhin auf eine lange Reise. Im Herzen weiß er, dass der Zwerg unschuldig war und möchte ihm mit dieser Reise auch die Gelegenheit geben, andere Zwerge kennen zu lernen und das geborgene Land zu sehen.

Unterwegs erlebt Tungdil allerlei Abenteuer, spannend wird es allerdings erst, als er die Zwergenzwillinge Boëndal und Boïndil kennenlernt. Die beiden sind auf der Suche nach einem geeigneten Thronfolger für die Zwerge. Der Großkönig ist alt geworden und sieht seinen letzten Tagen entgegen, doch der einzige Thronanwärter – Gandogar – ist auf Krieg mit den Elben aus, was einige tapfere Zwerge wie Balendilín verhindern wollen. Also hat er die beiden Brüder ausgeschickt, um Tungdil aufzugreifen. Doch bevor Tungdil als Thronfolger anerkannt wird, stehen ihm und seinem Widersacher Gandogar einige Prüfungen ins Haus, in denen sich der echte Thronfolger beweisen muss. Es steht zwei zu zwei, als die letzte Aufgabe gezogen wird – eine, die Tungdil sich erdacht hat. Auf seinen Reisen hat er erlebt, wie das Tote Land Einzug in das Geborgene Land genommen hat. Er weiß von Nôd’onns Verrat und kennt einen Weg, ihn zu zerstören: Eine Feuerklinge muss geschmiedet und gegen den bösen Magus gerichtet werden. Und so besteht die letzte und entscheidende Aufgabe der Thronanwärter darin, sich auf eine lange und gefährliche Reise zu begeben, um die Feuerklinge zu schmieden und den bösen Magier zu vernichten.

Um diese Aufgaben zu erfüllen, darf jeder der beiden Zwerge sich eine kleine Reisegruppe zusammenstellen. Tungdil nimmt selbstverständlich die beiden Brüder Boëndal und Boïndil mit, die ihm bereits mehrfach das Leben gerettet haben, außerdem entscheidet er sich für den ständig betrunkenen Steinmetz Bavragar und den ängstlichen Edelsteinschleifer Goïmgar, der permanent im Clinch mit der Reisegruppe liegt, da er sich an Kämpfen nicht beteiligt und offen zum Ausdruck bringt, dass er einzig Gandogar unterstützt und ihm Tungdil verhasst ist. Unterwegs sammeln sie noch einige weitere Gefährten auf, und Boïndil erhält viele Gelegenheiten, sich ins Schlachtgetümmel zu stürzen. Denn es steht schlecht um das Geborgene Land, das Böse breitet sich immer schneller aus, und die Zwergengruppe ist die einzige Hoffnung …

_Zwerge sind cool_

Bislang hielt ich Zwerge für eher komische Wesen, die für mich wenig Reiz besaßen. Für mich waren das einfach nur die bärtigen Wesen, die sich am liebsten in unterirdischen Höhlen aufhalten. Doch Markus Heitz spendiert den Zwergen ganz neue Facetten. Natürlich halten sich auch seine Zwerge am liebsten unterirdisch auf – auch wenn sie sich nicht gerne als Unterirdische bezeichnen lassen. Heitz verleiht nicht nur allen Bevölkerungsgruppen Charakteristika, sondern auch jeder einzelnen Figur und vor allem jedem einzelnen Zwerg. Bei ihm teilen sich die Zwerge in fünf Gruppen, die alle unterschiedliche Talente haben: Die einen können gut schmieden, die anderen gut Diamanten schleifen und die dritten kämpfen, und zwar am liebsten gegen ihre Artgenossen. Natürlich mögen die Zwerge keine spitzohrigen Elben, manche würden sogar am liebsten in den Krieg gegen die Elben ziehen. Die Elben bleiben ein wenig blass im Buch, da sie nur ganz am Rande auftauchen, viel interessanter sind da schon die Alben, die schwarzäugigen bösen Elben, die den Zwergen an die Wäsche wollen. Alben sind durch und durch böse und unterscheiden sich vor allem durch ihre schwarzen Augen von normalen Elben. Daneben tauchen natürlich die anderen bekannten Bevölkerungsgruppen auf: Orks und Oger, Menschen und Magier, Gnome und ein paar andere, die tapfer für das Böse in die Schlacht ziehen.

Was das Buch ausmacht, sind die ausgefeilten Charakterzeichnungen. Bei Markus Heitz ist jeder Zwerg individuell. Tungdil ist bei den Menschen aufgewachsen und kennt Zwerge nur aus den Büchern. Dementsprechend belesen ist er auch und wird daher gerne als der Gelehrte tituliert. Er ist schüchtern gegenüber Zwergenfrauen, da er sie erst spät kennenlernt, er muss das Kämpfen noch lernen, aber Schmieden kann er wie ein echter Zwerg – was er ja auch ist. Boïndil ist hitzköpfig und braucht regelmäßig Schlachten gegen Orks, sonst wird er unausstehlich. Er liebt das Schlachtengetümmel und meidet nicht einmal die auswegloseste Situation. Ganz anders dagegen sein Bruder Boëndal, der deutlich besonnener und freundlicher ist. Er versucht stets, seinen Bruder im Zaum zu halten und zu vermitteln. Mit am besten gefallen hat mir der ewig betrunkene Bavragar. Einst war er der beste Steinmetz der Zwerge, er hat bislang unübertroffene Kunstwerke geschaffen, doch dann ist er dem Alkohol verfallen. Seine Hände zittern und er schafft es nicht mehr, sein Handwerk auszuüben. Dafür hat er stets ein Liedchen auf den Lippen und genießt sein Leben in vollen Zügen. Nur beim Zwergenvolk ist er nicht mehr glücklich, da sein Schicksal dort zu öffentlich ist. Er wünscht sich, sein Lebenswerk zu krönen und dann nicht mehr zu den Zwergen zurückzukehren. Alle diese Figuren gestaltet Markus Heitz gekonnt aus; wir lernen die Zwerge und ihre Eigenarten immer besser kennen, bis sie zu wahren Freunden werden. Was Heitz hier schafft, ist wahrlich meisterhaft.

_Kommt Zeit, kommt Spannung_

Zu Beginn lässt Markus Heitz sich viel Zeit, um die Figuren vorzustellen und in die Geschichte einzuleiten. Er stellt erst ausführlich die handelnden Figuren vor, beschreibt die Situation und versetzt uns in seine Welt. Das dauert mitunter schon recht lange, ohne dass die Geschichte ins Rollen kommt. Die ersten knapp 200 Seiten ziehen sich daher ein wenig hin, was ich aber mehr als verzeihlich finde in Anbetracht dessen, was man dafür später geboten bekommt, und angesichts der Tatsache, dass er mit diesem Buch in seine Zwergenreihe einleitet. Der Spannungsbogen setzt demnach später an, ist dann aber durchaus gelungen. Die Situation für Tungdils Reisegruppe wird immer gefährlicher und auswegloser, sodass man immer mehr mit ihr mitfiebert. Je länger man liest, umso mehr versinkt man in der Welt der Zwerge und umso schwieriger ist es, das Buch noch aus der Hand zu legen.

Gleichzeitig schafft Markus Heitz es, die Landschaften und Situationen dermaßen plastisch zu beschreiben, dass sie uns direkt vor Augen stehen. Dies macht er aber, ohne zu langweilen. Nie hatte ich das Gefühl, dass ich über eine Landschaft, über eine Höhle oder eine Stadt zu viel erfahre, er streut seine Beschreibungen so geschickt in die Geschichte ein, dass es ein stimmiges Ganzes wird, das fasziniert. In diesem Buch kann man vollkommen versinken, wenn man sich erst einmal auf die Geschichte einlässt.

_Die erste Schlacht der Zwerge_

Insgesamt ist das vorliegende Buch mehr als gelungen. Wer die ersten 200 Seiten übersteht und sich durch die lange Einleitung „hangelt“, dem bietet Markus Heitz viel: faszinierende Charaktere, spannende Schlachten, böse Gestalten, viele Intrigen und bildhafte Beschreibungen. „Die Zwerge“ machen Lust auf mehr und verleiten definitiv dazu, gleich zum nächsten Buch zu greifen, um zu erfahren, wie es mit unseren zwergischen Helden weitergeht!

|635 Seiten, kartoniert
überarbeitete Neuausgabe
ISBN-13: 978-3-492-70076-4|
http://www.piper-verlag.de

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http://www.zwergenreich.at
http://www.geborgene-land.de

_Markus Heitz auf |Buchwurm.info|:_

[Interview mit Markus Heitz]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=56
[„Ritus“ 2351 (Buch)
[„Ritus“ 3245 (Hörbuch)
[„Sanctum“ 2875 (Buch)
[„Sanctum“ 4143 (Hörbuch)
[„Die Mächte des Feuers“ 4655 (Lesung)
[„Die Mächte des Feuers“ 2997
[„Kinder des Judas“ 4306
[„Die Zwerge“ 2823
[„Die Zwerge“ 2941 (Hörbuch)
[„Die Rache der Zwerge“ 1958
[„Der Krieg der Zwerge“ 3074
[„Schatten über Ulldart“ 381 (Die Dunkle Zeit 1)
[„Trügerischer Friede“ 1732 (Ulldart – Zeit des Neuen 1)
[„05:58“ 1056 (Shadowrun)
[„Die dritte Expedition“ 2098

Vincent – Albatros 3: Seelengeflüster

Band 1: [„Shanghait“ 4355
Band 2: [„Der böse Blick“} 4540

_Story_

Die Leiche der jungen Rosaline wird kurz nach ihrem Auftritt im Kabarett gefunden und versetzt die Besitzerin und die Ermittler in Panik und Schrecken. Blutüberströmt liegt die Tänzerin auf dem Boden des Etablissements, abgeschlachtet von ihrer einst so guten Freundin Ombaline, die lediglich ein Fläschchen Morphium aus ihrer alten Heimat stehlen wollte.

Auf dem Weg zurück zu ihrer neuen Behausung, dem Luftschiff, wird ihr Ziehvater Louis geschnappt und des Mordes an Rosaline angeklagt. Die Beweise sind erdrückend, und nur mit großem Glück und Louis‘ ganzem Einsatz kann Ombaline den Gendarmen entkommen. Derweil startet das Team des fliegenden Schiffes eine Meuterei und begeht Hochverrat an Kapitän Emerance. Diese jedoch lässt ihre Vögel ein weiteres Mal fliegen, um sich vor den Verfolgern zu schützen. Doch die Möwen sollen nicht das letzte Mal eingegriffen haben. Louis soll dem Henker vorgestellt werden – und Ombaline erkennt endgültig ihre Fähigkeiten und ihre Bestimmung …

_Persönlicher Eindruck_

Mit „Seelengeflüster“ geht Vincents „Albatros“-Serie nach gerade mal drei Ausgaben bereits in die letzte Runde, schafft es aber auch im finalen Abschnitt nicht mehr, die eher durchschnittlichen Eindrücken noch einmal zum Positiven zu wenden. Erneut verstrickt sich der Autor in zu viel unnützem Geplänkel und lenkt ständig von der eigentlichen Dramaturgie des Hauptplots ab, der eigentlich viel mehr Potenzial aufbietet, als letztendlich hier genutzt wird.

