Meltzer, Brad – Shadow

Dass es im Weißen Haus in Washington, D.C., nicht immer mit rechten Dingen zugeht, wissen wir spätestens seit Bill Clinton. Der amerikanische Autor Brad Meltzer treibt es in seinem Thriller „Shadow“ auf die Spitze. Hier geht es nicht mehr nur um eine kleine Affäre, sondern um gefährliche Machtspielchen und düstere Geheimnisse, welche die Wiederwahl des fiktiven Präsidenten Hartson in Gefahr bringen könnten.

Michael Garrick ist Berater im Weißen Haus und hat es jeden Tag mit einem Haufen karrieregeiler Kollegen zu tun. Er selbst wirkt ziemlich bodenständig, aber das hält ihn nicht davon ab, sich ausgerechnet mit Nora Hartson, der Tochter des Präsidenten, zu treffen und sich in sie zu verlieben. Als sie eines Abends gemeinsam ausgehen, versucht Nora alles, um den Secret Service, ihre Bodyguards, abzuschütteln und es gelingt ihr sogar. Die beiden haben ein kurzes, aber intensives Date, das ein jähes Ende findet, als Michael seinen Boss Simon dabei beobachtet, wie dieser in einer Schwulenbar einen dicken Umschlag entgegennimmt. Das weckt Noras Abenteuerlust und sie folgen Simon, der den Umschlag an einem abgelegenen Ort zu vergräbt. Als sie der Sache auf den Grund gehen, finden sie einen Packen Geld, und Nora lässt es sich nicht nehmen, ein Bündel Scheine in die Tasche zu stecken.

Am nächsten Tag will Michael seine Beobachtungen über Simon der Ethikchefin des Weißen Hauses beichten, doch sie eröffnet ihm, dass Simon bereits vor ihm da war und die gleiche Geschichte, die er Caroline Penzler auftischt, ebenfalls erzählt hat – und alle Schuld auf Michael geschoben hat. Wer hat nun Recht? Die Situation sieht nicht besonders gut aus für Michael, denn die einzige Zeugin, die seine Aussage bestätigen könnte, ist schließlich die Tochter des Präsidenten, und es sähe nicht besonders gut aus, wenn sie in solche Unternehmungen verstrickt wäre. Und dann ist da ja auch noch das Geld, das sie mitgenommen haben … Zu allem Überfluss stirbt Caroline Penzler wenig später – angeblich an einem Herzinfarkt – und Michael gerät ins Visier des FBI. Um seine Haut und die von Nora zu retten, versucht er, Simons Schuld nachzuweisen und verstrickt sich dabei immer tiefer in den undurchsichtigen Fall …

„Shadow“ wird Fans von eiskalten Thrillern mit Heldenfiguren in dieser Hinsicht enttäuschen. Michael Garrick ist ein sehr ehrlicher und offener Erzähler, der keine Superkräfte besitzt und manchmal vielleicht ein wenig zu farblos wirkt. Er ist recht normal, was ihn aber menschlich und real wirken lässt. Es macht Spaß, ihn während der Lektüre zu begleiten, da er eine relativ objektive Sichtweise auf die Ereignisse erlaubt, ohne dabei völlig unterzugehen. Seine Vergangenheit und Persönlichkeit werden gut herausgearbeitet, wie auch bei den anderen Figuren. Meltzer greift nur selten Klischees auf, denn obwohl seine Figuren sehr gewöhnlich wirken, haben die meisten das eine oder andere Extra, das sie letztendlich hervorstechen lässt. Simon beispielsweise ist nicht das Monster, das man sich vorstellt. Im Gegenteil pflegt er ein behindertes Kind, für das er sogar beruflich zurückgesteckt hat. Ähnlich sieht es mit Michael aus, dessen Familiengeschichte eine ziemlich ungewöhnliche ist. Durch solche Besonderheiten schafft Meltzer es, nicht nur seine Charaktere, sondern das gesamte Buch aus der Masse herausragen zu lassen.

Die Handlung ist zwar realistisch, weist jedoch an der einen oder anderen Stellen ein paar Längen auf. Hinzu kommt, dass sie aus bereits bekannten Teilen konstruiert ist und dem Genre nicht viel Neues hinzufügen kann. Dank Meltzers mitreißender Erzählweise und des Erzählers, der alleine schon aufgrund seines Wesens zum Umblättern animiert, lässt sich „Shadow“ jedoch zügig und mit Freude durchlesen. Es gibt einige Action- und Verfolgungsszenen, die allerdings nie übermenschlich wirken und wie die Charaktere immer ein paar Besonderheiten aufweisen. Ähnlich ist es bei den Fettnäpfchen, in die der Held der Geschichte regelmäßig tritt. Meltzer schlachtet diese nicht aus. Michael gerät nie in eine Situation, aus der er nicht auch wieder halbwegs elegant herauskommen würde.

Insgesamt bleibt der Autor sehr bodenständig, und gerade das ist es, was die Geschichte so lesenswert macht. Ein weiterer Pluspunkt ist das zahlreiche (Insider-)Wissen über das Weiße Haus. Der Leser erfährt einiges über Washingtons wohl bekanntestes Gebäude, aber Meltzer macht nicht den Fehler, sich bei den Fakten aufzuhalten. Alleine durch seine spannende und anschauliche Schilderung des Alltags in den Büros – die sich so sehr gar nicht von anderen Büros unterscheiden – fließt ganz ohne belehrenden Zeigefinger oder Langeweile einiges an informellem Wissen in den Roman ein.

Der Schreibstil ist eng mit der Hauptperson verbunden und stellt diese in ihrer ganzen Schönheit dar. Meltzer unterscheidet sich nicht wirklich von anderen amerikanischen Thrillerautoren. Flüssig und mit einem Händchen für saubere Sätze und anschauliche Schilderungen, kann er das ganze Buch hindurch überzeugen. Eine eigene Note bekommt die Geschichte hauptsächlich durch Michaels Freund Trey, dessen Humor beinahe komödiantische Züge annimmt. Manchmal fühlt man sich tatsächlich mehr in einer coolen Krimikomödie als im Weißen Haus, wenn Trey einmal richtig loslegt.

In der Summe legt Brad Meltzer einen wenig außergewöhnlichen, aber sehr lesenswerten Thriller vor. Die Hauptperson ist sympathisch, der Schreibstil treibt die Geschichte flott voran und die Handlung weiß trotz einiger Längen zu überzeugen. Wer Thriller mit einem politischen Touch mag, der sollte sich bedienen.

|Originaltitel: The First Counsel
Aus dem Amerikanischen von Edith Walter
Taschenbuch, 524 Seiten|

http://www.aufbau-verlagsgruppe.de
http://www.bradmeltzer.com

Sassenberg, Volker – Point Whitmark: Der Duft der Finsternis (Folge 23) (Hörspiel)

Folge 22: [„Die blutenden Schlüssel“ 4793

_Inhalt_

Tom (Kim Hasper) ist am Ende seiner Radiosendung angelangt. Nur noch zwei Personen sind in der Leitung zugeschaltet und möchten verabschiedet werden. Eine von ihnen ist Christy (Josephine Schmidt), die stolz erzählt, dass sie sich gerade im Nachtpark aufhält, einem Zoo, der nur abends geöffnet hat und vor allem nachtaktive Tiere beherbergt. Im Hintergrund heulen Wölfe, Christy stört das jedoch wenig. Sie kümmert sich um Kendra; wer das ist, will sie aber nicht verraten.

Bevor Tom ihr einen schönen Abend wünschen und die Sendung beenden kann, schreckt Christy auf. Sie habe ein Geräusch gehört, sagt sie mit nun unruhiger Stimme ins Telefon. Hallo? Hallo? Niemand antwortet ihr, bis jemand hervortritt, den Christy freundlich grüßt. Dann stößt sie aber einen überraschten Aufschrei hervor und lässt das Telefon fallen. Die Leitung ist unterbrochen, und Tom zusammen mit Dave, dem anderen Telefongast, rätselt über das merkwürdige Verhalten. Tom beendet schließlich die Sendung, doch der Fall ist für ihn damit nicht abgeschlossen. Im Gegenteil, er fängt gerade erst an.

Mit Jay (Sven Plate) und Derek (Gerrit Schmidt-Foss), seinen Freunden hier in der kleinen Stadt Point Whitmark, will Tom das Verschwinden Christys aufklären. Immerhin haben sie durch die Radiosendung den Beweis, dass im Nachtpark etwas nicht stimmen kann. So macht sich das Trio am nächsten Tag auf, um im dicht verschneiten Treiben dem Park einen Besuch abzustatten. Obwohl sie fast drei Stunden brauchen, bis sie schließlich angekommen sind, hat der Zoo nicht geöffnet: Sie sind zu früh dran, denn erst um 17 Uhr öffnen sich seine Tore. Ausgerechnet heute, so das Schild am Eingang, ist jedoch Ruhetag.

Plan B muss her, und der rollt in Form eines Transporters, für den die Tore geöffnet werden, heran. Durch den sich wieder schließenden Eingang schlüpfen die drei ins Innere. Unbemerkt bleiben sie jedoch nicht, denn der Tierpfleger Clayton (Uli Krohm) hält direkt auf sie zu. Glücklicherweise hat er für den heutigen Tag Aushilfen angefordert, die er in Tom, Jay und Derek meint, gefunden zu haben. Die Jungs gehen auf das Spiel ein und verschaffen sich so Zugang zum Wolfsgehege, in dessen Nähe sie tatsächlich das Handy Christys finden.

Die drei Freunde sehen sich um und befragen die Mitarbeiter, von denen jeder etwas mit Christys Verschwinden zu tun haben könnte. Die Spur führt schließlich zu einer alten Farm in der Nähe eines Kalkwerkes. Dort erwartet sie eine Überraschung, mit der sie nicht gerechnet haben.

_Bewertung_

„Der Duft der Finsternis“ – so wenig der Titel auf den ersten Blick auch aussagt, er trifft doch gut die Pointe, welche die Folge bereithält. Daher soll an dieser Stelle nicht zu viel verraten werden. Nur so viel: Die 23. Episode der Point-Whitmark-Reihe ist kurzweilig und lädt den Hörer zum Mitraten darüber ein, wer hinter Christys Verschwinden steckt und wie sich der Vorfall ereignet haben könnte.

Während die erste Hälfte des Hörspiels sich viel Zeit nimmt, um die Charaktere vorzustellen, und die Nachforschungen im Nachtpark gelungen und mit einer Portion Grusel umgesetzt sind, zieht in der zweiten Hälfte das Tempo deutlich an. Das ist an und für sich sinnvoll, lässt Tom, Derek und Jay ebenso wie den Hörer jedoch zu schnell ins Finale purzeln. Die Handlung hätte hier ein wenig flüssiger erzählt werden können, anstatt so zielstrebig auf das Ende zuzusteuern.

Das trübt den Gesamteindruck aber kaum. Auch die 23. Folge der Jugend-Krimireihe von Volker Sassenberg weiß zu gefallen; vor allem der Nachtpark stellt sich als ein interessantes Setting heraus, das zur Erzeugung der Stimmung genutzt wurde. Die drei Freunde sind zwar kurzzeitig in Bedrängnis, doch am Ende können sie dank ihres detektivischen Spürsinns das Verschwinden Christys aufklären. Das müssen sie auch, denn der nächste Fall wird nicht lange auf sich warten lassen.

http://www.folgenreich.de/pointwhitmark
http://www.karussell.de/0__point__whitmark__22460.jsp
http://www.pointwhitmark.de

Morgan, Richard – Skorpion

_Ein Leben nach Takeshi Kovacs._

Nach „Das Unsterblichkeitsprogramm“, „Gefallene Engel“ und „Heiliger Zorn“ hat sich Richard Morgan abermals dafür entschieden, aus dem Universum auszubrechen, das er für seinen Helden Takeshi Kovacs geschaffen hat. Stattdessen schickt Morgan mit „Skorpion“ einen genetisch modifizierten Supersoldaten auf die Jagd nach Seinesgleichen und verteilt Seitenhiebe an jegliche Form von Bigotterie und Scheinheiligkeit.

_Vom Ende allen Skrupels._

„Dreizehner“ schimpfen sie ihn, eine genetische Abnormität, gezüchtet für den Krieg, völlig ohne Skrupel, aufgeputscht mit sämtlicher Biotechnik und fast unbesiegbar. Eigentlich hätte Carl Marsalis froh über diese Unbesiegbarkeit sein können, wäre nicht die Politik auf die Idee gekommen, sich ihrer gezüchteten Werkzeuge zu entledigen, indem sie sie unter Registrierungszwang stellte. Fortan ist jeder Mensch der „Variante Dreizehn“ meldepflichtig und wird aufs schärfste bewacht. Marsalis darf sich etwas größerer Freiräume erfreuen, allerdings zu dem Preis, dass er abtrünnige Vertreter seiner „Gattung“ aufspüren und an seine Regierung verraten muss. Nach einem dieser Schlachtfeste allerdings landet Marsalis im Gefängnis und die Regierung will nichts mehr von einer Zusammenarbeit mit diesem Dreizehner wissen …

Sevgi Ertekin bekommt es derweil mit einem anderen Fall zu tun: Ein Raumschiff vom Mars verliert die Kontrolle und kracht ins Meer, sämtliche Besatzungsmitglieder sind aufs Scheußlichste verstümmelt – aufgefressen, wie es scheint – und einer der Passagiere ist verlorengegangen; ausgerechnet ein Vertreter der Variante Dreizehn. Es wird zur obersten Priorität für Ertekin, nach dem Entflohenen zu suchen, besonders, da dieser damit anfängt, scheinbar wahllos Morde zu begehen. Und was wäre besser geeignet, um einen Dreizehner zu fangen, als ein Exemplar seinesgleichen, das gerade nach einem Blutbad im Gefängnis gelandet ist und bereits sämtliche Hoffnung auf Freiheit aufgegeben hat?

Scott Osborne indes fühlt sich in seiner aktuellen Situation nicht recht wohl. Er ist aus Jesusland abgehauen, einem strikt abgetrennten Mikrostaat, der seinem Namen alle Ehre macht und Bigotterie in Reinkultur ausübt. Scott hat illegal in einer Biotech-Anlage angeheuert und spürt, wie ihn der Werteverfall mitnimmt, stärker, als er das befürchtet hätte: Er fängt an zu fluchen, beginnt andere Frauen zu begehren und sehnt sich mit der Zeit fast nach der religiösen Klarheit von Jesusland. Diese Klarheit wird ihm allerdings geboten, als ein Verrückter in die Anlage eindringt und dort ein Blutbad anrichtet. Scott bleibt am Leben, mit ihm eine Kollegin. Er sei auserwählt worden, vertraut sie ihm an, er soll den Fremden auf seiner Mission unterstützen. Denn dieser Fremde ist niemand anderer als der auferstandene Jesus Christus, mit dem Knüppel in der Hand, um das jüngste Gericht einzuberufen und die Welt von der Sünde zu befreien.

_Schleichfahrt durch den Faktendschungel._

Richard Morgan hat in „Skorpion“ ein Universum erschaffen, das einen mit Details geradezu erschlägt. Die Regierungslandschaft wird dem Leser vorgestellt, die Tatsache, dass sich die Nationen aufgespalten haben, dass es eine Menge von Instanzen gibt, die sich gegenseitig um Zuständigkeiten prügeln, und dass überall in diesem Universum Konfliktherde brodeln. Die eigentliche Hauptfigur des Romans, Carl Marsalis, bekommt diese Konflikte sehr deutlich zu spüren, ist er doch ein Spielball der politischen Mächte, der irgendwann fallengelassen wird. Aber auch Sevgi Ertekin, die Polizistin, hat unter diesen Konflikten zu leiden, hat sogar ein schweres Trauma davongetragen, das sie im Laufe des Romans vor schwere Prüfungen stellen wird. Ähnlich ergeht es Scott Osborne, dem abtrünnigen Jesusländer, der sich plötzlich mit einer rachsüchtigen Reinkarnation von Jesus Christus konfrontiert sieht und seinen alten Glauben in sich erwachen spürt.

Die Wege dieser drei Parteien kreuzen sich natürlich, ist doch das, was sie verbindet, der Kern dieses Romans und das entscheidende Geheimnis, das es herauszufinden gilt. Schade nur, dass sich die komplexe Story viel zu oft in den Details verliert. Morgan hatte schon immer eine Vorliebe für ausgefeilte Arrangements, aber in „Skorpion“ überspannt er den Bogen deutlich. Natürlich werden Figuren lebendiger, je tiefer man sie zeichnet, je genauer man ihre Vergangenheit kennt, aber auch hier geht Morgan mit einer Detailversessenheit vor, die dem Leser viel Geduld abverlangt. Sevgi Ertekin etwa stammt aus der Türkei, ist Muslimin und hat viele Konflikte mit ihrem Vater ausgetragen. Der Glaube war einer der vielen Zankäpfel, und so erfährt der Leser, wie der muslimische Glaube in dieser Zukunft beschaffen ist, welche Hauptrichtungen es gibt, welche Randströmungen, sogar, wie die Hauptvertreter jener Splittergruppen heißen und gegebenenfalls wo, wann und wie sie in Erscheinung getreten sind.

Natürlich trägt das zur Tiefe des Universums bei, aber Morgan verliert dabei den eigentlichen Handlungsstrang aus den Augen – und der Leser gleich mit. Irgendwann verliert man den Überblick und muss sich den roten Faden in dem Dauerbeschuss aus Fakten selbst herausarbeiten. Es gibt Nebenhandlungen, in diesen Nebenhandlungen gibt es nochmals Nebenhandlungen, und auch wenn manches davon für die Auflösung des Romans wichtig ist, muss der Leser immer mehr Informationsballast schleppen, der die 827 Seiten zu einer echten Durststrecke werden lässt.

Trotzdem schreibt Morgan noch so drastisch wie eh und je; er lässt Blut spritzen, Knochen brechen, Schädel zerplatzen und beschränkt sich in der Darstellung sexueller Zweisamkeit nicht auf verklemmte Betbuben-Metaphorik. Auch hat er sein Händchen für Bildsprache nicht verloren und scheint sich originelle Metaphern geradezu aus dem Ärmel zu schütteln.

Dennoch kommt „Skorpion“ nicht in Fahrt. Die Story, die Figuren und das Universum sind einfach so mit Fakten angefüllt, dass die Story kaum vorankommt. „Skorpion“ ist komplex, aber auch anstrengend, anspruchsvoll, aber auch träge. Das wäre alles zu verkraften, wenn die tatsächliche Handlung etwas hermachen würde, aber stattdessen verkommt der anfangs so spannende Kriminalfall um den Raumschiffkannibalen zu einer oft ermüdenden Reise in die Vergangenheit der Figuren; die anfängliche Faktentiefe entpuppt sich zu einer Wüste voller staubtrockener Informationen, aber ohne Spannung. Dieser Info-Overkill geht so weit, dass die Auflösung des Romans einen Bremsweg von über zweihundert Seiten hinlegt, und wenn dann endlich alle Fäden entwirrt vor einem liegen, brummt einem erst mal ordentlich der Schädel und man ist froh, dass man das Buch zuschlagen kann.

Nein, leider kann ich keine Empfehlung für „Skorpion“ aussprechen, zu zerfasert ist die Story und zu ermüdend die Odyssee bis zur letzten Seite. Gesellschaftskritisch gibt es nichts Neues zu bestaunen, und auch sonst bietet „Skorpion“ nur wenige Lichtblicke, die dem Science-Fiction-Fan ein Glänzen in die Augen zaubern. Nun gut, aber auch ein Richard Morgan darf sich ein paar schwächere Momente gönnen, und so müssen wir Fans einfach darauf warten, dass er wieder zu seiner alten Stärke zurückkehrt.

|Originaltitel: Black Man
Übersetzt von Alfons Winkelmann
Taschenbuch, 832 Seiten|
http://www.heyne.de
http://www.RichardKMorgan.com

_Richard Morgan auf |Buchwurm.info|:_
[„Das Unsterblichkeitsprogramm“ 464
[„Gefallene Engel“ 1509
[„Heiliger Zorn“ 2127
[„Profit“ 1661

Burkhardt, Günther – On Top

Auch wenn der Trend im Spielsegment seit einiger Zeit zur Materialschlacht geht, so sind klassische Legespiele mit Strategieanteil spätestens seit „Einfach genial“ wieder sehr gefragt. Günther Burkhardt hat diese Entwicklung für seine neue Spielidee „On Top“ aufgegriffen und ein Spiel entworfen, das ganz in der Tradition der simpel gestrickten Taktikspiele aus dem Hause |Kosmos| steht und dort nun auch ein passendes Zuhause gefunden hat. Doch erfüllt die Frühjahrsneuheit auch die berechtigt hohen Erwartungen?

