Abraham, Daniel – Winter des Verrats (Die magischen Städte 2)

Die magischen Städte:

Band 1: Das Drachenschwert“
Band 2: „Winter des Verrats“

Zwölf Jahre sind seit den Ereignissen in „Sommer der Zwietracht“ vergangen. Otah hat nach einigen Jahren auf See und auf den Inseln beim Haus Siyanti in Udun als Kurier angefangen und kommt so quasi in der ganzen Welt herum. So landet er unvermeidlich eines Tages auch in seiner Geburtsstadt Machi, und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als seine drei ältesten Brüder beginnen, um die Nachfolge ihres sterbenden Vaters zu kämpfen …

Kurz zuvor wird auch Maati nach Machi geschickt. Offiziell soll er die dortige Bibliothek nach einer besonderen Grammatik durchsuchen. Der wahre Auftrag des Dai-kvo aber lautet, Otah zu finden. Denn da Otah sich als Junge der Laufbahn als Dichter ebenso wie der Brandmarkung entzogen hat, könnte er möglicherweise den Entschluss fassen, Ansprüche auf den Thron des Khai Machi zu erheben …

Dabei ist Otah gar nicht die wirkliche Bedrohung. Jemand anderer greift nach der Macht, unmittelbar vor der Nase aller Beteiligten, und wird aufgrund des Geschlechtes einfach übersehen: Idaan, die Tochter des Khai Machi, ist der Überzeugung, dieselben Rechte zu haben wie ihre Brüder, und fest entschlossen, diese auch gegen alle gesellschaftlichen Regeln durchzusetzen, koste es, was es wolle!

Auch diesmal wird die Handlung durch eine Hand voll Personen getragen. Drei davon sind neu:

Idaan ist eine äußerst rebellische Person. Schon als Kind hat sie sich die unmöglichsten Streiche geleistet, aus Trotz gegen die Beschränkungen ihrer Geburt: Als Mädchen durfte sie nicht zur Schule gehen, und als erwachsene Frau darf sie nicht arbeiten und hat auch sonst keinerlei Möglichkeiten, selbst über ihr Leben zu bestimmen. Idaans Auflehnung wird immer drastischer und überschreitet schließlich nicht nur die Grenzen des Gesetzes. Dabei ist Idaan bei aller zornigen Entschlossenheit und allem Ehrgeiz nicht wirklich skrupellos, im Gegenteil. Am Ende empfindet sie sich selbst als so unerträglich, dass sie daran zu zerbrechen droht.

Adrah ist nicht nur ihr Bräutigam und Verbündeter, er liebt Idaan auch über alle Maßen. Obwohl er zunächst vor dem Ausufern ihrer Pläne wie ein verschreckter kleiner Junge zurückweicht, verhärtet Idaans Untreue ihn so sehr, dass am Ende er derjenige ist, der die Angelegenheit weiter vorantreibt.

Cehmai, der Dichter von Machi, ist ein umgänglicher junger Mann mit einem Hang zur Neugierde. Als er sich in Idaan verliebt, fällt ihm die Beherrschung des Andaten Steinerweicher allmählich immer schwerer. Denn obwohl Steinerweicher im Vergleich zu Samenlos von schlichtem Gemüt und eher ruhigem Naturell ist, wehrt auch er sich vehement gegen die Bindung an Cehmai, auf seine eigene, fast gutmütige Art.

Otah, der in Saraykeht unter dem Namen Itani gelebt hat, ist ziemlich der Alte geblieben. Noch immer ist er ein freundlicher, umgänglicher Kerl, der leicht Kameradschaft schließt, noch immer ist er anspruchslos und frei von jeglichem Ehrgeiz. Und noch immer hat er sein Leben nicht so auf die Reihe bekommen, wie er sich das wünscht. Es scheint, als wäre es ihm unmöglich, sich endgültig von seiner Herkunft zu befreien, und als er den Umständen schließlich nachgibt, geschieht es fast widerwillig.

Maati dagegen hat sich sehr verändert. Seine Naivität ist großteils einer Mischung aus Enttäuschung und Schuldgefühlen gewichen. Der Dai-kvo hat ihn geradezu degradiert, weil Maati Liat und ihr Kind nicht aufgeben wollte, was letztlich dazu führte, dass Liat sich von Maati getrennt hat. Maati betrachtet sich sowohl in weltlicher als auch in dichterischer Hinsicht als Versager, dabei ist er weder dumm noch unfähig. Es ist nur so, dass Maati ein freundliches Herz und einen stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn besitzt, was ihn immer wieder in Konfrontation mit den Forderungen des Dai-kvo bringt.

Die Charakterzeichnung ist wieder sehr gut ausgefallen. Auch in diesem Band hat der Autor jegliche Schwarz-Weiß-Malerei vermieden. Das zeigt sich vor allem in der Person von Idaan, die zur Abwechslung mal nicht zur emanzipierten Powerfrau geraten ist, sondern an ihrem inneren Konflikt zwischen Freiheitsdrang und Gewissen scheitert.

Die Handlung dreht sich erneut vor allem um Intrigen. Wie in Saraykeht sind auch hier die Galten mit im Spiel; sie wollen ein Manuskript aus der Bibliothek und versprechen dafür im Gegenzug Idaan und Adrah Unterstützung im Kampf um den Thron des Khai. Insgesamt gesehen verbleiben die Galten aber eher am Rande, und um was für ein Manuskript es da geht, wird nicht verraten. Offenbar hat der Autor sich dieses Detail für den nächsten Band aufgehoben.

Im Mittelpunkt stehen vor allem Idaan und ihre komplizierten Beziehungen zu Adrah und Cehmai, sowie Maati, der zu beweisen versucht, dass nicht Otah hinter all den Intrigen in Machi steckt, und das selbst entgegen der Anweisung des Dai-kvo. Dass sich in diese Angelegenheit auch noch eine Partei eingemischt hat, von der er gar nichts weiß, macht es für ihn nicht einfacher.

Mit anderen Worten, es ist alles genauso verwickelt wie beim ersten Band, nur wird es diesmal ein gutes Stück spannender, denn der Autor setzt die Lösung der ganzen Angelegenheit zeitlich unter Druck. Die Verzahnung der verschiedenen Beziehungen und Zusammenhänge war geschickt gemacht, sodass das Buch insgesamt eine wirklich runde Sache geworden ist, eine Einheit ohne Brüche und Knicke.

Der magische Aspekt wurde allerdings immer noch ein wenig stiefmütterlich behandelt. Vielleicht ändert sich das ja, wenn sich im nächsten Band herausstellen sollte, was an dem Manuskript so interessant war, dass die Galten solche Anstrengungen unternommen haben, um es in die Finger zu bekommen.

Bleibt zu sagen, dass mir der zweite Band besser gefallen hat als der erste. Er hatte zwar nicht mehr magischen Zauber als der erste zu bieten, dafür hat sich der Spannungsbogen tatsächlich gestrafft und auch das Erzähltempo hat sich, zumindest gegen Ende, ein Stück gesteigert. Dennoch bleiben die Charakterzeichnung und die Verwicklungen der Intrige die Hauptträger der Geschichte, was ja nicht unbedingt schlecht ist. Wer sich dagegen mehr fürs Monumentale begeistert oder Wert auf fantastische Ausschmückung legt, der sollte besser zu einer anderen Lektüre greifen.

Daniel Abraham lebt mit Frau und Tochter in New Mexico. Bevor er seinen ersten Roman „Sommer der Zwietracht“ verfasste, hat er eine Vielzahl von Kurzgeschichten in Magazinen und Anthologien veröffentlicht, sowie den Kurzroman „Shadow Twin“ in Zusammenarbeit mit Gardner Dozois und George R. R. Martin. Seine Kurzgeschichte „Flat Diane“ wurde für den Nebula Award nominiert. Die Fortsetzung des Zyklus Die magischen Städte, „An Autumn War“, wurde für Juli 2008 angekündigt, der deutsche Erscheinungstermin steht noch nicht fest.

Paperback, 448 Seiten
Originaltitel: The Long Price Quartet 2. A Betrayal in Winter
Aus dem Amerikanischen von Andreas Heckmann
ISBN-13: 978-3-442-24447-8

http://www.danielabraham.com/
www.randomhouse.de/blanvalet

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Feist, Raymond E. / Oeming, Michael / Glass, Bryan – Lehrling des Magiers, Der (Midkemia-Saga 1)

Mit Raymond E. Feists „Der Lehrling des Magiers“ veröffentlicht |Panini Comics| ein weiteres Bruchstück aus seinem wachsenden Fantasy-Segment. Darin geht es um Freundschaft, Lehrjahre und die erste große Liebe. Aber Drachen und Trolle kommen auch vor, keine Sorge.

|Panini| gilt gemeinhin als Verlag der Superhelden. Batman, Superman, Spider-Man und die Fantastischen Vier verlassen dort jeden Monat Hand in Hand die Druckerpresse, frisch verpackt und eingeschweißt, bereit und versandfertig für den Kiosk. Wer jedoch genauer hinsieht, stellt fest, dass |Panini| noch mehr als Superhelden zu bieten hat. Mittlerweile beackert der Verlag eine ganze Reihe unterschiedlicher Segmente. Neben den Helden in Strumpfhosen erscheinen dort auch Comics zu Filmen und Fernsehserien („Star Wars“, „Buffy“), zu Computer- und Rollenspielen („Silent Hill“, „Hellgate“, „Warhammer 40.000“) sowie jede Menge Literatur für adoleszentes Publikum („Criminal“, „Sandman“, „DMZ“). Von der riesigen Auswahl an Mangas einmal ganz zu schweigen.

Ein weiteres, kontinuierlich von |Panini| erschlossenes Segment sind Fantasy-Comics. Als Vorlage solcher Comics dienen Romane, die sich in der Vergangenheit bereits erfolgreich ein Publikum erobert haben. „Dragonlance“, „Elric“ und „Conan“ zum Beispiel sind seit langer Zeit Fixsterne am Himmel der Fantasy-Literatur, und es ist zu erwarten, dass eingefleischte Fans der Romanvorlagen auch bei den Comics zugreifen werden.

Mit Raymond E. Feists „Der Lehrling des Magiers“ befinden wir uns mittendrin. |Panini|s Fantasy-Comics wenden sich weniger an ein erwachsenes, sondern eher an ein jugendliches Publikum. So auch die Geschichte um die beiden Freunde Pug und Tomas. Sie wachsen zusammen auf Schloss Crydee in dem fantastischen Reich Midkemia auf. Als es Zeit wird, einen Lehrmeister zu suchen und eine Ausbildung anzufangen, kommt der athletische Tomas bei dem Schwertmeister Fannon unter. Er wird zu einem Krieger herangezogen und im Umgang mit der Klinge trainiert. Pug hingegen geht bei dem Meistermagier Kulgan in die Lehre und zeigt dort einiges Geschick und Talent. Die Freundschaft und die Lehrzeit der beiden Jungen bilden einen wichtigen Teil der Geschichte. Später kommen noch andere Momente hinzu, beispielsweise Pugs Gefühle für die schöne Prinzessin Carline oder eine Bedrohung aus einer anderen Dimension.

An die Grenzen des durch Comics Erfahrbaren führt dieser Comic sicherlich nicht. Ihm haftet eben jene merkwürdige Sperrigkeit an, die häufig entsteht, wenn ein Roman zu einem Comic umgeschrieben wird. Die Figuren sind ein wenig zu glatt und konturlos, zwar unterscheidbar, aber eben doch noch zu nah am Klischee, um frisch und lebendig zu wirken. Sieht man von dieser grundlegenden Schwäche der Charakterisierung und der Atmosphäre einmal ab, funktioniert „Der Lehrling des Magiers“ bemerkenswert gut. Die verschiedenen Handlungsebenen greifen gut ineinander, und trotz der Fülle von Nebenfiguren behält der Leser die Übersicht. Optisch macht außerdem die erste Hälfte von Brett Booth einiges her. (Die zweite Hälfte des Bandes von Ryan Stegman fällt hingegen etwas schwächer aus.)

Thematisch ist „Der Lehrling des Magiers“ ein Comic für Jugendliche. Es geht um Aufbruch und Lehrzeit, um die Fragen, wer man ist und wohin man im Leben gehört. Durchmischt wird das Ganze mit Miniaturdrachen, Trollen, Feuerbällen und Elfen. Ein innovativer Comic ist das nicht. Aber es ist solide Fantasy, die ja schon immer gerne etwas konservativ daherkam.

http://www.paninicomics.de

_Raymond E. Feist auf |Buchwurm.info|:_

[„Der Lehrling des Magiers“ 864 (Die Midkemia-Saga 1)
[„Der verwaiste Thron“ 866 (Die Midkemia-Saga 2)
[„Der Dieb von Krondor“ 566 (Die Legenden von Midkemia 3)
[„Die Kelewan-Saga I“ 861
[„Der Sklave von Midkemia“ 881 (Kelewan-Saga 3)
[„Zeit des Aufbruchs“ 888 (Kelewan-Saga 4)
[„Die schwarzen Roben“ 896 (Kelewan-Saga 5)
[„Tag der Entscheidung“ 899 (Kelewan-Saga 6)
[„Elfenhügel“ 903

Preuß, Dietmar – Hohenhag (Das Schwarze Auge 96)

_Inhalt_

Hohenhag ist ein kleiner Wehrhof an der Grenze zur Orklandsteppe und damit zum Territorium der Orks. Als diese eines Tages Hohenhag angreifen, entführen sie zwei Kinder: Beolf und Sidra. Die beiden sind fortan gezwungen, als Sklaven der Orkenhorde mit deren Sippe durch die Steppe zu ziehen.

Fünf Jahre später, die beiden sind mittlerweile erwachsen geworden, gelingt ihnen die Flucht. Fortan sinnen sie auf Rache an den Orks und scharen die „Unsichtbare Rotte“ um sich, mit denen sie ihren Heimathof wieder aufbauen und den Orks in Guerillamanier empfindliche Verluste zufügen. Doch ein Schatten hängt über Beolf und Sidra: Die beiden haben sich ineinander verliebt, wissen jedoch nicht, ob sie vermutlich Halbgeschwister sind …

_Meine Meinung_

Dietmar Preuß wendet sich in seinem Roman einer Region Aventuriens zu, die in der DSA-Romanreihe bisher nicht allzu häufig besucht wurde, nämlich dem Orkland und den Orks.

Nachdem im ersten Abschnitt das Leben auf dem Wehrhof Hohenhag beschrieben und die Hauptpersonen eingeführt wurden, erhält man im zweiten Teil des Romans einen interessanten Einblick in das alltägliche Leben einer Orksippe. Dies ist gleichzeitig auch die stärkste Passage des Buches, denn hier nimmt man quasi am täglichen Leben der Schwarzpelze teil und ertappt sich sogar manchmal dabei, Sympathien für den ein oder anderen von ihnen zu entwickeln. Auf der anderen Seite wird aber auch die sehr kriegerische Grundausrichtung und doch recht raue Art der Orks teils recht plastisch geschildert. So gelingt es Preuß sehr gut, zum einen das Klischee des Orks als „Schlachtvieh“ zu umgehen, zum anderen aber auch eine klare Abgrenzung zu den Menschen zu schaffen.

Die Geschichte gewinnt schließlich mit der Flucht der beiden Protagonisten an Tempo. Man bezieht den verlassenen Hof wieder, macht ihn wehrhaft und geht „auf Orkjagd“. Glich die erste Hälfte des Romans noch mehr einer Gesellschaftsstudie, so geht es doch jetzt eher actionlastig zu. Des Weiteren würzen Konfliktsituationen zwischen den Mitgliedern der „Unsichtbaren Rotte“ – hier vor allem zwischen dem „Helden“ Beolf und seinem „Gegenspieler“ Ermenrich – die Geschichte.