In diesem Fall wird unheimlich viel Zeit damit verbracht, die Frage nach dem Mörder zu klären, obschon diese für alle Seiten längst befriedigend beantwortet wurde. Dennoch wird das Thema in mehreren offiziellen Gremien vermehrt aufgegriffen, bis es schließlich kaum mehr ernst genommen werden kann. Derweil ist der Werdegang der vermeintlichen Heldin ebenfalls äußerst fragwürdig. Ihre Selbstzweifel werden kaum weiter ausgearbeitet, ihre Verzweiflung ob ihrer überraschenden Herkunft spielt auch keine bedeutende Rolle mehr, und da ihr Verhalten mit wachsender Dauern immer ambivalenter wird und überhaupt kein homogenes Charakterbild entstehen will, bleiben auch über das Ende hinaus einige dicke Fragezeichen stehen, die von einer mangelnden Ausarbeitung der wesentlichen Inhalte zeugen.

Als Letztes wird auch der Schwenk in die Vergangenheit nur unvollständig vollzogen. Einzelne Passagen und Ereignisse werden kurzzeitig wieder ins Gedächtnis gerufen, ihre Bedeutung für die Handlung jedoch nicht mehr transparent gemacht. Blickt man währenddessen mal auf das traurige Schicksal, von dem Ombaline ihr gesamtes Leben verfolgt wird, fragt man sich, warum dieser einzelne Aspekt nicht vordergründiger beleuchtet wird. Alleine dies hätte ja schon ausgereicht, um ein richtig starkes Drama um die Verzweiflung des Mädchens zu konzipieren. Doch diese Chance hat Vincent zu großen Teilen deutlich verschenkt.

Immerhin: Auf zeichnerischem Gebiet macht dem Urheber der Story so schnell keiner etwas vor. Die bedrückte Atmosphäre, das einzig wirklich hervorragende Element der Serie, wird auch im letzten Band richtig stark in das visuelle Konzept eingebunden und mit vielen herbstlichen Tönen entsprechend melancholisch untermalt. Die Grafiken sind wirklich stimmig in das traurige Konzept der Geschichte integriert und machen losgelöst von der Handlung einen fantastischen Eindruck.

Leider jedoch lebt ein Comic nun mal von der Symbiose aus Zeichnungen und Text. Und Letzterer ist und bleibt auch mit dem Abschluss der Story vorwiegend durchschnittlich.

|Originaltitel: Le murmure des ames
47 Seiten, farbig, gebunden
ISBN-13: 978-3-939823-88-9|
http://www.splitter-verlag.de

Elliott, Will – Hölle

Was der Australier Will Elliott mit „Hölle“ abgeliefert hat, ist ein rundum erfolgreiches Debüt. Er gewann auf Anhieb einen der wichtigsten australischen Literaturpreise. Was folgte, war die Nominierung für den |International Horror Guild Award| und die Übersetzung in fünf Sprachen. „Hölle“ erzählt eine höchst eigenwillige und abgefahrene Geschichte und ist für die sonst eher auf Hörspiele fixierte |Lauscherlounge| die erste Hörbuchproduktion im klassischen Sinne.

Eines Nachts fährt Jamie beinahe einen Clown über den Haufen. Aus dem Nichts taucht die Gestalt auf. In der Nacht darauf beobachtet Jamie zwei weitere Clowns, die sich höchst eigentümlich verhalten. Als Jamie dann etwas an sich nimmt, das einer der Clowns wegwirft, ist plötzlich nichts mehr, wie es war. Jamie erhält unheimliche Drohungen, seine Wohnung wird vollkommen verwüstet und ein paar Kerle in Clownskostümen machen Jagd auf ihn.

Die Clowns bringen Jamie schließlich in den Pilo-Zirkus, einen bizarren Rummelplatz voller Freaks, Wahrsager, Magier und Akrobaten. Jamie soll fortan bei den Clowns leben und mit ihnen auftreten. Doch was das wirklich bedeutet, begreift Jamie erst, als er zum ersten Mal die Schminke anlegt und in sein Clownskostüm schlüpft: Jamie verwandelt sich in einen vollkommen anderen Menschen – den gehässigen, bösen Clown JJ.

Jamies Leben dreht sich fortan um ein rätselhaftes Pulver, das ihm jeden Wunsch erfüllen kann und das Leben auch der anderen Akteure im Pilo-Zirkus bestimmt. Auch Jamie droht dem Pulver zu verfallen, doch wird er den Zirkus dann jemals wieder verlassen können? Um dem Zirkus zu entrinnen, muss Jamie zuerst einmal seinen ärgsten Widersacher bezwingen: sein eigenes dunkles Ich …

Will Elliott präsentiert dem Leser/Hörer mit „Hölle“ seine ganz eigene Mischung aus Thriller, Horror und schwarzem Humor. Man fragt sich lange Zeit, was real ist und was nicht. Doch Jamie ist nicht der Einzige, der Bekanntschaft mit den Clowns macht. Auch sein Mitbewohner Steve bekommt Besuch von ihnen und muss sie fortan ebenfalls fürchten. Dabei liegt es gewissermaßen nahe, dass das Auftauchen der Clowns vielleicht auch nur Einbildung ist. Jamie und Steve wohnen in etwas unübersichtlichen Verhältnissen. Drogen spielen dabei anscheinend eine entscheidende Rolle, und dass in Jamies WG Junkies ein- und ausgehen, ist nicht Ungewöhnliches.

Dass man zunächst auf das Thema Persönlichkeitsspaltung tippt, ist also nicht ganz abwegig, wenngleich Elliott seine Geschichte mit einer Prise Mystery würzt, die zeigt, dass die Lösung eben auch in einer ganz anderen Richtung liegen kann. Der Pilo-Zirkus ist eine völlig eigenständige Welt, die aber auch stets von Menschen aus unserer Realität besucht wird. Anscheinend gibt es Portale, durch die Menschen auf das Zirkusgelände gelangen, ohne selbst zu bemerken, dass sie sich in einer völlig anderen Wirklichkeit befinden.

Und so offenbart Elliott dem Leser/Hörer das Rätsel, das sich hinter dem Pilo-Zirkus verbirgt, eben nicht ganz direkt. Man fragt sich bis zum Schluss, wie man die Geschichte interpretieren soll, ob es da überhaupt etwas zu interpretieren gibt oder ob man die mysteriöse Art des Romans nicht einfach so hinnehmen sollte.

Die Spaltung der Hauptfigur in den netten Jamie und den bösartigen JJ besitzt auf jeden Fall ihren Reiz, und der besteht eben nicht allein im Aufeinandertreffen dieser gegenteiligen Charaktere in einer Figur, sondern vor allem in dem Kampf um die Oberhand, den sich die beiden liefern. Jeder will den anderen dominieren und ihm seinen Willen aufzwingen. Während Jamie nach einer Möglichkeit sucht, dem Zirkus zu entrinnen und all die bösen Taten JJs zu verhindern, versucht sein innerer Kontrahent JJ genau das Gegenteil. Daraus ergibt sich ein höchst spannendes Psychoduell mit äußerst ungewissem Ausgang.

Ein weiterer Reiz der Geschichte liegt in der Skurrilität des Handlungsortes. Die in sich abgeschlossene Welt des Pilo-Zirkus bietet Platz für allerhand eigenartige Typen. Da wären allen voran Jamies Clownkollegen. Chef der Clowntruppe ist der herrische Gonco. Dann gibt es da noch den alten Clown Winston, den masochistisch veranlagten Ruffshot, und die beiden etwas zurückgebliebenen Brüder Doopie und Goshi. Vor allem Goshi, der ein höchst inniges und geradezu intimes Verhältnis zu einer Zimmerpflanze hegt, ist eine der skurrilsten Figuren im Zirkus.

Begleitet wird das Ganze von einer surrealen und düsteren Grundstimmung. Man merkt schnell, dass dem Zirkus etwas grundsätzlich Böses innewohnt, und so nimmt die Geschichte mit der Zeit auch ziemliche blutrünstige Züge an. Das verdeutlicht auch die Verwandlung, die Jamie jedes Mal durchläuft, wenn er die Schminke aufträgt und zum bösen JJ wird. Auch die beiden Zirkus-Chefs Kurt und George Pilo mit ihrer Dauerfehde strahlen etwas durchweg Durchtriebenes und Böses aus.

Und so wird „Hölle“ dominiert von einer dichten und gleichermaßen düsteren Atmosphäre, die von dem kontinuierlich aufwärts strebenden Spannungsbogen des Plots zusätzlich unterstrichen wird. Je weiter die Geschichte voranschreitet, desto tiefer taucht man in den Plot ein, und das bunte Treiben im Pilo-Zirkus wird zu feinstem Kopfkino.

Dass dem so ist, liegt sicherlich auch an der unerwartet vielseitigen Vortragsweise von Oliver Rohrbeck. Zugegeben, ich hätte ihm eine dermaßen vielgestaltige Stimme kaum zugetraut, so markant haftet er mir als Synchronsprecher von Ben Stiller und als Justus Jonas von den |Drei ???| im Kopf. Aber gerade die skurrilen Figuren und die düsteren Seiten des Zirkus‘ verkörpert Oliver Rohrbeck sehr gekonnt. Die Bösartigkeit der Pilo-Brüder, die schrägen Charakterzüge von Doopie und Goshi – all das füllt Oliver Rohrbeck gekonnt mit Leben.

Unterm Strich kann man also festhalten, dass der Start der |Lauscherlounge| in Hörbuchgefilde durchaus geglückt ist. Mit Will Elliotts „Hölle“ fiel die Wahl auf einen spannenden und schrägen Thriller, der nicht zuletzt auch dank Oliver Rohrbecks gelungener Vortragsweise für ein äußerst kurzweiliges Hörvergnügen sorgt.

|Originaltitel: The Pilo Family Circus
Aus dem Englischen von Birgit Reß-Bohusch
ISBN-13: 978-3-7857-3322-6
Buchausgabe bei Piper: 387 Seiten, ISBN-13: 978-3-492-70159-4|
[www.lauscherlounge.de]http://www.lauscherlounge.de/
[www.luebbe-audio.de]http://www.luebbe-audio.de
[www.piper-verlag.de]http://www.piper-verlag.de

Arleston, Christophe (Autor) / Floch, Adrien (Zeichner) – letzte Geheimnis, Das (Die Schiffbrüchigen von Ythaq 5)

Band 1: [„Terra Incognita“ 3722
Band 2: [„Die falsche Ophyde“ 3744
Band 3: [„Seufzer der Sterne“ 3777

_Story_

Die Schiffbrüchigen haben wieder zusammengefunden, dies jedoch unter höchst unglücklichen Umständen. Der brutale Khengis und seine Söldnerarmee haben das Schiff nämlich umstellt und warten nur darauf, bis die Energiereserven der Überlebenden aufgebraucht sind, um endlich zuschlagen zu können.

Unterdessen suchen der Kommandant und sein Gefolge händeringend nach einer Lösung, um das Energieproblem in den Griff zu bekommen. Der Bordtechniker Narvarth scheint tatsächlich eine Lösung in petto zu haben, die der Mannschaft neue Hoffnung schenkt.