_Spielidee_

In „On Top“ legen zwei bis vier Spieler reihum rautenförmige Spielplättchen aneinander und versuchen dabei, die an den Ecken der Plättchen befindlichen Teilkreise so anzulegen, dass sie bei der Entstehung eines fertigen Kreises mit ihrer Farbe am besten vertreten sind. In diesem Fall nämlich kassiert man Punkte in der Anzahl, in der andere Farben am jeweiligen Kreis vertreten sind. Allerdings wird auch derjenige, der bei der Wertung eines Kreises an zweiter Position landet, noch belohnt, da er ebenso wie der Gewinner eines seiner Hütchen auf den Kreis positionieren darf – und für jedes Hütchen, das man zum Ende des Spiels noch besitzt, muss man wieder einen Punkt zurückzahlen. So taktiert und legt man fortlaufend, bis alle Flächen auf dem Spielplan belegt sind. Wer nun die meisten Siegpunkte gesammelt hat, hat das Spiel gewonnen.

_Spielmaterial_

• 1 Spielplan
• 84 Spielsteine in 4 Farben
• 10 Dreiecke
• 34 rautenförmige Legeteile
• 1 Spielregel

Rein optisch ist „On Top“ alles andere als ansprechend; der Spielplan erinnert an eine Spielshow aus den Achtzigern, die Legeteile wiederum sind ebenfalls keine Hingucker, sondern eher als zweckdienlich zu verstehen. Allerdings ist bei der Suchtgefahr solcher Spiele auch der Verschleiß zu bedenken, und der ist bei der Stabilität der Hartplastikelemente sicherlich gering. Insofern: Auch wenn besonders das Spielfeld etwas mehr Schwung gut vertragen hätte, so ist die Wahl der Materialien in dieser Form sicher nicht verkehrt.

_Spielaufbau_

Der Spielplan wird in die Mitte des Tisches gelegt und die beiden roten Flächen darauf mit Driecksplättchen bedeckt. Nun erhält jeder Spieler die Spielsteine in seiner Farbe und setzt einen davon auf die Wertungsleiste. Sollte man nicht zu viert spielen, werden die übrigen Farben trotzdem bereitgelegt und als neutrale Steine in der Wertung der Kreise verwendet. Als Letztes werden die rautenförmigen Legeteile verdeckt ausgelegt. Nun kann das Spiel beginnen.

_Spielablauf_

Der jüngste Spieler zieht zu Beginn des Spiels ein neues Legeteil und setzt es an eines der bereits ausliegenden Dreiecke an. Wichtig ist auch im weiteren Verlauf, dass man immer anlegt und sein Legeteil nicht auf eine beliebige, freie Fläche legt. Im Uhrzeigersinn nimmt nun jeder Spieler ein neues Legeteil und besetzt damit ein neues Feld. Sollte dabei ein Kreis geschlossen werden, indem die Ecken der Legeteile einen solchen ergeben, kommt es zu einer ersten Wertung. Der Spieler, dessen Farbanteile am häufigsten vertreten sind, legt nun einen seiner Spielsteine an die Spitze des Turmes, den man auf den Kreis stellt. Der zweitstärkste Spieler setzt seinen Stein direkt darunter. Sollten mehrere Farben die größte Häufigkeit aufweisen, bleibt der Kreis leer. Bei mehreren Zweitplatzierten wiederum werden auch mehrere Steine unter das Hütchen, das sich ‚On Top‘ befindet, gesetzt, was für den Spieler aber auch mehr Punkte bedeutet. Anschließend wird der Turm nämlich anhand seiner Elemente gewertet. Für jeden enthaltenen Spielstein (also auch den eigenen) gibt es einen Punkt.

Am oberen Rand des Spielfeldes gibt es nun auch eine Randleiste, die einen lukrativen Bonus bietet. Wer hier einen Kreis (und sei es nur ein halber) fertigstellt, bekommt die doppelte Punktzahl. Aber da hier keine kompletten Kreise gebildet werden, ist es ungleich schwerer, auch sofort zu punkten.

Das Spiel wird nun so lange gespielt, bis entweder alle Felder belegt sind (einzelne Lücken werden dabei mit Dreiecken gefüllt) oder ein Spieler vorzeitig alle Spielsteine auslegen konnte. Alle übrigen Spielsteine werden in der Schlusswertung nun auch berücksichtigt und vom Gesamtpunktestand subtrahiert. Der Spieler, der nun auf der Wertungsleiste die Nase vorn hat, hat das Spiel gewonnen.

_Persönlicher Eindruck_

„On Top“ verfolgt definitiv ein interessantes Spielprinzip und sollte vor allem Strategen ansprechen, hat aber insgesamt nicht ganz das Suchtpotenzial von Spielen wie „Einfach genial“, an dem sich Burkhardt mit seinem neuen Titel einfach messen lassen muss. Man gerät in manchen Situationen einfach zu stark ins Hintertreffen und kann seine Geschicke situationsabhängig nur minimal beeinflussen, da man stellenweise einfach zu stark vom Verhalten der Gegner abhängig ist. Darüber hinaus ist das Spiel häufig schon durch das Ziehen eines neuen Plättchens vorgezeichnet, weil es oft nur eine zwingende Möglichkeit gibt, wo man es nun anlegen sollte. Auch hier entsteht eine leichte Diskrepanz, da man nie ein besonders hohes Risiko eingehen muss, um seinen Zug durchzusetzen, was den Spielreiz aber leider auch ein wenig mindert.

Insgesamt nimmt „On Top“ einfach nicht so recht Fahrt auf, auch wenn die Systematik wirklich gut ist. Allerdings sind die Prioritäten nicht ganz so vorteilhaft verteilt, da die Einflussmöglichkeiten einfach zu schmal bleiben. Fans klassischer Legespiele sind zwar dennoch gut bedient, aber ganz so hohe Ansprüche wie an besagten Titel von Dr. Kinzia sollte man an „On Top“ jetzt nicht stellen.

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Rankin, Ian – Eindeutig Mord. Zwölf Fälle für John Rebus

Zwölf Kurzgeschichten erzählen von ‚klassischen‘ Verbrechen im schottischen Edinburgh und ihrer Aufklärung durch den exzentrischen, aber fähigen Inspector Rebus:

– Playback („Playback“), S. 9-36: Inspector Rebus hasst die moderne Technik, aber der raffinierte Anrufbeantworter eines Mordverdächtigen fasziniert ihn – mit unerwarteten Folgen …

– Der Fluch des Hauses Dean („The Dean Curse“), S. 37-70: Ein Pechvogel von Dieb stiehlt ausgerechnet ein Auto, in dem eine Bombe installiert wurde; John Rebus ist das des Zufalls zu viel …

– Frank und frei („Being Frank“), S. 71-88: Landstreicher Frank belauscht zwei aus seiner Sicht gefährliche Verschwörer; Inspector Rebus weiß zum Pech für ein diebisches Duo Franks wirre Rede zu deuten …

– Eine Leiche im Keller („Concrete Evidence“), S. 89-116: Die Spur ist längst eiskalt in diesem uralten Mordfall, doch John Rebus macht das mit Einfallsreichtum und Dreistigkeit wett …

– Ansichtssachen („Seeing Things“), S. 117- 144: Die Erscheinung des leibhaftigen Jesus Christus entpuppt sich als Fehlinterpretation im Rahmen eines sehr profanen Verbrechens …

– Gut gehängt („A Good Hanging“), S. 145-178: Als genialischer Mörder sollte man vorsichtig sein, wenn man sich mit Inspector Rebus anlegt …

– Von Meisen und Menschen („Tit for Tat“), S. 179-202: Beobachtet er seltene Vögel oder hübsche Frauen? John Rebus stellt einen Hobbyfotografen auf die Probe …

– Not Provan („Not Provan“), S. 203-224: Kann ein Täter zur selben Zeit an zwei unterschiedlichen Orten sein? Inspector Rebus erklärt, wie’s geht …

– Sonntag („Sunday“), S. 225-240: Ein scheinbar ganz normales Wochenende spiegelt für John Rebus eine schreckliche Erfahrung wider …

– Auld Lang Syne („Auld Lang Syne“), S. 241-258: Im Neujahrstrubel auf Edinburghs Straßen entdeckt Inspector Rebus einen Gewaltverbrecher, den er sicher im Gefängnis wähnte …

– The Gentlemen’s Club („The Gentleman’s Club“), S. 259-282: Hinter den Fassaden zweier vornehmer Familien fördert Rebus das nackte Grauen zutage …

– Monströse Trompete („Monstrous Trumpet“), S. 283-318: 15 aufgebrachte Frauen sitzen Rebus im Nacken, der ein gestohlenes Kunstwerk wiederbeschaffen soll …

_Gegeizt wird mit Worten, aber nicht mit Spannung_

Die John-Rebus-Romane des Ian Rankin zeichnen sich (mit Ausnahme des ersten Bandes, der allerdings eine Sonderstellung einnimmt) nicht nur durch ihren enormen Unterhaltungswert, sondern auch durch ihre mit den Jahren stetig zunehmende Seitenstärke aus. Als Leser hat man sich daran gewöhnt und glaubt inzwischen sogar an ein Muss dieser Breite, ist doch die kriminelle, kriminalistische und private Welt des John Rebus so komplex geworden, dass sie selbst episodenhaft unter 500 Seiten nur ansatzweise zu würdigen ist.

„Playback“, die erste Story dieser Sammlung, schürt denn auch die Befürchtung, dass die kurze Form nicht die richtige für Rebus ist. Der Plot ist simpel: ein „Whodunit?“, wie es kaum rebustypisch genannt werden kann und zudem hölzern erzählt wird. Schon Anfang der 1990er Jahre dürfte die Auflösung wenig überzeugend gewirkt haben. Mit unfehlbarer Sicherheit fischt Rebus – zu diesem Zeitpunkt noch Inspector – das entscheidende Indiz aus einem Mülleimer. Offenbar hat ihn der Blitz der Erkenntnis getroffen, denn keine ‚logische‘ Erklärung kann seinen Fund nachvollziehbar machen.

Aber bereits mit „Der Fluch des Hauses Dean“ hat Rankin die Kurzgeschichte in den Griff bekommen. Das geschilderte Verbrechen ist ebenfalls ziemlich abgehoben, aber das geht in einem Feuerwerk boshaft-präziser Milieustudien, Reminiszenzen an Edinburghs oft bizarre Vergangenheit, tragikomischer Tücken des Objekts und knochentrockener bis schwarzhumoriger Scherze unter, wie wir sie kennen und lieben. Das Privatleben seines ‚Helden‘ ist für Ian Rankin ebenso integrales Element des modernen Kriminalromans wie für die meisten seiner Schriftstellerkollegen (vor allem diejenigen weiblichen Geschlechts), doch er meidet geschickt die seifenoperlichen Pseudo-Dramen, mit denen diese viel zu oft die Handlung aufblähen.

_Die vielen Fassetten des John R._

Rebus ist ein vielschichtiger Charakter. Rankin nutzt die Kurzgeschichte, um diverse Aspekte seines Wesen herauszuarbeiten. Die Story unterstützt die Möglichkeit der konzentrierten Darstellung. Beeindruckend ist Rankins Kunst, diese Figurenzeichnung jeweils in eine spannende Krimihandlung einzubetten. Die ist selten klassisch und beschränkt sich nicht auf die übliche Entlarvung alibifester Verdächtiger. „Frank und frei“ ist ein schönes Beispiel für Rankins Spiel mit dem Genre. Im Mittelpunkt steht ein Außenseiter, dessen Leben Rankin anschaulich beschreibt, bevor Rebus eher zufällig die Szene betritt, woraufhin das Geschehen einen Verlauf nimmt, der so grotesk ist, wie das Leben manchmal tatsächlich spielt.

Gelungen balanciert Rankin auch mit „Ansichtssachen“ auf dem schmalen Grat zwischen Komik und Ernst. Er kennt ’seine‘ Schotten, deren Eigenarten er buchstäblich Gestalt annehmen lässt. Schließlich gehört er selbst zu ihnen – eine Erkenntnis, die zu den eher düsteren Seiten des John Rebus überleitet, denn schnell kann die Stimmung umschlagen. Der Rebus aus „Eindeutig Mord“ ist dem ehemaligen Elite-Soldaten, der einen psychischen Zusammenbruch erlitt, noch sehr nahe; er ist labil und sehr von Stimmungen abhängig, was er gern vor sich selbst verbirgt. Gleichzeitig drastisch und einfühlsam beschreibt Rankin dies in „Sonntag“, als er dem Leser nur Stück für Stück ein furchtbares Erlebnis enthüllt, über das sich nachzudenken Rebus einfach weigert. Selbstverständlich funktioniert diese Verdrängung nicht; der Schrecken holt Rebus und mit ihm den Leser letztlich doch ein.

„Not Provan“ zeigt einen Rebus, der dem Gesetz nicht nur auf unkonventionelle Weise zu seinem Recht verhilft, indem er gesellschaftliche Regeln und Privilegien ignoriert bzw. durch seine ausgeprägte kriminalistische Findigkeit ersetzt. Dieses Mal bricht Rebus das Gesetz, um einen Verbrecher, dessen Taten er sehr persönlich nimmt, ins Gefängnis zu bringen. In „The Gentleman’s Club“ kann er den Schuldigen dagegen nicht der Gerechtigkeit ausliefern, was ihn, der unter der Schutzschicht des Zynikers sorgfältig sein idealistisches Wesen verbirgt, zutiefst verbittert.

Was macht John Rebus zu dem fähigen Polizisten, der er bei aller Exzentrik ist? Intelligenz, Erfahrung, dazu eine ausgeprägte Kenntnis Edinburghs und seiner Bewohner – das sind vier Schlüssel zum Erfolg. Da ist aber mehr, eine diffuse, schwer fassbare Intuition, über die sich Rankin Detective Constable Holmes, die heimliche zweite Hauptfigur dieser Sammlung, ausgiebig den Kopf zerbrechen lässt. Holmes – der Name ist Ironie, denn tatsächlich übernimmt diese Figur die Rolle des Watson – beobachtet seinen Chef bei der Arbeit und kommt selbstkritisch zu dem Schluss, dass ihm das Fünkchen vielleicht sogar irrer Genialität abgeht, das Rebus auszeichnet.

_Das Schicksal ist Schotte_

Dabei weiß Rebus um die Unwägbarkeiten eines Schicksals, das ihm immer wieder Streiche spielt. In „Auld Lang Syne“ nimmt eine Drogenrazzia einen völlig unerwarteten Verlauf, der aus einem anderen Blickwinkel betrachtet freilich völlig zielgerichtet wirkt; in „Ansichtssachen“ verwandelt sich eine religiöse Epiphanie in einen ganz und gar weltlichen Gangsterkrieg; in „Von Meisen und Menschen“ erweist sich das scheinbare Opfer heimtückischer Selbstjustiz als Täter: Nur selten sind die Dinge, wie sie zu sein scheinen. Was Holmes nicht begreifen kann, ist die daraus resultierende Lehre, die Rebus verinnerlicht hat – meide Konventionen und bleibe offen für Überraschungen, die garantiert eintreffen werden.

Auf dass diese Lektion nicht skandinavisch depressiv ausklingt, illustriert Rankin sie mit „Monströse Trompete“, einem kleinen Kabinettstück ausgefeilter Krimi-Komik. Ohne Rücksicht auf politische Korrektheit schildert er die einerseits kriminellen Umtriebe einer Gruppe von Frauen, die andererseits ausgesprochen ‚weibliche‘ und unter diesem Gesichtspunkt logische Beweggründe für ihr Tun vorbringen können. Holmes wendet an, was er auf der Polizeischule gelernt hat, und scheitert, während Rebus leichtfüßig über seinen Schatten springt und Deduktion mit Intuition ergänzt. Plötzlich wirkt ein völlig konfuses Geschehen absolut überzeugend. Der frustrierte Holmes akzeptiert die Tatsache, dass sein Vorgesetzter eine ganz besondere Sorte Mensch und Polizist ist, und ist gespannt auf die weitere Zusammenarbeit – eine Empfindung, die die Leser dieser zwölf Geschichten gern mit ihm teilen.

_Der Autor_

Ian Rankin wurde 1960 in Cardenden, einer Arbeitersiedlung im Kohlerevier der schottischen Lowlands, geboren. In Edinburgh studierte er ab 1983 Englisch, zunächst mit dem Schwerpunkt Amerikanische, später Schottische Literatur. Schon früh begann er zu schreiben. Zunächst hoffnungsvoller Poet, wechselte er als Student zur Prosa. Nach zahlreichen Kurzgeschichten versuchte er sich an einem Roman, fand aber keinen Verleger. Erst der Bildungsroman „The Flood“ erschien 1986 in einem studentischen Kleinverlag.

Nachdem sein Stipendium ausgelaufen war, verließ Rankin 1986 die Universität und ging nach London, wo er u. a. als Redakteur für ein Musik-Magazin arbeitete. Nebenher veröffentlicht er den Kolportage-Thriller „Westwind“ (1988) sowie den Spionageroman „Watchman“ (1990). Unter dem Pseudonym „Jack Harvey“ verfasste Rankin in rascher Folge drei Action-Thriller.

1991 griff er eine Figur auf, die er vier Jahre zuvor im Thriller „Knots & Crosses“ (1987; dt. „Verborgene Muster“) zum ersten Mal hatte auftreten lassen: Detective Sergeant (später Inspector) John Rebus. „Knots & Crosses“ war 1987 weniger als Kriminalroman, sondern eher als intellektueller Spaß im Stil Umberto Ecos gedacht, den sich der literaturkundige Autor mit seinem Publikum machen wollte. Schon die Wahl des Namens, den Rankin seinem Helden gab, verrät das Spielerische: Um Bilderrätsel – Rebusse – dreht sich die Handlung.

Mit John Rebus gelang Rankin eine Figur, die im Gedächtnis seiner Leser haftete. Als man ihn immer wieder auf das weitere Schicksal des Sergeanten ansprach, wurde er sich dessen Potenzials bewusst. Die Rebus-Romane ab „Hide & Seek“ (1991; dt. „Das zweite Zeichen“) spiegeln das moderne Leben (in) der schottischen Hauptstadt Edinburgh wider. Rankin spürt den dunklen Seiten nach, die den Bürgern, vor allem aber den (zahlenden) Touristen von der traulich versippten Führungsspitze aus Politik, Wirtschaft, Medien und Kirche gern vorenthalten werden. Daneben lotet Rankin die Abgründe der menschlichen Psyche aus. Simple Schurken, deren möglichst malerisches, weil ‚gerechtes‘ Ende bejubelt werden kann, gibt es bei ihm nicht.

Ian Rankins Rebus-Romane kamen nach 1990 in Großbritannien, aber auch in den USA stets auf die Bestsellerlisten. Die renommierte „Crime Writers‘ Association of Great Britain“ zeichnete ihn zweimal mit dem „Short Story Dagger“ (1994 und 1996) sowie 1997 mit dem „Macallan Gold Dagger Award“ aus. 1992 ehrte man ihn in den USA mit dem „Chandler-Fulbright Award“ als „Nachwuchsautoren des Jahres“. Rankin gewann im Jahre 2000 weiter an Popularität, als die britische BBC begann, die Rebus-Romane zu verfilmen.

Ian Rankins [Website]http://www.ianrankin.net ist höchst empfehlenswert; über die bloße Auflistung seiner Werke verwöhnt sie u. a. mit einem virtuellen Gang durch das Edinburgh des John Rebus.