Hier zeigen sich allerdings auch die Schwachstellen des Romans. Die Hauptfiguren sind zu stereotyp angelegt, lassen letztendlich eine gewisse Tiefe vermissen. Hier wird mit zu vielen Klischees geliebäugelt, sei es der gemütliche, starke, jedoch etwas tumbe Handwerkerssohn, der seine erste große Liebe verliert, oder der durchtriebene Nebenbuhler des einsamen Helden, der keinen Winkelzug auslässt, um diesem zu schaden und ihm seine Braut auszuspannen. Dadurch wirken die Charaktere austauschbar und sind in ihren Handlungen zu sehr vorhersehbar.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Beschreibung der Liebesgeschichte zwischen den beiden Protagonisten. Die Idee von der eventuellen „verbotenen Liebe“ ist zwar sehr reizvoll und bietet einen interessanten Spannungsbogen, jedoch erinnert die teils recht pornografische Beschreibung dieser Beziehung doch eher an einen Groschenroman und wird dem Anspruch des Romans nicht gerecht.

Alles in allem ist „Hohenhag“ eine sehr interessante Geschichte mit viel Potenzial, das man allerdings weitaus besser hätte ausschöpfen können.

http://www.fanpro.com/

Matheson, Richard – Ich bin Legende (I Am Legend)

Vor knapp einem halben Jahr wurde die Zivilisation ausgelöscht. Eine weltweit wütende Epidemie hat die Menschen in geistlose, blutgierige Vampire verwandelt, die im Schutz der Nacht durch die leeren Städte streifen. In New York scheint nur Robert Neville überlebt zu haben. Er hat sich in seinem Haus verbarrikadiert, denn die Vampire wissen von seiner Existenz. Allabendlich versammeln sie sich um Nevilles Festung und versuchen einzudringen, denn sie gieren nach seinem Blut. Außerdem wollen sie Rache, denn tagsüber, wenn sie hilflos in düsteren Verstecken liegen, macht Neville Jagd auf sie, um sie zu pfählen und zu töten.

Obwohl er sich seiner Haut zu wehren weiß, beginnt Neville unter dem Stress und der Einsamkeit zusammenzubrechen. In seiner Verzweiflung beginnt er sich abzulenken, indem er die Seuche zu entschlüsseln versucht. Viele Rückschläge machen ihm zu schaffen, aber allmählich erkennt er die Natur seiner Gegner. Kann er womöglich ein Gegenmittel entwickeln und die Vampire in Menschen zurückverwandeln?

Als seine Forschungen das theoretische Stadium verlassen, muss Neville sich unter den Vampiren nach geeigneten ‚Versuchskaninchen‘ umschauen. Seine Aktivitäten bleiben keineswegs unbemerkt, denn nicht alle Untoten haben ihre Intelligenz verloren, und sie sind es leid, sich jagen und töten zu lassen …

Gestalt und Wesen des Vampirs waren seit 1897 quasi in Stein gemeißelt. Bram Stoker hatte in [„Dracula“ 3489 das ‚Wissen‘ um die blutrünstigen Wiedergänger aus Jahrhunderten zusammengetragen und scheinbar das letzte Wort gesprochen. An seiner Darstellung orientierten sich die Autoren, die nach ihm Vampirgeschichten schrieben. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts wurde die Erscheinung eines untoten transsilvanischen Edelmanns im Frack und samtrot gefütterten Umhang zunehmend anachronistisch. Zwei Weltkriege stellten nicht nur für Vampire eine Zäsur dar: Vor allem nach 1945 wurde auch das literarische Grauen ungeschminkt und schmutzig.

Richard Matheson versuchte Anfang der 1950er Jahre den Vampir-Mythos zu aktualisieren. Er war damit weder der erste noch der einzige Autor, aber er war so erfolgreich, dass „Ich bin Legende“ zu einem Klassiker wurde, dessen Rang mit „Dracula“ vergleichbar ist. Es mag blasphemisch klingen, doch Matheson ist womöglich der bessere Schriftsteller. Während Stokers Roman sich bei aller Unterhaltsamkeit als strukturschwach erweist, ist „Ich bin Legende“ ein ökonomisch durchkomponiertes Werk ohne Abschweifungen und Ballast. 200 Seiten genügen Matheson, das gesteckte Ziel zu erreichen. Sogar Stephen King, der dem Mythos 1978 mit „Salem’s Lot“ (dt. [„Brennen muss Salem“) 3831 erneut neues Leben einhauchtet, benötigte mehr als den doppelten Seitenumfang.

Die Handlung ist spannend, obwohl Matheson anders als in den Verfilmungen von „Ich bin Legende“ (s. u.) kein besonderes Gewicht auf die Darstellung einer verödeten, menschenleeren Welt legt. Das Geschehen spielt sich vor allem in und um Nevilles zur Festung umgebautem Haus ab. Geschickt bringt Matheson den Untergang der Menschheit in eingeschobenen Rückblicken zur Sprache. Diese bleiben Fragmente, aus denen sich der Leser sein eigenes Bild von den Ereignissen schaffen muss.

Große Mühe macht sich Matheson damit, den Vampir-Mythos ‚wissenschaftlich‘ zu begründen. Er verhehlt dabei nicht die Schwierigkeit, möglicherweise biologische Aspekte – Blutdurst, Sonnenlicht-Phobie, relative Unverwundbarkeit – mit eher psychologischen Elementen – Angst vor dem Kreuz und vor Spiegeln, Tod durch Pfählen, Schlaf in Graberde – in Einklang zu bringen. Mit einigen Tricks gelingt es, doch stellt sich – typisch für Matheson – heraus, dass Neville seine Kenntnisse rein gar nichts nützen.

„Ich bin Legende“ bleibt vor allem auch deshalb im Gedächtnis haften, weil die Vampire die meiste Zeit nur eine Nebenrolle spielen. Im Mittelpunkt steht die Geschichte des letzten Menschen auf Erden. Auch das ist kein Sujet, das Matheson erfunden hätte; schon Mary W. Shelley, die den [„Frankenstein“ 2960 schuf, schrieb 1826 den Roman „The Last Man“ (dt. „Verney, der letzte Mensch“). Die Leiden und Erlebnisse des Robert Neville wurden durch die ernüchternden Erfahrungen des II. Weltkriegs geprägt. Er droht nicht nur an der Einsamkeit zu zerbrechen: Ihn bedrückt auch die ‚Schuld‘ des Überlebenden, der sich fragt, wieso gerade er verschont blieb.

Deutlich angesprochen wird auch der sexuelle Notstand. Er bringt Neville mehrfach in Situationen, die ihn ganz und gar nicht wie einen klassischen Helden wirken lassen; nicht umsonst betont der Verfasser seine seltsame Vorliebe für das Pfählen. Auch fragt sich sogar Neville selbst, wieso er für seine Untersuchungen und Versuche stets weibliche Vampire wählt.

Generell scheut Matheson nie davor zurück, die inneren Nöte Nevilles deutlich werden zu lassen. Er ist ein Mensch mit Schwächen, der sich der Herausforderung stellt, wenn und weil ihm keine Alternative bleibt. Das gelingt nur allmählich. Zunächst benimmt sich Neville zunehmend irrationaler, verfällt zeitweise dem Alkohol, zeigt selbstmörderische Tendenzen. Eine der anrührendsten Szenen zeigt ihn im unermüdlichen Versuch, die Freundschaft eines streunenden Hundes zu gewinnen. Sein Überlebenswille ist letztlich siegreich, aber Neville zahlt einen hohen Preis.

Mathesons Roman umfasst einen Zeitraum von drei Jahren. In dieser Spanne entwickelt sich Neville deutlich weiter. Er überwindet seine Trauer, seine Ängste und seine Einsamkeit, lernt sich mit seinen Seelennöten zu arrangieren. Scheinbar findet er seinen Frieden und seine Nische in der veränderten Welt. Tatsächlich ist dies seine größte Täuschung. Die Natur heilt sich selbst, was den Menschen einschließt. Neville verfügt nicht über das intellektuelle Potenzial, um zu erkennen, dass die Vampire die Zukunft der Menschheit darstellen, weil sie sich ebenfalls verändern, sich anpassen und den Grundstein einer neuen Zivilisation legen. Plötzlich ist Neville der Anachronismus – der ‚Mensch‘, hat die Rolle des „Vampirs‘ eingenommen, der die Gemeinschaft heimsucht. Neville wird zur gefürchteten Legende, die dem Neubeginn im Weg steht: Dies ist das starke, weil konsequente, das übliche Happy-End aussparende Finale.

|“Ich bin Legende“ im Film|

Obwohl Richard Matheson zu den Großmeistern der Phantastik gehört, wird sein Werk in Deutschland schmählich vernachlässigt; ein Schicksal, das er mit viel zu vielen anderen Autoren teilt. Seine klassischen Titel werden manchmal aufgelegt, wenn eine Neuverfilmung ansteht. Glücklicherweise ist das oft der Fall, da zumindest in den USA Mathesons Qualitäten als Erzähler spannender Geschichten mit Niveau gewürdigt werden.

„I am Legend“ wurde bereits dreimal verfilmt. „The Last Man on Earth“ war 1964 ein eher trashiger Streifen, inszeniert vom nicht weiter bekannt gewordenen italienischen Regisseur Ubaldo Ragona. Dieser Film kann durch die Besetzung der Hauptrolle mit dem wie üblich hervorragend aufspielenden Vincent Price einen gewissen Unterhaltungswert beanspruchen.

Das Remake von 1971 gehört zu den Klassikern des phantastischen Films: Charlton Heston spielte unter der Regie des Routiniers Boris Sagal den „Omega Man“. Vor allem die grandiosen Szenen in einem menschenleeren New York blieben im Gedächtnis. Sie inspirierten sichtlich die [Neuverfilmung]http://www.powermetal.de/video/review-1376.html von 2007, die einen in seiner Rolle nicht unbedingt bemerkenswerten Will Smith präsentierte und Tragik mit Pathos gleichsetzte, was beides offenkundig den Geschmack des aktuellen Publikums traf; „I Am Legend“ gehörte zu den Blockbustern des Jahres und führte – hier schließt sich der Kreis auf erfreuliche Weise – zur Neuausgabe der gedruckten Vorlage.

|Das Buch mit dem Bonus|

„Ich bin Legende“ ist nicht das übliche „Buch zum Film“. Erfreulicherweise griff man für die Übersetzung auf die Fassung von 1995 zurück, die nicht nur den Roman, sondern zehn Kurzgeschichten enthält:

– Verborgene Talente („Buried Talents“, 1987), S. 208-217: Sein Leben lang hat der alte Mann auf dem Rummelplatz seine Kunden betrogen – jetzt legt er sich mit dem Falschen an …

– Der unlängst Verschiedene („The Near Departed“), 1987), S. 218-220: Ein umsichtiger Mörder regelt die Bestattung des Opfers, bevor er zur Tat schreitet …

– Beute („Prey“, 1969), S. 221-239: Die dämonisch beseelte Puppe eines afrikanischen Jägers bringt erst Schrecken und dann Tod in eine amerikanische Durchschnittsfamilie …

– Hexenkrieg („Witch War“, 1951/1979), S. 240-247: In einem zukünftigen Krieg werden die Schlachten unter Einsatz magischer Kräfte geschlagen …

– Totentanz („Dance of the Dead“, 1954/1982), S. 248-269: Manche Zombies können tanzen, aber gewisse unschöne Angewohnheiten legen sie deshalb keineswegs ab …

– Ein weißes Seidenkleid („Dress of White Silk“, 1951/1979), S. 270-276: Mama ist nicht ganz von dieser Welt, und ihre Tochter kommt sehr nach ihr …

– Irrenhaus („Mad House“, 1952/1980), S. 277-323: Dieses Haus ist eine Batterie des Bösen, und sein Bewohner, ein Wüterich, lädt es auf – bis zum Bersten …

– Die Bestattungsfeier („The Funeral“, 1955/1983), S. 324-336: Geschäft ist Geschäft, und so arbeitet Bestatter Silkline auch für Vampire und andere Kreaturen der Nacht …

– Aus dem Schatten („From Shadowed Places“, 1960/1988), S. 337-368: Wer den Fluch eines bösartigen Zauberers zu brechen versucht, riskiert mehr als das eigene Leben …

– Von Mensch zu Mensch („Person to Person“, 1989), S. 369-398: Ist es klug, ein Gespräch entgegenzunehmen, wenn das Telefon nur in deinem Kopf existiert …?

Diese Storys zeigen Matheson als professionellen Geschichtenerzähler, der sich wenig um Genregrenzen kümmert und dessen kurze Werke erstaunlich oft ein erstaunliches Niveau erreichen. „Der unlängst Verschiedene“ und „Die Bestattungsfeier“ sind strikt auf die Schlusspointe ausgerichtet – gelungene Späße, die auch heute noch ankommen. „Beute“ und „Aus dem Schatten“ bieten klassische Action voller Spannung und Tempo. Diese Storys sind zeitlos und werden immer ihre Leser finden, auch wenn sich über Mathesons Interpretation der weiblichen Psyche inzwischen eine ordentliche Staubschicht gelegt hat …

Die verbleibenden sechs Geschichten sind kleine Meisterwerke des Mysteriösen. Sie lassen auch dem Laien deutlich werden, dass es ohne Richard Matheson womöglich keinen Stephen King geben würde. „Ein weißes Seidenkleid“ oder „Von Mensch zu Mensch“ klingen wie von King verfasst und sind doch schon vor vielen Jahrzehnten entstanden. Tatsächlich prägte Matheson ganze Generationen junger Schriftsteller, die genau erfassten, was sein Werk auszeichnet: Bemerkenswerte Ideen werden nicht von Figuren durchgespielt, sondern von Menschen aus Fleisch und Blut durchlebt und durchlitten.

Matheson beeindruckt durch seine Fähigkeit, Gefühle wie Angst, Zorn oder Verzweiflung förmlich greifbar werden zu lassen. „Irrenhaus“ ist ein einziger Parforceritt durch Seele und Hirn eines haltlosen Cholerikers, der den eigenen Launen ebenso hilflos ausgeliefert ist wie seine Mitmenschen. Ähnlich genial ist „Von Mensch zu Mensch“, wenn Matheson uns über die gesamte Distanz in derselben Angst und Unsicherheit schweben lässt wie seinen unglücklichen Protagonisten. „Hexenkrieg“ lebt von dem Kontrast zwischen detailliert geschilderten Gräueln und den ‚unschuldigen‘ Mädchen, die diese mit der unbekümmerten Grausamkeit ihrer Jugend entfesseln.

„Verborgene Talente“ gehört zu denjenigen Geschichten, die ihre Leser ratlos zurücklassen und langes Nachdenken erfordern, um den Subtext zu entschlüsseln. Die endgültige Interpretation bleibt ihm überlassen. In „Totentanz“ setzt Matheson trügerisch vordergründige Gruseleffekte ein und lässt den eigentlichen Schrecken fast zwischen den Zeilen verschwinden.

Klappt man dieses Buch nach der Lektüre zu, weiß man genau, wieso Richard Matheson in der Phantastik einen Spitzen- und Ehrenplatz einnimmt: als Schriftsteller und als Quelle der Inspiration für viele andere Autoren, die sein Werk studiert und verinnerlicht haben, um es fortzusetzen und weiterzuentwickeln.

Richard Burton Matheson wurde am 20. Februar 1926 in Allendale (US-Staat New Jersey) geboren. Er studierte Journalismus an der University of Missouri, arbeitete jedoch hauptberuflich als Schriftsteller. Die nach dem II. Weltkrieg erneut boomende Magazin-Szene bot einem schnellen und professionellen Autoren kein üppiges, aber ein ausreichendes Auskommen. Matheson lernte rasch, sich diesem Markt anzupassen. Schon 1950 gelang ihm mit der Story „Born of Man and Woman“ (dt. „Menschenkind“), veröffentlicht im „Magazine of Fantasy & Science Fiction“, der Durchbruch. Matheson machte sich einen Namen durch das Geschick, mit dem er die Genres SF und Horror miteinander kombinierte. Sein Romanerstling wurde 1953 jedoch ein Krimi („Fury on Friday“). Auch diverse Western-Storys hat Matheson veröffentlicht.