Zur gleichen Zeit zeigt sich der anrüchige Präsident Dhokas bestens regeneriert und genießt an Bord der |Kometenstaub| Narrenfreiheit. Granit äußert öffentlich ihr Misstrauen und greift den einst Gejagten an. Doch ihre Folter ist nicht von langer Dauer; Granit wird als Deserteurin eingesperrt, während Dhokas still und heimlich die Infiltration seines eigenen Schiffes inszeniert …

_Persönlicher Eindruck_

Die Serie geht in die entscheidende Phase, das spürt man sowohl in der atemberaubenden Erzählatmosphäre als auch in der noch einmal deutlichen Verschärfung des Tempos innerhalb der Handlung. Gleichzeitig erreicht auch die Action in „Das letzte Geheimnis“ ihren vorläufigen Höhepunkt, zeigt sich in ihrer Darstellung allerdings auch ungleich brutaler, als man dies von „Die Schiffbrüchigen von Ythaq“ bislang gewohnt ist. Im wahrsten Sinne des Wortes rollen in der fünften Ausgabe einige Köpfe, während Zeichner Adrien Floch auch mit der blutroten Farbe kaum spart.

Andererseits schwelt im Vorläufer zum endgültigen Finale tatsächlich ein kleiner Krieg vor sich hin, dessen Ernsthaftigkeit hier passend inszeniert wird, und in dem der Humor vorheriger Episoden einfach nicht mehr angebracht ist. Dies betont Autor Arleston einerseits in den erneut sehr deutlichen Charakterentwicklungen, andererseits aber auch im harten Ton, den die Protagonisten mitunter anzuschlagen gedenken. Insbesondere Hauptakteurin Granit zeigt sich von ihrer bis dato heftigsten Seite und ist in manchen Passagen kaum wiederzuerkennen.

Unterdessen verändert sich auch das inhaltliche Gesamtbild wieder beträchtlich. Endlich werden erste Details über die Geheimnisse von Ythaq preisgegeben, und endlich wird auch die Rolle des abtrünnigen Präsidenten Dhokas ein bisschen klarer. Dennoch gewinnt die Story aufgrund der sich überschlagenden Ereignisse noch einmal an Komplexität, da sich die Rollenverteilung doch noch einmal entscheidend verändert und damit auch die Ausgangslage noch einmal grob verschoben wird. Außerdem schließt sich der Kreis zu manchen Mysterien aus der Vergangenheit, die aufgrund der gestaffelten Veröffentlichungen der einzelnen Kapitel womöglich aus dem Fokus geraten sind, an dieser Stelle aber wieder präsent werden. Konsequent also, wie Arleston sämtliche Inhalte seiner Geschichte miteinander verknüpft und dabei trotzdem die Überraschungen auf seiner Seite hat.

Dementsprechend ist auch Band fünf eines der vielen Highlights in der Biografie des französischen Autors und trotz der offenkundigen Brutalität der Handlung auch eine der besten Ausgaben dieser Serie. Einmal mehr sieht man sich deshalb bestätigt, eine ganz klare Empfehlung für „Die Schiffbrüchigen von Ythaq“ und in diesem Fall für „Das letzte Geheimnis“ auszusprechen.

|Originaltitel: Les Naufrages d‘ Ythaq – L‘ ultime arcane
56 Seiten, farbig
ISBN-13: 978-3-939823-10-0|
http://www.splitter-verlag.de/

Lynch, Scott – Sturm über roten Wassern (Locke Lamora 2)

|Locke Lamora / Der Gentleman-Bastard:|

Band 1: [„Die Lügen des Locke Lamora“ 3624
Band 2: _Sturm über roten Wassern_
Band 3: The Republic of Thieves (2009)
(Laut Autor wurde die Serie vertraglich auf sieben Bände festgelegt)

In „Sturm über roten Wassern“ schickt Scott Lynch seinen Gentleman-Ganoven Locke Lamora nicht nur in die nächste Runde seiner Abenteuer, sondern auch in neue Gefilde: Aus dem geplanten Coup in Tal Verrars exklusivstem Spielcasino, dem „Sündenturm“, wird nichts. Die Soldmagier von Karthain verübeln Locke die Verstümmelung des „Falkners“ und versprechen ihm eine bittere Abrechnung. Sie spielen ein perverses Spiel der Rache mit Locke und liefern ihn der Gnade von Stragos, dem Archonten von Tal Verrar, aus.

Dieser sieht in ihm ein nützliches Werkzeug und macht sich Locke und Jean mit einem Gift gefügig; ohne regelmäßige Dosen des Gegengifts müssen sie sterben. Er schickt beide auf das Messingmeer – als vermeintliche Piraten sollen sie die Seeräuber der Geisterwind-Inseln dazu ermutigen, wieder in den Gewässern von Tal Verrar zu räubern. Denn in dem Poker um die Macht streichen die Priori-Handelsherren dem Archonten die Gelder, die er zum Unterhalt seiner gewaltigen Flotte benötigt, und Maxilan Stragos hat weit ehrgeizigere Ziele als nur Archont von Tal Verrar zu sein.

In dieser misslichen Situation voller Intrigen, Tricks und Täuschungen blühen die Gentlemen-Ganoven allerdings erst so richtig auf und beginnen, alle Parteien gegeneinander auszuspielen. Doch auch ihre Gegenspieler schrecken vor nichts zurück, und vor Überraschungen ist man nie gefeit – ebenso kann man sich im Netz der eigenen Intrigen tödlich verfangen …

Mit „Die Lügen des Locke Lamora“ konnte Scott Lynch bereits viele Leser bezaubern, doch der Nachfolger sticht ihn mühelos aus. Lynch hat Routine gewonnen – eine viel detailreichere und sehr raffiniert angelegte Handlung ist das große Plus des Nachfolgers. Ob der gute Kontakt zu dem ebenfalls hervorragenden [Joe Abercrombie 4190 hier erste Früchte zeigt, überlasse ich der Spekulation und zähle lieber auf, was die großen Pluspunkte des Nachfolger sind.

Im Gegensatz zum Vorgänger wird nicht nur von vermeintlich großartigen Coups Lockes geschwärmt, sondern Locke führt jetzt auch tatsächlich einige wirklich ausgeklügelte Tricks und Bluffs vor – und das abwechslungsreich und am laufenden Band; alle Achtung, Mr. Lynch! Die im Vorgänger stets etwas verwirrenden und den Lesefluss eher bremsenden Rückblenden in die Vergangenheit wurden stark reduziert, die Vorgeschichte (Lockes erzwungene Flucht aus Camorr am Ende von Band 1) wird in einigen wenigen Rückblenden erzählt, und gleich zu Beginn schlägt Lynch in einem raffinierten Kniff einen Bogen fast bis zum Ende: Jean verrät anscheinend Locke – während dieser die ganze Zeit gegenüber seinen Auftraggebern einen Verrat an Jean vorspielt. Der Leser wird im Ungewissen gelassen, das Verwirrspiel noch einmal potenziert. Die Handlung spielt diesmal auf höheren Niveau, Locke und Jean haben den Schmutz von Camorr hinter sich gelassen und spielen nun auf höherer Ebene in Adelskreisen und vornehmen Casinos, obwohl es dort genauso hart und oft noch grausamer zur Sache geht. Der Ausflug auf die See ist zwar unglaublich bemüht konstruiert – einer der wenigen wirklichen Kritikpunkte, die ich anbringen kann -, schafft aber eine zusätzliche Handlungsebene und Abwechslung.

Als im Schnellverfahren zu Möchtegern-Seeleuten geschulte Scheinpiraten machen Locke und Jean wie eigentlich – wie nicht anders zu erwarten – keine gute Figur, die Mannschaft meutert schon bald und es dauert nicht lange, bis eine richtige Piratin sich ihres Schiffs „annimmt“. Die Piratenepisode ist nicht so zentral, wie es der Titel andeutet, sondern nur das letzte Drittel des Buches; bei satten 941 Seiten reicht das aber für ein vollwertiges Piratenabenteuer innerhalb der Handlung, bei dem Lynch einige Klischees und Aberglauben des Seemannsgarns Realität werden lässt und einige Dinge unterhaltsam verdreht. Zum Beispiel bringen Frauen und Katzen an Bord Glück, man braucht beides, sonst erzürnt man den Gott des Meeres.

Der Humor kommt auch nicht zu kurz; im Gegensatz zum Vorgänger setzt Lynch auf gehobenere Situationskomik anstelle launischer Sprüche. So finden sich unsere beiden Edel-Ganoven unter anderem in einer Situation wieder, in der sie bei einer Kletterübung ein anderer Dieb bestiehlt und dieser, nachdem sie ihn wüst beschimpfen und bedrohen, zur Sicherheit dann doch lieber die beiden Seile durchtrennen will, an denen sie hängen. Ebenso geht nicht jede Intrige auf, oft bringt die beiden ihr eigenes Lügengespinst nur noch tiefer in die Zwickmühle.

_Fazit:_

Was das Buch jedoch weit über den Vorgänger hinaushebt und – egal ob man ihn gelesen hat oder nicht – zu einer absoluten Empfehlung macht, ist die Mischung aus ausgeklügelter Handlungsführung, spannender Story und sehr exotischen fantastischen Elementen. Den kapitelweisen Leerlauf und die beachtlichen Qualitätsschwankungen des ersten Bandes gibt es nicht mehr, Lynch schreibt durchgehend auf hohem, sogar deutlich höherem Niveau. Meine einzigen Kritikpunkte sind die etwas zu sehr konstruierten Gründe, gerade die Landratte Locke auf See zu schicken, sowie ein gewisser Overkill an schönen, kompetenten und gefährlichen Frauen. Und das stets alles in einem. Die Namen der Damen sind ziemlich austauschbar, sie sind ausnahmslos emanzipierte und taffe Femmes fatales. Interessanterweise rückt Lockes im ersten Band arg penetrantes Schmachten nach seiner verlorenen Liebe, Sabetha, in diesem Band angenehm in den Hintergrund, obwohl der nächste Band der Reihe, „Republic of Thieves“, sich vornehmlich mit dem auch explizit auf dem Titelbild dargestellten Rotschopf befassen wird.

Wer Gefallen an Locke Lamora gefunden hat, wird sicher erfreut darüber sein, dass der Nachschub garantiert ist: Lynch hat die Reihe vertraglich auf sieben Bände fixiert und zudem „zügige“ Belieferung versprochen. Was immer man als erfahrener Fantasy-Leser davon halten mag – wer Interesse an Spoilern und näheren Informationen hat, sollte Scott Lynchs Webseite aufsuchen. Alleine die in der deutschen Fassung fehlenden und unter „Bonus Materials“ zu findenden exzellenten Karten des Messingmeers, Tal Verrars und Camorrs sind bereits den Besuch wert.