Die John-Rebus-Romane erscheinen in Deutschland im |Wilhelm Goldmann Verlag| (Stand: Juni 2008):

01. [Verborgene Muster 956 (1987, „Knots & Crosses“) – TB-Nr. 44607
02. [Das zweite Zeichen 1442 (1991, „Hide & Seek“) – TB-Nr. 44608
03. [Wolfsmale 1943 (1992, „Wolfman“/“Tooth and Nail“) – TB-Nr. 44609
04. [Ehrensache 1894 (1992, „Strip Jack“) – TB-Nr. 45014
05. Verschlüsselte Wahrheit (1993, „The Black Book“) – TB Nr. 45015
06. Blutschuld (1994, „Mortal Causes“) – TB Nr. 45016
07. [Ein eisiger Tod 575 (1995, „Let it Bleed“) – TB Nr. 45428
08. [Das Souvenir des Mörders 1526 (1997, „Black & Blue“) – TB Nr. 44604
09. [Die Sünden der Väter 2234 (1998, „The Hanging Garden“) – TB Nr. 45429
10. Die Seelen der Toten (1999, „Dead Souls“) – TB Nr. 44610
11. Der kalte Hauch der Nacht (2000, „Set in Darkness“) – TB Nr. 45387
12. [Puppenspiel 2153 (2001, „The Falls“) – TB Nr. 45636
13. [Die Tore der Finsternis 1450 (2002, „Resurrection Man“) – TB Nr. 45833
14. Die Kinder des Todes (2003, „A Question of Blood“) – TB Nr. 46314
15. [So soll er sterben 1919 (2004, „Fleshmarket Close“) – TB Nr. 46440
16. [Im Namen der Toten 4583 (2006, „The Naming of the Dead“)
17. „Exit Music“ (2007, noch kein dt. Titel)

Darüber hinaus gibt es zwei Sammlungen mit Rebus-Kurzgeschichten: diese sowie „Beggars Banquet“. Hinzu kommt „Rebus’s Scotland“, ein Fotoband mit Texten von Rankin, der hier jene Orte aufsucht, die ihn zu seinen Romanen inspirierten. Wer es versuchen möchte, kann auch seine Englisch-Kenntnisse mit Hilfe der Rebus-Krimis aufpolieren: „Just Ask Inspector Rebus“ sowie „Three New Cases for Inspector Rebus“ erschienen 2007 in der Reihe der Berlitz-Sprachführer.

|Originaltitel: A Good Hanging
Aus dem Englischen von Giovanni & Ditte Bandini
317 Seiten
ISBN-13: 978-3-442-45604-8|
http://www.goldmann-verlag.de

Kalla, Daniel – Rage – Die Therapie

Bislang war Daniel Kalla bekannt für seine rasanten Bioterrorismus-Thriller „Pandemie“ und „Immun“, doch nun widmet er sich einem ganz neuem Thema, nämlich der Psychotherapie. Nachdem die beiden Bestsellerautoren Sebastian Fitzek und John Katzenbach damit überaus erfolgreich waren, erscheint dies fast logisch, doch ob Kalla an die Erfolge anderer Thrillerautoren anknüpfen kann, wollen wir uns erst einmal genauer ansehen …

_Reif für die Therapie_

Dr. Joel Ashman hat früher als Psychiater praktiziert, doch seit einiger Zeit arbeitet er als Profiler für die Polizei. Als sein ehemaliger Kollege und Partner Dr. Stanley Kolberg brutal ermordet aufgefunden wird, ist es Ashman, der an den Tatort gerufen wird, um dort die Spuren zu deuten und ein Täterprofil zu entwerfen. Getötet wurde Kolberg durch eine Kugel, die seinen Hals gestreift und dabei die Halsschlagader aufgerissen hat. Nur wenige Sekunden blieben Kolberg danach noch, doch posthum wurden ihm schlimmste Verletzungen zugefügt. Der Täter muss Kolberg gehasst haben. Und da der Psychiater sich auf Aggressionstherapie spezialisiert hatte, fällt der Verdacht gleich auf einen seiner Patienten. Doch wer kommt für diese schreckliche Tat in Frage? Neben Ashman versuchen die beiden ermittelnden Beamten – Ethan Devonshire, der von allen Dev genannt wird, und Claire Shepherd -, genau das herauszufinden.

Die Polizisten versuchen, an Kolbergs Patientenakten heranzukommen, doch das erweist sich schwieriger als gedacht. Nach und nach kristallisieren sich allerdings einige ehemalige Patienten heraus, die ein Motiv gehabt hätten, Kolberg umzubringen. Auch Kolbergs Partner Calvin Nichol verhält sich höchst verdächtig. Eines Abends taucht er bei Ashman auf und will ihn warnen, seine Nase nicht in höchst gefährliche Angelegenheiten zu stecken. Kurz darauf entkommt Ashman nur knapp einem Anschlag auf sein Leben. Was weiß er, das er nicht hätte wissen dürfen? Ashman tappt im Dunkeln und muss um sein Leben fürchten.

Nach und nach treten immer mehr Verdächtige auf den Plan. Ashman erinnert sich an den Fall Angela Connor, eine ehemalige Patientin von ihm, die nach einem Selbstmordversuch bei ihm in Behandlung war. Schlussendlich hat sie sich von einer Brücke gestürzt, und es ist offensichtlich, dass Ashman sich nach wie vor die Schuld an ihrem Tod gibt. Was aber hat der alte Fall Connor mit Kolbergs Tod zu tun? Gibt es hier eine Verbindung?

_Wer ist hier eigentlich krank?_

Daniel Kalla verliert in „Rage“ keine Zeit: Gleich zu Beginn betreten wir den grausigen Tatort, an dem Kolberg literweise Blut verloren hat. Wir lernen die Protagonisten kennen und erfahren, dass Kolberg und Ashman einst Partner gewesen sind. Umso schlimmer trifft es Ashman, seinen väterlichen Freund so aufzufinden. Aus den dürftigen Hinweisen versucht er, ein Täterprofil zu erstellen. Die Polizei befragt immer neue verdächtige Patienten, deren Namen sich kaum einprägen, weil es so viele sind. Alle haben ein Motiv, doch die meisten auch ein Alibi.

Gleichzeitig denkt Ashman immer häufiger an Angela Connor, die ihm einst in monatelanger Therapie ihr Herz geöffnet hat. In zahlreichen Rückblenden erfahren wir, was Ashman mit Angela Connor erlebt hat. Der Psychiater erinnert sich an sein erstes Zusammentreffen mit ihr, als sie versucht hatte, sich das Leben zu nehmen. Schnell erzählt sie ihm vom Missbrauch in ihrer Kindheit, doch lange braucht es, bis sie ihm anvertraut, was sie in der Therapie bei Kolberg erlebt hat. Nur Andeutungen sind es, die sie zunächst fallen lässt, doch Ashman kann kaum glauben, was er von ihr erfährt. Die Polizei ahnt nichts von Ashmans Gedanken und sie weiß auch nichts vom Fall Angela Connor. Als sie aber herausfindet, dass es Beschwerden beim Gesundheitsamt über Stanley Kolberg gegeben hat, fällt auch Angelas Name, und ihr Bruder rückt plötzlich ins Zentrum der polizeilichen Ermittlungen.

Um Angela Connor drehen sich viele Passagen des Buches, und hier baut Kalla immer mehr Spannung auf, da man einfach wissen will, wie Angela ums Leben gekommen ist und was sie bei Kolberg erlebt hat. Der hatte nämlich einige Leichen im Keller, wie die Autopsie schließlich ans Tageslicht gebracht hat: Sein Leichnam weist zahlreiche Spuren auf, die auf regelmäßige SM-Aktivitäten hindeuten. Nach und nach erfahren wir, was Kolberg in seinem Leben getrieben hat und bleiben sprachlos zurück. Nur leider geht Kalla meiner Meinung nach einen Schritt zu weit: Die Geschichte, die er hier zeichnet, baut sich zunächst schlüssig auf, doch ab einem gewissen Punkt erscheint sie mir zu unglaubwürdig. Schade, denn bis zu diesem Zeitpunkt war der Spannungsbogen durchaus gelungen.

Recht früh wird darüber hinaus klar, was hier gespielt wurde, und die einzige Frage, die noch zu klären ist, ist die nach dem Mörder Kolbergs. Aber auch hier gibt uns Kalla genügend Hinweise, um frühzeitig den wahren Täter zu entlarven. Überraschungen gibt es daher gen Ende keine mehr, sodass das große Finale etwas verpufft – schade eigentlich.

_Therapie erfolgreich?_

Während das Buch am Ende vor sich hinplätschert, tragen leider die Charaktere die Handlung nicht weiter. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Joel Ashman, der den ermordeten Kolberg sehr gut kennt, da er jahrelang sein Partner gewesen ist und da Kolberg ihm ins Leben zurück geholfen hat, nachdem Kolbergs Frau tragisch ums Leben gekommen war. Erst später erzählt uns Kalla, was Ashmans Frau passiert ist und was dieser bereits in seiner Kindheit und Jugend erlebt hat. Das ist dann auch der Punkt, an dem Kalla ins Absurde abdriftet. Ashmans Vergangenheit ist zu tragisch, zu übertrieben, seine Lebensgeschichte zu tränenreich, als dass sie authentisch wirken könnte. In seinem Leben ist praktisch alles schiefgegangen, was nur schiefgehen kann, doch natürlich stellt Kalla seinem tragischen Helden eine Frau an die Seite, die ihn wieder aufrichten soll. Und das ist Claire Shepherd, die ebenfalls gezeichnet ist, da ihr Mann ihr übel mitgespielt hat. So nähern die beiden sich nur zaghaft an, die gebrannten Kinder scheuen das Feuer und können doch irgendwann nicht voneinander lassen. Somit bekommt der Leser dann auch noch die unausweichliche Liebesgeschichte zu lesen, bei der Kalla sich nicht einmal zu schade ist, auch noch einen Hund einzubauen, der eigentlich Ashmans Frau hinterhergetrauert hat, sich aber nun ebenfalls auf den ersten Blick in die neue Frau in Ashmans Leben verliebt. Kitschiger geht es kaum.

Was Kalla hier aus seinem Nähkästchen zaubert, hat schon Rosamunde-Pilcher-Qualitäten, die ich wahrlich in keinem Thriller zu lesen bekommen möchte. Diese Rahmengeschichte trieft vor Kitsch und steht damit in krassem Gegensatz zum brutalen Mord, den es aufzuklären gilt. Für meinen Geschmack bedient sich Daniel Kalla in vielerlei Hinsicht zu vieler Klischees, die auch schließlich das Fass zum Überlaufen bringen.

_Therapie nicht gelungen, Psychiater tot_

Unter dem Strich bleibt doch Enttäuschung zurück. Während die Geschichte durchaus Potenzial hat und die Erzählung um Angela Connor vielversprechend beginnt, schafft Kalla schlussendlich nicht die Gratwanderung zwischen einer packenden, aber auch glaubwürdigen Story. Seine Figuren gleichen Schablonen aus einem Kitschroman, die uns nicht einmal sonderlich sympathisch werden. Der Spannungsbogen beginnt gut, flacht dann allerdings angesichts der vielen Schnitzer deutlich ab, sodass das Buch gen Ende nur noch vor sich hinplätschert. Die Idee war gut und auch der flüssige Schreibstil gefällt, doch am Ende bleibt das Buch doch nur im Mittelmaß stecken.

http://www.heyne.de

_Daniel Kalla auf |Buchwurm.info|:_
[„Pandemie“ 2192
[„Immun“ 3761

Duve, Karen – Taxi

Manch einer mag noch immer das Vorurteil hegen, dass es nicht gutgehen kann, wenn eine Frau am Steuer sitzt. Die Protagonistin von Karen Duves neuestem Roman „Taxi“ dürfte sich noch des Öfteren mit diesem Vorurteil konfrontiert gesehen haben. Schließlich spielt „Taxi“ mitten in den Achtzigerjahren. Taxifahren war hier noch stärker eine Männerdomäne als heute, auch wenn die Anzeige, auf die Protagonistin Alex sich bewirbt, ausdrücklich auch an Frauen gerichtet ist – allerdings wohl mehr aus der Verzweifelung heraus, dass man so gut wie jeden einstellen würde …

Für Alex beginnt mit dieser Anzeige eine Ära als Taxifahrerin auf den Straßen Hamburgs. Das bedeutet für Alex Herwig gleichzeitig den lang ersehnten Aufbruch zu neuen Ufern. Hockte sie vorher noch mit ihrem Bruder zusammen in der unbeheizten Gartenlaube ihrer Eltern, als schwarzes Schaf in einer spießigen, langweiligen Familie, scheint ihre ziellose Jugend beendet, deren bisheriger Tiefpunkt wohl die abgebrochene Ausbildung im Versicherungswesen darstellte. Nun startet sie in die Freiheit – zumindest glaubt sie das.

Nachdem sie wochenlang Straßennamen gebüffelt hat, hält Alex, nicht zuletzt dank eines gnädigen Prüfers, endlich den Taxischein in Händen. Vom ersten selbstverdienten Geld folgt schon bald die eigene Wohnung, doch vom Leben hat sie eigentlich nicht sonderlich viel. Nacht für Nacht ist sie auf den Straßen Hamburgs unterwegs, verschläft dadurch die Tage und fängt, ohne es eigentlich zu wollen, eine Beziehung mit Taxi-Kollege Dietrich an.

Bei den übrigen Kollegen hat sie keinen leichten Stand: verklemmte Frauenhasser, Scheinstudenten, Möchtegernschriftsteller und Halbintellektuelle – das ist grob betrachtet das Umfeld, mit dem Alex irgendwie tagein, tagaus klarkommen muss. Dietrich ist da auch nicht immer hilfreich, hat sie doch den größten Zwist stets mit Dietrichs bestem Freund Rüdiger, der ein pseudointellektueller Frauenhasser ist. Doch Alex hinterfragt all das nicht, ist Nacht für Nacht viel zu sehr damit beschäftigt, ihre Fahrgäste zu hassen, als dass sie etwas an ihrem Leben ändern würde.

Und so wird es eine sehr lange und beschwerliche Reise, die Alex aufnehmen muss, um irgendwann sich selbst zu finden. Ihr Weg ist gepflastert mit unheilvollen Männerbekanntschaften, kleinwüchsigen Psychologiestudenten und haarsträubenden und bizarren Erlebnissen auf den nächtlichen Taxitouren.

Nachdem [„Die entführte Prinzessin“ 1085 eine faszinierende, wenngleich auch sehr ungewöhnliche Leseerfahrung für einen Duve-Roman war, geht es mit „Taxi“ wieder mehr zurück zu den Wurzeln. Sogar ziemlich direkt zurück zu den Wurzeln, denn „Taxi“ hat stärkere autobiographische Züge als irgendein anderer Duve-Roman zuvor. Karen Duve ist selbst jahrelang in Hamburg Taxi gefahren. Ihre Protagonistin lässt sie mit genau jenem Taxi der Nummer „Zwodoppelvier“ fahren, in dem auch sie in den Achtzigern durch Hamburgs Straßen gekurvt ist.

Dennoch ist „Taxi“ alles andere als eine Autobiographie. Es mag Parallelen geben, und wie weit die genau reichen, vermag wohl nur die Autorin selbst zu sagen, dennoch ist der Roman ein fiktionales Werk. Alles in allem klingt das im ersten Moment noch sehr unspektakulär. Eine Frau, die Nacht für Nacht Taxi fährt und von ihren Erlebnissen mit ihren verkorksten Fahrgästen berichtet, um sich dann nach Feierabend ihrer noch viel verkorksteren Beziehung zu ihrem Freund Dietrich zu widmen – klingt bei bloßer Betrachtung des Inhalts wenig unterhaltsam.

Aber wir haben es hier schließlich mit Karen Duve zu tun. Wenn der Verlag im Klappentext schreibt |“Taxi fahren können viele – doch grandios darüber schreiben kann nur Karen Duve“|, dann ist das keinesfalls bloß Lobhudelei zum Zwecke der Verkaufsförderung. Es steckt ein wahrer Kern in diesem Satz, denn Karen Duve ist in der Tat das große Kunststück geglückt, einen wunderbar unterhaltsamen Roman über etwas so alltägliches wie das Taxifahren zu schreiben.

Und das liegt allem voran an Duves eingängigem Erzählstil. Es braucht nicht viel Handlung, um von Karen Duves Romanen gefangen genommen zu werden, egal, ob man sich wie im Fall des [„Regenromans“ 1954 in der ostdeutschen Einöde befindet oder ob man wie bei „Taxi“ mit der Protagonistin durch die einsamen, nächtlichen Straßen Hamburgs düst.

Karen Duve ist eben eine großartige Erzählerin und eine äußerst genaue Beobachterin, die auch die alltäglichsten Dinge herrlichen treffend und pointiert zu erzählen weiß. Dabei springt sie nicht immer sanft mit ihren Figuren um. Auch Alex hat einiges zu erdulden, bis sie nach so mancher qualvollen Erfahrung irgendwann doch auf dem Weg zu sich selbst ist. Aber das ist ein harter und schmerzvoller Prozess, den Karen Duve schonungslos ehrlich und unbarmherzig dokumentiert.

Das zu lesen und den Entwicklungsprozess der Protagonistin nachzuvollziehen, ist dank Karen Duves erzählerischer Raffinesse ein echtes Vergnügen. Man kann zwar einiges an Alex oft nicht so ganz nachvollziehen, denn warum nimmt sie ihr Leben denn nicht mal endlich in die Hand, anstatt sich weiter jeden Tag über die frauenfeindlichen Sprüche der Kollegen, ihre Beziehungskatastrophe mit Dietrich und die Unerträglichkeit ihrer Fahrgäste zu mokieren. Man möchte Alex am liebsten einmal kräftig in den Hintern und damit aus ihrem trägen Trott heraus treten. Aber Karen Duve lässt Alex durch einen harten Lernprozess langsam reifen – und das auf äußerst lesenswerte Art.

Bleibt unterm Strich ein sehr positiver Eindruck zurück. Karen Duve hat mit „Taxi“ einmal mehr ihr großartiges Talent unter Beweis gestellt, und manch einer mag erleichtert darüber sein, dass sie nach ihrem Ausflug in fantastische Gefilde nun wieder in gewohnt belletristisches Fahrwasser eingeschwenkt ist. „Taxi“ ist in jedem Fall eine Empfehlung wert; ein äußerst lesenswerter Roman, der sehr stark von der pointierten und wohlakzentuierten Erzählweise der Autorin lebt. Wer Karen Duve noch nicht kennt, der sollte das schleunigst nachholen, denn sonst läuft er Gefahr eine der aktuell besten deutschen Autorinnen zu verpassen …

http://www.eichborn-berlin.de

Grieser, Patrick / Merlau, Günter / Streberg, Gerry – Caine – Dunkler Prophet (Folge 7)

Folge 1: [„Das Amulett von Kyan’Kor“ 2050
Folge 2: [„Todesengel“ 2569
Folge 3: [„Collin Drake und die Bruderschaft“ 3532
Folge 4: [„Dunkelheit“ 3666
Folge 5: [„Rebellion“ 4619
Folge 6: [„Mordendyk“ 4645

Ein in der Wüste kampierendes Pärchen greift eine völlig verstörte, ausgezehrte Frau auf, die ihr Gedächtnis verloren hat. Es ist Linda Watkins, die den Angriff auf den Außenposten 31 überlebt hat. FBI-Agent und Aganoi-Handlanger Joel Grady besucht die Frau im Krankenhaus, um für seine Meister Informationen bezüglich Colin Drake und die Bruderschaft zu beschaffen. Und dazu ist ihm jedes Mittel recht.

Währenddessen sind Sergeant Kilkenny und Dhalarin mit Mordendyks Hilfe auf Kyan’Kor gelandet, wo sie Torkan aufsuchen, um ihn über die Verhältnisse auf dem Heimatplaneten der feindlichen Aganoi aufzuklären. Dort trifft Kilkenny auf den Auftragsmörder Steven Caine, der unter dem Einfluss Kartaans bizarre Visionen erleidet und zu einem unkalkulierbaren Risiko für alle Lebewesen geworden ist …

_Meine Meinung:_

Die Ereignisse um Steven Caine, den Träger des Penumbra, und der anstehenden Entscheidungsschlacht zwischen den Kyan’Kor und den Aganoi spitzen sich dramatisch zu. |Lausch| setzt auch in der siebten Folge auf coole, trockene Sprüche und einen harten Metal-Soundtrack, wie er derzeit auf dem Hörspielmarkt einzigartig ist. In dieser Folge gibt die Independent-Band |Mongofünf| ihr Debüt und präsentiert neben der Hintergrundmusik einen klangvollen Bonustrack. Leider überzeugt die Handlung nur bedingt und zeigt erste Ermüdungserscheinungen. Das beginnt bei den Dialogen, die mittlerweile bemüht cool klingen und sich häufig nur durch den exzessiven Gebrauch der Vokabel „Scheiße“ auszeichnen.