1954 erschien „I Am Legend“ (dt. „Ich, der letzte Mensch“ bzw. „Ich bin Legende“), 1956 „The Shrinking Man“ (dt. „Die unglaubliche Geschichte des Mr. C.“), 1958 „A Stir of Echoes“ (dt. „Echos“). Mit diesen drei Romanen zementierte Matheson seinen Ruf. Sie wurden sämtlich verfilmt. Zu „The Shrinking Man“ schrieb er selbst das Drehbuch und fasste auf diese Weise auch in Hollywood Fuß. In den nächsten Jahrzehnten bereicherte er die Kino- und Fernsehwelt mit innovativen Drehbüchern, für die er zahlreichen Preise einheimsen konnte. In den 1990er Jahren konzentrierte sich Matheson wieder stärker auf seine schriftstellerische Arbeit und legt seither wieder regelmäßig neue Romane vor. Seit 1951 lebt er in Kalifornien.

http://www.heyne.de
http://wwws.warnerbros.de/iamlegend/

|Richard Matheson auf Buchwurm.info:|

[„Echoes – Stimmen aus der Zwischenwelt“ 505
[„Die seltsame Geschichte des Mr. C“ 1203
[„Das Höllenhaus“ 2504
[„Der letzte Tag“ 3386

Hill, Joe – Black Box

In 15 Kurzgeschichten plus einer Novelle präsentiert Joe Hill, der neue Stern am Horror-Himmel, ein breites Themenspektrum:

Vorwort (von Christopher Golden): S. 7-11
Danksagung: S. 12-20

– _Best New Horror_ („Best New Horror“), S. 21-55: Man sollte meinen, niemand könne die Tücken psychopathischer Irrer besser erkennen als Herausgeber harter Horrorstorys, doch auch sie sind vor Betriebsblindheit keineswegs gefeit …

– _20th Century Ghosts_ („20th Century Ghosts“), S. 45-84: Das schöne Mädchen liebte Filme über alles; es mag selbst im Tod nicht von diesem Hobby lassen, hätte aber schrecklich gern einen Partner, der ihre Einsamkeit teilt …

– _Pop Art_ („Pop Art“), S. 85-118: Freundschaft ist ein seltenes und oft vergängliches Gut; du lernst diese Lektion besser schnell, wenn dein bester Kumpel eine lebendige Gummipuppe ist …

– _Der Gesang der Heuschrecken_ („You Will Hear The Locust Sing“), S. 119-147: Ein von der Gesellschaft geächteter junger Mann verwandelt sich in ein riesiges Insekt und kann es seinen Peinigern endlich heimzahlen …

– _Abrahams Söhne_ („Abraham’s Boys“), S. 148-177: Dies ist die wahre Geschichte des Abraham van Helsing, der sich für einen großen Vampirjäger hält und doch nur ein Psychopath ist, der seine Familie terrorisiert …

– _Besser als zu Hause_ („Better Than Home“), S. 178-205: Auf dieser Welt haben Außenseiter wenig zu lachen, und so sollte man einen Ort haben, an den man vor den ‚Normalen‘ flüchten kann …

– _Das schwarze Telefon_ („The Black Phone“), S. 206-240: Serienkiller Albert entführt ein Kind zu viel – nämlich eines, das mit dem „zweiten Gesicht“ begabt ist und sich von den früheren Opfern des Kidnappers zwecks Gegenattacke beraten lassen kann …

– _Endspurt_ („In The Rundown“), S. 241-262: Kein Geld, den Job verloren und auch privat in der Sackgasse gelandet, aber Prolet Wyatt muss lernen, dass es immer noch schlimmer kommen kann …

– _Das Cape_ („The Cape“), S. 263-293: Verlierer Eric entdeckt ein Talent bei sich, das ihn zu etwas Besonderem macht – die ideale Gelegenheit, es allen zu zeigen, die ihn als Trottel behandelt haben …

– _Ein letzter Atemzug_ („Last Breath“), S. 294-307: Der alte Arzt sammelt die letzten Atemzüge von Menschen, und er hält seinen Aufzeichnungsapparat stets bereit …

– _Totholz_ („Dead-Wood“), S. 308-309: Bäume sind Lebewesen, und deshalb kommen auch sie manchmal als Geister zurück …

– _Witwenfrühstück_ („The Widow’s Breakfast“), S. 310-324: Im Jahre 1935 bringt der Tod einem Landstreicher endlich auch einmal ein wenig Glück …

– _Bobby Conroy kehrt von den Toten zurück_ („Bobby Conroy Comes Back From The Dead“), S, 325-357: Bei den Dreharbeiten zu einem Zombie-Film entdeckt Bobby die verschollene Liebe seines Lebens und ergreift die Initiative …

– _Die Maske meines Vaters_ („My Father’s Mask“), 358-392: Im Blockhaus findet ein teuflischer Handel statt, aber worum es genau geht, wird Jack nie genau erfahren …

– _Die Geretteten_ („The Saved“), S. 393-420: Der Versuch eines geschiedenen Vaters, seine Tochter zu besuchen, endet als Familiendrama …

– _Black Box_ („Voluntary Committal“), S. 421-498: Morris baut Pappkisten-Burgen, in die man hineinschlüpfen, aus denen man aber manchmal keinen Ausgang finden kann …

Anmerkungen („Story Notes“), S. 499-510

Das Leben ist ein gefährliches Abenteuer, und gleich um die Ecke kann stets das Verhängnis auf dich lauern. Eine bittere Erkenntnis ist dies, aber realistisch, wenn man Joe Hill Glauben schenken möchte, was abzulehnen schwerfällt, da er sie so überzeugend in Worte zu fassen versteht.

Die hier gesammelten 15 Storys und eine Novelle stellen einen Überblick zum noch schmalen Gesamtwerk von Joe Hill dar, der längst nicht ’nur‘ moderne Horrorgeschichten schreibt. Die „Black-Box“-Geschichten lassen sich in drei Kategorien gliedern.

„Besser als zu Hause“, „Endspurt“, „Witwenfrühstück“, „Bobby Conroy kehrt von den Toten zurück“, „Die Geretteten“ kommen ohne Elemente der Phantastik aus. Sie stellen Momentaufnahmen aus den Leben von Menschen dar, die in einer Krise stecken. Außenseiter sind Hills ‚Helden‘, die entweder gänzlich ins gesellschaftliche Aus geraten, oder die wir dabei beobachten dürfen, wie sich am Ende des Tunnels ein Licht auftut. Hill verarbeitet hier unter anderem Teile eines Romans, der in der Depressionszeit der 1930er Jahre spielen sollte, jedoch unvollendet blieb.

Diese Storys werden dem Liebhaber ‚echter‘ Literatur womöglich besser gefallen als dem Horrorfreund. Hier sind die Ereignisse emotionaler und nicht jenseitiger Natur, ohne dass sie dadurch weniger dramatisch wirken. Wie sein Vater Stephen King hat Hill ein Gespür dafür, wie der Durchschnittsmensch denkt, fühlt und handelt. Vor allem sind es keine simpel gestrickten Naturen, die er uns vorstellt, sondern komplexe Charaktere, die durch innere Spannungen und persönliche Probleme quasi vorgezeichnet sind. Ohnehin in einer Ausnahmesituation lebend, geraten sie erst recht vom Regen in die Traufe. Für das allzu Menschliche muss man sich allerdings interessieren, sonst werden diese Geschichten wohl langweilen, zumal Hill sie – es muss gesagt werden – hin und wieder mit Hilfe nur zu bekannter Klischees über die Distanz bringt.

„Pop Art“, „Der Gesang der Heuschrecken“ und „Die Maske meines Vaters“ sind eher groteske als gruselige Geschichten. Vor allem „Pop Art“ ist im doppelten Sinn fabelhaft: Dass Art im wahrsten Sinn des Wortes eine Gummipuppe ist, wird von Hill als absolut normal dargestellt. Niemand fühlt sich in seiner kleinen, aber gar nicht heilen Kleinstadtwelt durch diese Tatsache irritiert. Art, die Puppe, ist der perfekte Außenseiter. Hill projiziert bekannte Formen menschlicher Diskriminierungen auf ihn. Letztlich erteilt er eine Lektion in Toleranz, aber wenigstens ohne erhobenen Zeigefinger auf Gutmenschen-Art.

„Der Gesang der Heuschrecken“ ist eine eigenwillige, man ist geneigt zu sagen ‚amerikanische‘ Interpretation von Franz Kafkas Kurzgeschichte [„Die Verwandlung“. 2395 Wieso sollte die Tatsache, dass man sich in ein menschengroßes Insekt verwandelt, zwangsläufig als entsetzlich empfunden werden? Der Held dieser Geschichte lernt die Vorteile zu schätzen. Er weiß um die Chancenlosigkeit seines Lebens und setzt – ebenfalls sehr amerikanisch – zu einem Amoklauf an, um es erstens seinen Peinigern und zweitens der ganzen Welt heimzuzahlen. Große Macht mag nach Spider-Man große Verantwortung mit sich bringen, aber wer sagt, dass dem automatisch entsprochen wird?

„Die Maske meines Vaters“ ist ein Story ohne nachvollziehbaren Plot. Hill ist stolz darauf, dass ihm genau das gelungen ist, wie er in seinen „Story Notes“ erläutert. Wie so oft teilt sich die Begeisterung eines Verfassers den Lesern nur bedingt oder gar nicht mit. „Was soll das?“ ist eine Frage, die angeblich nur der literarische Prolet stellt, der zu dumm ist, das Gelesene zu ‚hinterfragen‘ und zu ‚entschlüsseln‘. Was ist aber, wenn da zwischen den Zeilen gar nichts steht, sondern einfach nur eine möglichst bizarre und unterhaltsame Geschichte erzählt werden soll? Deshalb ist in diesem Fall eine Anklage wegen forcierten Mythentümeltums und Effekthascherei ebenfalls möglich …

Die verbleibenden Storys der „Black-Box“-Kollektion fallen eindeutiger in die Gattung Horror. Sie erfinden das Genre niemals neu, bringen jedoch einigen frischen Wind durch interessante Ideen sowie eine täuschend kunstlose Umsetzung hinein. Erneut wirken jene Geschichten besonders stark, in denen das ‚Monster‘ nicht aus einem Grab steigt, sondern im Menschenhirn beheimatet ist. „Abrahams Söhne“ nicht nur eine folgerichtige Deutung der Figur des besessenen Vampirhetzers Abraham Van Helsing, sondern noch mehr eine schauerliche Studie des Wahnsinns, der vom Vater auf die Söhne übergeht. Auch in „Best New Horror“ oder „Das schwarze Telefon“ sind die ‚Geister‘ menschlich: Psychopathen und Kindermörder, die wahren Schrecken der Gegenwart!

Weil inzwischen bekannt ist, dass Joe Hill der Sohn von Stephen King ist, kann die Frage nicht ausbleiben, ob sich zwischen Vater und Sohn Verbindungen finden lassen. Die Antwort ist ja – allerdings im positiven Sinn. Hill kann sich wie schon gesagt hervorragend in den durchschnittlichen Zeitgenossen versetzen – in Menschen ohne besondere Eigenschaften, die in der Masse, die sie selbst bilden, normalerweise untergehen, und die im Roman wie im Film über sich hinauswachsen müssen, um ‚interessant‘ zu wirken. Die Fähigkeit zu vermitteln, dass das Schicksal von Joe und Jane Doe auch ohne derartige ‚Nachhilfe‘ faszinieren kann, ist eine seltene Gabe. Für Schriftsteller, die darüber verfügen, ist auf dieser Welt Platz genug, selbst wenn sie verwandt sind.

Wenn es in „Black Box“ eine Geschichte gibt, die auch Stephen King hätte schreiben können, so ist es sicherlich die Titelnovelle. Die seltsame Magie, die sich mit Grausamkeit mischt und „Kindheit“ genannt wird, ist sogar noch schwieriger zu beschwören als ein durchschnittliches Erwachsenenleben. Hier konnte Stephen King seit jeher punkten; ’seine‘ Kinder waren und sind keine Disney-Nervensägen aus der Klischee-Stanze. Hill hat auch diese Fähigkeit geerbt. Deshalb kann er sich ohne Probleme ins Revier seines Vaters wagen, mit dem er doppelt mithalten kann, denn „Black Box“ ist auch vom Plot eine faszinierende Geschichte, die spannend umgesetzt wurde.

Leider hegen Hill und King einen Hang zum Sentimentalen. Das Tragisch-Schreckliche der jeweiligen Handlung wird oft auf den Effekt hin getrimmt. Solche „Oh-je!“-Attitüde wird vor allem dem Zyniker aufstoßen. Zumindest in Hills vom Horror befreiten Storys lässt sie sich auch vom gewogenen Leser nicht durchweg ignorieren. „Black Box“ ist eben doch nicht „die Zukunft der phantastischen Literatur“, wie es auf dem Backcover zu lesen ist, sondern ihre prosaische Gegenwart. Damit kann er sich in einer Szene, die zunehmend von trivialem Reißbrett-Horror und Grusel-Erotik für pubertierende Mädchen bestimmt wird, allerdings leicht und prächtig behaupten.

Joe Hill (eigentlich: Joseph Hillstrom King) wurde 1972 als zweiter Sohn der Schriftsteller Stephen und Tabitha King in Bangor (US-Staat Maine) geboren. Ende der 1990 Jahre begann er selbst zu schreiben. Sein ‚Pseudonym‘ wurde spätestens dann publicitywirksam enthüllt, als er 2007 mit „Heart-Shaped Box“ [(dt. „Blind“) 3842 seinen ersten Roman veröffentlichte, der solche flankierende Werbung durchaus gebrauchen konnte.

Dass Hill über eine eigene Stimme verfügen und ideenreich plotten kann, wenn er möchte, belegte er schon zwei Jahre früher mit der Storysammlung „20th Century Ghosts“ (dt. „Black Box“), für die er diverse Preise gewann (die allerdings im Literaturbetrieb nicht nur in der Phantastik recht inflationär ins Leben gerufen werden).

Über sein Werk berichtet Joe Hill, der mit seiner Familie in New Hamphire lebt, auf seiner Website: http://joehillfiction.com. Dort findet man unter anderem ein neckisches Online-Game namens „The Museum of Silence“, das auf der „Black Box“-Story „Ein letzter Atemzug“ basiert und zur Zuordnung terminaler Schnaufer prominenter Persönlichkeiten auffordert.

http://www.heyne.de

Miller, John Jackson / Weaver, Dustin – Star Wars Sonderband 41: Knights Of The Old Republic III – Tage der Furcht

[Knights Of The Old Republic II – Stunde der Wahrheit 3723

_Story_

Noch immer befindet sich der junge Jedi-Padawan Zayne Carrick auf der Flucht vor seinen einstigen Lehrmeistern und gezielt arbeitenden Kopfgeldjägern, die ihn des Mordes an seinen Mitschülern bezichtigen. Doch statt sich der Übermacht der Häscher zu stellen, schwört Carrick, den wahren Mörder aufzuspüren und zur Strecke zu bringen, um seine Unschuld endgültig unter Beweis zu stellen. Auf Ralltir beschließt er, sich von seiner Mitstreiterin Elbeh und dem alten Erfinder Camper zu trennen, um beiden eine bessere Überlebenschance auf der Flucht zu verschaffen. Gemeinsam mit dem geschäftstüchtigen Gryph reist Zayne auf einen abgeschlagenen Planeten, landet dort aber ausgerechnet in den Händen eines Admirals der Republik.