Homepage des Autors:
http://www.scottlynch.us

Homepage des Verlages:
http://www.heyne.de

|Originaltitel: Red Seas under Red Skies
Übersetzt von Ingrid Herrmann-Nytko
Paperback, 944 Seiten|

Wilson, Paul F. – Handyman Jack – Schmutzige Tricks (Folge 1)

_Ein Handyman_ ist im englischen Sprachraum ein Mann für alles, und so finden sich auf dem Anrufbeantworter von F. Paul Wilsons Antihelden Handyman Jack auch reichlich Nachrichten, in denen es ums Heimwerken und Reparieren geht. Dabei ist Jack zwar tatsächlich ein Kerl fürs Grobe, doch in seinem Werkzeugkoffer findet sich eher ein umfangreiches Waffenarsenal. Für Geld beseitigt er nämlich Probleme, die ohne Gewaltanwendung nicht mehr zu lösen sind. Wenn man also selber nicht mehr weiter weiß und die Polizei nicht interessiert ist zu helfen, dann ist die letzte Adresse wohl Handyman Jack. Zumindest wenn man in New York lebt.

Dass man mehr über den geheimnisvollen Handyman Jack erfahren darf, ist dem amerikanischen Autor F. Paul Wilson zu verdanken, der die Figur vor über zwanzig Jahren erfand und seitdem nicht müde wird, dessen Abenteuer zu schildern. |LPL records| stellt mit „Schmutzige Tricks“ drei Kurzgeschichten um Jack als Hörbuch vor.

_In der Auftaktgeschichte_ „Zwischenspiel im Drugstore“ bekommt der Hörer als Einstimmung eine geradlinige und schnelle Knall- und Schießgeschichte geboten. Jack, der zufällig auf seine alte Bekannte Loretta trifft, die ihn sofort in einen Drugstore schleppt, da sie einen Heißhunger auf Eis verspürt, findet sich plötzlich in einem klassischen Überfallszenario wieder: Eine kleine Gang schließt Kunden wie Angestellte in dem Laden ein, um den Geldtransporter zu überfallen, der wöchentlich die Einnahmen abholt. So eine Situation kann Jack natürlich nicht so einfach hinnehmen, doch sieht er sich mit einem ungewöhnlichen Problem konfrontiert: Da er zum jährlichen King-Kong-Tag aufs Empire State Building gestiegen ist, auf dem Waffen tabu sind, hat er keine Knarre parat. Er muss also improvisieren, und so schleicht er durch die Gänge des Drugstore, um zusammenzusammeln, was auch nur im Entferntesten als Waffe geeignet sein könnte. Der Leser darf gespannt sein, welche unscheinbaren Produkte in Jacks Hand zu tödlichen Geschossen werden können!

Die zweite Geschichte „Ein ganz normaler Tag“ verlangt sowohl dem Hörer als auch dem Protagonisten schon etwas mehr ab. Es ist die längste Geschichte des Hörbuchs und kann mit einer recht verschachtelten Handlung aufwarten, die des Hörers Aufmerksamkeit ständig fordert. Jack wurde von dem Barbesitzer George angeheuert, um ein paar mafiöse Geldeintreiber zu beseitigen, die von George Schutzgeld erpressen wollen. Doch dieser recht einfache Job verkompliziert sich schlagartig, als ein Scharfschütze versucht, Jack in seinem (geheimen!) Hotelzimmer gekonnt zu durchlöchern. Haben die Kleinkriminellen also jemanden auf ihn angesetzt? Hat jemand Jacks Identität herausgefunden? Oder geht es um etwas ganz anderes? Genüsslich widmet sich Jack dem Puzzle, das sich ihm da präsentiert, und natürlich führen schlussendlich alle Spuren zusammen, um in einem actionageladenen Showdown zu kulminieren.

In der letzten Geschichte „Familiennotdienst“ verlässt Autor F. Paul Wilson das sichere Revier der Schwarzweißmalerei. Bisher waren Bösewichte und Helden (selbst Antihelden) recht eindeutig zu identifizieren, doch nun betreten wir die berüchtigte Grauzone moralischen Handelns. Jack wird von Oscar Schaffer engagiert, dessen Schwester von ihrem Mann regelmäßig brutal verprügelt wird. Immer wieder redet er auf sie ein, diesen Schläger doch zu verlassen, doch sie entschuldigt die Gewaltätigkeit ihres Mannes und macht keine Anstalten, sich aus dessen Fängen zu befreien. Oscar weiß keinen anderen Rat mehr als Jack zu engagieren, um dem Schwiegersohn eine Portion seiner eigenen Medizin zu verpassen. Jack soll ihn ein wenig verprügeln, gerade nur so, dass er im Krankenhaus landet. Vielleicht sieht er dann, was er seiner Frau antut. Und vielleicht landet er im Krankenhaus ja zufällig in den Fängen eines Psychiaters, der ihn wieder geraderücken kann. So einfach, wie Oscar sich das ausgemalt hat, wird die Sache schlussendlich natürlich nicht. Nur eines ist sicher – wenn die Geschichte zu Ende ist, wird Gus nie wieder eine Frau verprügeln.

_Mit Handyman Jack_ hat F. Paul Wilson, Jahrgang 1946 und wohnhaft im beschaulichen New Jersey, eine unglaublich vielseitige, actionlastige und unterhaltsame Figur geschaffen. Man erfährt kaum etwas über ihn, und sein auffälligstes Merkmal ist wohl seine komplette Unauffälligkeit. Zwischen den ganzen Schlägern, Kleinkriminellen und Dieben sieht er einfach nur normal aus. Normal gebaut, normal gekleidet, normale Frisur, unscheinbares Gesicht. Als Krönung kommt er in „Ein ganz normaler Tag“ plötzlich heim zu Frau und Kind, und um die Beschaulichkeit der Diskussion ums Abendbrot komplett zu machen, würde nur noch der weiße Lattenzaun fehlen. Jacks Normalität ist Tarnung – niemand vermutet hinter der unscheinbaren Fassaden einen so erfolgreichen Schläger. Und erfolgreich ist er in jedem Fall! Neben Jack sehen nämlich Größen des Genres wie John McClane oder Rambo – die schließlich auch nicht schlecht darin sind, ihre Umgebung in Schutt und Asche zu legen – ziemlich alt aus. Und dazu ist Jack auch noch ein irgendwie netter Kerl, dessen Herz trotz der umfangreichen Waffensammlung doch am rechten Fleck sitzt.

Der Fairness halber sollte vielleicht gesagt sein, dass die drei Geschichten des Hörbuchs nicht chronologisch aufeinanderfolgen. Offensichtlich wurden sie nicht nach Erscheinungsdatum, sondern nach Gefallen und sicherlich auch Länge ausgewählt. „Zwischenspiel im Drugstore“ („Interlude at Duane’s“), die Auftaktgeschichte, ist die neueste im Bunde – 2006 erstveröffentlicht. „Ein ganz normaler Tag“ („A Day in the Life“) dagegen ist von 1989. Die letzte Geschichte, „Familiennotdienst“ („Home Repairs“) ist wieder jünger, nämlich von 1996. Allerdings tut die scheinbar wahllose Zusammenstellung dem Hörgenuss keinen Abbruch. Alle Geschichten funktionieren unabhängig voneinander, und man kann in jeder spannende Details über Jack lernen, die man am Ende des Hörbuchs zusammensetzen kann, um sich ein umfassenderes Bild über dieses Enigma Jack zu machen.

„Schmutzige Tricks“ ist ein dreieinhalbstündiger Actionkracher, fabelhaft vorgetragen von Detlef Bierstedt. Routiniert gibt er den taffen Typen (schließlich leiht Bierstedt auch George Clooney seine Stimme) und dreht so richtig auf, wenn er Nebenfiguren Dialekte und Marotten verleihen kann. Besonders gelungen ist ihm dabei ‚Ecuador‘, einer der Kleinkriminellen aus „Zwischenspiel im Drugstore“, dessen Akzent so überzeugend rüberkommt, dass man eigentlich ständig nur zurückspulen möchte, um sich diese Passagen wieder und wieder anzuhören. Hörer, die wollen, dass es in einer Geschichte so richtig zur Sache geht, sind bei Handyman Jack an der richtigen Adresse. Hier wird geschossen, verprügelt und erstochen, bis auch noch der letzte Bösewicht blutleer ist. Und dann tritt Jack dem Toten noch einmal gegen’s Schienbein; man weiß schließlich nie, vielleicht zuckt der Gegner ja doch noch! Pures Hörvergnügen für alle Liebhaber von Action und Pulp!

|3:30 Stunden auf 3 CDs
Übersetzung vom Festa-Verlag
ISBN 978-3-7857-3552-7|
http://www.lpl.de
http://www-luebbe-audio.de
http://www.festa-verlag.de

F. Paul Wilson auf |Buchwurm.info|:

[„Das Kastell“ 795
[„Tollwütig“ 2375
[„Die Gruft“ 4563

Ropes, Arthur R. – Aus dem Abgrund

_Das geschieht:_

Im Jahre 1645 befindet sich der Bürgerkrieg in England in seiner Endphase. Der Sieg der Republikaner unter Oliver Cromwell zeichnet sich ab, während sich die Royalisten zerstreuen. Viele der adligen Untertanen des Königs verweigern Cromwell jedoch die Gefolgschaft. Zu ihnen gehört Philipp, Graf von Deeping, der sich mit 40 ihm treu ergebenen Kriegern in seinem einsam inmitten unzugänglicher Salzsümpfe gelegenen und schwer befestigten Burg Deeping Hold verschanzt. Seine Pächter im nahen Dörflein Marsham hat er ultimativ aufgefordert, ihn binnen einer Woche mit Vorräten zu versorgen; ansonsten wird er mit seinen Männern über sie kommen.

In ihrer Not senden die so Bedrohten einen Boten zum einzigen Verwandten des Grafen. Hubert Leyton, sein Vetter, ist ein friedlicher Bücherwurm, aber bereit, dem Tyrannen ins Gewissen zu reden. Er macht sich auf die beschwerliche Reise nach Deeping Hold. Dort wird er ungnädig empfangen und gefangen gesetzt. Schlimmeres als Rebellion scheint allerdings in den Mauern des düsteren Herrenhauses zu nisten. Die Gräfin ist eines merkwürdigen Todes gestorben. An Philipps Seite sitzt nun die Italienerin Fiammetta Bardi, die als böse Hexe verrufen ist. Angeblich geht der Geist der Gräfin in Deeping Hold um.

Zu allem Überfluss meldet sich ein alter Fluch, der auf der Grafenfamilie lastet. In einer bodenlosen Höhle am Boden des Flusses, der Deeping Hold umfließt, haust eine dämonische Kreatur, die ihr Lager zu verlassen und die Burg anzugreifen droht. Leyton muss fliehen, will er nicht mit ins Verderben geraten. Er ist jedoch nicht gerade ein Mann der Tat und außerdem gebunden: Mit ihm gefangen in Deeping Hold ist die junge Rosamund, Zofe und Vertraute der Gräfin, in die er sich verliebt und die er retten will. Als sich endlich eine Fluchtmöglichkeit bietet, scheint es zu spät zu sein: Der Fluch ist entfesselt und gestattet kein Entrinnen …

_Verdammt sind sie alle!_

|“Als der von Deeping Hold hienieden / dem Satan seine Seel verschrieben;
als er damit hat aufgeschreckt, / was in der finstren Grube steckt,
im Schlunde hockt es seit all den Jahren, / da fraß es ihn mit Haut und Haaren.“|

Welcher Gruselfreund, der die altmodische, nein, klassische Geistergeschichte liebt, kann diesem düsteren Spruch widerstehen? Auf ihn stößt Hubert Leyton, der zaghafte ‚Held‘ dieser Geschichte, als er eines Tages in einem verborgenen Winkel der Familienbibliothek stöbert. Bevor die eigentliche Handlung beginnt, ist damit ihr Fundament gelegt. Schon einmal hat ein Graf von Deeping sich mit Mord & Magie beschäftigt und ist deshalb umgekommen. Wir Leser ahnen bereits, dass sein Nachfahre nicht klüger geworden ist.