Die Sprecher an sich machen ihren Job wirklich ganz ausgezeichnet, allen voran Torsten Michaelis als Steven Caine, Claudia Urbschat-Mingues als Linda Watkins oder Martin Sabel als Joel Grady. Wobei auch Urbschat-Mingues einige Dialoge zu sprechen hat, die unangemessen erscheinen, beispielsweise, als sie mit einem Kollegen einen Serienmörder beschattet und vollkommen überzogen herumwitzelt. Leider ist auch die Leistung von Lutz Riedel wenig überzeugend, was aber eher am Skript liegen mag, denn Kartaan wurde äußerst gönnerhaft dargestellt, was den Hörer schnell nervt. Doch das Hörspiel ist bei weitem nicht so schlecht, wie das nun auf den ersten Blick erscheinen mag. Es werden sich trotz allem schlagfertige Wortgefechte geliefert sowie sehr interessante Theorien und Philosophien aufgestellt und erläutert.

Äußerlich präsentiert sich das siebte Caine-Hörspiel in einem grellen Orange, was aber gut zu den grauschwarzen Schatten und Silhouetten passt. Das neue Hörspiel-Brachiat von |Lausch| dürfte jedenfalls sofort ins Auge stechen.

_Fazit:_

„Dunkler Prophet“ ist die bislang schwächste |Caine|-Episode, was vor allem an deutlichen Ermüdungserscheinungen bei den Dialogen liegt. Durch Kraftausdrücke erzwungene Coolness macht noch kein gutes Hörspiel aus, auch wenn die Sprecher ihr Bestes geben.

|52 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 9783939600169|
http://www.stevencaine.de
http://www.merlausch.de

_Florian Hilleberg_

Gardner, Lisa – Schrei, wenn die Nacht kommt

Die amerikanische Autorin Lisa Gardner hat sich in letzter Zeit in Deutschland immer beliebter gemacht. Ihre Thriller zeichnen sich durch ein hohes Maß an Spannung und Pageturnerqualitäten aus. Während die ersten beiden von ihr im |Aufbau|-Verlag erschienenen Bücher auf die gleichen Hauptpersonen zurückgriffen, ist „Schrei, wenn die Nacht kommt“ komplett eigenständig. Neue Besetzung, neuer Fall – einzig die Spannung bleibt gleich.

Sergeant Detective Kincaid wird eines Nachts zu einem Tatort mitten in der Pampas von Oregon gerufen. Dort steht ein Auto mit laufendem Motor und angeschalteten Scheibenwischern mutterseelenallein am Straßenrand. Von der Fahrerin fehlt jede Spur. Was anfangs noch recht banal wirkt, wird schnell zu tödlichem Ernst. Als man ermittelt hat, dass das Auto Lorraine Conner gehört, und deren Ehemann Pierce Quincy, einen bekannten FBI-Profiler, verständigt hat, wird klar, dass dieses Verhalten überhaupt nicht zu Rainie, wie sie genannt wird, passt. Sie ist immer sehr vorsichtig, trägt normalerweise eine Waffe bei sich und würde sicherlich nicht mitten in der Nacht einfach irgendwo anhalten.

Etwas muss passiert sein. Tatsächlich meldet sich wenig später ein Mann, der behauptet, sie entführt zu haben, und fordert ein Lösegeld von Pierce Quincy. Er beginnt ein perfides Spiel mit den ermittelnden Beamten und mit Rainies Ehemann. Er füttert sie nur häppchenweise mit Informationen zur Geldübergabe und zu Rainies Zustand und zögert die Übergabe immer mehr hinaus, stellt immer höhere Forderungen und scheint insgesamt nicht in Eile zu sein. Die Polizei hat weder eine Ahnung, wer er ist, noch eine Spur von Rainie, was die Ermittlungen nicht gerade erleichtert. Hinzu kommt, dass Quincy sich aktiv einmischt und dabei eine andere Strategie fährt als der leitende Beamte Kincaid: Während Kincaid die Geldübergabe nur zum Schein arrangieren möchte, will Quincy unbedingt zahlen, um seine Frau in die Arme schließen zu können. Der Fall gewinnt an Brisanz, als der Entführer auch noch den siebenjährigen Dougie kidnappt. Rainie lag der Junge, der als Halbwaise von einer Pflegefamilie zur anderen wandert, sehr am Herzen. Es scheint, als ob Rainie mitnichten ein Zufallsopfer ist…

Lisa Gardner setzt dem Leser wie gewohnt Hochspannung vor und den einzigen Vorwurf, den man ihr machen kann, ist das „wie gewohnt“ in diesem Satz. Ihre Bücher ähneln sich trotz unterschiedlicher Charaktere. Das kann man sowohl negativ als auch positiv sehen, denn diese Eigenschaft macht die Autorin zu einer sicheren Adresse für fesselnde Thrillerliteratur. Die Handlung wird flott vorangetrieben und weist einen guten Spannungsaufbau auf. Sicherlich tut Gardner nichts wirklich Neues für das Genre, aber sie konstruiert ihre Geschichte sauber und grundsolide. Ein Blick in die Danksagungen enthüllt, wieso das so ist. Die Autorin dankt zig Leuten vom Polizisten bis zur Pharmazeutin und zeigt dadurch, dass sie gut recherchiert hat. Das merkt man, denn neben dem eigentlichen Handlungsstrang fließt auch sehr viel Alltagswissen über die Polizeiarbeit ein. Dabei begeht sie nicht den Fehler, sich an zähen Erklärungen über kriminologische Vorgehensweisen aufzuhalten, vielmehr berichtet sie über die informellen Abläufe bei den Ermittlungen, und lässt vor allem den Figuren sehr viel Raum.

Ihre Charaktere sind sehr ausgefeilt und tiefgängig. In ihrer Geschichte herrscht kein eitel Sonnenschein. Stattdessen konzentriert sie sich stark auf die menschlichen Abgründe, ohne zu sehr in diese abzurutschen. Auffällig ist auch, dass sie dieses Mal hauptsächlich aus der Sicht von Männern erzählt, was ihr aber sehr gut gelingt. Sie hat ein Händchen für ihre Personen, die sie allesamt mit Erinnerungen und Gedanken ausstattet. Dadurch wird das Buch zu einer sehr runden, sehr interessanten Sache. Selbst wenn die Handlung nicht so fesselnd wäre, könnte man „Schrei, wenn die Nacht kommt“ nicht aus der Hand legen, weil die Personen dem Leser so sehr ans Herz wachsen, dass er für einige hundert Seiten nicht anders kann als an deren Leben teilnehmen zu wollen.

Gardners Schreibstil ist insofern unverändert, da er immer noch sehr flüssig, gehoben und lebendig ist. Neu ist dagegen der ungewöhnliche, humorvolle Touch, der vor allem in den Dialogen zwischen Quincy und Kincaid zu Tage tritt. Obwohl sich die beiden am Anfang nicht riechen können, entwickelt sich eine Art rumpelige Freundschaft zwischen ihnen. Trotz des Ernstes der Lage lassen sie es sich nehmen, bissige Bemerkungen gegenüber dem jeweils anderen fallenzulassen. Anfangs wirkt das für Kenner von Gardners Büchern fremd, dann macht es immer mehr Spaß, die beiden bei ihren dezenten Schlagabtäuschen zu beobachten.

In der Summe ist „Schrei, wenn die Nacht kommt“ ein weiterer Klassethriller aus Lisa Gardners Ideenschmiede, der gut in ihren literarischen Kanon passt. Akzente kann er vor allem durch die Personenkonstellation setzen. Quincy und Kincaid sind interessante, gut ausgearbeitete Charaktere, deren Verhältnis zueinander das Buch auflockert und die spannende Geschichte noch lesenswerter macht.

|Originaltitel: Gone
Aus dem Amerikanischen von Manuela Thurner
438 Seiten, Taschenbuch|

_Lisa Gardner bei |Buchwurm.info|:_

[„Der Schattenmörder“ 875
[„Lauf, wenn du kannst“ 4648
[„Kühles Grab“ 4853

http://www.aufbau-verlagsgruppe.de
http://www.lisagardner.com

Markus K. Korb – Grausame Städte II (Edgar Allan Poes phantastische Bibliothek, Band 9)

Edgar Allan Poes phantastische Bibliothek auf Buchwurm.info:

Band 1: „Grausame Städte“ (Markus K. Korb)
Band 2: „Das Alptraum-Netzwerk“ (Thomas Ligotti)
Band 3: „Spuk des Alltags“ (Alexander Moritz Frey)
Band 4: „Die weißen Hände und andere Geschichten des Grauens“ (Mark Samuels)
Band 5: „Cosmogenesis“ (Jörg Kleudgen)
Band 8: „Der dünne Mann“ (Anthologie, herausgegeben von Alisha Bionda)

Markus K. Korb – Grausame Städte II (Edgar Allan Poes phantastische Bibliothek, Band 9) weiterlesen

Wynes, Patrick / Gülzow, Susa – Kommissar X: Eine Kugel für den Richter

Folge 1: [„Der Panther aus der Bronx“ 1757

Ein aufstrebender und hochdotierter Richter wird auf offener Straße erschossen. Bevor die Polizei den Hauptverdächtigen festnageln kann, wendet sich dieser an Kommissar X alias Jo Walker und erzählt ihm, dass seine Freundin für das Attentat verantwortlich sei. Kurz darauf steht Walkers Freund Tom Rowland im Büro von Kommissar X und nimmt den jungen Mann fest.

Doch Jo Walker ist von der Unschuld seines Klienten überzeugt und versucht die junge Frau ausfindig zu machen. Die Spur führt nach Texas, wo die angebliche Mörderin herstammt, genauer aus Brontoville, wo auch die Familie des Richters ihre Wurzeln hat. Und diese Familie hat einen nicht unbeträchtlichen Einfluss, den auch Kommissar X zu spüren bekommt …

_Meine Meinung:_

Die Handlung setzt nach einem unheilschwangeren Musikstück sofort im Geschehen ein und kommt gleich zur Sache. Der Mord an dem Richter wird sehr authentisch als Fernsehmitteilung dargestellt, während Jo Walker, wieder wunderbar dargestellt von Robert Missler, seine Eindrücke aus der Ich-Perspektive dem Hörer nahelegt.

Die Charaktere wurden ein wenig differenzierter dargestellt als noch in der ersten Folge, und durch die Verstärkung des Ensembles durch die Sprecher Katja Brügger, Wolf Frass und Tobias Schmidt kommt auch ein stärkeres Hörspielfeeling auf. Der Plot der Story unterscheidet sich in seinen Grundzügen leider nur unwesentlich von der ersten Folge, auch wenn die Umsetzung etwas Abwechslung bietet und die Atmosphäre der texanischen Kleinstadt sehr gut spürbar ist. Der Ton hört sich im Vergleich zum Vorgänger ein wenig dumpfer an, dafür sind die Musikstücke eindringlicher und temporeicher. Die Effekte sind äußerst realistisch, auch wenn es zu wenige Actionsequenzen gibt, um diese so beeindruckend anzuwenden wie zum Teil in Folge eins. Die Auflösung des Falles ist für einen Heftroman, der dem Hörspiel zugrunde liegt, erstaunlich ruhig ausgefallen und bedauerlicherweise auch viel zu abrupt. Die Sprecher hingegen machen ihre Sache wirklich ausgezeichnet, und trotz der geringen Spieldauer von knapp 38 Minuten ist der Unterhaltungswert dieses Hörspiels enorm.

Die Aufmachung fällt im Vergleich zu Folge eins rapide ab. Lediglich die junge Frau mit der Waffe in der Hand besitzt eine natürlich erotische Ausstrahlung, geht aber aufgrund des miserablen Artworks unter dem Titelschriftzug total unter. Glücklicherweise ist die Dame auf der CD selbst noch einmal in Großaufnahme zu sehen. Der Hintergrund des Covers ist allerdings ziemlich langweilig geworden und auch das Opfer im Vordergrund überzeugt nicht durch Kunstfertigkeit, zumal das |Maritim|-Logo an einer dankbar ungünstigen Stelle platziert wurde. Auch bei Folge eins wurden die Infos im Booklet auf das Nötigste beschränkt, und bei dieser Folge gibt es noch nicht einmal Werbung.

_Fazit:_

Sehr kurzweiliges Hörspiel mit einem unbefriedigenden Ende. Story und Handlungsablauf sind nicht gerade neu, wurden aber innovativ umgesetzt. Die Sprecher sind in Topform und man darf sich demnächst auf Hörhefte von „Kommissar X“, gelesen von Robert Missler, freuen.

|38 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-938597-58-3|
http://www.kommissar-x.de
http://www.nocturna-audio.de
http://www.maritim-produktionen.de

_Florian Hilleberg_

Indriðason, Arnaldur – Todesrosen

Ausgerechnet auf dem Grab des isländischen Nationalhelden Jón Sigurdsson wird die Leiche einer jungen Frau gefunden – nackt, mit Spuren körperlicher Misshandlung übersät und erstickt. Sigurdsson starb 1879; wollte der Mörder etwas mit seiner Tat aussagen?

Kommissar Erlendur Sveinsson, der mit seinem Team die Ermittlungen aufnimmt, ist davon überzeugt, dass die Leiche nicht grundlos dort platziert wurde. Zunächst gilt es jedoch, die Identität des Opfers festzustellen, was sich als erstaunlich schwierig erweist. In seiner Not zieht Erlendur sogar seine Tochter Eva Lind zu Rate, die als Junkie und Gelegenheitsprostituierte die Unterwelt der Hauptstadt Reykjavík kennt.

Endlich bekommt die Leiche einen Namen: Birta gehörte zu den Drogenschmugglern des örtlichen Gangsterbosses Herbert Baldursson, der sie auch an Freier ‚vermittelte‘, denen gern die Hand ausrutscht. Offenbar lief Birtas letzte Party schrecklich aus dem Ruder. Oder hat die junge Frau den Unwillen des brutalen und jähzornigen Herbert erregt?

Erlendur will an so profane Erklärungen nicht glauben. Birta stammt wie Jón Sigurdsson aus den Westfjorden. Mit seinem wenig begeisterten Kollegen Sigurður Óli begibt er sich auf die lange Fahrt zur zerklüfteten Nordwestküste Islands. Er kommt in eine von Rezession und Landflucht gezeichnete Region – ein Niedergang, hinter dem Erlendur allmählich Methode zu erkennen glaubt.

In Reykjavík wird Herbert entführt und bleibt verschwunden. Offenbar gibt es jemanden, der um Birta trauert und ihren Tod rächen will. Ein angesehenen ‚Geschäftsmann‘ wird sehr nervös, denn Herbert erledigt allerlei Drecksarbeit für ihn, die tunlichst unbekannt bleiben sollten. Der ist in seinem Gefängnis inzwischen über die Hintergründe im Bilde und wird zu Erlendurs wichtigstem Zeugen – sollte er überleben …

_Kleine Insel auf krimineller Aufholjagd_

|“Morde werden hier im Affekt verübt. Meistens im Suff. Sie haben nie irgendwas Symbolisches an sich oder irgendeine tiefere Wahrheit. Morde sind hier schäbig, scheußlich und ganz und gar zufällig.“| (S. 97/98)

So spricht Polizist Sigurður Óli und gibt damit eine Grundsatzerklärung ab. Doch er irrt, während sein Kollege Erlendur gedanklich schon weiter ist: An der Wende zum 21. Jahrhundert beginnt sich auf der kleinen Insel hoch im Nordatlantik das Verbrechen zu wandeln. Die Globalisierung sorgt für einen Quantensprung. Verbrechen und Big Business beginnen sich zu vermischen, die Grenzen verwischen dabei. Der Tod wird zum Geschäftsrisiko – ein Faktor, den das organisierte Verbrechen kühl einkalkuliert.

Herbert und vor allem sein unsichtbarer Auftraggeber haben die modernen Regeln verinnerlicht. Das Spektrum ihrer kriminellen Aktivitäten ist breit: Für die Kneipen Reykjavíks importieren sie Prostituierte aus Osteuropa, die regelmäßig gegen ‚frische Ware‘ ausgetauscht werden. Gleichzeitig schmuggeln sie Drogen im großen Stil. Noch lukrativer ist die Aneignung und Ausbeutung politischen und wirtschaftlichen Insiderwissens. Wer gut schmiert und weiß, wann und wo Großprojekte geplant sind, kann früh einsteigen und absahnen; das ist nicht einmal illegal, sondern höchstens moralisch bedenklich – eine Einschränkung, die aus Sicht der „global players“ freilich nur für Schwächlinge von Belang ist.

_Nicht jeder Wurm mag ewig kriechen_

Selbstverständlich bleibt der ‚klassische‘ Mord dem modernen Island erhalten. Weiterhin bringen sich die Menschen aus Hass und Gier und auf denkbar hässliche Arten um. Im Fall der „Todesrosen“ irrt Sigurður Óli trotzdem ein weiteres Mal: Die hier beschriebenen Morde und Mordversuche sind zwar schäbig, aber dennoch von enormer Symbolkraft.

Wie Erlendur Sveinsson mag sich der lange unsichtbar bleibende, weil aufgrund seiner Unauffälligkeit in der Menge verschwindende Kidnapper Herberts nicht damit abfinden, dass nur die kleinen Fische für ihre Taten büßen müssen, während sich die Großen hinter einer Wand aus Geld, Macht und Verbindungen verschanzen. Ihm geht es dabei zwar um Gerechtigkeit, aber nicht um gerechte Strafe. Die Polizei bleibt deshalb außen vor. Selbstjustiz tritt an ihre Stelle.

Doch das Schicksal ist tückisch. Das Blatt wendet sich, die ‚Bösen‘ gewinnen die Oberhand und schlagen zurück. Als sie dennoch fallen, bleibt der Rächer als Opfer zurück. An die Stelle des verbrecherischen Spekulanten wird ein neuer ‚Geschäftsmann‘ treten, der die Beutelschneiderei seines Vorgängers genau studieren und verfeinern wird.

_Der Kommissar und die Last der Welt_

Zu dieser Erkenntnis ist Erlendur längst gelangt. Sein daraus resultierender Schwermut ist verständlich: Was in wirtschaftskriminellen Kreisen Allgemeinwissen ist, kann er, der doch eigentlich Gesetz und Ordnung repräsentiert, nur mühsam und ihm Rahmen einer anstrengenden Recherche in den Westfjorden in Erfahrung bringen. Was er dort entdeckt, hilft ihm wenig, denn während sein Gegner sich aller Regeln enthoben fühlt, muss sich Erlendur daran halten. Er kämpft quasi mit einem auf den Arm gebundenen Rücken.

Ausgeglichen wird dieses Handicap durch Erlendurs ausgeprägten Hang zur intensiven Fahndung und einer Abneigung gegen alles, was sich ihm dabei in den Weg stellt. Wieder einmal lässt Autor Indriðason seinen ohnehin gebeutelten Helden (dazu weiter unten mehr) beruflich ausgiebig gegen geschlossene Türen laufen, hinter denen sich seine Verdächtigen über ihn lustig machen oder sicher wähnen. Sie irren sich, denn Erlendur ist an einem Punkt seines Leben angekommen, an dem er an berufliche Stromlinienform als Voraussetzung einer Karriere keinen Gedanken mehr verschwendet. Solche Menschen sind gefährlich, wie Erlendur beweist, als er sich langsam aber buchstäblich hartnäckig der Lösung entgegenarbeitet. Die hat es in sich und ist mit einem hübschen, weil sehr ironischen Finaltwist verknüpft, der zur Abwechslung einmal funktioniert.

Wie es sich für einen skandinavischen Kriminalisten gehört, ist Erlendur auch privat keine Frohnatur, was noch vorsichtig ausgedrückt ist. Er lebt allein und ist einsam, seine Familienverhältnisse sind desaströs; seine Ex-Gattin hasst ihn viele Jahre nach der Scheidung noch immer aus tiefster Seele, sein Sohn ist Alkoholiker, seine Tochter drogensüchtige Prostituierte. Mit den daraus resultierende Problemen füllt Indriðason manche Buchseite. Erfreulicherweise übertreibt er es nie damit; „Todesrosen“ bleibt Kriminalroman. Hilfreich ist auch ein ausgeprägter Sinn für Humor, der eher schottisch als skandinavisch anmutet. Den hat Erlendur auch nötig, denn die Zukunft hält für ihn noch manche Prüfung bereit.