Unterdessen hat auch Elbeh nur wenig Erfolg. Auf ihrer Schiffspassage wird Camper von einem Droiden angegriffen und schwer verwundet. Die beiden schaffen es mit letzter Kraft auf ihren Heimatplaneten Arkana, wo Camper jedoch immer stärker einer seltsamen Senilität verfällt. Lord Adasca schiebt den bedenklichen Zustand des Wissenschaftlers auf ein tückisches Virus, doch Elbeh schenkt dem keinen Glauben. Allzu deutlich soll sie bald spüren, dass ihre finsteren Ahnungen vollends berechtigt waren. Vergleichbare Visionen plagen auch Zayne; er sieht den Verfall einer ganzen Welt, und erstmals in seiner Karriere als Jedi ist er sich sicher, dass seine düsteren Vorahnungen ihn nicht täuschen …

_Persönlicher Eindruck_

Der dritte Band der illustrierten „Knights Of The Old Republic“-Serie ist mitunter der schwierigste und komplexeste in dieser Reihe, da er zum einen gewissermaßen voraussetzt, dass man die Vorgeschichte kennt, zum anderen aber auch dann nur schwer durchschaubar ist, da die einzelnen Sprünge zwischen reflektierter Hintergrundgeschichte und aktueller Realität stellenweise kaum zu erkennen sind. Allerdings ist dies gegenteilig auch ein Aspekt, der diese Publikation zu einer äußerst interessanten macht.

Die Story um den vermeintlich unschuldigen Jedi-Schüler wird von John Jackson Miller zunächst stringent vorangetrieben. Nach der schmerzlicheren Trennung von Elbeh und Camper vertraut der junge Jedi auf die Geschicke seines verbliebenen Gefährten Gryph, muss sich jedoch ständig dessen unbremsbarer Gier unterordnen. Während Zayne in seinen Visionen erlebt, wie die Mandalorianer ihren momentanen Aufenthaltsort am nächsten Tag in Schutt und Asche legen werden, forciert Gryph gemeinsam mit einem befreundeten Schuldner sein Restaurant-Projekt, welches von Seiten der Republikaner mit Freuden angenommen wird. Zu diesem Zeitpunkt ahnt aber auch noch niemand, wer tatsächlich hinter dem kulinarischen Zwischenstopp steht.

Auf der anderen Seite beschreibt Miller nicht ganz so detailliert den Werdegang von Elbeh, die sich in einem inneren Zwiespalt aus verschenkter Hoffnung, verlorenem Vertrauen und verzweifeltem Kampf gegen die Wirren, die der absehbare Krieg mit sich bringt, befindet. Zur Rettung ihres stärksten Verbündeten lässt sie sich auf einige bedenkliche Deals ein und gerät ebenso wie ihr ehemaliger Sidekick Carrick in einen Hinterhalt, aus dem es scheinbar kein Entrinnen mehr gibt. Beide kämpfen nach wie vor für ihre Ideale und ihr bis hierhin gebrochenes Recht, doch scheinen sie auch jetzt nicht die erhoffte Genugtuung zu erfahren. Die „Tage der Furcht“ erweisen sich nämlich letztendlich nur als Zwischenstation auf ihrer Mission zum Beweis ihrer Unschuld.

Nach dem recht fulminanten Auftakt ruht die Story in Sachen Fortschrittlichkeit, lässt dafür aber deutlich mehr Freiräume für die Ausschmückung einiger bislang verborgener Details. Miller verfolgt nicht zielstrebig eine Lösung im Konflikt der Protagonisten, sondern schafft gleich mehrere neue Stränge, um deren Bredouille noch weiter zu verschärfen. Dies ist ihm unter Berücksichtigung des nachvollziehbaren Aufbaus auch weitestgehend gelungen, wenngleich es partiell recht schwierig ist, den rasanten Entwicklungen und permanenten Wendungen zu folgen. Dieser Grad an Komplexität hebt allerdings das Niveau der Comic-Geschichte um die „Knights Of The Old Republic“ in gewisser Weise auch wieder an und schafft weiteres Potenzial für ein anständiges, spannendes Finale, welches zwar noch ein wenig auf sich warten lässt, aufgrund der hier geschilderten Ereignisse dennoch heiß ersehnt wird. Selbst ein paar zwischenzeitliche Längen, die beim Umfang der Serie aber kaum zu umgehen waren, können an diesem Umstand nichts mehr ändern.

Alles in allem also hinterlässt auch der dritte Sonderband der Serie einen weitestgehend makellosen Eindruck, obschon man von nun an den Abschluss nicht mehr weiter aufschieben sollte. Aber selbiges ist nicht zu erwarten, würde die Story aber bei noch weiter forcierter Verzweigung auch nicht mehr ganz glaubwürdig machen. Dies zu diskutieren, ist jedoch müßig. Feststeht jedenfalls, dass die „Knight Of The Old Republic“-Ausgaben bis dato würdige Vertreter der „Star Wars“-Comics sind und sich eben dieser Eindruck auch in der aktuellen Sammelausgabe noch weiter herausschält.

http://www.paninicomics.de/

Wax, Wendy / Black, Holly – Geheimnisse der Spiderwicks, Die – Das Buch zum Film

_Mit Elfen und Kobolden zum Film im Wald_

Es waren einmal ein paar Kinder, die entdeckten rings um ihr neues Heim eine fantastische Welt – voller Elfen, Wichtelmännchen, Greifen – und finsterer Kobolde. Die Buchserie [„Die Spiderwick-Geheimnisse“ 4697 ist nun mit Nick Nolte und Mary Louise Parker verfilmt worden. Der Film kam am 13. März 2008 in unsere Kinos. Dies ist das offizielle Begleitbuch zu diesem Film.

_Die Autorin & der Film_

Zur Autorin Wendy Wax macht der Verlag keine Angaben. Aber dafür umso mehr zu den Mitwirkenden am Film. Die Drehbuchautoren heißen: Karey Kirkpatrick, John Sayles und David Berenbaum. Die bekanntesten DarstellerInnen sind:

Nick Nolte: als Mulgarath
David Strathairn: als Arthur Spiderwick
Mary-Louise Parker: als Helen Grace, Mutter von Jared, Simon und Mallory
Joan Plowright: als ihre Tante Lucinda Spiderwick
Martin Short: spricht Thimbletack, das Wichtelmännchen
Sarah Bolger: als Mallory Grace
Freddie Highmore: als Jared & Simon Grace

_Inhalte_

|1) Vorwort|

Holly Black, die Autorin, und Tony DiTerlizzi, der Illustrator, behaupten, sie hätten von Jared und Simon Grace den Auftrag erhalten, die unglaublichen Erlebnisse der Grace-Familie aufzuschreiben und der Nachwelt zu überliefern. Daraus wurden ersten fünf Spiderwick-Bücher. Karey Kirkpatrick und John Sayles machten aus diesen fünf Bänden ein zusammenhängendes und in sich abgeschlossenes Drehbuch für den Kinofilm. Man muss also weder Vorkenntnisse mitbringen noch ein offenes Ende wie in [„Der Goldene Kompass“]http://www.powermetal.de/video/review-1335.html befürchten – ein hübsch verpacktes Paket.

|2) Die Geschichte|

Die Zwillinge Simon und Jared ziehen mit ihrer älteren Schwester Mallory von New York City aufs Land, nachdem sich ihre Eltern haben scheiden lassen. Sie leben jetzt bei ihrer Mutter, die sich nun keine New Yorker Wohnung mehr leisten kann, aber zum Glück noch ein Domizil von ihrer Großtante Lucinda überlassen bekommt: Haus Spiderwick.

Es sieht wie eine Ansammlung übereinander gestapelter Hütten aus, findet Jared. Und ist mindestens hundert Jahre alt. Und die Wände müssen hohl sein, nach den Geräuschen zu urteilen, die er darin hört. Als Mallory wagemutig mit dem Besenstiel ein Loch in die Wand haut, wird dahinter etwas sehr Merkwürdiges sichtbar: eine winzige Wohnung mit ulkigem Inventar – und ganz bestimmt nicht für Menschenkinder gemacht. Aber für was dann?

Am nächsten Morgen weckt Jared und Simon ein schrilles Kreischen von ihrer Schwester. Jemand hat ihre Haare an den Rahmen ihres Bettes festgebunden. Nein, so etwas haben die beiden noch nie gesehen. Wer oder was kann so etwas nur tun, und warum? Weil Mallory die Wand eingeschlagen hat? Das ist ja wohl lächerlich!

Als Jared erkundet, wohin der Speisenaufzug führt, landet er in einem geheimnisvollen Zimmer, aus dem keine Tür hinausführt. An der Wand hängt ein Porträt seines ehrwürdigen Ahnen Arthur Spiderwick, und auf dem Sekretär liegt ein altes, vergilbtes Blatt Papier. Darauf steht ein Rätsel, und obwohl Jared eigentlich nicht der Bücherwurm der Familie ist, muss er sofort das Rätsel lösen.

Hoch oben im obersten Kämmerchen des Hauses landet er endlich vor einer großen Truhe. Er strengt seinen Grips an und findet darin ein Buch. Es ist das allerseltsamste Buch, das er jemals gesehen hat. Es handelt von Elfen …

|3) Der Drehort|

Die Außenaufnahmen fand in den Wäldern eines Naturschutzgebietes in der Nähe der ostkanadischen Stadt Montréal statt. Dort wurde das Spiderwick-Herrenhaus errichtet. Es regnete offenbar die meiste Zeit, aber die Fotos von den herbstlichen Wäldern sind wirklich schön. Effektreiche Szenen mit Verwandlungen, Fabelwesen usw. fanden stets im Studio statt. Dort regnete es nicht in die Kamera.

|4) Das Herrenhaus|

Das Spiderwick-Anwesen wurde komplett am Drehort errichtet. Es war nicht bloß Fassade wie in den Western, sondern auch innen komplett ausgestattet, so dass man den Eindruck hat, es sei wie eine Art Dornröschenschloss schon seit hundert Jahren nicht mehr bewohnt worden, aber alles sei noch wie damals.

|5) Der Regisseur Mark Waters|

Mark Waters ist bekannt für seine Arbeit mit jungen Schauspielern, so etwa mit Freddie Prinze jr. (1997 in „The House of Yes/Wer hat Angst vor Jackie-O.?“ und 2001 in „Hals über Kopf“) und mit den Darstellern von „Girls United – Vorsicht bissig!“ sowie „Ein voll verrückter Freitag“. Dementsprechend begeistert äußern sich die Jungdarsteller ihm gegenüber.

Sehr merkwürdig ist jedoch das Foto, das diese Doppelseite abschließt. Drei Männer in dunklem Anzug und Krawatte umlagern eine Kamera: der angebliche Kameramann, der Drehbuchautor (Kirkpatrick) und ein sitzender Bursche, der wohl den Regisseur spielt, aber gar nicht so aussieht. Was hat dieses Foto mit IBM-Manager-Klonen hier zu suchen?

|6) Die Schauspieler|

Freddie Highmore („Wenn Träume fliegen lernen“, „Charlie und die Schokoladenfabrik“, „Der Goldene Kompass“) ist der Hauptdarsteller, denn er spielt sowohl Simon als auch Jared Grace – eine knifflige Sache, die er aber offenbar bravourös meistert. Zwei Fotos belegen, dass es ihn doppelt gibt (oder einen guten Spiegel …)! Freddie sind ganze vier Fotoseiten gewidmet.

Sarah Bolger („In America“, „Stormbreaker“) spielt Jareds geplagte Schwester, die 15-jährige Fechterin Mallory Grace. Ein Foto zeigt sie mit einem Degen – na ja, für Fechtprofis nicht gerade die geeignete Waffe, aber wer weiß, wo sich dieses Trumm im Haus gefunden hat. Ein weiteres Foto zeigt sie als Mallory mit an den Bettrahmen geflochtenen Haaren – autsch!

Mary-Louise Parker alias Helen Grace und Joan Plowright alias Tante Lucinda Spiderwick ist je eine Seite gewidmet. Parker ist aus „Grüne Tomaten“ und „Grand Canyon“ bekannt, Plowright ist Hollywood-Urgestein. Die Bühnenschauspielerin wirkte in zahllosen Kinderspielfilmen mit, u. a. in „101 Dalmatiner“ und „Der neugierige Affe“.

David Strathairn, der Helens Großonkel Arthur Spiderwick spielt, ist einer meiner Lieblingsschauspieler. Er strahlte ruhige, verlässliche Sympathie aus. Seinen Schurken in „L.A. Confidential“ habe ich ihm nie abgenommen, aber dafür war er als Rundfunkdirektor in George Clooneys Film „Good Night and Good Luck“ erstklassig.

Andrew McCarthy als Richard Grace (der im Buch meines Wissens nie vorkommt) trat schon in „St. Elmo’s Fire“ und „Immer Ärger mit Bernie“ auf. Dass Nick Nolte in diesem Reigen nicht erwähnt wird, ist seltsam, denn schließlich tritt er ja laut Foto selbst auf – wenn er nicht gerade in Mulgarath, den Oberkobold, verwandelt ist. Auf Seite 36 und 37 verliert die Autorin ein paar Worte über diesen großartigen Charakterdarsteller und stellt ihnen neben die Sprecher Martin Short („Thimbletack“) und Seth Hogen („Hosqueal“).

|7) Das Produktionsteam|

Mark Canton ist einer der Produzenten, Elle Goldsmith-Vein die Schauspieleragentin, James Horner der Sounddesigner und Jim Bissel der künstlerische Gestalter (Art Director). Kommt Horner einem bekannt vor? Ja, das ist der Bursche, der den fabelhaften Soundtrack zu Camerons „Titanic“ und Gibsons „Braveheart“ komponierte. Sieht gar nicht so alt aus, obwohl er doch schon für die Kinofilme von „Star Trek II“ und „Star Trek III“ komponierte. Hm. Er wird dieses Jahr jedenfalls 55 und hat bislang neben zahllosen Nominierungen auch zwei |Oscars|, zwei |Golden Globes| und drei |Grammys| vorzuweisen.

|8) Die fantastischen Wesen|

In einen Fantasyfilm geht man natürlich vor allem wegen der Fabelwesen hinein. Diese kommen diesmal aus Phil Tippetts Visual Effect Sudios. Phil hat offenbar sein Handwerk in George Lucas‘ SFX-Firma „Industrial Light and Magic“ (ILM) gelernt. Nach „Star Wars Episode VI“ machte er sich 1983 selbständig und kreierte u. a. die Spezialeffekte für Spielbergs Dinos in „Jurassic Park“. Mittlerweile ist er auf dreidimensionale Figurenanimation mit dem Computer (CGI) spezialisiert, also genau das, was in „Spiderwick“ zu sehen ist.

Die Fabelwesen: Thimbletack, das Wichtelmännchen; die Kobolde inklusive Mulgarath; Hogsqueal, ebenfalls ein Wicht; ein Greif und diverse elfenhafte Waldgeister.

|9) Ausstattung und Requisite|

Der Art Director Jim Bissel und seine Ausstatter habe ganze Arbeit geleistet. Sie stöberten drei Monate lang auf Flohmärkten, auf Versteigerungen und bei |eBay|, um die Utensilien für Arthur Spiderwicks Räume und Thimbletacks Nest herbeizuzaubern. Wegen der unterschiedlichen Größe der Figuren musste man auch die Räume jeweils anders bauen. Und auch der Speisenaufzug, mit dem Jared ins Geheimzimmer gelangt, ist in mehreren Varianten vorhanden.

|10) Die Spezialeffekte|

Michael Lantieri war für die Spezialeffekte zuständig und arbeitete demzufolge mit dem Kameramann Pablo Helman und dem SFX-Mann Phil Tippett zusammen. Während Phil am Computer werkelte, war Lantieri mehr für Explosionen und dergleichen zuständig. Er arbeitete schon an „Fluch der Karibik 2“ und „Lemony Snicket“ mit. Für die Visuellen Effekte in „Vergessene Welt – Jurassic Park 2“ erhielt er einen |Oscar|.

|11) Achtung! Aufnahme!|

Die Dreharbeiten erforderten auch eine Menge Action, besonders während der finalen Verfolgungsjagd zwischen Jared und Mulgarath, dem Oberkobold. Um die Darsteller nicht zu gefährden, setzte der Regisseur Stuntleute ein. Stunt-Koordinator war David McKeowen. Diese Fotostrecke hat immerhin vier Seiten und erklärt viele Aspekte haarklein.