Das Ambiente ist exotisch: „Aus dem Abgrund“ ist ein historischer Roman, der 1914 veröffentlicht wurde. Gleichzeitig ist dieses Buch ein Historienroman, denn Verfasser Ropes siedelt die Handlung im Herbst des Jahres 1645 an. Diese Entscheidung beeinflusst ihren Verlauf enorm, denn was hier geschieht, spielt sich lange vor der Epoche der Aufklärung ab. Leyton, der Erzähler, ist ein Zeitgenosse. Wir sehen die Welt durch seine Augen – eine seltsame, erschreckende Welt, die von Gewalt und Willkür, von Religion und Aberglaube bestimmt wird, während die (Natur-)Wissenschaft noch stark mit der mittelalterlichen Alchemie verwandt ist.

Der geistige Horizont der Menschen ist verglichen mit der Gegenwart bestürzend eng. Das trifft auch oder gerade auf Leyton zu, der zwar als gebildeter Mann gilt, jedoch der Denkweise seiner Epoche verhaftet bleibt. Zauberei ist für ihn keine Fantasie und eine entschlossene, selbstbewusst auftretende Frau wie die Signora Fiammetta gilt auch ihm sogleich als verdächtig.

Fremd mutet heute auch das Verhalten des Grafen an. Obwohl auf der Flucht, hat er in seinem Territorium weiterhin die uneingeschränkte Macht. Seine Pächter, die er wie in alter Zeit eher als Leibeigene zu betrachten scheint, sind hilflos, London und Cromwell weit: In einem Land ohne echtes Straßennetz kann sich der Graf in seinem Schlupfwinkel recht sicher fühlen.

Die Gesellschaftsstruktur ist rigide: Philipp ist von Adel und kann nur von anderem Adel zur Rechenschaft gezogen werden. Völlig selbstverständlich ist deshalb der Plan der Bürger von Marsham, Hubert Leyton zum Parlamentär zu ernennen – er mag faktisch denkbar ungeeignet für diese Aufgabe sein, doch er ist selbst ein Mann von Stand und darf deshalb damit rechnen, vom Grafen vorgelassen und angehört zu werden. Dessen größter Fehler ist seine Launenhaftigkeit. In Momenten klarer Selbstreflektion erkennt Philipp seine Schuld. Als alter Soldat findet er sich fatalistisch mit den Folgen ab, um im nächsten Moment in unberechenbarem Zorn zu entflammen.

_Eine versunkene Welt wird gehoben_

Seine archaisch wirkende Welt hat Arthur R. Ropes meisterhaft zu neuem Leben erweckt. Ob er sie historisch korrekt schildert, bleibt Nebensache; wichtiger ist, dass sie historisch echt wirkt. Für die Schaffung dieser Illusion ist der ‚historisierende‘ Tonfall des Erzählers wichtig, der den Sprachduktus des 17. Jahrhunderts aufgreift bzw. imitiert. In der deutschen Übersetzung entfällt die Möglichkeit zu prüfen, wie Ropes mit dieser Herausforderung umging. Manfred Allié hat jedenfalls bemerkenswert gute Arbeit geleistet, die nicht einfach gewesen sein dürfte.

Man muss sie allerdings zu würdigen wissen, was nicht selbstverständlich ist, denn der Fluss der Worte und Sätze mag dem heutigen Leser blumig, schleppend und umständlich vorkommen. Ausgiebig werden Landschaften und Stimmungen beschrieben, viele Bibelstellen zitiert. „Aus dem Abgrund“ stellt als Buch eine Herausforderung dar, die Geschichte muss man sich als Leser verdienen. Ropes war sehr konsequent; sein Roman sollte wie ein Bericht aus alter Zeit wirken. Der Verfasser verkneift sich deshalb auch den Zugriff auf ‚zukünftiges‘ Wissen. Blendet das Geschehen auf die Zeit nach der Tragödie von Deeping Hold um, spricht der alte Leyton, der seine Geschichte im Rückblick erzählt.

Allerdings hält sich Ropes in Sachen Gewalt nicht zurück. Seine Geschichte spielt in einer vom Krieg gezeichneten Ära, und das wird nicht verschwiegen. Philipp und seine Männer sind roh und mit dem Schwert schnell bei der Hand, und die schließlich zu stark gepiesackten Dörfler zahlen es ihnen mit gleicher Münze heim. Auch in der Burg sind Handgreiflichkeiten an der Tagesordnung. Der Fluch hält sich zwar im Hintergrund, doch was er seinen Opfern antut, wird mit viel Freude am blutig-schleimigen Detail beschrieben.

_Der Mensch ist sein eigenes Monster_

Auf die Frage, wer ihm als Vorbild als Autor einer Geistergeschichte gedient habe, nannte Arthur Ropes ausdrücklich Montague Rhodes James (1862-1936), der für seine ebenso nüchtern konstruierten wie wirksamen, fein ziselierten und äußerst beliebten Storys gerühmt wurde. James schrieb nur nebenberuflich; er war Historiker und Universitätsdozent. Sein immenses Wissen ließ er spielerisch in seine Erzählungen einfließen. Sie wirken dadurch dokumentarisch, zumal sich James emotionale Verwicklungen und psychologische Untiefen ausdrücklich verkniff.

Auf eine Liebesgeschichte wollte Ropes nicht verzichten. Sie wird die Freunde dieses Genres freilich kaum entzücken. Rosamund ist eine Nervensäge und auf ihre Art sogar noch bornierter als der Graf. Sie hat sich zum Sprachrohr ihrer toten Herrin und zum Gewissen ihres treulosen Gatten ernannt. Unermüdlich und voller Selbstgerechtigkeit stichelt sie den Grafen und die Signora, die das entgegen ihres Rufes erstaunlich friedfertig hinnehmen. Leyton ist – er gibt es selbst zu – nur in religiösen Dingen ein standfester Charakter. Deshalb lässt er sich von Rosamund sogleich instrumentalisieren; ihre Art imponiert ihm sogar, denn er hat es gern, wenn man ihm sagt, was er tun soll.

Wesentlich besser gelungen ist die Figur der Fiammetta Bardi. Zwar bedient Ropes zeitgenössische Klischees, indem er Fiammetta als intrigante Giftmischerin vom Schlage der Borgias brandmarkt. Darüber geht nicht verloren, was sie wirklich auszeichnet: ein unbändiger Überlebenswille, der sie aus der Gosse an die Seite eines Grafen brachte – eine Position, die sie mit allen Mitteln und äußerst manipulativ zu sichern gedenkt. Außer Philipp hält sie sich wohlweislich einen weiteren Favoriten warm, und sogar den steifen Leyton versucht sie – Sicher ist sicher! – auf ihre Seite zu ziehen.

_Was lauert in der Grube?_

Ropes übernimmt zum Glück auch das Dokumentarische. Wie der englische Herausgeber Richard Dalby in seinem ebenfalls übersetzten Nachwort erläutert, hat Ropes ’seine‘ Heimsuchung weniger nach James, sondern nach William Hope Hodgson (1877-1918), dem Großmeister des amorphen, aus den Tiefen des Meeres gekrochenen Schreckens, gestaltet.

Unabhängig davon, ob James oder Hodgson Ropes Vorbilder waren, hat der Verfasser sehr genau begriffen, dass der Spuk am wirksamsten erschreckt, der nur in Ansätzen sichtbar gemacht wird. Der Fluch von Deeping Hold wird nie völlig enthüllt. Die Fantasie des Lesers muss dort einspringen, wo der Verfasser schweigsam bleibt – ein Trick, der, gut beherrscht, eine Geschichte auf eine weitere Ebene heben kann. Ropes beherrscht sein Handwerk: Jeder Leser stellt sich letztlich ’seine‘ eigene Kreatur vor, die in der Dunkelheit von Deeping Hold haust. Letztlich trifft vor allen anderen Theorien zu, was Leyton in seinem Schlusssatz so zusammenfasst: |“Und eines jeden Mannes Seele, ja, und auch die einer jeden Frau, gleicht einem Deeping Hold mit ihrem launischen Herrn, ihren bösen Ratgebern und mit dem Feinde, welcher da lauert im Schlunde.“| (S. 229) Gemeint ist der Abgrund der menschlichen Seele, deren Existenz sogar ein frommer Puritaner nicht mehr leugnen kann.

_Was (zu) gut ist, ist oft nicht von Dauer_

„Aus dem Abgrund“ ist der zehnte Band der „Bibliothek des Phantastischen“, mit der ab 1990 der |DuMont|-Verlag klassische und moderne Meisterwerke des Unheimlichen neu oder sogar zum ersten Mal veröffentlichen wollte. Die Reihe wurde parallel zur „Kriminalbibliothek“ des Verlags, die ähnlich Verdienstvolles für den Kriminalroman leistete, ins Leben gerufen. Anders als diese war der „Bibliothek des Phantastischen“ leider kein Erfolg beschieden. Zu anspruchsvoll war das Programm, zu klein der Kreis der Leser, die sich dafür begeisterten. Nur zwölf Ausgaben erschienen, bevor die Reihe aufgegeben wurde; die Bände erfreuen sich unter Genrefreunden antiquarisch großer Beliebtheit.

_Der Autor_

Am 23. Dezember 1859 wurde Arthur R. Ropes in Lewisham, einem Stadtteil von London, geboren. Er studierte in Cambridge Geschichte, wurde später dort Dozent (und ein Kollege und Freund von Montague Rhodes James), erwarb sich Meriten als Übersetzer französischer und deutscher Literatur und wurde für seine Gedichte ausgezeichnet. Dennoch wandte er sich der leichten Muse zu und wurde einer der erfolgreichsten Musical-Autoren des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Allerdings glaubte Ropes, es seiner Alma Mater schuldig zu sein, diese ‚minderwertige‘ Tätigkeit unter Pseudonym zu leisten: Als Adrian Ross ist er deshalb in die britische Bühnengeschichte eingegangen. In den 41 Jahren seiner Karriere schrieb er mehr als zum Teil überaus erfolgreiche 60 Musicals. Im Alter von 73 Jahren ist Ropes am 10. September 1933 gestorben.

Ropes einziger Roman erschien 1914, weil sein Freund James sich für ihn stark machte: „The Hole in the Pit“ (dt. „Aus dem Abgrund“) ist eine Geschichte in der klassischen Tradition der britischen Phantastik. Der Misserfolg seines Buches ließ Ropes, den Erzähler, aufgeben. „The Hole in the Pit“ wurde erst 1992 von Ramsey Campbell, dem Meister des modernen englischen Horrors, wiederentdeckt und neu veröffentlicht.