_Durcheinander als Veröffentlichungsprogramm_

Das weiß der Indriðason-Leser womöglich schon, denn obwohl „Todesrosen“ als siebter Band der Erlendur-Serie in Deutschland erscheint, steht er chronologisch an zweiter Stelle. Der Verlag begann nicht mit Nummer eins, sondern griff sich einfach einen Band aus dem Mittelfeld heraus. Die entstandenen Lücken wurden erst nachträglich gefüllt, als sich herausstellte, dass die deutschen Leser Indriðason-Romane schätzen und wohl auch ältere Titel nicht verschmähen würden. Diese rüde Behandlung sind besagte Leser freilich gewöhnt. Immerhin ist die Reihe inzwischen vollständig und sie wird sogar fortgesetzt, während viele andere lesenswerte Serien rüde gekappt (weil nicht schnell genug einträglich) wurden und werden.

_Der Autor_

Arnaldur Indriðason wurde am 8. Januar 1961 in Reykjavik geboren. Er wuchs hier auf, ging zur Schule, studierte Geschichte an der University of Iceland. 1981/82 arbeitete als Journalist für das |Morgunblaðið|, dann wurde er freiberuflicher Drehbuchautor. Für seinen alten Arbeitgeber schrieb er noch bis 2001 Filmkritiken. Auch heute noch lebt der Schriftsteller mit Frau und drei Kindern in Reykjavik.

1995 begann Arnaldur Romane zu schreiben. „Synir duftsins“ – gleichzeitig der erste Erlendur-Roman – markierte 1997 sein Debüt. Jährlich legt der Autor mindestens einen neuen Titel vor. Inzwischen gilt er – auch im Ausland – als einer der führenden Kriminalschriftsteller Islands. Gleich zweimal in Folge wurde ihm der „Glass Key Prize“ der Skandinaviska Kriminalselskapet (Crime Writers of Scandinavia) verliehen (2002 für „Nordermoor“, 2003 für „Todeshauch“).

Drei seiner Romane hat Arnaldur selbst in Hörspiele für den Icelandic Broadcasting Service verwandelt. Darüber hinaus bereiten die isländischen Regisseure Baltasar Kormákur bzw Snorri Thórisson Verfilmungen von „Nordermoor“ bzw. den Thriller „Napóleonsskjölin“ (Operation Napoleon), den Arnaldur 1999 schrieb, vor.

Die Erlendur-Romane erscheinen gebunden und als Taschenbücher im (Bastei-)Lübbe-Verlag:

(1997) [Menschensöhne 1217 („Synir duftsins“) – TB Nr. 15530
(1998) Todesrosen („Dauðarósir“)
(2000) [Nordermoor 402 („Mýrin“) – TB Nr. 14857
(2001) [Todeshauch 856 („Grafarþögn“) TB Nr. 15103
(2002) [Engelsstimme 2505 („Röddin“) – TB Nr. 15440
(2004) [Kältezone 2274 („Kleifarvatn“) – TB Nr. 15728
(2005) [Frostnacht 3989 („Vetraborgin“) – TB Nr. 15980 (erscheint März 2009)
(2007) „Harðskafi“ (noch nicht in Deutschland erschienen)

_Impressum_

Originaltitel: Dauðarósir (Reykjavík: Vaka-Helgafell 1998)
Übersetzung: Coletta Bürling
Deutsche Erstausgabe: Juni 2008 (|Lübbe|-Verlag/|editionLübbe|)
301 Seiten
EUR 18,95
ISBN-13: 978-3-7857-1612-0
http://www.luebbe.de

Als Hörbuch: Juni 2008 (|Lübbe Audio|)
4 CDs, gelesen von Frank Glaubrecht
340 min
EUR 19,95
ISBN 978-3-7857-3561-9

Nix, Garth – Rauer Donnerstag

_Gegen den Rattenfänger im Action-Team_

Eigentlich ist Arthur Penhaligon kein Held. Genau genommen. Ihm ist sogar ein früher Tod vorherbestimmt. Doch dann rettet ihm ein geheimnisvoller Gegenstand das Leben: Das Ding sieht aus wie ein Uhrzeiger und wird von seltsam gekleideten Männern als „Schlüssel zum Königreich“ bezeichnet.

Doch zugleich mit dem Schlüssel erscheinen bizarre Wesen aus einer anderen Dimension, die ihn um jeden Preis zurückgewinnen wollen. In seiner Verzweiflung wagt es Arthur, ein geheimnisvolles Haus zu betreten – ein Haus, das nur er sehen kann und das in andere Dimensionen führt. Dort will er nicht nur sein wahres Schicksal erkennen, sondern auch sieben Schlüssel besorgen …

Drei Schlüssel hat Arthur bisher aus den magischen Reichen erobert. Doch als er in seine eigene Welt zurückkehren will, stellt er fest, dass jemand seinen Platz eingenommen hat und ihm auf magische Weise den Weg versperrt – ein Doppelgänger! Dann wird Arthur auch noch in die Glorreiche Armee zwangsrekrutiert. Und das ausgerechnet unter den Befehl seines Erzfeindes: in die Reihen des grausigen Sir Donnerstag …

Der Verlag empfiehlt das Hörbuch ab 10 Jahren. Mehr Infos unter http://www.wellenreiter.la (ohne Gewähr).

_Der Autor_

Garth Nix wurde 1963 in Melbourne / Australien geboren. Nach seinem Studium arbeitete er in einer Buchhandlung, später als Verleger, Buchhandelsvertreter, Zeitungsredakteur und Marketingsberater. Seit 2002 bestreitet er seinen Lebensunterhaltet ausschließlich als Autor. Er lebt heute mit seiner Frau, einer Verlegerin, und seinem Sohn in einem Vorort von Sydney. Zu seinen bekanntesten Büchern gehört die Abhorsen-Trilogie, die komplett bei |Carlsen| und |Lübbe| erschienen ist (Sabriel; Lirael; Abhorsen).

Garth Nix auf |Buchwurm.info|:

[„Schwarzer Montag“ 3719 (Die Schlüssel zum Königreich 1)
[„Schwarzer Montag“ 3172 (Hörbuch)
[„Grimmiger Dienstag“ 3725 (Die Schlüssel zum Königreich 2)
[„Grimmiger Dienstag“ 4528 (Hörbuch)
[„Kalter Mittwoch“ 4242 (Die Schlüssel zum Königreich 3)
[„Rauer Donnerstag“ 4831 (Die Schlüssel zum Königreich 4)
[„Sabriel“ 1109 (Das alte Königreich 1)
[„Lirael“ 1140 (Das alte Königreich 2)
[„Abhorsen“ 1157 (Das alte Königreich 3)

_Der Sprecher_

Oliver Rohrbeck, geboren 1965 in Berlin, ist Schauspieler und Synchronsprecher. Er ist bekannt für seine Sprechrolle als Justus Jonas in der Hörspielserie „Die drei Fragezeichen“. Als Sprecher synchronisierte er Hauptrollen in vielen Filmen und ist die deutsche Stimmbandvertretung von Ben Stiller.

Rohrbeck liest eine von Frank Gustavus (|Ripper Records|) gekürzte Fassung. Regie führte Kerstin Kaiser, die Aufnahmeleitung hatte Christian Päschk. Die Musik steuerte Andy Matern bei.

_Der Komponist_

Andy Matern wurde 1974 in Tirschenreuth, Bayern geboren. Nach seiner klassischen Klavier-Ausbildung arbeitete er einige Jahre als DJ in Clubs. Seit 1996 ist er als freiberuflicher Keyboarder, Produzent, Remixer, Songwriter und Arrangeur tätig. Er kann trotz seiner jungen Jahre bereits mehr als 120 kommerzielle CD-Veröffentlichungen vorweisen. Darunter finden sich nationale und internationale Chart-Platzierungen mit diversen Gold- und Platin-Auszeichnungen.

Bereits Andy Materns erste Hörbuch-Rhythmen erreichten schnell Kultstatus bei den Fans und der Fachpresse. Durch seine musikalische Mitarbeit wurde [„Der Cthulhu-Mythos“ 524 zum besten Hörbuch des Jahres gewählt (Deutscher Phantastik Preis 2003). Andy Matern lebt und arbeitet in München. (Verlagsinfos)

_Der Hintergrund_

Gepriesen sei die Architektin! Sie schuf die wahre Welt, das HAUS. Dies ist der Mittelpunkt aller Schöpfung, das Königreich aller Realität. Es ist eingeteilt in die sieben Wochentage von Montag bis Sonntag, und diese wiederum sind in jeweils zwölf Stunden eingeteilt. Minuten- und Stundenzeiger sind die Insignien eines jeden Tages – und mächtige Instrumente.

Rundherum liegen die sekundären Reiche, zu denen auch unsere bescheidene Welt zählt. Und SIE ließ alles darin archivieren. Als SIE sah, dass es gut war, verabschiedete SIE sich, hinterließ jedoch das VERMÄCHTNIS, in dem sie bestimmte, dass nur Sterbliche das Königreich erben können. Das VERMÄCHTNIS besteht vollständig aus Text, wie sich denken lässt. Doch die sieben Treuhänder vollstreckten das VERMÄCHTNIS nicht, sondern teilten sich die Macht in ihren sieben Herrschaftsbereichen. Das VERMÄCHTNIS teilten sie in sieben Stücke, von denen jedes woanders versteckt wurde.

Eines Tages begab es sich, dass das Bruchstück von MONTAG, ein auf einem toten Stern in Glas versiegelter Kristall, der von metallischen Wächtern bewacht wurde, von einem Inspektor des ARCHIVs begutachtet wurde. Die Wächter, nach Äonen des Wachens müde geworden, meldeten dem Inspektor keinerlei besonderen Vorkommnisse. Doch als er sich die Nase putzte, bemerkte er aus dem Augenwinkel ein kleines flinkes Etwas vorbeihuschen. Nein, dachte er, ich muss mich getäuscht haben.

Doch er hatte sich nicht getäuscht: Ein kleines Stück VERMÄCHTNIS-Text bemächtigt sich der Transferplatte, mit der er vom ARCHIV gekommen ist, und verschwindet damit. Oh-oh, denkt der Inspektor. Damit hat er Recht. Wenig später kommen zwei großmächtige Herren, die Silberstöcke tragen. Sie sagen, sie kämen von einem, der sogar noch höher stehe als MONTAG. Oh-oh, denkt der Inspektor. Das gibt großen Ärger. Und so kam es dann auch.

_Handlung_

In den Tagen von Montag bis Mittwoch, die Arthur Penhaligon im HAUS verbracht hat, ist es ihm bislang gelungen, drei Stücke des VERMÄCHTNISSES zu erobern. Sie sind Schlüssel zu drei Bereichen des HAUSES, zu den Unteren Bereichen, den Fernen Weiten und zur Grenzsee. Stets gilt es, eines von zwei essenziellen Dingen zu finden und zu erobern: Das erste ist die Gabe des VERMÄCHTNISSES, das zweite der Schlüssel der Domäne. Diesmal ist Lord Donnerstag an der Reihe, und das ist ein harter Brocken. Sir Donnerstag ist nämlich der Oberbefehlshaber der Truppen des HAUSES.

Aus den Kämpfen um die Grenzsee ist Arthur etwas lädiert hervorgegangen. An seinem gebrochenen Bein steckt als Gipsverband ein Krabbenpanzer. Doch seine treue Freundin Blatt, ebenfalls eine Sterbliche, begleitet ihn zum Ausgangs des HAUSES. Als sie merkt, dass die Tür voll wirbelnder Muster ist, warnt sie ihn. Er klopft einfach auf die Tür, die sich öffnet. Doch sie ist nicht unbewacht. Der Leutnant Hüter bittet um ein Wort, und Arthur kann sehen, wie Dame Primus, seine Statthalterin, sich mit ihrer Entourage nähert.

Der Hüter warnt ihn: In seiner Welt der Sekundären Welten der Sterblichen gebe es jetzt einen Doppelgänger von Arthur, eine Kopie, die mit Hilfe von Magie erzeugt wurde. Dieser Doppelgänger werde als Skelettjunge und Geistfresser bezeichnet, der mit Hilfe eines Schimmelpilzes seine Opfer infiziere und dann ihren Geist übernehme, um sie zu kontrollieren. Arthur darf keinen Kontakt mit diesem schrecklichen Wesen aufnehmen, denn das würde zu einer schrecklichen Explosion führen, ähnlich wie beim Aufeinandertreffen von Materie mit ihrem Gegenteil, der Antimaterie.

Die liebe Blatt erklärt sich bereit, sich um den Geistfresser zu kümmern. Dazu muss sie das Objekt stehlen, mit dessen Hilfe das Ding geschaffen wurde: Arthurs Tasche. Diese muss sie im NICHTS vernichten, welches das HAUS umgibt. Als Hilfen bekommt sie ein Amulett und eine magische Brille mit.

Also geht Arthur wieder zurück ins HAUS, denn dort sind inzwischen seine zwei Rivalen Lord Montag und Dienstag ermordet worden. Das ist gar nicht schön, denn Lady Mittwoch ist vielleicht das nächste Opfer. Aber wer steckt dahinter? Es muss ein Magiemächtiger sein, ähnlich wie Arthur. Ein magischer Ring zeigt ihm an, dass er selbst bereits zur Hälfte mit HAUS-Magie verseucht worden ist. Ist der Silberring vollständig zu Gold geworden, dann ist Arthur endgültig zum Bürger des HAUSES geworden. Die Entseuchung Arthurs würde etwa ein Jahrhundert dauern.

Arthur findet in seiner Tasse eine Silbermünze. Auf der einen Seite steht „Sir Donnerstag, Verteidiger des Hauses“, auf der anderen ist ein Schwert zu sehen und der Text „1 Schilling“. Sir Donnerstag ist der Oberbefehlshaber der Truppen. Wenn Arthur ihn ablösen und den vierten Schlüssel von ihm bekäme, könnte er das HAUS gegen die Grenzsee verteidigen, wie Dame Primus es wünscht. Doch die Silbermünze bedeutet, dass Arthur in die Armee Donnerstags eingezogen wird: für ein ganzes Jahrhundert. Und da tritt auch schon der Rekrutierungsoffizier in den Saal.

Dame Primus gibt dem nervösen Arthur zu bedenken, dass er, sobald er Sir Donnerstag abgelöst und den vierten Schlüssel hat, sich selbst entlassen kann. Dass sich die Bürgerin Susi Türkisblau bereiterklärt, ihm zu helfen, beruhigt Arthur ebenfalls. Nachdem der Offizier über die hochgestellte Persönlichkeit Arthur Penhaligon aufgeklärt worden ist, nimmt Arthur den Einberufungsbefehl entgegen und unterschreibt ihn. Der Befehl wickelt sich um ihn und verwandelt sich in die Uniform eines Rekruten. Er will sich fortan zur Tarnung „Bürger Helios Grün“ nennen.

Nun ist Arthur bereit, den „Ernst des Lebens“ in der Armee kennenzulernen. Und Sir Donnerstag wartet bereits auf ihn – mit einem Himmelfahrtskommando.

_Mein Eindruck_

Man mag sich wundern, wie es kommt, dass Arthur an nur einem Tag im HAUS um mehrere Jahre, die die Sterblichen erleben, altert und mental wächst. Das liegt natürlich daran, dass in der Anderswelt des HAUSES die Zeit auf andere Weise verrinnt als in unseren „Sekundären Welten“. Die Relativität der Zeit ist aber in der Fantasy bereits ein alteingeführter Topos, der schon im Mittelalter mit den ersten Balladen über [Thomas the Rhymer]http://en.wikipedia.org/wiki/Thomas__the__Rhymer und seinem Ausflug in die Feenwelt begann – wenn nicht sogar schon in keltischer, vorchristlicher Zeit, wo Sterbliche ja immer mal wieder nach |Tír na nÓg|, das Land der ewigen Jugend, wechselten. Falls sie dann zurückkehrten, lebte keiner ihrer Freunde mehr und allein schon die Berührung mit der Heimaterde mochte sie zu Staub zerfallen lassen.

So darf es nicht verwundern, wenn Arthur, der ja in unserer Welt gerade mal elf Jahre alt ist, plötzlich im richtigen Alter für die Einberufung in die Armee des HAUSES ist. Er erhält natürlich seine Grundausbildung. Dreimal darf man sich fragen, wozu eine Armee da ist: zum Kämpfen natürlich. Schon bald geht Arthur auf Patrouille und bekämpft die ersten Neuen Nichtlinge, denen er und seine Freunde Fred Gold und Susi Türkisblau begegnen.

Das ist aber noch gar nichts gegen das Himmelfahrtskommando, auf das ihn Sir Donnerstag mitnimmt. Es kommt auf der Ebene vor der ausgedehnten Zitadelle des HAUSES zur Schlacht mit den Nichtlingen. Es wird mit recht unkonventionellen Waffen gekämpft, deren Beschreibung hier zu weit führen würde. Interessanter ist die Figur des gegnerischen Oberkommandeurs: des Pfeifers. Bei diesem handelt sich um keinen anderen als den [Rattenfänger von Hameln.]http://de.wikipedia.org/wiki/Rattenf%C3%A4nger__von__Hameln Und da in Arthurs Armee Pfeiferkinder sind, erweisen sie sich als verhängnisvoll empfänglich für die Flötenmusik des Pfeifers. Fragt sich nur, wer sich eigentlich hinter dieser betörenden Figur verbirgt.

Nachdem Arthur Sir Donnerstag besiegt hat, obliegt es ihm, dies herauszufinden. Anders als der martialische Ex-Oberbefehlshaber steht ihm der Sinn eher nach Verhandlungen mit dem Gegner. Auf diese Weise lässt sich auch viel mehr über diesen erfahren. Wie sich herausstellt, erhebt auch der Pfeifer berechtigten Anspruch auf den vierten Schlüssel und dessen Teil des VERMÄCHTNISSES. Dagegen hat aber das VERMÄCHTNIS eine ganze Menge einzuwenden. Es funkt Arthur dazwischen und sabotiert seine ausgeklügelte Verhandlungsstrategie auf höchst unappetitliche Weise.

|Verbündete|

Unterdessen ist Blatt in unsere Welt übergewechselt und hat sich im Östlichen Bezirkskrankenhaus umgesehen. In der Wäschekammer hat der Geistfresser, den sie sucht, sein Versteck. Doch zu ihrem Entsetzen ist er bereits unterwegs, um auf den Korridoren außerhalb der Quarantäne-Zone Patienten und Personal mit seinem Schimmelpilz zu infizieren. Blatt hat nun zwei Probleme: Sie darf sich nicht von ihm entdecken und anstecken lassen, während sie gleichzeitig Arthurs Tasche in der Wäschekammer sucht. Leichter gesagt als getan, denn das Sicherheitspersonal sucht sie bereits, weil sie in die Q-Zone eingedrungen ist.

Dies ist der erste Roman der Reihe, in dem eine andere Figur gleichberechtigt neben Arthur Abenteuer erlebt, die mindestens ebenso spannend sind wie seine im HAUS. Blatt ist ja auch nur ein junges Mädchen, muss sich aber in einer plötzlich feindlich gewordenen Umwelt behaupten. Das gelingt ihr wider Erwarten ausgezeichnet. Und zwar nicht bloß, weil sie magische Hilfen wie die Brille und das Amulett des Mariners hat, sondern weil sie auch Hilfe von unerwarteter Seite anzunehmen bereit ist. Eine alte Dame hilft ihr, die sich resolut für Blatt einsetzt.

Dabei hat sich die Gegend um das Krankenhaus, ähnlich wie in Episode eins „Schwarzer Montag“ in eine hermetisch abgeriegelte Kriegszone verwandelt. Panzer rollen, Kampfhubschrauber schweben darüber und Leichen der Seuche werden mit Flammenwerfern eingeäschert. Soll noch einer sagen, die Schlacht im HAUS spiegele sich nicht in unserer Welt wider!