Die letzte Seite bringt keineswegs irgendwelche langweiligen Listen, sondern ein großformatiges Vierfarbfoto. Darauf übergibt der Geist (?) von Arthur Spiderwick seinem Großneffen Jared das [„Handbuch für die fantastische Welt um dich herum“. 3195 Bekanntlich ist mit diesem begehrten Buch nicht nur große Verantwortung, sondern jede Menge Ärger verbunden.

_Mein Eindruck_

Dieses Buch schaut aus wie ein dickes Album, das in weinrotes Leder geschlagen ist und in dem Seiten aus dickem cremefarbenem Papier eingeheftet sind. Auf dieses Papier, so will es die Illusion, wurden dann die Fotos geklebt, aber nicht etwa in Hochglanz-Hightech-Look, sondern mit antiquierten Rahmen, also gewellt oder gezackt usw.

Der ganze Look ist also an den der Spiderwick-Romane angeglichen. Das ergibt durchaus einen Sinn, denn die Romane geben ja vor, eine Art Tagebuch der drei Grace-Geschwister zu sein und somit ein authentisches Dokument. Diesen Eindruck soll auch das Buch zum Film vermitteln. Die Fotos sind übrigens fehlerlos wiedergegeben – kein Wunder bei diesem hochwertigen Papier. Und die Übersetzung hält sich an den Sprachgebrauch der Spiderwick-Romane, so dass keine Verwirrung entsteht. Dafür sorgt schon Anne Brauner, die gleiche Übersetzerin.

Allerdings hatte die Autorin Wendy Wax wohl etwas mit der Fülle des Materials zu kämpfen. Sie teilte die Abschnitte zweimal so auf, dass es schwer nachzuvollziehen ist. Ich habe den Film nicht gesehen, aber warum taucht Nick Nolte nur bei den Sprechern auf, wenn doch sein Foto belegt, dass er auch als er selbst auftritt? Und was haben die drei Herren mit Anzug und Krawatte beim Filmteam zu suchen? Könnte dies ein kleiner Insiderwitz der Herren sein, um die Produzenten zu veräppeln? Denn ganz offensichtlich ist es ein gestelltes Fotomotiv. Schade, dass keines der Fotos über eine Bildunterschrift verfügt (das hätte dem Albumcharakter widersprochen), denn hier wäre sie wirklich nützlich gewesen.

_Unterm Strich_

Das Buch zum Film spricht sowohl die Leser der Romane an, die nun den Film sehen wollen, als auch die Leute, die nur den Film gesehen haben, aber nicht die Bücher kennen. Beide Zielgruppen sind ungefähr ab acht Jahren alt. Dementsprechend einfach ist die Sprache der Begleittexte gehalten. Sie überfordert keinen der jungen Leser, zudem sprechen die Fotos für sich. Für den, der durch das Buch zum Film oder die Verfilmung Appetit bekommen hat, mehr über die fantastische Spiderwick-Welt zu erfahren, dem bietet der |cbj|-Verlag eine Fülle von Zusatzwerken an.

Natürlich ist im Grunde jedes „Buch zum Film“ Geldmacherei – sowohl des Filmstudios als auch des druckenden Verlags. Aber trifft dieser Vorwurf nicht auf jedes Werk zu, der ein Medienphänomen begleitet, sei es Jacksons „Herr der Ringe“ oder „Spiderwick“? Immerhin kostet das Buch mit knapp sieben Euronen nur wenig mehr als eine Lifestyle-Zeitschrift im Kiosk – und bleibt wesentlich länger aktuell, wenn man die DVD zum Film und die unausweichlichen Spiele bedenkt.

|Originaltitel: The Spiderwick Chronicles – Official Movie Companion, 2008
48 Seiten
Aus dem US-Englischen von Anne Brauner|
http://www.cbj-verlag.de
http://www.spiderwick.de
http://movies.uip.de/diegeheimnissederspiderwicks

Pyta, Wolfram – Hindenburg: Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler

Die vorliegende Monographie von Wolfram Pyta über das Leben und Wirken Paul von Hindenburgs (genauer: Paul Ludwig Hans Anton von Beneckendorff und von Hindenburg, 1847-1934) wartet – wie schon die Seitenzahl, welche deutlich die 1000er Marke überschreitet, erahnen lässt – mit einem ausgesprochenem Detailreichtum auf. Das Bild des Mannes, der gleich mehrere bedeutende Zeitabschnitte der deutschen Geschichte miterlebte und teilweise mitgestaltete, erlangt durch die vorliegende präzise und pointierte Biographie eine besondere Schärfe. Hindenburg, der nur ein Jahr vor den europäischen Revolutionen von 1848 geboren wurde, wuchs in einer preußischen Gutsbesitzer- und Offiziersfamilie auf, begann schließlich im preußischen Militär seine erste Karriere, welche ihm später zur Eintrittskarte für die politische Bühne der Weimarer Republik gereichen sollte. Bemerkenswert ist, dass Pytas Buch mit dem Beginn eben dieser militärischen Karriere, welche Hindenburg schließlich zum Generalfeldmarschall und Chef des Generalstabes machen sollte, seine Betrachtung beginnt. Im Folgenden schildert Pyta nicht nur den Aufstieg Hindenburgs innerhalb der Militärhierarchie, sondern zugleich seine Entwicklung zu einem „politischen Herrscher“ und Machtmenschen.

Während sich die erste Hälfte des Buches vor allem auf Hindenburgs Zeit beim Militär konzentriert, steht die zweite Hälfte unter dem Stern der Reichspräsidentschaft. Dies umfasst einerseits natürlich den Weg Hindenburgs zum Reichspräsidenten, der durch die Unterstützung des bürgerlich-rechten Lagers in sein Amt kommt und während seiner Regierungszeit zum Ersatzmonarchen avanciert. Diese oft gewählte Formulierung charakterisiert natürlich den hohen Gehalt an politischer und werterepräsentativer Strahlkraft, welche Hindenburg schon früh aufzubauen und zu pflegen verstand. Eben diese Strahlkraft setzte er in seiner langen politischen Karriere gleich mehrfach ein, um einerseits seinen egomanischen Geltungsdrang zu befriedigen und andererseits alte Weggefährten oder Personen, die schlichtweg seinen persönlichen Zielen im Weg standen, aus dem Weg zu räumen. Dies gilt ebenso für Ludendorff wie auch für Groener, Brüning, Papen und Schleicher.

Man kann es Prestige, Nimbus oder schlichtweg Charisma nennen, wie es auch Pyta vorzieht, man kommt jedoch in keiner Sichtweise umhin, dieser historischen Figur ein Attribut zuzuordnen, das eine gewisse Größe zum Ausdruck bringt, auch wenn es vor allem Hindenburg selbst war, der dieses Image seiner selbst aufbaute und verteidigte. Pytas Buch zeichnet ein deutliches Bild Hindenburgs als zielbewussten und hintertriebenen Utilitaristen mit eiskaltem politischem Kalkül. In diesem Buch werden Hindenburgs Taten nicht durch den vermeintlichen Einfluss von Beraterkreisen, Interessenverbänden oder Demenzkrankheiten entschärft oder gar entschuldigt, sondern vielmehr versucht Pyta deutlich, die aktive Verantwortlichkeit Hindenburgs zu betonen.

In der Gesamtschau handelt es sich bei dem vorliegenden Buch um eine faszinierende und detailreiche Auseinandersetzung mit dem Charakter, der Herrschaftsausübung und dem Mythos Hindenburgs. Das Buch richtet sich dabei vor allem an ein Fachpublikum und dürfte daher für einen Laien ohne tiefer reichende Vorkenntnisse des Themenbereichs nur bedingt gewinnbringend sein. Um Hindenburg und seine Biografie vollständig verstehen zu können, muss man eben auch die deutsche und europäische Geschichte zwischen den 1860ern und 1945 kennen und hinreichend verstehen.

|Gebundenes Buch, 1120 Seiten
100 Schwarzweiß-Abbildungen|
http://www.siedler-verlag.de

Ellery Queen – Der verschwundene Revolver

Queen Revolver Cover kleinDer alternde Star einer Western-Show wird vor 20.000 Fans niedergeschossen. Unter den Zuschauern: Ellery Queen, Kriminalschriftsteller und Amateurdetektiv. Es gibt kein Motiv und keine Mordwaffe, aber viele Verdächtige und bald die nächste Leiche … – Skurriler Großstadt-Krimi im Western-Milieu, besetzt mit den üblichen scheinbar Unschuldigen, auf die man als Leser besonders scharf achten sollte; die Lösung ist trotzdem kaum zu erraten und reichlich bizarr.
Ellery Queen – Der verschwundene Revolver weiterlesen

Seidel, Stefan / Niessen, Susan – kleine Bauer im Einsatz, Der

In der bereits 2006 gestarteten Bilderbuchreihe „… im Einsatz“ begleiten Zeichner Stefan Seidel und Texterin Susan Niessen die verschiedensten Kinderidole während ihrer alltäglichen Arbeit. Vom Feuerwehrmann bis hin zum Piloten reicht die nunmehr bereits achtteilige Edition, die über den |Coppenrath|-Verlag vertrieben wird und in jeweils sechs doppelseitigen Illustrationen den Tagesablauf im Berufsleben der jeweiligen Person nachzeichnet.

Im Rahmen der zweiten Auflage wird nun auch der vielseitige Beruf des Landwirts in einer kleinen Geschichte beleuchtet, die vielleicht sogar die detailreichste der gesamten Serie ist. Der gute Mann, der hier durch den Alltag begleitet wird, hört auf den Namen Bernd und gewährt den kleinsten Leuten unter den Lesern einen Einblick in sein vielseitiges, allerdings auch anstrengendes Leben als Bauer. Dies beginnt bereits mit der ersten doppelseitigen Zeichnung, die das bekannte Gesicht – hier bedient sich Stefan Seidel munter bei den Skizzen aus der vorangegangenen Ausgabe – vor seinem ganzen Stolz, einem recht modernen Traktor, zeigt. Mit seinem wichtigsten Arbeitsgerät führt er im weiteren Verlauf einen Pflug, um das Getreide auszusäen, nutzt ihn aber später auch als Zuggerät für den Getreideanhänger, der auf dem Feld von einem Mähdrescher beladen wird.

Natürlich gestalten Niessen und Seidel die Geschichte des Bauern auch mit allerhand Tieren. Die Schweinezucht wird begutachtet, und auch ein kleiner Blick auf den Melkprozess im Kuhstall sei erlaubt. Und obwohl der fleißige Bernd während seines langen Arbeitstages stets lächelnd bei der Sache ist, so gebührt auch ihm ein Feierabend, jedoch zumeist erst in der Dunkelheit, nachdem er die Bestallungen allesamt noch einmal geprüft hat. Schön, dass hier auch berücksichtigt wurde, dass dieser Beruf einerseits eine Menge Spaß bringen kann, andererseits aber auch knüppelhart ist. Mit den steten Vorurteilen, die ja leider immer noch die hiesige Landwirtschaft belasten, räumt Seidel jedenfalls auf und stellt den Protagonisten stattdessen als vorbildlichen Sympathisanten vor, der sich auch von den schwersten Aufgaben nicht beeindrucken lässt – wobei alles andere im Rahmen dieses Bilderbuchs natürlich auch unpassend gewesen wäre.

Das Bauer-Buch ist aber gerade daher so wertvoll, weil es so viele kleine Details zu entdecken gibt. Die Bilder sind nicht nur farbenfroh dekoriert, sondern auch mit vielen Einzelheiten bestückt, die nicht dringend auf den ersten Blick ins Auge stechen, daher aber immer wieder einen weiteren Durchgang anregen. Außerdem sind Tiere natürlich immer ein nettes Motiv, wenn es darum geht, das Erzählpublikum bzw. die eigenen Kinder aus der Reserve zu locken. Und genau dies gelingt mit dem facettenreichen Buch um Bernd den sympathischen Bauern wirklich unheimlich gut.

Aus den genannten Gründen würde ich „Der kleine Bauer im Einsatz“ auch als Einstieg in die Reihe empfehlen. Der kleine Bilderband zeigt sehr anschaulich, was so alles auf dem Bauernhof geschieht, ohne dabei mit Informationen oder grafischen Reizen zu überfordern. Nicht zuletzt wegen der liebevollen Detailzeichnungen ist es als Vorlesewerk für das ganz kleine Publikum sogar fast schon ein Muss.

http://www.coppenrath.de/

Nancy Farmer – Drachenmeer

„Drachenmeer“ – der deutsche Titel von Nancy Farmers Fantasyroman „The Sea of Trolls“ ist irreführend. Drachen spielen nämlich eine eher untergeordnete Rolle in dem Buch, und sie weisen auch keinerlei intelligente Züge auf. Sie können nicht reden, und geritten werden sie auch nicht. Vielmehr stellen sie ein Hindernis für den zwölfjährigen Jack dar, der sich auf eine gefährliche und manchmal sehr witzige Reise begibt, um seine kleine Schwester Lucy aus den Fängen der bösen Bergkönigin Frith zu befreien.

Nancy Farmer – Drachenmeer weiterlesen

Welles Hartley / Mick Harrison / Doug Wheatley – Star Wars 65: Dark Times 4 (von 5) – Das Bauernopfer

Inhalt

„Das Bauernopfer, Rebellion Teil 3“

Wyl Tarson und seine Gefährten landen auf Ahakista, einem unscheinbaren Planeten, auf dem der Mann mit der implantierten Bombe zu einem Knoten vordringen soll, um seine von Raze auferlegte Mission baldig zu beenden. Doch die Situation auf Ahakista ist bedenklich; das Imperium hat die Pyramiden des Planeten in Besitz genommen und droht, das Volk zu versklaven. Lediglich eine kleine Einheit unter der Führung Sardoths plant ein Komplott und versucht, mit Hilfe einer imperialen Verräterin die Kommandozentrale der Streitkräfte des Imperiums per Frontalangriff auszuschalten.

Welles Hartley / Mick Harrison / Doug Wheatley – Star Wars 65: Dark Times 4 (von 5) – Das Bauernopfer weiterlesen

Sassenberg, Volker – Gabriel Burns – Im Kreis des Vertrauens (Folge 28)

Dass eine fiktive Geschichte manchmal näher an die Wahrheit herankommt als vorgesehen, musste Volker Sassenberg mit seiner Hörspielreihe |Gabriel Burns| erfahren. Die ursprünglich für Herbst 2007 geplante Folge 28 „Im Kreis des Vertrauens“ war |Universal| aufgrund aktueller Geschehnisse in Rumänien so heikel, dass sie um eine Überarbeitung baten. Diese neue Version ist nun, fast ein halbes Jahr später, endlich erschienen.

Während Folge 27 sich auf Steven Burns konzentrierte, steht in „Im Kreis des Vertrauens“ Larry Newman im Mittelpunkt des Geschehens und sieht sich mit Ereignissen konfrontiert, die ihn – man kann es schon ahnen – nach Rumänien führen.