Wein, Len – Futurama Comics 32

_Inhalt_

|“Fry & das wirklich sehr, sehr rare Heft“|

Fry und seine Freundin reisen auf einen Planeten voller Krempel, auf dem der verrückte Sammlerfreak Granville Byers IV eine konservierte Fassung des einstigen Baseball-Helden Barry Bonds in Empfang nimmt. Byers berichtet den Gefährten von der letzten Lücke in seiner großen Sammlung, nämlich die 150. Ausgabe der ‚Spaceboy‘-Comics. Fry erinnert sich, genau diese Ausgabe damals in der Toilette vor seinem Bruder versteckt zu haben – und reist mit dem gierigen Bender, Leela und Zoidberg ins alte New York, um dort das rare Heft zu finden, welches dem Team unendlichen Reichtum bringen soll.

_Persönlicher Eindruck_

Ein Comic, der in erster Linie darauf abzielt, die absurdesten Sammelleidenschaften auf die Schippe zu nehmen und letztendlich wieder sehr konkret beim Medium Comic zu landen? Na dann, willkommen in der neuen Ausgabe der „Futurama“-Comics, die dieses Mal von Len Wein ziemlich souverän beherrscht wird.

Allerdings ist der Humor in diesem Fall eher ein wenig hintergründig und nicht immer durch die frechen Bemerkungen eines Bender oder die Situationskomik durch tollpatschige Aktionen von Hauptdarsteller Fry definiert. Stattdessen werden einmal mehr gesellschaftliche Abnormalitäten durch den Kakao gezogen, und dies erneut mit einer langen Reihe Insider-Anspielungen gewürzt, die in diesem Fall eben das oftmals närrische illustrierte Genre betreffen.

Die Geschichte zeichnet sich dabei ungewöhnlicherweise durch einen hohen inhaltlichen Abwechslungsreichtum und, zumindest für einen solch kompakten Comic, recht häufige Wendungen in der Storyline aus, welche sich gerade im letzten Abschnitt deutlich und positiv bemerkbar machen. Zumindest ist wieder für ein äußerst bizarres Finale gesorgt, welches den Verlauf der Handlung mal wieder so richtig auf den Kopf stellt und die Sinnfrage berechtigterweise in den Vordergrund rückt. Typisch „Futurama“, mag man da sagen, und in der Tat: Dieser Plot könnte kaum typischer für den Aufwärtstrend der nunmehr 32-teiligen Comicserie sein. Kurz und knapp daher: Auch wenn es nicht ganz die beste Geschichte der letzten Monate war, so sollte man „Fry und das sehr, sehr rare Heft“ auf jeden Fall gelesen haben!

Anthony Berkeley – Galgenvögel

berkeley-galgenvoegel-cover-kleinEine allseits ungeliebte Dame stirbt einen bizarren Tod. Selbstmord kann es nicht gewesen sein, wie ein anwesender Hobby-Detektiv feststellt, bevor er unüberlegt die Spuren verwischt. Um nicht selbst auf der Anklagebank zu landen, muss er im Wettlauf mit der misstrauischen Polizei den Fall selbst klären … – Klassischer „Whodunit“-Krimi aus der ganz großen Zeit des Genres. Der Verfasser spielt meisterhaft mit den Regeln ohne sie zu brechen und verschafft dem Leser ein nicht alltägliches Vergnügen: die Jagd nach einem Mörder, den er im Gegensatz zum Detektiv bereits kennt!
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Peter Robinson – Ein seltener Fall

Endlich hat Chief Inspector Alan Banks Zeit gefunden, um einen entspannten Urlaub in Griechenland zu verbringen. Ein Zeitungsartikel aus seiner Heimat bringt ihn jedoch dazu, sofort wieder abzureisen. Seit seiner Kindheit, als sein Freund Graham spurlos verschwand, trägt er ein schweres Schuldgefühl mit sich herum. Kurz zuvor war der junge Banks von einem Fremden belästigt worden, ohne diesen Vorfall der Polizei oder seinen Eltern zu melden. Bis heute fürchtet er, der Unbekannte könnte der Mörder seines damaligen Freundes gewesen sein.

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McCann, Jesse Leon / Peyer, Tom – Bart Simpson Comics 38

_Inhalt_

|“Rektor Simpson“|

Bei einem weiteren Streich mit Ketchup und Senf stellt Bart Oberschulrat Chalmers bloß, der wiederum Rektor Skinner für seinen neuen Kopfschmuck verantwortlich macht. Als Strafe entzieht er ihm für einen Tag sein Amt als Schuldirektor und überreicht ausgerechnet Bart die Verantwortung. Während der kleine Rotzlöffel die Situation schamlos ausnutzt, beginnen für den entwürdigten Schulleiter die schlimmsten 24 Stunden seines Lebens …

|“Ralph lernt eine Lektion“|

Ralph verkauft seine wertvolle Comic-Sammlung an den berüchtigten Händler für einen Spottpreis und lässt sich daraufhin auch noch den Erlös aus der Tasche ziehen. Leichtgläubig fällt er immer und immer wieder seinen vermeintlichen Freunden und deren Gier zum Opfer, bis ausgerechnet sein tollpatschiger Vater, Chief Wiggum, ihm aus der Patsche hilft …

_Persönlicher Eindruck_

Eigenartigerweise muss man in fast jeder Kritik einer Ausgabe der „Bart Simpson Comics“ darauf eingehen, dass die Qualitätsschwankungen innerhalb der Serie häufig sehr beträchtlich sind und man auch immer wieder mal einige deutliche Enttäuschungen verkraften muss. Umso positiver ist man daher gestimmt, wenn auch mal eine Ausgabe in ihrer kompakten Form ohne jeglichen Ausfall daherkommt und in Sachen Humor locker mit der aktuellen Auflage des großen Bruders, den „Simpsons Comics“, mithalten kann.

Besonders in der ersten Geschichte beweist Autor Tom Peyer sein Gespür für gewagte Doppeldeutigkeiten, wobei ihm der Inhalt der Story – die Zwiste zwischen Chalmers und Skinner, respektive Skinner und Bart sind schließlich legendär – absolut zugute kommt. Doch auch in der Position des zeitweiligen Rektors ist der Titelheld ein wahrer Genuss und nutzt den Posten sowie auch das Humorpotenzial schonungslos aus.

Nicht ganz so witzig, aber eben auch nicht schlecht, ist der Spot in der Mitte, in dem eine Mini-Story um den charmanten Milhouse präsentiert wird. Einige gelungene Gags innerhalb des Vierseiters sprechen jedenfalls ausnahmsweise mal dafür, einen äußerlich so schmalen Band trotzdem noch einmal aufzuteilen.

Im Finale darf sich dann der bislang noch nicht in Erscheinung getretene Jesse Leon McCann dann noch einmal versuchen und trifft in seiner merkwürdigen Darstellung von Ralph Wiggum den Nagel ebenso wie den Wortwitz auf den Kopf. Auch wenn gerade hier einige typische Simpsons-Klischees greifen, ertappt man sich doch erstaunlich oft dabei, bei den obligatorischen Schenkelklopfern ordentliche Grimassen zu ziehen.

Daher ist das Fazit für die Nr. 38 auch kurz und schmerzlos: Die Ausgabe taugt definitiv einiges und gehört mit Abstand zu den besten der letzten Monate im illustrierten Simpsons-Universum.

http://www.paninicomics.de

Alice, Alex – Siegfried 1

_Story_

Dereinst, als die Erdentage noch abzählbar waren und Göttervater Odin über die Welt herrschte, bedeutete ein kleines Stückchen Gold die vollkommene Macht. Doch um es zu erlangen, musste man der Liebe entsagen und seine Emotionen vernichten. Odin entsandte seine Tochter, um dieses verbliebene Stück Macht zu beschützen, jedoch konnte er sich nicht des intriganten Fafnirs erwehren, der seine Liebe zu jener Göttertochter aus Eifersucht und wachsendem Hass aufgab, um das zu besitzen, was selbst Odin nie besitzen konnte.

Doch mit Fafnirs Machtbestreben war auch der Untergang des Volks der Nibelungen besiegelt, die daraufhin aus der sterblichen Welt verbannt wurden. Unterdessen wird Siegfried, der Säugling, den Odins sterbende Tochter kurz vor ihrem Tod noch gebar, in die Hände des hinterhältigen Mime übergeben, der sich seiner annimmt und ihn durch seine Kindheit führt. Im Glauben, seine Eltern hätten ihn damals ausgesetzt, fügt er sich Mimes Anweisungen und verbringt ein Sklavendasein in der Behausung des schurkischen Zwerges.

Doch in Siegfrieds Visionen wird ihm immer deutlicher offenbar, dass die Wahrheit um seine Eltern nicht mit den Erzählungen übereinstimmen kann. Der junge Mann zieht aus, um in der Obhut der Wölfe heranzureifen und eines Tages die Wahrheit herauszufinden. Dabei erfährt er jedoch, dass dies nur gelingen kann, wenn er eines Tages den Drachen besiegt und aus dessen Blut die Weisheit liest …

_Persönlicher Eindruck_

Die [Nibelungensage]http://de.wikipedia.org/wiki/Nibelungensage gehört zu den wichtigsten Werken der Literatur und ist vor allem im skandinavischen Raum nach wie vor eine der wichtigsten Überlieferungen der europäischen Erzählkunst. Im vorletzten Jahrhundert gewann das gewaltige Heldenepos aber erst die Bedeutung, die ihr wegen ihres gewaltigen Inhalts auch tatsächlich zustand, bevor Richard Wagner schließlich mit dem „Ring der Nibelungen“ den wahren Wert der Materie auch in Form einer bis heute meistgeschätzten Opern aller Zeiten verarbeitete.

Während Wagners Werke im Laufe der Zeit jedoch wegen ihrer heroischen Ausstrahlung zweckentfremdet wurden, genießt die berühmte Sage bis zum heutigen Tage einen bedeutsamen, wenn auch nicht mehr makellosen Status. Dadurch bedingt, wagen sich heuer auch nur wenige Schriftsteller an das Thema heran. Und dass es nun ausgerechnet ein Comic-Autor ist, der den alten Heldenstoff nach etlichen Jahren wieder neu und ziemlich modern aufkocht, rechtfertigt dementsprechend auch den einen oder anderen skeptischen Blick. Doch gemach, werte Kritiker, denn dem Herr Alice ist völlig bewusst, an welch harten Brocken er sich da herangewagt hat.

Dennoch tut sich der Autor solch fortschrittlicher Werke wie „Das 3. Testament“ beim Aufbau seiner Story ziemlich schwer, unter anderem aber auch, weil das Original so unheimlich viel hergibt. Alice versteckt sich hierzu clevererweise ein ganzes Stück hinter der Interpretation Wagners und beginnt sein Werk mit einer stimmigen, bildgewaltigen Ouvertüre, die jedoch gleichermaßen verwirrend gestaltet ist. Rückblickend werden hier zwar elementare Teile der Story aufgegriffen, jedoch wird diese Verbindung erst nach und nach in die Handlung integriert, was angesichts der berauschenden Eindrücke des illustrativen Werks ziemlich schade ist. Lieber wäre man hier schon in voller Fahrt ins Geschehen eingestiegen.