Es gibt auch Verfremdungseffekte. Diese sind jedoch eher lustig als tragisch. Wie sehr sich Blatt verändert hat, merkt sie erst, als sie in Arthurs Haus eindringt, um mit seinem Spezialtelefon mit dem HAUS und ihrem Freund zu kommunizieren und um Hilfe zu flehen. Sie wird von Arthurs 17-jähriger Schwester Mikeli überrascht, die erst nichts mit ihr anzufangen weiß. Doch das ist noch gar nichts: Blatt bekommt unvermittelt schreckliche Krämpfe und zittert wie bei einem [Veitstanz.]http://de.wiktionary.org/wiki/Veitstanz

Da rauscht auf einmal ein geflügeltes Wesen zur Tür herein: Susi Türkisblau. Das ist zu viel für die arme Mikeli, die fast einen Schreikrampf bekommt und die Polizei rufen will. Blatt und Susi können sie gerade noch davon abhalten. Merke: Obwohl das Geschehen eigentlich besorgniserregend sein sollte, verwandelt es der Autor in eine Studie von Komik. Das fand ich genial und entlockte mir ein zufriedenes Lachen. Die beiden Erzählstränge um Arthur und Blatt funktionieren ausgezeichnet und sorgen wechselseitig für Spannung und Abwechslung.

_Die Inszenierung_

|Der Sprecher|

Oliver Rohrbeck ist ja als Ex-Mitglied der „Drei ???“ schon ein alter Hase im Synchronsprechergeschäft und in Sachen Hörspielserie (s. o.). Seine „normale“ Stimme eignet sich gut für Kinderstoffe, also Märchen, Fantasy und Ähnliches, denn sie erklingt nicht besonders tief oder autoritär, ist also sympathisch. Am deutlichsten ist das an den hohen und erhabenen Stimmen der weiblichen Figuren Susi, Blatt und Dame Primus abzulesen. Jedenfalls klingt Rohrbeck meist alles andere als furchteinflößend.

Doch wie soll er dann den Ausbildungsoffizieren bei der Armee Autorität verleihen? Diesmal muss Rohrbeck regelmäßig brüllen und mit tiefster Stimme intonieren, um die diversen Bedrohungen, denen sich Arthur gegenübersieht, glaubhaft zu gestalten. Schließlich soll der Hörer glauben, dass Arthurs Leben wirklich in Gefahr ist. Sir Donnerstag hat es wirklich auf ihn abgesehen.

|Effekte|

Alles wird etwas turbulenter und bunter, als Arthur in die Welt des HAUSes eintritt. Hier klingen manche Stimmen ebenfalls durch Filter verzerrt und bizarr. Das VERMÄCHTNIS, das Arthur hilft, ertönt beispielsweise stark verzerrt, da es sich über Telepathie bei Arthur meldet. Aber es klingt dennoch freundlich. Häufig wird auch starker Hall eingesetzt.

Insgesamt bietet das Hörbuch dem Hörer also eine reichhaltige Palette von Klangeffekten und Stimmfarben. Dabei zeigt sich, dass der Sprecher sowohl Figuren auf unterscheidbare Weise charakterisieren als auch Situationen zum Leben erwecken kann, so dass sie dem jungen Publikum fast plastisch vor Augen stehen.

|Musik|

Die Hintergrundmusik von Andy Matern wird geschickt eingesetzt, obwohl es sich nur die stets wiederholten gleichen Motive handelt. Sie bildet einen Klangteppich, der unterbewusst die Emotionen des Zuhörers steuert. Die Instrumente sind in der Regel elektronisch, und daher ist der Unterschied zwischen Intrumentenklang und Soundeffekt verwischt. Wichtig ist lediglich die Wirkung.

Eine Standardsituation für den Musikeinsatz ist zum einen die Anwendung von Magie, so etwa die des vierten Schlüssels oder von Blatts magischer Brille. Zum anderen ist aber in dieser Episode das kriegerische, gewalttätige Thema verantwortlich für den häufigen Einsatz von Trommeln und recht dramatischen und unheilverkündenden Kadenzen.

Ich fühlte mich mehrfach an entsprechende Szenen in Peter Jacksons „Herr der Ringe“ erinnert. Dort hat sich Matern möglicherweise inspirieren lassen. Interessant war die Darstellung von Arthurs Verwirrung: Nur einmal erklingt eine recht dissonante Akkordfolge, dass man mit Arthur richtig Mitleid bekommt.

Geräusche gibt es keine, aber Soundeffekte ersetzen sie.

_Unterm Strich_

Die australische Fantasyreihe wartet mit einem recht gut durchdachten Paralleluniversum auf, das erstens die Bestimmung des Helden bereithält und zweitens natürlich die Lösung zu allen Rätseln. Aber diese Bestimmung fällt dem denkbar ungeeigneten Asthmatikerhelden nicht in den Schoß, wie man sich leicht denken kann, sondern muss in sieben Kämpfen errungen werden.

Da sich diese Kämpfe auch auf die Welt des Helden erstrecken, gerät er mit seiner Familie in alle möglichen gefährlichen Situationen. Der Angriff von Nichtlingen wie dem Skelettjungen dürfte nur ein Vorgeschmack auf das sein, was noch kommen könnte. Doch wie im HAUS die treue Susi Arthur beim Bestehen von Abenteuern beisteht, so tut dies in der Realwelt die treue Blatt.

|Die Aussage|

Mir hat die Geschichte viel Spaß gemacht, denn der Autor überrascht mit einigen doch recht interessanten Einfällen, so etwa dem Geistfresser, der die Verkörperung von „Mind Control“ durch Ansteckung darstellt. Der symbolische Gehalt dürfte klar sein – es geht um eine besonders perfide Form der Machtausübung. Der Geistfresser findet eine auffällige Parallele im Rattenfänger alias Pfeifer, der seine Nichtlinge verführt und betört. Sir Donnerstag ist ebenfalls ein Machthaber, der sie rücksichtslos einsetzt. Doch erstaunlicherweise wird ihm ausgerechnet von seinen Marschällen Einhalt geboten. Dieses Buch dreht sich also um Macht und wie man ihr entgegentreten kann.

|Die Heilung der Welt|

Natürlich erinnert der Aufbau der Geschichte ein wenig an Tad Williams‘ Zyklus [„Otherland“, 4196 und hier wie dort durchstreift der Held eine virtuelle Welt, die er heilen muss. Aber er hat sie auch zu erobern und dafür etliche Kämpfe zu bestehen. Denn damit heilt er zugleich auch seine eigene Welt. Beides gehört zusammen, und der Weg ist das Ziel: Arthur findet nicht nur zu selbst, sondern erkennt auch seinen Platz und seine Aufgabe in der Welt. Das ist eine wertvolle Lektion, wie sie nur sehr gelungene Jugendbücher glaubwürdig zu vermitteln vermögen, so etwa die Harry-Potter-Reihe oder der Wintersonnenwende-Zyklus von Susan Cooper.

|Das Hörbuch|

Der von Oliver Rohrbeck gesprochene Text bietet dem Hörer, vor allem dem jugendlichen Zuhörer ab 12 bis 13 Jahren, eine breite Palette von stimmlichen Tonlagen und Klang-Effekten, die zu einer Charakterisierung verschiedenster Wesen beitragen. Mit ein wenig Phantasie kann sich der Zuhörer daher die fremde Welt des HAUSes viel besser vorstellen. Optimal gelungen ist diesmal die Verbindung zwischen den beiden Erzählsträngen. Das Mädchen zeigt sich als unerlässlich für den Erfolg von Arthurs Mission.

Am Schluss bekommt Arthur eine Einladung von Lady FREITAG. Sie ist Ärztin wie Arthurs Mutter – ausgerechnet! Das Abenteuer geht also weiter.

Fazit: Ein Volltreffer.

|Originaltitel: Sir Thursday, 2006
Aus dem australischen Englischen übersetzt von Axel Franken
286 Minuten auf 4 CDs
ISBN-13: 978-3-7857-3529-9|
http://www.wellenreiter.la
http://www.luebbe-audio.de

Luceno, James / Döring, Oliver – Star Wars – Dark Lord. Teil 4: Der Untergang von Kashyyyk

Darth Vader hat die überlebenden Jedi-Ritter Roan Shryne und Olee Starstone bis auf den Heimatplaneten der Wookies, Kashyyyk, verfolgt. Der dunkle Lord nutzt seine Jagd nach den vermeintlichen Verrätern, um den Planeten zu annektieren und einen Krieg mit den Wookies vom Zaun zu brechen. Schließlich kommt es zum alles entscheidenden Duell zwischen Vader und Roan Shryne …

_Meine Meinung:_

In gewohnt hoher Qualität treibt es |WortArt| in dieser vierten und letzten Folge der Serie „Dark Lord“ auf die Spitze und verwöhnt den Hörer mit einem Finale, das, ohne zu übertreiben, filmreif ist. Das beginnt bereits mit einer sehr schönen und bedeutungsvollen Szene, in welcher der dunkle Lord mit dem Grand Moff Tarkin zusammentrifft und zum ersten Mal dem späteren Kommandanten des Todessterns begegnet, der bereits mit den Bauarbeiten an dieser Vernichtungswaffe betraut wurde.

Gesprochen wird dieser von Friedrich Schönfelder, dessen markante Stimme man aus unzähligen Filmen kennt, unter anderem auch als Synchronstimme von Vincent Price. In der vorliegenden Produktion hört man ihr natürlich das fortgeschrittene Alter an, obwohl Moff Tarkin gute zwanzig Jahre jünger ist als seine Filmrolle aus „Krieg der Sterne“.

Vaders Jagd nach den Jedis wurde spannend in Szene gesetzt und sein Aufstieg innerhalb des Imperiums wird dem Fan authentisch beschrieben. Insbesondere die Invasion Kashyyyks ist ein bedeutungsvolles Ereignis, nicht nur für Darth Vaders Aufstieg, sondern für das |Star Wars|-Universum generell, denn natürlich hat auch der Wookie Chewbacca einen würdigen Auftritt bekommen, auch wenn seine akustische Präsenz lediglich vom Band kommt und sich auf das bekannte Röhren aus den Filmen beschränkt.

Sämtliche Handlungsstränge, die in den ersten drei Folgen begonnen wurden, werden in diesem Hörspiel zusammengeführt und aufgelöst. Neben einer gewaltigen Schlacht zwischen Wookies und Sturmtruppen gibt es auch ein eindrucksvolles Laserschwertduell zwischen Vader und Shryne. Zum Ende hin gibt es sogar einen kleinen Gastauftritt von Obi Wan Kenobi, gesprochen von Philipp Moog.

|Star Wars|-Fans werden von diesen Hörspielen begeistert sein, und man darf hoffen, dass |WortArt| weitere Buchlizenzen erwirbt, um neue Sternen-Abenteuer ebenso kongenial zu vertonen wie „Dark Lord“ oder „Labyrinth des Bösen“.

Äußerlich dominiert natürlich die Titelfigur Darth Vader das Cover und auch den Innenteil des Jewel Case. Auf der Rückseite des Booklets ist dieses Mal allerdings Peter Cushing alias Grand Moff Tarkin zu sehen. Der britische Schauspieler ist den Fans natürlich im Gedächtnis haften geblieben, obwohl er lediglich in Episode IV „Eine neue Hoffnung“ aufgetreten ist.

_Fazit:_

„Der Untergang von Kashyyyk“ liefert das atemberaubende Finale einer gut durchdachten und rasanten |Star Wars|-Episode. Die Vorlage von James Luceno steht den Filmdrehbüchern in nichts nach, und Oliver Döring mitsamt seinem Team hat es verstanden, daraus ein Science-Fiction-Spektakel der Superlative für die Ohren zu machen. Diese Serie sollte in keiner Sammlung von |Star Wars|- und Hörspielliebhabern fehlen.

|Star Wars|-Hörspielumsetzungen auf |Buchwurm.info|:

[„Star Wars – Dark Lord. Teil 1: Die letzten Stunden der Klon-Kriege“ 4967
[„Star Wars – Dark Lord. Teil 2: Auf der Flucht vor dem Imperium“ 4978
[„Star Wars – Dark Lord. Teil 3: Aufruhr auf Alderaan“ 5034
[„Episode I: Die dunkle Bedrohung“ 1293
[„Episode II: Angriff der Klonkrieger“ 1305
[„Episode III: Die Rache der Sith“ 4534
[„Episode IV: Eine neue Hoffnung“ 686
[„Episode V: Das Imperium schlägt zurück“ 689
[„Episode VI: Die Rückkehr der Jedi-Ritte“ 694
[„Labyrinth des Bösen, Teil 1: Gunrays Geheimnis“ 3291
[„Labyrinth des Bösen, Teil 2: Darth Sidious auf der Spur“ 3292
[„Star Wars: Labyrinth des Bösen“ (Teil 1-3: Das komplette Hörspiel) 4794

|54 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 9-783-8291-2157-6|
http://www.WortArt.de
http://www.karussell.de
http://de.wikipedia.org/wiki/Star__Wars
http://www.starwars-union.de
http://www.starwars.com
http://www.jedipedia.de
[Interview mit Oliver Döring zum Hörspiel „Dark Lord“]http://www.starwars-union.de/index.php?id=interview%3Cb%3Eoliverdoering%3C/b%3E%3Cb%3E08

_Florian Hilleberg_

di Fulvio, Luca – Rache des Dionysos, Die

In seiner Heimat Italien hat Luca di Fulvio bereits einige Bücher veröffentlicht, unter anderem auch Kinderbücher. Sein erster deutscher Streich, „Die Rache des Dionysos“, möchte nicht so ganz zu dieser Tatsache passen. Der Thriller ist von einem Kinderbuch ungefähr so weit entfernt wie die Erde von der Sonne. Wer nun wissen möchte, ob di Fulvio eher bei der Lektüre für die Jüngeren oder bei der für die Älteren brilliert – nun, diese Frage kann nicht beantwortet werden, da di Fulvios Kinderbücher es bislang noch nicht bis nach Deutschland geschafft haben.

„Die Rache des Dionysos“ sollte allerdings lieber nicht in Kinderhand geraten, denn das Buch geizt nicht mit Blut und Leichen. Milton Germinal, junger und erfolgreicher Inspektor, wird zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den Arbeitervorort Mignetta strafversetzt, nachdem man ihn beim Heroinkonsum ertappt hat. Tatsächlich ist er abhängig, was ihn das ganze Buch lang begleiten wird. Bereits am ersten Tag an seinem neuen Arbeitsplatz geht es rund. In einer Villa in der Nähe ist die Frau eines Aktionärs der Zuckerfabrik, die den meisten Leuten in der Mignetta Arbeit gibt, ermordet worden. Es war ein furchtbares Blutbad, Frau Neef ist buchstäblich zerfleischt worden.

Wer würde so etwas tun? Bei der Obduktion, die der Graf Noverre durchführt, der ohne Arme auf die Welt gekommen ist und nur dank seines Assistenten diesem Beruf nachgehen kann, finden sich weitere Auffälligkeiten. Doch bevor Germinal mit seinen unkonventionellen Ermittlungsmethoden wenigstens eine kleine Spur findet, wird eine weitere Frau ermordet, auch sie hat mit der Zuckerfabrik zu tun. Zur gleichen Zeit versucht ein Sozialist, die Arbeiter der Fabrik zu einem Aufstand zu bewegen, und es scheint, als ob seine Parolen auf fruchtbaren Boden fielen. Germinal, eigentlich ein gewissenhafter Ermittler, wird nicht nur durch seine Drogensucht beeinträchtigt. Zum einen freundet er sich mit dem Grafen Noverre an, der ihm tief in die Seele zu blicken weiß, und verliebt sich in die junge Tänzerin Ignés. Zu spät merkt er, dass all diese neue Bekanntschaften in eine alte Geschichte münden, die einen verheerenden Schaden anrichten könnte …

„Die Rache des Dionysos“ zeichnet sich durch seine düstere Atmosphäre und die lebendig gewordene Geschichte aus. Die Epoche der Industrialisierung wird sehr lebendig und pessimistisch dargestellt. Wenn man bedenkt, wie zu dieser Zeit riesige Moloche von Fabriken entstanden, wirken di Fulvios Schilderungen sehr authentisch, auch wenn er sich sicherlich sehr stark den finsteren Elementen dieser Zeit zuneigt. Dadurch gelingt ihm ein hervorragender Hintergrund für diesen spannenden Thriller, der die Lösung des Kriminalfalls lange nicht preisgibt und dann in ein fulminantes Finale mündet. Wie der Titel schon andeutet, gibt es innerhalb des Buches Referenzen zur griechischen Sagenwelt und natürlich dem Gott des Weines. Allerdings hält di Fulvio diese Stellen angenehm kurz und konstruiert auch keine komplizierte Analogie zu den alten Geschichten. Leser, die sich darauf freuen, tief in die Antike abzutauchen, werden daher enttäuscht. Der italienische Autor hat einen Thriller geschrieben, keinen historischen Roman, und das ist auch gut so.

Obwohl die Handlung gut konstruiert und packend erzählt wird, verlässt sich di Fulvio nicht darauf. Zusätzlich nehmen auch die Erlebnisse und Erinnerungen der fantastisch gezeichneten Figuren sehr viel Raum ein. Das ist nicht negativ, denn die Charaktere, die beinahe genauso düster sind wie der Grundtenor der Geschichte, sind tiefgehend gezeichnet, und jeder scheint ein dunkles Geheimnis zu besitzen. Dadurch erlangt der Roman weitere Spannung und wirkt vor allem sehr sorgfältig ausgearbeitet und konsistent.

Neben dem drogensüchtigen Germinal sticht vor allem der Graf Noverre hervor. Dank seiner ungewöhnlichen Behinderung ist er von vornherein ein interessanter Charakter mit einer sehr eigenen Persönlichkeit. Der Autor schafft es, dem Leser eindringlich zu vermitteln, welche Grenzen einem Menschen gesetzt sind, der ohne Arme geboren wurde. Dabei wird di Fulvio nie pathetisch, sondern behandelt seine Romanfigur mit großem Respekt. Diesen sollte auch der Leser aufbringen, spätestens, wenn er Noverres Lebensgeschichte erfährt. Mehr oder weniger geschickt hat der Autor diese in einem Extrateil aufgeschrieben. Dieser hängt nicht mit der eigentlichen Geschichte zusammen, ist aber wichtig, damit man die Hintergründe des Mörders und dessen Motiv versteht. Auf den ersten Blick wirkt es sicherlich ungewöhnlich, dies nicht direkt in die Geschichte zu packen; bedenkt man jedoch, wie oft Thriller durch die Ausschlachtung von Vergangenem langweilig oder unrealistisch werden, kann man Luca di Fulvio nur loben.

Am Schreibstil gibt es ebenfalls nichts zu meckern. Der Autor schreibt flüssig und sauber mit einem historisch anmutenden Unterton. Er begeht allerdings nicht den Fehler, den einige andere historische Autoren machen, indem er zu geschwollen oder zu erhaben wird.

„Die Rache des Dionysos“ ist ein literarisch ansprechendes, aber den Leser nie überforderndes Buch, das seine düstere Atmosphäre gut zu transportieren weiß. Die Handlung ist fesselnd, die Figuren sind lebensnah und abwechslungsreich. Kinderbücher hin oder her – für Erwachsene kann Luca di Fulvio schreiben. Das hat er hiermit bewiesen!

|Originaltitel: La Scala Di Dioniso
Aus dem Italienischen von Petra Knoch
571 Seiten, Taschenbuch|

http://www.bastei-luebbe.de

Bionda, Alisha / Kleudgen, Jörg – Seelentor, Das (Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik, Band 8)

Im letzten Band der Serie, [„Zorn des Drachen“, 5032 begann das Autorenduo Alisha Bionda und Jörg Kleudgen einen neuen Gegner für den Bund der Fünf und die Vampire im Allgemeinen vorzustellen: Ein geheimnisvoller Chinese pirschte sich an Dilara und ihre Gefährten heran und hatte offensichtlich nichts Gutes im Sinn. Bisher hielten sich die Autoren allerdings reichlich bedeckt zu der Frage, was es mit dieser neuen Unbekannten in der Welt der Schattenchronik auf sich hatte. Der achte Band der Serie, „Das Seelentor“, soll nun jedoch etwas Licht ins Dunkel bringen.

Lee Khan ist der Name des Drachens, der in London Unruhe in der Gemeinschaft der Vampire verbreitet. Wie ein Schnitter geht er durch ihre Reihen und befördert sie in die ewigen Jagdgründe, ohne dass jemand dazu fähig wäre, den Drachen aufzuhalten. Zu allem Überfluss entführt er dann auch noch Dilara ins ferne China, um den Bund zu spalten und ihre Freunde in eine Falle zu locken.