_Vorgeschichte: Folgen 1 bis 27_

Vancouver: Steven Burns, erfolgloser Schriftsteller, hält sich mehr schlecht als recht als Taxifahrer über Wasser. Sein Leben ändert sich jedoch schlagartig, als er an den geheimnisvollen Bakerman gerät – oder treffender: als Bakerman Steven kontaktiert, um ihn in ein mysteriöses Projekt einzuweihen, das sich unheimlicher Phänomene angenommen hat. Warum Bakerman, der dieses Projekt leitet, gerade Steven für seine Pläne auserkoren hat, wird dem Schriftsteller in dem Moment klar, als er an seinen Bruder Daniel zurückdenkt. Dieser verschwand nämlich im Alter von vier Jahren auf seinem Geburtstag, als Steven ihn bat, in eine Kiste zu steigen und einen Zaubertrick über sich ergehen zu lassen. Doch das Resultat war kein harmloses Kinderspiel, denn Daniel war plötzlich wie weggezaubert und blieb spurlos verschwunden.

Obwohl Bakerman auf die Geschehnisse von Stevens geheimnisvoller Zaubergabe anspielt, bleibt er ihm die Antworten schuldig. Und wenn er etwas herausrückt, dann nur sehr spärlich und darauf bedacht, die wahren Hintergründe im Dunkeln zu lassen. Denn Bakerman möchte Stevens Fähigkeiten erst einmal testen und eine Vertrauensbasis aufbauen. So schickt er ihn über den gesamten Globus; immer dorthin, wo auf eigenartige Weise Menschen verschwinden, von gefährlichen Experimente berichtet wird oder scheinbare Naturphänomene ans Tageslicht treten.

Steven Burns zur Seite stehen Joyce Kramer und Larry Newman, die das Viererteam um Bakerman komplettieren. Joyce ist bereits seit vielen Jahren ein treuer Verbündeter Bakermans und stellt seine Pläne nicht in Frage. Larry hingegen ist erst kurze Zeit nach Steven zur Mannschaft gestoßen, als sich der frühere Forstbeamte in den Wäldern von Yukon widernatürlichen Phänomenen ausgesetzt sieht und daraufhin beschließt, das Böse zu bekämpfen. Die zehn fahlen Orte sind es, die Steven Burns, Bakerman, Joyce und Larry in Atem halten. Orte, an denen das Böse zum Vorschein kommt und Tore in eine andere Welt geöffnet werden, um die Menschheit durch Kreaturen aus der Hölle zu vernichten.

Steven weiß nun, wer er ist, oder vielmehr, was er ist. Jetzt liegt es an ihm, dieses Wissen für sich zu nutzen und den Kampf aufzunehmen. Die Zeit rennt. Doch welche Rolle spielt er in diesem Spiel? Er ist auf sich allein gestellt, denn Bakerman ist untergetaucht und Joyce, so denkt es zumindest alle Welt, tot.

_Inhalt_

Steven Burns und Larry Newman befinden sich in Vancouver auf dem Weg in die Nachtkathedrale, einem Gewölbe, über das mittlerweile das St.-Paul-Krankenhaus errichtet worden ist. Schon einmal sind die beiden an diesem Ort gewesen, doch erst jetzt hat sich ihre Vermutung bestätigt, dass es sich um einen der zehn fahlen Orte handelt. Sollte dieser fallen, wäre die kanadische Metropole dem Untergang geweiht und ihre Mission in großer Gefahr.

Mit der Hilfe einer Krankenschwester gelangen Steven und Larry in den Hospitalflügel, über den man in die Nachtkathedrale eindringen kann. Ihr Einfluss auf das Krankenhaus ist unvermindert groß, denn die Schwester berichtet ihnen, dass sie öfter ein Weinen aus den Wänden vernimmt und der Ort eine böse Aura ausstrahlt. Während die Schwester wieder zur Rezeption zurückkehrt, begeben sich die Steven und Larry hinab ins Gewölbe. Auch sie vernehmen bald ein Schluchzen, doch es kommt nicht aus den Wänden, sondern stammt von einem Mädchen, das zusammengekauert im Dunkeln hockt. Sein Mund ist zahnlos, seine Haare sind spröde und weiß. Während Larry sich dem Kind annimmt, hört Steven neue Stimmen. Sie rufen ihn und bitten ihn zu folgen. Und dies tut er vor den Augen Larrys, der Steven einfach entschwinden sieht.

Dieser ist hin- und hergerissen, will sich aber zunächst um das Mädchen kümmern, das er der Krankenschwester übergibt. Es scheint kein Zufall zu sein, dass sich wenig später ein anonymer Anrufer nach dem Mädchen erkundigt. Larry ist gewarnt und will vorerst im Hospital bleiben, um das Kind zu schützen. In einer Ecke des Zimmers wartet er.

Bis in die Nacht muss er ausharren, als ein Mann den Raum betritt und sich über das Bett des Mädchens beugt. Larry überwältigt ihn und stellt ihn zur Rede, doch der Mann, der sich als Razvan Gulesco und als Mitglied des Magierordens der Nachfahren Pandialo vorstellt, gibt sich als Verbündeter zu erkennen, der das Kind ebenfalls schützen will. Wovor, wird wenig später klar, denn ein weiterer Mann, verkleidet als Arzt, betritt den Raum. Doch der Geruch alten Leders enttarnt ihn als Blender. Bevor er dem Mädchen etwas anhaben kann, bringt ihn Larry zur Strecke. Auch wenn die Gefahr somit vorerst gebannt ist – im öffentlichen Krankenhaus ist das Kind nicht mehr sicher. Noch in der Nacht bringen Larry und Razvan das Kind heimlich aus dem Hospital fort. Doch Ravzan Gulesco will noch mehr, und so bittet er Larry, ihm und der Magiergilde zu trauen und nach Rumänien zu reisen.

Tatsächlich klären sich in Rumänien für Larry endlich einige Rätsel um die degenerierten Kinder auf. Das Ausmaß der Experimente, die direkt auf die rumänische Regierung zurückgehen, ist gewaltig und erschreckend zugleich. Noch während Larry Newman seine weiteren Schritte planen kann, begegnet er jedoch im Magierorden einem alten Bekannten, und diesen hat er nicht unbedingt in guter Erinnerung. Er muss sich entscheiden, wie weit er sich auf ihre Seite stellen will. Das Angebot zur Kooperation ist jedenfalls verlockend, denn der Orden will Larry helfen, das mysteriöse Verschwinden Steven Burns aufzuklären.

_Bewertung_

|Gabriel Burns| wird in alterbewährter Tradition fortgesetzt. Das heißt konkret: Einige Geheimnisse werden gelöst, der Großteil bleibt ungeklärt und viele neue Spuren und Verschwörungen kommen hinzu. Folge 28 „Im Kreis des Vertrauens“ konzentriert sich dabei mit Larry Newman auf nur eine der vier Hauptpersonen. Zahlreiche Handlungsstränge der letzten Folgen werden also nur kurz angerissen bzw. gar nicht weitergesponnen, sondern auf künftige Folgen verschoben. |Gabriel Burns| wird einer Mystery-Serie dadurch natürlich nur gerecht, da eine Auflösung sämtlicher offener Fragen gleichzeitig das Ende der Serie einleiten würde. Zugleich ist ein Hinauszögern auch immer mit Problemen verbunden, wenn man hier den Vergleich zur Referenzserie |Akte X| anbringt, die den Zuschauer über viele Staffel bei der Stange hielt, am Ende mit immer weiteren Verstrickungen jedoch enttäuschte. Der Balanceakt zwischen erhofften Antworten und spannungsbedingten Unklarheiten ist also nicht immer leicht, zumal der Pfad zwischen diesen Polen mit jeder neuen |Gabriel Burns|-Episode schmaler wird und die Chance erhöht, irgendwann abzurutschen.

In Folge 28 fällt angesichts dieser für das Genre typischen Eigenheiten mehr denn je auf, dass es durch die vielen Verweise allmählich schwieriger wird, den Überblick zu behalten und die Personen und Geschehnisse richtig einzuordnen. In einem solchen Fall hilft es nur, von der ersten Folge an noch einmal zu beginnen und in gestrafter Weise die Geschichte um Steven Burns zu verfolgen. „Im Kreis des Vertrauens“ verweist nämlich im speziellen, neben vielen bereits früher in unterschiedlichen Folgen eingeführten Nebenfiguren, auf Folge 5, „Nachtkathedrale“. Diese erschien 2004 und stellte den namensgebenden fahlen Ort vor, der direkt in Vancouver liegt und mittlerweile, während Folge 28, erneut im Zentrum der Ereignisse liegt.

Für sich genommen, obwohl ohne Kenntnis der gesamten Serie kaum verständlich, kann „Im Kreis des Vertrauens“ überzeugen, stellt jedoch eher eine Zwischenepisode im |Gabriel Burns|-Universum dar. Gut gelöst ist es auf jeden Fall, dass kaum neue Orte, Gruppen oder Personen eingeführt, sondern vielmehr einige lose Fragmente in Beziehung gesetzt werden. Das verlangt die genannte gute Übersicht, zeigt jedoch, dass der episodenübergreifende Hauptplot sinnvoll konstruiert worden ist und vieles, was vorher als Nebensächlichkeit keine besondere Rolle gespielt hat, nun in den Mittelpunkt rückt. Über die technische Qualität des Hörspiels und die Sprecher muss an dieser Stelle kein Wort verloren werden, bewegt sich beides doch auf dem für |Gabriel Burns| bekannten hohen Niveau. Es bleibt also spannend, ein wenig mehr Licht im Dunkeln würde der Serie nach den letzten Folgen aber insgesamt gut tun.

http://www.gabrielburns.de/

Siehe ergänzend dazu auch unsere Besprechungen zu den aktuellen Buchveröffentlichungen:

[„Gabriel Burns: Die Grauen Engel“ 3892
[„Gabriel Burns: Verehrung“ 3960

Allan Heinberg, Will Pfeifer – Wonder Woman – Wer ist Wonder Woman? (100% DC Bd. 12)

Story

Nach einjähriger Abstinenz sind die Rachegedanken Wonder Woman gegenüber immer noch nicht abgerissen. Obwohl Donna Troy inzwischen mehr oder weniger erfolglos versucht hat, diesen Part auszufüllen, geben sich weder die Bevölkerung noch die zahlreichen Gegenspieler, die den Mord an Maxwell Lord sühnen wollen, mit dem einstigen Wonder Girl zufrieden.

Als die Situation zu eskalieren droht und ihre beiden Amazonen-Schwestern Donna und Cassie selbst in die Schusslinie geraten, kann Diana von Themyscira ihre Isolation nicht mehr länger aufrechterhalten. Doch ihr Auftritt gegen Herkules und Circe macht ihr immer wieder bewusst, dass sie sich in ihrem Heldenkostüm und in ihrer zweiten Rolle nicht mehr wohlfühlt. In der Tarnung der Spezialagentin Diana Prince erfährt sie zudem von der mangelnden Akzeptanz, die man Wonder Woman nach der Mordanklage entgegenbringt. Soll sie nun endgültig den Schritt wagen und zum Menschsein übergehen? Oder ist Diana auf Lebenszeit und darüber hinaus gezwungen, sich ihrer ewigen Berufung zu stellen?

_Persönlicher Eindruck_

Jahrelang fristete Wonder Woman, einst eines der Zugpferde des |DC|-Universums, in mehreren Crossover-Serien ein Mauerblümchendasein und kam als unabhängige Superheldin nur noch sehr selten so recht zum Zuge. Einige Hauptrollen wie etwa diejenigen in den beiden „Crisis“-Reihen wurden ihr gegönnt, hier und dort gab es Gastauftritte, doch die unverständlicherweise verschwundene, nach ihr benannte Heftreihe wurde über die Jahre nicht wieder mit einem Comeback versehen. Und dabei hat die Background-Geschichte um |DC|s liebste Amazone doch insgeheim mehr Potenzial als das Gros der vielen Team-Serien, mit denen sich der Verlag in letzter Zeit wieder häufiger ans Publikum wagt.

Im Rahmen der „100% DC“-Reihe folgt nun aber doch noch die heiß ersehnte Wiederauferstehung von Diana von Themyscira, allerdings in einem eher merkwürdigen, insgesamt leider auch unwürdigen Rahmen. Das Autorenteam Heinberg/Pfeifer knüpft in der ersten Mini-Serie der jüngst in Amerika neu aufgelegten Heftreihe genau dort an, wo auch schon die neuen Episoden von „Batman“ und „Superman“ zuletzt erneut Anker warfen. Ein Jahr nach der „Infinite Crisis“ – die Parallelen sind sicher nicht zufällig – kehrt Diana nun also zurück und ist sich ebenso wie ihre Kollegen nicht ganz über ihr weiteres Dasein als Superheldin im Klaren. Klischeehaft, wie es sich in diesem Rahmen nun fast schon von selbst versteht, bedarf es einer bevorstehenden Krise, die das Eingreifen der Protagonistin erfordert, damit diese sich bei ihrer Sinnorientierung wieder fangen kann. Und natürlich betrifft der anstehende Konflikt ihre direkte persönliche Umgebung, nämlich Cassie und Donna, die sich um die legitime Nachfolge der Titelheldin bewerben, als solche aber nicht anerkannt werden.

So viel zu den Rahmenbedingungen, die an dieser Stelle ein wenig ironisch dargestellt sind, um einfach noch einmal bewusst zu machen, wie sehr sich die Motive des zurückgekehrten „Infinite Crisis“-Triumvirats doch gleichen. Nur eben setzt man bei Wonder Womans Quasi-Comeback doch recht deutlich auf altbekannte Klischees, bezieht sich ein weiters Mal auf die Herkunftsgeschichte der Amazone, versucht gleichzeitig mit der Sinnfrage ihres Superheldendaseins philosophische Inhalte in den Plot zu tragen und übergeht damit die eigentliche Handlung immer wieder. Ein fokussierter Spannungsaufbau ist solchermaßen kaum möglich, da die fragmentierte Aneinanderreihung von lose zusammenhängenden Kapiteln dies gar nicht zulässt. Einige interessante Ideen werden angeschnitten, keine jedoch zielgerichtet verfolgt, so dass am Ende genau das geschieht, was insgeheim doch alle erwartet haben. Da können auch die Jagd auf Circe oder das plötzliche Gefecht mit Herakles kaum für Abwechslung sorgen und den Fortschritt des Plots nur wenig beeinflussen. Es fehlt einfach an magischen Momenten und präziser entwickelten Charakteren und Szenarien, und darüber kann auch die stetig bemühte Action nicht hinwegtäuschen. So graziös wie erwartet ist das Comeback von „Wonder Woman“ nämlich absolut nicht.

Tja, da ringt die |DC|-Amazone seit Jahren um eine neue eigene Serie, hat hierfür in den vergangenen Crossover-Reihen auch schon einiges an Überzeugungsarbeit geleistet und bekommt nun eine vergleichsweise schwache Erzählung aufgebrummt, die den ersten Sammelband mit den US-Ausgaben eins bis fünf zu einer derben Enttäuschung machen. Der Esprit, der Charme, ja selbst die zeichnerische Eleganz sind in „Wer ist Wonder Woman?“ nur angedeutet, nicht jedoch auf gewohntem Niveau vorzufinden. Und nimmt man die im Untertitel gestellte Frage einmal wörtlich, ist man sich selber schon nicht mehr sicher, wie die Antwort nun aussehen könnte. Bleibt zu hoffen, dass die nächsten Ausgaben diesbezüglich etwas mehr Aufschluss geben, vor allem aber diesen schwachen Auftakt schnell wieder vergessen machen!

http://www.paninicomics.de

Mischke, Susanne – Tote vom Maschsee, Der

Neue Krimis sprießen fast schon wie Unkraut aus dem Boden, und besonders beliebt sind Lokalkrimis, bei denen Krimihelden im eigenen Heimatort ermitteln. Doch leider war die schöne niedersächsische Hauptstadt bei Krimiautoren bislang offensichtlich nicht sonderlich beliebt. So haben wir zwar eine sehr gute Tatortkommissarin, die in Niedersachsen ermittelt, aber zu lesen gab es krimitechnisch über Hannover nicht sehr viel – das hat sich nun glücklicherweise dank Susanne Mischke geändert!