Aber auch abseits der Rahmenerzählung, sprich im Hauptplot, agiert der Autor stellenweise sprunghaft. So mancher Dialog wird jäh unterbrochen, und auch Siegfrieds Entwicklung könnte eine Spur schlüssiger ausgearbeitet werden. Bevor man sich versieht, hat der Titelheld seine Jugend hinter sich gebracht, ohne dass dabei ein maßgeblicher Part, nämlich die kontinuierliche Entfremdung durch seinen Ziehvater Mime, ausführlich bearbeitet wird. Zudem ist die Schwerpunktverteilung an manchen Stellen ein wenig unverhältnismäßig. So wird die Vorgeschichte, quasi der Ursprung der gesamten Saga, ziemlich knapp abgearbeitet, wohingegen die Szenen, in denen Siegfried mit den Wölfen zieht, aufgrund ihrer spektakulären Zeichnungen gerne breit ausgeschmückt werden. Rein visuell ist dies sicherlich vertretbar, doch da die Nibelungensage nun mal in erster Linie von ihrer eigenwilligen Heldengeschichte lebt, sollte diese auch noch klarer eingeflochten werden.

Derartige Kritik scheint vor dem Aspekt des berauschenden, zeichnerischen Gesamtbilds und der sehr frischen Interpretation der Materie jedoch schon fast wieder bedeutungslos. Alice zeichnet im wahrsten Sinne des Wortes göttlich und beherrscht vor allem die hektischeren Szenarien aus dem Effeff. Gleich mehrfach entwirft er schier unglaubliche Panels mit vielen genialen Detailzeichnungen, erlaubt sich dabei aber auch hier und dort einige Eigenarten, bei denen er sich genügend künstlerische Freiheiten herausnimmt, um der Geschichte seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Sowohl bei den Darstellungen der Charaktere als auch im Hinblick auf die fast schon verführerischen Naturbilder ist ihm dies absolut fantastisch gelungen, bei der Inszenierung der Handlung indes noch nicht ganz so grandios, wie es die Vorlage erhoffen ließ. Allerdings ist Alice erst am Anfang einer etwas üppiger präsentierten Trilogie angelangt und hat noch alle Möglichkeiten offen, erste Ungereimtheiten in Kürze wieder auszugleichen. Vorerst bleibt daher auch in erster Linie die Macht der Bilder haften. Und dies ist für einen Comic – auch vor dem Hintergrund der hier verarbeiteten Geschichte – schließlich entscheidend!

|72 Seiten, farbig
ISBN-13: 978-3-940864-18-5|
http://www.splitter-verlag.de

Francis, H. G. / Arthur, Robert – Die drei ??? und der Super-Papagei (Folge 1)

Was macht diese Folge eigentlich so besonders? Nun, als Nummer 1 ist man immer Vorreiter, das ist hier nicht anders, allerdings konnten die |EUROPA|-Studios als Macher dieser Geschichte damals nicht ahnen, dass sie die Einstiegsdroge für eine ganze Generationen von Hörspielfreaks hinlegen. Im Gegenteil. Man nummerierte sogar die eigentliche Nummer 1 „Gespensterschloss“ um, sie wurde zur Nummer 11 degradiert, da man nicht wusste, ob Deutschlands Jugend 1979 schon bereit für die spukige Umsetzung dieser Folge von „The Three Investigators“ (so der Serientitel des Originals) war. Rückwirkend kann man sagen: Sie war es.

_Zur Story_

Justus und Peter werden von Alfred Hitchcock zu dessen Kollegen Mr. Fentriss geschickt, der seinen Papagei „Lukullus“ vermisst, doch die Polizei des kalifornischen Kleinstädtchens Rocky Beach will nichts unternehmen. Am Haus des potenziellen neuen Klienten der drei ??? abgekommen hören sie jedoch Hilfeschreie und beschließen, sich dem Gemäuer vorsichtig zu nähern. Dabei werden sie von einem dicken Kerl überrascht, der sie mit vorgehaltener Pistole ins Haus scheucht und sich ihnen als Mr. Fentriss vorstellt. Der Papagei sei wieder aufgetaucht und hätte den Hilfeschrei ausgestoßen, zudem wäre er telefonisch von Hitchcock über ihr Kommen informiert gewesen und wollte sie nur ein wenig testen.

Die vermeintliche Pistole entpuppt sich als Feuerzeug. Justus und Peter bringen (ohne den Vogel persönlich zu Gesicht zu bekommen) in Erfahrung, dass der Papagei stets einen sehr seltsamen Spruch zum Besten gibt: „Lucius et Licinius et Lukullus – Kopf oder Zahl? – erare humanum est!“, doch einen neuen Fall haben die jungen Detektive wohl nicht … Ein wenig enttäuscht zuckeln sie in dem ihnen kostenlos überlassenen Rolls Royce – samt Chauffeur Morton – von dannen … bis Just ein Geistesblitz trifft. Mr. Hitchcock kann gar nicht angerufen haben, denn zum Haus von Mr. Fentriss führt keine Telefonleitung!

Als sie schnurstracks mit dem Rolls kehrtmachen (lassen), kommt ihnen aus der Ausfahrt des Grundstücks ein schwarzes Ranger-Sport-Coupé entgegengebraust, am Steuer: der Dicke von vorhin! Leider konnten sie trotz des Beinahe-Crashs nur die letzten Ziffern des Kennzeichens erhaschen: „13“. Die beiden Jungs finden den richtigen Mr. Fentriss gefesselt in seinem Haus und befreien ihn. Dabei erfahren sie, dass er den sprachbegabten Vogel von einem mexikanischen Hausierer gekauft hat, und er ist nicht der Einzige. Seine Nachbarin Mrs. Waggoner hat ebenfalls einen solchen Papagei gekauft, der auf den Namen „Schneewittchen“ hört und ähnlich komisches Zeug brabbelt: „Weiß wie Schnee. Rot wie Blut. Schwarz wie Zedernholz … Ist Sherlock Holmes zu Hause?!“

Auch ihr Papagei ist, wie man sich unschwer denken kann, verschwunden, und sie sucht ihn verzweifelt, kann den Jungs aber einen Mann beschreiben, der sich seit geraumer Zeit verdächtig in der Gegend herumtreibt. Natürlich passt die Beschreibung des Mannes und seines Autos auf den Dicken mit seinem Sportwagen. Zwei verschwundene Papageien, die seltsam verdrehte Sprüche klopfen, und ein höchst verdächtiger Kerl, der es offensichtlich darauf abgesehen hat, alle Tiere (es sind deren sieben – inklusive des ominösen Super-Papageis „Blackbeard“) in seine Hände zu bekommen. Doch warum? Welches Geheimnis umgibt diese höchst seltsamen Vögel?

_Eindrücke_

Ein knackiges, schlichtweg geniales und höchst mysteriöses Wort-Rätsel, ein düsterer Friedhof im Nebel und zunächst undurchsichtige Charaktere plus Monsigneur Victor Hugenay, der französische Meisterdieb, der den drei Jungs nicht zum letzten Mal über den Weg dackeln soll, zeichnen die Nummer 1 aus. Gewürzt ist das Ganze mit pädagogisch wertvollen Zuckerlis, wie der Erwähnung, dass Blackbeard, das spätere Maskottchen der Detektei, eigentlich gar kein Papagei ist, sondern ein Star aus der Familie der Mynah, die bekannt sind für ihre exzellenten Spracheigenschaften. Man lernt durch die verdrehten Sprüche der anderen Vögel auch noch eine ganze Menge über klassische Literatur und Geschichte, denn unter ihnen befinden sich außerdem noch Käpt’n Kidd, Sherlock Holmes, Robin Hood und Al Capone. Interessanter und kindgerechter kann man ein wenig Allgemeinbildung nicht verpacken.

Selbstverständlich werden hier schon Tugendhaftigkeit und Freundschaft großgeschrieben, wie es im späteren Verlauf der Serie (bis heute) auch ausnahmslos praktiziert wird. Die kindlichen Stimmen der drei Hauptfiguren sind von ihrer heutigen Tonlage natürlich verschieden und für Kenner nur der neueren Folgen (nach deren Stimmbruch) bestimmt lustig anzuhören. Das heißt: Peter (Jens Wawrzceck) scheint diesen irgendwie verpasst zu haben, er klingt auch als erwachsener Sprecher fast noch genauso wie anno Tuppdich als Bengel. Für Justus (Oliver Rohrbeck) gilt beinahe dasselbe – auch seine Stimme ist zwar sehr jung und eine ganze Oktave höher als heute, aber schon unverkenn- und wechselbar.

Der Einzige, dessen Stimme sich heutzutage ganz anders anhört (und das meine ich überhaupt nicht negativ – im Gegenteil) ist die von Bob (Andreas Fröhlich); er hat heute eine angenehme, recht tiefe und sonore Stimme (und sprach unter anderem den Gollum aus „Herr der Ringe“), während er in diesen frühen Tagen sogar noch Jens Wawrzceck in Sachen Pieps-Stimme in den Schatten stellt. Gerlach Fiedlers dunkel-nasaler Bass passt hervorragend zu seiner Figur, und er beehrt die Fan-Gemeinschaft später noch in drei weiteren Rollen. Auch Katharina Brauren mit ihrer leicht bedeckt-heiseren Oma-Stimme ist ein wahres Urgestein der Serie und wird in deren Verlauf immer mal wieder eingesetzt. Die spätere Dauer-Nemesis der Jungdetektive – Victor Hugenay – wird hier noch von Wolfgang Kubach gegeben, leider auch mit zu wenig französischem Akzent, aber trotzdem aller Ehren wert. Kurzum, hier finden sich erstklassige Sprecher zusammen, um eine hervorragende Leistung abzuliefern.

Sie Soundkulisse und die Musik sind ein wichtiger Punkt, und trotz der Neuabmischung hat man – zumindest, was die Effekte angeht – die Finger davon gelassen, daher befinden sich Schnitt und Geräusche noch im Originalzustand. Lediglich die Musik musste geändert werden, das war nötig wegen Lizenzstreitigkeiten um die Original-Musik von Brac/George – heute kümmern sich die Herren Conrad, Morgenstern und Zeiberts um die Soundtracks. Die Folge an sich ist natürlich meilenweit von der Perfektion heutiger Produktionen entfernt und strotzt auch vor einigen heftigen Fehlern der Regie. Tatsächlich gehört die Nummer 1 (neben „Hexen-Handy“) zu den Folgen mit den wohl meisten Fehlern, die dem geneigten Hörer beim aufmerksamen Lauschen ins Ohr springen, als da wären:

Mr. Fentriss ist nach eigenen Angaben „geknebelt“ worden – wie kann er dann um Hilfe rufen? Carlos verdreht ständig die Zahlen des Kennzeichens (3-1 statt 1-3), Blackbeard krächzt bereits in der Zentrale, obwohl sie ihn noch gar nicht gefunden haben. Justus nennt den Namen „Mr. Claudius“, wenngleich er dessen Namen zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht kennen kann. Justus nennt Tante Mathilda „meine Mutter“ uva. Bleibt zu erwähnen, dass 2004 eine überarbeitete Version des Hörspiels mit dem Titel „Superpapagei 2004“ veröffentlicht wurde, bei der die bekannten Fehler ausgemerzt wurden. Wer Spaß an den Missgriffen der Serie hat, surft mal auf http://www.rocky-beach.com vorbei – der wohl führenden Fan-Site der drei Fragezeichen. Hier finden sich neben dem Fehlerteufel auch sonst eine ganze Menge Infos rund um die Serie.