Natürlich ist Calvin, Dilaras Gefährte, außer sich vor Wut und Sorge. Zwar kann er selbst über diese Entfernung spüren, dass Dilara noch am Leben ist, doch ist der Drachen noch immer eine unbekannte Größe, und so ist es schwierig, seinen nächsten Schachzug vorherzusagen. Zusammen mit dem Cop Mick macht sich Calvin also nach China auf, um die Fährte des Drachen aufzunehmen und Dilara aus seinen Fängen zu befreien.

Dilara wiederum wird vom Drachen in einem fensterlosen Zimmer gehalten und bekommt von Zeit zu Zeit ein Kaninchen zugeschoben, damit sie nicht vollkommen vom Fleische fällt. Da sie nichts hat, womit sie sich die Zeit vertreiben könnte, erinnert sie sich an ihren ersten Besuch in China im Jahre 1908. Damals hatte sie Antediluvian ins Reich der Mitte geschickt, um der dort herrschenden Vampirin ein Geschenk zu überreichen. Dilara ist fasziniert von der vollkommen gegensätzlichen Kultur und lässt sich gern von Tai Xian, der Antediluvians Statthalter in Shanghai ist, führen, um diese fremde Welt zu erkunden. Gemeinsam reisen sie in die Verbotene Stadt, wo sie feststellen muss, dass dieses Zentrum chinesischer Macht ausschließlich von Vampiren bewohnt wird. Selbst Tze Hsi, die Nebenfrau des verstorbenen Kaisers, die nun die Geschicke des Landes führt, hat den Kuss der Verdammnis empfangen, und sie ist es, für die Antediluvians Geschenk bestimmt ist.

Tze Hsi findet Gefallen an Dilara (und ihrem Geschenk) und lädt sie ein, der Vernichtung einiger Vampire beizuwohnen, die die Gunst der Kaiserwitwe verloren haben. Die chinesischen Vampire bedienen sich dazu des Seelentors, durch das ein in Ungnade gefallener Vampir treten muss, um daraufhin ins ewige Nichts einzugehen. Die Vampire verschwinden einfach und niemand weiß so genau, was eigentlich mit ihnen geschieht. Das Schauspiel ist faszinierend und angsteinflößend zugleich.

Während Dilara also ihren Gedanken nachhängt, reisen Calvin und Mick nach Shanghai, um dort die Spur des Drachen aufzunehmen. Durch seinen Job bei der Polizei kann Mick der ganzen Sache einen halboffiziellen Anstrich verleihen, und so wird ihnen bei ihrer Ankunft die Geheimdienstlerin Suemi an die Seite gestellt, die sie bei ihren Ermittlungen unterstützen soll. Es dauert nicht lange, bis die beiden Männer wissen, wo der Drache zu finden ist. Doch Dilara zu befreien, wird sich schwierig gestalten, schließlich rechnet Lee Khan mit der Ankunft der beiden und sehnt sie sogar herbei. Die Befreiungsaktion der beiden ist das letzte Puzzlestück in Lee Khans Racheplan.

Nach dem eher beschaulicheren siebten Teil dreht die „Schattenchronik“ nun wieder auf und liefert mehr Action, mehr wechselnde Schauplätze und mehrere Zeitebenen, auf denen die Geschichte spielt. Bionda und Kleudgen haben sich diesmal China vorgenommen und entführen den Leser sowohl in das heutige Shanghai, das sich als pulsierende Metropole präsentiert, als auch in das vergangene Kaiserreich China, das exotisch und gleichzeitig gefährlich daherkommt. Wieder einmal sind diese Passagen das Highlight des Bandes – sie erweisen sich als gut recherchiert und überzeugend dargestellt. Besonders die Tatsache, dass die Autoren reale Personen in ihre Handlung einweben, macht die China-Passagen reizvoll.

Hinter dem schillernden China des beginnenden 20. Jahrhunderts verblasst das heutige Shanghai etwas, in das es Calvin und Mick verschlägt. Die beiden geben kein besonders gutes Team ab: Während Calvin von einer Depression in die nächste verfällt, weil er sich Sorgen um Dilara macht, versucht Mick mit coolen Sprüchen zu punkten, die zu salopp und gekünstelt für die eher ernste Situation wirken. Beide Charaktere verfallen in Extreme, die übertrieben wirken – der eine erscheint zu leidend, während der andere zu forsch wirkt. Ein wirklich gutes Gleichgewicht stellt sich nicht ein.

Auch der Drache Lee Khan gibt längst nicht alle seine Geheimnisse preis. Der Leser lernt zwar, warum er Rache an den Vampiren nehmen will, doch bleibt im Dunkeln, warum es gerade diese Vampire sein müssen. Ist Dilara persönlich für Lee Khans Unglück verantwortlich oder hofft er, die Vampirgemeinschaft völlig zu zerschlagen, indem er ihre Führer tötet? Lee Khan lässt sich nicht vollkommen in die Karten schauen, und so steht zu vermuten, dass der Leser noch nicht alles von ihm gesehen hat.

In guter Serienmanier dreht „Das Seelentor“ gerade am Schluss so richtig auf, wenn es zur Konfrontation zwischen den Vampiren und dem Drachen kommt. Der Showdown ist actionlastig und schnell, und mit sadistischer Freude reißen Bionda und Kleudgen auf der letzten Seite das Ruder noch einmal komplett herum und drehen die Handlung in eine neue beunruhigende Richtung. Wie immer darf man gespannt sein, wie Dilara und Calvin sich aus dieser misslichen Lage befreien!

http://www.blitz-verlag.de

_Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik auf |Buchwurm.info|:_

Band 1: [„Der ewig dunkle Traum“ 1899
Band 2: [„Kuss der Verdammnis“ 1900
Band 3: [„Die Kinder der fünften Sonne“ 1949
Band 4: [„Blutopfer“ 1977
Band 5: [„Der Schattenkelch“ 2483
Band 6: [„Calvin“ 2490
Band 7:
[„Zorn des Drachen“ 5032
Band 9: [„Der Vampir von Düsseldorf“ 4100
Band 10: [„Vabanque“ 4787
Band 11: [„Der Sturz des Drachenthrons“ 4809

Scalzi, John – letzte Kolonie, Die

John Perry, Jane Sagan und ihrer Adoptivtochter Zoe ist kein ruhiger Lebensabend auf der Kolonie Huckleberry vergönnt. Als lokale Autoritäten genießen sie Ansehen und Respekt, aber beide finden das Leben in der Kolonie eintönig, verglichen mit ihren bisherigen Erlebnissen. General Rybicki macht den beiden ein verlockendes Angebot: Sie sollen die neue Kolonie Roanoke leiten und aufbauen. Roanoke ist ein Novum, denn die Siedler stammen nicht von der Erde, sondern von bereits existierenden Kolonialwelten, die gegenüber der Kolonialen Union ihre Ansprüche auf freie Kolonisation durchsetzen wollen.

Perry ahnt nicht, welches Schicksal der Kolonie zugedacht ist. Roanoke dient der Kolonialen Union als Bauernopfer. Die Verteidigung ist bewusst unzureichend gestaltet. Eine der Menschheit feindselig gesinnte Allianz von Alien-Völkern, das Konklave, hat unmissverständlich klargemacht, dass in diesem Bereich der Galaxis keine weitere Kolonisation durch die Menschheit oder andere Rassen geduldet wird. Die KU spekuliert auf eine Auslöschung Roanokes, die ihren Status als einzige Sicherheit und Erfolg garantierende Instanz zementieren soll. Gleichzeitig will man so eine Rekrutierung nicht nur auf der Erde, sondern direkt von den Kolonien durchsetzen. Denn die rücksichtslose Expansionspolitik der KU hat ihr nicht nur das mächtige Konklave zum Feind gemacht, andere Rassen erkennen die verzweifelte Lage der Menschheit und zögern nicht, diese auszunutzen.

Während Perry gegen die Koloniale Union und das Konklave für das Überleben Roanokes kämpft, steht weit mehr auf dem Spiel: Das Schicksal der gesamten Menschheit liegt in den Händen des Konklave. Dessen militärischer Oberbefehlshaber, General Gau, ist durchaus an einer einvernehmlichen Lösung interessiert. Doch auch in seinen Reihen gibt es Kriegstreiber. Perry erhält Hilfe von General Szilard und seiner Spezialeinheit, auch die Obin eilen Perry zu Hilfe, denn seine Adoptivtochter Zoe ist als Kind des „Verräters“ Charles Boutin für sie eine Art Heilige und der einzige Grund, warum die Obin einen wackeligen Frieden mit der Kolonialen Union aufrechterhalten.

_Der Autor_

John Scalzi (* 10.05.1969, Kalifornien) begann seine Karriere in der Blogger-Szene. „Krieg der Klone“ (im Original: „Old Man’s War“) erschien bereits 2002 in Fortsetzungen im Blog seiner Website, bis Patrick Nielsen Hayden, Senior Editor von |Tor Books|, auf ihn aufmerksam wurde. Womit dieser ein ausgezeichnetes Gespür bewiesen hat: Scalzis Debüt war gleichzeitig auch sein Durchbruch, das Buch verkaufte sich in den USA ausgezeichnet und kam bei den Lesern gut an. Als Sahnehäubchen wurde es 2006 mit dem |John W. Campbell Award| ausgezeichnet und für den |Hugo Award| nominiert. Scalzis „Krieg der Klone“ musste gegen Werke etablierter Autoren wie George R. R. Martin, Charles Stross und Ken MacLeod antreten und sich nur dem überragenden [„Spin“ 2703 von Robert Charles Wilson geschlagen geben.

Die Abenteuer von „Krieg der Klone“ waren nur der Anfang, die Fortsetzung [„Geisterbrigaden“ 4467 gab Einblick in die Denkweise der gezüchteten Spezialeinheiten und der Kolonialen Union, deren ambivalente Rolle als selbsternannter Beschützer der Menschheit und gleichzeitige Ursache vieler Animositäten mit außerirdischen Rassen in dem abschließenden Band „Die letzte Kolonie“ kulminiert. So verspricht es der Autor, allerdings greift er in dem noch nicht übersetzten „Zoe’s Tale“ die Geschichte der letzten Kolonie aus der Sicht Zoes auf. Mit Perry und Sagan hat er nach eigener Aussage aber abgeschlossen, mit seinem von postmodernen Ideen geprägten Koloniale-Union-Universum scheinbar noch nicht. Als Bonusmaterial bietet „Die letzte Kolonie“ die Kurzgeschichte „Sagans Tagebuch“, die Jane Sagans Leben im Anschluss an „Geisterbrigaden“ bis zu ihren Abschied von der Spezialeinheit und dem Neuanfang mit John Perry auf Huckleberry beschreibt.

[„Krieg der Klone“ 3677
[„Geisterbrigaden“ 4467

_Der Feind in den eigenen Reihen_

Scalzi führt mit „Die letzte Kolonie“ logisch seine in den Vorgängern entwickelten Gedankengänge zu Ende. Der Bösewicht ist die Koloniale Union, welche die Menschheit bevormundet und sich mit ihrer aggressiven Kolonisationspolitik zahlreiche Feinde geschaffen hat. Dass Roanoke, benannt nach der gleichnamigen ersten englischen Kolonie in der Neuen Welt, die unter bis heute ungeklärten Umständen völlig ausgelöscht wurde, für politische Interessen geopfert werden soll, ist Scalzis Wink mit dem Zaunpfahl, was die Menschheit von der Kolonialen Union zu erwarten hat.

Damit einher geht jedoch auch ein Bühnenwechsel. Nicht mehr nur die Wahrnehmung von Perry, Sagan oder Dirac wie in den vorherigen Bänden treibt die Handlung voran, Scalzi spannt sie jetzt stärker denn je in einen weit größeren politischen Rahmen ein. Dies hat leider einige negative Konsequenzen; so wirken die Problematiken der Besiedlung einer neuen Welt, Streitigkeiten unter den Kolonisten und eine gehörige Medienschelte Scalzis, demonstriert an einem stereotypen Klatsch-Reporter, sehr nebensächlich und aufgesetzt. Der Roman ist eine Aufforderung, sich nur vermeintlich wohlmeinenden Autoritäten zu widersetzen, Freiheit und Demokratie müssen erkämpft werden. Dabei bleibt leider Scalzis Humor ziemlich auf der Strecke, denn er ist eher ein Charakterdarsteller; dieser große Rahmen ist ihm unvertraut, hier kann er nicht so begeistern wie in seinen vorherigen Werken. Etwas störend wirkt mittlerweile sein stark an realen Charakteren orientierter Schreibstil. Die Figuren General Rybicki, Jane Sagan und Zoe sind von einem Bekannten beziehungsweise seiner Frau und Tochter inspiriert. Ich bin nicht wirklich erbaut von dem Gedanken, noch mehr Zoe-Lobhudelei in „Zoe’s Tale“ zu erleben – mir war bereits die bisherige Dosis unangenehm.

Mit dem Verlust der Leichtigkeit und einer eher unbeholfenen Zuwendung zu ernsteren Themen tut sich Scalzi keinen Gefallen. Zwar ist „Die letzte Kolonie“ immer noch eine sehr unterhaltsam und kurzweilig erzählte Geschichte, die persönlichere, charakterbezogene Note der ersten beiden Scalzi-Romane fehlt mir jedoch sehr. Die Handlung ist in Gegensatz zu diesen recht vorhersehbar und politisch (in-)korrekt, es fehlt ein wenig an Überraschungen. Leider ist dieser Roman nur ein relativ unspektakulärer Abschluss der von Scalzi in den Vorgängern entwickelten Andeutungen über die Koloniale Union.

_Bonus: Sagans Tagebuch_

Zeitlich zwischen „Geisterbrigaden“ und „Die letzte Kolonie“ angesiedelt, schreibt Scalzi ein Tagebuch Jane Sagans, in Form von Auszügen gespeicherter Daten ihres BrainPals, das uns unmittelbar an ihren persönlichen Gedanken teilhaben lässt. Die Kurzgeschichte (ca. 60 Seiten) erhielt ein verhaltenes Echo, sie wurde sowohl kostenfrei im Internet als auch als Vollpreis-Hardcover auf dem amerikanischen Markt angeboten. Dass |Heyne| sie als Bonusmaterial liefert, ist zu begrüßen, als eigenständiges Produkt oder als Teil einer Kurzgeschichtensammlung hätte sie wohl keinen Platz auf dem deutschen Markt gefunden.

Leider ist die Geschichte selbst nicht überzeugend. Thematisch hat Scalzi die Problematik der fehlenden Jugend der gezüchteten Spezialeinheit-Soldaten bereits mit Jared Dirac in „Geisterbrigaden“ wesentlich differenzierter dargestellt, zumal der Charakter Jane Sagan hier ganz anders als in „Geisterbrigaden“ erscheint. Ich sehe ihre plötzliche extreme Emotionalität eher als Widerspruch denn als Bereicherung des Charakters Jane Sagan, den Scalzi in meinen Augen so eher demontiert und verwässert.

_Fazit:_

Bei aller Kritik, Scalzi ist immer noch ein hervorragender Schriftsteller, der zu unterhalten versteht. Leider hat er seine bisherige Façon bekömmlicher und zeitgemäß angepasster Heinleinesker Science-Fiction diesmal zugunsten einer politisierenderen, globaleren Sicht der Dinge aufgegeben. Schade, denn so kommen seine Stärken, die in Charakterisierung und Humor liegen, leider nicht zum Tragen. Thematisch hat wohl auch Scalzi erkannt, dass sein simples Credo der Beschränktheit des Wissens auf die eigene Perspektive, während verborgene Mächte im Hintergrund agieren und Autoritäten meistens nur das eigene Wohl im Blick haben, mittlerweile ausgelutscht ist. So ist „Die letzte Kolonie“ ein runder Abschluss für Scalzis Abenteuer mit Perry und Sagan, der sich gegen Heinleinschen Imperialismus und Kolonialismus wendet. Allerdings ist das nicht überraschend, denn Scalzi hat das bereits getan, nur auf humorvollere Weise. Ein konsequentes Finale, gelungen, dennoch leider ein wenig fade.

|Originaltitel: The Last Colony
Übersetzt von Bernhard Kempen
Taschenbuch, 476 Seiten|
http://www.scalzi.com/
http://www.heyne.de

Berg, Carol – Tor der Erneuerung (Rai-Kirah-Saga 3)

Band 1: [„Tor der Verwandlung“ 3948
Band 2: [„Tor der Offenbarung“ 4705

_Im Verlauf des letzten Bandes_ hat Seyonne eine Menge schwieriger Entscheidungen getroffen, immer in der Hoffnung, damit die Welt zum Guten zu verändern. Inzwischen aber scheint es, als hätte er so ziemlich alles vermasselt! Er hat furchtbare Alpträume, die immer wiederkehren, und der schlimmste von ihnen hat nichts mit all den Gräueln zu tun, die er in seinem Leben gesehen hat, sondern vielmehr mit einer Zukunft, die er mehr als alles andere fürchtet. Außerdem verliert er auch tagsüber immer wieder die Kontrolle über sich selbst, sodass die Pflegemutter seines Sohnes es kaum noch wagt, ihn in die Nähe des Jungen zu lassen.

Als wäre das alles noch nicht schlimm genug, schickt ihm die Heged der Hamrashi einen Meuchelmörder auf den Hals, und Seyonne muss schon bald erkennen, dass die Hamrashi es nicht allein auf ihn abgesehen haben. Ihr Angriff gilt vor allem Aleksander. Hin- und hergerissen zwischen seinem Bedürfnis, Aleksander zu schützen, und dem Drang, die Ursache seines Alptraumes zu bekämpfen, verzettelt sich Seyonne mehr und mehr.

_Wurde der Leser im Vorgängerband_ regelrecht mit neuen Charakteren überflutet, so begegnet er diesmal lediglich zweien, die wirklich von Bedeutung sind:

Die Lady in Grün taucht zunächst nur gelegentlich auf, und offenbar will sie etwas von Seyonne. Aber erst gegen Ende, als Seyonne die letzte Entscheidung treffen muss, gelingt es ihr, mit ihm zu reden und ihm einige ausgesprochen wichtige Dinge zu offenbaren – was es für Seyonne aber nicht unbedingt leichter macht.

Nyel ist ein alter Mann mit graumeliertem Haar und tiefgründigen blauschwarzen Augen, von einnehmendem Äußeren, sehr zivilisiertem Benehmen und ausgesprochen ausgeprägter Anteilnahme an Seyonne. Er verhält sich ihm gegenüber nicht nur höflich, sondern ausgesprochen freundlich, ja, er scheint sogar echte Zuneigung für ihn zu empfinden und bietet ihm an, ihn im Gebrauch neuer Magie zu unterweisen. Das soll der gefürchtete, rachsüchtige, blutrünstige Gott sein, der vor tausenden von Jahren eingesperrt wurde, um die Welt vor endgültiger Vernichtung zu bewahren?

Tatsächlich hat die Autorin mit Nyel einen faszinierenden Charakter geschaffen – intelligent, vielschichtig und unergründlich, und trotz der Tragik, die ihn umgibt, niemals kitschig oder schmalzig. Das ist ausgesprochen gut gelungen. Die Lady ist nicht ganz so intensiv ausgearbeitet; weit wichtiger als ihre Person sind die Informationen, die Seyonne von ihr erhält.

Auch Seyonne macht in diesem Band eine erstaunliche Wandlung durch, allerdings nicht ganz von allein. Grob gesagt besteht das Buch aus dem Duell zwischen Seyonne und Nyel, sogar bereits zu einem Zeitpunkt, als noch keiner der Beteiligten, weder Charaktere noch Leser, dies überhaupt realisieren. Ganz allmählich baut die Autorin diesen Kampf auf, während es noch so scheint, als läge das Hauptaugenmerk im Augenblick noch auf Aleksanders Bemühungen, seinen Thron zurückzugewinnen. Erst als Seyonne Aleksander verlässt, um nach Kir’Navarrin zu gehen, wendet sich die Aufmerksamkeit der eigentlichen Thematik zu, aber selbst jetzt gelingt es der Autorin noch, die Verstärkung des Konflikts unter der Decke zu halten. Was die Falle so subtil macht, ist die Tatsache, dass Nyel Seyonne offenbar überhaupt nicht bekämpfen will. So kommt es, dass Seyonne das subtil geknüpfte Netz erst bemerkt, als der Leser schon längst ausgesprochen misstrauisch geworden ist!