_Auf Haarmanns Spuren_

Dr. Martin Offermann, ein bekannter Psychologe, hält im Courtyard Marriott Hotel am Hannoveraner Maschsee einen Vortrag über die Typologie von Sexualstraftätern – noch nichts Böses ahnend, denn es wird nicht lange dauern, bis seine Zunge am Denkmal für Haarmanns Opfer auf dem Stöckener Friedhof gefunden wird und der Rest von Offermann tot im Maschsee.

Die Hannoveraner Kriminalpolizei ist sofort vor Ort, um Spuren zu sichern und Zeugen zu vernehmen. Jule Wedekin, die gerade ihren ersten Tag bei der Kripo verlebt und sich gleich mit den Vorurteilen ihrer neuen Kollegen konfrontiert sieht, bekommt keine Schonzeit zugestanden; sogleich gehört sie zur Ermittlungstruppe, die herausfinden soll, ob jemand Offermann zum Schweigen bringen wollte. Hat die herausgeschnittene Zunge ‚etwas zu sagen‘? Da der bekannte Psychologe oftmals als Gutachter für das Gericht gearbeitet hat, wühlt sich die Kripo durch Berge von Akten und zieht Erkundigungen ein zu laufenden Fällen. Auch Offermanns schöne Kollegin Liliane Fender rückt schnell ins Kreuzfeuer der Polizei, denn sie gibt immer nur so viele Informationen preis wie notwendig, außerdem verschweigt sie der Kripo, dass sie sich demnächst als Partnerin in der Praxis einkaufen wollte – für stolze 140.000 Euro, die sie nun dank Offermanns plötzlichem Ableben gespart hat. Klingt nach einem handfesten Motiv.

Doch die Polizei verfolgt zahlreiche weitere Spuren, denn der jüngste Fall, in welchem Offermann als Gutachter tätig war, erscheint ebenfalls vielversprechend. Es geht um einen Sexualstraftäter, der nun nach 15 Jahren Gefängnis entlassen werden soll – ohne Sicherheitsverwahrung, denn das Gericht hatte 15 Jahre zuvor versäumt, eine solche anzuberaumen. So müssen neue Informationen her, um den Straftäter weiter hinter Schloss und Riegel zu halten. Hat Offermanns Tod mit diesem Fall zu tun? Das bleibt abzuwarten …

_Gestörte Idylle am Maschsee_

Hannover als ehemalige Heimat des bekannten Massenmörders [Fritz Haarmann]http://de.wikipedia.org/wiki/Fritz__Haarmann bietet sich eigentlich an für einen Lokalkrimi, doch „Der Tote vom Maschsee“ war nun der erste von mir gelesene Krimi, der in meiner langjährigen Wahlheimat spielt. So war ich natürlich gespannt wie ein Flitzebogen auf lokale Begebenheiten, die ich selbst aus eigener Erfahrung kenne, und da enttäuschte mich Susanne Mischke nicht. Gleich zu Beginn findet sich eine abgeschnittene Zunge auf dem Stöckener Friedhof, kurz darauf geht es zum Leichenfund an den wunderschönen Maschsee, der damals in der Zeit des Nationalsozialismus künstlich angelegt wurde. Mischke geizt aber auch nicht mit Stadtteilbeschreibungen aus der Südstadt, Linden und auch der List. Stets nimmt sie den Leser an die Hand, leitet ihn über Hannovers Straßen und lädt ihn ein in Kneipen der Stadt. Wer Hannover nicht kennt, mag etwas überfordert sein, doch wer die Niedersächsische Hauptstadt kennt, wird begeistert allen Schritten folgen und sich gerne an die jeweiligen Stadtteile und Örtlichkeiten erinnern.

Doch Susanne Mischke hat noch mehr zu bieten, und zwar grandiose Charaktere. Allen voran wäre da beispielsweise Hauptkommissar Völxen zu nennen, der zu faul zum Rasenmähen ist und es deshalb für praktisch erachtet hat, sich stattdessen vier Schafe anzuschaffen, die das Rasenstutzen für ihn übernehmen. Was er allerdings nicht bedacht hat, war die Tatsache, dass leider auch die Schafe in regelmäßigen Abständen geschoren werden müssen, und so hat Völxen sich das geeignete Werkzeug gekauft und macht sich unter tatkräftiger Unterstützung seiner pubertierenden Tochter ans Werk. Doch bevor er seine Schafe fertig frisiert hat, ereilt ihn ein Anruf seiner Kollegen, die ihn zu einem neuen Tatort rufen, und so eilt er davon und überlässt seiner Tochter und dem nicht gerade gern gesehenen Freund das Feld. Grandios ist die Szene, als Völxen am Tag darauf seine Schafe beguckt und feststellen muss, dass seine Tochter besonders kreativ gewesen ist:

|“Nichts Gutes ahnend, stapft Völxen ums Haus herum und nimmt Kurs auf die Schafweide. Dort angekommen, schnappt er nach Luft, und an seiner Schläfe treten zwei Adern hervor. […] Völxen deutet stumm und anklagend auf das Schaf Angelina. Das Tier ist ordentlich geschoren, bis auf einen Streifen entlang der Wirbelsäule. Damit nicht genug, hat irgendein Blödian diese Irokesenbürste pink eingefärbt.“|

Völxen gibt auch an anderen Stellen genügend Anlass zum Schmunzeln; so ist er etwas beleibt und wird von seiner nicht mehr ganz so geliebten Ehefrau zum Diäten angehalten. Während er zähneknirschend zu Hause das Bier ausspart (glücklicherweise hält sein Nachbar immer ein gutes Herri – für den Nicht-Hannoveraner auch „Herrenhäuser“ genannt – bereit) und den Gemüsefraß herunterquält, gönnt er sich an anderer Stelle natürlich genügend Kalorienbomben, doch seine Frau hat noch bessere Pläne für ihn – nämlich Nordic Walking!

|“Fettverbrennung, schon wieder so ein Unwort. Hat etwa diese Übungsleiterin – „Ich bin Helga“ – dabei ihn angesehen? Dabei ist er hier längst nicht der Dickste. Schon eher diese Dame fortgeschrittenen Alters in den pinkfarbenen Leggins. Überhaupt – wären die Stöcke nicht, man könnte meinen, dies sei ein Treffen der Weight-Watchers. Er kommt sich albern vor in diesen Klamotten, die Sabine für ihn bei ihrem Lieblingskaffeeröster erstanden hat. Zum Glück sieht ihn hier niemand, der ihn kennt. Er hat sich extra bei der Volkshochschule der nahe gelegenen Kleinstadt Gehrden zum Anfängerkurs angemeldet…“|

Hauptkommissar Völxen ist allerdings nicht der einzige Charakter, der richtig Profil gewinnt und dem Leser höchst sympathisch wird. Auch die neue Kommissarin aus gutem Hause – Jule Wedekin -, die sich endlich von ihren Eltern abnabeln will und deswegen in eine kleine Wohnung in der List zieht, erlebt Kurioses: Als sie eines Abends nämlich zu ihrem Nachbarn geht, um das geeignete Equipment auszuleihen, um ihre Küchenlampe aufzuhängen, sieht sie mit Kennerblick sofort die kleine Hanfplantage auf der Fensterbank ihres Nachbarn und stellt sich ihm vorsorglich nicht als Polizistin vor. Thomas, so heißt der Hobby-Hanfzüchter, bietet sich sogleich an, die Küchenlampe eigenhändig aufzuhängen und begleitet Jule in ihre Wohnung, als auch schon ihr Kollege Fernando – ehemals bei der Drogenfahndung – vor der Tür steht und Thomas weismacht, dass er Fußpfleger wäre. Nachdem die zweite Flasche Wein geleert ist und eine Tüte kreist, klingelt auch noch die nächste Kollegin an Jules Tür – Oda, die sich gleich fröhlich zu der angeheiterten Runde gesellt und sich die Tüte schnappt. Genau so stellt man sich die deutsche Kriminalpolizei vor, zumal Oda sich ganz uneigennützig anbietet, den angeheiterten Hanfzüchter spätabends in seine Wohnung begleitet, um sich dort seine Pflanzensammlung zeigen zu lassen – und nicht nur das …

All diese Beschreibungen machen die handelnden Figuren sympathisch und fast schon zu guten Freunden. Susanne Mischke lädt uns ein, ihre Romanfiguren kennenzulernen und sie auf Schritt und Tritt zu begleiten. Derart herrliche Beschreibungen voller Situationskomik findet man leider selten, insbesondere im Krimigenre.

_Und was ist mit der Spannung?_

Neben der wunderbaren Charakterzeichnung vergisst Susanne Mischke selbstverständlich nicht ihren Kriminalfall, den es aufzuklären gilt. Und hier zeigt sie, dass sie die wesentlichen Elemente eines guten Kriminalromans kennt; sie legt verschiedene Spuren aus, die teilweise natürlich in die Irre führen, sie lässt verschiedene Menschen auf den Plan treten, die alle Stückchen für Stückchen zur Lösung des Falles beitragen oder vielleicht auch Hinweise geben, die in die falsche Richtung führen. So fiebert man beständig mit, will wissen, was mit Offermann geschehen ist, ob seine schöne Kollegin Fender Dreck am Stecken und warum man ihn zum Schweigen verurteilt hat.

Die Lösung des Falles überzeugt auf ganzer Linie, auch wenn sie wohl nicht vollkommen überraschend kommt. Schon ein wenig vorher deutet sich an, dass praktisch nur noch diese eine Auflösung möglich ist, doch glücklicherweise erlag Mischke nicht dem Wahn, ihrem Buch zum Schluss noch eine hanebüchene Wendung hinzufügen zu müssen, die an den Haaren herbeigezogen gewesen wäre.

Kriminaltechnisch gesehen geht „Der Tote vom Maschsee“ als gehobener Durchschnitt durch, doch als Gesamtkunstwerk betrachtet, das sich mit Sicherheit eher an die Bevölkerung Hannovers wendet, kann ich nur die Höchstnote zücken. Susanne Mischke streut genügend Lokalkolorit ein, um Hannoveraner bei Laune zu halten, verirrt sich aber nicht so sehr in Straßennamen und anderem Insiderwissen, dass andere Leser vollkommen ausgeschlossen wären. Insbesondere mit ihren sympathischen und authentischen Charakteren, ihrer Situationskomik und ihrem Wortwitz punktet Susanne Mischke und sorgt dafür, dass ich schon jetzt dem nächsten Fall entgegenfiebere, den Völxen und sein Ermittlungsteam lösen müssen.

http://www.piper-verlag.de

John Wyndham / Heinz Dieter Köhler / Carl Dietrich Carls – Kolonie im Meer

Puristische Dokumentation der Apokalypse

Die außerirdischen Invasoren landen nicht im Hyde Park, sondern verbergen sich in den tiefsten Gräben unter dem Meer, denn sie können nur unter hohem Druck existieren. Doch der Mensch will die Erde nicht mit Wesen teilen, die seine Schiffe versenken und sich auch nicht von Atombomben vertreiben lassen. Die Wesen schlagen zurück. Doch die Attacken mit panzerartigen Kommandos stoßen auf zunehmend besser vorbereitete Verteidiger. Eine trügerische Waffenruhe tritt ein. Dann kommen die Meldungen vom Abschmelzen der Polkappen. Die Pegelstände steigen …

John Wyndham / Heinz Dieter Köhler / Carl Dietrich Carls – Kolonie im Meer weiterlesen

David Nicholls – Ewig Zweiter

Bereits in seinem ersten Roman [„Keine weiteren Fragen“ 3258 hat der Brite David Nicholls bewiesen, dass er sich auf sympathischen Losertypen versteht. Der Titel hat sich gut verkauft und die Filmrechte wurden bereits an Tom Hanks‘ Produktionsfirma |Playtone| abgetreten. Man darf also zu Recht erwarten, dass sich Nicholls auch mit seinem zweiten Roman „Ewig Zweiter“ gut schlägt – vor allem auch deswegen, weil es diesmal um eine Thematik geht, die auch Parallelen zu seiner eigenen Biographie offenbart – Nicholls hat jahrelang als Schauspieler gearbeitet, bevor er sich aufs Schreiben verlegte.

David Nicholls – Ewig Zweiter weiterlesen

Berg, Carol – Tor der Offenbarung (Rai-Kirah-Saga 2)

Band 1: [„Tor der Verwandlung“ 3948

Nach den Ereignissen in „Tor der Verwandlung“ ist Seyonne in seine Heimat Ezzaria zurückgekehrt. Es ist ihm sogar gelungen, von seinem Volk wieder aufgenommen zu werden, und er hat die Frau geheiratet, die er seit seiner Jugend liebt. Er soll sogar bald Vater werden.

Trotzdem ist nicht alles eitel Sonnenschein. Ein nicht unerheblicher Teil der Ezzarier misstraut ihm noch immer, und da Seyonne ein schlechter Lügner ist und mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hält, hat der oberste Rat der Ezzarier einen Wachhund auf ihn angesetzt: die junge Fiona, die während Ysannes Schwangerschaft auch als Seyonnes Aife arbeitet.

Da Seyonne derzeit noch der einzige vollständig ausgebildete Wächter der Ezzarier ist, muss er nahezu täglich einen Kampf im Innern irgendeiner Seele ausfechten – eine ungeheure Belastung. Und trotzdem wäre vielleicht für immer alles beim Alten geblieben, wären nicht zwei folgenschwere Dinge geschehen: Ysannes Kind kommt mit einem Dämon behaftet zur Welt. Das ezzarische Gesetzt sieht vor, solche Kinder zu töten, indem man sie aussetzt. Noch gebeutelt von diesem entsetzlichen Verlust, trifft Seyonne auf einen Dämon ohne jedes Anzeichen von Bosheit, dafür mit einem ausgeprägten Wunsch nach einem freundlichen Gespräch …

_Die Riege der Figuren_ hat eine Menge Zuwachs bekommen:

Fiona ist eine sehr burschikose junge Frau. Aufgewachsen unter denjenigen Ezzariern, die sich nach der Eroberung durch die Derzhi tief in den Wäldern versteckt hatten, um dem Tod oder der Sklaverei zu entgehen, trägt sie ihr Haar noch immer kurz und lieber Hosen statt Röcke. Mit den Ritualen, die mit dem Kampf gegen die Dämonen verbunden sind, nimmt sie es außerordentlich genau und gerät deshalb immer wieder in Reiberei mit Seyonne. Sie sieht in seiner Nachlässigkeit Anzeichen von Verderbtheit und lässt ihn deshalb keinen Moment aus den Augen, als könnte sie ihre Überzeugung beweisen, wenn sie nur geduldig genug alles beobachtet, was Seyonne tut. Darin ist sie mindestens so gründlich wie in der Befolgung der Rituale, was dazu führt, dass sie Seyonne sogar folgt, als er Ezzaria verlässt.

Eine ebenso ausgefallene Persönlichkeit ist Blaise, ein junger Mann, der sich dem Kampf gegen die Herrschaft der Derzhi verschrieben hat. Er besitzt ein paar ungewöhnliche Fähigkeiten, die auf ein gerüttelt Maß an Melydda – magische Macht – schließen lassen, allerdings ist er nicht einmal in der Lage, einen einfachen Bann zu weben, um das Ungeziefer aus seiner Hütte fernzuhalten! Abgesehen davon besitzt er Charisma und ein ausgeprägtes Verantwortungsgefühl seinen Gefolgsleuten gegenüber, dafür fehlt es ihm in ganz bedauerlichem Maße an politischer Einsicht.