_Da kuckste in die Röhre, was?! – Das Fazit_

Die Neuabmischung begleitet immer noch das gute alte Mystery-Flair mit allen klassischen Elementen eines herausragenden Jugendhörspiels, auch wenn mir der alte Soundtrack ein wenig abgeht, denn auch (und gerade) daran macht man Kindheitserinnerungen fest. Trotz manchen Schnitzers ist dies immer noch |die| Kultfolge schlechthin, welche man Neulingen als Start in die Serie empfehlen kann.

_Die Hörspieldaten auf einen Blick:_

Titel: „Die drei ??? und der Super-Papagei“ – Folge 1
Ersterscheinung: Oktober 1979
Label: EUROPA – Sony BMG Ariola Miller
Lauflänge: ca. 48 Minuten
Drehbuch: H. G. Francis
Produktion & Regie: Heikedine Körting
Musik: Conrad, Morgenstern, Zeiberts
Cover-Design: Aiga Rasch

_Die Figuren und ihre Sprecher:_

Erzähler – Alfred Hitchcock: Peter Pasetti
Erster Detektiv – Justus Jonas: Oliver Rohrbeck
Zweiter Detektiv – Peter Shaw: Jens Wawrczeck
Recherchen & Archiv – Bob Andrews: Andreas Fröhlich
Morton: Andreas von der Meden**
Mr. Claudius: Gerlach Fiedler
Mrs. Claudius: Ingrid Andree
Mr. Fentriss: Richard Lauffen
Mrs. Waggoner: Katharina Brauren
Hausierer Ramos: Juan Perez (Karl-Ulrich Meves)*
Carlos: Stefan Brönneke
Victor Hugenay: Albert Giro (Wolfgang Kubach)*
Papageien, insbesondere „Blacky“: Heikedine Körting**

*) Pseudonym. Die in Klammern aufgeführten Namen sind die Klarnamen der Sprecher.

**) Andreas von der Meden und Heikedine Körting werden komischerweise auch im aktuellen Release immer noch nicht in der Sprecherliste genannt.

http://www.natuerlichvoneuropa.de/area__ddf/index.php?sid=1

Waters, Sarah – Solange du lügst

London um 1865: Die siebzehnjährige Susan Trinder ist eine Waise. Ihr Vater ist unbekannt, ihre Mutter wurde kurz nach Susans Geburt als Raubmörderin gehängt. Seither lebt Susan im Haus von Mrs. Sucksby, die Kinder aufnimmt und zu Dieben ausbildet. Die gestohlenen Wertgegenstände werden vom stillen Mr. Ibbs eingeschmolzen und zu Geld gemacht. Je älter Susan wird, desto offenkundiger wird die scheinbar grundlose Bevorzugung durch Mrs. Sucksby.

An einem Winterabend kommt ‚Gentleman‘ zu Besuch, ein junger Mann, den alle im Haus wegen seines guten Aussehens nur bei diesem Spitznamen kennen. Einmal im Jahr bringt er Diebesgut für Mr. Ibbs, doch diesmal legt er einen außergewöhnlichen Plan vor. Susan soll als Zofe bei der jungen Adeligen Maud Lily arbeiten und Gentleman dazu verhelfen, dass sie ihn heiratet. Die junge naive Frau lebt zurückgezogen mit ihrem alten Onkel und wird nach der Hochzeit ein großes Vermögen erhalten. Anschließend will Gentleman sie in ein Irrenhaus abschieben und das Vermögen mit Susan teilen.

Zögernd willigt Susan ein. Ihre neue Herrin entpuppt sich als scheues Mädchen, das Anwesen als düster, der Onkel als unfreundlich und dominant. Mit der Zeit entwickelt Susan eine Sympathie für Maud. Immer unwohler wird ihr bei dem Gedanken, die junge Frau zu hintergehen. Doch als es schließlich so weit ist, muss Susan erkennen, dass auch sie ein Teil einer Intrige geworden ist und nicht weiß, wem sie noch vertrauen kann …

_Bewertung_

Völlig zu Recht wurde Sarah Waters‘ Roman für den Booker Prize nominiert und erfüllt auch alle Erwartungen, die mit der Ankündigung einer Mischung aus Charles Dickens und Daphne du Maurier geweckt wurden.

|Spannend und wendungsreich|

Das viktorianische Zeitalter ist seit jeher prädestiniert für düstere Handlungen voller Geheimnisse und unheimlicher Schauplätze. Der Leser wird zurückversetzt in eine Zeit der riesigen Herrenhäuser mit ihren steifen Herren und den ergeben Dienstboten, in die schmutzigen Straßen von London mit den elenden Armenvierteln, Waisenkindern und Diebesbanden, finsteren Spelunken, Droschken in engen Gassen, in die Zeit menschenunwürdiger Irrenhäuser und zweifelhafter Heilmethoden.

Gefesselt verfolgt man die Schicksale von Susan und Maud Lily: Man fragt sich, ob Susan ihre Rolle als Zofe glaubwürdig spielt oder ob sie vorzeitig als Hochstaplerin entlarvt wird, wie sie auf dem Anwesen von Maud Lily und deren Onkel aufgenommen wird, ob sie tatsächlich wie geplant das Vertrauen ihrer neuen Herrin gewinnen und sie zur Heirat mit Gentleman überreden kann und ob der Plan der beiden Gauner aufgeht, die junge Frau zu entmündigen und an ihr Vermögen zu gelangen. Bald gesellt sich der Zwiespalt von Susan hinzu, der mit der Zeit immer größer wird. Immer schwerer fällt ihr der Gedanke, Maud zu hintergehen, immer unsympathischer wird ihr dagegen ihr Verbündeter Gentleman, doch nach wie vor fühlt sie sich zu der Tat gezwungen, nicht zuletzt, weil sie ihre Ziehmutter Mrs. Sucksby auf keinen Fall enttäuschen will.

Als verspräche diese Handlung nicht ohnehin schon viel Spannung, werden die Ereignisse durch plötzliche Wendungen mehrfach auf den Kopf gestellt. Nach dem ersten Drittel wechselt die Erzählperspektive von Susan zu Maud, um im letzten Drittel wieder zu Susan zurückzukehren. Vor allem im zweiten Teil werden viele vorherige Geschehnisse durch die neue Sichtweise relativiert und in ein gänzlich anderes Licht gestellt. Etliche Sätze erhalten eine neue Bedeutung, ebenso Mauds Onkel und seine akribische Bibliotheksarbeit, der Plot scheint sich in eine andere Richtung zu bewegen – doch auch diese ist noch nicht endgültig; wieder wird die Handlung durch eine Wendung gekippt, sodass man bis kurz vor Schluss nicht sicher sein kann, wem man in diesem Werk trauen kann und wer am Ende triumphieren wird. Trotz des kompliziertes Geflechtes, das die Lebensgeschichten der Hauptfiguren Susan und Maud mit einschließt, verliert die Autorin nicht den Überblick, sondern fügt alle Fäden folgerichtig zusammen, und zwar so verständlich, dass auch dem Leser keine offenen Fragen mehr bleiben.

|Gelungene Charaktere|

Im Mittelpunkt steht die Diebin und Betrügerin Susan, die zwar einerseits Sympathien erweckt, aber alles andere als eine strahlende Heldin ist. Auch wenn sie zunächst zögert, in Gentlemans kaltblütigen Plan einzustimmen, so überwiegt letztlich doch die Verlockung durch die versprochenen dreitausend Pfund, die an sie fallen und ihr ein neues, sicheres Leben ermöglichen sollen. Daran hält sie auch noch lange fest, als sie ihr Opfer näher kennengelernt hat und das Bedürfnis verspürt, die zarte, kindliche Maud zu beschützen. Obwohl Susan eine Betrügerin ist, fiebert der Leser mit ihr, bangt, ob ihre Tarnung standhalten wird oder nicht und ob sich ihre Zweifel ausweiten werden.

Maud Lily ist dagegen ein schwer durchschaubarer Charakter. Im Gegensatz zur abgehärteten Susan erscheint sie elfenhaft und kindlich, ein scheues Reh, welches das Haus nicht verlässt und sich vor dem strengen Onkel fürchtet. Erst auf den zweiten Blick, sprich, wenn Maud selbst zu Wort kommt, erkennt man ihre Facetten, die dann umso mehr überraschen. Sie ist beileibe nicht so naiv, wie sie ausschaut, doch ebenso wie bei Susan verschwimmen die Grenzen zwischen Täter und Opfer und machen aus den beiden Figuren faszinierende Charaktere mit Tiefe, ohne an Plausibilität einzubüßen. Auf jeder Seite spürt der Leser die sich immer stärker ausbreitende Hassliebe zwischen den Frauen, schwankt dabei selbst, für wen er Partei ergreifen soll und vermag das Ende der Entwicklung nicht vorauszusehen. Schwer einzuschätzen sind auch die restlichen Charaktere, der düstere Onkel mit seiner Besessenheit für Bücher, der charmante Gentleman mit seinem durchtriebenen Plan, die alte Mrs. Sucksby, in der Susan einen Mutterersatz sieht und die auch so viel doppelbödiger ist, als man glauben mag.

|Kaum Schwächen|

Will man dem Buch überhaupt etwas ankreiden, dann ist es vielleicht die Komplexität der verschachtelten Handlung, ein Übermaß an überraschenden Wendungen, bei denen eine jede scheinbar versucht, die vorangegangene zu übertrumpfen. Die spektakulären Enthüllungen überschlagen sich gegen Ende beinahe, dabei bietet die Handlung ohnehin schon genug unterhaltsamen Stoff. Zudem findet sich im ansonsten hieb- und stichfesten Plan Gentlemans ein kleines Logikloch, da – ohne zu viel verraten zu wollen – zwei Personen als Zeugen ihm theoretisch einen Strich durch die Rechnung hätten machen können. Dass sie nicht konsultiert werden, ist eher Glückssache und konnte im Vorhinein nicht ausgeschlossen werden.

_Als Fazit_ bleibt ein durchweg spannender historischer Thriller voller Wendungen und Überraschungen bis zum Schluss. Das viktorianische Zeitalter bietet die perfekte Kulisse für geheimnisvolle Machenschaften und düstere Schauplätze. Die beiden Hauptfiguren faszinieren und überzeugen durch ihre Undurchsichtigkeit und facettenreichen Charakterzüge. Lediglich die übertrieben häufigen Wendungen fallen etwas negativ auf.

_Die Autorin_ Sarah Waters wurde 1966 in Wales geboren. Sie studierte englische Literatur und schrieb ihre Dissertation über Homosexualität in der Literatur, was ihr häufig als Inspiration für ihre Werke dient. Mittlerweile erhielt sie zahlreiche Preise – z. B. den |British Book Award Author of the Year|, den |Crime Writers‘ Association Ellis Peters Historical Dagger|, den |Sunday Times Young Writer of the Year Award| – und war für den |Booker Prize| nominiert. Weitere Zu ihren Werken zählen „Die Muschelöffnerin“, „Die Frauen von London“ und „Selinas Geister“. Das vorliegende Buch wurde unter dem Titel „Fingersmith“ verfilmt.