Überraschend ist auch, wie die Autorin den Konflikt letztlich auflöst, unerwartet und gleichzeitig ohne irgendeiner der Figuren ihre Menschlichkeit zu nehmen.

_Spannung im herkömmlichen Sinne_ ist in diesem letzten Band des Zyklus mit Abstand am wenigsten zu spüren. Die gelegentlichen Scharmützel, die Aleksander auf seiner Suche nach Verbündeten ausficht, sind recht schnell abgehandelt, und die Verfolger, die der Thronräuber ihnen hinterherschickt, werden meist ohne größere Probleme ausgetrickst. Was nicht heißen soll, dass Aleksanders Flucht keine Opfer fordern würde. Aber das Hauptgewicht der Geschichte liegt auf Seyonnes Kampf mit seinen eigenen Ängsten und Befürchtungen und natürlich seinem Widersacher in Kir’Navarrin. Da es sich dabei um keinen bewaffneten Kampf handelt oder auch nur um ein offenes Duell Willen gegen Willen, bleibt die Gefahr sehr unterschwellig. Selbst der Leser, der schon recht bald misstrauisch wird angesichts von Seyonnes ungewöhnlichem Verhalten, ist sich nicht wirklich sicher, welche Maßnahmen Nyel letztlich ergreifen wird, um sein Ziel zu erreichen, bis es eigentlich schon zu spät ist.

Trotzdem fand ich das Buch nicht langweilig. Seyonnes Entwicklung, die faszinierende Persönlichkeit Nyels und die klischeefreie Auflösung der Geschichte machen das Buch allemal lesenswert. Seyonne ist zwar auch diesmal wieder mehr verwirrt als bei klarem Verstand, was erneut die besondere Stimmung zwischen ihm und Aleksander aus Band eins stark einschränkt. Trotzdem kann der Abschluss der Trilogie, wenn schon nicht mit ihrem Auftakt, so doch zumindest mit ihrem Mittelteil problemlos mithalten.

_Carol Berg_ schreibt ihre Bücher nebenbei. Hauptberuflich ist die studierte Mathematikerin und Computerwissenschaftlerin als Software-Entwicklerin bei |Hewlett Packard| tätig. „Tor der Verwandlung“ ist der erste Band der Trilogie |Rai-Kirah| und ihr erstes Buch überhaupt. Seither hat sie den vierbändigen Zyklus |The Bridge of D’Arnath| geschrieben sowie einen Zweiteiler und die Romane „Song of the Beast“ und „Unmasking“, der im November neu auf den Markt kommt. Nahezu alle ihre Bücher haben irgendeinen Preis gewonnen. Eine beachtliche Leistung für eine Hobby-Autorin.

|Originaltitel: The Rai-Kirah-Saga 3: Restoration
Ins Deutsche übertragen von Simone Heller
733 Seiten
ISBN-13: 978-3-442-24363|
http://www.blanvalet-verlag.de/
http://www.sff.net/people/carolberg/

Sohn, Amy – Sex and the City

Carrie Bradshaw, Miranda Hobbes, Charlotte York und Samantha Jones sind die Heldinnen meiner Endzwanziger. Die vier verkörpern wahre Freundschaft unter Frauen – ganz ohne den viel zitierten Zickenkrieg, aber natürlich nicht ohne Männer, nicht ohne Mode und natürlich nicht ohne Sex. Mit ihnen zusammen habe ich viele Stunden vor dem Fernseher verbracht, habe mit ihnen gelitten, mich mit ihnen gefreut und mich mit ihnen verliebt. Und wer wie ich einen dicken Kloß im Hals hatte, als Carrie am Ende von Staffel sechs die alles entscheidende SMS von Mr. Big bekommen hat, in der wir erstmals seinen wahren Namen lesen konnten, der dürfte sich ebenso sehr auf den Film gefreut haben, der in diesem Sommer nun endlich unsere Kinos geentert hat. Pünktlich zum Kinostart erschien bei |Schwarzkopf & Schwarzkopf| das Buch zum Film, das mit zahlreichen Hochglanzfotos aufwarten kann und den Fan viele Filmszenen nochmals Revue passieren lässt.

_Hochzeit mit Hindernissen_

Carrie ist immer noch glücklich mit ihrem Mr. Big. Zusammen suchen sie in New York ein Apartment, doch das stellt sich genauso schwierig heraus wie die Suche nach der Liebe. So sind sie gespannt auf die 33. Wohnung, die sie sich ansehen, doch auch die ist ein echter Reinfall. Aber im gleichen Haus ist noch eine weitere Wohnung frei, das Penthouse. Und genau dort fühlt sich Carrie wie im Immobilienhimmel. Die Wohnung ist ihr absoluter Traum und hat nur einen einzigen Haken: einen winzigen Kleiderschrank! Doch Big verspricht ihr, die Finanzierungsprobleme zu lösen und ihr einen größeren Kleiderschrank zu bauen.

Als Carrie ihren langjährigen Freundinnen von der traumhaften Wohnung erzählt, kommen ihr Zweifel, denn was passiert, wenn die Beziehung doch scheitert und sie aber ihre eigene Wohnung aufgegeben hat? Diese Zweifel unterbreitet sie abends beim gemeinsamen Kochen ihrem „alten Freund“ Big. Und schneller als Carrie je gedacht hätte, beschließen die beiden, dann eben zu heiraten. Damit beginnen die großartigen Planungen zur Hochzeit des Jahres. Carrie wird eingeladen zu einem Brautmodenshooting für die |Vogue|. Eigentlich wollte sie ja in einem ganz schlichten Kostüm aus dem Second-Hand-Laden heiraten, doch dann verliebt sie sich in ein Kleid von Vivienne Westwood, das ihr die Designerin auch tatsächlich schenkt. Carrie schwebt auf Wolke neun. Doch wovon sie nichts ahnt: In Big keimen die ersten Zweifel, ob es wirklich noch um die beiden geht oder nur um ein großes Event. So kommt es, wie es kommen muss: Der Tag der Hochzeit ist gekommen, doch wer nicht kommt, ist Big …

Aber auch Carries Freundinnen haben einiges durchzumachen: In Mirandas Ehe ist eigentlich alles in Butter – dachte sie zumindest, bis Steve sich beschwert, dass sie schon seit Monaten nicht miteinander geschlafen haben. Das wiederum war der erfolgreichen Karrierefrau gar nicht bewusst. Doch es kommt noch schlimmer: Bald darauf gesteht Steve ihr einen Seitensprung. Daraufhin zieht Miranda kurz entschlossen mit dem gemeinsamen Sohn Brady aus. Auch bei Samantha regen sich erste Zweifel, ob die Beziehung mit Smith noch das Richtige ist für sie. In ihrem Leben, das früher nur auf sie fixiert gewesen ist, dreht sich seit Jahren alles nur noch um ihren Freund. Das schmeckt ihr gar nicht, zumal ihr gutgebauter Nachbar jede Nacht mit einer (oder zwei) anderen Frau(en) im Bett landet. Nur bei Charlotte ist noch keine Gewitterwolke am Ehehimmel aufgezogen, ganz im Gegenteil – das Schicksal hält eine wundervolle Überraschung für sie parat …

_Von Kopf bis Fuß in Liebe eingehüllt_

Auf rund 180 Seiten kann der Leser den gesamten Film und in stark verkürzter Form auch die sechs Staffeln von SATC Revue passieren lassen. Zunächst bekommen wir zwei Vorworte zu lesen – eins vom Drehbuchautor Michael Patrick King, der die Entstehung des Drehbuchs schildert, und eins von Sarah Jessica Parker höchstpersönlich, die ihre Vorbereitungen auf den Filmdreh beschreibt. Anschließend geht es um die Entstehungsgeschichte des Filmes, wir erfahren, wie die extravaganten Brautkleider für Carries |Vogue|-Shooting ausgewählt wurden, welche Schwierigkeiten es gab, an Carries Schreibtisch und diverse Outfits zu gelangen, und wir können lesen, wie Fans und Journalisten die Dreharbeiten lahmgelegt und die Filmemacher versucht haben, möglichst viel vom Film geheimzuhalten.

Nach dieser kurzen Einstimmung geht es direkt in die Handlung. Zu jeder Staffel der Serie gibt es einen einseitigen Abriss mit ausgewählten Fotos. Der natürlich größte Teil des Buches widmet sich aber ausführlich dem aktuellen Kinofilm (Achtung an alle Fans: Wer den Film noch genießen möchte, sollte |erst| den Film schauen und dann das Buch lesen). Viele DIN-A4-große Hochglanzfotos zeigen die schönsten Szenen des Filmes. Ergänzt werden die Fotos von einem kurzen Text, der beschreibt, was in der jeweiligen Szene geschieht. Außerdem gibt es dort einige Eindrücke der Schauspielerinnen, des Drehbuchautors oder der Kostümdesigner zu lesen, die interessante Hintergrundinfos zu bieten haben. In den Texten finden sich zwar viele Dinge, die man aus dem Film schon kennt, dennoch sind hier auch viele kleine und nette Details zu entdecken, die mir im Kino entgangen waren. So malt Carrie in Lilys Bilderbuch die Schuhe von Cinderella blau aus – ein Hinweis auf die blauen Manolos, die in ihrem überdimensionalen Schuhschrank im Penthouse stehen und am Ende des Filmes noch eine große Rolle spielen. Oder wir erfahren, dass Sarah Jessica Parker sich in einen Gürtel – der den Spitznamen Roger erhält – so sehr verliebt hat, dass sie ihn gleich in mehreren Szenen und zu mehreren Outfits (insgesamt trägt sie 80 während des Filmes!) trägt, bis man ihn ihr wegnimmt …

Was mir besonders gut gefallen hat, sind die schönsten Zitate des Filmes („Ewig dein. Ewig mein. Ewig uns“); hier kann man sich nochmal bestens an die Filmszenen erinnern und im Gedächtnis die ganzen Szenen durchspielen – herrlich! Durch das Buch habe ich nun noch mehr schöne Zitate im Kopf als nach dem Kinobesuch.

Merkwürdig fand ich allerdings, dass ich einige Szenen aus dem Buch im Film nicht gefunden habe. Vermutlich sind also nach dem Druck des Buches noch einige Szenen der Schere zum Opfer gefallen! Ich kann mich zum Beispiel definitiv nicht daran erinnern, Charlotte und Harry in Kostümierung gesehen zu haben, und ich denke, Harry als Fester aus der Addams Family hätte man kaum vergessen können, wenn die Szene im Film aufgetaucht wäre. Auch wurden manche Szenen im Buch nicht völlig korrekt beschrieben; so ging Carrie gen Ende des Filmes in das Apartment, um ihre Manolos zu retten, nicht, um Big zu treffen. Doch dies trübt den Gesamteindruck dieses farbenprächtigen und informativen Buches nicht wirklich.

Der Schluss des Buches widmet sich – nach den Männern und der Liebe – dem nächstwichtigen Thema der gesamten Serie, nämlich der Mode. Nach einer kurzen Einleitung, in der wir erfahren, welche Gedanken sich die Kostümdesigner gemacht haben, um die vier Frauen ihrem Alter, ihrem Charakter und ihrer Lebenserfahrung entsprechend passend einzukleiden, und welche Designer alle vertreten sind, findet sich auf den nächsten Seiten für jede der vier Hauptdarstellerinnen eine Fotostrecke, auf der all die Outfits aus dem Film mit Angabe der jeweiligen Designer zu sehen ist. Für mich nicht unbedingt interessant, da ich nicht vorhabe, auch nur eines der Teile nachzukaufen, dennoch nett anzusehen, zumal ich gestehen muss, dass ich mich an viele der Kleidungsstücke gar nicht erinnern kann – zum Teil, weil sie auch nur sehr, sehr kurz zu sehen sind. Und last but not least sind die Schauplätze des Drehs mit kurzer Beschreibung aufgeführt – ein Detail, das mir beim geplanten USA-Besuch im kommenden Jahr sicherlich nützlich sein wird, um zumindest den einen oder anderen Ort aufsuchen zu können.

_Ewig Sex and the City_

Insgesamt ist dies ein absolutes Must-have für Fans. Wer den Film gesehen hat und sich nochmal die wichtigsten Szenen in Erinnerung rufen möchte, ist hier genau richtig. In Hochglanzqualität können wir die vier Hauptdarstellerinnen nochmals bei ihren turbulenten Unternehmungen begleiten und ganz in Ruhe auf jedes Detail achten. Ich werde das Buch sicherlich noch häufig durchblättern, um die Zeit bis zum Erscheinen der DVD des Filmes zu überbrücken. Klare Kaufempfehlung!

http://www.schwarzkopf-schwarzkopf.de
http://www.hbo.com/city/

SIMONE BUCHHOLZ – Revolverherz

Simone Buchholz, leidenschaftliche Wahlhamburgerin, ist keine Unbekannte. Sie hat als Redakteurin gearbeitet und bereits mehrere Sachbücher verfasst oder mitgeschrieben. Nun wagt sie sich an ihr Romandebüt, wobei sich zwischen ihr und ihrer Heldin Chastity Riley ein paar Parallelen erkennen lassen. Beide haben ihre jungen Jahre in Hanau verbracht und sind später an die Elbe gezogen. Noch etwas scheinen sie zu teilen: den Enthusiasmus für den Stadtteil St. Pauli. Das sollte spätestens dann klar geworden sein, wenn man „Revolverherz“ zuschlägt.

Chastity Riley ist Staatsanwältin und die Ich-Erzählerin der Geschichte. Sie ist gerade in einen besonders widerlichen Fall verwickelt. Im Hafen wurde eine junge Frau gefunden, erdrosselt und nackt. Auf ihrem Kopf thront eine blaue Perücke, sie wurde skalpiert. Chastity und dem alten, väterlichen Kommissar Faller wird schnell klar, dass sie es hier nicht mit einem normalen Mörder zu tun haben. Sie setzen alles daran, um die Ermittlungen voranzutreiben. Chas, die im Herzen von St. Pauli wohnt, hört sich dort auf eigene Faust um, weil die Tote im Stripclub „Acapulco“ auf dem Kiez getanzt hat. Dabei holt sie sich ihren Nachbarn, den ehemaligen Kleinkriminellen Klatsche zur Hilfe, der ihr, obwohl deutlich jünger als sie, eindeutige Avancen macht.

Wenig später finden sie eine zweite Leiche, ebenfalls Stripperin im „Acapulco“ und blutjung. Es gibt keine Verbindung zwischen den beiden Opfern. Anscheinend mordet der Täter wahllos, was die Ermittlungen nicht unbedingt leichter macht. Chas, Faller und ihre Kollegen haben ganz schön zu tun. Nebenbei hat Chas auch noch ihr Privatleben in Einklang zu bringen: Ihre Vergangenheit jagt sie, ihre Freundin Carla möchte sie erst mit einem älteren Herren verkuppeln und ist dann auf einmal verschwunden, Klatsche benimmt sich wie ein liebestoller Hengst und der FC St. Pauli verliert wie immer. Gerade in dem Moment, als der jungen Frau alles über den Kopf zu wachsen scheint, muss sie feststellen, dass der Fall vielleicht mehr mit ihrem Leben zu tun hat, als sie glaubt …

Wäre dies nicht der Fall gewesen, hätte es auch sehr gewundert. Chastity steht für einen Krimi sehr stark im Vordergrund. Das ist logisch, schließlich wird aus ihrer Erzählperspektive erzählt. Die Autorin verwendet allerdings zusätzlich Zeit darauf, das Privatleben der Staatsanwältin auszuleuchten. Das gelingt ihr sehr gut. Chastity ist interessant und gut ausgearbeitet und wirkt stellenweise wie eine kühlere, erfolgreichere Bridget Jones – und das ist ein positiver Vergleich! Chas ist umwerfend ironisch, kantig und voller Widersprüche. Sie hat düstere, schmerzhafte Geheimnisse, die sie dem Leser nicht vorenthält, und begeht viele Fehler, was sie menschlich erscheinen lässt. Hinzu kommt, dass sie nicht so einfach einem der existierenden Literaturklischees von Frauen zugeordnet werden kann. Sie ist keine Witzfigur aus einem Frauenroman, für die taffe Anwältin ist sie zu verletzlich und für die Karrierefrau trinkt sie zu viel Bier und mag Fußball zu sehr.

Die anderen Figuren im Buch sind amüsant und gut ausgearbeitet, lehnen sich aber zumeist an Klischees vom Kiez oder der Krimiliteratur an. Dass dies nicht störend wirkt, ist der Autorin hoch anzurechnen und hängt damit zusammen, dass sie trotzdem jeder Figur eine eigene Note zu verleihen weiß. Klatsche beispielsweise ist auf der einen Seite das Schlitzohr, hat aber auf der anderen Seite ein goldenes Herz und versucht, sein Geld mittlerweile legal zu verdienen – mit einem Schlüsseldienst, naheliegend für einen ehemaligen Einbrecher.

So viel Positives lässt sich über die Handlung nicht berichten. Die wirkt aufgrund Chastitys Dauerpräsenz häufig wie die Zweitbesetzung, was nicht unbedingt ein Fehler sein muss. Allerdings macht die Autorin den Fehler, es mit den düsteren Erinnerungen von Chas ein wenig zu übertrieben. Häufig wirken diese deplatziert und die Nähe zum Kriminalfall ist an einigen Stellen fraglich, was dem Buch ein paar Längen beschert. Des Weiteren lässt sich Buchholz‘ Lokalkolorit kritisieren. Wer nicht gerade in Hamburg wohnt, wird mit vielen ihrer Beschreibungen nur wenig anfangen können. Da sie wirklich ständig auf den besonderen Merkmalen der Stadt herumreitet, geht dem Leser Hamburg nach einer Weile auf die Nerven und Chastitys Liebe zur Elbstadt wird stellenweise unrealistisch. Ähnliches gilt für die Handlung, die nicht nur durch diesen Füllstoff gestört wird. Insgesamt ist der Kriminalfall, den es zu lösen gilt, nicht wirklich innovativ. Das Rotlichtmilieu mit seinen skurrilen Gestalten – sei es in Hamburg, Berlin oder in jeder anderen, größeren Stadt dieser Welt – ist immer wieder gerne ein Ansatzpunkt für Geschichten. Simone Buchholz schafft es nicht, ihre Handlung so zu zeichnen, dass sie eigenständig wirkt. Man glaubt nicht nur, Ähnliches schon einmal gelesen zu haben, sondern kann sich auch des Eindrucks nicht erwehren, dass es hier an Spannung fehlt. Es fällt schwer, eine Spannungskurve auszumachen; vielmehr wirkt die Geschichte stellenweise wie eine Aneinanderreihung verschiedener Ereignisse und einiger Zufälle, die in der Summe doch ein bisschen zu häufig auftreten.

Das Buch ist im Präsens geschrieben, was bereits auf der ersten Seite für hochgezogene Augenbrauen sorgt. An diesem Erzähltempus sind schon ganz andere Autoren gescheitert. Häufig wirkt es holprig und verhindert das Aufkommen einer gewissen Atmosphäre. Bei „Revolverherz“ ist der Fall ähnlich gelagert. Der Krimi lässt sich, besonders am Anfang, nicht wirklich flüssig lesen und scheint zu ‚eiern‘. Buchholz überspielt dies allerdings recht erfolgreich mit den anderen Komponenten ihres Schreibstils, die da vor allem ihr Humor und ihre Ironie wären. Sie kann richtiggehend boshaft-bissig sein und ihr feiner, schwarzer Humor sorgt dafür, dass sie nie in die Nähe des seichten Frauenromanwitzes kommt. Sie schöpft aus einem breiten, alltäglichen Wortschatz, der auch den einen oder anderen vulgären Ausdruck enthält und manchem Leser vielleicht schon wieder zu flapsig sein wird.

Als Fazit lässt sich sagen, dass Simone Buchholz‘ belletristisches Debüt gute Ansätze zeigt, aber die eine oder andere Schwäche aufweist. Diese finden sich vor allem bezüglich der Handlung, die gerne etwas straffer und besser konstruiert sein dürfte. Die Figur der Chastity Riley ist dagegen sehr interessant und auch der Schreibstil hat seine guten Seiten.

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