Balthar ist dem Leser des ersten Bandes vielleicht noch in Erinnerung als derjenige, der das grausame Ritual erfand, um ezzarische Sklaven ihrer Magie zu berauben. Wer jetzt glaubt, es mit einem finsteren, bösartigen Gesellen zu tun zu haben, wird überrascht sein: Balthar stellt sich als kleiner, gutmütiger, alter Mann mit einer tragischen Geschichte heraus, der schon bald der Welt samt Ezzariern und Derzhi den Rücken gekehrt und sich auf eine Insel in einem großen Fluss zurückgezogen hat. Dort hat er seine Zeit damit verbracht, eine uralte Ruine zu erforschen, und ist dabei auf einige gravierende Erkenntnisse gestoßen, die so erschreckend sind, dass er sie nur widerwillig preisgibt.

Eine noch größere Überraschung als Balthar waren jedoch die Dämonen. Der am Ende des ersten Bandes noch recht eindimensionale Feind zersplittert schon nach kurzer Zeit in eine solche Vielzahl von unterschiedlichen Persönlichkeiten, dass es die Auflistung der Charaktere schlicht sprengen würde.

Und dann wäre da noch Merryt zu erwähnen, ein jovialer, etwas derber und gleichzeitig undurchsichtiger Ezzarier, der vor langer Zeit in die Gefangenschaft der Dämonen geraten ist.

Jedem dieser Neuzugänge hat die Autorin ein eigenes, faszinierendes Profil verliehen. Selbst die Dämonen, die sehr gut darin sind, sich nicht in die Karten schauen zu lassen, erweisen sich alle als wirklich eigenständige Charaktere mit unterschiedlichen Interessen und Motiven. Auch das diesmal wieder sehr gelungen.

Diese Vielfalt an Individualität unter den Dämonen hat natürlich enorme _Auswirkungen auf die Handlung_. Oder vielleicht auch andersherum. Jedenfalls ist das Feindbild aus Band eins dadurch komplett in die Brüche gegangen, und damit auch das Weltbild der Ezzarier. Die langen Jahre außerhalb seiner Heimat und seiner Kultur haben ohnehin schon dazu geführt, dass Seyonne bei seiner Rückkehr so manches hinterfragt. Als er beginnt, der Sache auf den Grund zu gehen, macht er eine Entdeckung, die allem, was man ihn gelehrt hat, dermaßen zuwiderläuft, dass er trotz aller Distanz zu seiner eigenen Kultur größte Schwierigkeiten damit hat, die Konsequenzen zu akzeptieren. Auch der Leser macht quasi eine komplette Umwälzung mit, die Autorin hält ihn aber so stark an der Hauptfigur, dass zu keiner Zeit der Eindruck von Willkür entsteht.

Natürlich muss der weggefallene Gegenspieler in irgendeiner Form ersetzt werden. Das tut die Autorin auf elegante, unaufdringliche Weise. Im Laufe der Geschichte verschiebt sich das Gegengewicht ganz allmählich hin zu einer Person, die bisher nicht vorkam und auch jetzt nur ganz am Rande auftaucht. Wie zuvor der Dämon, der sich in Aleksander eingenistet hatte, hängt jetzt diese Bedrohung wie ein düsterer Schatten im Hintergrund, während die eigentliche Handlung sich mit konkreteren, aber kleineren Gegnern herumschlägt, die wie die Kelid am Ende des Bandes zumindest teilweise ausgeschaltet sind.

_Trotz all dieser positiven Aspekte_ hat mir der zweite Band nicht ganz so gut gefallen wie der erste. Die besondere, sich allmählich entwickelnde Beziehung zwischen Aleksander und Seyonne, die einen großen Teil der Faszination des ersten Bandes ausgemacht hat, ist hier weggefallen, und die ständigen Reibungen zwischen Fiona und Seyonne sowie das Duell zwischen Seyonne und der Dämonin Vallyne sind zwar nicht schlecht gemacht, können damit aber nicht mithalten. Das mag daran liegen, dass Seyonnes scharfer Verstand, der ihn in der Konfrontation mit Aleksander stets wie einen Artisten bei einem gewagten Drahtseilakt agieren ließ, diesmal zu großen Teilen brach lag. Nicht, dass es seine Schuld gewesen wäre, aber die Autorin fügt ihm diesmal so zahllose und schwere Misshandlungen, Verwundungen und Demütigungen zu, dass der Leser konsequenterweise mehr an Gefühlen teilhat als an Gedanken. Seyonne ist über große Zeiträume hinweg mehr verwirrt als bei Sinnen. Das zieht nicht nur die Handlung stellenweise etwas in die Länge, es macht diesen Teil des Zyklus auch ein gutes Stück grausamer als den ersten.

Immerhin aber hat die Autorin alle Bestandteile ihrer Geschichte – die Welt der Dämonen, den historischen Hintergrund, die persönlichen Vergangenheiten ihrer Figuren – sehr geschickt und nahtlos miteinander verwoben. Es dauert ein wenig, bis der Zusammenhang zwischen den ausgesetzten Kindern der Ezzarier, den Rebellen um Blaise, den Dämonen und den historischen Entdeckungen allmählich deutlich wird, gegen Ende aber zieht die Spannung an und hält sich tatsächlich bis ganz zum Schluss, was nicht unerheblich auf einige überraschende Wendungen zurückzuführen ist. Abgesehen von den oben erwähnten kleinen Mankos ist dieser zweite Band des Zyklus immer noch ein gutes, lesenswertes Buch.

_Carol Berg_ schreibt ihre Bücher nebenbei. Hauptberuflich ist die studierte Mathematikerin und Computerwissenschaftlerin als Software-Entwicklerin bei |Hewlett Packard| tätig. „Tor der Verwandlung“ ist der erste Band der Trilogie Rai-Kirah und ihr erstes Buch überhaupt. Seither hat sie den vierbändigen Zyklus |The Bridge of D’Arnath| geschrieben sowie einen Zweiteiler und die Romane „Song of the Beast“ und „Unmasking“, der im November neu auf den Markt kommt. Nahezu alle ihre Bücher haben irgendeinen Preis gewonnen. Eine beachtliche Leistung für eine Hobby-Autorin. Höchste Zeit also, dass ihre Bücher endlich auch auf Deutsch erscheinen. Der abschließende dritte Band von |Rai-Kirah| erscheint im Juli dieses Jahres unter dem Titel „Tor der Erneuerung“.

|Originaltitel: The Rai-Kirah-Saga 2. Revelation
Originalverlag: Roc, New York 2002
Aus dem Amerikanischen von Tim Straetmann
Taschenbuch, 672 Seiten|
http://www.blanvalet-verlag.de/
http://www.sff.net/people/carolberg/

Stefan Melneczuk – Marterpfahl. Sommer der Indianer

Ein Auto kommt von der Straße ab und stürzt einen Abhang hinunter. Als die Rettungskräfte das Fahrzeug erreichen, finden sie eine schwerverletzte Frau zusammengesunken hinter dem Steuer. Sie stirbt in den Armen eines Feuerwehrmannes, doch zuvor flüstert sie ihm noch etwas ins Ohr. Er behält ihre letzten Worte für sich und auch das, was er in diesem Moment gesehen hat – etwas, das ihm niemand glauben würde …

Tausende Meilen weiter, an der kanadischen Küste, tobt ein schwerer Sturm. Doch er kann dem Haus der Familie Bauer nichts anhaben. Die Bewohner haben alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Die Fenster sind mit Holzlatten vernagelt, das Haus gesichert. Doch die Nachricht, die David Bauer in dieser Nacht erhält, trifft ihn härter als jede Sturmböe. Es ist eine Mail aus Deutschland und ihre Betreffzeile lautet: „Indianer kennen keinen Schmerz.“ David wird nicht schlafen in dieser Nacht und auch nicht in den folgenden. Er muss zurückkehren, zurück in die Vergangenheit …

Stefan Melneczuk – Marterpfahl. Sommer der Indianer weiterlesen

Harris, Charlaine – Grabesstimmen (Harper Connelly 1)

_Harper Connelly_ ist eine ziemlich außergewöhnliche junge Frau, denn als junges Mädchen wurde sie vom Blitz getroffen. Sie überlebte nur mit Glück, kann seither jedoch die Anwesenheit von Toten spüren und deren letzte Minuten nachempfinden. Zusammen mit ihrem Bruder Tolliver hat sie diese Gabe zur Geschäftsidee entwickelt, und so tingeln die zwei durch die Vereinigten Staaten, um ihre Dienste feilzubieten.

Zu Beginn von Charlaine Harris‘ neuem Roman „Grabesstimmen“ verschlägt es Harper und Tolliver ins verschlafene Städtchen Sarne. Dort wurden sie von der einflussreichen Sybil Teague engagiert, um die Leiche der jungen Teenie zu finden. Diese war vor einiger Zeit zusammen mit ihrem Freund Dell, pikanterweise Sybils Sohn, verschwunden. Dells Überreste wurden gefunden, Teenies nicht – und so geht die Polizei davon aus, dass Dell Teenie ermordet hat, nur um sich danach selbst zu töten.

Tatsächlich findet Harper Teenies Leiche ohne Probleme, doch verkompliziert sich der Einsatz, als immer klarer wird, dass sowohl Teenie als auch Dell ermordet worden sind. Als dann ein weiterer Mord geschieht, finden sich Harper und Tolliver plötzlich in der sprichwörtlichen Schusslinie wieder und sehen sich also gezwungen, Licht in die ganze Geschichte zu bringen.

_Charlaine Harris‘ Romane_ haben leider reichlich spät die Reise über den großen Teich angetreten: Ihr erstes Buch veröffentlichte sie bereits 1981, doch erst 2004 wurde der erste Roman ihrer Serie um die Kellnerin Sookie Stackhouse ins Deutsche übersetzt. Es scheint so, dass ihre unterhaltsame Mischung als Mystery, Krimi und Humor, gewürzt mit einer ordentlichen Prise Erotik, auch hierzulande eine treue Fangemeinde gefunden hat. Zumindest legt der Entschluss ihres Verlages |dtv| (zuvor bei |Feder & Schwert|), eine weitere ihrer Romanserien zu herauszubringen, diesen Schluss nahe. Und auch „Grabesstimmen“ wird zweifellos eine wohlwollende Leserschaft finden, denn Harris schafft es, sich selbst treu zu bleiben, ohne sich zu wiederholen. So kann man die Autorin der Sookie-Bücher problemlos in „Grabesstimmen“ wiedererkennen, und doch hat sie keinen billigen Abklatsch ihrer Vampirserie geschrieben.

Das Verhältnis Mystery/Krimi ist hier im Gegensatz zu den Sookie-Romanen spiegelverkehrt. Abgesehen von der Tatsache, dass Harper Leichen aufspüren und auf geheimnisvolle Weise deren letzte Momente nachempfinden kann, bleibt Harris konsequent in der „realen Welt“. Harpers Fähigkeit ist nur etwas mehr als der übliche Spleen eines jeden Detektivs – der eine züchtet Rosen und der nächste raucht Schaumpfeife. Heutzutage muss man sich also Autor schließlich schon etwas Besonderes für seinen Protagonisten ausdenken! „Grabesstimmen“ kommt also als straff durchkomponierter Krimi mit Mystery-Einschlag daher und bietet den Fans beider Genres genug, um sie durchgehend zu unterhalten.

Harris’ Spezialität ist die Beschreibung hinterwäldlerischer Südstaatennester, und auch in „Grabesstimmen“ hat sie mit Sarne wieder ein solch verqueres Stück Provinz beschrieben. Der Ort lebt im Sommer von Touristen, und die Einwohner sind sich nicht zu schade, sich in rüschige Kostüme zu werfen und in Touristenfallen Kuchen und sinnlose Souvenirs zu verkaufen. In den Wintermonaten werden die Bürgersteige jedoch hochgeklappt und Sarne präsentiert sich als das, was es in Wahrheit ist: ein ziemlich gottverlassenes Provinznest, bewohnt von Landeiern, die glauben, am Nabel der Welt zu leben. Und so wundert es kaum, dass die seltsame Harper zunächst auf Unverständnis, dann auf Ablehnung und schließlich auf offene Feindschaft stößt. Es fällt den Einwohnern leicht, sie als Außenseiterin zu brandmarken, und schlussendlich würden sie am liebsten ihr und ihrem Bruder die Mordserie in die Schuhe schieben. Wie auch schon in ihren Sookie-Romanen, legt Harris den Finger in die Wunde und zeigt Kleingeistigkeit und Provinzialität in all ihrer Härte.

Dabei kommt ihr auch ihre große Begabung zupass: überzeugende und lebensechte Charaktere zu erfinden. Das zeigt sich vor allem in Harper und Tolliver. Die beiden sind Halbgeschwister, deren Eltern sich ins Nirwana getrunken haben. Die harte Kindheit hat beide zusammengeschweißt, und diese ungewöhnliche Geschwisterliebe blitzt in jeder ihrer Szenen durch. Harris schafft es, ihre Beziehung glaubwürdig und trotzdem nicht kitschig wirken zu lassen. Der Leser erfährt einiges über Harpers und Tollivers Vergangenheit, und die Tatsache, dass diese Einschübe mitunter etwas gekünstelt und forciert wirken, ist das einzige Manko des Romans.

Harris‘ Begabung für Charakterstudien zeigt sich auch in diversen Nebenfiguren. Sie hat offensichtlich ein Faible dafür, nervtötende und (fast) überzeichnete Figuren zu erfinden, die nicht nur den Protagonisten, sondern auch dem Leser auf den Wecker fallen – unterhaltsam auf den Wecker fallen, wohlgemerkt. Einer dieser Charaktere ist die junge Mary Nell, ein Teenager im anstrengendsten Alter, die sich sofort unsterblich in Tolliver verliebt und gleichzeitig in Harper eine Konkurrentin um Tollivers Gunst sieht. Mary Nell biedert sich bei Tolliver an und fährt bei Harper die Krallen aus – ein Verhalten, das durchaus seine komischen Momente hat, auch wenn man Mary Nell hauptsächlich am Kragen packen und kräftig schütteln möchte.

_“Grabesstimmen“_ ist ein überaus kurzweiliger und spannender Krimi mit Mystery-Elementen und einem Protagonisten-Paar, das mit Charme, Witz und Charakterstärke schnell die Sympathien der Leser gewinnen wird. Dazu kommt ein Krimiplot um eine steigende Anzahl von Leichen, der sich zwar lange nicht mit den Größen des Genres messen kann, aber doch ein unterhaltsames Rätselspiel für zwei oder drei vergnügliche Leseabende bietet.

Eine Warnung am Schluss: Schwangere sollten sich von dem Roman unbedingt fernhalten. Harris hat für ihre Charaktere fast durchgehend Namen an der Schwelle der Erträglichkeit gewählt. Alle, die auf der Suche nach Babynamen sind, sollten also einen Bogen um „Grabesstimmen“ machen. Denn wer will schon sein Kind Harper, Tolliver, Teenie, Dell, Vernon oder Hollis nennen …

http://www.dtv.de

Home

_Charlaine Harris auf |Buchwurm.info|:_

|Sookie Stackhouse|

1. „Dead Until Dark“ ([„Vorübergehend tot“, 788 2006, ISBN 3937255141
2. „Living Dead in Dallas“ ([„Untot in Dallas“, 939 2006, ISBN 393725515X)
3. „Club Dead“ ([„Club Dead“, 1238 2005, ISBN 3937255168)
4. Dead to the World ([„Der Vampir, der mich liebte“, 2033 2005, ISBN 3423244747)
5. „Dead as a Doornail“ ([„Vampire bevorzugt“, 3157 2006 ISBN 342324545X)
6. „Definitely Dead“ („Ball der Vampire“, 2007 ISBN 3423209879)
7. „All Together Dead“ („Vampire schlafen fest“, 2008)
8. „From Dead to Worse“

Die Sookie-Stackhouse-Reihe wird momentan als TV-Serie unter dem Titel „True Blood“ von HBO verfilmt. Regie führt Alan Ball (Six Feet Under). Sookie Stackhouse wird von Anna Paquin („Das Piano“, ‚Rogue‘ in „X-Men“ 1-3) gespielt, Bill von Stephen Moyer („Land of the Blind“, „88 Minuten“).